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G 0 2531 NR. 16 / PREIS 2,30

DEUTSCHLANDS WIRTSCHAFTS- UND FINANZZEITUNGDow Jones 12720.48 +0.76% S&P 500 1315.38 +0.07% Euro/Dollar 1.2931$ -0.29% Euro/Pfund 0.8304 -0.83% Euro/Yen 99.62 -0.37% Brentl 109.63$ -1.13% Gold 1666.65$ +0.50%

MONTAG 23. JANUAR 2012

Dax 6404.39 -0.18%

Euro Stoxx 50 2426.96 -0.33%

Bund 10J. 1.929% +0.069PP

US Staat 10J. 2.025% +0.048PP

*

Die ZweiklassengesellschaftDie Ertragsschtzungen des Handelsblatts fr das Geschftsjahr 2011 zeigen: Die Spitzengruppe, angefhrt von VW, BMW und SAP, erzielt historische Rekordgewinne, derweil Lufthansa, Heidelbergcement und die Finanzdienstleister sich von ihren goldenen Zeiten weit entfernt haben.Ulf Sommer Dsseldorf

TOP-NEWS DES TAGES

Thyssen-Krupp: Die Kritik der AktionreDie Hauptversammlung war fr Aufsichtsratschef Gerhard Cromme Seite 28 eine Herausforderung.

+ 71%11 69

Star-konom Rogoff fordert NeuanfangDer Harvard-Professor nennt die Arbeit der eigenen Zunft im Interview sehr, sehr erfolglos. Rogoff ist einer der Hauptredner der heute beginnenden Konferenz konomie neu denken von Handelsblatt und Stifterverband.SEITEN 22, 23

WBelgien 2,90 Frankreich 3,40 Grobritannien 3,00 GBP Luxemburg 2,90 Niederlande 2,90 sterreich 2,90 Polen 18,40 PLN Schweiz 5,00 CHF Tschechien 115,00 CSK Ungarn 950,00 FT Slowakei 2,90

enn der Softwarekonzern SAP am Mittwoch die Bilanz des Geschftsjahres 2011 zieht, wird sich das Interesse der Aktionre in Grenzen halten. Denn das Ergebnis fllt so herausragend aus, dass die Walldorfer es sich nicht nehmen lieen, die ffentlichkeit schon am 13. Januar ber die Eckdaten des besten Ergebnisses der Firmengeschichte zu informieren: Der operative Gewinn stieg um fast 100 Prozent. SAP ist in der Knigsklasse der deutschen Wirtschaft, das sind die im Deutschen Aktienindex notierten Grokonzerne, keine Ausnahme. Insgesamt werden elf der 30 Unternehmen im vergangenen Jahr so viel verdient haben wie noch nie. Das belegen Berechnungen des Handelsblatts in Zusammenarbeit mit der Analyseabteilung der Commerzbank. Mit Abstand an der Spitze steht Volkswagen. Die Wolfsburger erwarten einen Nettogewinn von gut elf Milliarden Euro, ein Plus von 71 Prozent im Vergleich zum bisherigen Rekordgewinn. Damit erwirtschaftet der Konzern unter Fhrung von Martin Winterkorn fast so viel Gewinn, wie der Konzern unter Fhrung von Carl Hahn in den 80er-Jahren Umsatz machte. Rang zwei belegt BMW mit einem Gewinn von fast 5,1 Milliarden Euro. Das ist 13-mal so viel wie 1992, am Ende der ra des legendren Eberhard von Kuenheim. Auf Platz drei folgt der Gesundheitskonzern Fre-

+ 58% 8% + 27% + 23% %

Gewinner und VerliererRelative Strke und Schwche der Dax-Konzerne: Entwicklung des Nettogewinns im Vergleich zum jeweiligen Rekordgewinn des Unternehmens

Deutsche Heidelberg LuftCement hansa Bank 6 835 3 218 660 Fresenius Freseniu 2 694 SAP 5 074 BASF 13 513 1 529 1 010 Volkswagen BMW Volkswage MW

Commerz- Munich Re bank 1 904 3 855

alter Rekordgewinn

Mittelstand: Vielfalt ist gefragt- 66% - 66% - 69% - 69% - 80%Der Mischkonzern Freudenberg ist in Familienhand und wird bald von Seite 30 einem Iraner gefhrt.

*Prognose; Handelsblatt | Quelle: Commerzbank, Factset, Bloomberg, HB-Research

4 648 Mio.

518 Mio.

311 Mio.

584 Mio.

762 Mio.

senius, er steigerte den Rekordgewinn um 27 Prozent. Unter den Rekordgewinnern finden sich vorrangig die Globalisierungsgewinner, sagt Commerzbank-Bilanzspezialist Andreas Hrkamp. Tatschlich profitieren neben VW, BMW und SAP auch Konzerne wie BASF und Fresenius von der Tatsache, dass sie mittlerweile mehr als 75 Prozent ihres Umsatzes im Ausland erwirtschaften. Das macht sie von Konjunkturschwankungen in Deutschland weitgehend unabhngig und lsst sie am berproportionalen Wachstum der letzten zehn Jahre in China (530 Prozent), Indien (400) und Brasilien (440) teilhaben. Spiegelbildlich dazu stehen weniger globalisierte Konzerne mit hohem Umsatzanteil in Deutschland

auf der Schattenseite der Dax-Unternehmen. Bei RWE und Deutscher Telekom wird der Gewinn gut ein Drittel niedriger ausfallen als zu Rekordzeiten. Ein Engagement in den Schwellenlndern ist zwar kein Erfolgsgarant, sagt Thomas Harms, Partner bei der Wirtschaftsprfungsgesellschaft Ernst & Young. Wer sich aber in den letzten Jahren vor allem auf Deutschland und Europa konzentrierte, hat massiv Wachstumspotenziale verspielt. RWE erwirtschaftet nur 46 Prozent ihres Umsatzes im Ausland im Schnitt kommen die DaxKonzerne auf fast 70 Prozent. Heidelbergcement, Lufthansa und Thyssen-Krupp blieben im Jahr 2011 sogar mehr als 50 Prozent hinter ihrem einstigen Spitzengewinn zurck nicht zuletzt wegen Missmanagements und Fehlinvesti-

Gewinner und Verlierer Seiten 6, 7 Siemens-Bilanzcheck Seiten 8 bis 11

Endspiel um GriechenlandMerkel und Lagarde beraten Hilfspaket. Ackermann kritisiert den Schuldenschnitt.

