IPT, 12.10.2019 – KJP II
Feedback, Anregungen: [email protected] achtsam-lernen.de
KJP Stadtroda (50 min. vom Leipziger Süden entfernt)
Inhalt 1. KJPP (Kinder- u. Jugendpsychiatrie/Psychotherapie) Allgemein .................................................. 1
2. Psychopathologie ............................................................................................................................ 3
3. Prävalenz kinder- u. jugendpsychiatrischer Erkrankungen; Risikofaktoren für psychische
Auffälligkeiten ..................................................................................................................................... 4
4. ADHS ................................................................................................................................................ 5
5. Störungen des Sozialverhaltens ...................................................................................................... 6
6. Reaktive Bindungsstörung des Kindesalters.................................................................................... 6
7. Depression ....................................................................................................................................... 8
Nicht-suizidales selbst-verletzendes Verhalten (NSSV) ................................................................... 8
Suizidales Verhalten ........................................................................................................................ 8
8. Sucht .............................................................................................................................................. 10
Warum (wenigstens in der Jugend) kein Cannabis konsumieren? ............................................... 11
9. Posttraumatische Belastungsstörung ............................................................................................ 12
Kinderschutz .................................................................................................................................. 13
10. Borderline-Störung ...................................................................................................................... 14
11. Psychosomatische Beschwerden................................................................................................. 15
12. Pädagogik .................................................................................................................................... 16
Digitalisierung ................................................................................................................................ 16
13. Prävention ................................................................................................................................... 17
14. Medikation .................................................................................................................................. 17
1. KJPP (Kinder- u. Jugendpsychiatrie/Psychotherapie) Allgemein
Vorträge von Prof. Fegert: https://www.uniklinik-ulm.de/kinder-und-
jugendpsychiatriepsychotherapie/publikationen-vortraege-
downloads/vortraegeveranstaltungen.html
Intensive Auseinandersetzungen / Streitbarkeit
• „full contact“ – Selbstfürsorge?
• häufig schon primär: Motivation? Auftrag?
• außerhäusliche Unterbringung
• Hilfen über ASD des Jugendamtes ähnlich stigmatisiert wie Psychiatrie
• Kindeswohl
- häusliche Gewalt
• Themen der Lebensführung
• Wenn Eltern sich „schuldig“ fühlen
2. Psychopathologie
Suggestibilität beachten!
• CASCAP (Clinical Assessment Scale for Child and Adolescent Psychopathology; ähnlich AMDP)
• non-verbal
• vielfältige Ausdrucksformen
• Interaktion (An-/ Abwesenheit vertrauter Personen; Rückversicherung…)
• Spielverhalten, Lieblingsspiel (allein, Gruppe, kreativ, thematisch eingeengt…)
• Digitale Identität
• „Squiggle … deutsch … kritzeln. … von dem englischen Pädiater und Psychoanalytiker
Winnicott entwickelt. … Der Therapeut malt auf ein Blatt Papier einen oder mehrere Kritzel
und bittet dann das Kind, daraus zu malen, was immer es möchte. Danach kann das Kind
einen Schnörkel auf ein Blatt malen und der Untersucher macht etwas daraus usw.“ (Klett-
Cotta, 29.6.14)
• z.B. traumatisches Spiel
z.B. Kinder von Eltern mit Suchterkrankung:
ITMSE – Infant Toddler Mental State Exam
1. körperliches Aussehen, Dysmorphiezeichen.
2. Reaktion auf neue Situation, Anpassung an die Untersuchungssituation.
3. Selbstregulation: Zustandsregulation, sensorische Regulation, ungewöhnliche
Verhaltensweisen, Aktivitätsniveau, Aufmerksamkeitsspanne, Frustrationstoleranz.
4. Motorische Funktionen (grob- und feinneurologisch): Tonus, Koordination, Tics, abnorme
Bewegungen, Anfälle.
