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Institut für Völkerkunde, Universität zu Köln

Einführungsseminar WS 2004/05Lioba Lenhart

24.01.200525. Sitzung: Globalisierung

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24.01.2005 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Globalisierung

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Peoples & Bailey, Kapitel 16: „Globalization“

Themen:(1) Zum Begriff der Globalisierung(2) Entwicklung des Welthandels(3) Entstehung der Weltwirtschaft(4) Auswirkungen der globalen

Ökonomie(5) Kulturelle Folgen der Globalisierung

sierung: Ethnologische Perspektiven

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(1) Globalisierung

„Globalisierung“ ist einer der heute am meisten benutzten Begriffe, mit dem der andauernde Prozess weltweiter Ver-netzung und Veränderungen in wirt-schaftlicher, politischer, sozialer und kultureller Hinsicht bezeichnet wird.

„global“ – weltweit, welt-, erdumfassend, gesamt

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Globalisierung

• Noch vor etwa 25 Jahren war dieser Begriff so gut wie nicht ge-bräuchlich. Er findet sich beispielsweise weder in Wahrig – Deutsches Wörterbuch von 1980, noch im Pons-Wörterbuch Englisch-Deutsch, Deutsch-Englisch von 1980.

• Isolierte, autarke, von den Einflüssen der Außenwelt unberührte Gesellschaften gab es auch in den 1980er Jahren schon lange nicht mehr.

• Inzwischen ist das Phänomen der Globalisierung jedoch in das allgemeine Bewusstsein gedrungen – denn es ist selbst in der „hintersten Ecke“ der Welt deutlich zu bemerken im Zusammenhang mit Welthandel, Arbeitsmigration, Tourismus, Flüchtlingen, internationalen Organisationen, multinationalen Konzerne, Massenmedien, Internet, Weltreligionen, politischen Ideologien und Kriegen.

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Globalisierung

• Globalisierung ist nicht nur ein ökonomischer Prozess, obschon der ökonomische Wandel die Triebfeder der Globalisierung darstellt;

• Globalisierung hat auch weit reichende politische, soziale und kulturelle Auswirkungen.

• Die Anfänge der Globalisierung liegen etwa 500 Jahre zurück (1492 Reise von Columbus).

• Der Prozess der Globalisierung untergliedert sich in zwei Phasen:• 1. Phase: 1500 – Mitte des 20. Jahrhunderts:

Entwicklung eines globalen Handelsnetzwerkes, durch das alle Völker der Erde direkt oder indirekt miteinander verbunden sind;

• 2. Phase: Ende des 2. Weltkriegs – heute:Entwicklung der weltweiten Vermarktung von Produkten und Entstehen einer globalen Ökonomie.

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… Globalisierung

Das Lehrbuchkapitel zur Globalisierung fokussiert ökonomische Prozesse. Es vermittelt allgemein/also auch für Ethnolog/innen wichtiges, historisches und politisches Hintergrundwissen - nicht aber spezifische ethnologische Erkenntnisse.

Letztere werden zum Schluss der Sitzung in Bezugnahme auf andere Literatur ergänzt.

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(2) Entwicklung des Welthandels

• Wegbereiter der Globalisierung war die europäische Expansion ab 1500 (Columbus‘ (Wieder-)Entdeckung von Amerika 1492, Seeweg nach Indien 1498).

• Fernkontakte und Fernhandel gab es auch schon sehr viel früher (Bsp.e: Transsahara-Handel; oder südostasiatisches Seehandelsnetz, das China und Indien sowie die arabische Welt verband);

• neu war das Ausmaß der Verbindungen, die schließlich weltum-spannend wurden.

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Alte Welt und Neue WeltVor 1500 waren zentrale Regionen der verschiedenen Kontinente voneinander relativ isoliert. Der Fernhandel zwischen Europa und China sowie zwischen Europa und Afrika beinhaltete selten direkte Kontakte zwischen Mitgliedern der betreffenden Gesellschaften/Kulturen – der Handel lag vielmehr in Händen zwischengeschalteter Gruppen, die als Mittels-männer fungierten.

