„Internetöffentliche
Netzwerk-Wissenschaft“
Weshalb ist sie vertrauensrelevant?Wie könnte Vertrauen zustande kommen?
Tina Guenther, interactive scienceSchloss Rauischholzhausen, 09.-11. September 2009
Gliederung
„Internetöffentliche Netzwerkwissenschaft“
1. Paradigma „Internetöffentliche Netzwerkwissenschaft“
2. Feld der Wissenschaft und „conception of control“
3. Weshalb ist internetöffentliche
Netzwerkwissenschaft vertrauensrelevant?
4. Wie könnte Vertrauen unter Bedingung von
internetöffentlicher Netzwerkwissenschaft
konstituiert werden?
5. Fazit
1. Netzwissenschaft
Was beinhaltet „internetöffentliche Netzwerkwissenschaft“? Forschung ist öffentlich
Anspruch der Öffentlichkeit auf Meldungen & Resultate aus Forschungsarbeiten, welche direkt oder indirekt aus Steuermitteln finanziert werden. Wissenschaftler ist Vertrauensnehmer bzw. Treuhänder gegenüber Öffentlichkeit, muss zugleich Öff. vertrauen.
Akademische Lehre ist öffentlichEinsehbarkeit von Kursen an öffentlich finanzierten Hochschulen über Internet & Social Media.
Der Wissenschaftler ist öffentlich Ansprechbarkeit des Wissenschaftlers für Öffentlichkeit im Rahmen selbst definierter Grenzen
1. Netzwissenschaft
Was beinhaltet „internetöffentliche Netzwerkwissenschaft“? Wissen intern teilen & Wissen öffentlich teilen
Informationsaustausch zwischen Forschern zwischen Institutionen, Disziplinen, Kulturkreisen. Öffentliche Teilhabe an wissenschaftlichem Wissen aus erster Hand (Open Access Publikation) selbstverständlich.
Social Media in Forschungsprozess integrieren>> Weblogs, Wikis, Social Networking Sites, Microblogging, Video, Podcast, Livecast systematisch in Forschungsprozess integrieren, Open Source Forschungsprojekte durchführen.
Trennung zw. Wissenschaft & Journalismus aufheben>> Wissenschaftler nehmen Berichterstattung über ihre Forschung, Publikationen, Konferenzen in eigene Hände, generieren selbst Öffentlichkeit für Hauptfragen & Themen.
1. Netzwissenschaft
Was beinhaltet „internetöffentliche Netzwerkwissenschaft“? Einschreibung Social Media ins akademische Feld
>> Wertigkeit und Anerkennung wissenschaftlicher Social Media Projekten eng verknüpft mit Status, Einkommen, Beschäftigungschancen und Karriereperspektiven der Macher. Belohnung herausragender Projekte und Berücksichtigung in Anreizsystemen (Auszeichnungen, Berufungen) könnte höherrangige Wissenschaftler motivieren.
Einschreibung Wiss. Standards in Social Media >> Erwartungen an Wissenschaftlichkeit (z.B. wiss. Zitierweise) in Social Software einschreiben; umgekehrt Reichweite und Resonanz neue Erfolgskriterien fürWissenschaftler und Forschergruppen.
1. Netzwissenschaft
Was beinhaltet „internetöffentliche Netzwerkwissenschaft“?
‚Scienceblogs‘ für Spitzenwissenschaft >> Projekte wie ‚Scienceblogs‘ folgen primär journalistischen Kriterien. Vorlage für Spitzenforschungs- gesellschaften (wie MPG, Fraunhofer und Helmholtz), um Öffentlichkeit für ihre Themen zu generieren und Wissenschaftler zu fördern?
‚Wissenschafts-Rivva‘>> Auffindbarkeit von ‚Tagesthemen‘ für akademische Disziplinen könnte mithilfe von Redaktionen an der Schnittstelle von Wissenschaft und Journalismus, aber auch über Memetracker geschaffen werden.
1. Netzwissenschaft
Was beinhaltet „internetöffentliche Netzwerkwissenschaft“?
Vernetzung über Social Networking Sites>> Vernetzung zwischen Wissenschaftlern über Social Networking Sites wie Facebook, Xing, z.T. über SNS speziell für Wissenschaftler wie Researchgate
Neue Finanzierungsmodelle >> Internetöffentliche Netzwerkwissenschaft würde schließlich bedeuten, dass Wissenschaftler vom ersten Klick an eine monetäre Kompensation für ihre Online-Beiträge erhalten. Diese Kompensation würde Anerkennung zum Ausdruck bringen.
2. Wissenschaftsfeld
>> Ausgangspunkt: Theorie Fligstein „The architecture of
markets“ (2001) – Akteuren in dominierender Position
(„incumbents“), Herausforderer („challengers“)
und Quereinsteiger aus anderen Märkten („invaders“).
Welches Regime bzw. „conception of control“ dominiert?