Schlecker-Insolvenz: Tage der Ungewissheit

K

anzlerin Angela Merkel hat gestern erneut Christine Lagarde, Chefin des Internationalen Whrungsfonds, getroffen. Dabei ging es um die Frage, ob Griechenland die Voraussetzungen fr das zweite Hilfspaket erfllt, hie es in Regierungskreisen. Heute beraten die Euro-Finanzminister ber das 130-Milliarden-Euro-Programm. Sie erwar-

Christine Lagarde und Angela Merkel

ten ein Ergebnis zum Schuldenschnitt in Griechenland. Die Verhandlungen zwischen Athen und dem internationalen Bankenverband IIF kamen am Wochenende voran. Im Gesprch ist nun ein Forderungsverzicht von bis zu 70 Prozent. Geplant waren 50 Prozent. Umstritten ist weiter der Zinssatz fr neue griechische Staatspapiere. DeutscheBank-Chef Josef Acker-

mann sieht den Schuldenschnitt kritisch: Die Erwartung war, dass Staatsanleihen zu 100 Prozent zurckgezahlt werden: Dieses Prinzip wurde verletzt und zwar entgegen allen zuvor gemachten Aussagen. Griechenland ist auf das zweite Hilfspaket angewiesen. Im Mrz muss Athen auslaufende Staatsanleihen bedienen, andernfalls droht der Staatsbankrott. Thomas Mirow, Chef der Osteuropa-Bank, warnt im Handelsblatt-Interview vor einem HB solchen Szenario. Schwerpunkt Seiten 18,19

A

nton Schlecker, dem Grnder der gleichnamigen Drogeriemarktkette, stehen schwierige Tage bevor. Das Unternehmen aus dem schwbischen Ehingen mit rund 7 000 Filialen in Deutschland wird eigenen Angaben zufolge heute oder morgen einen Antrag auf Planinsolvenz beim Amtsgericht Ulm einreichen. Die Zukunft der Drogeriemarktkette, die rund 30 000 Mitarbeiter beschftigt, ist damit ungewiss. Der langjhrige Branchenprimus steht vor dem Aus. Jahrzehntelang konnte sich Schlecker gegen Konkurrenten wie dm und Rossmann

dpa, PR, Mart Klein

tionen. Bei Siemens ging der Nettogewinn im Vergleich zum Spitzenjahr 2000 um 30 Prozent zurck. Unterm Strich verbuchten die Mnchener aber noch ein Plus von 6,1 Milliarden Euro. Die Teilung der Grokonzerne in zwei Klassen zeigt sich auch darin, dass die elf Spitzenkonzerne 2011 mit 37,2 Milliarden Euro mehr als die Hlfte des Gesamtgewinns aller 30 Dax-Konzerne von 73 Milliarden Euro erzielten. Und diese Zweiteilung, darin stimmen Unternehmen und Analysten berein, wird nach 2011 auch das Jahr 2012 prgen. Die Soziologen wrden sagen: Die Zweiklassengesellschaft ist strukturell verhrtet.

Chinas Angst vor GeisterstdtenObwohl der Bedarf an Immobilien lngst gedeckt ist, geht der Bauboom weiter. Nun fallen erstmals die Preise. Seite 34 Wann platzt die Blase?

Handelsblatt GmbH Abonnentenservice Tel. 0180 599 00 10 (0,14 /Min. a. d. dt. Festnetz, Mobilfunkhchstpreis 0,42 /Min.), Fax 0211 887 3605, [email protected]

Wulff findet in sein Amt zurckDer in die Kritik geratene Bundesprsident Christian Wulff hat in Berlin vor Publikum Rede und SEITE 54 Antwort gestanden.

Kornblum beklagt SprachlosigkeitDer frhere US-Botschafter fordert Regierungen und Firmen auf, sich besser miteinander zu verstndigen. Seite 56

durch Wachstum behaupten. Doch als die kritische Masse an Filialen erreicht war und die Umstze sanken, begannen die Schwierigkeiten. Schlecker schaffte es nicht, sich aus dem Abwrtsstrudel zu befreien. Das knnte nun auch fr Anton Schlecker persnlich Konsequenzen haben: Der 67-Jhrige ist alleiniger Inhaber der Drogeriemarktkette und als solcher knnte er nun in die Pflicht genommen werden. Experten sehen das Privatvermgen Schleluki ckers in Gefahr. Kommentar, Bericht Seiten 13, 26

Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected].

Stand: Schluss

2 INHALTMrkte im berblick Dax6400 6300 6200 6100 16.1.12 in Punkten 20.1.

*

MONTAG, 23. JANUAR 2012, Nr. 16 ******

3Handelsblatt-Leser stellen sich vor: Jrg Nolte

Titelgeschichte

handelsblatt.com+++ Liveticker, Reportagen, Analysen, Interviews +++handelsblatt.comDie meistgelesenen ArtikelMartin Schutt/dpa, HSB, action press, dapd, dpa, ap, PR (2)

Die Zweiklassengesellschaft der GrokonzerneMorgen erffnet Siemens die Bilanzsaison der Dax-Konzerne. Die Mnchener erzielten in ihrem bereits Ende September beendeten Geschftsjahr ein Ergebnis von 6,1 Milliarden Euro der hchste Gewinn seit dem Rekordjahr 2000. Siemens zhlt wie VW, BMW und SAP zur Spitzengruppe der DaxKonzerne. Verlierer sind die Banken, Lufthansa und Heidelbergcement. Schwerpunkt Seiten 6, 7

Verlierer der Zulassungsstatistik

Die Auto-Modelle, die keiner lieb hatIm Jahr 2011 hat der VW Golf 258 059 Kunden zu einer Unterschrift unter einen Kaufvertrag verfhrt. Beim Infiniti EX37 waren es ganze 30 ein Blick auf die Modelle mit den zweistelligen Zulassungszahlen.Streitfall des Tages

1

Dow Jones12700 12600 12500 12400 17.1.12 in Punkten 20.1.

Reine Personengesellschaft Die Rechtsform wird zu Schleckers Fluch

2

Fonds Fondsmanager bringen das Geld in Sicherheit

Wie Erbschleicher Vertrauen missbrauchenWeil sie auf Hilfe angewiesen sind, stellen immer mehr ltere Menschen eine Vorsorgevollmacht fr Personen ihres Vertrauens aus. Oft wird dieses Vertrauen von Erbschleichern missbraucht. Was Erben wissen mssen.Video

Euro Stoxx 502430 2385 2340 2295 16.1.12

3

Immobilien Wo es die gnstigste Baunanzierung gibt

2in Punkten 20.1.

Wirtschaft im berblickARBEITSMARKTZeitarbeit entzweit die Tarifparteien Ringen um den SchuldenschnittSeit Freitag verhandeln die Banken, die EU, der IWF und Griechenland ber Details fr einen Schuldenschnitt. Heikel ist die entscheidende Seite 18 Frage: der Zinssatz.

Energiewende Das Stromnetz wird instabil

1,30 1,28 1,26 16.1.12

HANDELFamilie Schlecker verliert ihr LebenswerkHeute, sptestens morgen, wird die grte Drogeriemarktkette Deutschlands Insolvenz beantragen. Mglich ist, dass Finanzinvestoren bei dem Seite 26 Unternehmen einsteigen.

Portrt: Internet-Millionr hinter GitternDer umstrittene Unternehmer Kim Schmitz verbringt seinen GeburtsSeite 55 tag im Gefngnis.