• Alte Welt:Europa, Afrika, Asien – bildeten vor 1500 bereits eine Einheit infolge von Kontakten und Handel (wenn auch in noch sehr begrenztem Maße), wodurch sich Technologien und Institutionen verbreiteten.

• Neue Welt:Amerika, Australien, Ozeanien – waren vor 1500 nicht in dieses Handels-netzwerk eingebunden, entwickelten andere Technologien und Institutionen.

!! Termini sind zwar ethnozentrisch, machen aber aus kulturhistorischer Sicht nichtsdestotrotz Sinn.

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Europäische Expansion und Entwicklung des Welthandels: Phasen

1500-1800 Europäische Expansion, merkantile Phase

1800-ca. Ende Kolonialzeit, 2. Weltkrieg Phase der industriellen

Revolution

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1500-1800 – Europäische Expansion, merkantile Phase

Europa war um 1500 weder die bevölkerungsreichste, noch die in technologischer Hinsicht am meisten entwickelte Region der Welt. In Asien gab es sehr viel größere Reiche, die Europa technisch und militärisch ebenbürtig, wenn nicht überlegen waren und selber expandierten.Trotzdem veränderte sich die Welt zwischen 1500 und 1800 infolge der europäischen Expansion dramatisch.

• Die Spanier und später die Portugiesen, Engländer, Franzosen und Niederländer erreichten den amerikanischen Kontinent, unterwarfen oder vertrieben die einheimischen Bevölkerungen und kontrollierten bald fast das gesamte Gebiet und seine Ressourcen.

• Gleichzeitig errichteten dieselben europäischen Mächte ein maritimes Handelsnetzwerk, das bald alle Menschen der Welt in direkten oder indirekten Kontakt miteinander brachte.

• Dieses Netzwerk brachte den Austausch von Technologie, Anbauprodukten, domestizierten Tieren und Menschen, aber auch Krankheiten mit sich.

• Im späten 18. Jahrhundert lassen sich Auswirkungen der europäischen Expansion auf die Kulturen fast aller Völker der Erde in der ein oder anderen Weise konstatieren.

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… 1500-1800

Phase der Schaffung von Handelsimperien durch die jeweiligen europäischen Staaten:Aufbau unabhängiger, vollständig unter eigener Kontrolle stehender Handelssysteme

in den einzelnen Kontinenten mit sehr unterschiedlichen Auswirkungen

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Amerikaals einziger Erdteil flächenkolonisiert, anfangs für Gold und Silber, späterfür Zuckerplantagen in der Karibik

Mittel-/Südamerika• 1492: Ankunft von Columbus• 16. Jh.: Eroberungen/Unterwerfung

durch die Spanier und Portugiesen, die große Teile des Kontinents unter ihre Kontrolle brachten

• Beginn der Missionierung• Diffusion von bestimmten

Getreidesorten, Tierarten, Gütern, aber auch Krankheiten u.v.a.

• Extremer Rückgang der einheimischen Bevölkerung infolge von Ermordung, Krankheiten, Versklavung - Folge dessen im 16./17. Jh. Boom des afrikanischen Sklavenhandels

Nordamerika und West Indies• Anfang 17. Jh.: Ankunft von anderen

europäischen Mächten, England, Frankreich, Niederlande

• Auch sie in Sklavenhandel mit Afrika involviert

• Einheimische Bevölkerung wird nicht versklavt, sondern vertrieben

• Starker Bevölkerungsrückgang, massive Veränderungen ihrer Kultur und Lebensweise (Bsp.: Pferd bei Prärie-Indianern)

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Subsahara-Afrika

• Mitte des 15. Jh.s: erste Kontakte durch Portugiesen

• Errichtung von Handelsposten (Güter: Gold, Elfenbein), die auch als Stationen für Schiffe auf dem Weg nach Asien fungierten

• Missionierung• Sklaven werden wertvollstes

Handelsgut

Sklavenhandel:• ca. 1490er Jahre bis 1870,

Höhepunkt im 18. Jh.• schätzungsweise 10-50 Millionen

versklavte Menschen• Zunächst nur durch Portugiesen,

die mit afrikanischen Verbündeten kooperierten, dann auch Frankreich, England, Niederlande u.a.

