Freitag, 945 Uhr – 1115 Uhr, 1130 Uhr - 1300 Uhr 0506 Theresianum, Raum 0604
W. Schwab und T. Hoffmann FG Biotechnologie der Naturstoffe TU München Liesel-Beckmann-Str. 1 85354 Freising Tel.: 08161-71-2912 Fax: 08161-71-2950 [email protected] www.wzw.tum.de/bmlt/
U: student P: esquire01
Lebensmitteltechnologie II für BBB-EH Enzymtechnologie
Lebensmitteltechnologie II für BBB-EH Vorlesungstermine WS 2011 21.10 Proteinreiche LM 28.10 Proteinreiche LM/Alkaloid LM 04.11 Alkaloid LM 11.11 Kontaminationen 18.11 Bedarfsgegenstände/Kosmetische Mittel 25.11 Bedarfsgegenstände/Kosmetische Mittel 02.12 fällt aus 09.12 Biotechnologisch hergestellte LM 16.12 Gentechnisch veränderte LM 23.12 Weihnachten 13.01 fällt aus 20.01 Aromastoffe - Sensorik 27.01 Enzymtechnologie 03.02 Wiederholungsklausur LMT I 10.02 Klausur LMT II
Termine
Enzymtechnologie
INHALTE • Eigenschaften von Enzymen • Einteilung der Enzyme • Enzyme für die Analytik • Enzyme in Waschmitteln • Enzyme zum Abbau von Stärke und anderen Polymerzuckern • Enzyme in der Milchproduktion • Neue Wege zu technischen Enzymen
Literatur
Lebensmitteltechnologie: Biotechnologische, chemische, mechanische und thermische Verfahren der Lebensmittelverarbeitung Rudolf Heiss Springer-Verlag
Lehrbuch der Lebensmittelchemie Hans-Dieter Belitz, Werner Grosch, Peter Schieberle Springer-Verlag
Eigenschaften von Enzymen • Begriff leitet sich von zyme (gr. = Hefe) ab • Enzyme sind Proteine oder Proteide, die chemische Reaktionen katalysieren. Sie spalten oder knüpfen chemische Bindungen (Reaktions-, Produktspezifität) • Enzyme wählen zwischen verschiedenen energetisch möglichen Reaktionen eine aus und setzen die Aktivierungsenergie dieser Reaktion herab (Regio- und Enantioselektivität) • Enzyme enden meist auf der Silbe –ase • Stoffe, die von einem Enzym umgesetzt werden bezeichnet man als Substrate (Substratspezifität)
Selektivität
Substrat
Reaktion
Produkt
Regioselektivität
Enantioselektivität
Eigenschaften von Enzymen Enzyme sind ein Milliardenmarkt
Eigenschaften von Enzymen Enzyme sind ein Milliardenmarkt
Verteilung der Anwendungsbereiche auf dem Weltmarkt (Quelle: "Biokatalyse in der industriellen Produktion", Verein deutscher Ingenieure - VDI, 2006)
Unkatalysierte Reaktion Katalysierte Reaktion Nettoenergiegewinn bleibt gleich
Eigenschaften von Enzymen Aktivierungsenergie
Katalysatoren ändern weder den Betrag von ΔG noch die Lage des Gleichgewichts zwischen den Reaktionspartnern (Zeit zur Einstellung des Gleichgewichts wird verringert)
Entstehung eines Enzym-Substrat-Komplexes (ES) erleichtert den Bruch der Bindungen bei den Edukten => Katalysatoren verringern die Aktivierungsenergie
Für die katalytische Wirksamkeit eines Enzyms ist immer eine bestimmte Region des Enzyms verantwortlich aktives Zentrum Enzyme steigern Reaktionsgeschwindigkeit weit mehr als chemische Katalysatoren (bis zu 1000-fach)
Eigenschaften von Enzymen Enzym-Substrat-Komplex
Eigenschaften von Enzymen Das aktive Zentrum
Bestimmte exponierte AS-Seitenketten in der Substratbindungstasche bilden Bindungen zu den Substratmolekülen aus (H-Brücken-, kovalente Bindungen, Ionen-, Van der Waals Bindungen)
• Von mehreren verwandten Molekülen wird nur eins gezielt umgesetzt (Schlüssel-Schloß-Prinzip) • Proteinasen spalten Peptidbindungen unter Bindung von Wasser • Trypsin spaltet Polypeptide am C-terminalen Ende der basischen Aminosäuren Lysin oder Arginin, während Chymotrypsin an apolaren Seitenketten spaltet.