3

Griechenland Der Schritt zum Schnitt

Extra-Power im Straenanzug dafr steht bei BMW der Buchstabe M. 560 PS im Praxistest. Alle oben genannten Beitrge finden Sie unter www.handelsblatt.com/thema

Valery Kloubert fr Handelsblatt

Euro

Der BMW M5 im Fahrtest

US$ je Euro

20.1.

10-jhrige Bundesanleihe1,92 1,86 1,80 1,74 16.1.12 Rendite in % 20.1.

Die Gewerkschaften IG Metall und IG BCE bereiten sich auf anspruchsvolle Lohnrunden vor. Bei beiden belastet ein Streit um Zeitarbeit das Verhltnis zu den ArbeitgeSeite 16 bern.

Die Handelsblatt-Seite auf Facebook: www.facebook.com/handelsblatt

Es ist nicht immer ein gutes Omen, wenn man Jrg Nolte trifft. Denn der Geschftsfhrer von rw-konzept reist vor allem dann durch die Republik, wenn es vielen Firmen schlechtgeht. Er kmmert sich um die Kommunikation von Unternehmen, die sich in der Krise befinden. Dann sitzt der gebrtige Sauerlnder vier von fnf Tagen im Flugzeug oder Zug und liest das Handelsblatt ganz klassisch, aber

Gott sei Dank mittlerweile im zugfreundlichen Format, sagt der 33-Jhrige. Zuerst schaut er meist auf den Pinocchio des Tages und hat sich dabei auch schon einmal gergert. Da hat Nolte einen Kunden dort entdeckt, dem seines Erachtens zu Unrecht eine lange Nase verpasst wurde. Denn der Kunde hatte nach bestem Wissen und Gewissen eine Prognose abgegeben, die sich ein-

fach nicht bewahrheitet hatte. Ansonsten interessiert sich Nolte vor allem fr Unternehmens- und Branchengeschichten. So wei er, ob das Wirtschaftsgeschehen ihm neue Kunden zufhrt. Einige Redakteure wie Christoph Schlautmann aus dem Unternehmensressort kennt er persnlich. am Sie erreichen Jrg Nolte unter: [email protected]

KONJUNKTURMerkel ist gegen Wachstum auf PumpDie Bundeskanzlerin ist zuversichtlich fr die deutsche Konjunktur in Seite 4 diesem Jahr.

Interview: Sehr elegant, aber sehr, sehr erfolglosDer Star-konom Kenneth Rogoff fllt im Gesprch mit HandelsblattRedakteur Dirk Heilmann ein vernichtendes Urteil ber die Anwendung der herrschenden wirtschaftswissenschaftlichen Modelle in der Praxis. Als Lehre aus der Finanzkrise sei ein Neuanfang dringend erforderSeite 23 lich.

Kampfansage aus Japan an den Internethndler AmazonDer japanische Internethndler Rakuten will den US-Konzern in Europa im wachsenden Markt der E-Books attackieren, kndigt der Grnder Hiroshi Mikitani an. Seite 29

In dieser AusgabeNAMENSINDEX

Gold1670 1650 1630 16.1.12

AUTOMOBILFreudenberg: Auslnder rein!Der Autozulieferer ist so international wie kaum ein anderes deutsches Familienunternehmen. In diesem Seite 30 Jahr wird ein Iraner Chef.

KONSUMGTERDer Drache und das BabyIn China beginnt das Jahr des Drachen. Das Tier steht fr Glck weshalb viele Familien Nachwuchs planen. Die Konsumgterhersteller erSeite 21 warten gute Geschfte.

Ackermann, Josef Aigner, Ilse Albrecht, Jaan Baroin, Francois Brunnermeier, Markus Cameron, David Caspar, Johannes Clinton, Hillary Coyle, Diane Cromme, Gerhard Dallara, Charles Draghi, Mario Falk, Armin Fitschen, Jrgen Friedrich, Hans-Peter Glaeseker, Olaf Goodwin, Fred Hausmann, Peter Hennerkes, Brun-Hagen Hiesinger, Heinrich Huber, Berthold Hther, Michael Jain, Anshu Joffe, Josef

34/35 16/17, 24/25 28/29 20/21 22/23 20/21, 54/55 24/25 16/17 22/23 28/29 18/19 18/19 22/23 34/35 24/25 4/5 54/55 16/17 30/31 28/29 16/17 22/23 34/35 54/55

US$ je Feinunze

20.1.

BANKENCommerzbank wehrt sich gegen BonusklageIn dieser Woche beginnt vor dem Londoner Gericht Royal Court of Justice der Prozess ber die angeblichen Ansprche ehemaliger InvestSeite 34 mentbanker.

Beteiligungskapital sucht den Erfolg in den NischenDie Private-Equity-Branche hatte es im vergangenen Jahr schwer und wird es dieses Jahr noch schwerer haben. Nur im Mittelstand locken Seite 36 Chancen.

HAUSHALTFinanztransaktionssteuer: Eine Brcke fr die BritenErst Brsensteuer, dann Finanzmarktsteuer, lautet die Idee von Franzosen und Deutschen, um die Briten doch noch von ihrem Plan zu berzeugen. Nicht klar ist, ob die Steuer nur auf Aktien- oder auf alle TransakSeite 20 tionen fllig wird.

Sarkozy, Nicolas 18/19, 20/21 Schaar, Peter 24/25 Schlecker, Anton 26/27 Schmettow, Carola Grftin von 54/55 Schmidt, Manfred 4/5 Schulz, Ekkehard 28/29, 54/55 Schwab, Klaus 4/5 Schuble, Wolfgang 20/21 Semeta, Algirdas 20/21 Straub, Markus 54/55 Tabara, Valeriu Westerwelle, Guido Willsch, Klaus-Peter Wowereit, Klaus Wulff, Christian Wyman, OliverUNTERNEHMENSINDEX

Tops und Flops der Woche CommerzbankKurs: 1,74 Euro

Zwischen Shopping-Queen und Spar-MarktGuido Maria Kretschmer ist in Berlin ein echter Mode-Star. Dabei entwirft der Mittelstndler fast nur BerufsuniSeite 30 formen.

24/25 16/17 18/19 16/17 4/5, 54/55 20/21

Vernderung:

+21,27 % +12,33 % +12,28 % +4,25 % +0,31 % -0,25 % -23,7 %

LufthansaKurs: 10,14 Euro

Nachgerechnet: Solar MillenniumDie Pleite von Solar Millennium hat Zigtausende Anleger getroffen. Hoffnung auf einen raschen Schadensersatz sollten sie sich nicht Seite 38 machen.

Die kleinen Lnder Europas proben den AufstandDie Euro-Lnder Luxemburg und Slowenien stellen sich mit Kampfkandidaturen gegen Spaniens Anspruch auf einen dauerhaften Sitz im Direktorium der Europischen ZenSeite 35 tralbank.

IMMOBILIENChinas Angst vor GeisterstdtenObwohl der Bedarf an Wohnungen und Bros lngst gedeckt ist, geht der Bauboom weiter. Nun fallen erstmals die Immobilienpreise. Wann Seite 34 platzt die Blase?

