Eine Konzertreihe derGesellschaft zur Förderung der Westfälischen Kulturarbeit e.V.
C H A P E A U
konzerte junger virtuosen
Saison 2012/13 | Start 07. 10. 2012
Erbdrostenhof
NRW.BANK
Westfälische Provinzial
www.chapeau-classique.de
Spielorte Münster
Karten20,00 € Vorverkauf (inkl. Gebühr) und Abendkasse
14,00 € für GWK-Mitglieder, Schüler, Studierende, Schwerbehinderte (Ausweis)
Die Sitzplätze sind nummeriert. Saalpläne: www.adticket.de
Jörgs CD-Forum | Alter Steinweg 4, 48143 Münster, Tel: 0251 / 5 88 89
www.adticket.de | Tel: 0180 / 50 40 300
Mo – Fr 8:30 – 19:30 Uhr und Sa 10:00 – 14:00 Uhr
(14 ct/min aus dem deutschen Festnetz, max. 42ct/min aus dem Mobilnetz)
106,00 € / 76,00 € GWK-Mitglieder, Schüler, Studierende, Schwerbehinderte (Ausweis)
KonzertorteErbdrostenhof | Salzstraße 38, 48143 Münster
NRW.BANK | Friedrichstraße 1 (Ecke Warendorfer Str.), 48145 Münster
Westfälische Provinzial | Provinzial-Allee 1, 48159 Münster (Zentrum Nord)
Einzelkarten
Ermäßigt
Vorverkauf
Online-Verkauf
Saison-Abo
Konzerte Junger Virtuosen
Chapeau!
Den Klappzylinder dürfen wir auch in der näch-
sten Konzertsaison vor außergewöhnlichen
jungen Musikerinnen und Musikern ziehen.
Ich freue mich, dass Sie, liebe Konzertgäste, die
erste CHAPEAU CLASSIQUE-Saison so gut
angenommen haben. So waren unsere Premium
Partner sofort bereit, die Reihe fortzusetzen.
Ich danke der Kulturstiftung der Provinzial Ver-
sicherung und der NRW.BANK, dem LWL und
RWE herzlich dafür, dass sie so schöne Konzert-
ereignisse in Münster möglich machen.
Ich bin sicher, den ein oder andern Namen der
„jungen Meister“, die bei uns auftreten, haben
Sie schon gehört. Denn sie sind international un-
terwegs und feiern Erfolge, bei den wichtigsten
Wettbewerben zum Beispiel, oder sie werden
für ihre CD-Produktionen ausgezeichnet, sind
auf den renommierten Podien Deutschlands und
Europas zu Gast. Doch dass sie mit Nordrhein-
Westfalen oder mit der GWK zu tun haben, ist
Ihnen bei dem einen, der andern gewiss neu!
Der ARD-Preisträger Alexej Gorlatch wuchs in
Münster auf, die Geigerin Mirijam Contzen,
europaweit begehrte Solistin, und der GWK-
Preisträger Tobias Bredohl stammen aus
Ascheberg. Roman Viazovskiy, einer der welt-
besten Gitarristen seiner Generation, kam aus
der Ukraine, studierte u.a. in Münster und
Aachen und bekam den GWK-Preis. Die GWK-
Preisträgerin Kira Kohlmann aus Kierspe spielt
mit international ausgezeichneten Geigern im
Geigen(!)quartett der „Violons Vivants“. Als das
„deutsche Bratschenwunder“ wurde Nils Mön-
kemeyer populär. Der phänomenale Violaspieler
erhielt, bevor er so berühmt wurde wie wohl
noch kein Bratscher vor ihm, auch einen GWK-
Förderpreis. Und die Essener Brüder Alexej und
Nicolai Gerassimez haben 2012 den Deutschen
Musikpreis gewonnen.
Auch in dieser Saison darf ich Ihnen also
Musik im emphatischen Sinn des Wortes ver-
sprechen: dieses schwebende Zwischen, das
entsteht, wenn alle, Musiker und Publikum,
„ganz da“ sind, in der Musik, die einzig und
allein in diesem einen Moment, der nicht wie-
derkommt, lebt.
Herzlich heiße ich Sie auch im Namen unserer
Premium Partner beim neuen CHAPEAU CLAS-
SIQUE im Erbdrostenhof, in der Westfälischen
Provinzial und in der NRW.BANK willkommen.
Dr. Susanne Schulte
Geschäftsführerin der GWK
SO 07.10.2012 · 18 Uhr · Erbdrostenhof
Alexej Gorlatch Klavier
FR 09.11.2012 · 20 Uhr · NRW.BANK
Violons Vivants Geigenquartett
SO 09.12.2012 · 18 Uhr · Erbdrostenhof
Roman Viazovskiy Gitarre
SO 20.01.2013 · 18 Uhr · Erbdrostenhof
Mirijam Contzen Violine | Tobias Bredohl Klavier
SO 24.02.2013 · 18 Uhr · Erbdrostenhof
Nils Mönkemeyer & Friends Viola und Ensemble
DO 18.04.2013 · 20 Uhr · Westfälische Provinzial
Alexej Gerassimez Percussion | Nicolai Gerassimez Klavier
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P R O G R A M M C H A P E A U C L A S S I Q U E 2012/13
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C L AQ U E 1 SO 07. Oktober 2012 | 18 Uhr Erbdrostenhof | Salzstr. 38 | 48143 Münster
Programm
Ludwig van Beethoven:
Sonate Nr. 8 c-Moll op. 13 „Pathétique“
Sonate Nr. 14 cis-Moll op. 27/2 „Mondscheinsonate“
Sonate Nr. 17 d-Moll op. 31/2 „Sturm“
Sonate Nr. 31 As-Dur op. 110
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Bis er 2011 mit dem 3. Klavierkonzert von
Beethoven den Int. ARD Wettbewerb samt Publi-
kumspreis gewann, war er ein Geheimtipp. Da-
nach feierten ihn große Medien an prominentem
Sendeplatz. Alexej Gorlatch, der in Münster auf-
wuchs, eröffnet die CHAPEAU CLASSIQUE-Saison
mit dem Klassiker überhaupt. Er spiele Beetho-
vens Musik, schwärmt das Magazin „Audio“,
„so genau auf dem Grat zwischen pianistischer
Wucht und Exaktheit des Details, dass man gar
nicht weiß, was einen mehr bezwingt: dieser
präsente, aus dem Vollen geschöpfte Klang des
Klaviers oder die schier nicht enden wollende
Farbigkeit der Details und der Stimmführung“.