Eigenschaften von Enzymen Substratspezifität
Regiospezifität
Eigenschaften von Enzymen Serinproteinasen – katalytische Triade
Lys59 H2O
NADP
EDHMF
H2O
Lys59
NADP
EDHMF N
R
H2NO
HSHR
O
HOO
Eigenschaften von Enzymen Induced Fit - Mechanismus
Eigenschaften von Enzymen Enzymkinetik
Mit den quantitativen Beziehungen zwischen Reaktionsgeschwindigkeit und Enzym- und Substratkonzentration beschäftigt sich die Enzymkinetik Die Geschwindigkeit einer chemischen Reaktion wird als Konzentrationsänderung pro Zeit definiert (Substrat oder Produkt) Neben der Enzymkonzentration und der Substratkonzentration ist die Reaktionsgeschwindigkeit abhängig von enzymspezifischen Eigenschaften.
Umsatzrate: Wie schnell kann ein gebundenes Enzymsubstrat umgesetzt werden ? Affinität zum Substrat: Wie schnell wird das aktive Zentrum nach einer erfolgreichen Stoffumsetzung wieder mit frischem Substrat besetzt ?
Eigenschaften von Enzymen Enzymparameter
Umsatzrate: Vmax • Wechselzahl (turnover number): Anzahl der Substratmoleküle, die pro Enzym und pro Zeiteinheit umgesetzt werden (3 x 106/min für Acetylcholinesterase) • Enzymaktivität: Zunahme der Reaktionsgeschwindigkeit durch eine bestimmte Menge an Enzyms unter standardisierten Bedingungen: U(nits): μM/min = 16,7 nkat (1 Katal (mol/sek.) Affinität zum Substrat: Km-Wert
je niedriger der Km-Wert desto höher die Affinität eines Enzyms zu seinem Substrat
Einteilung der Enzyme
Eliminierung Addition
Einteilung der Enzyme Enzyme in der Anwendungstechnik
Enzyme in der Anwendungstechnik • Die Stereo- und und Wirkspezifität von Enzymen und deren höhere Aktivität gegenüber chemischen Katalysatoren macht Enzyme für viele technische Anwendungen interessant. • Es kommen v.a. solche Enzyme zum Einsatz, die keine teuren Cofaktoren benötigen (Hydrolasen, Lyasen, Isomerasen und einige Oxidoreduktasen)
Enzyme in Lebensmittelanwendungen Kohlenhydrat-modifizierende Enzyme Lipasen Proteasen Oxidasen Enzyme in Reinigungssystemen Proteasen, Lipasen, Cellulasen Enzyme in Stoffaufbereitung und Veredelung (Papier, Textil, Leder) Proteasen, Kohlenhydrat-modifizierende Enzyme Enzyme in der chemischen (organischen) Synthese Biokatalyse alle Klassen von Enzymen Enzyme in der Forschung (Gentechnik, Molekularbiologie) Enzyme in der Diagnostik Enzymtests Biosensoren
Enzyme - Anwendungsbeispiele
Enzyme für die Analytik • Substrat- und Wirkspezifität von Enzymen In komplexen Matrizes können einzelne Komponenten selektiv erfasst werden • Ab 1950 hat sich die Bestimmung von Enzymen bzw. die Substratanalytik als wichtiges Instrument zur Diagnose von Krankheiten etabliert • Heute : Markt für klinische Enzymdiagnostik beträgt etwa 6 Mrd. US-$/a • Weitere Anwendungsfelder: Lebensmittelanalytik, Bioprozesskontrolle und Umweltanalytik
Enzyme - Endpunktmethode
• Voraussetzung: Einstellung des Gleichgewichts (Dauer abhängig von Vmax und KM; i.R. einige Minuten) • Wahl des Messzeitpunktes ist nicht kritisch • Methode der Wahl bei gekoppelten Reaktionen
Wellenlänge
NAD NADH
Enzyme für die Analytik Sulfitbestimmung
Enzyme in Waschmitteln - Historisches
