1
Weiterbildungsstätte für Intensivpflege & Anästhesie
und Pflege in der Onkologie
Hirndrucksenkende
Maßnahmen
Stefani Schomakers
An der Kleikuhle 5a
48161 Münster
Oktober 2008
2
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis…………………………………………………………….2
Vorwort………………………………………………………………………4
Zusammenfassung……………………………………………………………5
1. Einleitung………………………………………………………………...6
2. Anatomie………………………………………………………………....6
2.1 anatomische und physiologische Grundlagen
2.2 Blutversorgung des Gehirns
2.3 Venöser Abfluss
2.4 Autoregulation
3. Hirndruck………………………………………………………………..10
3.1 Definition
3.2 Hirndruckmessung
3.3 Entstehung von Hirndruck
3.3.1 Erhöhter Hirndruck durch ein Blutung
3.3.2 Erhöhter Hirndruck durch ein Ödem
3.3.3 Erhöhter Hirndruck durch einen Tumor
4. Hirndrucksenkende Maßnahmen…………………………………….…16
5. Operative Verfahren zur Senkung des Hirndrucks……………………..17
6. Konservative Verfahren zur Senkung des Hirndrucks…………………18
6.1 Oberkörperhochlagerung
6.2 Achsengerechte Lagerung des Kopfes
6.3 Hyperventilation
6.4 Milde Hyperthermie
6.5 Osmotherapeutika
6.6 Schleifendiuretika
3
6.7 Tris – Puffer
6.8 Barbiturate
6.9 Kortikosteroide
6.10 Analgosedierung
Schlusswort…………………………………………………………………..27
Tabellenverzeichnis…………………………………………………………..28
Bilderverzeichnis…………………………………………………………….28
Literaturverzeichnis………………………………………………………….29
Versicherung über die Anfertigung schriftlicher Leistungsnachweise……....31
4
Vorwort
Das Thema meiner Facharbeit stand für mich bereits zu Anfang der Fachweiterbildung
fest. Im Stationsalltag habe ich zeitweise mit jungen neurochirurgischen Patienten zu
tun. Prä- sowie Postoperativ kommt es häufig zu enormen Hirndruckanstiegen, die wie-
derrum schnelles effizientes Handeln erfordern. Im täglichen Ablauf gibt es oft nicht die
Gelegenheit jede Maßnahme zu hinterfragen und in all seinen Wirkmechanismen zu
verstehen. Mein Wunsch nach mehr Hintergrundinformationen war groß und so kam es
zu dieser Arbeit.
Die Literatursuche war relativ unkompliziert, allerdings musste viel Material gesichtet
und sortiert werden, da ein Teil der Informationen bereits überholt bzw. nicht mehr ak-
tuell ist. Aufgrund von neuen Studien wird die Wirkung mancher bekannten Maßnahme
heute in Frage gestellt. Diese Arbeit beschränkt sich auf hirndrucksenkende Maßnah-
men, die mir aus unserem Haus bekannt sind.
Ich wünsche mir, dass diese Arbeit meinen Kollegen und auch Berufseinsteigern als
Leitfaden dient. Sie soll kurz und verständlich die Maßnahmen mit Wirkmechanismus
und möglich Nebenwirkungen und Gefahren vorstellen, um so die Aufmerksamkeit bei
der Anwendung zu steigern.
5
Zusammenfassung
In dieser Arbeit möchte ich die Auswirkungen eines erhöhten Hirndrucks, und die The-
rapie des Solchen, vorstellen. Die Arbeit soll veranschaulichen, wie und wo Hirndruck
entsteht und welche Maßnahmen operativ sowie konservativ ergriffen werden können
um den Druck wieder zu senken. Hierbei wird auf Wirkweisen und Risiken der vorge-
stellten Maßnahmen hingewiesen. Dabei reicht das Therapiespektrum von der einfachen
Oberkörperhochlagerung bis hin zur Barbiturattherapie und der Analgosedierung. Es
wird deutlich, dass eine konsequente Patientenbeobachtung und die Kontrolle des In-
trakraniellen Druckes (ICP) unabdingbar sind. Die Messmethoden zur Bestimmung des
Hirndruckes werden vorgestellt. Auf die Dringlichkeit, jede Maßnahme im ärztlichen
und pflegerischen Team zu besprechen, wird hingewiesen. Diese Arbeit verschafft einen
Überblick in der Behandlung und Betreuung von Patienten mit erhöhtem Hirndruck.
6
1. Einleitung
Hirndrucksenkende Maßnahmen sind in der Therapie und Behandlung von Patienten
mit erhöhtem Hirndruck kaum weg zu denken. Bereits bei der routinemäßigen Oberkör-
perhochlagerung wird der Hirndruck positiv beeinflusst.
Der Möglichkeiten gibt es viele, die Nebenwirkungen und Gefahren sind groß. So zeigt
sich, dass die Maßnahmen häufig unter der Abwägung von Nutzen und Risiken ihren
Einsatz finden, da nicht jede Maßnahme dem Gesamtzustand des Patienten dienlich ist.
Die enge Zusammenarbeit von Arzt und Pflegekraft ist hier besonders gefordert, denn
nicht nur eine ständige Kontrolle des ICP sondern auch eine klinische Beobachtung ist
sehr wichtig. Jeder Einsatz von hirndrucksenkenden Maßnahmen sollte besprochen und
abgewägt werden, um so für den Patienten das bestmögliche Ergebnis zu erlangen.
Um zu veranschaulichen, wo und wie Hirndruck entsteht beginnt die Arbeit auf den
Spuren der Anatomie.
2. Anatomie
2.1 anatomische und physiologische Grundlagen:
Das Gehirn (Encephalon) des Menschen wiegt, je nach Körpergröße und Geschlecht, im
Schnitt 1.400 Gramm. Vereinfachend kann man das Gehirn in Großhirn, Kleinhirn und
Hirnstamm unterteilen. Es ist in zwei Hälften (Hemisphären) aufgeteilt, die durch den
Balken (Corpus allosum) miteinander verbunden sind. Das Gehirn ist eines der aktivs-
ten Organe des Körpers, es dient dazu Sinneseindrücke zu verarbeiten und die Funktio-
nen des Organismus zu koordinieren. Am Hirnstamm entspringen zwölf paarige Hirn-
nerven, die von den Hirnhäuten (Meningen) umgeben sind:
7
I Nervus olfactorius: Geruch
II Nervus opticus: Sehen
III Nervus occulomotoris: Augenbewegungen
IV Nervus trochlearis: Augenmuskeln
V Nervus trigeminus: Gesichtsnerv
VI Nervus abducens: Augenmuskeln
VII Nervus fascialis: Mimik, Geschmack
VIII Nervus vestibulocochlearis: Hören, Gleichgewicht
IX Nervus glossopharyngus: Geschmack, Schlucken
X Nervus vagus: Drüsen und Hormone
XI Nervus accessorius: Bewegungen von Hals und Kopf
XII Nervus hypoglossus: Zunge
Die Hirnnerven haben motorische, sensible oder sensorische, sowie vegetative Funktio-
nen.
