6. November 2014
Manuela Füglister
Projektleiterin
Stiftung für Patientensicherheit Schweiz, Zürich
24. Jahrestagung der IG Spitex
SBK Sektion SG, TG, AI, AR
Konstruktiver Umgang mit Fehlern
in der Spitex
St. Gallen, St. Fiden
– © Patientensicherheit Schweiz
Themenschwerpunkte
Patientensicherheit Schweiz
Fehlertypologie
Zum konstruktiven Umgang mit Fehlern aus Sicht Patientensicherheit
Kommunikation nach einem Zwischenfall
Lernen aus einem Zwischenfall
Vermeiden von Second Victims
Sicherheitskultur
Fehler vermeiden – helfen Sie mit!
Patientenbeteiligung zur Patientensicherheit?
Einige relevante Sicherheitskompetenzen
Was heisst das für Sie als Fachpersonen in der Spitex?
Fragen und Diskussion
– © patientensicherheit schweiz
Stiftungszweck
2014 3
In Kooperation mit Leistungserbringern und weiteren Partnern im
Gesundheitswesen arbeiten wir auf die folgenden Ziele hin:
Verbesserung der Patientensicherheit
Förderung des klinischen Risikomanagements
Fördern der Sicherheitskultur und des konstruktiven Lernens aus
Fehlern
Durch konkrete Projekte, Forschung, Wissensverbreitung, Vernetzung
Patientensicherheit Schweiz ist weder eine obrigkeitliche Organisation noch eine
Patientenschutzorganisation
– © patientensicherheit schweiz
Organisationen im Stiftungsrat
2014 4
SAMW Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften
BAG Schweizerische Eidgenossenschaft (Bund)
FMH Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte
SBK Schweizer Berufsverband der Krankenschwestern und Krankenpfleger
VfP Schweizerischer Verein für Pflegewissenschaft
SSO Schweizerische Zahnärzte-Gesellschaft
SAV – pharmasuisse Schweizerischer Apothekerverband
GSASA Gesellschaft Schweizerischer Amts- und Spitalapotheker
physioswiss Schweizer Physiotherapie Verband
SPO Schweizerische Patienten- und Versichertenorganisation
EOC Kanton Tessin
H+ - Die Spitäler der Schweiz
SVS Schweizerische Vereinigung der Spitaldirektoren
Fmch
KHM – Kollegium Hausarztmedizin
GDK - Gesundheitsdirektorenkonferenz
– © patientensicherheit schweiz 2014 5
www.patientensicherheit.ch
– © patientensicherheit schweiz 2014 6
Ist Ihnen schon einmal ein Fehler unterlaufen?
Warum?
– © patientensicherheit schweiz
Was sind Fehler?
2014 7
Eine geplante Handlung erreicht das erwünschte Ziel nicht.
Die Handlung wird entweder nicht wie geplant durchgeführt oder
der Handlung liegt ein falscher Plan zugrunde.
(Reason J. Qual Health Care 1995; 4: 80-89.)
– © patientensicherheit schweiz
Fehlertypen
2014 8
Handlungsfehler:
Versehen (Bsp. Jemand greift ausversehen nach dem
falschen Medikament.)
Versäumnis (Bsp. Jemand vergisst ein Medikament zu
verabreichen.)
Wissens- oder Planungsfehler
Irrtum (Bsp. Jemand behandelt einen Blinddarm als
wäre es eine Magendarmgrippe.)
– © patientensicherheit schweiz
Beispiel
2014 9
Sie wollen zu einer Klientin und fahren nicht zum richtigen Haus.
Mögliche Gründe:
Sie kennen den Weg nicht
Sie sind ausversehen falsch abgebogen
Die Adresse steht falsch in der Akte der Klientin
Die Klientin ist umgezogen
Das GPS ist ausgestiegen
Sie haben die Hausnummer verwechselt
etc.
– © patientensicherheit schweiz
Beispiel (Schaden)
2014 10
Auch der Schaden kann beim gleichen Fehler sehr
unterschiedlich sein.
Möglicher Schaden:
Sie kommen zu spät zur Klientin
Die Klientin erhält ihr Medikament nicht rechtzeitig
Die Klientin sucht Sie und fällt im Treppenhaus
etc.
– © patientensicherheit schweiz
Zum konstruktiven Umgang mit Fehlern
2014 11
Grundannahmen
Wo Menschen arbeiten passieren Fehler
Fehler können nur im Kontext richtig verstanden werden
Eine gute Sicherheitskultur in einer Organisationen trägt
dazu bei, dass möglichst wenig Fehler passieren und
möglichst wenig Schaden entsteht.
– © patientensicherheit schweiz
Fehler sind nicht auszuschliessen
2014 12
Es geht darum, einen guten Umgang mit den Risiken zu
finden und nicht darum eine «null Fehler» Organisation
anzustreben.
Sicherer ist, wer sich den Risiken bewusst ist und
entsprechend Vorkehrungen trifft und achtsam ist.
Der Preis für die Sicherheit ist das Aushalten der
Unsicherheit.