5. Vokalisation und Sprachproduktion: expressive und rezeptive Sprache.
6. Denken: Ängste, Alpträume, dissoziative Zustände, Halluzinationen.
7. Affekt und Stimmung: Ausdrucksformen, Spannbreite, Reaktionsfähigkeit, Dauer, Intensität.
8. Spiel: Struktur, Inhalt, symbolische Funktion, Modulation von Aggression.
9. Kognitive Funktionen.
10. Bezogenheit auf Eltern, andere Bezugspersonen, Untersucher.
Zerotothree.org: Prävalenz in den ersten Lebensjahren wie später: grob 20% verhaltensauffällig, 10%
erfüllt Kriterien einer Diagnose, inkl. „spez. Phobien“, also Diagnosen, die im Alltag nur wenig
einschränken
3. Prävalenz kinder- u. jugendpsychiatrischer Erkrankungen; Risikofaktoren für
psychische Auffälligkeiten
s. kiggs-studie.de Kiggs-Bella (RKI) – Konflikte in der Familie, psychisch kranke Eltern…
4. ADHS
5. Störungen des Sozialverhaltens
Allgemeines gesellschaftliches Phänomen: Aufforderung zum Suizid in Baden-Baden (Juli 2017) für
das Foto! Verbreitetes Motto: nehmt euch, was die Gesetzlage hergibt, bzw. was nicht konsequent
geahndet wird! Richter sprechen von Staatsversagen! (Juli 2017)
Leitsymptome (hier aus Wikipedia, nach ICD-10)
> 6 Monate
• Deutliches Maß an Ungehorsam, Streiten oder Tyrannisieren
• Ungewöhnlich häufige oder schwere Wutausbrüche
• Grausamkeit gegenüber anderen Menschen oder Tieren
• Erhebliche Destruktivität gegenüber Eigentum
• Zündeln • Stehlen
• Häufiges Lügen
• Schuleschwänzen
• Weglaufen von zu Hause
6. Reaktive Bindungsstörung des Kindesalters
Bedeutung der Bindung
„Bindung vor Bildung“
Exploration der Schwangerschaft und (frühen) Kindheit – sehr detailliert
Empfehlung bke für Familien: wenigstens eine gemeinsame Mahlzeit am Tag
7. Depression
Youtube: still face, anaklitische Depression
Nicht-suizidales selbst-verletzendes Verhalten (NSSV)
Projekt-4S.de (Schulen stark machen gegen selbst verletzendes Verhalten und Suizidalität)
DBT-A
Suizidales Verhalten
Werther-Effekt: Netflix-Serie „Tote Mädchen lügen nicht“ provoziert Interesse an Suizid
„Die Netflix-Serie „13 Reasons Why“, in Deutschland „Tote Mädchen lügen nicht“, könnte einen Werther-Effekt ausgelöst haben. Eine Studie in JAMA Internal Medicine (2017; doi:
10.1001/jamainternmed.2017.3333) belegt, dass nach der Ausstrahlung in den USA die Google-
Anfragen zum Thema Suizid angestiegen sind…“ Dt. Ärzteblatt Online Dienstag, 1. August 2017
- Auch bei Adoleszenten, die Suizidalität relativ offensichtlich manipulativ einsetzen, ist
Bagatellisieren ungeeignet. Betroffene benötigen dann die Orientierung, dass sie Beachtung
auch ohne Dramatisierung erhalten. Ihre suizidalen Äußerungen werden wörtlich genommen
bearbeitet. Eine professionelle Abklärung ist unbedingt erforderlich.
- Der wichtigste Schutzfaktor gegen suizidale Handlungen ist wenigstens eine tragfähige
verbindliche Beziehung zu einem Mitmenschen.
- Bei einem akuten Verdacht, dass eine suizidale Handlung droht, muss der Notarzt gerufen
werden oder anderweitig eine sofortige Einschätzung durch eine fachlich kompetente Person
erfolgen. Betroffene versuchen dies häufig abzuwenden. Es gibt sogar Konstellationen, dass
mit suizidalen Handlungen gedroht wird, für den Fall dass der Notarzt involviert wird. Die Not
in Zusammenhang mit Perspektiv- und Hoffnungslosigkeit lässt vor manipulativen Handlungen
nicht zurückschrecken.
- Einerseits gehört die Abklärung von Suizidalität in die Hände von Fachleuten. Manchmal ist das
aber zunächst nicht möglich. Möglicherweise gibt es diffuse Hinweise auf drohende
Handlungen. Da das Thema sehr schambesetzt ist, kann man sich im Gespräch nur vorsichtig
nähern, „Brücken bauen“. „In jedem Fall ist aber unverzichtbar, den Jugendlichen in seiner
Verzweiflung anzunehmen und ihm zu vermitteln, dass sein Gegenüber da ist, um ihn in
seiner jetzigen Situation zu halten und ihn an einer vielleicht unwiderruflichen Entscheidung
und Handlung zu hindern.“ (Kuchenbecker, 197)
- Präventionsmaßnahmen sollten sich für die meisten auf die Stärkung der seelischen
Gesundheit konzentrieren. Nur wer als suizidal gefährdet erscheint, sollte spezifische
Maßnahmen erhalten – transparent, unter Beteiligung der Angehörigen.