• Zentrum: Westafrika, Zentralafrika,

• Verbindung von Waffen- und Sklavenhandel Eskalation von Kriegen, Destabilisierung

• Einführung von neuen Getreidesorten (Mais, Maniok), dadurch höhere Produktivität, Bevölkerungswachstum

• dadurch ev. Auffangen der Verluste infolge von Sklavenhandel

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Asien Ozeanien

Asien:deutlich andere Situation als in Amerika und Afrika: Asien war Europa klar voraus • 1498: Portugiesen als erste Europäer in

Asien, zunächst dominant• eher periphere europäische Beteiligung

als Mittelsmänner am bereits bestehenden innerasiatischen Handelssystem für Gewürze, bei Errichtung einzelner Handelsposten

• erst nach 1600 mehr Einfluss

Ozeanien:nur wenig von der merkantilen Phase beeinflusst

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1800-Ende 2. Weltkrieg – Kolonialzeit, Phase der industriellen Revolution

Technologischer Fortschritt und Industrialisierung festigten die militärische, politische und wirtschaftliche Vormachtstellung Europas.

Veränderung der Art des Kontaktes zwischen Europäern und Nicht-Europäern - vom Handel hin zu Kolonialismus und politischer Domi-nierung:• 19. Jh. – Periode der imperialen Expansion;• um 1900 dann Beginn der Restrukturierung der Wirtschaftssysteme der

kolonialen Besitztümer zugunsten europäischen Bedarfs (Rohstoffe für Export, Absatzmärkte für europäische Manufakturgüter), Einführung von Besteuerung, Zöllen;

• Europäer fühlten sich nicht nur wirtschaftlich und politisch, sondern auch kulturell überlegen.

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Kolonialisierung• Großbritannien bildete die Vormacht, gefolgt von Frankreich;• später dann auch viele andere europäische Staaten einschließlich

Deutschland sowie USA und Japan;• Amerika war inzwischen wieder weitgehend unabhängig, die

restliche Welt war nun fast gänzlich aufgeteilt - wobei auch die wenigen formal unabhängigen Staaten (z.B. Thailand) unter indirekte Kontrolle der Kolonialmächte gerieten.

• Technologischer Fortschritt brachte schnellere und größere Schiffe, Eisenbahnen u. ä. und somit effektivere Transportmöglich-keiten.

• Ökonomisches Interesse verlagerte sich mehr und mehr von Zahlungs- (Gold, Silber) und Genussgütern (Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Gewürze) auf industriell verwertbare Rohstoffe (wie Baumwolle, Kautschuk, Metalle).

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Amerika Subsahara-Afrika• Politisch und wirtschaftlich eng mit

Europa verknüpft• Unabhängigkeitsbewegungen (USA:

1776); wirtschaftlich aber noch eng verbunden

• Rohstofflieferant und Absatzmarkt• Sklavenhandel enorm (1880 verboten)• einheimische Amerikaner verdrängt,

besiegt, ermordet

Asien• durch verbesserte Militärtechnologie

Siege nun einfacher möglich• Ende 19. Jh.: Asien größtenteils unter

europäischer Kontrolle; Kolonien oder „semi-kolonialisierte Regionen“; Ausnahme: Japan

• auch hier Besteuerung und massive Veränderungen der lokalen Wirtschaft

• zunächst Intensivierung des Sklavenhandels

• danach (ab Mitte 19. Jh.) Interesse an Rohstoffen und Absatzmärkten

• dazu Stabilisierung Afrikas vonnöten, sollte durch Aufteilung Afrikas zwischen Europäern erreicht werden

• Besteuerung, Zwangsintegration in europäische Wirtschaft

Ozeanien

• Expeditionen, Händler, Kolonialisten• starker Rückgang der einheimischen

Bevölkerung durch Krankheiten und Kriege

• 1785: Strafkolonie in Australien gegründet

• stetiges Anwachsen der europäischen Bevölkerung

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(3) Entstehung der Weltwirtschaft

seit Ende des 2. Weltkriegs

• Diese Phase ist gekennzeichnet durch Wachstum und Wandel in ökonomischer, politischer, demographischer und soziokultureller Hinsicht.

