Hausarbeit
Masterstudiengang „Bildung und Medien- eEducation“
Modul 7 „Gesellschaftliche Rahmenbedingungen“
SS 2011
Fakultät für Kultur- und Sozialwissenschaften
der FernUniversität in Hagen
Inklusion und Medienbildung als Schnittstelle zur e-Inklusion
Betreuer:
Dr. Rainer Jansen
Florentina Sauerbach
Themenstellung: 14.07 2011
Abgabetermin: 16.09.2011
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Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 32 Von der sozialen zur digitalen Benachteiligung 43 Von der Integration zur Inklusion 64 Lernkompetenz in der Wissensgesellschaft als Indikator für Lernerfolg
85 Neue Medien im inklusiven Unterricht – Potenzial und Grenzen 106 Entwurf eines exemplarischen Unterrichtsszenarios 15
6.1 Projektidee 166.2 Projektplanung 176.3 Projektdurchführung 18
7 Ausblick und Fazit 21 Literaturverzeichnis 24 Abbildungsverzeichnis 29Tabellenverzeichnis 29 Erklärung 30 Im Rahmen dieser Arbeit findet ausschließlich die männliche Form Verwendung, um die Lesbarkeit
zu vereinfachen. Es sind dabei aber stets beide Geschlechter angesprochen, sofern dies nicht
ausdrücklich anders erwähnt wird.
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EinleitungDer Begriff der Inklusion ist heute in der öffentlichen und wissenschaftlichen
Diskussion allgegenwärtig. Diese öffentliche, politische und wissenschaftliche
Debatte ist nicht neu, erhielt aber diese breite Aufmerksamkeit erst durch
die 2009 in Deutschland in Kraft getretene UN-Konvention zu Rechten von
Menschen mit Behinderung, insbesondere durch den Inhalt des Artikels 24:
„(…) dass keine Person aufgrund von Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden darf, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen in der Gemeinschaft, in der sie leben, Zugang zu einem inklusiven, hochwertigen und unentgeltlichen Unterricht an Grundschulen und weiterführenden Schulen haben sollen und dass angemessene Vorkehrungen im Einzelfall getroffen werden müssen.“ (Deutsches Institut für Menschenrechte, 2011, S. 2)
Mit der Unterzeichnung stellt sich Deutschland der Herausforderung ein
inklusives Bildungssystem zu verwirklichen. Inklusive Bildung für alle bedeutet,
qualitativ hochwertige Bildung für alle Lernenden zu ermöglichen und die
Entwicklung einer inklusiven Gesellschaft zu fördern (Deutsche UNESCO
Kommission, 2009, S. 4).
Inklusive Bildung für alle Lernenden bedeutet darüber hinaus auch gleiche
Bildung, unabhängig von Geschlecht, Herkunft und Schichtzugehörigkeit zu
ermöglichen (Prengel, 2006, S. 11). Spätestens seit den PISA-Studien ist
bekannt, dass das deutsche Bildungswesen stark durch soziale Ungleichheit
geprägt ist. In keinem anderen Land besteht solch ein enger Zusammenhang
zwischen Bildungserfolg und sozialer Herkunft, auch wenn dieser in den letzten
Jahren kontinuierlich abgenommen hat – er besteht weiterhin (Prenzel, Artelt,
Baumert, Blum, Hammann, Klieme & Pekrun, 2006, S. 11 ff.).
Dabei hat sich die deutsche Arbeitsmarktstruktur verändert – die
Anforderungen an eine erfolgreiche berufliche Tätigkeit nehmen stetig
zu. Computerisierung, Automatisierung, Internationalisierung sind hier die
Stichworte. Qualifikationsanforderungen steigen (Spitz, 2003, S. 13 ff.) und
Handlungskompetenzen wie Problemlösefähigkeit, kooperative Kompetenz
oder Selbstlernkompetenz werden zunehmend notwendiger (Levy & Murnane,
2004, S. 6 ff.). Damit einhergehend wachsen auch die Anforderungen an
die individuelle Lebensbewältigung der Jugendlichen. Die Möglichkeiten zur
Selbstentfaltung haben sich enorm vergrößert, verlangen dadurch ebenfalls eine
erhöhte Selbstlernkompetenz, um an den mannigfaltigen Möglichkeiten nicht zu
scheitern (Quenzel & Hurrelmann, 2010, S. 17).
Die Konsequenz dieser neuen Anforderungen ist ein Neudenken des Systems
Schule, um Bildungsbenachteiligungen entgegen wirken zu können.
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Ziel dieser Arbeit ist es an Hand einer exemplarischen Unterrichtsreihe
aufzuzeigen, wie inklusiver Unterricht gestaltet sein sollte, um sowohl der
sozialen als auch digitalen Kluft entgegen zu wirken. Dazu wird im Folgenden
der Zusammenhang von sozialer und digitaler Benachteiligung aufgezeigt
(Kap. 2), um daran anschließend die Weiterführung des Integrationsansatzes
zur Debatte um inklusive Bildung vorzustellen (Kap. 3). Ein wichtiger Indikator
für den Lernerfolg in der Wissensgesellschaft ist die Lernkompetenz (Kap. 4),
welche auch grundlegend für den Einsatz neuer Medien im Unterricht ist (Kap.
5). Aufbauend auf dieser theoretischen Verortung wird ein Unterrichtsszenario
entworfen und seine Effekte für den Lernerfolg diskutiert (Kap. 6). Die Arbeit
schließt mit einem Ausblick und einem Fazit (Kapitel 7).
Von der sozialen zur digitalen Benachteiligung Soziale Herkunft, Migration, Geschlecht, Behinderung – all dies sind
Faktoren, welche den Bildungserfolg beeinträchtigen können und somit zu
einer sozialen Benachteiligung führen (Prenzel et al., 2006; Prengel, 2006;
Quenzel & Hurrelmann, 2006; Krüger, Rabe-Kleberg, Kramer & Budde,
2010). Bildungsbenachteiligte Jugendliche entwickeln so Lerndefizite, welche
folgenreich für ihre weiteren Lernprozesse sein können.
Lebenslanges Lernen ist durch den ständigen Wandel der Lebens-
und Arbeitswelt zu einer Notwendigkeit geworden, was jedoch gewisse
Kompetenzen, wie beispielsweise Selbstlernkompetenz voraussetzt. Dem
Selbstlernpotential des Internets wird dabei eine hohe Bedeutung zugesprochen.
Auch wenn das Internet heute fester Bestandteil jugendlicher Lebenswelten ist,
so gestaltet sich das Nutzungsverhalten sehr heterogen. Bildungsmotivationen
zeigen sich in einer breiten Fächerung und man kann dabei nicht davon
ausgehen, dass der Idealtypus „Selbstlerner“, der autonom und aus eigener
Initiative heraus selbstorganisiert lernt, sich auf alle Lernenden übertragen
lässt (Zwiefka, 2007, S. 17 ff.). Da Medienbildung (beispielsweise als
Informationsbeschaffung im Netz) bislang meist als Selbstaneignung verläuft,
werden die schon bestehenden Bildungsbenachteiligungen bildungsferner
Schichten noch fortgeführt und in ihrer Struktur legitimiert – informelle
Bildungsräume außerhalb der formalen schulischen Bildung bleiben somit
verschlossen. Zur sozialen Kluft kommt eine Übertragung in den virtuellen Raum,
Bildungsbenachteiligung kann sich so verschärfen.