Abb. Nr.1 Anatomie des Gehirns
8
Die Gehirnmasse ist vollständig umgeben vom knöchernen Schädel, der nach den ersten
drei Lebensmonaten und Verschluss der Fontanellen einen starren Raum darstellt. Die-
ser hat mehrere Öffnungen (Foramina) die den Durchtritt der großen Arterien, Venen
und der Gehirnnerven ermöglichen. Innerhalb des Schädels wird das Gehirn von drei
Hirnhäuten umgeben:
- Harte Hirnhaut → Dura mater
- Spinngewebshaut → Arachnoidea
- Weiche Hinhaut → Pia mater
In dieser festen Hülle schwimmt es gewissermaßen im Hirnwasser (Liquor), mit einem
Volumen von ca. 120 - 200ml. Der Liquor wird in den Hohlräumen des Gehirns (Vent-
rikel) gebildet und dient einerseits dem Schutz des Gehirns vor Stößen und Schlägen,
andererseits werden hierüber Abfallstoffe aus dem Gehirn entsorgt. Zur Durchblutung
des Gehirns befinden sich ständig ca. 130ml Blut im Inneren des Schädels. Die drei
Komponenten (Gehirn, Blut, Liquor) stehen dergestalt zueinander im Gleichgewicht,
dass es bei einer Zunahme eines dieser Komponenten (durch Blutung, Abzess, Ödem
oder Tumor) zu einem Ungleichgewicht kommt, das kaum Kompensationsmöglichkei-
ten bietet.
2.2 Blutversorgung des Gehirns:
Das Gehirn erhält seine Blutversorgung aus zwei paarigen Arterien, den inneren Kopf-
Hals-Schlagadern (A. carotes internae) und den Wirbelsäulenarterien (A. vertebralis).
Die rechte und linke A. carotis interna verlaufen von der Teilung der gemeinsamen
Kopfschlagader (A. carotis communis) zur Schädelbasis um in das Schädelinnere zu
gelangen.
Die linke und rechte A. vertebralis entspringen aus der jeweiligen Unterschlüsselbein-
arterie (A. subclavia) und ziehen durch die Querfortsätze der oberen sechs Halswirbel
(Foramina transversaria) hinauf zum Atlas, um durch das Hinterhauptloch (Foramen
magnum) ebenfalls in das Schädelinnere zu gelangen. Die vier Arterien sind an der
Hirnbasis durch einen Arterienring (Circulus arteriosus) untereinander verbunden.
Der normale zerebrale Blutfluss beträgt ca. 45 - 55ml/100g/min.
9
Abb. Nr.2 Circulus arteriosus Willisii
2.3 venöser Abfluss:
Der venöse Abfluss erfolgt in der Hauptsache über oberflächliche und tiefe Gehirnve-
nen sowie über anatomisch besonders gebaute Hirnblutleitern, den Sinus durae matris.
Dabei handelt es sich um Duplikatoren der harten Hirnhaut. Die Sinus bilden ein mit-
einander verbundenes System und münden schließlich in den beiden inneren Drossel-
venen (Vv. Jugulares internae).
2.4 Autoregulation:
Eines der „Sicherheitssysteme“ zum Schutz vor zu geringer, aber auch zu hoher Perfu-
sion im Gehirn ist die Autoregulation. Die Widerstandsgefäße halten den effektiven
Blutdruck im Gehirn durch verschiedene Komplexe (Regulation durch die sympathi-
sche und parasympathische Innervation der größeren Gefäße sowie pH-Wert und Kali-
um) nahezu konstant. Bei gesunden Menschen besteht ein konstanter zerebraler Blut-
fluss, wenn sich die zerebralen Perfusionsdrücke (CPP) zwischen 60 - 130mmHg bewe-
gen. Man errechnet den zerebralen Perfusionsdruck (CPP) aus der Differenz von mittel-
arteriellem Druck (MAP) und intrakraniellem Druck (ICP). → CPP = MAP - ICP
Bei einer rasch auftretenden Veränderung des Blutdruckes benötigt die Autoregulation
ca. 1-2 Minuten zur Wiederherstellung der Ausgangswerte.
10
Die Grenzen der Anpassung durch die Autoregulation verschieben sich bei dauerhaftem
Hypertonus nach oben. Durch langbestehenden schlecht eingestellten Diabetes Mellitus
kann das Autoregulationsvermögen insgesamt gestört sein. Zu einem Verlust der Auto-
regulation kann es durch folgende Faktoren kommen:
- Hypoxie
- Hyperkapnie
- Trauma
- durch Ischämie oder Anästhetika.
3. Hirndruck
3.1. Definition:
„Der intrakranielle Druck („intracranial pressure“, ICP) ist der Druck, der innerhalb
des Schädels besteht. Er entspricht dem Druck der aufgewendet werden muss, um das
Heraustreten von Liqour über eine Punktionskanüle aus dem Liquorraum in horizonta-
ler Lage zu verhindern. Der normale ICP liegt unter 15mmHg. Eine Steigerung des
intrakraniellen Drucks tritt ein, wenn sich eines der intrakraniellen Kompartimente
innerhalb des starren Schädels vergrößert. Eine Steigerung des intrakraniellen Drucks
ist lebensbedrohlich.“ (AWMF online Nr. 030/105- Leitlinie für Diagnostik und The-
rapie in der Neurologie, 3. Überarbeitete Auflage 2005, Georg Thieme Verlag Stuttgart)
Der intrakranielle Druck resultiert also aus dem Gewebsdruck des Gehirns und dem
Druck der Blutgefäße. Er beträgt bei gesunden Menschen 3-15mmHg und kann durch
verschiedene Ursachen pathologische Werte erreichen.
11
ICP (mmHg) Symptomatik bei akuter Drucksteigerung
0-15 Normal, keine Symptome
20-30 leicht erhöht, Kopfschmerzen und Somno-
lenz, Übelkeit, Erbrechen
30-40 erhöht, Sopor- Koma
40-50 stark erhöht, akut lebensbedrohlich,
weite lichtstarre Pupillen, Koma mit
Strecksynergismen
>50 pathologisch, nach 30 Minuten Hirntod-
syndrom
(Tabelle Nr. 1 - ICP Werte und Hirndrucksymptomatik)
Als klinische Symptome eines erhöhten ICP gelten:
- Kopfschmerzen
- Übelkeit und Erbrechen
- Bewusstseinsstörungen
- Bradykardie in Verbindung mit arterieller Hypertonie
- respiratorische Störungen
- Störungen der Pupillenmotorik bis hin zur Pupillenlähmung
- Abnahme der Hirnstammreflexe
Der intrakranielle Druck kann kurzfristig physiologisch erhöht sein z.B. bei Geburt,
Bauchpresse, Geschlechtsverkehr oder Husten. Hier greift die Autoregulation die den
entstandenen Druck innerhalb kürzester Zeit wieder reguliert (siehe 1.4).