Der konstruktive Umgang mit Fehlern gehört zum
Risikomanagement dazu.
– © patientensicherheit schweiz
Kommunikation nach einem Zwischenfall
2014 13
Fehler nach dem Fehler vermeiden!
Richtig kommunizieren nach einem Zwischenfall, was
heisst das?
– © patientensicherheit schweiz
Kommunikation nach einem Zwischenfall
2014 14
Erstes Gebot nach einem Zwischenfall
Bewahrung vor weiterem Schaden
Kommunikation von Zwischenfällen mit Auswirkung auf den Patienten
Koordiniertes Vorgehen!
– © patientensicherheit schweiz
Kommunikation nach einem Zwischenfall
2014 15
WANN
nach Vorliegen von verlässlichen Informationen
so rasch als möglich
WER
verantwortliche Person mit Vertrauensverhältnis zum Patienten
WO
Privatsphäre schützende Umgebung
– © patientensicherheit schweiz
Kommunikation nach einem Zwischenfall
2014 16
WAS
Fakten, keine
Vermutungen! Angebot eines
alternativen
Behandlungsteams
Bedauern ausdrücken lernende Institution
Wie! und Dass! gelernt
wird
Erklärung med. Folgen
Auslegung möglicher
Behandlungsstrategien
Angebot über
kontinuierliche
Information
– © patientensicherheit schweiz
Kommunikation nach einem Zwischenfall
2014 17
Weitere wichtige Aspekte und Schritte nach
einem schwerwiegenden Zwischenfall
Chefsache!
Beweismaterial sicherstellen
Gedächtnisprotokoll
Behandlungsfall abgeben
Zwischenfall an Behörden/Haftpflichtversicherer melden
Kommunikationsstrategie festlegen
Patienten rechtliche und/oder finanzielle Hilfe aufzeigen
Zwischenfall analysieren
Verbesserungsmassnahmen einleiten
– © patientensicherheit schweiz
Zwischenfall analysieren
2014 18
Durch die Analyse erhalten wir einen Blick ins System. Und stellen uns die Fragen:
Was ist schief gelaufen?
Warum?
Was können wir am System verändern, um das Risiko eines vergleichbaren Zwischenfalls in der Zukunft zu minimieren?
– © patientensicherheit schweiz
Adaptiertes Modell zur Unfallentstehung
2014 19
Management-
Entscheidungen
und
organisatorische
Prozesse
Arbeits- und
Umfeldfaktoren
Teamfaktoren
Individuelle
Faktoren
(Personal)
Aufgaben- und
Prozessfaktoren
Patientenfaktoren
Unsichere
Handlungen
Zwischenfall
ORGANISATION &
MANAGEMENT-
KULTUR
Fehler
Verstösse
DIE PRAXIS
BEEINFLUSSENDE
FEHLERBEGÜNSTI-
GENDE FAKTOREN
FEHLERHAFTE
VORGÄNGE
ABWEHRMECHANISMEN /
BARRIEREN
AKTIVE
FEHLER
FEHLER UND
VERSTÖSSE
AUSLÖSENDE
BEDINGUNGEN
LATENTE
FEHLER
INSTITUTIONELLER KONTEXT
Arbeits- und
Umfeldfaktoren
Teamfaktoren
Individuelle
Faktoren
(Personal)
Aufgaben- und
Prozessfaktoren
Patientenfaktoren
Adaptiertes Modell von J. Reason, aus dem „London Protocol“ von Sally Adams und C. Vincent, Übersetzung Stiftung für Patientensicherheit
©2007Stiftung für PatientensicherheitAdaptiertes Modell von J. Reason, aus dem „Londen Protocol“ von Sally Adams und C. Vincent, Übersetzung patientensicherheit schweiz, ©2007patientensicherheit schweiz
– © patientensicherheit schweiz
Kategorisierung von fehlerbegünstigenden
Faktoren
2014 20
London protocol von Ch. Vincent und S. Adams, Übersetzung und Anpassungen an die Schweiz © patientensicherheit schweiz
– © patientensicherheit schweiz
Fehler melden
2014 21
Damit ein System aus Fehlern lernen kann, muss es diese auch erkennen und kommunizieren
Wie geschieht das bei Ihnen?
Anonym, nicht anonym, gar nicht?
– © Patientensicherheit Schweiz 2014 22
CIRRNET-Netzwerkorganisation
– © patientensicherheit schweiz
Quick-Alert
2014 23
– © patientensicherheit schweiz
Second Victim
2014 24
Grundlagen/Elemente:
• Literaturreview
• Fokusgruppen
• Sozial-Psychologische
Theorien
• Modell (konz.
Rahmen) für die
Organisation
• Empfehlungen
• Schriftenreihe
• Broschüren für Kader,
Kollegen, Betroffene
• Kaderschulungen
int./ext.
– © patientensicherheit schweiz
Second Victim
2014 25
Fachpersonen werden zu Second Victim, wenn sie stark darunter leiden, dass sie an einem Fehler beteiligt waren.
