Protokoll-Nr. 18/29
18. Wahlperiode
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauenund Jugend
Unterausschuss "Bürgerschaftliches Engagement"
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Kurzprotokollder 29. Sitzung
Unterausschuss "Bürgerschaftliches Engagement"Berlin, den 18. Januar 2017, 16:00 UhrPaul-Löbe-HausSitzungssaal: E.600
Vorsitz: Willi Brase, MdB
Tagesordnung
Tagesordnungspunkt 1 Seite 7
Fachgespräch zum Thema "BürgerschaftlichesEngagement und Internet/Soziale Medien"
Tagesordnungspunkt 2 Seite 20
Verschiedenes
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Tagesordnungspunkt 1
Fachgespräch zum Thema "BürgerschaftlichesEngagement und Internet/Soziale Medien"
Der Vorsitzende begrüßt die Anwesenden zur öf-fentlichen 29. Sitzung des Unterausschusses „Bür-gerschaftliches Engagement“. Zunächst wünscheer allen noch ein gutes, vor allem gesundes neuesJahr. Besonders willkommen heiße er die Sachver-ständigen für das heutige Fachgespräch zum The-ma „Bürgerschaftliches Engagement und Internet/Soziale Medien“: Herrn Julian Fischer von Wiki-media Deutschland, Frau Carolin Silbernagl von„betterplace lab“ und Herrn Dr. Mike Weber vonFraunhofer FOKUS. Bevor er Herrn Dr. Weber dasWort für sein Eingangsstatement erteile, wolle ernoch darauf hinweisen, dass den Mitgliedern alsTischvorlage Präsentationen von Herrn Dr. Weber(Anlage 1) und Frau Silbernagl (Anlage 2) vorlä-gen. Aufgrund wichtiger Anschlusstermine eini-ger Kolleginnen und Kollegen habe man im Vor-feld besprochen, die Sitzung gegen 17:45 Uhr zubeenden.
Herr Dr. Mike Weber (Fraunhofer FOKUS) be-dankt sich zunächst für die Einladung. Ein Grundhierfür sei wohl jenes von Fraunhofer FOKUS vorfast drei Jahren erarbeitete Whitepaper zum The-ma „Digitales bürgerschaftliches Engagement“(www.oeffentliche-it.de/publikationen?doc=14464)
gewesen, dessen Ziel es gewesen sei, eine gewisseStrukturierung, einen Überblick und eine Diskus-sionsgrundlage zu diesem Thema zu liefern. Bevorer auf die wesentlichen Ergebnisse eingehe, wolleer darauf hinweisen, aus welcher Perspektive manauf das Thema geschaut habe. Wenn heute überInternet, Digitalisierung und soziale Medien gere-det werde, denke man oftmals als erstes an großekommerzielle Plattformen. Das Internet sei jedoch,wenn man sich seine Geschichte vergegenwärtige,zunächst einmal eine Graswurzelbewegung, alsoeigentlich ein Instrument der Bürgergesellschaft,gewesen. Vor diesem Hintergrund habe man sichdem Thema genähert. Dabei habe man gerade beietablierten Organisationen eine gewisse Zurück-haltung bei der Nutzung digitaler Medien gespürt.Einige Beispiele dafür habe man in der Studie zu-sammengetragen. Gleichwohl habe man dasGrundverständnis und die Intention in fünf posi-tiv gewendete Thesen und Kernaussagen zusam-mengefasst, die er kurz skizzieren werde.
Im Zentrum stehe die erste These, nämlich „ITstärkt bürgerschaftliches Engagement“ und diesauf ganz unterschiedlichen Ebenen und Berei-chen, von denen er drei explizit hervorheben wol-le. Die zweite These laute, die Digitalisierung,d. h. der Einsatz von IT im bürgerschaftlichenEngagement, bedeute eine Flexibilisierung, die einimmer stärker werdendes gesellschaftlichesGrundbedürfnis bediene. Einen Wikipedia-Artikelkönne man z. B. orts- und zeitunabhängig jeder-zeit bearbeiten, korrigieren und kommentieren.Gerade für die Gewinnung neuer Engagierter er-lange der Aspekt der Flexibilisierung zusätzlicheBedeutung. Die dritte These laute, dass die Orga-nisationen von den neuen Möglichkeiten starkprofitieren könnten. Einerseits könnten sie da-durch eigene Abläufe und das eigene Angebot op-timieren, also ein eher effizienzorientiertes Krite-rium, andererseits biete sich für sie die Möglich-keit, sich neue Felder zu erschließen. Damit sei erschon bei der vierten These, die besage, „Digitali-sierung bringt neue Formen bürgerschaftlichenEngagements hervor“. Wikipedia sei ein Beispielhierfür, es gebe aber noch viele weitere, etwa diePlattform, auf der Sehbeeinträchtigte Bilder undVideos einstellen könnten, die dann live von an-deren kommentiert würden. Diese Form des Enga-gements wäre ohne digitale Hilfsmittel überhauptnicht möglich. Daraus folge die fünfte These: „Di-gitales Engagement verdient die gleiche Anerken-nung, Würdigung und auch Förderung wie andereFormen des bürgerschaftlichen Engagements.“
In einem zweiten Schritt habe man in der Studieunterschiedliche Ausprägungen und Funktionendigitaler Bausteine bürgerschaftlichen Engage-ments identifiziert. Neben der eigentlichen digita-len Mitarbeit habe man drei weitere Bausteineausgemacht, die sich aus der E-Government-Dis-kussion ableiten ließen. Wichtig sei zum einen derInformationsaspekt. Dazu zählten z. B. Website,Newsletter, RSS-Feed, die über die Arbeit einerOrganisation informierten. Der zweite Baustein seidie Vernetzung, z. B. über soziale Netzwerke oderandere Formen der Interaktion. Der dritte Bau-stein sei die Vermittlung und Assistenz, die z. B.Vermittlungsbörsen oder digitale Plattformen fürKommunikation und Fundraising übernähmen.Die Bedeutung solcher Vermittlungsplattformensei gerade im Bereich Flüchtlingshilfe in denletzten Monaten deutlich geworden.
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Die genannten digital gestützten Bausteine könn-ten dazu beitragen, die Akquise und Bindung vonEngagierten an eine Organisation zu erhöhen undderen Außenwirkung zu steigern. Sie könnten zu-dem zu einer effizienteren Organisation, aber auchzur Mittelbeschaffung, z. B. durch Crowdfunding,beitragen. Schließlich könne dadurch die Organi-sationskultur sowohl nach innen als auch nachaußen gestärkt werden, z. B. durch einen vermehr-ten Austausch mit den eigenen Mitgliedern odermit den Engagierten etwa über das Leitbild derOrganisation, und zudem könnten die Koopera-tionsmöglichkeiten ausgebaut werden.
Aus den vielfältigen Funktionen und Möglichkei-ten, die die digitalen Bausteine für bürgerschaft-liches Engagement lieferten, habe man einige vor-sichtige Schlussfolgerungen für Handlungsbedarfeund Handlungsfelder der öffentlichen Hand iden-tifiziert. Oberste Prämisse bleibe dabei, durch dieFörderung so wenig wie möglich inhaltlichen Ein-fluss auf das Engagement zu nehmen. Gleichwohlgebe es gerade im Bereich der Digitalisierung guteMöglichkeiten der Förderung und Unterstützung.Das fange bei der IT-Ausstattung der Organisatio-nen an. Eine wichtige Querschnittsaufgabe seiauch, gemeinsame Software-Bausteine zu entwi-ckeln und anzubieten. Man selbst habe in dem Be-reich „Vermittlung“ eine kleine Plattform entwi-ckelt und Open Source gestellt, die von anderengenutzt und weiter verwendet werden könne. Einweiterer wichtiger Bereich sei die Qualifikationder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Orga-nisationen. Sie sei entscheidend, um die notwen-dige Unterstützung zu generieren und den Schrittin die Digitalisierung zu wagen. Ferner sei auchdie Anerkennung des digitalen bürgerschaftlichenEngagements ein weiterer wichtiger Aspekt.
Abschließend wolle er drei Punkte benennen, dieüber das Whitepaper hinausgingen, welche abervor dem Hintergrund der beschriebenen Entwick-lung des Internets wichtig seien. Zu betonen seierstens, dass kommerzielle Plattformen keineöffentliche Basisinfrastruktur seien. Wenn Face-book morgen die Allgemeinen Geschäftsbedingun-gen ändere, aufgekauft werde oder seine Tätigkeiteinstelle, fiele es als Plattform weg, ohne dass eshierfür einen Ersatz gebe. Sein Plädoyer sei daher,sich für die Entwicklung wieder verwertbarer
Bausteine einzusetzen. Dafür könne man auch aufeinen Bereich des digitalen bürgerschaftlichen En-gagements zählen, den es schon seit Jahrzehntengebe, nämlich die starke Open Source Communi-ty. Schließlich gelte es künftig auch mit Blick aufdas Thema „Integration“, z. B. bei Konzepten wieder „Smart City“, das digitale bürgerschaftlicheEngagement und das bürgerschaftliche Engage-ment insgesamt stets mitzudenken.