8. Sucht
s. nacoa.de: NACOA Deutschland - Interessenvertretung für Kinder aus Suchtfamilien e.V.
„don’t talk, don’t trust, don’t feel”
Suchtkranker Elternteil ist als würde ein “Elch im Wohnzimmer“ leben
Tabak u. Alkohol – „Einstiegsdrogen“
Abhängigkeit von digitalen Medien
Warum (wenigstens in der Jugend) kein Cannabis konsumieren?
9. Posttraumatische Belastungsstörung
Im Kindesalter Symptomatik teilweise weniger eindeutig, wechselhaft, situativ u. über die Jahre,
teilweise „chameleonartig“.
Kinderschutz
Frühe Hilfen – Filme für Fachkräfte und Eltern, u.a. zur „Babysprache“ und auf Arabisch
https://www.fruehehilfen.de/service/publikationen/filme-fuer-fachkraefte-und-
eltern/?tx_solr[sort]=publishedYear+desc
Frühe Hilfen – Filme für Fachkräfte und Eltern, u.a. zur „Babysprache“ und auf Arabisch
https://www.fruehehilfen.de/service/publikationen/filme-fuer-fachkraefte-und-
eltern/?tx_solr[sort]=publishedYear+desc
10. Borderline-Störung
DBT-A-Training am Asklepios Fachklinikum Stadtroda
11. Psychosomatische Beschwerden
Anorexie
DNP – Der Neurologe und Psychiater 13.2012
12. Pädagogik
s. Neueautoritaet.at, youtube und google dazu
s. „Familienklassenzimmer“ / „Multifamilientherapie“
Digitalisierung
Metastudie zeigt, dass die Gesamtbildschirmzeit sich vor allem im Extrembereich negativ auf die
schulischen Leistungen auswirkt und dass der Spielmodus und die Tageszeit wichtig sind, sowie, wie
immer „das häusliche Umfeld, der Ausbildungsgrad der Eltern und deren Unterstützung“
28% der Kinder und Jugendlichen in der westlichen Welt verbringen 4 Std. in ihrer Freizeit am
Bildschirm plus für die Schule/Ausbildung (1,8-2,8 Str. RV, 40 min. Videospiele, 34 min. am
Computer)
https://jamanetwork.com/journals/jamapediatrics Association Between Screen Media Use and
Academic Performance Among Children and AdolescentsA Systematic Review and Meta-analysis
Mireia Adelantado-Renau et al. JAMA Pediatr. 09/23/2019
Süddeut. Zeitung 24.09.19, Bartens, W.: So okay
13. Prävention
s. Irrsinnig-menschlich.de
achtsam-lernen.de
Allianz-Fahrer-Studie
https://www.allianzdeutschland.de/wp-content/uploads/2018/10/allianz-ablenkungsstudie-2016.pdf
Ähnlich verhält es sich mit der Ausblendung von Umgebungsgeräuschen durch Kopfhörer.
Im klinischen Alltag bemühen wir uns stetig, das gesundheitsförderliche Potential von
Bewegungsaktivitäten individuell zu unterstützen, zum Beispiel durch Ballspiele, Schwimmen,
Tanztherapie, eine Laufgruppe, Yoga-Übungen etc. etc. Im Deutschen Ärzteblatt erschien im
September ein Übersichtsartikel: Sport als Prävention: Fakten und Zahlen für das individuelle Maß
an Bewegung Dtsch Arztebl 2019; 116(35-36) von Tim Hollstein:
https://www.aerzteblatt.de/archiv/209444/Sport-als-Praevention-Fakten-und-Zahlen-fuer-das-
individuelle-Mass-an-Bewegung
14. Medikation
• Selbstverständlich ist die medikamentöse Behandlung bei psychisch auffälligem Verhalten
erst indiziert, wenn bei einer relevanten Symptomausprägung psychosoziale und –
therapeutische Maßnahmen nicht ausreichend wirksam sind.
• Weit verbreitet ist die Befürchtung, dass Psychopharmaka generell abhängig machen, was
aber ausschließlich bei der längerfristigen Einnahme von Benzodiazepinen auftreten kann.