Ein solch kurzfristig erhöhter intrakranieller Druck bleibt ohne Folgen, während ein
dauerhaft stark erhöhter ICP-Wert zu sekundären Hirnschädigungen und zur Ver-
schlechterung des neurologischen Outcomes führt.
3.2 Hirndruckmessung:
Die externe Ventrikeldrainage gilt in der Literatur als die klassische Methode unter den
Druckmesssonden. Sie dient in erster Linie der Entlastung des intrathekalen Raumes bei
gesteigertem Liqourdruck. Man nutzt die Drainage dabei zusätzlich zur Messung und
Registrierung des Schädelinnendruckes, sowie der Bestimmung von laborchemischen,
12
physikalischen und liquordynamischen Parametern. Unter sterilen Bedingungen im OP
wird der Ventrikelkatheter in einen der beiden Seitenventrikel implantiert. Die Fixie-
rung des Katheters erfolgt mit einer Subcutannaht an der Schädelhaut. Die Einstichstelle
wird dabei mit einem sterilen Verband versorgt. Am proximalen Ende wird er mit einer
Liquordruckmessung mit integriertem Druckwandler angeschlossen. Dieser wiederrum
verbunden mit der Druckmessungsleitung des Monitors gibt Auskunft über den beste-
henden Hirndruck (ICP). Hierbei sind mögliche Fehlmessungen durch den korrekten
Umgang mit der Messmethode zu vermeiden, in dem auf die korrekte „Monroi - Höhe“
(eine Handbreit über dem äußeren Gehörgang) sowie den richtigen Nullabgleich zur
Atmosphäre geachtet wird.
Verschiedene Möglichkeiten der Anlage intrakranieller Meßsonden:
- epidurale Messmethode : sehr geringe Infektionsgefahr, geringes Risiko von
epiduralen Blutungen, allerdings unzuverlässig und ungenau
- subdurale Messmethode: große Fehlerbreite, hohe Infektionsgefahr
- intraparenchymatöse Hirndruckmessung: gute Messeigenschaft, Infektionsrisiko
erhöht, durch Einlage in die weiße Hirnsubstanz können funktionell wirksame
Schäden am Hirn entstehen
Abb. Nr. 3 Anlage einer ventrikulären Drainage
13
3.3 Entstehung von Hirndruck:
Wie bereits geschildert, kommt es durch eine Volumenzunahme eines der Komparti-
mente (Gehirn, Blut, Liquor) zu einem pathologischen Prozess, aus dem eine Erhöhung
des intrakraniellen Druckes resultiert.
3.3.1 Erhöhter Hirndruck durch eine Blutung
Die Hirnblutung wird umgangssprachlich als Überbegriff für Blutungen im Inneren des
Hirnschädels (intrakraniell) im Bereich des Gehirns (intrazerebral) oder der Hirnhäute
(extrazerebral) bezeichnet.
Als Ursachen für Hirnblutungen gelten:
- Trauma, Hypertonie, Gefäßtumore, Hirntumore, Hirnaneurysmata
- Gerinnungsstörungen
Die intrazerebrale Blutung liegt im Gehirn und resultiert in einer Beeinträchtigung der
Hirnfunktion, für die das betroffene Hirngewebe benötigt wird. Durch Größe und Loka-
lisation der Blutung wird die Schwere der Raumforderung, die bis zur Einklemmung
gehen kann, bestimmt.
Aufgrund der anatomischen Ausbreitung unterscheidet man:
- Epidurale Hämatome (zwischen Dura mater und der Schädelkalotte)
- Subdurale Hämatome (Subduralraum)
- Intrazerebrale Hämatome (im Hirngewebe)
Symptomatisch fallen Patienten mit einer Hirnblutung durch Übelkeit, Erbrechen,
Kopfschmerz und Druckgefühl auf. Bei größeren Blutungen kann es zur Desorientie-
rung kommen, die bei weiterer Zunahme der Blutung zu Lähmungserscheinungen bis
hin zu Bewußtlosigkeit führen kann. Die Patienten mit einem Schädel-Hirn Trauma, die
großflächig verletzt sind, zeigen oft eine einseitige Erweiterung der Pupille (Mydriasis)
und unter Umständen Streckkrämpfe. Bei einer Einklemmung des Hirnstammes im Hin-
terhauptsloch führt zunehmender Hirndruck zu Atemstillstand mit rasch folgendem
zentralen Kreislaufversagen.
14
Die Therapie der Hirnblutungen besteht im Wesentlichen aus der Entlastung des Häma-
toms, sowie der Einlage einer Drainage (evtl. mit Hirndruckmessung).
Es wird deutlich, dass bei einer bestehenden Blutung schneller Handlungsbedarf be-
steht, da es sonst zu einer dauerhaften Schädigung des Gehirns mit Todesfolge kommen
kann.
Abb. Nr. 4 Epidurales Hämatom
3.3.2 Erhöhter Hirndruck durch ein Ödem
Das Hirnödem tritt als Komplikation von pathologischen Prozessen des zentralen Ner-
vensystems (ZNS) auf. Dabei handelt es sich z.B. um Tumore, Entzündungen, Intoxika-
tionen und Gefäßprozesse. Desweiteren stellt es sich nach Verletzungen und Operatio-
nen als Störung des Wasser- und Elektrolythaushaltes dar.
Beim Hirnödem kommt es durch verschiedene endogene und exogene Ursachen zu
Flüssigkeitsein- und -umlagerungen im ZNS. Das seröse Sekret sammelt sich in der
Rinde vorwiegend intrazellulär in den Astrozytenfortsätzen. Durch den knöchernen
Schädel hat das Gehirn wenig Möglichkeiten sich auszudehnen, zumal das quellende
Gehirn auch die Sinus, die für den Blutabfluss sorgen (siehe 1.3.), komprimieren kann,
sodass eine Ischämie mit Folge des Hirntods eintreten kann.
15
Ein entstehendes Hirnödem zeigt sich durch anfängliche Schläfrigkeit bis hin zum Ko-
ma und dem Nachlassen der natürlichen Schutzreflexe (Husten, Schlucken und adäquate
Reaktion auf Ansprache). Im weiteren Sinne gelten hier auch die Symptome für einen
erhöhten Hirndruck (siehe 2.1).