Frau Carolin Silbernagl (betterplace lab) betonteinleitend, dass der Beitrag von Herrn Dr. Webereine sehr gute Grundlage gelegt habe, auf der sieaufbauen könne. Betterplace lab beleuchte dasThema schon lange sehr intensiv, wenn auch eheraus einer Praxisperspektive heraus. Sie sei gebe-ten worden, in ihrem einführenden Beitrag zuskizzieren, wie sich digitale Technologie fürsoziale Zwecke und bürgerschaftliches Engage-ment nutzen lasse. Hierzu habe sie einige Ein-blicke aus der Arbeit von betterplace lab mitge-bracht, die sie näher erläutern wolle.
Zunächst wolle sie etwas zur Organisation selbstsagen. Betterplace lab sei eine Abteilung des ge-meinnützigen Sozialunternehmens „better-place.org“, das die größte Online-Spendenplatt-form Europas betreibe. Betterplace lab sei einThink-and-Do-Tank, d. h. man probiere im Pilot-stadium viel aus, aber man erforsche auch – mitdem Fokus auf die sozial-digitale Schnittstelle –die Potenziale des technologischen Fortschrittsfür soziale Wirkung und vermittele dieses Wissenüber sozial-digitale Innovationen und Trends ak-tiv in den deutschen sozialen Sektor. Dies gesche-he sowohl über Studien als auch über operativeProgramme meist in Kooperation mit anderenzivilgesellschaftlichen Trägern oder auch Förder-partnern der öffentlichen Hand. Gleichzeitig neh-me man eine „Lautsprecherfunktion“ wahr, d. h.man führe Konferenzen und Veranstaltungendurch und habe eine große Online-Redaktion, diedie gewonnenen Erkenntnisse nach draußen trage.Man mache auch Workshops oder halte Vorträge,wie den heute hier im Unterausschuss, um dieDiskussion über das Thema voranzutreiben.
Sie wolle kurz vier aktuelle Projekte, Programmeund Studien skizzieren, die betterplace lab derzeit
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durchführe. Zum einen mache man gerade eineWirkungsevaluation zur Google Impact Challenge,dem bisher größten Förderwettbewerb für NGOsin Deutschland zum Thema „Digitalisierung undtechnologische Tools“. Man habe über die Spen-denplattform auch viel Einblick in das Thema„Online-Fundraising“, aber auch, weil man mitdem „NGO-Meter“ eine jährliche Auswertung vonzehn relevanten Indikatoren zum Online-Fund-raising von NGOs sowie eine jährliche Studie überdie Entwicklung des deutschen Spendenmarktsvorlege. Man mache auch viel Feldforschung imThemenbereich „Flüchtlingshilfe und Integration“mit dem Schwerpunkt auf digitale Tools und füh-re die Begleitforschung zum Programm „PrototypeFund“ der Open Knowledge Foundation durch.Dabei handele es sich um das erste Civic Tech-Förderinstrument, das vom BMBF mit getragenund mit finanziert werde.
Ihre These sei, dass die Digitalisierung im Ehren-amt von den Engagierten getragen werde. Wennman sich anschaue, wer sich in Deutschland enga-giere, stelle man erfreulicherweise fest, dass derAnteil der jungen Leute dabei konstant hoch seiund dass diese wiederum ihre Digitalisierungser-fahrungen mit ins Feld trügen. Dies werde sich inden nächsten Jahren noch verstärken. Sie wollekurz einige Fakten skizzieren: 100 Prozent der 14-bis 19-Jährigen nutzten das Internet jeden Tag undzwar durchschnittlich vier Stunden sowie über-wiegend mobil. Die Nutzer seien im Durchschnitt13 Jahre alt, wenn sie ihr erstes Online-Profil ein-richteten. 81 Prozent seien bei Facebook, aber an-dere Social Media-Kanäle wie Instagram undSnapchat seien inzwischen viel wichtiger. Nurvier Prozent der Jugendlichen hätten kein eigenesHandy und über die Hälfte habe ein eigenesSmartphone mit Internetflatrate, was wiederumdie hohen Nutzungszeiten erkläre. Diesen Hinter-grund müsse man mitdenken, wenn man überDigitalisierung im Ehrenamt rede. Denn diese„digital natives“, über die viel gesprochen werde,trügen ihre Art zu arbeiten und zu leben mit indas Engagement hinein.
Die Lebenswelt sei inzwischen insgesamt digitalsehr stark durchdrungen, damit sei es das sozialeEngagement auch. Es gebe zwei Bereiche, die mitt-lerweile Mainstream seien. Der eine sei die
Kommunikation und der andere das Fundraising.Kaum eine NGO oder Initiative verzichte heutenoch auf Website oder Social Media für die eigeneInformations- und Kampagnenarbeit und diemeisten hätten sogar mehr als einen Social MediaAccount. Sie betrieben also eine sehr bewussteund strategische Online-Kommunikation. Online-Fundraising sei zudem inzwischen nach Unter-nehmensspenden der zweitwichtigste strategischeKanal für die Mittelbeschaffung von zivilgesell-schaftlichen Organisationen und bei denjenigen,die ihn nutzten, mache der Anteil am Gesamt-spendenvolumen rund 30 Prozent aus. Es handelesich also inzwischen um eine bedeutende Basisfür die Finanzierung ihrer sozialen Arbeit.
Gleichzeitig sei dies nur ein kleiner Ausschnitt,denn Digitalisierung könne viel mehr. Die folgen-de Folie zeige die unterschiedlichen Ebenen derDigitalisierung. Als Tools würden in Deutschlandhauptsächlich Software, Social Media und Cloudsverwendet, um die eigene Arbeit zu unterstützen.Noch selten sei, dass NGOs oder Initiativen selbereigene IT-Angebote und -Lösungen entwickelten,um soziale Problemfelder zu bearbeiten und nochseltener sei bisher eine tatsächlich digitale Ar-beitsweise und -kultur anzutreffen, die agil, ver-netzt und transparent sei und auf einer integrier-ten digitalen Strategie beruhe.
Ein Beispiel, wie das aussehen könne, sei dasnoch sehr junge, in den USA beheimatete Projekt„wetheprotesters“ (www.wetheprotesters.org). Essei eine der wesentlichen Stützen der „BlackLives Matter“-Bewegung und sei im Kern digitalgedacht. Es biete eine Reihe von unterschiedli-chen Aktivitäten an, die der rechten Seite der Fo-lie zu entnehmen seien, wobei alle vier Ebenender Digitalisierung vertreten seien. „wethepro-testers“ verfolge im Kern eine digitale Strategieund offeriere IT-Angebote und Lösungen, z. B.„The National Police Violence Map“, wo man mitTweets oder Facebook-Posts hinzufügen könne,wenn man einen Akt von Polizeigewalt beobach-tet habe. Es gebe auch die „Campaign Zero“, beider Politik- und Steuerungsideen zur Verhinde-rung von Polizeigewalt gesammelt würden. Das„Police Use of Force Project“ wiederum sei einExperten-Volunteering, an dem sich neben Juris-ten alle Interessierten beteiligen könnten. Dabei
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gehe es darum, den Status Quo der gesetzlichenRegelungen in allen US-Bundesstaaten zusam-menzutragen und zu schauen, wo gesetzliche Lü-cken seien und wo nachgesteuert werden müsse.
Solche im Kern digitalen Projekte gebe es inDeutschland noch nicht viele, außer zum Teil imBereich der digitalen Flüchtlingshilfe. Die Organi-sationen und Initiativen schöpften also das Poten-zial der Digitalisierung noch nicht vollständig aus.Initiativen wie „wetheprotesters“ oder Wikipediaverfolgten hingegen eine ganzheitliche Strategie,bei der Arbeitskultur, Tools sowie Angebote undLösungen gezielt integriert seien und als PaketSinn machten. In Deutschland sei man hingegenzumeist noch auf einem Ad hoc-Level. Es gebeerste eher zufällige Ideen und Versuche, die Ar-beitsweise und -kultur zu verändern. Tools wür-den gelegentlich mit Fokus auf Social Media ge-nutzt und digitale Informationsangebote offeriert.