Der 24-Jährige selbst beschreibt seinen Zugang
zu Beethoven im Deutschlandfunk so: „Um das
Wesen dieser Musik zu verstehen, muss man
sich wirklich stark hineinfühlen und alle Phrasen
genau ansehen und verstehen, wo Beethoven
zu einem spricht, was denn hier mehr ist als eine
Verzierung, als eine Girlande hier um die Har-
monien herum, und wirklich verstehen, dass in
jedem Ton auch eine Bedeutung liegt.“
Alexej Gorlatch wurde 1988 in Kiew gebo-
ren und wuchs in Münster auf. Er erhielt ersten
Klavierunterricht bei E.G. Georgiew in Passau.
Mit 12 Jahren wurde er Jungstudent zunächst
bei Martin Hughes an der Universität der Künste
Berlin, später bei Karl-Heinz Kämmerlings an
der Hochschule für Musik und Theater in Hanno-
ver. Dort studierte er auch nach dem Abitur in
Münster weiter und schloss 2012 sein Studium
ab. Alexej Gorlatch spielte schon auf den gro-
ßen Konzertpodien der Welt, etwa in der New
Yorker Carnegie Hall oder der Wigmore Hall in
London, in der Pariser Salle Alfred Corot oder in
der Tokioter Suntory Hall und im Gewandhaus in
Leipzig. Außerdem ist er auf großen Festivals zu
Gast und als Solist bei renommierten internatio-
nalen Orchestern.
Alexej Gorlatch Klavier
… wo Beethoven zu einem spricht
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C L AQ U E 2 FR 9. November 2012 | 20 Uhr
Violons Vivants
Herzlich lädt die NRW.BANK in
ihre Konzert-Caféteria ein.
Allegro vivo
Eine Klangwelt gilt’s zu entdecken, eine seltene,
man meint ‚unmögliche‘ Besetzung. Der Name
des Ensembles ist Programm, und es macht ihm
alle Ehre: quicklebendige Geigen sind’s, und nicht
nur zwei, wie im ganz normalen Streichquartett.
Gleich vier bringt Violons Vivants auf die Bühne,
denn für eine Geige lassen diese Musiker jede
Bratsche, jedes Cello stehn. Zu recht, vermisst
man doch keine Stimme, keine Farbe, egal ob im
Quartett von Grazyna Bacewicz, einer der wich-
tigsten Vertreterinnen der polnischen Moderne
und Meisterin der Instrumentation, oder in der
Duosonate von Rózsa, einem der bekanntesten
Hollywood-Komponisten. Logisch auch, dass es
die Vier beim Musizieren auf Stühlen nicht hält.
Sie spielen im Stehen, kraftvoll und filigran, von
lento bis allegro molto, mal romantisch und
mit Schmelz, mal aggressiv, mal erzählend oder
lyrisch: ein jedes Mal aber packend vivant.
Über alle Virtuosität hinaus war es sein lebendi-
ges Spiel, dass Laurent A. Breuninger u.a.
1997 zum Preisträger beim Königin-Elisabeth-
Wettbewerb in Brüssel machte. Heute ist er,
neben seiner Tätigkeit als Solist und Komponist,
Professor an der Hochschule für Musik Karlsru-
he, wo er Kira Kohlmann, Stefan Krznaric und
Emika Müller unterrichtet(e). Kira Kohlmann
(*1983 Gummersbach), GWK-Preisträgerin und
zum Beispiel Finalistin beim Internationalen
Brahmswettbewerb in Österreich, machte 2011
ihren Master mit Auszeichnung bei ihm.
Stefan Krznaric (*1987 Viernheim) er-
spielte sich u.a. den 1. Preis beim Wolfgang-
Hofmann-Wettbewerb und den 1. Bundespreis
„Jugend musiziert“ im Violintrio. Auch Emika
Müller (*1989 Heidelberg) gewann einen 1.
Preis beim Bundeswettbewerb „Jugend musi-
ziert“, hinzu kam ein Sonderpreis der Deutschen
Stiftung Musikleben.
Laurent A. Breuninger, Kira Kohlmann,
Stefan Krznaric und Emika Müller | Violine
NRW.BANK | Friedrichstr. 1 | 48145 Münster
Programm
Ignaz Lachner: Quartett G-Dur op. 107 für vier Violinen
Miklós Rózsa: Sonate für zwei Violinen op. 15
Charles Dancla: Variationen op. 161 über „Ah! Vous dirai-je Maman“
Ferdinand Hiller: Capriccio op. 203
Pablo de Sarasate: Navarra op. 33 (Arr. Laurent Breuninger)
Grazyna Bacewicz: Quartetto per 4 Violini
Charles Dancla: Le carneval de Venise op. 119
Programm
Silvius Leopold Weiss: Sonata V in G-Dur
Napoléon Coste: Introduction et Variations sur un motif de Rossini
Konstantin Vassiliev: „Fatum“
Joaquin Turina: Sonata op.61
Thelonious Monk: „Round midnight“
Sérgio Assad: „Aquarelle“
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Zeitenwanderer
Vor Virtuosität und Spiellust überbordend, dabei
immer musikalisch-musikantisch im allerschön-
sten Sinn – ohne Übertreibung kann man Ro-
man Viazovskiy als einen der besten Gitarristen
seiner Generation bezeichnen. Das Schwierigste
scheint für ihn ein Kinderspiel, er musiziert mit
„hörbarem Genuss und ansteckender Begeiste-
rung an jeder galanten Wendung, jedem spek-
takulären Lauf und jedem magischen Flageolett.
Die Pose des Hexenmeisters vermag er nicht nur
zu behaupten, er verkörpert sie“ (Klassik-heute.
de). Aber: Roman Viazovskiys Magie ist weiß, ist
Kunst. Nichts ist hier bloße Oberfläche, Artistik
und Show. Alles, was der Virtuose tut, steht
im Dienste der Musik, subtiler Darstellung und
gehaltvoller Expression: ein Zeitenwanderer mit
Tiefgang, Wissen, Esprit, ein Meister mit Herz
und Verstand.
Roman Viazovskiy (*1974 Donezk, Ukraine)
studierte bis 1992 am Donezker Musikkolleg bei
Viktor Kriwenko, dann am dortigen Sergey Pro-
kofiev Konservatorium bei Walerij Iwko (Gitarre)
und Ludmila Popowa (Dirigieren). Nach seinem
Diplom 1996 machte er ein Aufbaustudium
bei Reinbert Evers an der Musikhochschule in
Münster und bei Tadashi Sasaki an der Aache-
ner Abteilung der Hochschule für Musik Köln.
Roman Viazovskiy, der heute mit deutschem
Pass in NRW lebt, bekam den GWK-Förderpreis
und erspielte sich auf den prestigeträchtigsten
internationalen Wettbewerben 1. Preise. Kon-
zertengagements führten ihn in fast alle Länder
Europas, in den Nahen Osten, nach China, Japan,
Thailand, in die USA und nach Lateinamerika.