STAHLINDUSTRIEGerhard Cromme spricht sich von Schuld freiThyssen-Krupp-Aufsichtsratschef Gerhard Cromme stellt sich hinter den zurckgetretenen Ekkehard Schulz. Mit seiner Ehrenerklrung fr den langjhrigen Konzernchef verstrickt sich Cromme aber in einen WiSeite 28 derspruch.

Vernderung:

Amazon Austrian Airlines Commerzbank Deutsche Brse Deutsche-Bank Ehrmann Facebook General Electric Google IBM Intel Lufthansa Megaupload Microsoft Rakuten Royal Bank of Scotland Schlecker Schwbisch Hall Siemens Solar Millennium Solon Talanx Thyssen-Krupp Twitter Vion Hilden VW Warta Wikipedia

28/29 28/29 34/35 36/37 34/35 30/31 24/25 8/9 24/25, 32/33 26/27 26/27 28/29 54/55 26/27 28/29 54/55 26/27 36/37 8/9, 26/27 38/39 32/33 36/37 28/29, 54/55 32/33 32/33 26/27 36/37 32/33

Deutsche BankKurs: 32,65 Euro

Vernderung:

Anlegerschtzer im Visier der StaatsanwlteGegen Harald Petersen, Ex-Vorstand bei der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK), wird wegen Mittterschaft bei Marktmanipulationen Seite 54 ermittelt.

Dax-30Punkte: 6404,39 Vernderung:

Banken legen ihre Kapitalisierungsplne vorDeutsche Kreditinstitute gehen davon aus, die Vorgaben der europischen Finanzaufsicht Eba zu erfllen. Die Plne im Einzelnen. Seite 37

INFORMATIONSTECHNIKKritik am Datenschutzpaket der EUDeutsche Datenschtzer frchten, dass mit der geplanten EU-Richtlinie nationale Standards abgeschwcht Seite 24 werden.

Portrt: Die neue Aufseherin bei Thyssen-KruppDie Bankerin Carola Grfin von Schmettow ersetzt Ekkehard Schulz Seite 55 im Aufsichtsrat.

Kirchberg, Thomas 24/25 Kramp-Karrenbauer, Annegret 16/17Kretschmer,Guido Maria 30, 31

Knast, Renate Lafontaine, Oskar Lammert, Norbert Lscher, Peter Maas, Heiko Mayer, Thomas McAllister, David Merkel, Angela Mikitani, Hiroshi Mirow, Thomas Monti, Mario Papademos, Lucas Petersen, Harald Pich, Ferdinand Prasad, Anil Putin, Wladimir Reding, Viviane Rsler, Philipp

16/17 16/17 18/19 8/9 16/17 22/23 4/5 18/19, 20/21 28/29 24/25 18/19 18/19 54/55 26/27 20/21 16/17 24/25 20/21

EonKurs: 16,23 Euro

GESUNDHEITEine Pharma-Malaise auf japanischUm seine Margen zu verteidigen, muss der japanische Pharmakonzern Takeda die Kosten drastisch Seite 14 senken.

Unter Unverbesserlichenberraschendes Comeback: ExUBS-Chef Oswald Grbel tritt bei der nationalkonservativen SVP des Schweizer Rechtspopulisten ChrisSeite 37 toph Blocher auf.

ROHSTOFFEEU setzt auf ein lembargo gegen IranGemeinsam mit den USA will die EU die iranische Regierung unter Druck setzen. Auch weitere Syrien-SanktioSeite 17 nen sind geplant.

Vernderung:

Amerikanische IT-Konzerne lassen sich nicht bremsenIntel, Microsoft und IBM wachsen weiter und prognostizieren ein gutes Jahr 2012.Seite 27

Deutsche TelekomKurs: 8,88 Euro

Vernderung:

FINANZENRatingagenturen: Auf einem Auge blindDie Ratingagenturen klammern die Risiken aus der Inflation und einem sinkenden Wechselkurs aus, obwohl diese fr Investoren wichtig sind. So bevorzugen sie das angelschsische Seite 12 Modell.

Der richtige Schutz bei KrankheitPrivat oder gesetzlich? Das ist in der Krankenversicherung die groe Frage. Die Entscheidung sollte gut berlegt werden je nach Einkommen, Gesundheit und Seite 38 Lebensplanung.

RWEKurs: 26,98 Euro

Der Kampf um ein freies Internet geht weiterDas Silicon Valley hatte mit dem grten Internet-Protest der Geschichte Erfolg. Doch der Kampf um die Freiheit des weltweiten Netzes ist lngst nicht entschieden. Seite 32

Die Kornkammern Europas rcken in den BlickDie Weltbevlkerung wchst rasant. Und der europische Agrarmarkt hat groe Wachstumspotenziale im Seite 24 Osten.

Vernderung:

Tops und Flops: Vernd. letzte Handelswoche in % Handelsblatt Quelle: Bloomberg

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4 NACHRICHTEN DES TAGES

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MONTAG, 23. JANUAR 2012, Nr. 16 ******

5HEUTE VOR 10 JAHREN Kenneth Lay tritt als Chef des insolventen US-Konzerns Enron zurck23.1.2002: Mit dem Rcktritt als Chef des insolventen Energiekonzerns Enron endet die Managerkarriere von Kenneth Lay und der Weg vom gefeierten US-Firmenboss zu einem der grten Wirtschaftskriminellen. 1985 hatte Lay Enron gegrndet und binnen weniger Jahre in die Top Ten der US-Konzerne gefhrt und zum weltgrten Energiehndler gemacht. Sein Erfolg machte den Duzfreund des damaligen US-Prsidenten George W. Bush zum Liebling der Wall Street. Der tiefe Fall des Managers begann Ende des Jahres 2000, als die US-Brsenaufsicht aufdeckte, dass Enron mit Briefkastenfirmen seine Schulden verschleiert hatte. Im Dezember 2001 musste der Konzern Konkurs anmelden, mehr als 5 000 Mitarbeiter verlo-

Merkel gegen Wachstum auf PumpDie Bundeskanzlerin ist zuversichtlich fr die deutsche Konjunktur.Axel Schrinner DsseldorfStefan Michael Ukas/action press, Puchner/dpa, Kenneth Lambert/AP

US-Prsidentschaftskandidatur: Favorit Romney verliert VorwahlNewt Gingrich siegt berraschend in South Carolina.Markus Ziener Washington

F

r ein nachhaltiges Wachstum hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel im Vorfeld des Weltwirtschaftsforums in Davos ausgesprochen. Ich glaube, dass es kein Gegensatz sein muss, sagte Merkel in ihrer wchentlichen Videobotschaft. Das heit: Nicht ein Wachstum auf Pump, nicht ein Wachstum, in dem man Umweltressourcen immer weiter benutzt, ohne zu wissen, wie kommende Generationen auch noch solche Ressourcen nutzen knnen. Mit ihren uerungen setzt Merkel, die das Managertreffen erffnen wird, einen Kontrapunkt zum nordamerikanischen und chinesischen Modell. Whrend die USA mit immer greren defizitfinanzierten Konjunkturprogrammen versuchten, die Wirtschaftskrise zu berwinden, nahm China bei seinem konomischen Aufstieg bislang vor allem keine Rcksicht auf die Umwelt. Am Mittwoch beginnt in Davos das jhrliche Weltwirtschaftsforum. Im Mittelpunkt stehen die Schuldenkrisen und die politischen Umwlzungen. Das erwecke den Eindruck eines globalen BurnoutSyndroms, sagte der Prsident des