Der Grund hierfür sei, dass sich NGOs mit einerReihe von Herausforderungen konfrontiert sähen.Dazu gehöre vor allem das Thema „Qualifizie-rung“. Es gebe zahlreiche kostenfreie Tools – aufdie Bedeutung von Open Source Software sei be-reits hingewiesen worden –, es gebe auch Platt-form-Tools, die z. B. von Google oder Facebookkostenlos zur Verfügung gestellt würden. Oft fehleaber in den Organisationen das Know-how, sie zunutzen und in die Arbeit zu integrieren. Zu nen-nen sei auch die Investitionshürde. Denn es gehenicht nur darum, die nächste App zu programmie-ren und sie dann liegen zu lassen, sondern es be-stehe ein langfristiger Finanzierungsbedarf. Denndie Dinge müssten gepflegt, aktualisiert und re-daktionell begleitet werden. Dies werde vom bis-herigen Förderrahmen meist jedoch nicht mit ab-gedeckt. Es gebe generell kaum IT-Projektförde-rung auch aus zivilgesellschaftlichen Quellen. Einweiteres Risiko, das sich besonders bei der digita-len Flüchtlingshilfe gezeigt habe, seien Redundan-zen, z. B in Form zahlreicher neuentwickelterähnlicher Apps und Plattformen. Oftmals werdenicht geschaut, ob ein Tool nicht auch in Koope-ration entwickelt und dann von vielen genutztwerden könne. Hier gebe es Luft nach oben. ImBereich der digitalen Flüchtlingshilfe habe mangemerkt, dass mehr Vernetzung und Austausch imgemeinsamen Interesse der Zivilgesellschaft läge.
Es fehle häufig auch noch an dem Verständnisdafür, dass gemeinwohlorientierte Technologieund digitale Lösungen Investitionen bräuchten.Notwendig sei, einen Förderrahmen für Tools undentsprechende digitale Lösungen, aber auch fürdie digitale Organisationsentwicklung zu schaf-fen. Genau darauf habe die Google ImpactChallenge den Fokus gelegt, was von vielen NGOssehr begrüßt worden sei. Die Förderung von Qua-lifizierung und Intermediären sei ebenfalls einwichtiges Thema. Letztere seien Plattformen, diezwischen Engagementwilligen und Initiativen/En-gagementideen vermittelten, die Transparenz insFeld brächten und den Austausch und die digitaleVernetzung in der Zivilgesellschaft förderten.Hierfür gebe es bisher leider nur wenige Förder-kapazitäten und Fördermöglichkeiten. Das Thema„Nachhaltigkeit“, d. h. Open Source für Codesund Daten, sei wichtig und müsse beim Förder-rahmen ebenfalls mitgedacht und integriert wer-den. Wichtig wäre auch, Transparenz über schonvorhandene Tools zu schaffen, diese zu bewerbenund in der Community weiterzuentwickeln.
Ein weiterer wichtiger Punkt sei, dass digitale Pro-jektarbeit ein wenig anders funktioniere als klas-sische Projektarbeit. Die bisher vorherrschendeGestaltung des Förderrahmens mit Förderziel,unterschiedlichen Meilensteinen, einem festenProjektplan und einer klaren Finanzplanung laufekonträr z. B. zur Codeentwicklung, wo iterativeProzesse und der Austausch mit Nutzern notwen-dig seien. Erfreulicherweise bewegten sich dieöffentlichen Förderinstitutionen jedoch in dieRichtung, diese Entwicklungsoffenheit ein Stückweit mitzugehen und eher über Key PerformanceIndicators (KPIs) anstelle über Projektpläne zusteuern. Man befinde sich hier aber noch amAnfang des Weges.
Es gebe aus ihrer Sicht zudem einen bisher unge-hobenen Schatz des sozial-digitalen Engagements,nämlich die Civic Tech Community. Coder, Ha-cker, Open Source-Leute brächten sich zwar sehrstark für gemeinwohlorientierte Themen ein, wür-den aber bisher noch nicht ausreichend abgeholt.Betterplace lab begleite den Prototype Fund, daserste Förderprogramm für Open Source Softwarein Deutschland. Der erste Call sei gerade abge-schlossen, der zweite gehe in vier Wochen online.
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Man sei sich anfangs nicht sicher gewesen, obhierfür 20 oder 50 Bewerbungen eingehen wür-den, zumal man nicht extra dafür geworben habe,sondern das Ganze per Mund-zu-Mund-Propagan-da in der Community weitergetragen worden sei.Am Ende habe man über 500 Bewerbungen füreinen Förderrahmen gehabt, der bei 30.000 Eurofür ein sechsmonatiges Teilzeitprojekt liege. Dieszeige, dass es sehr viel Potenzial und Willen zumdigitalen Engagement gebe. Dies sei gerade ange-sichts der steigenden Bedeutung von Themen wieBürgertransparenz und Bürgerbeteiligung einPunkt, den man stärker beachten sollte.
Herr Julian Fischer (Wikimedia Deutschland) be-dankt sich für die Einladung und für die erstma-lige Gelegenheit, im Rahmen einer Ausschusssit-zung des Bundestages seitens Wikimedia zumThema „Digitales bürgerschaftliches Engagement“Stellung nehmen zu können. Digitales Engage-ment, Online-Volunteering oder digitales Ehren-amt seien verschiedene Begriffe für ein noch sehrjunges Phänomen, das durch das Internet und diezunehmende Digitalisierung aller gesellschaftli-chen Bereiche ermöglicht werde. Inzwischen seidigitales Engagement geradezu notwendig, damitZivilgesellschaft sowohl zu digitalen Entwicklun-gen als auch der analogen Welt überhaupt positivbeitragen könne. Durch die Verbreitungswege desWebs, die Beteiligung sehr vieler Menschen undneue Möglichkeiten der Zusammenarbeit könneGroßartiges für die Gesellschaft geschaffen wer-den. Häufig könne auch sehr schnell auf aktuelleEntwicklungen eingegangen werden. Die beidenVorredner hätten schon das Thema „Flüchtlinge“erwähnt. Im vergangenen Jahr seien innerhalb vonkürzester Zeit Applikationen von freiwilligen Pro-grammieren geschaffen und damit ein Rahmen zurVerfügung gestellt worden, mit denen die Unter-stützung der ehrenamtlichen Helfer in den Flücht-lingsunterkünften besser habe koordiniert werdenkönnen. Dies habe wesentlich dazu beigetragen,dass die Hilfe dort angekommen sei, wo sie auchtatsächlich benötigt worden sei.
Durch kollaboratives digitales Zusammenwirkenkönne Unglaubliches geschaffen werden. Wikipe-dia sei heute ein großes Projekt mit zwei Millio-nen Artikeln allein im deutschsprachigen Raum.Es gebe aber auch andere tolle Projekte wie das
offene Kartenportal „OpenStreetMap“ mit fünfMilliarden hochgeladenen GPS-Koordinaten, aufdem wiederum viele andere Projekte aufbauten.Auch „Wikimedia Commons“ mit 35 Millionenfreien Mediendateien oder „Wikidata“ mit inzwi-schen über 25 Millionen Datensätzen seien hier zunennen. Wikimedia unterstütze die genannten Or-ganisationen bei ihrer Arbeit. Deren Inhalte ent-stünden, weil es Millionen Freiwilliger weltweitgebe, die sich in ihrer Freizeit im digitalen Raumengagierten und es würden erfreulicherweisejeden Tag mehr.
Im Folgenden wolle er einige Aspekte vertiefen,die Herr Dr. Weber bereits angesprochen habe.Auch Wikimedia beobachte, dass gesellschaftli-ches Engagement sowohl zeitlich als auch räum-lich flexibler werde. Gleichzeitig stelle man fest,dass sich die Freiwilligen sehr gerne selbstbe-stimmt nach eigenen Interessen und zeitlichenPräferenzen engagierten. Dafür einen Rahmen zuschaffen, halte er für wichtig, um gemeinsam et-was erreichen zu können. Digitales Engagementnehme nicht nur aufgrund der Digitalisierung derGesellschaft, sondern auch aufgrund der Flexibili-sierung zu. Auf der anderen Seite brächten sichdie sehr produktiven Freiwilligen bei Wikipediaregelmäßig und mit hohem Aufwand ein. Die Her-ausforderung sei, die verschiedenen Engagement-formen von „kontinuierlich“ bis zu „sporadisch“im Sinne einer funktionierenden Community zu-sammenzubringen. Dies sei kein trivialer Prozess,denn es gebe so etwas wie eine Community-Kul-tur mit Regeln und Formen der Zusammenarbeitund Abstimmung sowie Zeiten der Erreichbarkeit,die man erst einmal verstehen müsse.
Ein zweiter wichtiger Aspekt, den er nennen wol-le, sei, dass Webkultur nicht immer einfach sei.Problematisch sei mitunter, dass das Internet auchschwierigen Akteuren die Möglichkeit biete, dieÖffentlichkeit für eigene Belange zu nutzen. Esgebe Menschen, die um jeden Preis Aufmerksam-keit haben wollten, mitunter leider auch auf Kos-ten von anderen. Es gebe auch Probleme wie Stal-king und Beleidigung im Netz und es gebe Perso-nen, die nicht mit Fakten und Argumenten zuüberzeugen seien. In solch schwierigen Situatio-nen benötigten digital Engagierte mitunter Unter-stützung auch in Form von rechtlichem Beistand,
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um sich gegen Hass und Diffamierung zu schüt-zen, was manchmal ein wenig unterschätzt werde.