Bei den wichtigsten Gitarrenfestivals ist er zu
Gast. Roman Viazovskiy ist Initiator und künst-
lerischer Leiter des Internationalen Gitarrenfe-
stivals & Wettbewerbs Heinsberg. Beim Label
ClassicClips sind seine CDs „Sonatas“ und „Zei-
tenwanderer“ erschienen.
Roman Viazovskiy Gitarre
C L AQ U E 3 SO 9. Dezember 2012 | 18 Uhr Erbdrostenhof | Salzstr. 38 | 48143 Münster
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Der LWL freut sich auf ein schönes Weih-
nachtskonzert in seinem Erbdrostenhof.
Sonata
„One of today’s most outstanding violinists“,
nannte sie das führende Streichermagazin „The
Strad“. Und die Deutsche Phono-Akademie
ehrte die Geigerin aus Ascheberg 2001 mit dem
begehrten ECHO-Klassikpreis als beste Nach-
wuchskünstlerin. Einst als Wunderkind gefeiert,
vom legendären ungarischen Geiger Tibor Varga
ausgebildet, ist Mirijam Contzen heute als Kam-
mermusikerin auf den großen internationalen
Podien zuhause, als Solistin weltweit bei be-
deutenden Orchestern zu Gast. Betörend, kernig
und nobel ihr Ton, sympathisch ihr Auftreten,
natürlich ihr Charisma. Tobias Bredohl ist Miri-
jam Contzen ein kongenialer Partner am Klavier.
Beide liegen auf einer Welle, teilen die Tiefe
der musikalischen Empfindung. Virtuosität und
Expression, Leidenschaft, Intelligenz und Finesse
zünden kontrolliert. Ein Duo, das eins ist mit der
Musik, die es spielt. Pure Präsenz.
Mirijam Contzen (*1976 Münster) trat mit
internationalen Orchestern, darunter das Ge-
wandhausorchester Leipzig, das Konzerthaus-
orchester Berlin, das BBC Philharmonic oder das
Sydney Symphony Orchestra, und bei bedeu-
tenden Festivals auf. Sie arbeitete u.a. mit den
Dirigenten G. Albrecht, Ch. Hogwood, G. Wand,
E. Inbal und Bobby McFerrin, M. Sanderling, R.
Frühbeck de Burgos und R. Goebel zusammen.
Seit 2005 leitet sie ihr Kammermusikfestival auf
Schloss Cappenberg. Unter ihren Kammermusik-
partnern sind Herbert Schuch, Pierre-Laurent Ai-
mard oder Joshua Bell, Natalia Gutman, Clemens
Hagen, Janine Jansen, Leonidas Kavakos oder
Mischa Maisky. Tobias Bredohl (*1974 Mün-
ster) studierte bei Gregor Weichert an der Hoch-
schule für Musik Detmold, Abt. Münster, wo er
auch das Konzertexamen machte. Er erhielt den
Förderpreis der GWK und wurde u.a. bei den
internationalen Klavierwettbewerben im tsche-
chischen Karlsbad, beim Schubert Wettbewerb
Dortmund, beim Premio F. Durante Napoli in
Italien und beim Wartburg-Klavierwettbewerb
Eisenach ausgezeichnet. Seit 1995 gastiert er
als Solist und Kammermusiker in Deutschland
und Europa, u.a. mit Sebastian Manz, Mirijam
Contzen und Zeynep Köylüoglu.
Mirijam Contzen Violine
Tobias Bredohl Klavier
C L AQ U E 4 SO 20. Januar 2013 | 18 Uhr Erbdrostenhof | Salzstr. 38 | 48143 Münster
Programm
Paul Hindemith: Sonate in E für Violine und Klavier (1935)
Stefan Heucke: Sonata Nr. 2 für Violine und Klavier op. 58
Johannes Brahms: Sonate für Klavier und Violine Nr. 1 G-Dur op. 78
Claude Debussy: Sonate für Violine und Klavier g-Moll
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C L AQ U E 5 SO 24. Februar 2013 | 18 Uhr Erbdrostenhof | Salzstr. 38 | 48143 Münster
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Programm
Michel-Richard Delalande: Tänze aus „Les Symphonies de Noel“
Johann Sebastian Bach: Suite d-Moll Nr. 2 BWV 1008
Gaetano Brunetti: Sonate D-Dur für Viola und Basso Continuo
Marie-Elisabeth Jaquet de la Guerre: Sonate Nr. 1 für Viola, Violoncello und Basso Continuo
Johann Sebastian Bach: Suite G-Dur Nr. 1 BWV 1007
Arcangelo Corelli: Sonate d-Moll op. 5, 12 für Viola und Basso Continuo
Reise durch‘s Barock
Als „erstes deutsches Bratschenwunder“ jubelte
ihm das Klassik-Magazin „Rondo“ zu. Wie kein
anderer hat der zweifache ECHO-Preisträger Nils
Mönkemeyer der Viola zu Popularität verholfen,
das Klischee vom Bratscher als verhindertem
Geiger Lügen gestraft: „Irgendwie passte mir der
Klang der Geige nie so richtig, ich wollte es im-
mer dunkler und voller haben. Die Bratsche hat
einen wunderbar warmen, runden und vollen
Klang, der viel intimer ist als der einer Geige und
direkt von Herzen kommt.“ Nils Mönkemeyers
Virtuosität, sein Feuer sind verinnerlicht. Seine
Viola singt und rockt, natürlich und frei, edel bis
übermütig und melancholisch, geschmackvoll.
Im Barock ist er mit ihr zuhause, gerade wenn
er mit seinem Programm vieler Herren Länder
durchquert. Zusammen mit seinen Freunden
spielt er vergangen Geglaubtes ins 21. Jahrhun-
dert hinein: neue, authentische Gegenwart – und
eine große Freude.
Nils Mönkemeyer(*1978 Holzwickede)
machte Konzertexamen bei Hariolf Schlichtig
in München. Heute ist der Preisträger der GWK
und int. Wettbewerbe selbst Professor an der
dortigen Hochschule und als Solist und Kammer-
musiker auf den Festivals und Konzertpodien
der Welt gefragt. Sabine Erdmann ist, neben
ihrer solistischen Tätigkeit, Mitglied u.a. im Con-
certo Grosso Berlin, bei der Kleinen CammerMu-
sik Potsdam, den Heidelberger Sinfonikern. Der
Lautenist Andreas Arend unterrichtet am
Königl. Konservatorium Kopenhagen. Er ist u.a.