Das Kompetenzzentrum Informelle Bildung (KIB) gibt 2003 (überarbeitet 2005)
eine Studie zur Online-Nutzungsdifferenzen und Aneignungsstrukturen von
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Jugendlichen heraus. Die Ergebnisse zeigten, dass soziokulturelle Bedingungen
des „Offline-Leben“ sich ebenfalls auf die Onlinenutzung auswirken (Iske,
Klein, & Kutscher, 2005). Dabei steht nur bedingt die materielle Ausstattung
im Fokus - das Erkenntnisinteresse gilt vielmehr den Nutzungsformen.
Technische Ausrüstung und der Zugang zum virtuellen Raum impliziert nicht
eine effiziente Mediennutzung. Die Autoren halten in ihrer Studie fest, dass
durch die Internetnutzung informelle Bildungsprozesse in Gang gesetzt werden,
die zur Erweiterung der bereits erworbenen Kompetenzen (wie beispielsweise
technische, kommunikative oder reflexive Kompetenz) führen. Es zeigt sich
dabei aber auch, dass die Erwartungen an den virtuellen Kontext oftmals zu
hoch angesetzt sind: soziale Unterschiede werden nicht nivelliert, sondern in den
virtuellen Raum übertragen, da Faktoren wie Lesekompetenz, Vorwissen oder
auch Reflexionsfähigkeit oftmals nicht ausreichend sind, um das Internet effizient
als informellen Bildungsraum zu nutzen.
Der virtuelle Raum ist in seiner Struktur so konzipiert, dass er sich an höher
Gebildeten ausrichtet und den Zugang für Bildungsbenachteiligte erschwert.
Zillien diagnostiziert 2006 in diesem Zusammenhang wachsende soziale
Ungleichheiten, da auf der Seite der besser positionierten positive, bzw.
auf Seiten der schwächer positionierten Gesellschaftsmitglieder negative
Verstärkungsprozesse wirken, die sich durch Steigerung der Kompetenz in
Bezug auf digitale Medien abfedern, aber nicht beseitigen lassen.
Klebl hält 2007 im Projekt Lift der Initiative „Schulen ans Netz“ fest, dass
bildungsbenachteiligte Jugendliche neben der Lernunterstützung zum Erwerb
fachlicher, methodischer und sprachlicher Kompetenzen auch Unterstützung
beim Lernen des Lernens benötigen (Klebl, 2007). Er benennt in diesem
Zusammenhang neben einer aktiven Sprachförderung auch implizite Ziele
wie Steigerung des Selbstbewusstseins und der Selbstwirksamkeit. Die
Internetnutzung ist dabei überwiegend im informellen Kontext angesiedelt,
das Nutzungsverhalten wird von einer subjektiven Motivation gesteuert, d.h.
erscheinen die Angebote dem Jugendlichen interessant wird er sie nutzen,
soweit es ihm innerhalb seiner eigenen Ressourcen möglich ist und sein
Interesse daran bestehen bleibt.
Dabei handelt es sich nicht nur um Online- sondern auch um Offline-Ressourcen,
wie beispielsweise Peergruppen, familiäre und schulische Bildungskontexte.
Diese Lebensweltbedingungen bestimmen auch das verfügbare soziale,
kulturelle und ökonomische Kapital und dadurch das Nutzungsverhalten des
Internetangebotes (Iske, Klein, Kutscher & Otto, 2007, S. 71).
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Auf der Grundlage bisheriger Studien ist deutlich ein Zusammenhang zwischen
dem formalen Bildungsniveau und dem individuellen Nutzungsverhalten des
Internetangebotes zu erkennen. Während bei formal hohem Bildungsniveau die
E-Mail und Forennutzung vorherrscht, kann bei formal niedrigem Bildungsniveau
beispielsweise eher von einer Tendenz zu Chatnutzung ausgegangen werden.
Ähnliches zeigt sich auch in anderen Bereichen: Wiki als Wissensmanagements-
Tools werden eher von Jugendlichen mit formal höherem Bildungsniveau genutzt
und gestaltet. Somit sorgt das dreigliedrige Schulsystem Deutschlands für
eine Fortführung sozialer Benachteiligung im formalen Bildungskontext in den
digitalen Raum.
Zusammenfassend kann mit Bonfadelli (2005, S. 14 f.) festgehalten werden,
dass auch die digitale Kluft „(…)nach wie vor das Resultat ungleicher
Bildungsvoraussetzungen bzw. der gesellschaftlichen Benachteiligung
bildungsferner Bevölkerungsschichten“ ist.
Aufgabe der Schule muss heute jedoch sein, mediengestützte
Selbstlernkompetenz aufzubauen, um die soziale und digitale Kluft nicht noch
weiter auseinander klaffen zu lassen. Im folgenden Kapitel wird vornehmlich
der Fokus auf den Bereich der Förderschwerpunkte „Lernen“, „Sprache“
und „Soziale und emotionale Entwicklung“ liegen – hier wird die Benachteiligung
besonders deutlich, da die Mehrzahl der Schüler einer Förderschule
mit diesen Förderschwerpunkten Jungen mit Migrationshintergrund aus
einkommensschwachen Familien sind (Autorengruppe Bildungsberichterstattung,
2010, S. 69 ff.).
Von der Integration zur Inklusion
Das Bildungswesen Deutschlands zeichnet sich aus durch seine, im
internationalen Raum nicht nochmals aufzufindende, stark ausdifferenzierte
Struktur. In der öffentlichen Diskussion wird es meist als ein dreigliedriges
System bezeichnet, das aus Haupt, Realschulen und Gymnasien besteht. Der
nochmals in sich ausdifferenzierte Bereich des Förderschulsystems wird dabei
nicht beachtet.
Grundgedanke des gegliederten Schulsystems ist der Ansatz, dass homogene
Leistungsgruppe effektiver und effizienter gemeinsam zum Lernerfolg geführt
werden können. Offensichtlich weiterbestehende Heterogenität wird geleugnet
und Homogenität künstlich herbeigeführt.
Mit der im Jahre 2009 in Deutschland ratifizierten Behindertenrechtskonvention
(Resolution 61/106), im Folgenden kurz BRK genannt, wird das
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Förderschulsystem jetzt vermehrt auch in der öffentlichen Diskussion in den Blick
genommen.
Bereits 1994 löste in NRW die Bezeichnung Förderschule den Begriff
der Sonderschule ab. Schüler, mit beispielsweise Lernbehinderung,
wurden ab diesem Zeitpunkt amtlich als Schüler mit sonderpädagogischen
Förderschwerpunkt Lernen bezeichnet. Zielsetzung dieses Begriffswechsel war
der Ausgangspunkt der Vermeidung von Stigmatisierung und Diskriminierung
aufgrund spezieller Bedürfnisse (Klemm & Preuss-Lausitz, 2011, S. 20) und
somit den pädagogischen Unterstützungsbedarf im schulischen Bereich mehr in
den Fokus zu rücken.
Analog zur BRK startet NRW ein Pilotprojekt zum „Ausbau von Förderschulen
zu Kompetenzzentren für sonderpädagogische Förderung gemäß § 20
Abs. 5 Schulgesetz NRW“. Auftrag der so entstanden Kompetenzzentren
für sonderpädagogische Förderung ist die Vernetzung der Handlungsfelder
Unterricht, Diagnostik, Beratung und Prävention Kinder und Jugendlicher im
Einzugsbereich der jeweiligen Kompetenzzentren frühzeitig und gezielt präventiv
zu fördern. Zielsetzung ist es, vermehrt Schüler im „Gemeinsamen Unterricht“
an Grundschulen und weiterführenden Schulen integrativ zu unterrichten und
langfristig die Zahl der Schüler an Förderschulen zu verringern.