Die Therapie des Hirnödems liegt im Wesentlichen in der Gabe eines osmotischen Diu-
retikums oder einer Trepanation/Kraniektomie die, die aufgestaute Flüssigkeit bzw. den
Hirndruck entlasten soll.
3.3.3 Erhöhter Hirndruck durch einen Tumor
Der Hirntumor ist eine Gewebswucherung des Gehirns, der sowohl gutartig wie bösar-
tig sein kann. In den meisten Fällen handelt es sich um Tumore die aus dem Nerven-
stützgewebe entstehen, wie z.B. Gliome/Astrozytome oder aus der Hypophyse. In allen
anderen Fällen liegen Tochtergeschwülste aus Tumoren anderer Organe (Hirnmetasta-
sen) vor.
Gutartige Hirntumore verdrängen das umliegende Gewebe, wachsen jedoch nicht hinein
und entwickeln keine Metastasen. Sie können jedoch durch den Verdrängungseffekt,
z.B. durch Verlegung des Liquorsystems, lebenswichtigen Strukturen den Platz rauben
und somit zu erhöhtem Hirndruck führen. Bei vollständiger Entfernung des Tumors
liegen hohe Heilungschancen vor.
Bösartige Hirntumore wachsen infiltrierend und sind somit nicht scharf vom umliegen-
den Gewebe zu trennen. Sollten nach einer Operation vereinzelte Zellen im Randgebiet
verbleiben und weiterwachsen, kann es zu einem Rezidiv kommen.
Die Symptomatik des Hirntumors lässt sich grob in vier Klassen unterteilen:
1. Fokale neurologische Ausfälle (Lähmungen)
2. Fokale Anfälle als Ausdruck einer symptomatischen Epilepsie
3. Psychische Veränderungen
4. Folgen des steigenden Hirndrucks durch den Massenverdrängungseffekt
16
Abb. Nr. 5 Glioblastom
Die Therapie des Hirntumors erfolgt durch Operation bzw. Entfernung des Tumors so-
wie Strahlentherapie, die sich nach der Lokalisation und der Größe des Tumors richtet.
4. Hirndrucksenkende Maßnahmen
Hirngewebe hat die niedrigste Sauerstoffmangeltoleranz aller Organe und ist daher be-
reits nach kürzester Zeit irreversibel geschädigt. Ein erhöhter Hirndruck steht im unmit-
telbarem Zusammenhang mit einer massiven Hirnschädigung und bedarf daher schnellst
möglicher Reduzierung. Man unterscheidet operative sowie konservative Maßnahmen
zur Senkung des Hirndrucks. Die operativen Maßnahmen bedürfen einer postoperativen
Versorgung der Patienten auf der Intensivstation. Die konservativen Maßnahmen wer-
den am Patienten auf der Station, häufig durch das Pflegepersonal, durchgeführt. Im
Folgenden werden die operativen und die konservativen Maßnahmen vorgestellt.
17
5. Operative Verfahren zur Senkung des Hirndrucks
Die Entlastungskraniektomie wird dazu genutzt, Raum zu schaffen für das erhöhte
Volumen (Blut, Liquor) im Schädel. Das bedeutet das Teile des Schädeldaches (evtl.
ergänzt durch Entfernung von Blut und Gewebe) operativ entfernt werden. Der entstan-
dene Defekt wird anschließend plastisch gedeckt, dies geschieht durch eine Dura-
Erweiterungsplastik. Sie erreicht einen liquordichten Verschluss der Hirnhaut unter
Einbeziehung eines Transplantats (z.B. Faszie, Perikard). Eine Kraniektomie ist als letz-
tes Mittel angezeigt, wenn konservative Maßnahmen keinen Erfolg zeigen bzw. eine
Blutung oder ein Hirnödem in großem Umfang vorhanden sind. Nach erfolgter Behand-
lung und bei guter Prognose wird das entfernte Teil des Schädeldaches reimplantiert.
Pflegerisch gesehen ist bei einem Patienten nach einer Kraniektomie die Lagerung des
Kopfes sehr wichtig. Es ist darauf zu achten, dass eine Lagerung vorgenommen wird,
die ohne Druckeinwirkung auf das Gehirn arbeitet. Die fehlende feste Hülle macht das
OP Gebiet weich und sehr verletzungsempfindlich. Desweiteren müssen die OP Nähte
beobachtet werden auf mögliche Entzündungsvorgänge, sie sind in den ersten Tagen
nach OP durch ein steriles Pflaster zu schützen. Nach der Operation kann es zu Kompli-
kationen in Form einer Nachblutung oder einem beginnenden Hirnödem kommen, die
einen weiteren Hirndruckanstieg zur Folge haben. Die Patienten bedürfen daher einer
klinischen Beobachtung auf Hirndruckzeichen (siehe 2.1).
Bei diesem operativen Eingriff kommt es häufig zur Einlage einer externen Ventri-
keldrainage (EVD), die dazu dient Liquor aus dem Schädelinneren zu entlasten. Sie ist
meistens kombiniert mit einer Hirndruckmessung (siehe 2.2). Zusätzlich werden ggf.
Redondrainagen eingelegt die Blut und Wundflüssigkeiten aus der Schädelschwarte
fördern.
Bei der Bohrlochtrepanation werden durch eine punktuell geöffnete Stelle des Schä-
dels chronische Blutungen entlastet. Auch hier finden Drainagen ihren Einsatz. Zur
Versorgung der Patienten gilt dasselbe Verfahren wie bei der Kraniektomie.
18
6. Konservative Verfahren zur Senkung des Hirndrucks
Die Konservativen Maßnahmen sind im weiteren Sinne Therapieformen, die von den
Pflegekräften und den Ärzten auf der Station angewandt werden und so begünstigend
auf den Hirndruck wirken.
6.1 Oberkörperhochlagerung
Die Oberkörperhochlagerung stellt in der Pflege der Patienten mit erhöhtem Hirndruck
eine häufig durchgeführte Maßnahme dar. Sie ist leicht einzusetzen und schafft schnelle
positive Ergebnisse. Empfohlen werden für diese Lagerung Erhöhungen zwischen 10 –
30°. Dabei ist nur die Kopfteilerhöhung des Bettes gemeint, die zu einer Abknickung im
Hüftgelenk führt. Diese Lagerung führt zu einer Verbesserung des venösen Abflusses
und begünstigt somit eine Hirndrucksenkung. Vermutlich führt die Oberkörperhochla-
gerung zusätzlich zu Liquorverschiebungen in den Spinalraum und so zu einer Nutzung
der Reserveräume im Schädelinnenraum.
Als Nebenwirkung dieser Lagerung ist eine Senkung des CPP (zerebraler Perfusi-
onsdruck) möglich. Daher wird das Ausmaß der Lagerung unter Berücksichtigung die-
ses Wertes im Einzelfall entschieden.