Das ist häufig der Fall, wird aber oft verkannt.
Second Victim kann jede und jeder werden.
– © patientensicherheit schweiz
Emotionale Reaktionen
2014 26
Schuld
Reue
Frustration
Selbstzweifel
Isolation
Wut Scham
Unzulänglichkeit Einsamkeit
Versagen
Inkompetenz
Unsicherheit
– © patientensicherheit schweiz
Stressreaktion
2014 27
"Und das war für mich...mir tat sich ein Loch auf, weil ich hab das
Medikament ums dreissigfache zu hoch gegeben und da hab ich
gedacht: ‚Das halt ich nicht aus!’
Als ich merkte, was der Fehler war, da hab ich gedacht:
‚Es kann nicht sein, es kann nicht sein, es kann nicht sein!’"
Pflegefachperson, CH
Mögliche Symptome
Betäubung
Tunnelblick
Emotionale Schwankungen (Wut, Trauer, Teilnahmslosigkeit)
Vegetative Stressreaktion
Dauer: Minuten bis 2-3 Tage
– © patientensicherheit schweiz
Verarbeitung
2014 28
"Dieser eine Fehler…Das ist mir sehr lange nachgegangen.
Das ist etwas, das wirkt bis heute."
Oberarzt, CH
Mögliche Symptome
• Aufdrängende Erinnerungen (Flashbacks, „getriggert“)
• Vermeidungsverhalten
• Emotionale Verflachung
• Erhöhtes Erregungsniveau (Arousal)
• Schlafstörungen
• Dauer: > 4 Wochen = posttraumatische Belastungsstörung
– © patientensicherheit schweiz
Second Victim
2014 29
Ziel ist es nach einem Zwischenfall schwerwiegende Folgen für die Betroffenen und für den Betrieb zu vermeiden.
Empfehlungen für:
Betroffene
Kollegen
Kader
– © patientensicherheit schweiz
Betroffene
2014 30
Wissen
Sensibilisieren
Normale Reaktion auf abnormale Situation
Hinschauen hilft
Tun
Emotionen zulassen
Hilfe holen ist professionell
Reden mit Kolleginnen und/oder Vorgesetzten
Beteiligung bei der Aufarbeitung
Lernen, als Fachperson wieder Tritt fassen.
Patientengespräch
– © patientensicherheit schweiz
Kolleginnen und Kollegen
2014 31
Wissen
Krise und Emotionen im Team
Auch Sie als Kollegin sind gefordert
Vertrauen pflegen
Reden
Hemmungen überwinden
Tun
Aktive Angebote
Fachlichkeit und Emotionen
Angebote
Nein zu Beschuldigungen
Achtsamkeit
Fachliche Unterstützung
Schulung
– © patientensicherheit schweiz
Kader
2014 32
Betrachtung als Notfall
Bereiten Sie sich vor
Sorgen Sie jetzt für ein gutes Betriebsklima
– © patientensicherheit schweiz
Sicherheitskultur
2014 33
Menschen schaffen Sicherheit
Patienten / Klienten einbeziehen
Sicherheitskompetenzen bei Fachpersonen
– © patientensicherheit schweiz
Beteiligung von Patienten
2014 34
– © Patientensicherheit Schweiz
Patienten
sind häufig besorgt um ihre Sicherheit im Spital, auch
in der Schweiz
sind oft aufmerksame Beobachter, aber agieren selten.
brauchen Instruktion und Motivation, um Fragen und
Beobachtungen direkt und sofort zu kommunizieren.
35 2013
– © Patientensicherheit Schweiz
Beteiligung von Patienten an der
Patientensicherheit
Wie sehen Sie das?
Was sind Ihre Erfahrungen?
36 2014
– © patientensicherheit schweiz
Einige entscheidende Sicherheitskompetenzen
2014 37
Kategorie Individuelle Kompetenzen
Vorausschauendes
Handeln und
Vorsorge
Vorwegnahme von organisatorischen Problemen
Fähig sein, dem sich verschlechternden Zustand des
Patienten vorausschauend zu begegnen
Notfallplanung mit klar festgelegten Behandlungsstufen
Achtsamkeit
bezüglich einem
selbst
Sicherstellen, dass die eigenen Emotionen die
Patientenversorgung nicht beeinträchtigen
Aus früheren Fehlern lernen
Seine eigenen Grenzen kennen
Wissen, wer, wann und wie angemessen um Hilfe gebeten
werden soll
Gewissenhaftigkeit Gründlich sein / auf Einzelheiten achten
Kontrollieren und erneut kontrollieren
Sich besonders anstrengen um zu helfen
Bescheidenheit Kritik konstruktiv annehmen
Bereit sein zuzuhören und Ratschläge anzunehmen
Wachsamkeit Alarmbereitschaft / auf Draht sein
Muster erkennen und auf Abweichungen von Muster achten
Die Situation regelmässig erneut überprüfen
– © patientensicherheit schweiz
ERA Kurse 2015
2014 38