Auch befürchtete „Persönlichkeitsveränderungen“ unter der Einnahme sind nicht auf die
Wirkung der Medikation zurückzuführen, sondern allenfalls als Folge eines medikamentös
(mit) bedingten Funktionsniveaus (im Optimalfall eine bessere Bewältigung der ATL
(Aktivitäten des täglichen Lebens), u.U. aber auch eine stärkere Sedierung, wie bei einzelnen
Antipsychotika).
• Suggestibilität im Kindes- und Jugendalter kann nicht oft genug betont werden. - Placebo
• Die Dosis-Wirkungseffekte sind oft unzureichend untersucht. Aufgrund des schnelleren
Abbaus sind im Kindesalter manchmal höhere Dosierungen (mg/kgKG) erforderlich.
Blutspiegelkontrollen sind besonders bei der Kombinationstherapie wichtig.
• Die Behandlungsversuche mit Psychopharmaka sind oft davon geprägt, dass Präparate nicht
ausreichend lang in ausreichender Dosierung ausprobiert wurden, so dass in der Folge keine
valide Aussage möglich ist, ob die Substanz individuell wirkt. Wegen der Plastizität des
Gehirns kann ein Präparat auch zunächst unwirksam sein und beim Folgeversuch effektiv
(z.B. SSRI).
IPT 12.10.19KJP II
Suizidalität in der Kindheitund Jugend
unter 10 - - -
10 bis 15 28 16 12
15 bis 20 186 134 52
20 bis 25 304 234 70
25 bis 30 353 296 57
30 bis 35 448 343 105
35 bis 40 461 369 92
40 bis 45 445 346 99
45 bis 50 762 602 160
50 bis 55 1 026 735 291
m w
Destatis - 2017
Kölch i.R. FA-Currriculum 09.2017
Plener, Suizid. Verhalten u. Nichtsuizidale Selbstverletzung
4
6Plener, Suizid. Verhalten u. Nichtsuizidale Selbstverletzung
Digitale Identität mit erfassen
- Suizidforen etc.
- Cybermobbing
- Amanda Todd
- Jugendliche trauen sich oft nicht, mit Eltern darüber zu reden
8Plener, 64, Suizid. Verhalten u. Nichtsuizidale Selbstverletzung
9
BEI STRESS MIT DEN ELTERN DENKEN TEENIES OFT AN SUIZID
• Physische und seelische Gewalt führt bei Jugendlichen häufig zu Selbstmordgedanken.
• Diese Gefahr ist besonders hoch bei Teenies, die von ihren Eltern drangsaliert, mit Liebesentzug bestraft, geschlagen oder vernachlässigt werden. (Analyse des US-National Survey of Children’s Exposure toViolence)
• Wer von diesen geschlagen, gedemütigt, mit Liebesentzug bestraft, vernachlässigt oder eingesperrt worden war, wollte mit 4,5-mal höherer Wahrscheinlichkeit aus dem Leben scheiden
• Von knapp 1200 Jugendlichen, 10-17 Jahre, hatten mehr als 4% im vergangenen Monat mindestens einmal ernsthaft mit dem Gedanken gespielt, sich das Leben zu nehmen.
30.10.2012 OBERHOFER. SPRINGERMEDIZIN.DE BASIEREND AUF: TURNER HA. ET AL., RECENT VICTIMIZATION EXPOSURE AND SUICIDAL IDEATION IN ADOLESCENTS. ARCH PEDIATR ADOLESC MED 2012;
ONLINE 22. OKTOBER; DOI: 10.1001/ARCHPEDIATRICS.2012.1549
Kriterien für die Ernsthaftigkeit eines Suizidversuches
• Längere Planung und fixierter oder angekündigter Termin
• Ausgeprägte Vorsetzlichkeit der Selbsttötung
• Harte Suizidmethode
• Getroffene Maßnahmen, die eine Entdeckung verhindern sollten
• Bereits getroffene Regelungen in Vorwegnahme des eigenen Todes
• Abschiedsbrief mit Angabe von Gründen für den Selbstmord
• Keine Information Dritter bei Verwendung weicher Methoden
Esther Herrmann10
„don‘t talk, don‘t trust, don‘tfeel“Nacoa.de
11
SEHM „Half in Love with Death - Managing the Chronically Suicidal Patient“ von Joel Paris, 2007 10
The Inner World of the Chronically Suicidal Patient
Four essential (but not unique) elements:
intense psychic pain
Emptinessa more profound feeling of disconnection („borderline aloneness“) then withgrief and mourning in depression (Adler & Buie, 1979)
Hopelessnessthe idea of death comes to dominate life itself. Suicide as an option becomes akind of identity, a way of defining oneself.