• Der deutsche Chemiker Otto Röhm bringt 1914 das Spezialwaschmittel „Burnus“ auf den Markt, das mit Pankreasenzymen angereichert ist • 1968 kommt das erste Vollwaschmittel, in dem mikrobielle Proteasen enthalten sind, auf den Markt • In den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts kommt die Diskussion über das allergene Potential von Waschmittelproteasen auf • Heute: Fast alle Waschmittel enthalten Enzyme (neben Proteasen auch Cellulasen, Lipasen und Amylasen) 1000 t/a rekombinante Proteasen
Bestandteil Zweck Tenside lösen den Schmutz aus der Wäsche Vergrauungsinhibitoren binden den Schmutz und verhindern Wiederablagerung auf der Wäsche Bleichmittel zerstören unerwünschte Farbpigmente Bleichaktivatoren lassen Bleichmittel bereits bei niedrigen Temperaturen wirken Optische Aufheller lassen weiße Wäsche noch weißer erscheinen Verfärbungsinhibitoren verhindern das Verfärben Parfüme/Duftstoffe Geruchsverbesserung Enthärter, Gerüststoffe enthärten das Wasser und verhindern Kalkablagerungen in Maschinen und Wäsche Enzyme lösen als Katalysatoren für chemische Prozesse bestimmte Typen von Schmutz
Enzyme in Waschmitteln Eingesetzte Enzyme
• Proteasen: Subtilisine Proteinverschmutzungen aus Blut, Ei, Milch,… Serin-Proteasen aus Bacillus-Stämmen (Subtilisine) • Amylasen: spalten Stärkeverschmutzungen in Kartoffelbrei, Schokolade, Pudding,… alkalitolerante, thermophile Bacillus-Amylasen • Lipasen: spalten Fette und wirken gegen Bratenfett alkalisches pH-Optimum Humicola insolens (Pilz) oder Aspergillus oryzae (rekombinant) • Cellulasen: entfernen abstehende Baumwollfasern Wäsche fühlt sich weicher an und wirkt farbenfroher Endocellulasen mit geeignetem pHOptimum; Humicola insolens oder Bacillus
Enzyme – Stärkeabbau
• Stärke ist nach der Cellulose das zweithäufigste Polysaccharid auf der Erde • Wichtige C-Quelle bei Fermentationsverfahren • Stärke ist ein nachwachsender Rohstoff 20 Mio t (1995) davon 70 % aus Mais 20 % aus der Kartoffel • 20% direkt verwendet 30% chemisch modifiziert 50 % wird zu oligomeren Dextrinen und D-Glucose verzuckert • Stärke findet sich in den Chloroplasten in spezialisierten kleinen Organellen (Amyloplasten)
unverzweigte α 1-4 verknüpfte Ketten von 200 - 300 Glucoseresten
Jeder 20 – 25 Glucose-Rest ist über eine α 1-6 Brücke mit einer weiteren Kette verknüpft (Hunderttausende von Glucoseresten möglich)
Stärke - Biochemie
Verarbeitung – Vorbereitung
• Stärke ist in kaltem Wasser unlöslich, kann aber teilweise durch Erhitzen gelöst werden (Amylose !). • In einem bestimmten Temperaturbereich (Verkleisterungsbereich) quillt die Stärke und nimmt unter Volumenzunahme sehr viel Wasser auf Voraussetzung für Modifikation und Abbau
Verarbeitung – Enzyme • α-Amylase (endo-Amylase): Spaltet α 1-4-glycosidische Bindungen innerhalb der Kette Maltose, Maltotriosen und andere Oligosaccharide • ß-Amylase (exo-Amylase): Spaltet Maltose-Einheiten vom nichtreduzierenden Ende ab (Spaltet α 1-4-glycosidische Bindungen) • Glucoamylase: (γ-Amylase): Spaltet D-Maltose zu 2 Molekülen D-Glucose und mit geringer Geschwindigkeit auch α 1-6-glycosidische Bindungen im Amylopektin • Pullulanasen: spaltet α 1-6-glycosidische Bindungen im Pullulan, aber auch Amylopektin • Isoamylasen: spaltet α 1-6-glycosidische Bindungen im Amylopektin, aber auch im Pullulan (mit geringerer Geschwindigkeit)