Ein weiterer Aspekt sei die Mobilität. Man stelleweiterhin eine starke Zunahme der mobilen Nut-zung fest, auch wenn sich das Wachstum – zu-mindest bezogen auf die Wikipedia – in den letz-ten Monaten vermutlich aufgrund der bereitshohen mobilen Nutzungsraten etwas verlangsamthabe. Für das digitale Engagement sei das Smart-phone zwar ein zentrales Kommunikationsinstru-ment, aber die Koproduktion von Inhalten undauch von Anwendungen erfolge primär immernoch über einen Laptop und sei damit eher semi-mobil. Man erwarte hier jedoch in den nächstenJahren eine weitere Anpassung an die neuen Kom-munikationsmittel und damit ein möglicherweisenoch flexibleres und punktuelleres Engagement-verhalten. In Deutschland gebe es neben Wikime-dia auch viele andere Organisationen, die sich fürdigital Engagierte einsetzten. Dazu gehörten z. B.die „Open Knowledge Foundation“, „Campact“,„Change“, „Netzpolitik“ mit der sehr bekannten„re:publica“, „digitalcourage“, „Creative Com-mons“ oder „Mozilla“. Auch Kampagnenorgani-sationen wie „Greenpeace“, „NABU“, „Amnesty“,„Foodwatch“ usw. bauten auf digital Engagierteals Multiplikatoren und Verstärker ihrer gesell-schaftspolitischen Aktivitäten. Letzteres sei eineetwas andere Perspektive, als in Koproduktion ge-meinsam etwas zu kreieren, aber es sei aus seinerSicht auch eine wichtige Form des digitalenEngagements. Positiv hervorzuheben sei auch dasDeutsche Rote Kreuz, das sich an dem Pilotprojekt„FSJ digital“ beteilige. Auch dies könnte einekünftige neue Form des digitalen Engagementssein.
Auf der Ebene von Behörden und Politik nehmeman ebenfalls vorsichtige Bemühungen zur Förde-rung des digitalen Engagements wahr. Im März2015 habe es auf Einladung des Bundesinnen-ministers eine Runde zum digitalen bürgerschaft-lichen Engagement gegeben. In der digitalenAgenda der Bundesregierung gebe es auch einenkurzen Abschnitt zum digitalen Engagement unddie Bundeszentrale für politische Bildung habeschon seit 2014 eigene Themenseiten zum digita-len Engagement.
Bei Wikimedia Deutschland habe man in denletzten Jahren eine professionelle Fördertätigkeitfür die digital Engagierten aufgebaut. Man habedabei jedoch wiederholt festgestellt, dass die ge-sellschaftliche Wertschätzung für die Ehrenamt-lichen in diesem Bereich nicht besonders ausge-prägt sei und dass teilweise eher zweifelnd auf diein der Wikipedia engagierten Autorinnen undAutoren geschaut werde, wenn diese von ihremHobby berichteten.
Aus Sicht von Wikimedia sollte die Politik in dreiHandlungsfeldern noch aktiver werden. Erstenssollte sie zu einer stärkeren Anerkennungskulturfür das digitale Engagement beitragen. Abgeord-nete könnten z. B. in Reden, in Talk Shows und inden zahlreichen Gesprächen, die sie führten, fürdie Anerkennung des digitalen Engagements sen-sibilisieren, indem sie auf Initiativen oder be-stimmte Personen aus der Zivilgesellschaft lobendhinwiesen und gute Beispiele verbreiteten. Zwei-tens müssten die Rahmenbedingungen für digita-les Engagement deutlich verbessert werden. Imländlichen Raum fehle es in einigen Gebieten im-mer noch an schnellen Internetleitungen und fürMenschen mit niedrigem Einkommen stellten dieKosten für schnelles Internet teilweise ein finan-zielles Problem dar. Insofern sei auch die digitaleInklusion eine wichtige Aufgabe. Auch die Förde-rung von digitalen Kompetenzen in Schule undAusbildung, aber auch für die Zielgruppe 65+könnte zur digitalen Inklusion beitragen.
Aufbauend auf der Studie „Digitales bürgerschaft-liches Engagement“ von Fraunhofer FOKUS könn-te man weitere wissenschaftliche Evidenz für dasThemenfeld schaffen, um die richtigen Hebel zuidentifizieren und um mehr Bewusstsein für dieAnliegen der digital Engagierten zu erreichen.Auch eine stärkere Berücksichtigung der Digitali-sierung der Gesellschaft im Freiwilligensurveyund des bürgerschaftlichen Engagements im D21-Digital-Index wäre wünschenswert. Die Vorrednerhätten bereits darauf hingewiesen, dass bisher nurwenig öffentliche Finanzmittel für digitales Enga-gement bereitgestellt würden. Hier könnte man –wie Frau Silbernagl bereits ausgeführt habe – mitrelativ geringen Summen in den nächsten Jahrenziemlich viel erreichen.
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Digitales Engagement greife häufig auf Daten zu-rück, um diese für die Gesellschaft nutzbar zumachen, z. B. in Form eines Wikipedia-Artikelsoder aber auch um Menschen mit körperlichenEinschränkungen darüber zu informieren, wo siedie nächste Toilette finden könnten. Für solchpraktische Dinge brauche man freie Daten. Auchauf staatliche Daten müsste kostenfrei zurückge-griffen werden können („open by default“). Bishersei oft noch das Gegenteil der Fall. In staatlichenEinrichtungen werde es zudem zunehmend wich-tiger, kompetente Ansprechpartnerinnen undAnsprechpartner in Themenfeldern des digitalenEngagements einzustellen, um den gesellschaft-lichen Entwicklungen gerecht zu werden.
Ferner plädiere er dafür, Pilotprojekte zu unter-stützen. Hier gebe es verschiedene Ansatzpunkte.Mit nationalen Initiativen könne Politik maßgeb-lich zur Vernetzung relevanter Akteure und zurSensibilisierung der Gesellschaft für die Thematikbeitragen. Auf regionaler Ebene versprächenPraxisprojekte Anschubpotenziale, z. B. durch dieAusrichtung auf die unterschiedlichen Strukturendes digitalen Engagements auf dem Land und inder Stadt. Zudem könnte der bundesweite „Roll-out“ des FSJ digital oder eines ähnlich gelagertenProgramms einen angemessenen Rahmen für jun-ge Menschen bieten, die die Digitalisierung alsgesellschaftliche Chance sähen. Er freue sich, überdiese Ideen und Vorschläge im Folgenden mit denMitgliedern diskutieren zu können.
Der Vorsitzende dankt den Sachverständigen fürihre einführenden Beiträge. Die Fragerunde eröff-ne die Kollegin Svenja Stadler.
Abg. Svenja Stadler (SPD) bedankt sich ebenfallszunächst bei den Sachverständigen für ihre Aus-führungen, die sie weitgehend teile. Auch in denvon ihr geführten Gesprächen werde die Frage derWertschätzung von den Engagierten oft angespro-chen, die sowohl im analogen wie im digitalenBereich wichtig sei. Die Mitglieder im Unteraus-schuss seien in dieser Hinsicht sehr aktiv und be-suchten zahlreiche Initiativen oder nähmen an Po-diumsdiskussionen teil. An der einen oder ande-ren Stelle würde sie sich aber wünschen, dassnicht nur geredet werde, sondern dass bestimmte
Dinge auch umgesetzt würden. Daran mangele eszum Teil. Für eine stärkere Förderung im Bereich„Medienkompetenz“ setzte sich auch ihre Frak-tion ein. Zum Thema „FSJ digital“ gebe es in derKoalition unterschiedliche Auffassungen. Die SPDsei gegen die Schaffung eines weiteren separatenFreiwilligendienstes in Form eines FSJ digital.Vielmehr sollten die Ergebnisse des Pilotprojekteszum FSJ digital abgewartet werden, das derzeitevaluiert werde, und gegebenenfalls z. B. in Formvon pädagogischen Bildungstagen in die bestehen-den und bewährten Formate FSJ und FÖJ Jahrintegriert werden.
Sie habe eine Reihe von Fragen. Berge die Anony-mität im Netz nicht auch ein wenig die Gefahr,dass digitales Engagement dem Vorspielen fal-scher Gegebenheiten Vorschub leiste? Die Fragesei auch, ob die hohe Flexibilität im digitalen En-gagement dazu führe, dass langfristige Bindungenim Engagementbereich weiter abnähmen. VonHerrn Fischer würde sie vor dem Hintergrund derderzeitigen Diskussion über „Fake News“ gernewissen, wie man sich bei Wikipedia vor grob feh-lerhaften Artikeln schütze. Außerdem interessieresie, welche Spielregeln man im digitalen Engage-ment benötige und wer diese gegebenenfalls auchüberwachen könne.
Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN) erklärt, sie interessiere, inwieweit esBerührungspunkte oder Schnittmengen zwischenden vorhandenen verschiedenen Plattformen gebeund ob diese bewusst gefördert würden, z. B. dieZusammenarbeit von Plattformen für Geflüchteteund Bildungsplattformen. Frau Silbernagl habedarauf hingewiesen, dass der Kontakt zwischenden Engagierten nicht nur, aber vor allem digitalstattfinde. Sie würde gerne wissen, ob die Teil-nehmer solcher Plattformen primär in ihrer eige-nen digitalen Welt lebten oder ob sie auch sonstim sozialen Leben gut integriert seien. Abschlie-ßend habe sie eine Frage an Herrn Fischer. DieKollegin Stadler habe das Thema „Fake News“schon angesprochen. Es gebe eine Reihe von Fach-wikis zu bestimmten Bereichen. Sie interessiere,wie die Artikel bei diesen spezialisierten Wikisüberprüft würden bzw. ob auch hier die Qualitäts-kontrolle trotz der geringeren Zahl von Nutzernim Großen und Ganzen ganz gut funktioniere.
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Abg. Ingrid Pahlmann (CDU/CSU) bedankt sichfür die sehr interessanten Vorträge der Sachver-ständigen. Diese hätten darauf hingewiesen, dassdas digitale Engagement vor allem eine Sache derJüngeren sei. Ihre Frage sei, wie man auch andereAltersgruppen dabei mitnehmen könne. Aus Ge-sprächen wisse sie, dass das Thema Digitalisie-rung“ auch von Vereinen und Verbänden alswichtige Zukunftsfrage betrachtet werde und dassvon ihnen zum Teil Forderungen nach der Förde-rung von Modellprojekten erhoben würden. Indiesem Zusammenhang wolle sie auch noch ein-mal auf das FSJ digital eingehen. Sie fände einensolchen separaten Regel-Freiwilligendienst sinn-voll, da es sich um einen sehr speziellen Bereichhandele, wobei sie nichts dagegen habe, digitaleAspekte auch in das FSJ und FÖJ zu integrieren.Die Einrichtung eines gesonderten Freiwilligen-dienstformates würde aber die Möglichkeit bieten,andere Gruppen beim digitalen Engagement nochstärker mitzunehmen. Herr Dr. Weber habe einigeBeispiele angeführt, wie man die Förderung imdigitalen Bereich voranbringen könnte. Sie inte-ressiere, wie es gelingen könne, eine stärkere Ver-netzung zwischen denen hinzubekommen, die imdigitalen Bereich schon sehr fortschrittlich seienund jenen, die dort stärker aktiv werden wollten,aber nicht wüssten, wie sie dies anstellen sollten.
Eine stärkere Förderung in Bezug auf Hardwareund Know-how seitens der Politik halte auch siefür notwendig. Sie würde darüber hinaus gernewissen, wie es gelingen könne, das vorhandeneStadt-Land-Gefälle in diesem Bereich abzubauen.Dies gelte nicht nur für die bereits angesprocheneInternetinfrastruktur, sondern auch für die nochbestehende unterschiedliche Affinität bei derNutzung des Internets. Dies sei notwendig, damitländliche Regionen nicht von der Entwicklung ab-gehängt würden, aber auch um das Engagement inder Fläche dauerhaft aufrechtzuerhalten.
Abg. Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE.) dankt denReferentinnen und Referenten ebenfalls zunächstfür ihre Beiträge, die ihr deutlich gemacht hätten,dass sie kein „digital native“ sei, was nicht heiße,dass sie sich nicht auch der digitalen Medien be-dienen würde. Trotzdem habe in diesem Bereichein Qualitätssprung stattgefunden, woraus sich fürsie eine Reihe von Fragen ergebe. Sie interessiere,
wie die Sachverständigen die Auswirkungen derDigitalisierung auf die traditionellen Vereinsstruk-turen bewerteten. Habe digitales Engagement ehereinen ergänzenden Charakter oder werde es dasEngagement in der analogen Welt – längerfristigbetrachtet – ersetzen und was bedeute dies dann?Sie wolle auch noch einmal an die Beiträge ihrerVorrednerinnen zum Thema „FSJ digital“ an-schließen. Dass die Freiwilligendienste und alleEhrenamtsbereiche digitale Medien nutzen undmit ihnen umgehen können sollten, sei unstrittig.Trotzdem sei ihr nach wie vor nicht klar, worinder spezifische Mehrwert eines FSJ digital liege.
Engagement sei bisher oft an bestimmte Vereins-oder Ehrenamtsstrukturen gebunden. Nach ihrerErfahrung finde Social Media Engagement auchvöllig losgelöst von solchen Strukturen statt. Dashabe sich z. B. bei der Hochwasserkatastrophe voreinigen Jahren gezeigt, als sich die Freiwilligeneinfach selbst vernetzt hätten. Dies gelte vermehrtauch für das Engagement in den sozialen Bewe-gungen im internationalen Bereich, das zum Teilebenfalls ohne Vereinsstrukturen auskomme. Wieschätzten die Sachverständigen diesen Trend ein?Im Bildungsausschuss habe man heute Morgendie Frage des Urheberrechts behandelt. Vorhin seivon den Sachverständigen auf die Bedeutung vonOpen Data und Open Source hingewiesen wor-den. Sie interessiere, inwiefern die Frage desUrheberrechts auch diesen Bereich tangiere.
Der Vorsitzende erklärt, er wolle eine Frage an-schließen, bevor er den Sachverständigen dieGelegenheit zum Antworten geben wolle. Ihn inte-ressiere, welchen Einfluss all diese genannten di-gitalen Plattformen und Entwicklungen auf dieinhaltliche Ausrichtung von Organisationen hät-ten. Er denke z. B. an den Wahlkampf in den USAoder an die Brexit-Abstimmung. Hier sei es offen-bar durch das Zusammenführen von Daten gelun-gen, Persönlichkeitsprofile zu erstellen und Nut-zer durch auf sie zugeschnittene Botschaften indi-viduell anzusprechen. Dies müsse künftig ja nichtauf politische Parteien beschränkt bleiben, son-dern könne auch den Bereich des bürgerschaftli-chen Engagements betreffen und auch für unzivi-les Engagement benutzt werden. Zum anderen in-teressiere ihn, wenn sich Menschen – wie berich-tet – durchschnittlich vier Stunden am Tag mit
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ihrem Smartphone beschäftigten, ob dies nicht zueiner Vereinzelung führe. Schon beim Gesprächmit Bundesinnenminister de Maizière im Jahr2015 zum Thema „Bürgerschaftliches Engagementund Digitalisierung“ habe er betont, dass z. B. beider Flüchtlingshilfe irgendwann auch der Schlaf-sack, die Banane oder das Brot konkret bei denMenschen ankommen müsse. Es könne nicht allesallein über das Netz geschehen. Dasselbe gelte fürdie Feuerwehr. Auch hier bleibe es notwendig,dass der Feuerwehrmann und die Feuerwehrfrauausrückten und vor Ort mit dem Schlauch lösch-ten. Ihn interessiere, wie die Sachverständigendies einschätzten. Nehme das Engagement – etwasprovokativ gefragt – in der anlogen Welt künftigimmer mehr ab und seien hier nur noch die Dum-men aktiv, die mit den digitalen Medien nicht sogut umgehen könnten?
Herr Julian Fischer (Wikimedia Deutschland) er-klärt, er wolle vor allem auf die Fragen eingehen,die Wikipedia und Wikimedia tangiert hätten. Essei nach Fake News und der Kontrolle von Wiki-pedia-Artikeln gefragt worden. Zunächst einmalwolle er betonen, dass Wikimedia Deutschlandnicht in die Inhalte der Wikipedia eingreife. Diessei Sache der Community, die dies selber regle. Esgebe hierfür unterschiedliche Strukturen, z. B.Administratoren, aktive und passive Sichter, Ste-wards, Check-User etc., die bestimmte Funktionenund Rollen innehätten. Manchmal gehe es etwadarum, bestimmte Trolle zu identifizieren. Es gebeauch bestimmte IP-Adressen, z. B. des Bundes-tages, wo gerne an Profilen der Abgeordneten undhäufig auch an denen der Oppositionsparteiengearbeitet werde. Dort schaue man genauer darauf.Es gebe auch bestimmte Artikel, z. B. zum Islamoder zu Köln, die aufgrund ihrer gesellschaftli-chen Relevanz oder aktueller Ereignisse zeitweisegesperrt seien und an denen nur bestimmte Leutemitschreiben könnten. Eine Herausforderung sei-en auch jene Verschwörungstheoretiker, rechtePopulisten und „Reichsbürger“, die sehr argumen-tationsfreudig seien. Diese könne man jedochmeist schnell identifizieren und dann würdenderen Beiträge noch einmal gesondert betrachtet.