6.2 Achsengerechte Lagerung des Kopfes
Ebenso einfach anzuwenden ist die achsengerechte Lagerung des Kopfes. Hier liegt es
in den Händen der Pflegekräfte, bei jeglicher Lageveränderung und Manipulation am
Patienten für eine solche zu sorgen. Als Hauptaugenmerk gilt hier die Vermeidung von
extremen Kopfdrehungen (Lateralflexionen, Ante- und Reklination). Diese Maßnahme
dient ebenfalls dem Abfluss von venösem Blut aus dem Schädelinneren um so den
Hirndruck gering zu halten.
Wichtig bei dieser Maßnahme ist die Wahl des Kopfkissens, es sollte nicht zu groß und
zu dick, jedoch auch nicht zu dünn sein. So wird von vornherein eine Ante- und Rekli-
nation vermieden und der Kopf liegt gerade auf dem Kissen.
19
6.3 Hyperventilation
Die schnellste, wirksamste und sicherste Methode zur Senkung des akut erhöhten in-
trakraniellen Druckes ist die kontrollierte Hyperventilation. Die Senkung des arteriellen
pCO2- Wertes auf ca. 30mmHg bewirkt eine maximale Vasokonstriktion in gesunden
Hirnarealen mit ungestörter Autoregulation (siehe 1.4.). Dies führt zu einer Durchblu-
tungsumverteilung in die geschädigten Hirnbereiche und zur Verbesserung der Gesamt-
perfusion des Gehirns. Die Senkung des intrakraniellen Druckes setzt bei funktionieren-
der CO2 – Ansprechbarkeit der Hirngefäße wenige Minuten nach Beginn der Hyperven-
tilation ein. Bei kontinuierlicher Fortsetzung der Hyperventilation steigt der Hirndruck
erfahrungsgemäß langsam wieder an, in der Regel auf ein niedrigeres Niveau als vor
Beginn der Hyperventilation. Die kontrollierte Hyperventilation unter strenger Kontrol-
le der Blutgaswerte zur Behandlung eines akuten Hirndruckanstieges ist weitgehend
unbestritten. Bei einer Hyperventilationstherapie ist zu beachten, dass extrem niedrige
arterielle pCO2 - Werte von unter 25mmHg zur Durchblutungsminderung mit folgender
Ischämie in gesunden Hirnarealen führen können. Wichtig für die Intensivtherapie ist,
dass es bei Veränderungen des Beatmungsregimes und der Entwöhnung vom Respirator
bei gefährdeten Patienten nicht zu plötzlich Anstiegen des arteriellen pCO2 Wertes mit
entsprechender Zunahme des intrakraniellen Blutvolumens kommt. Die Respiratiorent-
wöhnung sollte deshalb vorsichtig und wenn möglich unter intrakranieller Druckmes-
sung sowie BGA Kontrolle stattfinden.
6.4 Milde Hypothermie
Von einer milden Hypothermie spricht man in der Medizin bei einer Unterkühlung
(Hypothermie) des menschlichen Körpers auf 32°-34°C. Durch diese Maßnahme wer-
den der zerebrale Sauerstoffverbrauch, der zerebrale Blutfluss und das Blutvolumen
gesenkt, wodurch es zu einer Senkung des Hirndruckes kommt. Bei der Behandlung
von erwachsenen Patienten nach erfolgreicher Reanimation macht man sich diesen Ef-
fekt neben anderen Wirkmechanismen ebenfalls zu nutze. Hierbei ist das Ziel den neu-
ronalen Zelltod durch Beeinflussung der Schädigungsmechanismen abzuschwächen,
indem man die Patienten für 12-24 Stunden abkühlt, um sie dann langsam wieder zu
erwärmen (siehe ILCOR-Empfehlung vom 28.11.2005).
20
Zur Durchführung der Kühlung gibt es verschiedene Möglichkeiten, die unterschieden
werden in invasive und nichtinvasive Maßnahmen. Die nichtinvasive Therapie des Pati-
enten kann bei Raumtemperatur begonnen werden. Der Patient wird bis auf den Intim-
bereich entkleidet und erhält maximal ein dünnes Laken. Auf diese Weise wird versucht
die Zieltemperatur innerhalb weniger Stunden zu erreichen.
Bei nicht erreichen der Zieltemperatur sind stärkere Kühlmethoden erforderlich. Hier
finden Kühldecken, luftgekühlte Matten, Kühlzelte, kalte Wickel, Eisbeutel/Kühlakkus
und kalte Waschungen ihren Einsatz. Sie werden auch als oberflächliche Kühlmethoden
bezeichnet. Grundvoraussetzung ist eine ausreichende Analgosedierung evtl. sogar Re-
laxierung des Patienten um Muskelzittern zu vermeiden. Die Anlage einer kontinuierli-
chen Temperaturmessung, z.B. über einen Blasenverweil- oder Picco- Katheter, ist ent-
scheidend. Bei diesen Verfahren ist Vorsicht geboten, da sie zu lokalen Durchblutungs-
störungen der Haut und letztendlich zu Hautnekrosen führen können. Bei direktem
Hautkontakt mit Kühlelementen können sogar Erfrierungen entstehen.
Die invasiven Kühlmethoden bieten eine effiziente Kühlgeschwindigkeit und gute Steu-
erbarkeit, ihre Nachteile liegen im hohen Kostenaufwand. Die einfachste aller invasiven
Maßnahmen ist die Gabe von kalten Infusionen (4°C). Der Einsatz von Kühlkathetern
oder einem extrakorporalen Verfahren (z.B. Dialyse, Herz-Lungen-Maschine) steht für
die Kühlung zur Senkung des Hirndruckes nicht zur Debatte. In der Unfallchirurgie
treffen die Patienten oft schon unterkühlt vom Unfallort ein, so dass keine Erwärmung
des Patienten erfolgt und damit dem Wunsch der Hypothermie ebenfalls entsprochen
wird.
Bei einer Absenkung der Körpertemperatur unter 32°C können folgende Nebenwirkun-
gen entstehen:
- Herzrhytmusstörungen
- Stoffwechselentgleisungen
- Herzstillstand
- Gerinnungsstörungen
- Schwächung der Immunabwehr
So ist der Einsatz von Kühlmethoden bei den Patienten im Einzelfall abzuwägen und
nur mit Vorsicht durchzuführen, da sie große Gefahren bergen. Eine kontinuierliche
Kontrolle der Körpertemperatur ist unabdingbar.
21
6.5 Osmotherapeutika
Bei den Osmotherapeutika werden dem Patient osmotisch wirksame Infusionslösungen
verabreicht z.B. eine 20 % Mannitlösung in der Dosierung:
� 1,5-2ml/kg Körpergewicht über ca. 30 Minuten bei akuter Hirndrucksteigerung.