Zielgedanke des Pilotprojektes und der einhergehenden Erhöhung des
gemeinsamen Unterrichts ist es über den Weg der Integration ein inklusives
Bildungswesen zu ermöglichen. Inklusion wird hier nicht als Gegenpol zur
Integration verstanden, sondern als eine sinnvolle und vertiefende Erweiterung.
Während jedoch Integration Kategorien wie Behindert/Nichtbehindert beibehält
und behinderte Schüler in das gesellschaftliche (Bildungs-)System integrieren
möchte (nach einer vorangegangenen Exklusion), versteht sich Inklusion hier
als eine Erweiterung in dem Sinne, dass alle Schüler von Beginn an in den
Blick genommen werden und ihren speziellen Bedürfnissen entsprechend
gefordert und gefördert werden. Inklusive Bildung für alle bedeutet, qualitativ
hochwertige Bildung für alle Lernenden zu ermöglichen und die Entwicklung
einer inklusiven Gesellschaft zu fördern (Deutsche UNESCO Kommission, 2009,
S. 4). Vorangehende Exklusion durch das Schaffen von Kategorien wird dadurch
vermieden. Diese Sichtweise beinhaltet, dass schulische Leistung/Misserfolge
nicht mehr individualisiert dem Einzelschüler zugeschrieben werden, um so
Selektion und Separation zu legitimieren, sondern dass sich das System Schule
an seinen Schülern ausrichtet.
Dies impliziert zudem eine inklusive Didaktik, welche Arbeiten am gemeinsamen
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Gegenstand in Kooperation ermöglicht (Wilhelm, 2009, S. 98). Nach Dreher
(1996, S. 146) umfasst eine inklusive Bildung einen ganzheitlichen und basalen
Ausgangspunkt, welcher Individualität und Heterogenität anerkennt und der
Entwicklung eines Schülers gerecht wird, indem er notwendige therapeutische
Maßnahmen bereitstellt und gemeinsame Lern- und Handlungsmöglichkeiten
schafft. Unterricht ist somit nicht mehr nur ausgerichtet am Aspekt der Kognition,
sondern umfasst hier einen ganzheitlichen Gedanken, der soziale Aspekte und
die Schülerpersönlichkeit nicht länger außen vor lässt und somit neben inhaltlich-
und funktional-kognitiven Lernzielen auch Selbst- und Sozialkompetenz in den
Mittelpunkt rückt (Wilhelm, 2009, S. 100 f.). Lernziele werden jetzt nicht mehr
einheitlich für alle Schüler definiert, sondern müssen individuell gestaltet werden.
Dies setzt nicht nur einige Kompetenzen von Seite der Lehrkräfte voraus,
sondern auch von Seite der Lernenden, welches im folgenden Kapitel genauer
betrachtet werden soll.
Lernkompetenz in der Wissensgesellschaft als Indikator für Lernerfolg Im oben Aufgeführten zeigte sich bereits deutlich der Unterschied zur
traditionellen Didaktik, in der alle Schüler zum gleichen Zeitpunkt das
Gleiche tun. Im Rahmen der Integration von Schülern mit besonderem
Förderbedarf werden Lernziele zielgleich definiert. Der Schüler muss sich an die
Anforderungen der allgemeinen Schule anpassen, um dort unterrichtet werden
zu können. Die inklusive Didaktik geht einen Schritt weiter. Ihr Ansatzpunkt
ist es, dass sich die Institution an die Bedürfnisse und Anforderungen des
Schülers anpassen muss. Die Lernzielformulierung ist zieldifferent, nur der
Lerngegenstand ist gleich. Kooperation ist eine wichtige Komponente für
den inklusiven, binnendifferenzierten Unterricht. Eine weitere bedeutende
Komponente ist wie bereits oben erwähnt die Kompetenz der Selbststeuerung.
Mit dem Konzept der Lernkompetenz wird noch eine dritte Komponente wirksam:
die der Medienkompetenz.
Selbststeuerungskompetenz, Kooperationskompetenz und Medienkompetenz
sind demnach die drei Teilkompetenzen der Lernkompetenz für die
Wissensgesellschaft. Mandl und Krause (2001, S. 10) verstehen dabei
Lernkompetenz als die Fähigkeit zum erfolgreichen Lern-Handel. Weinert
(1999, S.12 ff.) kategorisiert sie darüber hinaus als Metakompetenz, da sie als
eine Fähigkeit, losgelöst von Inhalten, betrachtet werden kann. Das Konzept
der Lernkompetenz sieht die Aneignung von Wissen als einen aktiven und
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selbstgesteuerten Prozess, in welchem situativ Wissen konstruiert wird. Lernen
ist somit im Bereich der konstruktivistischen Lerntheorie zu verorten und
entspricht auch dem Lernprimat der Wissensgesellschaft.
Der Begriff Wissensgesellschaft wird hier nicht (wie oftmals) synonym mit
Informationsgesellschaft verwendet, sondern geht darüber hinaus. Mandl
und Reinmann-Rothmeier weisen darauf hin, dass es sich bei diesen
Terminologien keinesfalls um eine begriffliche Spielerei handelt, sondern als
ein gesellschaftliches Umdenken definiert werden muss (Mandl & Reinmann-
Rothmeier, 2000, S. 6). Die Informatisierung ist ein wesentlicher Bestandteil der
Gesellschaft geworden, Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT)
finden in zahlreichen Ausprägungen Anwendung in vielfältigen gesellschaftlichen
Bereichen und entscheiden über Lebenschancen und gesellschaftliche
Partizipation (Preußler, 2008, S. 17; Hauf, 1996, S. 83). Mit den neuen
Veränderungen in der gesellschaftlichen Struktur wird der Produktionsfaktor
Wissen entscheidend - die Ressource Wissen wird in der westlichen Gesellschaft
zunehmend höher gehandelt als die zuvor vorherrschenden Ressourcen wie
Rohstoffe, Kapital und Arbeit (Heinrich-Böll-Stiftung, 2004, S. 74; Rolff, 2010, S.
179).
Im Unterschied zu dem eher technologisierten Begriffsverständnis
der Informationsgesellschaft rücken in der Wissensgesellschaft die
menschlichen Fähigkeiten sowie Einstellungen und Werte in den
Vordergrund (Mandl & Reinmann-Rothmeier, 2000, S. 7). Während in der
Informationsgesellschaft eher die Effizienz und Effektivität neuer Informations-
und Kommunikationstechnologien in den Mittelpunkt gestellt wurden, zeigt sich
das neue Gesellschaftsmodell ganzheitlich, in der Art, dass neben der Technik
jetzt auch Organisation und Mensch in den Fokus genommen werden (Mandl &
Reinmann-Rothmeier, 2000, S. 7; Kübler, 2005, S. 93). Das Individuum rückt in
den Mittelpunkt, der Lernende und sein Lernprozess werden stärker fokussiert
(Kuwann & Waschbüsch, 1999, S. 20) – Wissen ist dabei immer an eine Person
gebunden. Auch in der gesellschaftlichen Entwicklung zeigt sich demnach eine
ganzheitliche Entwicklungslinie wie in der inklusiven Didaktik. Neue Informations-
und Kommunikationstechnologien galten lange Zeit als Allheilmittel – die
nur formal existierende aber immer wieder postulierte Chancengleichheit im
Bildungssystem sollte damit Bestand erhalten. Allen sollten jetzt gleichermaßen
Bildung und Informationsmöglichkeiten zugänglich sein, Statusnivellierung und
Entstrukturisierung waren die Schlagworte.