Es gebe aber auch inhaltliche Themenfelder mitsehr spezifischem Wissen, für die sich nur wenigeLeute interessierten. Hier sei die Kontrolle schon
schwieriger, weil die Community einfach kleinersei, sodass man Gefahr laufe, dass falsche Dingeüber einen längeren Zeitraum unentdeckt blieben.Er erinnere sich an einige Beispiele, wo Wikipediaes nicht geschafft habe, kurzfristig zu reagieren.Beim Artikel über Karl Theodor zu Guttenberg seiz. B. für zwei Stunden in Wikipedia ein zusätz-licher Vorname genannt worden, der dann von„Bild“, „Spiegel Online“ und „Zeit“ übernommenworden sei. Hier habe man nachher festgestellt,dass diese falsche Information ihren Ursprung beieinem Autor der Wikipedia gehabt habe, derdiesen zusätzlichen Vornamen hinzugefügt habe.Ein anderes Beispiel sei, dass im Artikel über dieFrauenfußball-Nationalmannschaft ein oder zweiJahre zu lesen gewesen sei, dass diese als Beloh-nung für den Titelgewinn vom Bundespräsidentenein Bügelbrett erhalten hätten. Bei Artikeln zu be-kannten Persönlichkeiten und viel gefragten The-men gebe es aber eine intensive Kontrolle durchdie Community. Bei der Vorläuferin von Wikipe-dia, der Nupedia, habe man ein Kontrollsystemdazwischen geschaltet und nur die Artikel freige-geben, die vorher kontrolliert worden seien. Dashabe jedoch dazu geführt, dass es kein Wachstumgegeben habe. Die Schwarmintelligenz kommenur zum Tragen, wenn man eine bestimmte Frei-heit zulasse und dazu gehöre auch Anonymität. Esgebe Leute z. B. aus Behörden, Politik und Wis-senschaft, die gerne in ihrer Freizeit privat fürWikipedia schrieben, die aber nicht wollten, dassdies mit ihrer beruflichen Tätigkeit in Verbindunggebracht werde. Insofern sei Anonymität wichtig.Wer in der Community mit anderen zusammenar-beiten wolle, lege sich in der Regel einen Benut-zernamen zu. Wer eine Änderung vornehme, be-komme ein Edit und man könne nachsehen, werdie Änderungen vorgenommen habe und in wel-chen Themengebieten diese Person aktiv sei. Die-jenigen, die in der Community aktiv seien, hättenin der Regel ein Profil und seien auch ein wenigstolz auf ihren Beitrag zum Ganzen und zeigtendies gerne auch nach außen. Insgesamt funktionie-re die Kontrolle gut. Man organisiere auch vielKommunikation im „real life“, z. B. träfen sichLeute zu Konferenzen, um über bestimmte Fragenmiteinander zu diskutieren, etwa die RedaktionChemie, die Redaktion Film und Fernsehen etc.
Frau Carolin Silbernagl (betterplace lab) weist mit
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Blick auf die Frage des Vorsitzenden, ob die vier-stündige durchschnittliche Nutzung des Smart-phones zur Vereinsamung führe, darauf hin, dassein Psychologe in einem ausführlichen Interview-Podcast unlängst darauf hingewiesen habe, dassdies nicht der Fall sei, da junge Leute das Smart-phone vor allem zur Kommunikation mit Schul-kameraden, Freunden, Bekannten etc. benutzten.Insofern halte sie die diesbezügliche gesellschaft-liche Sorge für übertrieben. Es sei auch danachgefragt worden, ob die traditionellen zivilgesell-schaftlichen Strukturen überholt seien. Bei better-place lab unterscheide man nicht mehr zwischenorganisatorisch gefasstem und nicht organisato-risch gefasstem Engagement. Gerade bei interna-tionalen Themen, deren Diskussion über SocialMedia laufe, spiele die Unterscheidung, ob manals Verein organisiert sei oder nicht, keine großeRolle mehr. Im Selbstverständnis der Leute kom-me es zunächst einmal auf die soziale Wirkung ih-res Engagements an und erst längerfristig betrach-tet entstehe möglicherweise die Frage, ob es sinn-voll sei, dieses Engagement in eine organisatori-sche Form zu gießen. Insgesamt sei es vergleichs-weise selten, dass das Engagement ausschließlichonline passiere. Ein Beispiel dafür sei Wikipedia,aber auch hier gebe es – worauf Herr Fischer be-reits hingewiesen habe – Offline-Treffen, wo einpersönlicher Austausch stattfinde, und die Ge-schäftsstelle. Auch bei „wetheprotesters“ gebe esTreffen vor Ort, wo die Leute zusammenkämenund sich persönlich austauschten. Es gebe offen-bar ein allgemeines Bedürfnis nach Gemeinschaft,sodass rein digitale Formen des Engagements sel-tener seien, als man denke. Daher sehe sie auchnicht die Gefahr, dass durch eine stärkere Flexibi-lisierung des Engagements Bindungen verloren-gingen und es gewissermaßen nur noch „atomare“Engagementakteure gebe, die mal hier mal dort ak-tiv seien, aber nirgendwo einen festen Halt hätten.
Sie habe auch nicht den Eindruck, dass es zu ei-ner zunehmenden Vereinzelung der Leute kommeund diese nur noch unintegriert in ihrer eigenenWelt lebten. Vielmehr wachse der Kommunika-tionskreis durch die digitalen Medien. Neben demlokalen persönlich integrierten Kreis, der häufigoffline stattfinde, gebe es daneben die Möglich-keit, online mit weiteren Menschen in Kontakt zutreten und mit ihnen zusammen zu agieren. Dasreiche bis in das digitale Engagement hinein. Man
habe sich bei betterplace lab ein interessantesFlüchtlingshilfeprojekt mit dem Namen „Marha-car“ genauer angeschaut, das auf Lesbos sehr aktivund auch nicht als Verein organisiert gewesen sei.Dort hätten drei junge Frauen aus drei unter-schiedlichen Ländern und sogar Kontinenten überWhatsapp, Google Docs und Facebook gemeinsammit einer internationalen Community die gesamteVersorgung mit Sachspenden der alternativenFlüchtlingscamps auf Lesbos organisiert und koor-diniert. Dabei seien auch lokale ehrenamtlicheFahrer eingebunden gewesen, die die Sachspen-den an die benötigten Stellen gebracht hätten. Indieser Kette habe jeder seine Rolle gehabt, ohnedass man sagen könne, dieser oder jener sei dabeiwichtiger oder unwichtiger gewesen.
Herr Dr. Mike Weber (Fraunhofer FOKUS) betont,er unterstütze weitgehend, was seine Vorrednerinund sein Vorredner gesagt hätten. Er wolle aufeinige Punkte noch einmal vertiefend eingehen.Natürlich müsse die Feuerwehr in erster Linie vorOrt aktiv sein und löschen. Doch auch in diesemBereich werde die Arbeit immer digitaler. Mankönne sich z. B. durch Sensortechniken einenLagebericht erstellen lassen und könne dadurchEinsatzkräfte gezielter einsetzen. Er glaube auchnicht, dass Organisationen vollkommen obsoletwürden, aber sicherlich würden die Übergängefließender, so wie es Frau Silbernagl geschilderthabe. Auch aus der Managementlehre wisse man,dass es bei Projekten mindestens einen großenKick-off brauche, wo sich alle einmal in die Au-gen schauten. Danach könne man dann auch on-line zusammenarbeiten. Durch bestimmte Mecha-nismen könne man zwar den persönlichen Kon-takt bis zu einem gewissen Grad kompensieren,aber in den meisten Fällen sei es für die Zusam-menarbeit sehr wichtig, sich regelmäßig zu sehenund die digitale Seite sei dann eben ein Add-on.Es möge Ausnahmen geben, wenn es sich um ganzspezifische Interessen handele, z. B. den Schutzeines südostasiatischen Käfers, wo dieCommunity eher überschaubar sei.
Gleichwohl bedeute es aus seiner Sicht eine enor-me Herausforderung für etablierte Organisationen,den Sprung ins digitale Zeitalter zu schaffen. EinWeg bei der Förderung könnte sein, den Organisa-
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tionen solche Vermittlungsplattformen oder Wiki-formen zentral bereitzustellen, z. B. eine bürger-schaftliche Engagement-Cloud, die bestimmteDienste gut aufbereitet sowie einfach nutz- undbedienbar zur Verfügung stellen würde. Dies wür-de natürlich voraussetzen, dass sich die Organisa-tion vorher das Notebook oder den Rechner leis-ten könne, aber hierfür würde sich sicherlich auchprivate Unterstützung finden lassen. Bezüglichder Frage nach der Anonymität wolle er ergän-zend darauf hinweisen, dass diese einerseits einewichtige Voraussetzung für einige Dinge sei, ande-rerseits gebe es verschiedene Mechanismen, dieseAnonymität aufzubrechen. Dies sei schon dannder Fall, wenn man sich in einer Organisation re-gelmäßig treffe. Zum anderen könne man Bewer-tungssysteme einsetzen, mit denen man die On-line-Reputation einer digitalen Identität ermittelnkönne. Dies sei eine dauerhafte Frage, die auchandere Bereiche der Digitalisierung betreffe.