Das Wirkungsmaximum tritt nach ca. 20 Minuten ein, die Wirkdauer einer Ein-
zeldosis beträgt ca. 4 Stunden.
Diese erhöhen die Serumosmolarität und entziehen dem Gehirn Wasser, wodurch der
Hirndruck sinkt. Der Effekt ist an eine intakte Funktion der Blut-Hirn-Schranke und
der Gefäßautoregulation gebunden. Die Dehydrierung von Hirnarealen mit diesen intak-
ten Funktionen bewirkt die Senkung des intrakraniellen Druckes und durch Vaso-
konstriktion in den gesunden Bereichen eine Durchblutungsumverteilung zugunsten
geschädigter Gebiete. Als Indikation für diese Therapie wird das Hirnödem (vasogen o.
zytotoxisch) mit fulminanten Druckspitzen angesehen. In diesem Fall ist das Ziel der
Therapie, Zeit zu gewinnen für einen operativen Eingriff, bei dem die Ursache für eine
drohende Einklemmung noch behoben werden kann. Die prophylaktische oder routine-
mäßige Gabe von Osmotherapeutika im Behandlungskonzept einer akuten intrakraniel-
len Drucksteigerung ist wegen möglicher Nebenwirkungen nicht sinnvoll.
Bei längerer kontinuierlicher Anwendung von Osmotherapeutika kommt es zum Re-
bound- Phänomen. Das Pharmakon durchdringt die defekte Blut- Hirn- Schranke und
gelangt in den interstitiellen Raum. Es kommt zum osmotisch bedingten Flüssigkeits-
übertritt in den Extrazellularaum und somit nach vorübergehender Senkung des intrak-
raniellen Druckes zum Wiederanstieg, wobei häufig sogar der Ausgangswert überschrit-
ten wird. Wegen des möglichen Rebound-Effektes ist die Wirkung von Osmotherapeu-
tika zeitlich begrenzt und als prophylaktische oder unkritische Gabe abzulehnen. Bei
intrakraniellen Hämatomen kann es nach Abschwellen des Hirngewebes zur Nachblu-
tung kommen. Bei posttraumatischer akuter Hyperämie verursachen Osmotherapeutika
unter Umständen eine Durchblutungszunahme und deswegen einen Hirndruckanstieg.
Bei kardial vorgeschädigten Patienten ist die Volumenbelastung zu berücksichtigen, die
gleichzeitige Gabe eines Schleifendiuretikums kann indiziert sein.
22
6.6 Schleifendiuretika
Bei einer Hirndrucksteigerung hervorgerufen durch ein Hirnödem, kann als weitere De-
hydrierungsmaßnahme das Schleifendiuretikum genutzt werden. Es bewirkt eine Ver-
minderung der Liquorproduktion und sorgt für eine vermehrte Wasserausscheidung,
wodurch es zu einer intrakraniellen Volumenabnahme kommt. Als Anfangsdosis gilt in
der Praxis 10-20mg Furosemid® i.v.
Es ist darauf zu achten, dass bei einer niedrig dosierten Gabe von Diuretika über mehre-
re Tage das Hirnödem kaum noch beeinflusst wird. Die Gabe kann jedoch zu Volu-
menmangel mit daraus folgender Hypotension und zu Nierenfunktionsstörungen sowie
zu erheblichen Störungen des Elektrolythaushalts führen.
6.7 Tris-Puffer (Trometamin)
Die Therapie mit Tris-Puffer stellt bei einem erhöhten Hirndruck einen Behandlungs-
versuch im Einzelfall dar. Mit einer Bolusgabe von bis zu 2mmol/kgKG (entsprechend
ca. 50ml der TRIS-36,34%-Lösung) wird ein rascher Hirndruckabfall hervorgerufen.
Als Wirkmechanismen gelten u.a. die Pufferung der intrazellulären Laktatazidose und
die Abnahme des Gehirnwassers durch osmotische Diurese. Dieselben Mechanismen
wiederum stellen eine Gefahr dieser Therapie dar, da durch eine übermäßige Gabe von
Tris-Puffer rasch eine behandlungslimitierende Alkalose hervorgerufen werden kann.
Daher ist die regelmäßige Kontrolle des Blut – pH (kritischer Grenzwert 7,55) und des
„Base Excess“ (kritischer Grenzwert +6), sowie ein normaler oder negativer Basenüber-
schuss zu Beginn der Behandlung, Voraussetzung für den Einsatz. Diese Therapie gilt
als „ultima ratio“ bei schlecht einstellbaren Hirndrucksteigerungen.
6.8 Barbiturate
Barbiturate werden in der Literatur als „Beruhigungsmittel“ umschrieben, sie wirken
nicht analgetisch. Durch eine globale Dämpfung aller erregbaren Gewebe (besonders
des ZNS) kommt es unter anderem zu einer Verlangsamung der Aktivität der Gehirnzel-
len und somit zu einer geringeren Produktion von Liquor. Desweiteren wird der Hirn-
stoffwechsel reduziert und dadurch kommt es zu einer Senkung des Sauerstoff- und
23
Glukoseverbrauchs. Ihr hyperalgetischer Effekt macht in der Regel die Kombination mit
einem Opioid erforderlich. In der Anästhesie werden Barbiturate in Situationen wie
Narkoseeinleitungen, kurzen schmerzlosen Eingriffen oder Krampfzuständen verwen-
det. Am häufigsten gebraucht werden Thiopental (Trapanal®) oder Methohexital (Bre-
vimytal®). Initial verabreicht man 5mg/kg/KG i.v. als Bolus, oder 2-4mg/kg/KG/h als
Dauerinfusion. Bolusinjektionen dienen dazu den Hirndruck kurzfristig zu senken. Ver-
abreicht werden solche Bolusinjektionen vor diagnostischen oder therapeutischen Maß-
nahmen (Bsp. der Fahrt zum OP) wenn die Analgosedierung allein nicht ausreicht, um
Hirndruckanstiege zu verhindern.
Eine hochdosierte Barbiturattherapie (Dauerinfusion) gilt ebenfalls als „ultima ratio“
bei ansonsten unbeherrschbar hohem Hirndruck. Vorrausetzung sollte eine kontinuierli-
che (ggf. regelmäßige) EEG-Ableitung sein, da das Dosismaximum beim sog. „Burst-
suppression“ Muster erreicht ist.
Burst Suppression: Im EEG regelmäßiger Wechsel zwischen isoelektrischer Nulllinie
und kurzen Phasen elektrischer Aktivität. Der zerebrale Stoffwechsel ist auf ein Mini-
mum reduziert (Erhaltungsstoffwechsel), die Hirndurchblutung ist ebenfalls minimal.
