Fakultät für Gesundheitswissenschaften, AG 6 Versorgungsforschung/Pflegewissenschaft
Health Literacy: Untersuchungen zur Gesundheits-kompetenz in Deutschland
Prof. Dr. Doris Schaeffer Universität Bielefeld Fakultät für Gesundheitswissenschaften AG6 Versorgungsforschung/Pflegewissenschaft
Fachgespräch „Von Betroffenen zu Beteiligten – PatientInnen stärken und beteiligen“, Berlin, 22. Februar 2016
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Literacy In Deutschland leben etwa 7,5 Millionen funktionale Analphabeten: 14,3 % der Erwerbsfähigen (Leo.1 2011: 4). ! Lesekompetenz beschränkt sich auf Wörter und einfache Sätze ! Sinn von Texten kann häufig nicht erfasst werden
Health Literacy Um für die eigene Gesundheit wichtige Informationen zu finden, zu verstehen und informierte Entscheidungen treffen zu können, benötigen Menschen mehr als Lese- und Schreibkenntnisse. ! Nach dem European Health Literacy Survey (EU-HLS) haben ca. 45 %
der Deutschen eine problematische Gesundheitskompetenz.
Für weitergehende Analysen fehlten Daten, da ! Deutschland an dem EU-HLS nur mit einem Bundesland teilgenommen
hat ! die Stichprobe zu klein war, um vulnerable Gruppen differenziert zu
untersuchen
Situation in Deutschland
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An den HLS-EU 2011 direkt anschließende Forschungs-aktivitäten in Deutschland • Erhebung bei Mitgliedern der gesetzlichen Krankenkassen durch die AOK/
Wido mit dem Kurzinstrument HLS-EU-Q16
• Bundesweite Erhebung mit dem Vollinstrument des HLS-EU-Q47 durch die Universität Bielefeld (HLS-GER)
• Eine vertiefende Erhebung mit Fokus auf vulnerable Gruppen in NRW durch die Universität Bielefeld (HLS-NRW)
• Bundesweite Erhebung des RKIs mit dem Kurzinstrument HLS-EU-Q16
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Konzeptuelles Modell von Gesundheitskompetenz
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Matrix des Health Literacy-Messinstruments
Gesundheitskompetenz… Informationen finden
Informationen verstehen
Informationen beurteilen
Informationen anwenden
...für Krankheitsbewältigung Informationen über Krankheitsbewältigung finden
Informationen über Krankheitsbewältigung verstehen
Informationen über Krankheitsbewältigung beurteilen
Informationen über Krankheitsbewältigung anwenden
...für Prävention Informationen über Prävention finden
Informationen über Prävention verstehen
Informationen über Prävention beurteilen
Informationen über Prävention anwenden
...für Gesundheitsförderung Informationen über Gesundheitsförderung finden
Informationen über Gesundheitsförderung verstehen
Informationen über Gesundheitsförderung beurteilen
Informationen über Gesundheitsförderung anwenden
Insgesamt 47 HLS-EU-Items
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Stichprobendesign
15-‐ bis 25-‐Jährige, mit max. Hauptschulabschluss 65-‐ bis 80-‐Jährige
Ohne Migra+onshinter-‐
grund
Mit Migra+onshinter-‐
grund
Ohne Migra+onshinter-‐
grund
Mit Migra+onshinter-‐
grund
250 250 250 250
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Ergebnisse – Umfassende Health Literacy in vulnerablen Gruppen in NRW (HLS-NRW)
6,4%
7,4%
5,3%
3,3%
4,6%
2,0%
19,6%
19,7%
21,9%
17,6%
23,7%
31,1%
16,4%
34,1%
55,1%
57,9%
52,2%
46,0%
46,6%
45,4%
35,3%
18,9%
12,8%
24,9%
27,0%
17,6%
36,2%
11,0%
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%
Jugend
Jugend ohne MH
Jugend mit MH
Ältere
Ältere ohne MH
Ältere mit MH
HLS-EU (D/ NRW)
exzellente GK-Ges ausreichende GK-Ges problemtische GK-Ges inadäquate GK-Ges
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1. Bei gesundheitlichen Problemen „Nicht zu wissen, wohin“
Welche Rolle spielen? ! Geschlecht ! Migrationshintergrund ! Alter ! Bildung ! Gesundheit ! Gesundheitskompetenz
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Anteil, der schon einmal gesundheitliche Probleme hatte, ohne zu wissen, an wen er sich wenden sollten (in Prozent)
13 11
38
27
0
5
10
15
20
25
30
35
40
45
15-25 Jährige mit MH
15-25 Jährige ohne MH
65-80 Jährige mit MH
65-80 Jährige ohne MH
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Zusammenhangsanalyse: 65-80 Jährige, die „Nicht wissen wohin“
31 35 27
38 33 34
29
67
47
35 24
12
42 31 31
19
49
30 22
0 10 20 30 40 50 60 70 80
Datenreihe1
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Zusammenhangsanalyse: 15-25 Jährige, die „Nicht wissen wohin“
10
16
13 11
9
15
12 10
22
10 12 12
13
23
13
9
0
5
10
15
20
25
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Zwischenfazit: Bei gesundheitlichen Problemen „Nicht zu wissen, wohin“
– Jeder Dritte 65-80-Jährige und jeder Achte 15-25-Jährige hatten schon einmal gesundheitliche Probleme ohne zu wissen, an wen sie sich wenden können.