Pullulan ist ein lineares Polysaccharid wobei drei Glukose-Einheiten einer Maltotriose durch α-1,4 glykosidische Verbindungen miteinander verbunden, während aufeinanderfolgende Maltotriose-Einheiten durch α-1,6 Verbindungen zusammenhängen
α-Amylase – Allgemein
• α-Amylasen finden sich in allen Hauptgruppen der Lebewesen (Bakterien, Pilze, Pflanzen und Tiere) • Technisch eingesetzte α-Amylasen stammen aus Bakterien (Bacillus-Arten) und Pilzen (Aspergillus oryzae) • α-Amylasen bilden eine große Proteinfamilie, die durch eine gemeinsame Enzymstruktur ausgezeichnet ist: (αß)8-Supersekundärstruktur
α-Amylase – Technischer Einsatz
• Mehrere α-Amylasen wurden kloniert und in Produktionsstämmen überexprimiert technischer Einsatz je nach pH oder Temperaturanforderung • Bakterielle α-Amylasen weisen ein wesentlich höheres Temperaturoptimum auf ( Bacillus licheniformis: 78 °C) und sind alkalistabiler • Kommerziell verwendete bakterielle α-Amylasen entweder aus B. amyloliquefaciens (verschiedene Hersteller) oder aus B. licheniformis (Novo Industries A/S - höhere Stabilität bei hohen Temperaturen)
Beim Bierbrauen werden die natürlicherweise im Getreide vorkommenden Enzyme genutzt. Biotechnologisch hergestellte Amylasen werden als Mehlbehandlungsmittel eingesetzt, wenn das Mehl zu wenig Gasbildungsvermögen aufweist. Durch die Amylasen entstehen vergärbare Mono- und Disaccharide, die bei der Gare in Kohlendioxid umgewandelt werden und somit den Teig aufgehen lassen. Außerdem erhalten die Gebäcke nach der Behandlung eine bessere Bräunung Weitere Verwendung für die Stärke-Verzuckerung
ß-Amylasen • ß-Amylasen finden sich hauptsächlich in Pflanzen (Mobilisierung der Stärkereserven in Keimlingen) und seltener in Bakterien • Großtechnisch wird v.a. ein Enzym aus Bacillus stearothermophilus zur Produktion von Maltosesirup verwendet
„Debranching“-Enzyme Das „Debranching“-Enzym ist multifunktionell, es besteht selbst aus zwei Enzymen, die zwei Teilschritte der Reaktion katalysieren: die 4-α-Glucanotransferase und die Amylo-α-1,6-Glucosidase • Bereits 1951 wurden die ersten Glucoamylasen charakterisiert, die aus den Pilzen Aspergillus niger („Amyloglucosidase“) und Rhizopus delemar („Glucoamylase“) isoliert wurden werden auch heute noch eingesetzt • Glucoamylasen entfernen Glucosereste vom nicht-reduzierenden Ende des Zuckers her • Werden v.a. in der zweiten Stufe der Stärkeverzuckerung eingesetzt • Pullulanase aus Klebsiella pneumoniae oder Bacillus cereus wird ebenfalls technisch hergestellt
Zunächst wird von der 4-α-Glucanotransferase eine Seitenkette bis auf einen einzelnen Glucoserest auf eine andere Seitenkette übertragen
„Debranching“-Enzyme
Dann wird der einzelne Glucoserest von der Amylo-α-1,6-Glucosidase hydrolysiert. Der Prozess beginnt von vorn, bis alle Seitenketten abgebaut sind und lineares Dextrin vorliegt.