Viele Faktoren blieben bei diesen enthusiastischen Hypothesen über die
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Chancen der digitalen Revolution allerdings außen vor. Diverse Studien
zeigen, dass der Effekt gegenteilig war, die soziale Kluft sich in den virtuellen
Raum ausweitete und die Situation noch zunehmend verschärfte (JIM, 2008;
Seegers, 2008). Hier wird der „Mythos vom Selbstlerner“ zu Beginn dieser Arbeit
wieder deutlich: Die neuen Medien sind kein Allheilmittel, das nur durch reine
Bereitstellung wirkt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, die neuen Medien
nicht abzulehnen, sondern sie sinnvoll einzusetzen, um der aus der sozialen
Kluft resultierenden, digitalen Kluft entgegen zu wirken. Denn trotz des digital
devides wohnt den neuen Medien lernförderliches Potential inne, das auch
von Lehrkräften erkannt wird, aber oftmals noch viel zu wenig genutzt wird.
Hier setzt auch der Gedanke der e-Inklusion an. Neue Medien und Tools des
Web 2.0 sind nicht nur Lernwerkzeuge mit Potential für Regelschulen, sondern
eignen sich auch für den Ansatz der inklusiven Bildung, da sie auf besondere
Art individualisiertes Lernen fördern, welches im Folgenden genauer dargestellt
werden soll.
Neue Medien im inklusiven Unterricht – Potenzial und Grenzen
Das Web 2.0 bietet viele verschiedene Umgebungen die formales oder
informelles Lernen ermöglichen und fördern. Gekennzeichnet ist das Web
2.0 durch seine interaktive Struktur, die es ermöglicht online kooperativ und
kollaborativ zusammen zu arbeiten und Wissen zu teilen (Erpenbeck & Sauter,
2007, S. 133). Diese „soziale Komponente“ des two-way-acesses durch die
veränderte Technologie brachte dem Web 2.0 auch den Namen Social Software.
Es werden nicht mehr nur Informationen, sondern auch die Nutzer miteinander
verknüpft (Büffel, Pleil, Schmalz, 2007, S. 2).
Jetzt werden nicht mehr wie im Web 1.0 Softwarepakete (bspw. Lernprogramme)
verkauft, sondern einzelne Dienste (Wikisoftware, Blogsoftware, usw.) oftmals
kostenfrei im Netz zur Verfügung gestellt. Diese neuen Dienste erlauben es dem
Nutzer aktiv Inhalte mit anderen auszutauschen, was eine Veränderung mit dem
Umgang an Wissen mit sich brachte (Moskaliuk, 2008, S. 18).
Diese Veränderung macht sich auch im schulischen Umfeld bemerkbar – die
neuen Medien sind längst Bestandteil des Unterrichts, Web 2.0 Technologien
sind jedoch seltener im Einsatz, Medieneinsatz an sich findet jedoch vermehrt
Akzeptanz.
Masendorf hat bereits 1993 die lernförderliche Wirkung von Computerspielen
bei Schülern mit dem Förderschwertpunkt Lernen auf das räumliche
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Vorstellungsvermögen herausgestellt (Masendorf, 1993, S. 210 ff.). Auch
Souvignier kam in späteren Untersuchungen zu ähnlichen Ergebnissen wie
Masendorf (Souvignier, 2000, S. 136). Breiter, Welling und Stolpmann (2010,
S. 6 f.) stellten in einer von der Landesanstalt für Medien NRW in Auftrag
gegebenen Studie zum Einsatz von neuen Medien fest, dass Lehrkräfte neuen
Medien ein lernförderliches Potential zuschreiben, sie aber eher selten bzw.
nur gelegentlich und dann ad hoc, aus dem Unterrichtsgeschehen heraus,
einsetzen. Dabei dominiert die Internetrecherche mit ca. 20%, nur noch 10%
der Lehrer gaben an, dass sie gelegentlich/regelmäßig neue Medien zur
Kooperation, Strukturierung oder Gestaltung einsetzen. Web 2.0 Anwendungen
wie Weblogs, Wikis oder Lernmanagementsysteme sind von 80% der Lehrkräfte
noch niemals genutzt worden (Breiter et al., S. 6). Häufiger genutzt werden
hingegen Softwareprogramme, welche direkte Rückmeldefunktionen integriert
haben oder komplexe Zusammenhänge simulieren und visualisieren (Breiter
et al., S. 7). Online-Netzwerke werden bei den Schülern als fester Bestandteil
ihrer Lebenswelt begriffen, Lehrer hingegen stehen dem Nutzen eher kritisch
gegenüber. Auffällig an den Untersuchungsergebnissen Breiters et al. war die
deutliche höhere eigene Einschätzung der Lehrkräfte von Förderschulen zum
aktiven Medieneinsatz im Unterricht im Vergleich zu den Regelschullehrern.
Die Fallstudienfolgeuntersuchung zur SITES M2 von Schulz-Sander (2006-2007)
zeigt, dass die Mehrzahl der Lehrpersonen den Mehrwert der digitalen Medien
nicht nur in der Individualisierung (Binnendifferenzierung mit digitalen Medien
ist besonders von Bedeutung) sondern auch in der stärkeren Schüleraktivierung
sieht (Eickelmann, 2010, S. 47 ff.). In der sonderpädagogischen Förderung
kommt den Bereichen der Individualisierung und Schüleraktivierung eine
besondere Bedeutung zu. So sind es auch nach Einschätzung der an der
Fallstudienfolgeuntersuchung beteiligten Lehrer die leistungsschwächeren und
die leistungsstärkeren Schüler, die besonders vom Einsatz der neuen Medien
profitieren, da beide Lerngruppen in ihrem eigenen Tempo vertiefend und
wiederholend arbeiten können. Zudem schätzen die meisten Lehrkräfte auch die
Lernmotivation beim Medieneinsatz im Unterricht höher ein (Eickelmann, 2010,
S. 50 f.)
Weitere, eher regionale Studien kamen zu ähnlichen Ergebnissen – die
Lernförderlichkeit wird hoch eingeschätzt, der Einsatz ist allerdings eher gering.
Die Vermutung liegt nahe, dass es sich hierbei um eine Transferproblematik
handelt, die unterschiedliche Ursachen haben kann (beispielsweise begrenzte
Medienkompetenz der Lehrkräfte, Angst vor zusätzlichem Zeitaufwand, fehlende
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medienpädagogische Konzepte und Praxisbeispiele zur Implementierung usw.).
Ein entscheidender Faktor zur Medienintegration ist nach den Ergebnissen
der Fallstudienuntersuchung SITES M2 das Erkennen des Mehrwertes bei der
Medienintegration – Lehrer, die eine Lernverbesserung durch den Einsatz neuer
Medien erkennen konnten, sind eher bereit diese dauerhaft in ihren Unterricht zu
integrieren (Eickelmann, 2010, S. 52).
Computer werden demnach von den mediennutzenden Lehrern vermehrt
zur Wissensvermittlung in Form von Wiederholungen und Übungssequenzen
und weniger zur Wissenskonstruktion verwendet (Kerres, Nattland, 2009,
S. 6). Hier bleibt das komplexe Potenzial neuer Medien jedoch ungenutzt.
Reinmann-Rothmeier und Mandel (2001, S. 626) schlagen in diesem
Zusammenhang vor Instruktion und Konstruktion miteinander zu verbinden. In
einer problemorientierten Lernumgebung können Konstruktion und Instruktion
als sich ergänzende Komponenten aktives, selbstgesteuertes, situatives und
soziales Lernen fördern. Der Anteil an instruktionalen und konstruktivistischen
Lernprozessen wird dabei abhängig vom Einzelschüler variieren.