the need for controlsuicide as an option of reasserting control in a world that seems uncontrollableand chaotic
12
Suizidmethoden bei Jugendlichen
• EAAD (15 Länder, n=14 738 Suizide, Alter: 15-24 Jahre, 2000-2005)
• Erhängen: häufigste Methode (5 x häufiger bei männlichen Jugendlichen)
Mädchen:
1. Erhängen
2. Vergiftungen
3. Sprung aus großer Höhe (1. Platz Finnland)
Jungen:
1. Erhängen
2. Sprung aus großer Höhe (1. Platz Luxemburg)
3. Waffen (Schweiz, Finnland 1. Platz)
• Länderunterschiede!
• Ertrinken: z. Bsp. häufigste Ursache in Irland
Värnike et al., 2009
Folie von El Khatib, Uni. Saarland13
Mögliche Fehler im Umgang mit suizidalen Patienten
• Versäumte Suizidalitätsanamnese, Nicht-Nachfragen nach Suizidalität („keine schlafenden Hunde wecken“)
• Akute Psychopathologie übersehen bzw. falsch eingeschätzt (z.B. wahnhafte Depression)
• Trennungsängste übersehen (z.B. Urlaub, Stationswechsel, Entlassung)
• Bagatellisierungstendenzen des Patienten mitmachen
• Überforderung des Patienten durch zu viel Zuweisung von Eigenverantwortung
• Unterlassen der laufenden Überprüfung von Suizidalität
• Dokumentation vergessen
Dr. Esther Herrmann14
Gruppendynamik
Auch im digitalen Raum
15
WERTHER-EFFEKT. SUIZID FINDET UNTER JUGENDLICHEN ZAHLREICHE NACHAHMER
• „SPRINGEN, SO WIE KATI AUS DER ZEHNTEN?
• Fast jeder vierte 16- bis 17-Jährige war bereits mit dem Suizid eines Mitschülers konfrontiert worden und jeder Fünfte in dieser Altersgruppe kannte jemanden persönlich, der sich das Leben genommen hatte.
• Unter den 12- bis 13-Jährigen trugen sich nach der Selbsttötung eines Mitschülers im vorausgegangenen Jahr 6,5-mal so viele Kinder mit Suizidgedanken wie Gleichaltrige ohne ein solches Erlebnis. Die Zahl der ausgeführten Suizidversuche in dieser Gruppe lag sechsmal höher. Auch ein Jahr nach dem Ereignis war diese Quote noch fünffach erhöht.“
Daten des National Longitudinal Survey of Children and Youth und schlossen 8766 12- bis 13-Jährige, 7802 14- bis 15-Jährige und 5496 16- bis 17-Jährige in die Studie ein. (Kanada). 28.5.2013, springermedizin.de, Christine Starostzik basierend auf:
Swanson S. A. et al. Association between exposure to suicide and suicidality outcomes in youth. CMAJ 2013; online May 2116
WERTHER-EFFEKT. SUIZID FINDET UNTER JUGENDLICHEN ZAHLREICHE NACHAHMER
• „Bei den 16- bis 17-Jährigen hatten im Vergleich zu Unbeteiligten etwa doppelt so viele Suizidgedanken. Die Zahl der Selbsttötungsversuche sank gegenüber den Kontrollen innerhalb der ersten zwei Jahre vom 3,2-Fachen auf das Doppelte.“
• Ob die Jugendlichen das Suizidopfer persönlich kannten oder ob es sich bei dem zu Tode Gekommenen um einen fremden Mitschüler handelte, über dessen Suizid berichtet wurde, hatte offenbar keinen Einfluss auf die Stärke des Nachahmungseffekts.
• …am stärksten bei den 14- bis 15-Jährigen, die einen Mitschüler verloren hatten. Im Vergleich zu Unbeteiligten war in dieser Gruppe die Zahl der Suizide auch zwei Jahre nach dem Ereignis noch rund 2,7 mal höher.
28.5.2013, springermedizin.de, Christine Starostzik basierend auf: Swanson S. A. et al. Association between exposure to suicide and suicidality outcomes in youth. CMAJ 2013; online May 21
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WERTHER-EFFEKT. SUIZID FINDET UNTER JUGENDLICHEN ZAHLREICHE NACHAHMER
• Das größte Nachahmungspotenzial hat der Studie zufolge offenbar der Freitod eines Mitschülers, auch wenn die Jugendlichen diesen gar nicht persönlich kannten. Die Autoren vermuten, dass hier das ähnliche Alter eine Rolle spielt. Dies sei ein wichtiger Punkt für effektive Interventionen.