Mitglied des Ensembles „chelycus“ und mit dem
Freiburger Barockorchester, mit Cordarte oder
der Holland Baroque Society zu hören. Klaus-
Dieter Brandt machte Konzertdiplom bei
Roël Dieltiens in Leuven und studierte histori-
sche Aufführungspraxis bei Ilton Wjuniski. Er
gründete das Ensemble „Alte Musik Köln“ und
ist u.a. Solocellist der Musica Antiqua Köln.
Nils Mönkemeyer & FriendsNils Mönkemeyer | Viola
Klaus-Dieter Brandt | Violoncello
Andreas Arend | Theorbe
Sabine Erdmann | Cembalo
Herzlich lädt RWE Sie in Münsters
schönsten Festsaal ein.
C L AQ U E 6 DO 18. April 2013 | 20 Uhr Westf. Provinzial | Provinzial-Allee 1 | 48159 Münster
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Herzlich lädt die Provinzial Sie zu Konzert und Pausen-
snack in ihre „Beletage“ ein. Ab 19.30 Uhr und
in der Pause haben Konzertbesucher die Gelegenheit,
die Kunstsammlung des Hauses zu besuchen.
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Programm
Alexej Gerassimez: Variations on Libertango | Roberto Sierra: Los destellos de la resonancia
Alberto Ginastera: Danzas Argentinas | Chick Corea: Childrensongs
Emmanuel Sejourne: Famim 2 | Javier Alvarez: Temazcal
John Psathas: Matres Dance | Richard Michael: Jazzsuite
Percussion Meets Piano
Zwei Brüder in einer Musikerfamilie, die, grad
aus den Windeln heraus, schon miteinander
musizierten. „Ich hab ziemlich früh angefangen,
auf allen möglichen Sachen rumzutrommeln,
mit Essstäbchen und allem Möglichen. Das war
irgendwie immer da“. Und: „Bei uns stand ein
Klavier in der Ecke und eher selten hat jemand
drauf gespielt. Mich hat das interessiert, ich
war neugierig.“ So fangen große Musikerkarrie-
ren an: Alexej gehört heute zu den führenden
Schlagzeugsolisten seiner Generation, Nicolai ist
ein Stern am Pianistenhimmel. Im Duo erobern
die Brüder Gerassimez die Wettbewerbspodien
und Konzertsäle. Ihr Programm ist Globalisierung
aufs Schönste, „Multikulti“ in Reinform und auf
höchstem Niveau. Sie spielen Komponisten unse-
rer Zeit, aus Europa, den Amerikas, Neuseeland,
von denen jeder seine originäre Mixtur aus Pop
und Folklore, Klassik und Jazz kreiert. Intensität
und Spannung, ohne Grenzen ins Offne, in den
Zauber, die Düfte der Kulturen der Welt.
Der Schlagzeuger Alexej Gerassimez (*1987
Essen) studierte bei Peter Sadlo in München.
Mehrfach war er Bundespreisträger bei „Jugend
musiziert“, gewann u.a. den Wettbewerb des
Deutschen Musikrats und den 1. Preis, sowie den
Publikums- und den Pressepreis beim internatio-
nalen TROMP Percussion Competition in den Nie-
derlanden. Als Solist und Kammermusiker gastiert
Alexej bei großen Festivals, Konzerte gab er in
diversen Ländern Europas, in Japan und den USA.
Nicolai Gerassimez (*1985 Essen) studierte
bei Matthias Kirschnereit in Rostock. Der Pianist
wurde vielfach ausgezeichnet, nach 1. Preisen
beim Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“
erhielt er u.a. wiederholt den 1. Preis des Deut-
schen Musikwettbewerbs. Nicolai Gerassimez ist
ein gefragter Kammermusikpartner, feste Duos
hat er mit Norbert Anger (Violoncello) und seinen
Brüdern Alexej und Wassily. Solokonzerte und Re-
citals führten ihn in renommierte europäische und
amerikanische Musikzentren und zu Festivals.
Alexej Gerassimez Percussion
Nicolai Gerassimez Klavier
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Ob Paul Reckendorfer Mitte der 1960er Jahre
den Wettlauf ins All im Hinterkopf hatte, als er
den antiken Götterhimmel mitsamt Apollo und
Saturn nach alten Fotografien neu an die Decke
des Erbdrostenhof-Festsaals malte? Der Adels-
hof war im Zweiten Weltkrieg zerbombt und
danach wieder aufgebaut worden. Zweihundert
Jahre vorher hatte N. Loder, der österreichische
Maler des Ursprungsbildes, gewiss nur die my-
thologische Bedeutung der antiken Gottheiten
im Sinn, natürlich nicht als Gläubiger, sondern
als gebildeter Kunstmaler, der die gängigen Bild-
programme, die symbolischen Qualitäten der
Götter und die Vorlieben seines Auftraggebers,
des Erbdrosten Heidenreich Freiherr von Droste
zu Vischering, kannte. Das Gemälde gehörte zur
Inszenierung barocker Feste. Eigenartig hier das
Miteinander von Apollo und Saturn, vielleicht
eine Bildfindung von Loder, der im übrigen eine
andere Handschrift hatte als sein Restaurator,
eine „lockere, fahrig-temperamentvolle“. Bei
Reckendorfer wirkt „nahezu alles schwerfälliger
und steifer als im Original; dem nachgeschaffe-
nen Werk mit seiner dumpferen Farbigkeit fehlt
so auch ein guter Teil der lockeren Duftigkeit und
der leichte Hauch von skizzenhafter Frivolität
und Heiterkeit, die Loders Fresken kennzeich-
nen.“ (Korn: Erbdrostenhof, 2005)
Der lichte Gott – himmlische Inspiration Loder hat Apollo nicht mit allen seinen herkömm-
lichen Attributen und in hell-dunkler Ambivalenz,
sondern als lichten Gott dargestellt, als Gott der
Musik und des Gesangs, der Weissagung und
Inspiration, der Reinheit, in eindeutig vertikaler
Gerichtetheit und Offenheit. Apollo trägt Leier
und Lorbeerkranz, überlieferungsgetreu hat er
eine jugendliche Gestalt und blondes Haar. Auf-
fällig hier, dass er mit keiner anderen Gottheit
kommuniziert, sein Körper sich vielmehr nach
oben, aus dem Bild hinaus dreht. Apoll wirft sich
gleichsam in den goldenen Glanz, den der Him-
mel emittiert, als hätte er ein Jenseits im Blick,
oder aber er hält die Augen geschlossen, auf ein
Inneres, ein (äußeres) Geistiges gerichtet.