Ein Schüler mit dem Förderschwerpunkt „Geistige Entwicklung“ braucht
beispielsweise mehr instruktionale Unterstützungsanleitung als ein Schüler
mit Förderbedarf im Bereich „Hören“ oder „Sehen“, da hier die kognitive
Leistungsfähigkeit nicht beeinflusst ist, jedoch andere Schwierigkeiten auftreten.
Kritisch anzumerken ist bei dieser Pauschalisierung jedoch, dass viele Bereiche
der zusätzlichen sonderpädagogischen Förderung sich überschneiden – so
liegt oftmals bei einer Verzögerung der sozialen und emotionalen Entwicklung
auch eine Diagnose im Bereich „Lernen“ vor. Da inklusive Bildung jedoch
auf die Kategorisierung Behinderung/Nichtbehinderung sowie spezielle
sonderpädagogische Förderbereiche verzichten will, dienen Beispiele wie diese
nur der Verdeutlichung der unterschiedlichen Notwendigkeiten der Förderungen.
Es bleibt abzuwarten, ob sich diese Kategorisierungen in der Praxis tatsächlich
als obsolet erweisen und ob es gelingt, Behinderung als solches auszublenden.
Da ergänzend zu den allgemeinbildenden Lehrern sonderpädagogische
Fachkräfte mit in den Unterricht eingebunden werden, ist dies erschwert,
denn diese durchlaufen ebenfalls eine schwerpunktmäßige Ausbildung in
den genannten Förderschwerpunkten und werden die Kategorisierung nach
Förderschwerpunkten weiterhin mit in den Unterricht transportieren.
Zudem wird in NRW zunehmend die Diskussion um die Inklusion auf Schüler
mit dem Förderbedarf „Sprache“, „Lernen“ und soziale und emotionale
Entwicklung“ beschränkt. Klemm und Preuss-Lausitz (2011, S. 41) sprechen nur
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eine Empfehlung für das Auslaufen der Förderschulen dieser Förderbereiche
aus. Wocken, ein Befürworter der Inklusion, beschränkt sich ebenfalls
auf diese Förderbereiche, hält es zudem aber für schwierig Schüler mit
Verhaltensauffälligkeiten inklusiv zu unterrichten, wenn nicht sogar für unmöglich,
bei beispielsweise schulaversiven Schülern in Intensivmaßnahmen (Wocken,
2011, S.149).
Wie viel instruktionale Anleitung also notwendig ist, hängt somit vom
Entwicklungsstand und dem Förderbedarf des Einzelschülers ab. Es wird also
für jeden Schüler ein individueller Lernpfad mit Teilzielen entwickelt, denn das
Primat der inklusiven Bildung ist die Förderung aller Schüler entsprechend ihrer
Bedürfnisse. Hier wird deutlich wie vorbereitungsintensiv inklusiver Unterricht ist,
um Individualisierung zu ermöglichen. Das selbstgesteuerte Lernen der Schüler
hat somit auch einen entlastenden Effekt für den Lehrer, den er wiederum in die
individualisierte Lernförderung investieren kann.
Zudem können zusätzliche mediengestütze Unterstützungsleistungen genutzt
werden, die z.B. bei eingeschränkter Hand-Auge-Koordination, Motorik
Problematiken oder Seh- und Hörbeeinträchtigungen Defizite ausgleichen
und die Teilnahme am Unterricht erleichtern. Das didaktische Konzept muss
demnach immer genau an die Bedürfnisse der einzelnen Schüler einer Klasse
angepasst werden und kann nicht pauschal auf andere Unterrichtssituationen
oder Klassengemeinschaften übertragen werden.
Es hat sich hier bisher gezeigt, dass Medienbildung nicht nur über
Lebenschancen entscheidet, sondern auch, dass Medieneinsatz einen
entscheidenden Beitrag zur inklusiven Bildung leisten kann. Die e-Inklusion
ist dabei die Schnittstelle, welche als Zielsetzung verfolgt werden sollte, um
langfristig Medienbildung und inklusiven Unterricht zu vereinen, sowohl sozialer
als auch digitaler Spaltung entgegenzuwirken und Bildungsbenachteiligung zu
vermindern.
Abbildung 1: Inklusion und Medienbildung als Schnittstelle zur e-Inklusion. Eigene Darstellung.
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Dies setzt jedoch nicht nur ein neues Rollenverständnis auf der Lehrerseite
voraus, sondern muss auch auf gesellschaftlicher Ebene Akzeptanz schaffen.
Kritisch angemerkt wird im Rahmen der Inklusionsdebatte oftmals, dass das
Leistungsniveau des Unterrichts abfalle, und die leistungsstärkeren Schüler nicht
mehr ausreichend gefördert werden. Studien zeigen jedoch, dass inklusiver
Unterricht nicht zu einem Leistungsabfall führt und dass leistungsstärkere
Schüler durch inklusiven Unterricht nicht benachteiligt werden. Lernschwächere
hingegen werden durch inklusiven Unterricht gefördert, ihre Lernerfolge nehmen
zu – e-Inklusion unterstützt dies beiden Randgruppen noch einmal zusätzlich,
da diese besonders vom Einsatz neuer Medien profitieren (Eickelmann, 2010,
S. 50 f.; Klemm & Preuss-Lausitz, 2011, S. 36 ff.; Wocken, 2007, S.46 ff.).
Einschränkend muss hier jedoch darauf hingewiesen werden, dass es sich bei
diesen Befunden ausschließlich um Studien zum Förderbereich Lernen handelt.
Diese Studien der Integrationsforschung geben keinerlei Aufschluss darüber,
welche Effekte in Bezug auf andere Förderbereiche zu erwarten sind.
Im Folgenden wird ein exemplarisches Unterrichtsszenario entworfen, welches
das Potenzial und die Grenzen mediengestützten inklusiven Unterrichts im Sinne
einer e-Inklusion darstellen soll.
Entwurf eines exemplarischen Unterrichtsszenarios
Bei dem Entwurf dieses Unterrichtsszenarios handelt es sich um ein
fächerübergreifendes Projekt, welches für eine Klasse 6 einer Gesamtschule
konzipiert wurde.
Der vorgestellte Entwurf umfasst die Fächer Deutsch und Biologie. Denkbar ist
darüber hinaus jedoch auch der Einsatz im Fremdsprachenunterricht oder in
Politik und Geschichte.
Es wird die Projektmethode gewählt, da nicht das am Ende erstellte Produkt
als das Entscheidende angesehen wird, sondern dem Bearbeitungsprozess als
solchem genauso viel Aufmerksamkeit zukommen soll (Frey, 1995). Nach Frey
beginnt „ein Projekt (…), indem jemand eine Idee, Anregung, eine Aufgabe, eine
besondere Stimmung, ein Problem, (…) in eine Gruppe einbringt“ (Frey, 1995,
S. 73). Frey (1995) empfiehlt für die Phase der Projektinitiierung und -planung
5% bis 20% der veranschlagten Projektzeit zu nutzen. In dieser Phase werden
bereits die Schüler durch den verantwortlichen Fach-/ Klassenlehrerin in die
Entwicklung der Projektinitiative eingebunden, denn die Projektmethode versteht
sich als Bildungsansatz, in welchem die Lernenden sich die Wirklichkeit selber
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mit gestalten (Frey, 1995).