• Schulweite Interventionen erforderlich. Nicht die, die dem Suizidopfer am nächsten stünden, seien am stärksten selbst gefährdet, vielmehr müssten alle Mitschüler nach einem solchen Ereignis in präventive Maßnahmen einbezogen werden.
28.5.2013, springermedizin.de, Christine Starostzik basierend auf: Swanson S. A. et al. Association between exposure to suicide and suicidality outcomes in youth. CMAJ 2013; online May 21
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Emotional-instabile Akzentuierung/Störung vom Borderline-Typ
Persönlichkeitsstörungen – allgemeine Kriterien
• Ausdruck des charakteristischen, individuellen Lebensstils, des Verhältnisses zur eigenen Person und zu anderen Menschen.
• tief verwurzelte, anhaltende Verhaltensmuster,
• die sich in starren Reaktionen auf unterschiedliche persönliche und soziale Lebenslagen zeigen
• verkörpern gegenüber der Mehrheit der betreffenden Bevölkerung deutliche Abweichungen im Wahrnehmen, Denken, Fühlen und in den Beziehungen zu anderen
• Verhaltensmuster sind meistens stabil und beziehen sich auf vielfältige Bereiche des Verhaltens und der psychologischen Funktionen.
• Häufig gehen sie mit einem unterschiedlichen Ausmaß persönlichen Leidens und gestörter sozialer Funktionsfähigkeit einher.
https://www.dimdi.de/static/de/klassifikationen/icd/icd-10-gm/kode-suche/htmlgm2018/block-f60-f69.htm
Persönlichkeitsstörung – allg. Kriterien
Remschmidt u.a. Multiaxiales Klassifikationsschema für psy. Störungen des Kindes- und Jugendalters nach WHO. Huber 2001
Emotional-instabile Persönlichkeitsstörung F60.30 Impulsiver Typ
Persönlichkeit(sstörung):
•aggressiv•reizbar (explosiv)
F60.31 Borderline-Typ
Remschmidt u.a. Multiaxiales Klassifikationsschema für psy. Störungen des Kindes- und Jugendalters nach WHO. Huber 2001
*
*
ICD-Kriterien der Borderline-Störung
• deutliche Tendenz, Impulse ohne Berücksichtigung von Konsequenzen auszuagieren
• verbunden mit unvorhersehbarer und launenhafter Stimmung
• Neigung zu emotionalen Ausbrüchen
• Unfähigkeit, impulshaftes Verhalten zu kontrollieren
• Tendenz zu streitsüchtigem Verhalten und zu Konflikten mit anderen, insbesondere wenn impulsive Handlungen durchkreuzt oder behindert werden.
• Störungen des Selbstbildes, der Ziele und der inneren Präferenzen
• chronisches Gefühl von Leere
• intensive, aber unbeständige Beziehungen
• Neigung zu selbstdestruktivem Verhalten mit parasuizidalen Handlungen und Suizidversuchen
https://www.dimdi.de/static/de/klassifikationen/icd/icd-10-gm/kode-suche/htmlgm2018/block-f60-f69.htm
Verlauf der BPS
Lieb/ Bohus 2013 DGPPN State of the art
„Borderline-Störung“
Allgemeine Kriterien einer Persönlichkeitsstörung- chronisch- mehrere Lebensbereiche- beeinträchtigend
Häufig begleitet von Depression,
Sucht
Der „Kern“, eine
Identitätsstörung:
ANGST, verlassen zu
werden, nicht liebenswert zu sein
Impulsivität in min. 2 Gebieten, die potentiell selbstschädigend sind (z.B. Geldausgeben, Sex, Drogenmissbrauch, Diebstahl, rücksichtsloses Fahren, Essstörungen) – ohne Suizid oder selbstschädigendes Verhalten.
Die andere Symptome sind häufig
Aktionismus gegen diese ANGST
Verzweifeltes Bemühen, reale oder imaginäre Trennungen zu vermeiden.