Der Übergang zur Hirnelektrischen Stille ist fließend, daher ist die Beurteilung der Se-
dierungstiefe unabdingbar. (Verhältnis EEG Aktivität zur EEG Nulllinie 1:2)
Eine noch tiefere Sedierung bringt keinen weiteren Nutzen, vermutlich würde eine wei-
tere Senkung des intrazerebralen Blutflusses sowie des CPP gefährlich werden für das
Hirnparenchym. Zusätzlich zum EEG macht man sich noch die Bestimmung des Barbi-
turatspiegels im Blutserum zu nutze.
Die Barbiturattherapie birgt die große Gefahr der kardiotoxischen Wirkung. Diese er-
streckt sich von der Hypotonie bis hin zur Schocksymptomatik und wird ausgelöst
durch Volumenmangel (Vasodilatation und erhöhte Gefäßpermeabilität), kardiogen (ne-
gativ inotrope Wirkung) und durch zentrale Kreislaufregulationsstörungen. Desweiteren
wird eine Immunsupression (u.a. durch Inaktivierung der Granulozyten) begünstigt und
es kann zu respiratorischen Komplikationen bis hin zum ARDS kommen.
24
6.9 Kortikosteroide
Es konnte bisher nicht gezeigt werden, dass Steroide eine hirndrucksenkende Wirkung
oder eine Prognoseverbesserung nach Schädelhirntraumata bewirken, obwohl in der
Therapie von perifokalen Hirnödemen durch Hirntumoren große Erfolge gefeiert wer-
den konnten. Regelmäßige Gaben des Cortisonabkömmlings Dexamethason (z.B. For-
tecortin®) führen zum Abklingen der Kopfschmerzen und der ödembedingten neurolo-
gischen Symptomatik.
Cortisonpräparate bergen das Risiko unerwünschter Nebenwirkungen. Hierzu zählen
die Verschlechterung der Abwehrlage mit daraus resultierenden Infektionen und Wund-
heilungsstörungen, die Entgleisung des Zuckerstoffwechsels -insbesondere bei Diabeti-
kern-, sowie dem Risiko der Ausbildung von Steroidulzera im Magen-Darm-Trakt mit
der Gefahr von lebensbedrohlichen gastroinstestinalen Blutungen und Perforationen. In
Anbetracht der doch beträchtlichen Nebenwirkungen sollte der Einsatz von Kortikoste-
roiden unter Rücksichtnahme der Nutzen im Einzelfall abgewägt werden.
6.10 Analgosedierung
„Sedierung und Analgesie gehören zu den Basismaßnahmen bei der Behandlung kri-
tisch kranker Patienten auf der Intensivstation. Mehr als 75% aller kontrolliert oder
assistiert beatmeten Patienten erhalten eine sedierende und/oder analgestische Thera-
pie (Soliman HM et al.2001“)
Begriffserklärung:
- Unter Analgesie versteht man in der Medizin das Ausschalten von Schmerzen
- Die Sedierung bewirkt eine Beruhigung des Patienten bis hin zum künstlichen
Koma (schlafähnlicher Zustand)
In der Literatur werden zur Behandlung von Patienten mit erhöhtem Hirndruck folgende
Sedativa empfohlen:
- Propofol (Disoprivan®) wird am häufigsten gebraucht. Es ist ein Hypnotikum
mit einer kürzeren Plasmahalbwertszeit ohne Kumulationsverhalten. Dadurch
kommt es zu einer guten Steuerbarkeit des Medikaments, sowohl in Phasen un-
terschiedlicher Stimulationsintensität, als auch zu Zeiten der Beendigung der se-
25
dativen Therapie. Bei Beenden der Therapie erfolgt eine rasche neurologische
Beurteilbarkeit der Patienten.
- Benzodiazepine (Dormicum®) wirken zentral relaxierend sowie sedierend-
hypnotisierend. Sie haben häufig aktive Metabolite mit längerer Halbwertszeit
als die Grundsubstanz selbst, was die Kumulationsgefahr erhöht. Dabei kann es
zur Entwicklung einer Entzugssymptomatik kommen. Sie sind darüber hinaus
antagonisierbar und gut kreislaufverträglich.
- Barbiturate (Trapanal®) wirken hypnotisch und antikonvulsiv. Der Hirnstoff-
wechsel wird durch Senkung des Sauerstoff- und Glukoseverbrauchs reduziert.
(siehe 5.8)
Als Analegtika der ersten Wahl gelten:
- Fentanyl (Fentanyl Janssen®) ist ein synthetisches Opioid das vorwiegend a-
nalgetisch wirkt. Es hat eine kurze Wirkdauer und macht atemdepressiv.
- Sufentanil (Sufenta®) ist ebenfalls ein synthetisches Opioid. Dabei handelt es
sich um das potenteste Opioid in der Humanmedizin, welches besser steuerbar
ist als Fentanyl, aber gleichzeitig eine stärkere Wirkung hat und seltener zu A-
temdepressionen führt.
Nach einer langanhaltenden Opioidtherapie kommt es häufig bei plötzlichem Absetzen
zu einer Entzugssymptomatik, daher wird eine stufenweise Reduktion oder der rechtzei-
tige Einsatz von Clonidin® (Antisympathotonikum) empfohlen.
Durch eine effiziente Analgesie und Sedierung werden eine Toleranz der intensivmedi-
zinischen Behandlung erreicht, vegetative Stressreaktionen des Patienten wie Angst-
und Unruhezustände gedämpft und deren negative Auswirkung auf den Organismus
begrenzt. Eine angemessene Analgosedierung von Intensivpatienten führt zu einer Ver-
besserung des medizinischen Outcomes.
In der Therapie des erhöhten Hirndrucks bewirkt die Analgosedierung durch eine Aus-
schaltung des Funktionsstoffwechsels eine Senkung des cerebralen Sauerstoffbedarfs.
Pflegerische und medizinische Handlungen sowie Transporte führen häufig zu Reizen
die eine Hirndrucksteigerung begünstigen. Diesem Umstand wird durch eine adäquate
Analgosedierung ebenfalls entgegengewirkt. Die Gabe eines Analgetikums ist immer
sinnvoll, da mit Hirndruckanstiegen, verursacht durch Schmerzen von Tubus, Kathetern
und Sonden, zu rechnen ist.