M

it einem berraschungssieg hat Newt Gingrich, der ehemalige Sprecher des US-Reprsentantenhauses, die Erfolgsserie von Mitt Romney bei der republikanischen Prsidentschaftskandidatur gestoppt. Bei den Vorwahlen in South Carolina distanzierte Gingrich den Favoriten Romney und verwies ihn mit einem Abstand von 13 Prozent auf den zweiten Platz. Den dritten Platz belegte mit 17 Prozent Rick Santorum. Der libertre Kandidat Ron Paul kam mit 13 Prozent auf den vierten Rang. Alle vier Bewerber wollen auch in Florida an den Start gehen, womit die

Wahl dort am Dienstag nchster Woche neue Bedeutung gewinnt. Gingrich konnte das Blatt vor allem durch seine Auftritte bei zwei Fernsehdebatten wenden. Noch vor einer Woche hatte der 68-Jhrige in den Umfragen klar hinter Romney gelegen. Doch whrend Gingrich als berzeugender Redner punktete, wirkte Romney blass und unsicher. Romney drfte zudem geschadet haben, dass er, anders als Gingrich, bei der Offenlegung seiner Vermgensverhltnisse lavierte. In South Carolina kamen Gingrich mehrere Faktoren zugute. Zum einen stieen seine konservativen Thesen in dem Sdstaat auf fruchtbaren Boden. Zudem ist er durch seine vie-

len Jahre als Abgeordneter aus dem benachbarten Georgia auch in South Carolina bekannt. Und schlielich profitierte er davon, dass sich die republikanischen Whler noch immer damit schwer tun, Romney als Spitzenkandidaten zu akzeptieren. Mit diesem Sieg drften auch Spender bereitwilliger ihre Kassen fr Gingrich ffnen. Geld bentigt Gingrich dringend, um den kostspieligen Wahlkampf in Florida bestreiten zu knnen. Ohne den Erfolg in South Carolina wre die Kampagne des Ex-Sprechers sehr wahrscheinlich schon allein aus finanziellen Grnden vorbei gewesen. Kommentar Seite 12

Kenneth Layren ihren Job. Im Mai 2006 wurde Lay wegen Verschwrung und Betrugs verurteilt. Sechs Wochen spter, noch vor Verkndung des Strafmaes, starb er an Herzversagen.

Kanzlerin Angela Merkel setzt auf nachhaltiges Wachstum.Weltwirtschaftsforums, Klaus Schwab. Die Welt im Umbruch bentige Reformideen, neue Modelle fr zeitgeme Fhrung in Politik und Wirtschaft. Der Kapitalismus in der bisherigen Form passt nicht lnger zu unserer Welt, diagnostizierte Schwab. Kanzlerin Merkel kann in Davos mit starken Wirtschaftsdaten glnzen. Der deutsche Arbeitsmarkt ist gesund, und das deutsche Haushaltsdefizit zhlt zu den niedrigsten in Europa. Whrend die Wirtschaftsleistung der Euro-Zone dieses Jahr schrumpfen drfte, wchst die deutsche Wirtschaft weiterhin deutlich. Die Bundesregierung rechnet damit, dass die Wirtschaftsleistung dieses Jahr jedes Quartal leicht zulegen drfte; im Gesamtjahr soll das Bruttoinlandsprodukt um 0,7 Prozent steigen. Damit wre das Wachstum freilich deutlich geringer als noch in den beiden Vorjahren. Das bedeutet, dass wir auch politisch darauf achten mssen, dass wir nichts machen, was Wachstum hemmt, sondern mglichst viel dafr tun, dass Wachstum vorangeht, sagte Merkel. Angesichts der guten Arbeitsmarktlage und der groen Nachfrage nach deutschen Produkten sei sie aber zuversichtlich fr die deutsche Konjunktur. Am Mittwoch wird das Mnchner Ifo-Institut Daten zum Geschftsklima verffentlichen. Volkswirte erwarten, dass der wichtigste Frhindikator fr die deutsche Wirtschaft das dritte Mal im Folge steigen wird. Sowohl die aktuelle Lage als auch die Geschftsaussichten drften von den Unternehmen besser als im Vormonat bewertet werden das wre ein deutliches Wachstumssignal.

Staatsschutz beobachtet linke AbgeordneteBERLIN. Die Linke wird vom Bundesamt fr Verfassungsschutz (BfV) intensiver ausgeforscht als bisher bekannt. Beobachtet werden 27 Bundestagsabgeordnete, das ist mehr als ein Drittel der 76-kpfigen Linkenfraktion, wie das Magazin Der Spiegel unter Berufung auf Angaben der Verfassungsschtzer gegenber dem Vertrauensgremium des Bundestags berichtete. Im Visier der Staatsschtzer seien nicht nur Mitglieder des radikalen Flgels, sondern auch viele Realpolitiker und fast die gesamte Fraktionsspitze. Beobachtet werden demnach Fraktionschef Gregor Gysi sowie seine erste Stellvertreterin Sahra Wagenknecht. Im Bundesamt fr Verfassungsschutz sind laut Spiegel sieben Mitarbeiter mit der Bearbeitung der Partei Die Linke beschftigt. Die jhrlichen Kosten fr das Personal beliefen sich auf rund 390 000 Euro. Fr die rechtsgerichtete NPD seien im Amt etwas ber zehn Stellen eingeplant mit Kosten von rund 590 000 Euro.

Islam-Parteien bernehmen MachtDas erste frei gewhlte Parlament in Kairo will eine neue Verfassung ausarbeiten.KAIRO. Bei der Parlamentswahl in gypten haben islamisch geprgte Parteien laut offiziellem Endergebnis fast drei Viertel der Mandate gewonnen. Laut Wahlkommission gewann ein Parteienbndnis unter Fhrung der Muslimbruderschaft 235 der insgesamt 498 Sitze, die ultrakonservative Al-Nur-Partei kam auf 125 Sitze. Eine Koalition zwischen den beiden gilt wegen ideologischer Differenzen als unwahrscheinlich. Die Al-Nur-Partei setzt sich etwa fr die Einfhrung islamischen Rechts ein. Die Muslimbruderschaft, die am besten organisierte politische Bewegung des Landes, hat angekndigt, ihr Weltbild und ihre Vorstellung von einer angemessenen islamischen Lebensweise nicht anderen aufzwingen zu wollen. Beide Organisationen haben eine lange Tradition von Sozialarbeit in Stadtteilen mit armen Bewohnern und lndlichen Gegenden. Das neue Parlament kommt am Montag zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Die Wahl war die erste seit dem Umsturz vor einem Jahr. Das Parlament wird ein Komitee ernennen, das sich mit der Ausarbeitung einer neuen Verfassung befassen soll. In drei Gngen whlten die gypter in verschiedenen Teilen des Landes seit Ende November die neue Volksvertretung. Im Sommer sollen Prsidentschaftsdapd wahlen abgehalten werden.