Die Projektdurchführung ist gemäß Frey das Kernstück der Projektmethode
und nimmt den größten Zeitanteil ein. Das abschließende Produkt ist die letzte
Komponente eines Projektes, welche im Idealfall, gegen Ende des Projektes, in
eine Rückschau zum Beginn des Projektes übergeht (Frey, 1995).
Somit liegt der didaktische Schwerpunkt hier auf der kooperativen Arbeit in
einem Wiki und weniger auf den erstellten Hypertexten als Endprodukte. Die
Wissenskonstruktion in einem kooperativen und inklusiven Unterrichtssetting
bildet die vordergründige Zielsetzung des exemplarischen Unterrichtsentwurfs.
Zudem wird die Lernkompetenz in Form von kooperativer Kompetenz,
Selbstlernkompetenz und Medienkompetenz gefördert.
Projektidee
Im Mittelpunkt des Projektes steht die Vor- und Nachbereitung der Klassen-fahrt
einer 6. Klasse. Die Schüler planen in einem Wiki ihre Klassenfahrt an Hand
unterschiedlicher Themenschwerpunkte. Neben wichtigen Dingen, die in den
Koffer gehören, werden dort auch Verhaltensregeln während der Klassenfahrt,
Tagesabläufe oder Gesundheitsprävention (Beispiel „Zecken“) festgehalten. In
der Vorbereitungsphase erlernen die Schüler spielerisch den Umgang mit dem
Wiki. Je nach Kenntnisstand des Einzelschülers müssen hier individualisierte
Zugangsmöglichkeiten geschaffen werden. So können beispielsweise
fortgeschrittene Schüler, die bereits über Erfahrung mit Wikis verfügen, oder den
Umgang schneller erlernt haben, langsamere Schüler durch unterschiedliche
Aktivitäten unterstützen.
Wikis sind schnell und einfach zu editieren und einzelne Wikiseiten können
miteinander verlinkt werden. So entstehen Querverweise, wie beispielsweise
zwischen dem abendlichen Ritual auf der Seite Tagesablauf in der Kategorie „Wir
untersuchen unseren Körper auf Zecken“ und Kategorie „Gesundheitsgefährdung
durch Zeckenbisse“ auf der Seite Zecken.
In der Nachbearbeitung der Klassenfahrt wird das Wiki für kollaborative
Schreibanlässe zum Thema „Mein schönstes Erlebnis“ im Fachunterricht
Deutsch genutzt. Auch hier können die Erlebnisse miteinander verlinkt werden
und fächerübergreifend andere Themenbereiche einbezogen werden. So
kann beim Erlebnis „Teicherkundung“ ein Hyperlink zum Wikibereich des
Biologieunterrichtes der Kategorie „Die Metamorphose der Frösche“ oder „Das
Ökosystem“ sowie auch Informationen zum „Wasserkreislauf“ als Hypertexte
15
eingefügt werden. Durch diese Verlinkung entsteht eine dynamische Struktur,
deren Wachstum unbegrenzt ist und sich von unten herauf entwickelt. Der
Computer übernimmt dabei nicht die Funktion des Wissensvermittlers, sondern
ist zu definieren als ein Wissenswerkzeug, welches die Kommunikation und
die Konstruktion von Wissen im Unterricht unterstützt. Kritisch anzumerken ist
hier, dass entgegen der eigentlichen Wiki-Idee, die im Sinne einer Community
of Practice in der Regel freiwillig verläuft, die Wiki-Arbeit für die Schüler
verpflichtend ist. Nur so kann eine aktive Teilnahme befördert werden. Aufgabe
der Lehrkraft ist es die hier gesetzte extrinsische Motivation in eine intrinsische
umzuwandeln. Dies ist Bestandteil des didaktischen Konzeptes, welches im
Folgenden vorgestellt wird.
Projektplanung
Im Rahmen der Projektplanung wird das didaktische Konzept für das Wiki-Projekt
entwickelt. Kerres und Nattland halten in diesem Zusammenhang fest, dass
der Lernerfolg in computergestützten Unterricht sich nicht auf die Bereitstellung
technischer Mittel beschränkt, sondern dass der Lernerfolg abhängig ist
vom didaktischen Konzept, welches Zielsetzung, Passung, individuelle
Lernvoraussetzungen, Rahmenbedingung und Lebensweltbezug gleichermaßen
berücksichtigt (Kerres & Nattland, 2009, S. 324).
Grundlegende Voraussetzung für den Einsatz von Wikis im Unterricht ist die
Fähigkeit der Schüler zum selbstgesteuerten und kooperativen Lernen. Den
Schülern wird ein hohes Maß an Selbstlernkompetenz abverlangt. Je höher die
Selbstlernkompetenz, umso geringer ist auch die Lehrerabhängigkeit. Der Lehrer
verliert somit die Rolle des Wissensvermittlers und wird zum Lernbegleiter, der
die Schüler durch ihren Lernprozess führt und so Freiräume für individualisierte
Unterrichtsbereiche gewinnt (Wocken, 2011, S. 155).
Selbstgesteuertes und kooperatives Lernen muss zuerst erlernt und trainiert
werden (Klippert, 2010, S. 27 f.). Bereits in Klasse 5 war das Training von
Arbeitstechniken, wie beispielsweise das Führen von Lerntagebüchern, die Arbeit
in Wochenplänen oder Gruppen usw. Bestandteil des Unterrichtgeschehens.
Es kann also davon ausgegangen werden, dass alle Schüler ihren Fähigkeiten
entsprechende grundlegende Lernkompetenz besitzen.
Wichtig in diesem Zusammenhang ist es, den Bildungsplanbezug, aus welchem
die Grob- und Feinziele abgeleitet werden können, herzustellen. Auch in den
Bildungsstandardsformulierungen der KMK für das Fach Deutsch (2004, S.
16
8) findet man, neben fachlichen Kompetenzen, die Lernkompetenz wieder -
Methoden- und Arbeitstechniken werden explizit aufführt.
Die Grobzielsetzung der Unterrichtsreihe umfasst demnach neben fachlichen
Inhalten die Vertiefung von Lernkompetenz in Form von selbstgesteuertem
Lernen, Medienkompetenz und Kooperationskompetenz. Die Feinziele müssen
individualisiert für den Einzelschüler erfasst werden. Sinnvoll ist es in diesem
Zusammenhang mit einem Kompetenzraster zu arbeiten, welches auch dem
Lernenden den eigenen Lernfortschritt visualisieren kann. Auch in dem hier
dargestellten Unterrichtssetting wird ein Kompetenzraster eingesetzt, denn
bereits in Klasse 5 hat sich dieses für die Visualisierung des Lernerfolgs
bewährt1. Auf Grund des begrenzten Rahmens dieser Arbeit wird hier
jedoch davon abgesehen, näher auf das Potential von Kompetenzrastern im
mediengestützten Unterricht einzugehen.
Zudem wurde eine Matrix entworfen, die zu erwartende Schwierigkeiten bei der
Arbeit mit dem Wiki erfasst und präventive Strategien zur Verhinderung bzw.
Lösung dieser Problematiken umfasst.