– Besonders betroffen sind Jugendliche - ohne Schulabschluss - mit inadäquater Gesundheitskompetenz
– Besonders betroffen sind 65-80-Jährige - Mit Migrationshintergrund - Schlechtem Gesundheitsstatus - Ohne Schulabschluss und - Geringer Gesundheitskompetenz
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2. Ansprechpartner bei gesundheitlichen Problemen
Welche Rolle spielen? ! Geschlecht ! Migrationshintergrund ! Alter ! Bildung ! Gesundheit ! Gesundheitskompetenz
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Vergleich: Ansprechpartner der untersuchten Bevölkerungsgruppen (3 Nenn.)
87
35 31 30
2
12
93
33 33
19
4 5
75
22 22
45
22 16
73
22 18
42
28
15
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
Hausarzt Apotheke Facharzt Familie Internet Freunde oder Bekannte**
65-80-Jährige 65-80-Jährige 15-25-Jährige 15-25-Jährige mit MH ohne MH mit MH ohne MH
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Zusammenhangsanalyse: 65-80 Jährige, die sich an den Hausarzt wenden
89 92 87 93 90 90 91
78 89 92
87 94 91 90 90 86 90 90 89
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90
100
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Zusammenhangsanalyse: 65-80 Jährige, die sich an die Apotheke wenden
35 33 35 33 32 33 38
22
32 32 37
41
28 34
41 37
27 33
42
0 5
10 15 20 25 30 35 40 45
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Zusammenhangsanalyse: 65-80 Jährige, die sich an die Familie wenden
23 25
30
19 22
25 27
33
23 23 26
24
30
25
20
11
29
22 23
0
5
10
15
20
25
30
35
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Zusammenhangsanalyse: 15-25 Jährige, die sich an die Familie wenden
41 49
45 42
58
44
36
51 45
42 34
50 48 55
41 39
0
10
20
30
40
50
60
70
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Zusammenhangsanalyse: 15-25 Jährige, die sich an Freunde und Bekannte wenden
13
19 16
15 18
16 15 17 17
15 16 17
9
22
15
7
0
5
10
15
20
25
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Zusammenhangsanalyse: 15-25 Jährige, die sich an das Internet wenden
28
20 22
28 26
22
26 26 26 24
26 23
28
19
26 25
0
5
10
15
20
25
30
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Ansprechpartner bei gesundheitlichen Problemen
– Wichtigste Ansprechpartner bei gesundheitlichen Problemen sind der Hausarzt, die Apotheke, der Facharzt, die Familie, Freunde und Bekannte und bei den Jugendlichen das Internet.
– Jüngere Jugendliche, Jugendliche mit geringer Gesundheitskompetenz und ältere mit Migrationshintergrund wenden sich bevorzugt an die Familie.
– Befragte mit hoher Gesundheitskompetenz wenden sich häufig an die Apotheke, mit niedriger Gesundheitskompetenz gerne an Freunde und Bekannte.
– Migrationshintergrund und geringe GK gehen damit mit verstärkten Suchbewegungen außerhalb des professionellen Gesundheitssystems einher.
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• Anteil limitierter Health Literacy ist höher als erwartet
• Bildungsferne Jugendliche, Ältere, chronisch Kranke und Menschen mit Migrationshintergrund sind besonders betroffen
• Erforderlich sind Konzepte
! a) zur Stärkung der Gesundheitskompetenz durch zielgruppenspezifische Interventionen und auf vulnerable Gruppen zugeschnittene Informationsstrategien (leichte Sprache, mehr Nutzung von visuellem Material, Filmen etc.). Anforderungen des Wandels der Patientenrolle bedarf dabei besonderer Beachtung.
! b) zur Verbesserung der Kommunikations- und Informationskompetenz der Gesundheitsprofessionen und -organisationen, Stichwort ‚Health Literate Organizations‘ oder ‚...Care Systems‘ sowie strukturelle Interventionen
• Erarbeitung eines Nationalen Aktionsplans „Förderung der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Deutschland“
Fazit und Herausforderungen
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Prof. Dr. Doris Schaeffer
Universität Bielefeld Fakultät für Gesundheitswissenschaften AG 6 Versorgungsforschung/Pflegewissenschaft Postfach 100 131 33501 Bielefeld
Kontakt Tel. +49-521-106 3896 Fax +49-521-106 6437 [email protected] http://www.uni-bielefeld.de/gesundhw/ag6
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!