Loder malte jenen Apoll, der kurz nach seiner
Geburt auf Delos, nachdem er mit Nektar und
Ambrosia, Speisen der Unsterblichkeit, gefüttert
und mit einem goldenen Band in Windeln ge-
wickelt worden war, diese sofort sprengte und
sprach: „Lieb sei mir Leier und Bogen! Verkünden
werd ich den Menschen in meinen Orakeln den
unfehlbaren Willen des Zeus!“ (Kerényi: Mytho-
logie, 107) Worauf die Insel in goldenem Glanz
erstrahlte, alles wurde übergoldet und blühte
und duftete. Bald darauf ermordete der Gott die
Riesenschlange Python in Delphi und eroberte
sich so das dortige Orakel. Es war das berühm-
teste der Antike und Zentrum des Apollonkults.
Sein Lorbeerkranz erinnert daran, dass Apoll für
den Mord an der Schlange neun Jahre lang büß-
te, seine Hirtenzeit im Tempetal. Danach kehrte
er als „Phoibos“, als Reiner, nach Delphi zurück,
mit einem Kranz und Zweig vom Lorbeerbaum.
In diesen hatte sich Daphne verwandelt, um sich
dem Gott zu entziehen, als er sie begehrte. Lor-
beer ist immergrün und duftet stark, weshalb er
seit alters als Sinnbild der Unverweslichkeit und
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A p o l l u n d S at u r nSusanne Schulte
Goldgelb durchstrahlt die Sonne den Götterhim-
mel des Festsaals im münsterschen Erbdrosten-
hof. Sie ist das Zentrum, vor ihr Jupiter (Zeus),
der Herrscher über die Götter, mit Zepter, Krone
und Adler, hinter diesem, mit Flügelhaube und
Heroldsstab, sein Bote, Merkur (Hermes). Er ver-
bindet Himmel und Erde und führt die Seelen aus
dieser Welt ins Jenseits. Rechts von Jupiter und
Merkur, unweit der Bildmitte, sitzen Apollo und
Saturn nah beieinander, wie auf einer einzigen
Wolke vereint. Apollon war der größte Gott der
Griechen nach seinem Vater, Zeus. Um Apoll und
Saturn soll’s hier gehen.
Apollo und Saturn – wer heute die Namen goo-
gelt, weil er die Mythen nicht parat hat, findet
zuoberst diesen Wikipedia-Eintrag:
„Die Familie der Saturn-Raketen gehört zu den
leistungsstärksten Trägersystemen der Raum-
fahrt, die jemals gebaut wurden. Sie wurden
hauptsächlich von deutschstämmigen Wissen-
schaftlern und Technikern unter Leitung Wernher
von Brauns für die amerikanische Raumfahrtbe-
hörde NASA im Rahmen des Apollo-Programms
entwickelt […]. Das bekannteste und größte
Mitglied der Familie, die Saturn V, wurde für die
Mondlandungen benutzt und ist gleichzeitig
eine der größten und stärksten Raketen, die je
eingesetzt wurden. Sie bestand aus drei Stufen
und trug an der Spitze das Apollo-Raumschiff,
bestehend aus Mondlandefähre, Service- und
Kommandomodul sowie der Apollo-Rettungsra-
kete. Innerhalb der Saturn-Raketenfamilie baute
jeweils das nächstgrößere Modell auf der bereits
für die Vorgängerversion entwickelten Technik
auf und ersetzte einzelne Komponenten durch
leistungsfähigere.“
Apollo, Saturn – das sind Kindheitsnamen.
„Apollo“ und „Saturn“: das war Amerika, Magie
und Fernsehen, auch zur Unzeit und heimlich, im
einzigen Programm, in Schwarzweiß; das war
Zeitungsausschnitte Sammeln, sie ins kartonier-
te Spezialheft Kleben, ein Füllerkommentar kam
hinzu. Meine ganz persönliche Chronik in Uhu-
duft: Apollo 11. „The Eagle has landed.“ 21. Juli
1969, 3:56 Uhr MEZ. „Apollo“ und „Saturn“: das
war die Welt, die selbst die Großen nicht kannten,
und „Amerika“ meinte das Land, das die großen
Träume, das Glück, wirklich machte. Ich wollte
Astronautin werden und betete, dass es klapp-
te. „Apollo“, „Saturn“: Kindheitsnamen und eine
Ahnung, was diese als Erwachsenenworte be-
zeichnen. Namen für ein Hightechprogramm und
die Sehnsucht, die Schwere, Schwerkraft und
Schwermut, zu überwinden und aufzusteigen,
erst ins Licht, dann in unendliche Weiten, übers
Dunkel hinaus und in das Geheimnis. Zu wissen.
Zu erkennen. Zu erobern. Ein Glück. Vom „space
race“ zwischen Ost und West, im Kalten Krieg
mehr als ein symbolisches Rennen, wusste die
Neunjährige noch nichts. Und dass die Namen
von Göttern kamen, ahnte das Kommunionkind
nicht. Es wusste auch nicht, dass Kennedy es
den Kommunisten mit dem Apollo-Programm
gezeigt hat…
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99, zitiert bei Kerényi: Apollonreligion, 42) Mit
Bezug auf Platons Dialog „Phaidon“ und auf Py-
thagoras betont Kerényi dagegen die Dualität
dieses Geistes. Sokrates‘ „Annäherung an das
Unkörperlich-Seelische, die Sehnsucht nach der
von den Sinnen losgelösten Einsicht, die bewußt
fortschreitende Befreiung aus der Gebundenheit
im Leibe (…) ist ein einziger Vorstoß nach akti-
ver und passiver Übersinnlichkeit, (…) eine töd-
liche Sehnsucht nach Reinheit“ (Kerényi: Apol-
lonreligion, 39). Apollon ist, „vom Standpunkt
der Seele gesehen, ein Aspekt des individuellen
Aufhörens, einer Realität, die von der einen Seite
her gesehen eine finstere Wirklichkeit ist. Sie hat
jedoch auch einen ganz anderen Aspekt. Denn
sie ist verbunden mit der höchsten Reinheits-
aussicht: mit der Aussicht auf völlige Reduktion
der Lebensmannigfaltigkeit. Darin verschwindet
zugleich jede Dunkelheit. So erscheint Apollon,
der Finstere und Klare, der Seele. Finsternis und
Klarheit zugleich ist er seinem Wesen nach. Seine
Gestalt begreift die Verwirklichung der vollkom-
menen Reinheit in sich.“ (Kerényi: Apollonreligon,
46) Auf dieser liegt, wie gesagt, bei Loders Apol-
lo das Augenmerk, das Finstre, die Dunkelheit,
sind außen vor. Sein Apoll ist ein lichter Gott.
