Insassen-Modellierung mit der
Finiten-Elemente-Methode zur
Verbesserung der
Fahrzeugsicherheit
Dr. Katja von Merten
Katja von Merten, 21.01.2009 - 2
Inhalt
� Motivation
� Theoretische Grundlagen
� Entwicklung eines numerischen Menschmodells
� Anwendungsbeispiele numerische Menschmodelle
� Ausblick
� aktueller Forschungsstand
� offene Aufgabenstellungen
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Motivation
� Seit den 1950er Jahren: sinkende Zahl an Unfallopfern im Straßenverkehr
� über 5000 Verkehrstote pro Jahr (Deutschland)
� im Schnitt 15 pro Tag!
� Volkswirtschaftlich:
� Folgekosten ca. 160.000.000.000 € pro Jahr (Europa)
� Sicherheit von Kraftfahrzeugen
� Aktive Sicherheit: Vermeidung von Unfällen (z.B. ABS, ESP)
� Passive Sicherheit: Verringerung der Verletzungswahrscheinlichkeit durch Airbag, Sicherheitsgurt, Gurtstraffer, etc.
� Crashtests und -simulationen zur Verbesserung der passiven Sicherheit von Fahrzeugen
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Numerische Simulation
Crashtest - Crashsimulation
�sehr teuer und aufwändig
�pro Versuch wird ein neues Fahrzeug benötigt
�Versuche streuen stark
Crashtest
Quelle: EuroNCAP
�trotz benötigter CPU-Zeit deutlich günstiger + schneller
�Numerische Stabilität!?
�Parameterstudien
Crashsimulation
Versuch
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Dummy – numerisches Menschmodell
� Menschliche Anatomie� Biologische Material-
beschreibungen� Verletzungen direkt
ablesen
Numerisches MenschmodellCrashtestdummy
� Messpuppe
� Technischen Materialien
Quelle: EuroNCAP
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Motivation
Vorteile Menschmodell gegenüber Dummymodell
� Mensch wird “direkt” abgebildet
� Im Rahmen von Crashsimulationen: weiterführende / tiefergehende Untersuchungen möglich
� Passive Fahrzeugsicherheit kann weiter verbessert werden
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Inhalt
� Motivation
� Theoretische Grundlagen
� Entwicklung eines numerischen Menschmodells
� Anwendungsbeispiele numerische Menschmodelle
� Ausblick
� aktueller Forschungsstand
� offene Aufgabenstellungen
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Theoretische Grundlagen
Interdisziplinäres Forschungs-und Anwendungsgebiet
Anatomie
Verletzungen
VerletzungsmechanikDummys
Crashtests
Simulation
Verletzungskriterien
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Anatomie: Brustkorb (Thorax)
� Knöcherner Brustkorb:
� Brustwirbelsäule (12 Wirbel)
� 12 Rippenpaare
� Brustbein
� Schlüsselbein
� Schulterblatt
� Organe:
� Herz (roter Pfeil) und
Hauptschlagader (Aorta -
gelber Pfeil)
� Lunge (blauer Pfeil) Quelle: Sobotta
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Thoraxverletzungen
� Verletzungen der knöchernen Strukturen (z.B. Rippen)
� Verletzungen der Lunge
� Verletzungen des Herzens
� Verletzungen der großen Gefäße (z.B. Riss der Hauptschlagader)
Quelle: Sobotta
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Verletzungsbiomechanik
Beispiel: Rippenfrakturen entstehen durch Krafteinwirkung mit anschließender Kompression des Brustkorbs.
Kraft
Horizontaler Schnitt durch Brustkorb & Arme
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Verletzungskriterien
� Verletzungskriterien: Zusammenhang zwischen Vorgang (Ursache) und Verletzung (Wirkung)
� Beispiel: Wahrscheinlichkeit p von Rippenfrakturen in Abhängigkeit von Kompression C und Alter a
Kuppa et al., Development of Side Impact Thoracic Injury Criteria and Their
Application to the Modied ES-2 Dummy with Rib Extensions (ES-2re)., 2003
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Verletzungskriterien
Kompression C
50%
20%
80%
Verletzungswahrscheinlichkeit p
45 Jahre
80 Jahre
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Theoretischer Hintergrund
Fahrzeugindustrie
� Verletzungskriterien zur Vorhersage von Verletzungswahrscheinlichkeiten anhand von Dummy-Messgrößen - z.B.