26
Die Sedierungstiefe ist als individuell und patientenspezifisch zu sehen. Es besteht der
Wunsch den Grad an Sedierungstiefe zu erlangen der dem Hirndruck dienlich ist, ohne
weitere Konsequenzen für den gesamt Organismus fürchten zu müssen. Die Überwa-
chung der Sedierungstiefe gestaltet sich bei kritisch kranken Patienten auf der Intensiv-
station oft schwierig, da sich diese nicht verbal äußern können. Die Pflegekräfte und das
ärztliche Personal sind oft auf klinische Zeichen und persönliche Erfahrungen angewie-
sen. Neben indirekten vegetativen Reaktionen, wie Tränenfluss, Pupillenweite, Herzfre-
quenz, Blutdruck und Atemfrequenz ist eine sorgfältige Überwachung des Analgesie-
und Sedierungsniveaus mit Scoringsystem unerlässlich, um sowohl Über- als auch Un-
terdosierungen zu vermeiden.
Risiken zu tiefer oder zu geringer Sedierung:
Sedierung zu gering Sedierung zu tief
Hypertension Hypotension
Tachycardie Bradycardie
Angst Koma
erhöhte Atemarbeit Atemdepression
Verletzungsgefahr nosokomiale Pneumonie
Selbstextubation Immunsupression, paralytischer Ileus, Cholesta-se, Sinusitis
Hirndruckanstieg Hirndurchblutung vermindert
(Tabelle Nr. 2 – Sedierung)
27
Schlusswort
Die Arbeit verschafft einen Überblick über gängige Maßnahmen zur Senkung des Hirn-
drucks. Es wird sichtbar, dass viele der genannten Methoden nur nach gründlicher Ab-
klärung aller Risiken ihren Einsatz finden sollten.
Unumgänglich ist die ständige Kontrolle des ICP unter Berücksichtigung der Vigilanz
des Patienten. Hierfür ist es notwendig, dass das Pflegepersonal im Umgang mit den
verschiedenen Methoden zur Ermittlung des ICP´s eingewiesen ist, um so Fehlmessun-
gen zu vermeiden. Genannt seinen hier auch die Scoringsysteme zur Erfassung des Se-
dierungsniveaus, denn auch hier ist eine Schulung des Personals von Nöten, damit der
Patient optimal versorgt werden kann.
Der Auslöser der Hirndruckerhöhung spielt während des gesamten Therapieregimes
eine tragende Rolle, da nur bei richtiger Auswahl der Maßnahmen die Therapie Erfolg
zeigen kann.
Die vorgestellten Maßnahmen beginnen bereits mit der Oberkörperhochlagerung sowie
einer achsengerechten Lagerung des Kopfes und werden im weiteren Verlauf immer
invasiver und somit auch riskanter für den Patienten. Mögliche Nebenwirkungen und
Gefahren wurden in der Arbeit vorgestellt.
Nach einem schweren Schädelhirntrauma in Folge eines Verkehrsunfalls oder Sturzes
sind oft schnell alle Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft. Hier kommt es dann zum
Einsatz der Maßnahmen die als „ultima ratio“ beschrieben werden. Diese Maßnahmen
sollten im gesamten ärztlichen und pflegerischen Team besprochen werden und erst
nach Mitsprache der Angehörigen ihren Einsatz finden.
Unter Berücksichtigung der Nebenwirkungen und unter einer ständigen ICP Kontrolle
erzielen einige der vorgestellten Maßnahmen gute Ergebnisse.
Ich hoffe meine Facharbeit konnte einen Überblick über hirndrucksenkende Maßnah-
men verschaffen und an den richtigen Stellen für mehr Rücksichtnahme und Vorsicht
bzw. mehr Mut im Umgang mit den Maßnahmen sorgen.
28
Tabellenverzeichnis
- Tabelle Nr.1, ICP Werte und Hirndrucksymptomatik, Seite 11
- Tabelle Nr.2, Sedierung, Seite 26
Bilderverzeichnis
- Bild Nr.1, Anatomie des Gehirns, Der Körper des Menschen Seite 541, Adolf
Faller, Thieme Verlag 1999, Seite 7
- Bild Nr. 2, Circulus arteriosus Willisii, Neurochirurgische Intensivmedizin Seite
127, Schulz-Stübner & Schmutzler-Baas, Schattauer Verlag 2001, Seite 9
- Bild Nr.3, Anlage einer ventrikulären Drainage, Neurochirurgische Intensivme-
dizin Seite 68, Schulz-Stübner & Schmutzler-Baas, Schattauer Verlag 2001, Sei-
te 12
- Bild Nr. 4, Epidurales Hämatom, Neurochirurgische Intensivmedizin Seite 247,
Schulz-Stübner & Schmutzler-Baas, Schattauer Verlag 2001, Seite 14
- Bild Nr. 5, Glioblastom, Neurochirurgische Intensivmedizin Seite 293, Schulz-
Stübner & Schmutzler-Baas, Schattauer Verlag 2001, Seite 16
29
Literaturverzeichnis
INTERNET
1. http://www.biokurs.de, Aufbau und Funktion des menschlichen Gehirns,
11.06.2008
2. http://www.neuroscript.de
3. http://www.onmeda.de, Anatomie des Gehirns, 17.06.2008
4. http://www.wikipedia.de
- Liquor cerebrospinalis, 11.06.2008
- Blutversorgung des Gehirns, 17.06.2006
- Hirnödem, 18.08.2008
- Hirnblutung, 15.07.2008
- Hirntumor, 27.08.2008
5. http://www.awmf.de, AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Me-
dizinischen Fachgesellschaften)
- AWMF Leitlinien Register Nr.030/105, Hirndruck, 15.06.2008
- AWMF Leitlinien Register Nr. 001/012, Sedierende und analgetische
Therapie, 20.10.2008
- AWMF Leitlinien Register Nr. 008/001, Versorgung eines Patienten mit
SHT, 27.08.2008
30
BÜCHER
1. Neurochirurgie, Michael Schirmer, Elseveir GmbH Deutschland 2004
2. Neurologie und Psychiatrie, Stephan Grunst, Ralf Flüggen, Elsevier GmbH
Deutschland 2005
3. Viererband Grundlagenfächer Pharmakologie, Radiologie, Anamnese, akute
Notfälle, Sabine Lyrys , Elsevier GmbH Deutschland 2002
4. Neurologie, Diagnostik und Therapie in Klinik und Praxis , Claus Werner Wal-
lesch, Elsevier GmbH Deutschland 2005
5. Therapie des intrakraniellen Druckes, J. Meixenberger, S.Schwab, C. Werner,
erschienen in Neurologische Intensivmedizin, Springer Verlag 1999
6. Neurologische Intensivmedizin, Hilmar Prange, Andreas Bitsch, Thieme Verlag
2004
7. Der Körper des Menschen, Adolf Faller, Thieme Verlag 1999
8. Neurochirurgische Intensivmedizin, Schulz-Stübner & Schmutzler-Baas, Schat-
tauer Verlag 2001
9. Intensivpflege und Anästhesie, Thieme Verlag 2005