Der unheimlichste der Götter – Tod und DüsternisUnmittelbar neben diesen platzierte Loder sei-
nen Gegenpart, Saturn, den „unheimlichsten
der Götter“ (KPS 309). Loder bezieht sich nicht
allein auf antike Darstellungen der Gottheit, er
benutzt auch Attribute, die ihr später erst beige-
geben wurden. Wie dem Apoll so nimmt er auch
dem Saturn die Ambivalenz: Im römischen Sa-
turn waren der griechische Kronos, der Vater der
drei Weltenherrscher Zeus, Poseidon und Hades,
der Herrscher des Goldenen Zeitalters, Gott des
Acker- und Städtebaus aber auch Todesgott, der
seine eigenen Kinder verschlingt, mit dem grie-
chischen Zeitgott Chronos und dem altitalischen
Ackergott Saturn verschmolzen. Außerdem hat-
ten sich ins Bild der mythischen Gottheit Züge
des Planeten Saturn aus der astrologischen Tradi-
tion gemischt. Ihr gilt Saturn als der sonnenfern-
ste, dunkelste, trockenste und kälteste Planet.
Diese Lehre hat ihrerseits die Temperamenten-
lehre kontaminiert, in der dem Saturn das eher
schlechte und böse melancholische (schwarzgal-
lige) Temperament zugeordnet war. Melancholie
ist hier nicht, wie später im herrschenden Diskurs,
bloß eine vorübergehende schlechte Stimmung,
die jeder schon mal hat, sondern charakterliche
Konstitution und Disposition. Gesellschaftlich bis
dato verachtet, wurde das saturnisch-melancho-
lische Temperament von den Intellektuellen der
Renaissance dann jedoch ‚vergöttert‘. Mit Blick
auf Saturn und das abendländische Melancho-
liedenken entstand die neue „geistige Form des
modernen Genies“ (KPS 14): Es ist konstitutio-
nell Saturnkind, Melancholiker, den seine polare
Konstitution kenn- und auszeichnet. Es entstand
das Konzept einer noblen, zweideutigen Melan-
cholie, der „Melancholia Generosa“ (KPS 351).
Saturn verleiht „die höchsten und edelsten Kräf-
te der Seele, Vernunft und Denkvermögen“ (KPS
358) im Übermaß, Enthusiasmus und Inspirati-
on. Sie bedeuten jedoch nicht Glück, sondern ein
tragisches Schicksal. Denn sie gehen mit Leiden,
20
Jugend fungierte. Im Ritus diente er der olfakto-
rischen Vergegenwärtigung Apolls. Im Umfeld
seiner zahlreichen Heiligtümer wurde die Pflanze
„als Anreger dichterischer und metaphysischer
Inspiration“ (Lexikon der Symbole, 193) kulti-
viert: Im Augenblick solcher Inspiration zeigt N.
Loder seinen Apoll.
Apollo ist bei Loder „Phoibos“ und „Agnos“, der
Leuchtende, Reine, der ästhetisch und metaphy-
sisch Inspirierte. Seine Leier hält er nach vorn wie
zur Schau und in die Sonne, als sollten ihre Strah-
len, nicht allein seine Hand, sie spielen. Einen
Bogen dagegen führt er sichtbar nicht mit sich.
Nur wer mythologisch informiert ist, vermag in
dem Gurt über seiner rechten Schulter den Rie-
men eines Köchers zu erkennen. Die dunkle, die
mörderische Seite seines sagenhaften Wesens
tritt hier entschieden in den Hintergrund. Auch
der Unheil erinnernde Lorbeerkranz ist ja für my-
thologisch nicht Versierte kaum zu sehen. Apoll
ist hier eindeutig, er ist ein heller Gott und ein
ferner, sich entfernender. Von der Welt unter
sich und von seinen Mitgöttern wendet er sich
ab. Vielleicht schaut er, dem Klang seiner Leier
lauschend, ins Land der Hyperboreer im hohen
Norden, wo er immer den Winter verbringt und
von woher er jeden Sommer nach Delphi zu-
rückkehrt. Jenes Land ist der Ort „des vollkom-
menen Daseins und der Euthanasia, des seligen
Sterbens, wo die Lebenssatten sich, fröhlich
bekränzt, von einem Felsen ins Meer stürzen“
(Kerényi: Apollonreligion, 42). Loder hat sich auf
den Apollon seiner größten Verehrer, der Pytha-
goreer und Platoniker, bezogen. In deren Nach-
folge, und natürlich von Nietzsches ‚Erfindung‘
des „Dionysischen“ und „Apollinischen“ nicht
unberührt, interpretierten ihn später, nach Loder
aber vor Reckendorfer, die einflussreichen Klas-
sischen Philologen Walter F. Otto (1874 – 1958)
und Karl Kerényi (1897 – 1973), auch wenn sie
der Platonischen Etymologie des Namens als ‚A-
pollon‘, der Nichtviele, der Eine, widersprachen.
„Apollon ist für die Griechen der Gott der geisti-
gen Menschen. Nicht lediglich Gott der Dichter:
auch Gott des Pythagoras. […] Mit dem Klang
seiner Leier hält Apollon das All in Harmonie
zusammen, sein Leierschläger ist der Sonnen-
strahl“ (Kerényi: Apollonreligion, 42f). Stärker
als bei Kerényi, der mit der Todesseite Apolls
immer die Ambivalenz des Gottes, wie sie dem
Platonischen Sokrates erscheint, betont, ist das
‚apollinische‘ Apollon-Bild bei Otto so eindeutig
wie bei Loder. Wie ein (nachträglicher) Hinter-
grundkommentar auf dessen Bild liest sich diese
antidionysische Apollon-Interpretation: „Distanz,
dieses Wort drückt unmittelbar nur Negatives
aus, dahinter aber steht das Positivste: die Hal-
tung des Erkennenden. Apollon lehnt das allzu
Nahe ab, die Befangenheit in den Dingen, den
verschwimmenden Blick, und ebenso das see-
lische Ineinsfließen, die mystische Trunkenheit
und ihren ekstatischen Traum. Er will nicht Seele
(in diesem dionysischen Sinn), sondern Geist (…).