• Seither entwickelt sich ein zunehmend integriertes und durch Interdependenzen gekennzeichnetes, globales ökonomisches System.

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Freier Handel und transnationale Unternehmen

Für die Entwicklung der globalen Ökonomie wesentlich sind• Freier Handel,• Transnationale Unternehmen.

• Freier Handel• meint, dass jedes Unternehmen jede Art von Dingen in jedem Land

der Welt ohne Import- oder Exportsteuer kaufen und verkaufen kann;

• freier Handel ist noch immer nicht gänzlich möglich - die Regierungen aller Länder regulieren noch immer den Handel; allerdings gibt es zunehmend Druck, alle Regulierungen von Seiten der Regierungen zu kippen.

• Transnationale Unternehmen• nicht mehr national zuordbar, Bsp.: Nokia (siehe Lehrbuch S. 334).

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Faktoren, die zur Entwicklung des globalen Wirtschaftssystems beitrugen/beitragen

• Zusammenbruch der kolonialen Reiche ermöglicht(e) den Ländern der Welt, direkt miteinander Handel zu treiben.

• Technologische Entwicklungen im Bereich Transport und Verkehr, Information und Kommunikation geographische Distanzen wurden und werden zunehmend unwichtig:

• durch bessere Straßen, größere Schiffe und Flugzeuge, schnellere Be- und Entlade-Techniken können Waren und Menschen nun sehr viel schneller und kostengünstiger bewegt werden;

• wegen Telefonnetzen und insbesondere Internet ist es möglich, einfach und schnell mit Menschen überall auf der Welt zu kommunizieren.

• Entstehung des internationalen Finanzsystems ermöglicht(e) Bereitstellung von Kapital, um Globalisierungsprozesse weiter voranzutreiben.

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Zusammenbruch der kolonialen Reiche

Dekolonisation• war häufig begleitet/gefolgt von Konflikten und Kriegen;• vor allem Indiens Unabhängigkeit 1947 hatte Signalwirkung; auch

dort herrschte gleich Krieg und Teilung Entstehung von Pakistan;• die meisten afrikanischen Staaten wurden allerdings erst in den

frühen 1960er Jahren unabhängig.• Auseinanderbrechen von Sowjetunion und Jugoslawien in den

1990er Jahren weist Parallelen auf.

Heute existierende nur noch wenige Kolonien; bei diesen handelt es sich mehrheitlich um Inseln oder kleine Enklaven, die ohne Unterstüt-zung des Mutterlandes kaum lebensfähig wären.

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Fortbestehende Abhängigkeiten

Das Ende des Kolonialismus bedeutete nicht Ende der Abhängigkeit:

Abhängigkeiten bestanden/bestehen fort infolge von • Blockbildung, Kaltem Krieg, Stellvertreterkriegen,• infolge des wachsenden Welthandels (heutiger Umfang entspricht

dem 500fachen Umfang von 1800 und dem knapp 20fachen von 1900).

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… Fortbestehende Abhängigkeiten

• Abhängigkeiten existieren in beiderlei Richtung: die meisten Industrieländer könnten ohne Erdöl- und andere Rohstoffimporte sowie Nahrungsmittelimporte kaum existieren,

• doch wegen der niedrigen Weltmarktpreise bringt das den ärmeren Ländern, die die Rohstoffe liefern, nur geringe Profite; Versuche, Preiskartelle zu bilden (wie z. B. OPEC), funktionieren selten gut.

• Abhängigkeiten der Länder der Dritten Welt sind größer,• denn die Rahmenbedingungen des Welthandels werden durch nach

wie vor verbreiteten Protektionismus und von westlichen Nationen dominierte internationale Institutionen wie Weltbank, Internati-onaler Währungsfonds/IWF und Welthandelorganisation/WTO bestimmt;

• allein die hohe Verschuldung zwingt viele ärmere Länder, die Bedingungen dieser Institutionen zu akzeptieren.