Chemie-Gewerkschaft will krftiges Lohnplus fordernBERLIN. Die Gewerkschaft IG BCE stimmt sich trotz abflauender Konjunktur auf eine hohe Lohnforderung fr die 550 000 Beschftigten der Chemieindustrie ein. Die Branche ist im vergangenen Jahr krftig gewachsen, und die Unternehmen verdienen nach wie vor viel Geld, sagte IG-BCE-Vorstand Peter Hausmann dem Handelsblatt. Das seien gute Argumente, um eine krftige Tariferhhung zu fordern. Die Chemie-Tarifrunde luft diesmal fast parallel zur Lohnrunde fr die Metall- und Elektroindustrie: Der Vorstand der IG Metall will seine Marschroute am 7. Februar bestimmen, am 14. Februar folgt die IG BCE. IG-Metall-Chef Berthold Huber hatte am Freitag fr faire und deutliche Lohnerhhungen pldiert. Beide Tarifrunden werden von Konflikten ber die Rolle dc der Zeitarbeit berschattet. Bericht, Interview Seite 16

PINOCCHIO DES TAGES

Wulff verteidigt Ex-SprecherIm Jahr 2012 werden wir Die SPD will die ehemalige Landesregierung von Niedersachsen verklagen. den Turn-around schaffen. Daniel Delhaes ben und im Gegenzug von Schmidt Mit den Fragen nachBerlin

Neuordnung der WAZGruppe ist perfektMNCHEN. Die Neuordnung der WAZ ist unter Dach und Fach. Petra Grotkamp wird 50 Prozent der Anteile an dem Medienkonzern bernehmen, die bislang die Enkel des WAZ-Mitbegrnders Erich Brost besaen. Testamentsvollstrecker Peter Heinemann hat bereits am Freitagabend seine Unterschrift unter die Vertrge gesetzt, berichteten Beteiligte am Sonntag. Die neue Eigentmerin Petra Grotkamp, die bereits 16,7 Prozent besitzt, werde im Laufe des Montagvormittags ihre Unterschrift leisten, hie es in Anwaltskreisen am Sonntagabend. Die WAZ-Gruppe ist mit 38 Zeitungen und 100 Zeitschriften (Gong) einer der grten Regionalverlage Europas. Der Umsatz liegt nach Angaben aus Unternehmenskreisen hps bei 1,1 Milliarden Euro.

Geschftsfhrer Lars Schlecker am 19.12.2011

B

Die Zuversicht war wohl etwas bertrieben, die Unternehmenslenker Lars Schlecker noch Ende vergangenen Jahres zeigte. Seine Drogeriemarktkette Schlecker ist insolvent. Das teilte das Unternehmen mit. Zuletzt hatten die Nachfolger von Firmenpatriarch Anton Schlecker, Lars und Meike, nach einem Investor gesucht offenbar vergebens. Schlecker schliet derzeit bundesweit Hunderte von Filialen, doch der Sparkurs reicht nicht aus. Der Insolvenzantrag werde kurzfristig eingereicht, heit es. Ziel sei der Erhalt eines groen Teils des Filialnetzes und damit auch der Arbeitspltze. Hoffentlich ist das nicht auch wieder bertriebene Zuversicht.

undesprsident Christian Wulff hat seinen ehemaligen Sprecher Olaf Glaeseker verteidigt. Auch fr Glaeseker gilt die Unschuldsvermutung, sagte Wulff am Sonntag in Berlin. Das Ermittlungsverfahren wegen Bestechlichkeit gegen Glaeseker, mit dem er befreundet sei, sei auch fr ihn keine einfache Sache. Er selbst habe sich fr seine Fehler entschuldigt. Auslser der neuen Debatte sind Details zur Veranstaltungsreihe Nord-Sd-Dialog, die in den Jahren von 2007 bis 2009 der Eventmanager Manfred Schmidt zwischen Niedersachsen und BadenWrttemberg organisiert hat. Hier soll Glaeseker aktiv mitgewirkt ha-

zu Gratisflgen und -urlauben eingeladen worden sein. Presseberichten zufolge hatte das Landwirtschaftsministerium dem Nord-Sd-Dialog 3411 Euro fr Bcher bezahlt, die den Besuchern von dessen privatem Veranstalter Schmidt geschenkt wurden. 2010 hatte Wulffs Staatskanzleichef erklrt, es habe fr die Veranstaltung keine Beteiligung oder Finanzierung des Landes gegeben. Wulffs langjhrigem engem Vertrauten Glaeseker wird zudem vorgeworfen, auf Landeskosten Studenten fr die Bewirtung der Gste des Nord-Sd-Dialogs angeheuert zu haben. Die Staatsanwaltschaft Hannover hatte Glaesekers Wohnung wegen der Vorwrfe letzte Woche durchsucht.

der Rolle des ehemaligen Regierungssprechers erhhen SPD und Grne in Niedersachsen nun den Druck auf Ministerprsident David McAllister (CDU). Die SPD kndigte am Wochenende an, sie wolle die ehemalige Landesregierung von Wulff vor dem Staatsgerichtshof verklagen, weil sie vermutlich doch an der Organisation und Finanzierung von Promi-Partys beteiligt gewesen sei. McAllister wies den Vorwurf der Falschinformation zurck. Die Regierung habe nach bestem Wissen informiert und werde sich ohne Rcksicht auf Personen an der Aufklrung beteiligen.

Christian Wulff im Gesprch mit Josef Joffe Seite 54

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6 DIE ZWEIKLASSENGESELLSCHAFT DER DAX-KONZERNE+ 71%11 694 Mio.

MONTAG, 23. JANUAR 2012, Nr. 16

7

+ 58%5 078 Mio.

Gewinner und VerliererRelative Strke und Schwche der Dax-Konzerne: Entwicklung des Nettogewinns im Vergleich zum jeweiligen Rekordgewinn des Unternehmens

+ 27% + 23%838 Mio. 3 307 Mio.

+ 18%988 Mio.

+ 15%836 Mio.

+ 10% + 10%1 345 Mio. 1 286 Mio.

+ 4%667 Mio.

+ 3%3 585 Mio.

+ 3%1 512 Mio.

+ 0%1 017 Mio.

Inneon 1 126

MAN 1 228

Beiersdorf 492

Deutsche Brse 1 033

Post 2 025

Daimler 7 894

Siemens Siemen 8 860

K+S 979

RWE 3 602

Telekom m 5 926

Allianz Allian 7 966

Eon n 5 598

Deutsche Heidelberg Bank Cement 13 513 1 529

Lufthansa 1 010

Commerzbank 1 904

Munich Re 3 855

ThyssenKrupp 2 195-1 291 Mio.