In Apollon grüßt uns der Geist der schauenden
Erkenntnis, der dem Dasein und der Welt mit ei-
ner Freiheit ohnegleichen gegenübersteht – der
echtgriechische Geist, dem es beschieden war,
nicht bloß so viele Künste, sondern schließlich
auch die Wissenschaft hervorzubringen.“ (Otto
23
etablierte, war die Sanduhr populäres Symbol
der verrinnenden Lebenszeit. Selten hingegen
befinden sich Flügel am Stundenglas. Es sind im
Erbdrostenhof Fledermausflügel. Loder nimmt
nicht die ikonographische Bedeutung des Nacht-
und Dämmerungstiers aus dem humanistischen
Konzept der „Melancholia Generosa“ auf. Sie
kannte die Fledermaus als ein ambivalentes
Symbol für das nächtliche Wachen und Studie-
ren des Geistesmenschen wie für die schädlichen
Wirkungen, u.a. Schwermut, seines Strebens
nach dem ‚Licht‘ der Erkenntnis. Er aktualisiert
vielmehr die Verteufelung des Säugers als eines
schon im Alten Testament unreinen Tiers, eines
‚saturnischen‘ Vampirs, der schlafenden Kindern
das Blut aussaugt. So nimmt im Unterschied zu
traditionellen Darstellungen der Erbdrostenhof-
Saturn nicht die Haltung des Denkenden, den
Kopf auf einen Arm gestützt, ein. Er ist nicht
der ‚tiefe‘ Gott, der Gott der bipolaren Melan-
choliker, die sich geistig in die höchsten Höhen
aufschwingen und wieder ins Bodenlose abstür-
zen, sondern jener düstere Saturn, der aktiv auf
Vernichtung sinnt, kurz vor dem Angriff auf das
in den Putten neben ihm junge, hoffnungsvolle,
aufstrebende Leben.
Ergötzende InventionDoch Loders Saturn erschreckt nicht wirklich.
Der Festsaalmaler präsentiert den Gott in einer
gemäßigt-indirekten, hof- und festgerechten
Düsternis, als „ergötzende Invention“ (Johann
Jacob Schübler, 1731), die nicht aus dem Reich
des gelehrten Spiels und gehobenen Entertain-
ments entlässt. Das tragisch-melancholische,
echt apollinisch-saturnische Bewusstsein ist hier
nicht Bild geworden. Der Auftraggeber des Fres-
kos ist katholisch.
Ambivalenz und Tragik„Apollo“ und „Saturn“: das sind im noblen Dis-
kurs der Tradition Namen mythologischer Ge-
stalten, die jede für sich, in je unterschiedlicher
Aspektuierung und Gewichtung, das Höchste-
und-Niedrigste des Menschen, seine Leiblichkeit
und Geistigkeit, sein Todesbewusstein und seine
Unsterblichkeitssehnsucht, sein Bewusstsein
seiner Zeitlichkeit und Niedrigkeit wie seine
Sehnsucht nach Erkenntnis, Glück, Transzendenz
und Ewigkeit verkörpern. Ihre vielleicht tief-
ste Botschaft ist die Polarität, die Ambivalenz
menschlicher Existenz, ihre Unaufhebbarkeit,
mithin Tragik. Die Antike, der Humanismus und
die philosophisch-künstlerische „andere Mo-
derne“, sofern sie sich auf den humanistischen
Apoll und Saturn mitsamt seiner noblen Melan-
cholie berief und wo dieser Bezug nicht bloß
eitle Attitüde war, wussten im Tiefsten darum.
Wie auch etwa ein protestantischer Zeitgenosse
der katholischen Drostes und des Österreichers
Loder, der Schriftsteller Johann Georg Hamann,
der „Magus in Norden“, obwohl auch er auf das
christliche Erlösungsversprechen vertraute. Im
Festsaalfresko des Erbdrostenhofs ist die Tragik
verdrängt, nämlich geschieden in zwei sich von-
einander abwendende Gestalten – so, als wäre
sie real aufzulösen, strukturell überwindbar und
überwunden. Auf der traditionell guten Seite,
nämlich rechts, von der Stirnseite des Saals aus
gesehen, sitzt der lichte Apoll, zu seiner Linken,
22
mit geistig-körperlicher Kälte und Trockenheit,
tiefer Schwermut, bis an Verzweiflung grenzen-
den Selbstzweifeln einher und dem drückenden
Bewusstsein von Tod und Vergänglichkeit, dem
Gefühl, immer schon alt zu sein. Deshalb hat der
Typus des Melancholikers, deshalb hat Saturn die
Gestalt eines alten Mannes. Schon Pseudoaristo-
teles hatte diese psychophysische Konstitution
gekannt und mitsamt ihrer Gefahren und Chan-
cen beschrieben. In seinem berühmten „Problem
XXX,1“ heißt es: „Warum sind alle hervorra-
genden Männer, ob Philosophen, Staatsmänner,
Dichter oder Künstler, offenbar Melancholiker
gewesen?“ (vgl. KPS 59)
Die humanistische Ambivalenz und Tiefe des
melancholischen Saturn nimmt Loder nicht auf.
Er knüpft vielmehr ans christliche Mittelalter an,
das die Melancholie als böse verteufelte. Dicht
neben seinem vereindeutigten Apoll ist sein
Saturn gerade nicht der Gott der geistigen Men-
schen, der die „beiden Seiten des saturninischen
Wesens, das Böse und das Traurige wie das Erha-
bene und Tiefsinnig-Kontemplative, in sich verei-
nigt“ (KPS 309), sondern er ist der Gott der Zeit
und des Todes, einer einseitig negativ, irdisch-
dunkel aufgefassten Melancholie. Ist Apollo ein
Jüngling, so Saturn ein Greis. Traditionell wurde
Saturn als alter Mann dargestellt, mit „facies
nigra“ (KPS 413), düsterem Blick und bärtigem,
schwarzem Gesicht, das ein großer Mantel, den
er über den Kopf geschlagen trug, verschattete.
Bei Loder sitzt Saturn auf einem Teil seines hel-
len Mantels, der rechts neben ihm hervorquillt
und hinter einem Flügel hochfliegt, so dass sein
Oberkörper, wie häufig auch in der ikonogra-
phischen Tradition, nackt ist. Aufs Dunkle, das
melancholische Temperament, weist die Darstel-
lung. Faltenwurf und Nacktheit unterstützen die
Bewegung der Figur und ihre Körperlichkeit. Rä-
kelt sich Apoll enthusiastisch ins Licht und wirkt
seine Physis dabei zurückgenommen, so wendet
Saturn sich von der Sonne, von Apoll und all
jenem, wofür dieser steht: Transzendenz, Ewig-
keit, Glück, Erkenntnis und Kunst, ab. Saturn ist
in seiner Körperlichkeit betont, das Moment des
Irdischen, Vergänglichen hervorgehoben. Körper
und Blick sind auf die spielenden Putten gerich-
tet, verhaltene Anspielung auf den, sonst viel-
fach direkt und brutal ins Bild gesetzten, Mythos
von Kronos: Der Schreckliche frisst seine eigenen
Kinder, damit die Prophezeiung sich nicht erfülle,
dass eins von ihnen ihn entmachte. Diese grie-
chische Figur des Kinderfressers wurde später
vom italischen Ackerbau- und Zeitgott, der mit
seiner Sense das Leben der Menschen beschnei-
det, überlagert. Der Kinderfresser wurde „Alles-
verschlinger“ (KPS 212), bedeutete jetzt die Zeit,
die frisst, was sie hervorbringt. Auch Loders Sa-
turn hat eine Sense in seiner Linken und Flügel
auf dem Rücken, das älteste Attribut des Gottes
als des Todesbringers Zeit.