>> Wissenschaft ist ein hart umkämpftes Marktfeld: Akteure
konkurrieren um dominierende Positionen, Ressourcen
(Drittmittel, Arbeitsmittel) und Beschäftigungschancen.
>> „Conception of control“: 1. Universität nach
Alexander von Humboldt, 2. „Elitewissenschaft“,
3. „internetöffentliche Netzwerkwissenschaft“.
Machtpol +Politische Steuerung [Exzellenzprogramm,
Bologna-Prozess]
Professionelle Vereinigungen
Wissenschaftlicher Nachwuchs
Studierende(Gebührenfinanz.
Studium)
Wissen-schaftsrat
DFGAnbieter
Wissenschafts-ratings
Gutachter-Kommissionen
Hochschule Forschungsinstitut Professoren
Öffentlichkeit(finanz. Wiss. aus Steuern)
Akkre-ditierungs-agenturen
Machtpol +Politische Steuerung [Exzellenz, Bologna]
Professionelle Vereinigungen
Wissenschaftlicher Nachwuchs
Studierende
Wissen-schaftsrat
DFGRating-anbieter
Gutachter-Kommissionen
Forschungsinstitute& Hochschulen
Professoren
Öffentlichkeit
Lehrstühle/Professuren
Mittelbau-stellen
SFBs, GRKs, Drittmittelprojekte
P2p-Publikationen
Studiengänge
Forschung
Akkreditierungs-agenturen
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3. Vertrauensrelevanz
Von Vertrauensrelevanz kann man nur sprechen, wenn
sechs Voraussetzungen erfüllt sind …
1. es Akteure gibt, die als Vertrauensgeber und Vertrauens-
nehmer Informationen austauschen, zusammenarbeiten
oder in einen Dialog treten: z.B. Wissenschaftler mit
Kollegen, Organisationen, Fachöffentlichkeit und
allgemeiner Öffentlichkeit.
2. die Akteure Erwartungen aneinander richten, z.B. in der
Zusammenarbeit einer Forschergruppe, im Informations-
austausch unter Wissenschaftlern oder im Dialog mit
Öffentlichkeit(en).
3. Vertrauensrelevanz
Voraussetzungen …
3. wenn die Beteiligten im Fall des Scheiterns Schädigung erleiden, z.B. wirtschaftlicher Schaden (verminderte Karrierechancen), Schädigung der Reputation, psychischer Schaden (Selbstbewusstsein).
4. wenn Unsicherheit über ein mögliches Scheitern besteht
5. wenn Wissenschaftler trotz Unsicherheit Kooperation,
Informationsaustausch und Dialog suchen.
6. wenn Kooperation, Informationsaustausch und Dialog
sowohl online als auch offline einen institutionellen
Rahmen haben (z.B. Bildung, Professionen, Wirtschaft,
Politik, Recht).
3. Vertrauensrelevanz
Vertrauensrelevanz internetöff. Netzwerkwissenschaft
1. Wissenschaftler, Wissenschaftsorganisation, Fachöffentlichkeit, allgemeine Öffentlichkeit >> jede Partei Vertrauensgeber & Vertrauensnehmer.
2. Erwartungen: Kooperation, Informationsaustausch, Unterstützung, Bekanntheitsgrad, Verkaufserfolge
3. Wissenschaftler: Befürchtung, sich zu disqualifizieren
4. Keine Kontrollmöglichkeiten wie in formalen Organisationen
5. Freiwilligkeit des Online-Engagements (z.B. Weblogs aus laufenden Projekten) Erfolgbedingung (pos. Erwartungen).
6. Institutioneller Rahmen schafft Verbindlichkeit
4. Vertrauens-konstitution
Von Vertrauen online könnte man sprechen, wenn
... eine Vertrauensbeziehung mit zeitlichem Verlauf besteht
… die auf rationaler Wahl, Routine und Reflexivität gründet
… und verbleibende Verletzlichkeit & Unsicherheit aufhebt
… als ob eine mit Spannung behaftete Situation bereits zu einem guten Ende gekommen wäre
… wobei Vertrauensgeber und Vertrauensnehmer positive Erwartungen an spezifisches Gegenüber (signifikanter Anderer) oder abstraktes Gegenüber (generalisierter Anderer) richten, aufrechterhalten, erneuern
… um positive Auflösung tatsächlich zu ermöglichen.
Politische Steuerung/Verwaltung
Struktur
Wissenschafts-organisationen,
Intermediäre
Struktur Akteur
WissenschaftlerÖffentlichkeit
Akteur
Quelle: Möllering 2006 + Ergänzungen
4. Vertrauens-konstitution
[Korrespondenz von Online- und Offlineaktivitäten auf allen Ebenen]
4. Vertrauens-konstitution
Rationale Wahl
Nutzen, Interessen
Indikatoren der Vertrauenswürdigkeit
Routinemodell SelbstverständlichkeitNatürliche Anschauung
Isomorphie Institutionen [Regeln, Rollen,
Routinen bzw. ‘gute Praxis’]Systemvertrauen
Aufhebung der Spannung!