+ H2O
+ α-D-Glucose
„Debranching“-Enzyme
Herstellung der Enzyme • Oberflächenfermentation (klassisch), aber auch in großvolumigen Bioreaktoren (120 m3) im Submersverfahren • Extrazelluläre Enzyme + Mengenprodukte mit geringen Preisen leichte Reinigung (Ultrafiltration, Fällung)
Stärkeverzuckerung - Verfahren
• ca. 10 Mio t Stärke werden jährlich enzymatisch verzuckert
• 6 Mio t dienen zur Herstellung von Isoglucose ( auch HFS = high fructose syrup: Süßungsmittel in USA) - Rest für diverse Anwendungen u.a. C-Quelle für Fermentationen • Herstellung von Maltose- oder Hochkonversionssirup häufig mit α- Amylasen aus Aspergillus niger (hohe Viskosität, aber geringe Bräunungs- und Kristallisationsneigung)
Stärkeverzuckerung - Verwendung
DE = Menge reduzierender Zucker/Gesamtmenge Kohlehydrate x 100
Cyclodextrine - Molekulare Zuckertüte • Cyclodextrin-Gycosyltransferasen spalten α 1-4-glycosidische Bindungen unter Bildung von Cyclodextrinen • Cyclodextrine können aus 6-(α-Cyclodextrin) 7-(β-Cyclodextrin oder 8 Zuckermolekülen (γ-Cyclodextrin) bestehen
Cyclodextrine - Synthese
Cyclodextrine - Eigenschaften/Anwendung • Löslichkeit von organischen Verbindungen in wässrigem Milieu wird verbessert • Empfindlichkeit gegenüber UV-Licht und Strahlung wird verringert • Stabilisierung leicht flüchtiger Verbindungen • Cyclodextrine, die an die stationäre Phase von Chromatographiesäulen gebunden sind, ermöglichen die stereoselektive Aufreinigung von Racematen
Enzyme und Süßkraft • Seit über 6.000 Jahren ist Zuckerrohr in Ostasien bekannt • 1801 errichtet Franz Carl Achard mit staatlicher Hilfe die erste Fabrik zur Herstellung von Zucker aus der „Runkelrübe“ • Ab 1850 sorgt der Konkurrenzkampf zwischen Zuckerrübe und Zuckerrohr für einen scharfen Preisverfall Zucker wird Allgemeingut • Enzyme spielen v.a. bei der Produktion von Grundstoffen für die Süßwarenindustrie und Zuckeraustauschstoffen eine wichtige Rolle • Süßkraft eines Austauschstoffes wird mit einer 10 %-igen Saccharoselösung verglichen
Invertzucker • Invertase spaltet Saccharose in die Einzelzucker D-Glucose und D-Fructose • Süßkraft identisch mit Saccharose, aber keine Kristallbildung Verwendung als Füllung für Bonbon- und Pralinefüllungen • Invertase wird aus der Zellmasse von Saccharomyces cerevisiae gewonnen • 70 %-iger Saccharosesirup wird in einem Enzymreaktor (immobilisierte Invertase) mehrere Tage kontinuierlich zu Invertzucker verarbeitet (55°C).