� Brusteindrückung
� Kopfbeschleunigung
� Festlegung von Grenzwerten
� z.B. EuroNCAP: C < 15%
Quelle: EuroNCAP
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Numerische Simulation
Passive Sicherheit
� Finite-Elemente-Methode (FEM)
� Mehrkörper-Simulation (MKS)
� Modelliert werden müssen:
� Fahrzeug
� Barriere
� Insasse (Dummy-
oder Menschmodell)
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Finite-Elemente-Methode FEM
� numerisches Berechnungsverfahren zur Lösung partieller Differentialgleichungen
� Diskretisierung
� Ersatzweise Berechnungen der gesuchten Größen an den Knotenpunkten
� System von linearen Differentialgleichungen
� Berechnung von z.B. Verschiebungen, Temperaturverlauf, …
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FEM Anwendungen - Beispiele
� Automobilindustrie – z.B.:
� Crashsimulationen
� Entfaltung von Airbags
� Lebensdauer
� Bauingenieurwesen – z.B.:
� Wind- oder Schneebelastungen
� Wirkung von Erdbeben
� Medizin – z.B.:
� Blutströmung bei künstlichen Herzklappen
� Sitz Gelenkimplantate
(patientenspezifisch auf Basis von CT / Kernspin)
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Solving
� Lösung des Gleichungssystem
� Berechnung von
Verschiebungen
Spannungen
Kräften
� Ausgabe des Ergebnisses Ergebnis-
datei
FEM-Prozess
Pre-Processing
� Vernetzen
� Material-beschreibungen
� Definition vonLasten / Randbedingungen
Post-Processing
� Analyse
� Bewerten
Eingabe-datei
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Postprozessoren
� Visualisierung der Ergebnisse
1. Animationen
2. Schnitte
3. Konturplot
4. Kurven
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Mehr-Körper-Simulation MKS
� Starre geometrische Segmente
(häufig: Ellipsoide)
� Gelenke zwischen Segmenten
� Berechnung von Kinematik und Kräften an Gelenken und Kontakten
� Vorteil: schneller als FEM
� Nachteil: weniger detailliert
� Insassenkinematik
� Fußgängerkinematik
Mehrkörper-Menschmodell von TNO (Madymo)
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Inhalt
� Motivation
� Theoretische Grundlagen
� Entwicklung eines numerischen Menschmodells
� Anwendungsbeispiele numerische Menschmodelle
� Ausblick
� aktueller Forschungsstand
� offene Aufgabenstellungen
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HUMOS Übersicht
� HUman MOdel for Safety
� Europäische Forschungsprojekte (HUMOS und HUMOS 2)
� ca. 89.000 Elemente
� ca. 60.000 Knoten
� Modelliert sind:
� Skelett
� Organsysteme
� Muskeln
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� Geometrie: “50%-Mann”
� 175cm
� 75,5 kg
� 91,5cm (sitzend)
� biologischen Materialeigenschaften aus Literatur und aus Versuchen innerhalb der Projekte
� Validierung: Rechnet das Modell richtig?
Modellerstellung
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1. Durchführen von Versuchen
2. Durchführen von entsprechenden Simulationen
3. Vergleich Versuchs- und Simulations-Ergebnisse
4. If: Stimmen Ergebnisse nicht überein?
5. Then: Anpassen des Modells
6. Goto 2:
7. Else: STOP ���� Modell ist validiert
Validierungs-Prozess
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Validierung
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� Vergleich von Simulation und Versuch
�Anzahl und Lage Rippenfrakturen
�Brustkompression
Thorax-Validierung
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Versagen mit FEM
Darstellung einer Fraktur mit Hilfe der FEM: „Löschen“ des entsprechenden Elements ab einer
bestimmten Dehnung ε = ∆l/l0
� Element bietet keinen Widerstand
mehr
� Element-Elimination (visuell im
Postprocessing)
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Vergleich Rippen-Frakturen
FEM-SimulationVersuch
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Thorax-Validierung
� Vergleich von Simulation und Versuch
�Anzahl und Lage Rippenfrakturen
�Brustkompression
�
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Brustumfang Kontur
FEM-Simulation horizontaler Schnitt durch den Brustkorb
Versuch Ergebnisse der Messungen
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Thorax-Validierung
� Vergleich von Simulation und Versuch
�Anzahl und Lage Rippenfrakturen
�Brustkompression
�
�
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Inhalt
� Motivation
� Theoretische Grundlagen
� Entwicklung eines numerischen Menschmodells
� Anwendungsbeispiele numerische Menschmodelle
� Ausblick
� aktueller Forschungsstand
� offene Aufgabenstellungen
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Verringerung der Verletzungsgefahr des Thorax
Straßenverkehrssicherheit
Beispiel 1:
Verletzungsgefahr des Thorax beim Seitenaufprall
� Kann durch eine vorzeitige Belastung des Beckens das Verletzungsrisiko beim Seitenaufprall für den Thorax gesenkt werden?