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(4) Auswirkungen der globalen Ökonomie

Auswirkungen betreffen:• Bevölkerungswachstum und Wirtschaftswachstum,• Migrationsmuster,• Werte.

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… Bevölkerungswachstum und Wirtschaftswachstum

Global betrachtet gibt es eine Umkehrkorrelation in Bezug auf ökonomische Entwicklung und Bevölkerungswachstum.

• Die Weltbevölkerung wächst (nicht zuletzt aufgrund der Arbeit der World Health Organization/WHO) rasant: in den letzten 50 Jahren von 2,5 auf mehr als 6 Milliarden.

• In vielen Ländern sind Bevölkerungswachstumsraten stabil bzw. sogar abnehmend – nicht aber in den Entwicklungsländern.

• Trotz globalem Wirtschaftssystem entwickeln sich die Ökonomien vieler Länder Asiens, Afrikas und Lateinamerikas nicht wie erhofft – es gibt keinerlei Wachstum, stattdessen Rezession und Regression.

• Die Wohlstandsschere klafft immer weiter auseinander – dies betrifft nicht nur Individuen, sondern Länder und Regionen weltweit – die Reichen werden reicher, die Armen werden ärmer.

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Migration

ist ein sehr augenscheinliches Phänomen im Zusammenhang mit Globalisierung;

betr.: Wanderbewegungen • Land Stadt• Entwicklungsländer reiche Länder des Westens/der

arabischen Welt.

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… Migration

• Mindestens 150 Millionen Menschen leben heute in einem anderen Land als ihrem Geburtsland - als Arbeitsmigranten, Studenten, Flüchtlinge usw.

• Hauptsächliche heutige Zielländer sind USA, Kanada, die Länder Europas, die Öl produzierende Länder des Nahen Ostens.

• Zudem gibt es regionale Migrationsziele immer dort, wo der Arbeitskräftebedarf hoch ist oder die Sicherheitslage besser ist (z. B. Afghanen in Pakistan, Palästinenser in Jordanien, Westafrikaner in Elfenbeinküste).

• Arbeitsmigration gab es auch schon früher – z.T. durch Kolonialherren forciert,

• z. B. im 19. Jh. Abwanderung von Europäern in die USA und nach Argentinien, von Chinesen nach Südostasien, von Indern nach Fiji, Mauritius, Trinidad, Guayana, Uganda, Südafrika.

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… MigrationZwei wichtige Begriffe in der neueren ethnologischen Forschung zu Migration und ihren Folgen sind: Diaspora und Transnationalismus

• Diaspora: Gemeinschaft von Migranten, die zwar nicht beabsichtigt, in ihr Herkunftsland zurückzukehren, aber für die dieses Land durch direkten Kontakt oder als Orientierungspunkt weiterhin wichtig ist;

• moderne Transport- und Kommunikationstechnologien erleichtern dies sehr,

• Diaspora-Gemeinden haben nicht selten großen wirtschaftlichen und politischen Einfluss im Herkunftsland (z.B. haben viele Unabhängigkeitsbewegungen, z. B. die der Sikhs oder der Kurden, ihre Basis in Diaspora-Gemeinden).

• Transnationalismus: Leben in und starke Zugehörigkeitsgefühle zu mehr als einer Nation,

• so z. B. karibische Migranten in New York, die hin- und herpendeln und sich in beiden Ländern politisch engagieren.

• Längst nicht alle Diaspora-Gemeinschaften sind allerdings wirklich transnational.

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Westliche und andere Werte

Ressentiments in Bezug auf westliche kulturelle Einfluss-nahmen wachsen weltweit.

Welche Beispiele fallen Ihnen hierzu ein? bitte kurz darüber nachdenken und mit den unmittelbaren Banknachbar/innen diskutieren!

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(5) Kulturelle Folgen der Globalisierung: Ethnologische Perspektiven

GlobalisierungDieser andauernde Prozess der weltweiten Vernetzung vollzieht sich in unterschiedlichen Bereichen und Dimensionen und impliziert das Zirkulieren von Menschen, Waren, Kapital, Technologien und Ideen.