Isoglucose • Großteil der verzuckerten Stärke wird zu Isoglucose weiterverarbeitet (3,5 Mio t Isoglucose-42 und 4,5 Mio t Isoglucose-55 - 80 % davon in Nordamerika hergestellt) • Mais-/Weizen-Stärke dienen als Grundstoff („corn syrup“) • Glucose-Isomerase (aus Streptomyces-Arten oder Bacillus coagulans) wandelt D-Glucose zu D-Fructose (42 %) um HFS („high fructose syrup“) • Isoglucose-42 hat etwas geringere Süßkraft als Saccharose, wird aber gerne für Getränke und Obstkonserven eingesetzt (Produktionstendenz steigend) • Ursache für die geringere Süßkraft ist der Glucoseanteil Herstellung von Isoglucose-55 • Glucose wird chromatographisch von der Fructose getrennt und erneut mit Glucose-Isomerase behandelt Fructoseanteil steigt auf 55 %; Verwendung v.a. bei gekühlten Soft-Drinks
D-Fructose
• D-Fructose weist eine deutlich höhere Süßkraft auf als Saccharose • Gewinnung durch chromatographische Verfahren aus Invertzucker oder Isoglucose • Topinambur (Jerusalem-Artischocke) enthält in ihrer Knolle 75 Gew-% Inulin (Fructose-Polymer)
Enzymatischer Abbau von Cellulose/Polyose • Cellulose ist das häufigste Zuckerpolymer auf der Erde; Jahresproduktion der Biosphäre 20 Mrd. Tonnen • Nahrungsmittelindustrie verwendet Cellulasen und Hemicellulasen v.a. zur schonenden Pürierung von Gemüse und Früchten • Weitere Anwendungen ergeben sich auch in der Zellstoff- und Papierindustrie • Alkalische Cellulasen dienen als Hilfsstoffe in Waschmitteln • Preise für Bio-Ethanol: 0,80 - 0,90 (0,45 - 0,55) Euro/l Benzinäquivalent « 0,20 Euro/l für Normalbenzin
Cellulose Cellulase Biokatalyse Bio-Ethanol
Chemie der Cellulose • Cellulose ist der Hauptbestandteil der pflanzlichen Zellwand • Etwa 10.000 D-Glucose- Moleküle werden ß-1-4-glycosidisch zu einem langen, linearen Polymer verknüpft. • Wasserstoffbrücken sorgen für eine parallele Anordnung der Glucoseketten Mikrofibrillen
Chemie der Hemicellulosen • Die Hemicellulosen bilden die restlichen 20 % der pflanzlichen Zellwand • Hemicellulosen sind eine heterogene Mischung aus verschiedenen Zuckerpolymeren (Pentosen, Hexosen, Desoxyhexosen und Hexuronsäuren, v.a. Xylane, Xyloglucane, Arabinogalactane usw.) die über nicht kovalente Bindungen mit den Cellulosefasern verbunden sind • Die Verbindung zwischen den Komplexen stellen neutrale oder saure Pektine her (Galacturonsäurebaustein) • Ein collagenartiges Protein vervollständigt den Aufbau der Primärwand von Pflanzenzellen (Extensin)
Natürlicher Abbau von (Hemi-)Cellulose • Natürlicher Abbau cellulosehaltiger Materialien v.a. durch Weißfäulepilze (simultaner oder sukzessiver Abbau von Cellulose, Hemicellulose und Lignin) • Neben Enzymen, die ins Medium sezerniert werden, ist die mechanische Lockerung durch Pilzmycel entscheidend • Cellulose-abbauende Clostridienarten vereinigen Cellulose degradierende Enzyme im sogenannten Cellulosom • Celluloseabbau in der Natur erfolgt durch die synergistische Aktion dreier unterschiedlicher Enzymsysteme • Endo-ß-Glucanasen greifen die wenigen amorphen Bereiche der Cellulose an Entstehung freier reduzierender Enden • Exo-ß-Glucanasen spalten vom Ende her Cellobiose-Einheiten ab • ß-Glucosidasen spalten Cellobiose und mehrgliedrige Zuckerpolymere
Disaccharide