� Mensch-Modell zur Beantwortung besser geeignet als Dummy-Modell
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Verringerung der Verletzungsgefahr des Thorax
∆v = 5m/s
Flache Barriere
Gestufte Barriere
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Verringerung der Verletzungsgefahr des Thorax
0%
5%
10%
15%
20%
25%
30%
oben mitte unten
flache Barriere
gestufte Barriere
0%
5%
10%
15%
20%
25%
30%
oben mitte unten
flache Barriere
gestufte Barriere
Thoraxkompression
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Ergebnisse
� Rippenbelastung sinkt
� Thoraxkompression sinkt
� Vorzeitige Belastung des Beckens gut für Brustkorb!
� Aktuelles Fahrzeugdesign wurde angepasst.
Verringerung der Verletzungsgefahr des Thorax
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Anwendungsbeispiele
Straßenverkehrssicherheit
Beispiel 2:
� Fahrzeugindustrie
� Funktionsauslegung “Passive Sicherheit”
� Pfahlanprall
Katja von Merten, 21.01.2009 - 38
Pfahlanprall
∆v = 29 km/h
Quelle: EuroNCAP
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Anwendungsbeispiele
Straßenverkehrssicherheit
Beispiel 3:
Entwicklung von Schutzausrüstung für Motorradfahrer
Katja von Merten, 21.01.2009 - 40
Motorradfahrersicherheit
Katja von Merten, 21.01.2009 - 41
Rekonstruktion
Rekonstruktion
“Kann ein Unfall anhand der im rechtsmedizinischen Gutachten beschriebenen Verletzungen mit Hilfe eines numerischen Mensch-Modells auf Basis der FEM rekonstruiert werden?”
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� Frontalanprall an Mauer
� Kein Gurt, kein Airbag
� ∆v ≈ 40km/h (Quelle: technisches Gutachten)
� Verletzungs-Rekonstruktion:
� Riss der
HauptschlagaderDeformiertes Lenkrad
(Quelle: technisches Gutachten)
Rekonstruktion
Katja von Merten, 21.01.2009 - 43
Rekonstruktion
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Rekonstruktion
Anatomie des Herzens und der Hauptschlagader seitliche Ansicht
Katja von Merten, 21.01.2009 - 45
Inhalt
� Motivation
� Theoretische Grundlagen
� Entwicklung eines numerischen Menschmodells
� Anwendungsbeispiele numerische Menschmodelle
� Ausblick
� aktueller Forschungsstand
� offene Aufgabenstellungen
Katja von Merten, 21.01.2009 - 46
Ausblick
� Heute
� Zulassunguntersuchungen (Homologation) mit realen Fahrzeugen
� daher Einsatz von numerischen Menschmodellen nicht möglich
� Zukünftig: Virtual testing
� EU-Forschungsprojekte
� => Einsatz numerischer Menschmodelle möglich
� FEM Mensch-Modellierung
� Spezifische Validierung
� Altersabhängigkeit (Material / Geometrie)
� Versagenskriterien für manche Organe fehlen
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Ausblick
� Simulationsaufwand
� 100ms
� Zeitschritt 1µs
⇒ 10.000 mal muss Gleichungssystem gelöst werden
� Menschmodell ca. 60.000 Knoten
� max. 6 Freihheitsgrade / Knoten
⇒ ca. 360.000 Gleichungen
⇒ 16h (Dual Xeon 2,8GHz)
� High Performance Computing
� Parallelisierung
� Schnelle Gleichungslöser
� Optimale Speichernutzung
y
x
z
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Ausblick
� Simulationsumgebung
� Benutzerfreundlichkeit
� Workflow-Management
� Automatisches Vernetzen
� Datenmanagement
� Komprimierung der Daten
� Numerik
� Robustheit der Simulation (z.B. Umgang mit numerische Instabilitäten)
� Konvergenz
� Vergleichbarkeit von Ergebnissen (z.B. Kurven)
� Optimierung
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Vielen Dank
für Ihre
Aufmerksamkeit!