6 835

3 218

660 Fresenius reseniu

2 694 SAP

5 074 BASF

729 FMC

1 218 Henkel

1 166 Linde nd

644 didas Adidas

3 465 Bayer

1 463 Merck

1 019 Metro

Volkswagen BMW Volkswagen MW

- 1%1 119 Mio.

- 16%1 026 Mio.

- 18%404 Mio.

- 18%846 Mio.

alter Rekordgewinn

- 28%1 452 Mio.

- 29% - 30%5 566 Mio. 6 145 Mio.

- 32%668 Mio.

- 33%2 417 Mio.

Nicht darstellbar wegen negativem Nettoergebnis

- 50% - 54%2 966 Mio. 3 676 Mio.

- 57%2 391 Mio.

- 66%4 648 Mio.

- 66%518 Mio.

- 69% - 69%311 Mio. 584 Mio.

- 80%762 Mio.

*Prognose; Handelsblatt | Quelle: Commerzbank, Factset, Bloomberg, HB-Research

Gewinner: Autobauer und der Gesundheitskonzern FreseniusDas abgelaufene Geschftsjahr wird vor allem Volkswagen und BMW Rekorderlse und die grten Steigerungsraten bringen. Zusammen drften sie rund 16 Milliarden Euro verdient haben gut 20 Prozent des Ertrags aller 30 Dax-Konzerne. Volkswagen ist das Ma allen Erfolgs und zumindest 2011 unerreichbar fr den Rest der anderen im Dax gelisteten Konzerne. Die Wolfsburger drften im abgelaufePlatz 1: Volkswagen nen Jahr mehr als zehn Milliarden Euro netto verdient haben. Der bisherige Rekordgewinn liegt bei 6,8 Milliarden Euro. Grund fr den Boom ist die groe Nachfrage in China. Hier erhhte VW seinen Absatz im abgelaufenen Jahr um 18 Prozent auf 2,26 Millionen Fahrzeuge. In keinem anderen Land verkaufen die Wolfsburger mehr Autos und wachsen die Umstze so stark. Ebenso wie VW zhlt BMW bei den Anlegern auf Jahressicht zu den beliebtesten Aktien allen Abschwungssorgen der vielen Konjunkturpessmisten zum Trotz. BMW proPlatz 2: BMW fitiert vom selben Markt wie VW und der starken Nachfrage nach groen Luxuslimousinen. Auf den 5er-BMW mssen die Kunden mehrere Monate warten. Die Mnchener setzen auf Kooperationen mit Toyota und Peugeot zur Entwicklung neuer Techniken wie den Elektro- und Hybridmotor. Der Bad Homburger Gesundheitskonzern Fresenius und sein Konzernchef Ulf Schneider gehren mit der Dialysetochter FMC wohl zu den unscheinbarsten Dax-Werten und unspektakulrsten Managern. Der Grund: Die Aktienkurse und die Firmengewinne steigen stetig, aber nie schwungvoll. Grere Rckschlge gibt es so gut wie nie, nicht einmal in der Rezession 2009. FresePlatz 3: Fresenius SE nius eilt Jahr fr Jahr von einem Rekordgewinn zum nchsten. Der Vorstand prognostiziert im Vorhinein stets ein knapp zehnprozentiges Wachstum beim Umsatz und beim Konzernergebnis fr das darauffolgende Jahr und liegt damit in aller Regel ein paar Punkte zu tief. Das Ergebnis: Fresenius und FMC zhlen aufgrund ihrer przisen Vorhersagen und obendrein gut kalkulierbaren (Rekord-) Ergebnisse zu den stabilsten Aktien im Dax. Die Kurse steigen stetig, som ebenso die Dividende.

Die Zweiteilung der Kni gsklasse134,5 34 50

Dax-GewinnerVolkswagen VorzgeAktienkurs in Euro

Das Geschftsjahr 2012 drfte die gleichen Gewinner sehen wie das Geschftsjahr 2011. Allerdings wird es nicht mehr so viele Rekordgewinne geben wie im vergangenen Jahr.Ulf Sommer Dsseldorf

A3.1.11 20.1.12

BMWAktienkurs in Euro 63,59

3.1.11

20.1.12

Fresenius SEAktienkurs in Euro 74,95

3.1.11Handelsblatt

20.1.12Quelle: Bloomberg

n der Sieger- und Verliererliste des vergangenen Jahres wird sich auch 2012 nicht viel ndern. Das zeigen schon die uerungen mehrerer Vorstandsvorsitzenden der Dax-Konzerne. BASF-Chef Kurt Bock etwa, der schon 2011 einen Rekordgewinn erzielte, hat gerade erst seine Langfristprognosen erhht ungeachtet der Euro-Krise und der Rezessionsngste in Europa. Und SAPChef Jim Hagemann Snabe, auch er ein Sieger des vergangenen Jahres, registrierte zuletzt eher unter- als bertreibend viel Schwung im Unternehmen. Die Auftragsbcher des Walldorfer Softwarekonzerns sind prall voll. Ganz anders hingegen uert sich beispielsweise Lufthansa-Chef Christoph Franz. Er musste die Beschftigten sogar in seinem Weihnachtsbrief auf ein neues Sparprogramm einstimmen. Auch der Mischkonzern Thyssen-Krupp sowie die Versorger RWE und Eon allesamt 2011 auf der Verliererliste haben keine begrndete Hoffnung, in diesem Geschftsjahr zu den Gewinnern zu gehren. Einig sind sich Unternehmen und Analysten jedoch darin, dass auch die Gewinne der 2011 so erfolgreichen Grounternehmen durchweg nicht mehr so wie bislang weitersteigen werden. Schon seit Mitte 2011 sind die Gewinnerwartungen fr die Dax-Konzerne deutlich gefallen, sagt Commerzbank-Analyst Andreas Hrkamp. Allerdings haben Unternehmen und Analysten ihre Prognosen fr 2012 von einem sehr hohen Niveau aus abgesenkt. So erwarteten die Analysten noch im vergangenen Sommer, dass 30 Dax-Konzerne 2012 insgesamt 86 Milliarden Euro verdienen wrden. Inzwischen sind diese Prognosen wegen der Eintrbung des konjunkturellen Umfelds um 13 Pro-

wie Forschungs- und Entwicklungskapazitten in Boomlnder wie China und Brasilien verlagert hat. Dazu zhlen BASF, Linde und Adidas mit Umsatzanteilen im Ausland von mehr als 75 Prozent. Als Gewinner der Globalisierung eilen sie von Rekord zu Rekord. Auf der anderen Seite sind neben einer unzureichenden Globalisierung der Konzerne auch firmeneigene Schwchen ausschlaggebend fr den unternehmerischen Misserfolg. Die Banken und Versicherer etwa leiden unter falschen Anlageentscheidungen und der Euro-Schuldenkrise. Das senkt die Gewinne mehr als deutlich. Deutsche Bank, Commerzbank und Mnchener Rck drften im vergangenen Jahr mehr als 50 Prozent hinter ihren einstigen Rekordgewinnen zurckbleiben.