Ethnolog/innen thematisieren in dem Zusammenhang• globale Ströme oder Sphären,• Prozesse der Homogenisierung und Heterogenisierung.

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Globale Ströme/Sphären

Appadurai, A. (1990) unterscheidet

• Ethnoscapes, Ethnosphären,• technoscapes, Technosphären,• finanscapes , Finanzsphären,• mediascapes , Mediensphären,• ideoscapes , Ideensphären.

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… Globale Ströme/Sphären

• Ethnoscapes Menschen, die in irgendeiner Form mobil sind: Touristen, Geschäftsleute, Migranten, Exilanten, Flüchtlinge; sind ein wesentliches Merkmal der globalen Gesellschaft und beeinflussen die Politik von Staaten und zwischen Staaten;

• Technoscapes Technologie (Maschinen, Fabriken) und deren rapide Verbreitung in der ganzen Welt durch multinationale Konzerne, nationale Unternehmen und Regierungsinstitutionen.

• Finanscapes Finanzmärkte, finanzielle Spekulationen, Investitionen, Handel von Währungen, Anleihen, Immobilien und Waren, die überall auf der Welt wechselseitig miteinander verbunden sind, insbesondere durch multinationale Unternehmen.

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… Globale Ströme/Sphären

• Mediascapes weltweite Verbreitung von Informationen durch die modernen elektronischen Mittel der Reproduzierung/Verbreitung, z.B. Zeitungen, Radios, PCs, TV, sowie die durch die Medien kreierten Images der Welt; die Medien verwischen die Grenzen zwischen Realität und Fiktion, so dass Menschen Ideen und Phantasien über Gegenden und Menschen herausbilden können, die sie niemals besucht haben.

• Ideoscapes ideelle Konzepte/Ketten von Ideen, die z.B. von Staaten oder politischen Bewegungen instrumentalisiert werden, um Macht zu erhalten oder zu erlangen; zu diesen globalen Konzepten gehören beispielsweise die auf westlichen Ideen basierenden Werte wie Freiheit, Wohlstand, Menschenrechte und Demokratie, die als weithin/allgemein akzeptiert gelten, deren Interpretation sich jedoch an der spezifischen lokalen und kulturellen Lesart orientiert.

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… Globale Ströme/Sphären

!! Die Beziehungen zwischen diesen verschiedenen Sphären sind auf globaler Ebene schwer vorherzusagen. Denn jede dieser

Sphären unterliegt den ihr eigenen Limitierungen und wirkt zudem dahin, die Freiheit der Bewegung der jeweils anderen Sphären zu begrenzen.

Das Ergebnis ist, dass die Prozesse der Globalisierung partiell sind, nicht synchron verlaufen, Gegenreaktionen hervorrufen.

Beispielsweise kann die Offenheit eines Staates in Bezug auf die eine oder andere Sphäre ganz unterschiedlich sein

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„McWorld“?

Idee einer globalen/weltumspannenden Kultur• eine der zentralen Ideen in der gegenwärtigen Literatur zur

Globalisierung (Featherstone 1990);• wird häufig mit der Amerikanisierung der Welt in Verbindung

gebracht, die durch den Massenkonsum von Produkten internationaler Konzerne wie z.B. McDonald's oder Coca Cola gekennzeichnet ist.

Es wird darauf verwiesen, dass die meisten der heute weltweit dominierenden politischen und wirtschaftlichen Strukturen westlichen Ursprungs sind, auf US-amerikanischen und westlichen Interessen beruhen. In Bezug auf die kulturellen Folgen der weltweiten Vernetzung wird ein dramatischer Kulturverlust heraufbeschworen, der mit dem Bild einer homogenisierten "McWorld" verdeutlicht wird.

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… „McWorld“?

Globalisierung = Verwestlichung/Amerikanisierung der Welt oder neue Vielfalt ?

Globalisierungstheoretiker gehen davon aus, dass Globalisierung oft untrennbar mit ihrer Antitheses – der Lokalisierung – verknüpft ist und setzen beides miteinander in Beziehung;

 • sie verweisen sie darauf, dass Kulturen sehr wohl die Kraft haben,

Fremdes zu integrieren oder in Neues zu "übersetzen" - und dies immer getan haben.