Muster instabiler, aber intensiver
interpersoneller Beziehungen mit Wechsel zwischen extremer
Idealisierung und Abwertung
Chronisches
Gefühl von Leere
Affektive Instabilität: Ausgeprägte Sensibilität der Stimmung (z.B. starke
episodische Dysphorie, Irritabilität oder Angst), üblicherweise wenige
Stunden bis selten wenige Tage anhaltend Wiederkehrende Suiziddrohungen, -gesten oder
-versuche oder selbstschädigendes Verhalten
Unangemessene intensive Wutoder Schwierigkeiten, Wut oder
Ärger zu kontrollieren (z.B. häufige Phasen von schlechter Laune,
konstantem Ärger, häufig wiederkehrende körperliche
Kämpfe)
Vorübergehende, stressabhängige schwere dissoziative Symptome
oder paranoide Vorstellungen
© Kroll 2017
= emotional-instabile Persönlichkeitsstörung= „chronische posttraumatische Belastungsstörung“
Borderline: weitere Symptome, Prävalenz, Komorbidität
• Sehr häufig Schlafstörungen, insbesondere Alpträume oder nächtliche Ängste.
• Das häufige Erleben unerträglicher Spannungszustände, z. B. in Situationen wahrgenommener Verlassenheit, führen zu dysfunktionalen Regulationsversuchen, wie selbstverletzendem Verhalten, das wiederum Auswirkungen auf das Opioidsystem hat. „… bis hin zu Entwicklung von entsprechenden süchtigem Verhalten.“
• Prävalenz ca. 1 bis 2 %, in Kliniken 15 %. Davon 70 % Frauen. 15 % des Gesamtbudgets für psychiatrisch-psychotherapeutische Erkrankungen. Lebenszeit, Risiko für Suizid 10 %. Selbstverletzendes Verhalten bei 85 %.
• 8% sterben durch Suizide
• In 96 % komorbide depressive Störung, 88,5 % Angststörung, 64 % Substanzmissbrauch oder –abhängigkeit, 53 % Essstörungen mit Langzeitverlauf. Am häufigsten sind die Kriterien einer dependenten (bis zu 50 %) und einer antisozialen Persönlichkeitsstörung (25 %) erfüllt.
(modifiziert von Schmid, M. et al. „Emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderlinetyp, Nervenheilkunde, 4, 2013)
Borderline – beteiligte Transmitter-Systeme
• Grundsätzlich scheinen … genetisch bedingte Veranlagungen zur Impulsivität und Affektlabilität, zum Teil vermittelt über das serotonerge System in Verbindung mit ungünstigen Bedingungen resultierend aus Umweltfaktoren in Kindheit und Adoleszenz, die Entstehung des Störungsbildes zu begünstigen.
• anhand der aktuellen „Opioid-Defizit-Hypothese“ Verbindung zu der aus den 1950-er Jahren stammenden Bindungstheorie herstellen. Die Bindung des Kindes zu seiner nächsten Bezugsperson ist dementsprechend essentiell für Lernprozesse zum einen für zwischenmenschliche Beziehungen und zum anderen die eigene Emotionalität betreffend. Die Entwicklung von Vertrauen in sichere und stabile Bindung … fördert den Aufbau eines kohärenten Selbstbildes und ist möglicherweise mit neuroendokrinen Prozessen (Ausformung des Oxytocin- und Opioidsystems) assoziiert.
(Schmid, M. et al. „Emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderlinetyp, Nervenheilkunde, 4, 2013)
Professionelle sollten bei NSSV digitalen Anteil berücksichtigen
• Untersuchung der Top 100 Youtube-Videos im Dez. 2009: NSSV häufig, 80% frei zugänglich u. häufig positiv bewertet.
• starke Verbreiterung von NSSV über YouTube führt zur „Normalisierung“, 57% ohne entsprechende Warnhinweise
• Ähnlichkeiten zu Proanorexia-Seiten seit den späten 1990er Jahren
• Durchschnittsalter: 25.39 Jahre, 95% Frauen
• Eine 25-j. Uploaderin hatte bis zum Juli 2010 über 100 Videos hochgeladen, die mehr als 1 Millionen mal angeschaut wurden
• häufig künstlerisch reichhaltig gestaltet: Texte, Fotos, Musik
Lewis et al.: The Scope of Nonsuicidal Self-Injury on You Tube. Pediatrics 08/27/2019
Fegert 15.05.19
NSSVNicht-suizidales selbst-verletzendes VerhaltenCa. ¼ aller Schüler hat NSSV ausprobiert. 4% mehr als 4x im Vorjahr.