Herr Julian Fischer (Wikimedia Deutschland) er-klärt, es sei danach gefragt worden, inwiefern dieunterschiedlichen Projekte zusammenarbeiteten.Eine Grundvoraussetzung dafür seien freie Lizen-zen, damit andere Plattformen darauf zugreifenkönnten. Bei Wikidata gebe es strukturierte Daten,die auch von anderen Anwendern genutzt werdenkönnten, um z. B. Apps für ihre eigenen Bedürf-nisse zu entwickeln. Ein zweites Beispiel sei„OpenStreetMaps“, das wiederum von „Wheel-map“, dem Angebot für Menschen mit körper-lichen Einschränkungen über rollstuhlgerechteOrte, genutzt werde. Grundvoraussetzung dafür,dass solche Projekte aufeinander aufbauen könn-ten, sei, dass die Dinge frei lizensiert seien, sodassandere damit arbeiten könnten.
Frau Carolin Silbernagl (betterplace lab) weist da-rauf hin, dass es beim Protype Fund ein tolles Pro-jekt mit einem Buchungssystem für die Vermie-tung von Lastenrädern gebe. Dafür sei eine OpenSource Software entwickelt worden, die von ande-ren Communities für ähnliche Güter genutzt wer-den könne. Sie wolle kurz noch zwei weitere The-men anspreche. Das eine betreffe das Thema„Qualifikation“. Mit der Bereitstellung von Infra-struktur und Tools habe man bei „betterplace.org“genauso langjährige Erfahrungen wie mit derSchulung von NGOs, um Hürden bei der digitalen
Nutzung zu beseitigen. Es brauche eine gezielteKommunikation, um vorhandene Vorbehalte ab-zubauen, Verständnis zu schaffen und Mitarbei-terinnen und Mitarbeiter bei dieser Entwicklungmitzunehmen. Daran mangele es im Moment oftnoch. Es reiche nicht, nur Informationen und In-strumente zur Verfügung zu stellen.
Abg. Ingrid Pahlmann (CDU/CSU) fragt, ob dabeinicht auch das FSJ digital helfen könne.
Frau Carolin Silbernagl (betterplace lab) antwor-tet, sie kenne das Format zu wenig, um dies genaubeurteilen zu können. Aus ihrer Sicht gehe es da-rum, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Ein-führungskurse, Webinare und sonstige Weiterbil-dungen anzubieten. Die Open Knowledge Founda-tion mache ein tolles Programm, die „Datenschu-le“. Dort würden gemeinnützigen OrganisationenFähigkeiten vermittelt, Daten und Technologienzu verstehen, um sie zielgerichtet für ihre gesell-schaftlichen Aufgaben einsetzen zu können. Dabeigehe es auch um Fragen des Datenschutzes unddes Umgangs mit sensiblen persönlichen Datensowie um Qualitätskontrolle und open data, umeine stärkere Zusammenarbeit mit anderen Orga-nisationen zu ermöglichen.
Abg. Dr. Dorothee Schlegel (SPD) erklärt, sie kom-me gerade aus der Aktuellen Stunde im Plenum,wo es um Maßnahmen zur inneren Sicherheitgegangen sei. Dort seien eher die negativen Seitendes Themas „Anonymität im Netz“ beleuchtetworden. Die Sachverständigen hätten angespro-chen, dass viele in den zivilgesellschaftlichen Or-ganisationen nicht mit dem Internet aufgewachsenseien. Viele nutzten das Internet und die sozialenMedien zwar zur Unterstützung der Vereinstätig-keit, was aber das Engagement vor Ort nicht erset-zen könne. Es sei auch betont worden, dass diejüngere Generation mehr Wert auf Flexibilität imEngagement lege und sich nicht mehr so stark aneine Organisation binden wolle. Ihre Frage an dieSachverständigen sei, ob sich das Engagementnach ihrer Ansicht langfristig stärker vom konkre-ten Helfen und Unterstützen vor Ort weg und inden digitalen Raum hinein verlagern werde. Ihrezweite Frage gehe in eine ähnliche Richtung. InDeutschland werde das Demokratieverständnis
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von einer starken Zivilgesellschaft mit geprägt. Inanderen Ländern, z. B. in der Türkei, sei dies an-ders. Dort sei der Zusammenschluss von Men-schen zu politischen und wissenschaftlichenPlattformen im Netz zum Teil notwendig undhabe eine sehr positive Wirkung. Die Frage sei,wie haltbar solche Zusammenschlüsse seien.
Abg. Christina Schwarzer (CDU/CSU) betont, siewolle das von allen drei Sachverständigen geäu-ßerte Anliegen unterstützen, dass der Staat auchGeld für Projektförderungen für digitale Plattfor-men im Ehrenamt zur Verfügung stellen sollte.Oftmals erachte man bestimmte Dinge für selbst-verständlich, ohne zu fragen, welche Vorausset-zungen dafür notwendig seien. Sie habe diese For-derung der Sachverständigen heute zum erstenMal gehört, finde sie aber nach der bisherigen Dis-kussion für sehr berechtigt. Denn man müsse sichschon fragen, was eigentlich in den letzten andert-halb Jahren passiert wäre, wenn es all die vielendigitalen Plattformen nicht gegeben hätte. Es hättesicherlich dazu geführt, dass der eine oder andereEhrenamtliche sich eben nicht für Flüchtlingeengagiert hätte, weil er gar nicht gewusst hätte, woer sich hätte einsetzen sollen. Sie habe sich hier inBerlin einige dieser Tools angeschaut, die vonschlauen Menschen entwickelt worden seien, unddie dazu geführt hätten, dass sich User schnellhätten orientieren können, wo ihre Expertise ge-fragt sei und an welchem Tag sie zu welcher Zeitda sein sollten, um zu helfen und ob eher Männer-oder Kinderkleidung benötigt werde. Bei derschon angesprochenen Google Impact Challengesei auch ein Hochwasserprojekt ausgezeichnetworden, wo sich junge Leute Gedanken gemachthätten, wie man ehrenamtliche Helfer dort ein-setzen könne, wo sie benötigt würden. Das zeige,dass sich das Ehrenamt in Teilen ebenso verän-dere wie die Gesellschaft insgesamt. Daher müsseman dankbar für die vielen Menschen sein, diediesen digitalen Wandel organisierten.
Andererseits habe sie in der letzten Woche zwan-zig Vereine in ihrem Wahlkreis zum Thema „Eh-renamt“ getroffen, bei denen die Digitalisierungüberhaupt keine Rolle gespielt habe. Die meistenhätten allenfalls eine Homepage und einige vonihnen auch einen Facebook-Auftritt, aber ansons-
ten sei dies bei ihnen gar kein Thema. Dies unter-streiche aus ihrer Sicht, dass man auch in Zukunftsowohl das digitale Engagement als auch das En-gagement in der analogen Welt, z. B. in der Frei-willigen Feuerwehr, benötigen werde. Dies müsseman auch immer wieder so kommunizieren.
Abg. Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE.) erinnert anihre noch nicht beantwortete Frage zum Thema„Urheberrecht“. Sie wolle noch darauf hinweisen,dass Medienkompetenz ja nicht nur heiße, die di-gitalen Medien nutzen zu können, sondern auchentscheiden zu können, wo man die digitale Weltund ihre Möglichkeiten im Ehrenamt brauche undwo man vielleicht auch bewusst auf sie verzichte.
Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN) erkundigt sich, inwieweit digitale Platt-formen auf Angriffe z. B. durch Social Bots einge-stellt und vorbereitet seien. Darüber hinaus inte-ressiere sie, ob die digitalen Plattformen mit denan vielen Orten vorhandenen Freiwilligenagentu-ren zusammenarbeiteten, um Angebot und Nach-frage im Engagement stärker zusammenzuführen.
Herr Dr. Mike Weber (Fraunhofer FOKUS) betont,dass die abnehmende Bindungskraft von traditio-nellen Institutionen bereits seit einigen Jahrzehn-ten zu beobachten sei. Dazu habe die zunehmendeIndividualisierung ebenso beigetragen wie der be-reits angesprochene Bedarf nach mehr Flexibili-sierung. Dieser Trend bekomme durch die Digita-lisierung aber nun möglicherweise zum Teil eineneue Dynamik. Aus seiner Sicht seien zwei Dingewichtig: Frau Silbernagl habe bereits darauf hinge-wiesen, dass die Menschen im Digitalen vor allemmiteinander kommunizierten und dies in immerwieder neuen und anderen Zusammenhängen.Zum anderen sei nach wie vor, auch dies sei be-reits erwähnt worden, in der Regel der persönli-che Kontakt unerlässlich. Rein digitale Verge-meinschaftungen hielten zumeist nicht lange bzw.funktionierten nur über einen gewissen Zeitraum,wenn es ihnen nicht gelinge, gewisse Formen derInstitutionalisierung zu entwickeln. Daher werdesich aus seiner Sicht insgesamt gar nicht so vieländern. Es werde Organisationen geben, die diedigitalen Möglichkeiten nutzten, um z. B. Leutefür das analoge Engagement zu gewinnen und
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daneben werde es auch Engagierte geben, diealleine vor dem Rechner einen Wikipedia-Artikelschrieben. Die Engagementlandschaft werdedurch die Digitalisierung vielfältiger, aber nichtgrundlegend verändert.