Biotechnologisch nutzbare Cellulasen • Im Anschluss an den 2. Weltkrieg konnte der erste Cellulose produzierende Pilz, Trichoderma reesei isoliert werden • Cellulasen lassen sich aus vielen Organismen isolieren (Bakterien: Cellulomonas, Clostridium ssp.; Pilze: Aspergillus niger, Humicola insolens) • Zur Holzverzuckerung wird v.a. ein ins Medium sezerniertes Enzymgemisch (Endo-ß-Glucanase, Exo-ß-Glucanase und ß-Glucosidase) aus gentechnisch veränderten Trichoderma reesei-Stämmen verwendet. • Herstellung: Oberflächen-Fermentation oder submers im Bioreaktor (Zellabtrennung - Fällung mit Ethanol)
Cellulose-Verzuckerung - Ungelöste Probleme • Mindestens 3 Enzyme müssen synergistisch zusammenwirken • Geringe Aktivität der Cellulasen • Lösliche Cellulasen müssen ein wasserunlösliches Substrat umsetzen • Catabolit-Repression und Endprodukthemmung sorgen für geringe Produkt ausbeuten
Cellulose-Verzuckerung - Aktuelle Verfahren
• Bei enzymatischen Verfahren zur Celluloseverzuckerung muss die Biomasse adäquat vorbehandelt werden (z.B. alkalische Extraktion von Lignin/Hemicellulose bei hohen Temperaturen) optimale Bedingungen für Cellulasen • SHF-Verfahren: „separate hydrolysis and fermentation“ • Neueres Verfahren umgeht die Endprodukthemmung durch gleichzeitige Hydrolyse und Fermentation: SSF (simultaneous saccharification and fermentation
Pektinasen
α-1,4-Polygalacturonsäure
Pektat-Lyase Pektin-Lyase
Pektin- Methylesterase
Pektinase Polygalacturonase
Pektin- Methylesterase
Pektin: X = CH3 Pektat: X = H
Pektinasen werden oft in Kombination mit weiteren Enzymen eingesetzt: •vor allem bei der Herstellung von Fruchtsäften und Gemüsesäften Saftausbeute zu erhöhen. (bei Beeren verbessern Pektinasen die Extraktion von Farb- und Aromastoffen , klären sie naturtrübe Säfte, bei Beeren, Südfrüchten, Äpfel und Birnen sind Pektinase-Zusätze allgemein üblich. •zur Herstellung von Konzentraten aus Obst oder Gemüse (schonend erwärmte Masse aus rohen Pflanzen oder Pflanzenteilen) - etwa bei Tomaten, Zwiebeln, Möhren, Paprika, •bei der Gewinnung von Farbextrakten und färbenden Lebensmitteln aus pflanzlichen Rohstoffen •bei der Gewinnung von hochkonzentrierten Zitrusaromen aus den Schalen von Zitrusfrüchten •bei der Weinherstellung: Pektinasen unterstützen die Klärung des frisch gepressten Mosts und verbessern seine Konsistenz. Der Wein wird dünnflüssiger. •in der Futtermittelindustrie (Polygalacturonase, Pektinlyase)
Pektinasen Anwendungen
Enzyme und Milchprodukte
• Hochspezifische Proteasen (Lab, Rennin) zur Käseherstellung; > 1000 t/a • Lipasen, Proteasen bei Reifung Käsearoma ß-Galactosidase • Lactose D-Glucose + D-Galactose Lactose-reduziert, Lactose-frei • Molkeverwertung: 50 Mio. t/a aus der Quark-/Käseherstellung; Hydrolysierte Molkenproteine, Lactose-reduzierte Molke • Entwicklungsländer: Enzymatische Sterilisation von Milchprodukten mit Lysozym und H2O2
Zusammensetzung von Milch
Für die Denaturierung von Casein-Mizellen existieren 3 Möglichkeiten • Ca2+ > 6 mM • pH-Wert < 4,6 • Spaltung der Peptidbindung zwischen 105Phe und 106Met durch Chymosin (Rennin) Chymosin ist eine Protease, die bei allen Säugern im oberen Verdauungstrakt vorkommt
Caseinspaltende Proteasen
• Chymosin wird beim Menschen als inaktives Pro-Chymosin (Zymogen) im Magen gebildet und wird erst durch die Magensäure in aktives Chymosin umgewandelt • Traditionelle Gewinnung: Aus Labmägen von Schlachtkälbern Nebenaktivitäten anderer Enzyme (Geschmacksbeeinflussung) + schwer standardisierbar • Asien: „mikrobielles Lab“ aus Mucor miehei (billiger, leichter und reiner produzierbar) • 1981 erstmals Herstellung rekombinanten Chymosins: Pro-Chymosin m-RNA cDNA Klonierung in E. coli oder Hefe • Mittlerweile wird rekombinantes Chymosin auch in Kluyveromyces lactis und Aspergillus niger hergestellt (Export der Protease) keine Nebenaktivitäten