‘Als ob’, Rahmung der Situation, Fiktion
‘Just do it’, Annahme einer positiven Lösung
Der ‘Sprung des Glaubens’
Reflexivität
Erfahrung, Prozess
Erneuerung & Bestätigung
Rückgriff auf Vertrautes
Strukturation
Quelle: Möllering 2006
4. Vertrauens-konstitution
1. Rationalmodell des Vertrauens: Wissenschaftler entscheidet nach Nutzenerwartungen und Interessen sowie Vertrauenswürdigkeit (Gutwilligkeit, Kompetenz, Integrität) über Online-Projekte. W.-Organisationen prüfen den Wissenschaftler unter denselben Aspekten. Analog entscheidet Öffentlichkeit über Wissenschaftler: Was bringt es, Online-Publikationen des Wissenschaftlers oder Forschergruppe zu lesen? Ist der Wissenschaftler vertrauenswürdig? Exitmöglichkeiten: Konflikt, Rechtsweg.
2. Routinemodell: Wissenschaftler vertraut Öffentlichkeit, weil sein Schaffen ohnehin für Öffentlichkeit bestimmt ist. Isomorphie (First Mover vs. Nachahmer) und Institutionen (Regeln, Rollen, Routinen, Verfahren) fördern Vertrauen.Öffentlichkeit geht bei Wissenschaftler vom Vertrauen als Normalfall aus.
4. Vertrauens-konstitution
3. Reflexionsmodell: Wissenschaftler beginnt mit kleinen Online-Publikationen, erweitert Themenspektrum & Intensität mit wachsender Erfahrung und Reichweite, greift auf vertraute Techniken (öffentliche Rede, Illustration usw.). Öffentlichkeit setzt sich analog mit Wissenschaftler, Schriften, Online-Publikationen auseinander.
4. Sprung des Glaubens: Aufheben der Unsicherheit über Disqualifizierung & negative Folgen durch Zuversicht über positives Resultat z.B. Freiheitsgewinn, Erweiterung des Handlungsspielraums. Beispiel: Weblog starten, Content produzieren, SNS hinzufügen, Netzwerken, Reputation aufbauen, sich positionieren. Positive Erwartungen auch bei Rückschlägen aufrechterhalten.
4. Vertrauens-konstitution
5. Erfahrung: Eine Wissenschaftler-Online-Biografie ist eine mit Spannung behaftete Erfahrung, die ein Leben lang anhält. Content (Blog-Einträge, Kommentare, Fotos, Podcast, Videos, Tweets etc.) lässt sich ebenso wenig aus dem Netz entfernen wie sich wissenschaftliche Publikation rückgängig machen lassen. Soziale Verbindlichkeit steigt mit wachsender Dauer, Online-Aktivität & Reichweite!
6. Ermöglichung: Jeder Wissenschaftler kann durch seine Publikationen und Online-Aktivitäten zum Regimewechsel zur „internetöffentlichen Netzwerkwissenschaft“ beitragen. Er kann an Definition und Durchsetzung v. Regeln mitwirken, Wissenschaftler-Kollegen zum Mitmachen einladen. Öffentlichkeit kann Regimewechsel befördern und beschleunigen (Publikationen abrufen, Petitionen etc.).
5. Fazit
Ein Regimewechsel von „Elitewissenschaft“ hin zu „internetöffentlicher Netzwerkwissenschaft“ ist unwahrscheinlich, ohne dass auch an Stellschrauben der Governance von Wissenschaft gedreht wird >> Macht.
Vertrauen in „internetöffentliche Netzwerkwissenschaft“ lässt sich nicht mit politischer Steuerung verordnen. Jede Onlinebiografie setzt Freiwilligkeit und Engagement voraus, Antizipation des Scheitern wird selbsterfüllende Prophezeiung >>Vertrauen.
Einige Maßnahmen (z.B. Bedingungen für Open-Access) fallen in Bereich der Governance, andere in den Bereich des Vertrauens (z.B. Wissenschaftsblogs) >> hohe Beteiligung von Wissenschaftlern & öffentlicher Diskurs!
Machtpol +Selbststeuernde
Wissenschaft
Professionelle Vereinigungen
Wissenschaftlicher Nachwuchs
Studierende
Wissen-schaftsrat
DFG
Rating-anbieter
Gutachter-Kommissionen
Forschungsinstitute& Hochschulen
Professoren
Öffentlichkeit
Lehrstühle/Professuren
Mittelbau-Stellen
SFBs, GRKs Drittmittel-
projekte
P2p-Publikationen
Studium Forschung
Akkreditierungs-agenturen
Intermediäre
Verlage
Sonst. Publikationen
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Diese Präsentation wurde mit einer Creative Commens publiziert. Kontakt: Dr. Tina Guenther; E-Mail: mail (at) tguenther (punkt) de. Twitter @sozlog