• Aus der weltweiten Vernetzung, den ständig wachsenden Kontakten entsteht auch eine neue Vielfalt!

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Kreolisierung

Konzept der Kreolisierung zur Erklärung von Divergenz (Hannerz 1987, 1996):

• der linguistische Begriff „Kreolisierung“ bezeichnet die in der Karibik und in Westafrika neu entstandenen Sprachen, die eine Mischung aus der jeweiligen Kolonialsprache und afrikanischen Sprachen sind;

• auf Kultur übertragen (Hannerz 1996) meint der Begriff, der Kreativität und Ausdrucksreichtum suggeriert, jene neue kulturelle Diversität, die mehr auf Verbindung und weniger auf Autonomie der einzelnen Kulturen basiert:

• Kreolisierte Kulturen entstehen aus der Begegnung und den wechselseitigen Beziehungen zwischen Gesellschaften.

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Kulturelle Folgen der Globalisierung: Beispiele

• Wirtschaftliche Globalisierung bewirkt in bestimmten Bereichen eine allgemeine kulturelle Vereinheitlichung, deren Richtung vom Zentrum der Weltwirtschaft – Nordamerika und Europa – vorgegeben wird:

• Turnschuhe, Mobiltelefone, Michael Jackson, Büroklammern, Weihnachtsbäume, Hochzeiten in Weiß u.v.a. findet man heute tatsächlich fast überall auf der Welt.

• Zudem ist die Ausbreitung von einheitlichen Modellen in den Bereichen Technologie, Wirtschaft, Medizin, staatliche Organisation und Institutionen zu konstatieren:

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… Kulturelle Folgen der Globalisierung: Beispiele

• Importierten Kulturelemente werden häufig nach lokalen Bedürfnissen abgeändert und umgedeutet:

• z. B. italienische Esskultur: Capuccino mit Sahne bei uns, Spaghetti mit Algen in Japan, Pizza mit dickem Boden in den USA.

• Auch bewegen sich die kulturellen Flüsse in alle Richtungen:• z. B. Rastalocken, eintätowierte chinesische Schriftzeichen oder

Maori-Muster, Caipirinha oder Futons als neuere Bestandteile deutscher Sub- wie auch Alltagskultur.

• Die so bedingte Erweiterung der kulturellen Repertoires fördert innergesellschaftliche Differenzierung (z. B. Moden).

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… Kulturelle Folgen der Globalisierung: Beispiele

• Mitunter stärken globale Technologien lokale oder nationale Besonderheiten:

• z. B. Fernsehen: breitet sich weltweit aus - aber in Ländern wie China, Nigeria, Brasilien oder Ägypten sind die einheimischen Programme oft viel populärer als euroamerikanische Importware;

• hier: wenn kulturelle Vereinheitlichung, dann oft auf der nationalen Ebene.

• Häufig sind regionale Zentren wichtiger als Nordamerika und Europa:

• z.B. ist die japanische und indische Populärkultur in ganz Ost- und Südostasien auf dem Vormarsch; und Ägyptens Filmproduktion bedient die arabische Welt.

Page 41: Institut für Völkerkunde, Universität zu Köln Einführungsseminar WS 2004/05 Lioba Lenhart

24.01.2005 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Globalisierung

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… Kulturelle Folgen der Globalisierung

• In den Bereichen des sozialen Zusammenleben und der Religion sind global kaum eindeutige Tendenzen auszumachen.

• Der globalen Vereinheitlichung entgegenwirkende Kräfte sind Ethnizität und Nationalismus Thema der nächsten Sitzung!

Page 42: Institut für Völkerkunde, Universität zu Köln Einführungsseminar WS 2004/05 Lioba Lenhart

24.01.2005 Einführungsseminar WS 2004/05 (L. Lenhart): Globalisierung

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Zur nächsten Stunde Kapitel 17 des Lehr-buchs (Seiten 345-372) lesen !

„Ethnicity and Ethnic Conflict“


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