Caseinspaltende Proteasen
• Käse, der mit rekombinantem Chymosin hergestellt wird ist kein gentechnologisch verändertes Lebensmittel (Chymosin wird nur zur Herstellung verwendet; Protease ist empfindlich und wird beim Reifen schnell zerstört) • 1992 wurde rekombinantes Chymosin zur Produktion von Käse in den USA zugelassen; 1997 in Deutschland • 80 % der Hartkäse in USA und 90 % der Käse in England werden mittlerweile mit rekombinantem Chymosin hergestellt
Lactase-Defizienz • In vielen Kulturen: Milch wird nur in der Stillzeit gut vertragen Erwachsene zeigen Lactose-Intoleranz • Übelkeit, Blähungen und durchfallartige Symptome sind die Folge • In den Mikrovilli der Darmepithelien fehlt das Enzym Lactase • Anhäufung von Lactose im Darm führt zu einer osmotisch ungünstigen Situation und zu einer stark gasenden Vergärung durch die Dickdarmflora • Nur 3 % der Dänen, aber 97 % der Thailänder betroffen (Ausnahme Kaukasier) • Abhilfe durch Milchprodukte, bei denen die Lactose vorher bereits enzymatisch abgebaut wurde (Joghurt) • Ursachen: a) genetisch bedingt; b) durch Krankheit bedingt; c) abnehmende Lactase-Produktion im Alter
Galactosämie
• Von der Lactoseintoleranz ist die Galactosämie zu unterscheiden, die auf einem Gendefekt (Chromosom 9) beruht Organismus wird mit toxischen Stoffwechselprodukten überschwemmt (v.a. Galactit) • Abhilfe verschafft hier nur eine galactosefreie Diät
Käsearoma
• Kurz- und mittelkettige Triglyceride in der Milch können mittels Lipasen zu Käsearomen verarbeitet werden (enzyme-modified cheeses - EMC) • Kettenlänge und Enzym bestimmen die Geschmacksnote
Neue Wege zu technischen Enzymen
• Für wichtige Reaktionstypen (C-C-Verknüpfung) stehen nur wenige Enzyme zur Verfügung • Einige Enzyme benötigen teure Cofaktoren Suche nach neuartigen und alternative Enzymen durch • Rationales Protein-Design • Gerichtete Evolution zur Verbesserung der Enzymeigenschaften • Neue Screening-Strategien zur Ausschöpfung der natürlicherweise vorhandenen Enzym-Diversität
Protein-Design
• Protein Design, Protein Engineering: Willkürliche Änderung einer Proteinsequenz mit gentechnischen Methoden • Voraussetzung: Gen eines Proteins kloniert und exprimierbar; Informationen über die Raumstruktur vorhanden (optional) • Rationales Protein-Design: bekannte Raumstruktur gezielte Veränderung einzelner Aminosäuren oder Sequenzabschnitte • Gerichtete Evolution: Zufallsgesteuerte Veränderung der Aminosäuresequenz Selektion der erzeugten Varianten (Raumstruktur nicht nötig) • Ziele: Hinweis auf katalytischen Mechanismus - Veränderung der Substrat-Bindungseigenschaften - Veränderung anderer Enzymeigenschaften (Temperatur-, Proteasestabilität, allergenes Potential, Löslichkeit)
Neue Screening Strategien
• Isolierung von Mikroorganismen aus extremen Standorten (hochalkalisch, stark sauer, Tiefseesedimente) • Erste thermostabile DNA-Polymerase aus Thermus aquaticus verwendet (Taq-Polymerase) • Bakterium das aus 90° heißen Schwefelquellen („Old Faithful“ im Yellostone Nationalpark) isoliert wurde und dessen optimale Wachstumstemperatur bei 72 °C liegt DNA-Polymerase wird beim Denaturieren nicht zerstört • Suche nach Enzymkonsensussequenzen in den Genomen neu sequenzierter Mikroorganismen • Nur 1 % der auf der Erde vorkommenden Bakterien sind bisher bekannt Screening in Umweltgenombanken (auch bisher nicht kultivierter Bakterien enthalten)
Metagenom