[Entwicklungspsychologie im Kindes-und Jugendalter, Siegler et al., 3. Aufl.]
body modification
facebook depression/Digitales Hamsterrad
SVV-Foren/ Ansteckung
Ansteckung/Gruppendruck
ästhetische Hackordnung
Moratorium der Jugend/ „nicht artgerechte Haltung“/zu wenig soziales Korrektiv
Einflüsse auf Selbstverletzungen –entsprechend öko-systemischen Entwicklungsmodell
Intimchirurgie als Variante von NSSV
Die intimchirurgischen Maßnahmen waren „für mich damals ein sozialkonforme Möglichkeit […], mich selbst zu verletzen, mir Schmerzen zuzufügen, mich bluten zu lassen – ohne mich mit dem Messer selbst schneiden zu müssen! Sich selber schneiden ist psycho. Das wollte ich nicht.“ (Ahlers, Vom Himmel auf Erden, 215)
Arme imponieren wg. Sichtbarkeit
33
SVV In-Albon/ Plener/ Brunner/ Kaess, Hogrefe
NSSV als Teil der Autonomieentwicklung- kann Eltern ohnmächtig machen,
- und – über das Ritzen hinaus – pädagogisch hemmen, (Schuldgefühle?)
- also durch eine Rollenänderung dysfunktionales Agieren verstärken (sek.Krankheitsgewinn)
Bindungsstörung
Reaktive Bindungsstörung des Kindesalters (F94.1) Bindungsstörung des Kindesalters mit Enthemmung (F94.2)Prävalenz 1%; in Heimen und Pflegefamilien 10-25% (AACAP)
Reaktive Bindungsstörung
Störungen der sozialen Funktionen
• Abnormes Beziehungsmuster zu Betreuungspersonen mit einer Mischung aus Annäherung und Vermeidung und Widerstand gegen Zuspruch
• Eingeschränkte Interaktion mit Gleichaltrigen
• Beeinträchtigung des sozialen Spielens
• Gegen sich selbst und andere gerichtete Aggressionen
Emotionale Auffälligkeiten
• Furchtsamkeit
• Übervorsichtigkeit
• Unglücklichsein
• Mangel an emotionaler Ansprechbarkeit
• Verlust/ Mangel an emotionalen Reaktionen
• Apathie
• "frozen watchfulness"
Bindungsstörung mit Enthemmung
Störungen der sozialen Funktionen
• Inadäquate Reaktionen auf Beziehungsangebote von fremden Bezugspersonen
• Nicht selektives Bindungs-verhalten mit wahlloser Freundlichkeit und Distanzlosigkeit
• Gleichförmige Interaktionsmuster gegenüber Fremden
• Eingeschränkte Interaktion mit Gleichaltrigen
• Beeinträchtigung des sozialen Spielens
• Gegen sich selbst und andere gerichtete Aggressionen
„Neue Autorität“
Youtube: Vorlesungen von Prof. Haim Omer
Prof. v. Schlippe: (google:) N.A., Hagen
Kostenfreier Text: neueautoritaet.at
Suche: „Stärke statt Macht“
37Neue Autorität macht Schule, 193
„Zeitenwende“
• Beginn einer neuen Ära/Epoche: digitales Zeitalter und bio-technologische Veränderung
• Weniger Hunger, Krankheit, Krieg
„Erst die Massenbildungssysteme des Industriezeitalters begannen damit, regelmäßig exakte Noten zu vergeben… Kaum hatten Bürokraten diesen Maßstab übernommen, wurde die Wirklichkeit entsprechend umgestaltet.“ (233)
• Wenn Menschen sich durch Kooperation und gemeinsame Geschichten besonders auszeichnen und entwickelt haben – was kann dies besser fördern, als die digitalen Möglichkeiten?
38
KJP Stadtroda/Gera
achtsam-lernen.de 39
- häufig kürzere Wartezeiten- Spezialprogramme, z.B. Dialektisch-
Behaviorale Therapie, - Autismus- Familientherapie
- u.a. Parallele Eltern-Kind-Behandlung- Abklärung bei Verdacht auf Online-Sucht- Schulvermeidung- detaillierte Testung schulischer
Kompetenzen
achtsam lernen – heißt u.a., die
aufgeführten Faktoren individuell zu gewichten
Bewegungs-freude
kultivieren
Prävention psychischer
Störungen (z.B.
durch persönliche Verbindlichkeit)
Bildungsinhalte (z.B. nachhaltig o. „Bulimie-
Lernen“)
Ruhe-/Regene-rationsräume
Achtsamkeits-rituale (für
Interessierte)
Konstruktive Fehlerkultur
Lehrergesundheit stärken
Gemein-schafts-rituale
Sociallearning/
Kooperation mit Umgebung
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