Mit Negativsymbolen ist Loders Darstellung
fast überdeterminiert. Zum schwarzen Antlitz,
den Putten, Flügeln und zur Sense in der Linken
kommt in seiner Rechten noch eine geflügelte
Sanduhr hinzu (heute übrigens ein beliebtes
Tattoo-Motiv). Bevor das PC-Betriebssystem
„Windows“ sie als Warte- und Störungszeichen
25
entführen, die unseren Alltag und unser Denken
dominiert. Vielleicht werden wir, für Augenblicke,
philosophisch und spüren die tragische Ambiva-
lenz unserer Existenz, unsere Unerlösbarkeit, im
heiteren Farb- und Formenspiel an der Decke wie
auch in der Musik, die bei CHAPEAU CLASSIQUE
erklingt. Sie kann ja selbst, für Momente, erlösen,
ästhetisch, spirituell. Und „Saturn“ und „Apollo“
wieder in Kindheitsnamen verwandeln, voll Zau-
ber und Sehnsucht und Traum, in Erwachsenen-
worte im höchsten Sinn.
Literatur
Gerd Heinz-Mohr: Lexikon der Symbole. Bilder und Zeichen der
christlichen Kunst. Darmstadt 8. Aufl. 1984. – Karl Kerényi: Die
Mythologie der Griechen. 2 Bde. München 1966. – Karl Kerényi: Un-
sterblichkeit und Apollonreligion. In: Ders.: Apollon. Studien über
antike Religion und Humanität. Neuausgabe mit einer Folge von
Betrachtungen über Mysterien des Humanen. Düsseldorf 1953,
33-50. – Raymond Klibansky, Erwin Panofsky und Fritz Saxl: Saturn
und Melancholie. Studien zur Geschichte der Naturphilosophie und
Medizin, der Religion und der Kunst. Frankfurt a.M. 1990 (=KPS). –
Walter F. Otto: Die Götter Griechenlands. Das Bild des Göttlichen im
Spiegel des griechischen Geistes. Frankfurt a.M. 1947.
24
auf der bösen Seite, der dunkle Saturn. Eine klare
Ordnung, die nicht aus dem Mythos und seinem
tragischen Realismus der Ambivalenz, sondern
aus der Perspektive christlicher Eschatologie auf
ihn entsteht.
Das ist Illusionsarchitektur geworden. So sind es
die Allegorien christlicher Werte und Tugenden,
die diesen Saturn und Apoll, diesen Götterhim-
mel insgesamt tragen wie die gemalten Säulen
eine Etage tiefer das ästhetische Deckenspiel.
Fortitudo und Clementia, Stärke und Milde, Pax
und Liberalitas, d.h. Friedfertigkeit und Freigie-
bigkeit, stehen über dem Portrait des Fürstbi-
schofs Clemens August an der Stirnseite. Concor-
dia, Caritas, Spes, Eintracht, Liebe und Hoffnung,
befinden sich über dem Portrait von Kaiser Franz
I. an der Rückseite des Saales.
Was in antiker und humanistischer Perspektive
bis heute im Irdischen unauflöslich eins ist, Dun-
kel und Licht, scheidet Loder auf seinem Bild. Und
bei aller Bezauberung, die von seiner Kunst aus-
geht, ist es Deko und Kulisse, was er malt, für Fe-
ste, die aus katholischer Heiterkeit kommen. Sie
hat die Tragik überwunden und sich von der Idee
echter Ambivalenz durch die Idee und Person des
Erlösers befreit. Dieser Überwindungswille be-
stimmt auch die säkulare Mainstream-Moderne.
„Pythagoras“ statt „Platon“, in humanistischer
Metaphorik gesprochen. Mit dem tragischen
Bewusstsein serviert sie auch den christlichen
Glauben, ein Reservat von Spiritualität, ab. Sie
okkupiert die christliche Lichtmetaphorik und
behauptet sich als „Aufklärung“, die mit rationa-
len Mitteln das Dunkel, zu dem jetzt alles andere
wird, klären und erhellen, von ihm erlösen will.
Endgültig. Die Dialektik dieser Aufklärung ist
heute hinreichend reflektiert, ihre Negativbilanz
bei aller Hingabe an den sogenannten Fortschritt
eindringlich kritisiert. Der lebensgefährliche Weg
der westlichen Menschheit von einer, aufgeklärt
gesprochen, ‚dunklen‘ mythisch-religiösen Zeit
durchs humanistische ‚Zwielicht‘ in eine ‚helle‘
Zukunft, die vom Menschen allein gemacht ist,
wird Symbol in den Götternamen des „space
race“: „Saturn“ und „Apollo“, als Gottheiten
ambivalente Urbilder, „metaphysische Formen
erlebter seelischer Realitäten und plastisch ge-
schauter Naturwirklichkeiten“ (Kerényi: Apollon-
religion, 41), sind zu Namen von Trägerraketen
und einem Raumfahrtprogramm verkommen, in
dem mit „Platon“ auch „Pythagoras“, mit der In-
spiration auch die Schwermut über Bord gewor-
fen ist. Die Sehnsucht nach ‚Fliegen‘: nach Wis-
sen, Erkenntnis, Transzendenz haben auch die
vermeintlich Guten und Lichten rationalistisch
reduziert und in einem Kalten Krieg politisch, für
Zwecke der Selbstbehauptung und Weltherr-
schaft, in Dienst genommen. Und wer Programm
und Trägerraketen des „space race“ benannte,
hatte bestimmt nur eine rationalistisch-helle
Seite der Gottheiten im Blick, wenn er überhaupt
mit dem antiken und humanistischen Himmel
vertraut war.
Mag das Fresko im Erbdrostenhof zunächst bloß
ergötzen, so kann es doch, auch wenn sein Auf-
traggeber das gewiss nicht wollte, bei engagier-
ter Betrachtung aus jener Seinsvergessenheit
26 27
Gesellschaft zur Förderung der Westfälischen Kulturarbeit e.V.
Impressum
Herausgeber: GWK, Münster
Text: Susanne Schulte
Fotos Erbdrostenhof: Susanne Schulte
Grafik: Rainer Schultz, Köln
Programmänderungen und Druckfehler vorbehalten.
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