Kompetenzbereich
Problem Lösungsansatz
Selbststeuerungskompetenz
Autoritäten suche (verstärkt durch die flachen Wiki-Hierarchien)
● Bei Bedarf Hilfe anbieten● zeitlich begrenzt Moderatoren einsetzen● zeitnahes Feedback geben um soziale
Präsenz zu zeigen Verunsicherung (neue
Lernerfahrung)● enge Begleitung in der Einstiegsphase● Unterstützungsleistung durch Lehrer
und Peers jederzeit gewährleisten● Selbststeuerungskompetenz schon im
Vorfeld gezielt trainieren Cognitive Overload
(Wiki ist zu komplex und Schüler verlieren den Überblick, verbringen zu viel Zeit mit der Lösung von Peripherie-problemen, verlieren eigentliche Lernaufgabe aus dem Auge)
● Startseite des Wikis wird durch den Lehrer administriert
● Doppelte Einträge löschen/zusammenführen
● Tote Links entfernt● In der Einstiegsphase wird der
Themenumfang begrenzt gehalten● In der Durchführung werden immer
wieder Hilfestellungen gegeben, um zur Aufgangsproblematik zurückzuleiten, sofern dies nötig ist
….. ● ….
1 Das Kompetenzraster wurde im Rahmen des Modul 5 entwickelt und am Ende des Schuljahres evaluiert. Für dieses Unterrichtssetting wurde es weiterentwickelt und befindet sich zur Zeit noch in der Erprobungsphase, da das Schuljahr erst begonnen hat. 17
Kooperationskompetenz
Trittbrettfahrer ● Zeitlichen Ablaufplan erstellen lassen, wann Aufgaben verbindlich zu präsentieren sind
● Rotierende Präsentationsrolle, jeder kommt ran
● Gemeinsam erarbeitete Gruppenregeln● Nicht Einhaltung von Gruppenregeln
wird von der Gruppe selber sanktioniert Kommunikationskonflikte ● Wikiquette erarbeiten
● Transparente Zielformulierung …. ● ….Medienkompetenz
Technische Hemmschwelle
● Instruktionale Einführung zur Prinzip Wiki, Wikisyntax,
● Sandkasten einrichten● Unterstützung anbieten
…. ● ….Tabelle 1: Problematiken und Lösungsstrategien zum WIKI-Einsatz im Unterricht. Eigene Darstellung.Die Darstellung erhebt dabei keinen Anspruch auf Vollständigkeit, es handelt
sich um mögliche und zum Teil bereits in der Literatur aufgeführte (Reinmann-
Rothmeier, Mandl, Erlach & Neubauer, 2001) und in der eigenen Praxis des
Unterrichtens an einer Förderschule erlebte, antizipierte Problematiken, die mit
Gewissheit in der Durchführung in Echtzeit noch erweitert werden würde. Sie
kann als zu erweiterbare Checkliste zur Planung und Durchführung Projekte
dieser Art genutzt werde.
Projektdurchführung
Die Schüler durchlaufen im Wikiprojekt die fünf Stufen des Modells von Salmon.
Das Modell der Gruppenentwicklung nach Salmon (2002) gestaltet sich dabei wie
folgt:
Die erste Stufe ist die des Zugangs und der Motivation. Hier gilt es, mögliche
Hemmschwellen zu überwinden und die Schüler zur aktiven Mitarbeit
zu ermutigen, indem sie mit den technischen Voraussetzungen und der
Gruppenarbeit im Wiki selbst vertraut gemacht werden. In dieser Phase lernen
die Schüler das Wiki kennen. Es findet im Rahmen der Vorbereitung der
Klassenfahrt statt. Da die Schüler sich bereits seit einem Schuljahr kennen,
werden sich Gruppenstrukturen schnell etablieren.
In der zweiten Stufe befinden sich die Schüler in der Phase der Online-
Sozialisation. Die ersten Erfahrungen mit dem Wiki werden jetzt gefestigt, noch
unerfahrene Schüler machen hier erste Erfahrungen mit der aktiven Gestaltung
innerhalb von Social Software Technologien. Erfahrenere Schüler unterstützen
sie dabei. Hier werden die Gruppen verbindlich festgelegt. Es befinden sich
immer mindestens ein Experte und ein Novize in einer Gruppe. Um dies zu
18
gewährleisten, wird die Gruppenzugehörigkeit von der Lehrkraft zugewiesen.
Dabei sollten soziale Präferenzen möglichst beachtet werden.
Die dritte Stufe ist die Stufe des Informationsaustausches. Hat sich eine
kooperationsfähige Gruppe etabliert, kann mit dem Informationsaustausch in der
Gruppe begonnen werden, indem Informationen zusammengetragen und als ein
Gruppenergebnis präsentiert werden können. Dies kann in den Einzelgruppen
unterschiedlich lange Zeit beanspruchen.
Erst auf der vierten Stufe, der Stufe der gemeinsamen Wissenskonstruktion,
kommt es zu einer inhaltlichen Diskussion der Lerninhalte, und erst hier wird das
bisher Erlernte mit der eigenen Lebenswelt vernetzt.
Die fünfte und abschließende Stufe ist die der Entwicklung und Übergabe der
Moderation an die Schüler – Art der Moderation, Medium und Methodik werden
hier jetzt allmählich an die Schüler übergeben und die Verantwortung für den
Verlauf liegt bei den Schülern und nicht mehr ausschließlich beim Lehrer.
Das Fünf-Stufen-Modell bildet die Basis der didaktischen Überlegungen zum
Wikiprojekt. Konkretisiert bedeutet dies, dass der Einstiegsprozess eng begleitet
wird, um Verunsicherung mit der neuen Lernumgebung schon zu Beginn des
Projektes zu vermeiden. Es ist notwendig Gesprächsregeln, wie sie auch im
normalen Unterrichtsgeschehen greifen, auf die Kommunikation im Wiki zu
übertragen und diese gemeinsam mit den Schülern zu erarbeiten. Dies setzt eine
genaue Vorplanung und Zeitpuffer voraus, wenn Probleme auftauchen.
Da in der inklusiven Bildung oftmals Sonderpädagogen den Unterricht
mitgestalten, müssen auch diese die Wikinutzung technisch beherrschen
und das Wikiprojekt als solches befürworten. Hier wird demnach nicht
nur die Schülerkooperation, sondern auch die Kooperation der beteiligten
Lehrkräfte über die Fächer hinaus bis in den sonderpädagogischen Bereich
hinein abverlangt. In diesem Unterrichtssetting sind im Rahmen von
Schulentwicklungsprozessen bereits die Grundlagen für kooperatives Arbeiten
auch unter den Lehrkräften geschaffen worden und Teamstrukturen haben
sich etabliert. Neben Lehrerfortbildungen zum inklusiven Unterricht aus den
Themenfelder „Guter Unterricht“, „Lernförderliche Unterrichtsbedingungen
im inklusiven Unterricht“, „Umgang mit Störungen“, „Kollegiale Fallberatung“
und „Kooperatives Arbeiten“ wurde die Zusammenarbeit mit dem
Kompetenzzentrum und den eingesetzten Sonderpädagogen des Gemeinsamen
Unterrichts und der Prävention intensiviert. Auch die Sonderpädagogen nahmen
an den Fortbildungen teil.
An Schulen, in denen bisher wenig Basisarbeit in Form von Schul-
19
und Unterrichtsenwicklungsprozessen zum Thema Medienbildung und
Inklusion geleistet wurde, kann ein Wikiprojekt dieser Art bereits im Vorfeld
schwerwiegende Probleme aufwerfen und ist nicht zu empfehlen.
Auch für die Schüler ist die Form des kooperative Lernens oftmals eine neue
Lernerfahrung, die zu Irritationen führen kann. Daher gilt es auch, die Schüler
an die neue Methode heranzuführen, bevor fachlich in das Thema eingestiegen
wird. Um dem Ansatz der Inklusion gerecht zu werden sind die Aufgaben, die die
Schüler durch das Projekt begleiten, in der Regel offen gestellt und ermöglichen
Lösungen in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden sowie auf unterschiedlichen
Lösungswegen.