Frau Carolin Silbernagl (betterplace lab) erklärt,sie habe im Vorfeld des Fachgespräches im Frei-willigensurvey nachgesehen, was das Engagementvon jungen Leuten ausmache. Diese engagiertensich vor allem in den Bereichen Sport, Schule undKirche. Die Frage sei nur, wie sie es täten und wassie täten und dabei spielten digitale Arbeitsweisenund Methoden sicherlich eine wesentlich größereRolle als noch vor zehn Jahren. Auch nach ihrerBeobachtung gebe es bisher keine komplette Ver-lagerung des Engagements oder gar eine Ablösungdurch eine rein virtuelle Struktur. Vielmehr wür-den die neuen digitalen Arbeitsmethoden, Hilfs-mittel, Reichweiten und Vernetzungsmöglichkei-ten verstärkt mitgedacht. Sie habe vor zwei Mona-ten ein sehr interessantes Gespräch mit der öster-reichischen Chefin von „Reporter ohne Grenzen“geführt. Dabei habe diese auch betont, wie wichtigAnonymität und Verschlüsselung als Schutz fürden Austausch gerade in autoritären, nicht demo-kratisch verfassten Gesellschaften seien.
Bei betterplace lab habe man vor drei Monaten be-gonnen, das Thema „Demokratierettung“ gemein-sam mit anderen auf die Agenda zu setzen. Dennman erlebe, dass die zunehmenden Herausforde-rungen durch Fake News, Hass-Kommentare undSocial Bots die Tech-Community und die digitalEngagierten zunehmend umtreibe. In diesem Zu-sammenhang wolle sie auf eine tolle Initiative mitdem Namen „botswatch.de“ hinweisen. Es sei einvon einer Civic Tech-Aktivistin entwickeltes Pi-lotprojekt, um die Aktivitäten von Social Bots beipolitischen Ereignissen im Social Web transparentzu machen. Dabei sei bei Talk-Shows wie „AnneWill“ festgestellt worden, dass fast jeder fünfteTweet automatisiert gewesen sei, mit dem Ziel,die Diskussion in eine bestimmte Richtung zulenken. Das müsse man aber nicht einfach so hin-nehmen, sondern könne darauf mit positiven undkonstruktiven Antworten reagieren. Denn dieTechnologie sei ja erst einmal neutral. Auch mitBlick auf die Bundestagswahl müsse diese Ent-wicklung seitens der Parteien genau beobachtet
werden. Zudem gebe es eine zivilgesellschaftlicheCommunity, die willens sei, dies positiv im Sinneder freiheitlich-demokratischen Grundordnung zubegleiten. Denn auch die Gegenrede könne einewichtige Form des bürgerschaftlichen Engage-ments sein.
Herr Julian Fischer (Wikimedia Deutschland) be-tont, dass Social Bots bei Wikipedia bisher keinThema seien. Es sei aber ein allgemeines gesell-schaftliches Problem, das gerade auch Twitterbetreffe. Auch im digitalen Engagementfeld gebees Leute, die sich rechtspopulistisch in ihrer Frei-zeit engagierten. Dies sei gerade im Zusammen-hang mit Social Bots zum Teil schon beängstigendund man müsse überlegen, mit welchen Gegen-strategien man darauf reagieren könne.
Bei Wikimedia habe man erstmals auch eine Bun-desfreiwilligendienstleistende, die sich im Projekt„Wiki Loves Earth“ zusammen mit anderen Frei-willigen engagiere. Dabei handele es sich umeinen digitalen Fotowettbewerb. Dies sei viel-leicht auch eine Antwort auf die Frage, was einFSJ digital leisten könnte. Er hänge persönlichnicht an dem Begriff, aber zu überlegen, wie manein solch strukturiertes digitales Angebot fürjunge Menschen entwickeln könnte, halte er fürsehr sinnvoll.
Das Urheberrecht stelle in der Tat ein Problemdar. Wikimedia sei ein Verfechter von freien Li-zenzen, in der Regel Creativ-Commons-Lizenzen.Dort würden auch die Urheber z. B. von Fotos ge-nannt. Diese könnten auch unterschiedliche Li-zenzangaben zur Weiternutzung machen. Wiki-media sei es wichtig, dass möglichst viele Datenund Informationen der Allgemeinheit zur Verfü-gung stünden. Die derzeitige Diskussion über dasUrheberrecht helfe da nicht besonders weiter.Wenn die Regelschutzfrist für Werke 70 Jahrebetrage, so sei dies ein schon sehr langer Zeit-raum. Er wolle ein aktuelles Fallbeispiel nennen.Wikimedia stehe derzeit in einem Diskurs miteinem Museum über ein freies Werk, das in einemKatalog abgelichtet worden sei. Von dem Katalogsei wiederum ein Foto für Wikimedia Commonsgemacht worden. Dagegen sei das Museum vor-
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gegangen, obwohl es eigentlich einen Bildungs-auftrag habe und ein Interesse daran habe müsse,dass vorhandene Kulturschätze den Menschenauch vermittelt würden. Dem sei nun erst einmalwieder ein Riegel vorgeschoben worden. Es gebeaber nicht nur das Urheberrecht, sondern auch an-dere Rechte, die der freien Nutzung entgegenstün-den. Daher hielte er es für sehr begrüßenswert,wenn die Politik überlegen würde, wie man denGesetzesrahmen an die heutige digitale Zeit sinn-voll anpassen könne, um digital Engagierten mög-lichst wenig Hindernisse in den Weg zu legen.
Wikimedia sei als Organisation nach dem ProjektWikipedia entstanden. Aufgabe sei es, die Com-munity der Freiwilligen zu unterstützen, die abernicht unbedingt Vereinsmitglied seien. Es gebewiederum inzwischen auch 50.000 Vereinsmit-glieder, die aber nicht alle in einer Communityaktiv seien. In München organisierten die Frei-willigen z. B. eigenständig ein Wikipedia-Büro,was man von Seiten von Wikimedia lediglichunterstütze. Die eigentliche Verantwortung liegebei den Freiwilligen vor Ort. Es sei auch danachgefragt worden, ob man versuche, andere Organi-sationen mit einzubinden. Das erfordere viel Mut,da es auch bedeute, das Durchgriffsrecht zu verlie-ren. Die Presseabteilung könne dann nicht mehreinfach bestimmen, was veröffentlicht werde undwas nicht. Dieser Mut sei bei solchen Zwitterkom-binationen jedoch unerlässlich. Auch digitalesEngagement brauche nach seiner Ansicht immerwieder auch organisatorische Kristallisations-punkte, an die man sich wenden könne, wennbestimmte Fragen und Probleme auftauchten.
Die Frage, ob digitales Engagement zur Vereinze-lung beitrage, würde er aus der Wikipedia-Erfah-rung heraus mit Nein beantworten. Die unter 18-jährigen Engagierten bei Wikipedia hätten einenganz starken sozialen Zusammenhalt. Sie freuten
sich, wenn sie sich träfen und lebten dies auchsehr stark aus. Er würde daher dafür plädieren,die im digitalen Engagement liegenden Chancenzu betonen, nämlich offen über Landesgrenzenund Kulturkreise hinweg kommunizieren undmiteinander agieren und arbeiten zu können.
Der Vorsitzende dankt den Sachverständigen fürihre sehr interessanten Einblicke in das für vielenoch recht neue Themenfeld „Digitales Engage-ment“. Frau Silbernagl habe gebeten, abschlie-ßend noch einen kurzen Hinweis auf eine Aktiongeben zu dürfen.
Frau Carolin Silbernagl (betterplace lab) erklärt,da man heute auch über Social Campaigning unddie entsprechenden digitalen Verbreitungswegegesprochen habe, wolle sie kurz noch auf denHashtag „Menschlichkeit“ verweisen, den manauch auf ihrem Pullover lesen könne. Betterplacelab habe gestern eine große online/offline-Kam-pagne mit dem Titel „Menschlichkeit steht dir ambesten“ anlässlich der Fashion Week in Berlin ge-startet. Es handele sich um ein fiktives Modelabelmit dem Namen „Epic Escape“, hinter dem sichbewegende Geschichten über syrische Flüchtlingeversteckten. Zugleich bestehe die Möglichkeit,über die vom BMI geförderte Spendenplattformwww.zusammen-fuer-fluechtlinge.de soziale Pro-jekte für Flüchtlinge zu unterstützen. Der Appellsei einfach, mit Respekt und Menschlichkeit auf-einander zuzugehen. Sie würde sich freuen, wenneinige über die von ihnen genutzten digitalenKanäle wie Facebook oder Twitter den Hashtagretweeten, liken und sharen würden.
Tagesordnungspunkt 2
Verschiedenes
Zum Punkt „Verschiedenes“ gibt es keineWortmeldungen.
Schluss der Sitzung: 17:44 Uhr
Willi Brase, MdBVorsitzender
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