Aus der Unterrichtspraxis heraus zeigte es sich, dass eine oft gestellte Frage
in Bezug auf dieses Wikiprojekt ist, wie Schüler mit geringer Schreib- und
Lesekompetenz individuell gefördert und zur Mitarbeit aktiviert werden. Mögliche
Lösungsansätze sind, dass Mitschüler die bereits verfassten Artikelfargmente
vorstellen und präsentieren und den Schüler bereits im Entstehungsprozess
des Artikels aktiv mit einbeziehen. Der Schüler kann darüber hinaus im
Rahmen seiner Möglichkeiten Artefakte erstellen die auditiv oder visuell ins
Wiki eingebunden werden. Dies fördert zudem die Kooperationskompetenz
der Mitschüler, in dem sie selbst kreative Ideen entwickeln müssen, wie
der Schüler in das Arbeitsgeschehen mit einbezogen werden kann. Die
Schüler erhalten somit Verantwortung für ihre Gruppe, alle mit ein zu
beziehen und zu unterstützen (gerade bei schwierigen Schülern kann diese
Unterstützungsrolle gute Effekte haben) und die Leistungsmotivation einen Teil
zum Gruppenergebnis zu liefern, fördert die intrinsische Motivation von lese-
und schreibschwächeren Schülern. Kritisch sei hier anzumerken, dass dies
nicht immer gelingt und auch den Idealfall abbildet. Faktoren wie Klassenklima,
Selbstwirksamkeit des Einzelschülers, Lehrer-Schüler-Beziehung fließen hier mit
ein und beeinflussen den Lernerfolg.
Darüber hinaus darf das Wiki nicht isoliert gesehen werden: die Nutzung des
Wikis wurde als Ergänzung zur Bearbeitung im traditionellen Unterricht und
weiteren Formen des mediengestützen Unterrichts konzeptioniert. Die Vor- und
Nachbereitung der Klassenfahrt findet nicht ausschließlich im Wiki statt. Das
Wiki dient als zusätzliches Werkzeug im Rahmen des inklusiven Unterrichts, und
stellt ein beispielhaftes Unterrichtssetting dar, um aufzuzeigen wie individuelle
Lernpfade mit Medien und Web 2.0 Technologien gestaltet werden können und
in welcher Form sie den individualisierten Unterricht unterstützen können.
20
Ausblick und Fazit
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass ein inklusives
Bildungssystem für alle Schüler gleichermaßen qualitativ hochwertige
Bildung ermöglichen muss, um somit der sozialen und digitalen Kluft durch
Bildungsbenachteiligung entgegenzuwirken. Medienbildung in der Schule alleine
reicht nicht aus – die soziale Kluft überträgt sich, wie oben beschrieben aus
dem sozialen in den digitalen Raum. Inklusive Bildung ist notwendig, um soziale
Bildungsbenachteiligung zu überwinden. Dies muss losgelöst vom dreigliedrigen
Schulsystem in heterogenen Lerngemeinschaften erfolgen. Dazu muss
Heterogenität akzeptiert und als Chance begriffen werden. Erst die Kombination
von Inklusion und Medienbildung schafft als e-Inklusion eine Schnittmenge, die
allen Schülern die Möglichkeit der Partizipation am gesellschaftlichen Leben
bereitstellt.
Inklusion bedeutet dabei nicht, allen das Gleiche zu lehren, sondern zieldifferent
zu arbeiten und Lernkompetenz aufzubauen, welche die Grundlage für
lebenslanges Lernen darstellt. Die neuen IKT müssen konstruktiv und kritisch
genutzt werden, denn sie sind ein wesentlicher Bestandteil der Lebenswelt aller
Schüler geworden und prägen nicht nur die Lebensgestaltung, sondern auch
die Bewältigung von Entwicklungsaufgaben. Der kompetente Umgang mit IKT
ist nach Luder nicht nur eine unabdingbare Voraussetzung zur Bewältigung
von Entwicklungsaufgaben, sondern auch eine Vorbereitung auf die berufliche
Zukunft und eine Möglichkeit zur Kompensierung individueller Defizite (Luder,
2003, S. 9 ff.).
Will man IKT in den Unterricht integrieren, muss Unterricht neu gedacht werden –
die neuen IKT können somit zum Motor für Schulentwicklungsprozesse werden.
Wie die Studienergebnisse oben zeigten ist die Integration von neuen Medien
in den Unterricht noch nicht sehr fortgeschritten, zeigt aber bereits breite
Akzeptanz bei den Lehrkräften. Es gilt Best-Practice-Beispiele zu entwickeln, die
die Umsetzung in den Unterricht vereinfachen und unterstützen. Neue Medien
haben ein großes lernförderliches Potential, welches an Förderschulen bereits
erkannt wurde. Jetzt gilt es, dieses auch im Bereich der inklusiven Didaktik zu
implementieren.
Einschränkend sei hier noch zu erwähnen, dass es auch in diesem
Unterrichtssetting lediglich Schüler des Förderbereiches Lernen gab. Das Setting
kann per Definition nicht als echtes „inklusives Unterrichtssetting“ betrachtet
werden, da es sich auf einen Förderbereich beschränkt, diesen zudem auch
21
kategorisiert und nicht an einer inklusiven Schule per se durchgeführt wird,
sondern an einer Gesamtschule, welche an ein Kompetenzzentrum angebunden
ist und Gemeinsamen Unterricht und Präventionsarbeit leistet. Trotz alledem
ist es der Weg zur inklusiven Bildung. Es sind erste Schritte in einem langen
Prozess, ähnlich dem der Integration von Medienbildung in der Schule.
Das hier dargestellte mediengestützte inklusive Unterrichtssetting soll nur einen
Ausschnitt der Möglichkeiten liefern, wie Medienbildung konkret im inklusiven
Unterricht umgesetzt werden kann, um e-Inklusion zu fördern. Darüber hinaus
gibt es noch weitere Web 2.0 Tools wie Weblogs, Podcast, Twitter usw., die
je nach Passungsbedarf ins Unterrichtgeschehen integriert werden können.
Oftmals fehlt dazu nur der richtige Anreiz, die Idee, die Unterstützung, um
Projekte dieser Art zu verwirklichen. Haben sie sich jedoch einmal bewährt und
wurde der Mehrwert für Schüler, Lehrer und Eltern deutlich, finden sie auch
weiterhin Anwendung2. Das gleiche gilt für inklusiven Unterricht, sind Ängste
durch Transparenz genommen und Akzeptanz geschaffen, kann Inklusion mit
viel Einsatz und Innovation gelingen.
2 Beispielhaft ist hier ein Podcastingprojekt zu nennen, welches ebenfalls als fächerübergreifendes Projekt in einer Grundschule konzipiert und durchgeführt wurde. Nachdem der erste Podcast eng angeleitet durch meine Person mit dem Klassenlehrer erstellt wurde, verringerte sich die nötige Hilfestellung im zweiten Projekt deutlich. Weitere Podcasts wurde alleine erstellt und auch andere Lehrer dieser Grundschule versuchen sich jetzt im Podcasting. http://podcastingindergrundschule.blogspot.com/ 22
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AbbildungsverzeichnisAbbildung 1: Inklusion und Medienbildung als Schnittstelle zur e-Inklusion. Eigene Darstellung. 13
TabellenverzeichnisTabelle 1: Problematiken und Lösungsstrategien zum WIKI-Einsatz im Unterricht. Eigene Darstellung. 18
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