Verlierer: Finanzkonzerne und der Stahlhersteller Thyssen-KruppDeutschlands grter Stahlhersteller ist so weit von seinen alten Rekordgewinnen entfernt wie wohl kein anderer Dax-Konzern. Weil bei Thyssen-Krupp das Geschftsjahr bereits im September endete, liegt der Geschftsbericht schon vor. Mit drei Milliarden Euro belasteten die neuen amerikanischen Stahlwerke die Bilanz. Gegenber dem bisherigen Rekordjahr verringerte sich der NettogePlatz 30: Thyssen-Krupp winn um 3,5 Milliarden Euro auf ein Minus von 1,29 Milliarden Euro. Solch starke Schwankungen gab es zwar schon immer. Die Stahlproduktion ist konjunkturempfindlich. Doch dass ausgerechnet in einem Boomjahr wie 2011 solch ein Minus anfiel, macht den Konzern bei Anlegern wenig beliebt. Sollte sich die Konjunktur eintrben, wie Skeptiker argwhnen, drfte Thyssen-Krupp es schwer haben, 2012 schwarze Zahlen zu schreiben. Nettofinanzschulden von 7,3 Milliarden Euro und hohe Pensionsverpflichtungen drohen den Konzern in eine Schieflage zu bringen. Der weltgrte Rckversicherer ist zwar 80 Prozent vom einstigen Rekordgewinn entfernt vorausgesetzt, die Mnchener Rck Platz 29: Mnchener Rck weist einen Nettogewinn von gut 760 Millionen Euro aus, wie Analysten im Durchschnitt schtzen. Viel spricht aber dafr, dass sich die Zeiten wieder bessern. Erdbeben in Japan und in Neuseeland sowie Strme in den USA haben die Branche 2011 getroffen. Hinzu kommen die Verwerfungen an den Finanzmrkten. Munich Re zhlt zu den grten Kapitalanlegern der Welt. Abschreibungen auf griechische Staatsanleihen, Kursrckgnge und Whrungseffekte belasteten schwer. Die Genesung der Commerzbank bleibt ein langwieriger Prozess. Im dritten Quartal 2011 war wieder ein Verlust aufgelaufen. Hauptgrund waren Abschreibungen auf die griePlatz 28: Commerzbank chischen Staatsanleihen der Eurohypo. Vorteil der hohen Abschreibungen: Griechische Staatsanleihen stehen noch mit 1,4 Milliarden Euro in der Bilanz. Insgesamt hat die Commerzbank die Anleihen der angeschlagenen Schuldenlnder Portugal, Italien, Griechenland und Spanien mit 13 Milliarden Euro bilanziert. Vor einem Jahr waren es knapp 17 Milliarden Euro. Das begrenzt das knftige Verlustpotenzial. som

Dax-VerliererThyssen-KruppAktienkurs in Euro 21,17

3.1.11

20.1.12

Schon seit Mitte 2011 sind die Gewinnerwartungen fr die Dax-Konzerne deutlich gefallen.Andreas Hrkamp Commerzbank

Munich ReAktienkurs in Euro 98,57

zent auf 74 Milliarden Euro gesenkt worden. Das wre immerhin noch eine Milliarde Euro mehr als im Erfolgsjahr 2011 und nur fnf Milliarden Euro weniger als 2007, dem Jahr mit den hchsten Unternehmensgewinnen in der Geschichte der Bundesrepublik. Was das abgelaufene Geschftsjahr und die in dieser Woche beginnende Bilanzsaison betrifft, so ermglichen die bereits prsentierten Neunmonatszahlen, Vorabzahlen einiger Unternehmen, fir-

SAP-Firmenzentrale: Die Walldorfer berichten am Mittwoch ber das Jahr 2011.

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meneigene Prognosen und die Schtzungen internationaler Analysten, die bei Finanzdatenspezialisten wie Factset und Bloomberg zusammenlaufen, zuverlssige Berechnungen der Jahresergebnisse der 30 Dax-Konzerne. Das Ergebnis: Erfolgreich ist, wer frhzeitig seine Exporte, Betriebsanlagen so-

Der Mischkonzern Thyssen-Krupp muss sich seinen Milliardenverlust ebenfalls selbst zuschreiben. Der Bau des neuen Stahlwerks in Brasilien war schlecht geplant und viel teurer als ursprnglich veranschlagt. Obwohl sich die Weltkonjunktur 2011 gut entwickelte und ein so konjunktursensibler Konzern wie ThyssenKrupp Gewinne htte erzielen mssen, steht unter dem abgelaufenen Geschftsjahr ein Minus von 1,29 Milliarden Euro. Die Versorger Eon und RWE wiederum machen den von der Politik verfgten Atomausstieg verantwortlich fr ihren geschftlichen Misserfolg. Klar ist aber auch, dass sich die Stromerzeuger angesichts der deutschlandweit verbreiteten Ablehnung der Atomenergie viel zu lange auf die hohen, gut kalkulierbaren Gewinne aus den Atommeilern verlassen hatten. Die Folge: Sie beschftigten sich zu wenig mit grnen Zukunftstechnologien, die die Mrkte von morgen prgen werden. RWE ist im brigen mit einem Auslandsumsatz von weniger als 50 Prozent auch eines der am wenigsten globalisierten deutschen Grounternehmen.

Ulrich Baumgarten/vario images

3.1.11

20.1.12

CommerzbankAktienkurs in Euro 1,74

3.1.11Handelsblatt

20.1.12Quelle: Bloomberg

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8 DAX-KONZERNE UNGESCHMINKT: SIEMENS

MONTAG, 23. JANUAR 2012, Nr. 16

9

Kaum Schulden, hohe Liquiditt und der ewige Sanierungsfall TelekomDas Auftragsbuch und die Kasse des Konzerns sind prall gefllt. Dennoch geraten die Wachstumsziele von Vorstandschef Peter Lscher in Gefahr.Axel Hpner, Susanne Metzger Mnchen, Frankfurt

D

ie See wird strmisch. Da ist sich Peter Lscher sicher. In seinem Gru an die 400 000 Siemens-Mitarbeiter zum Jahreswechsel holte er den groen historischen Vergleich heraus. 1874 habe Werner von Siemens gemeinsam mit seinen Brdern Carl und Wilhelm den waghalsigen Versuch unternommen, ein Kabel durch den Atlantik zu ziehen. In einer Tiefe von 5 000 Metern sei dieses schlielich verlorengegangen. Zwei Tage lang war das Schicksal des Unternehmens mehr als ungewiss. Doch die Siemens-Brder htten das Kabel bergen und die Wettbewerber schlagen knnen. Das Atlantik-Abenteuer ist fr Lscher ein Beleg dafr, dass widrige Umstnde die Firma schon immer strker gemacht haben, statt sie zu schwchen. Kein Zufall also, dass er gerade jetzt daran erinnert. Denn

2012 wird kein leichtes Jahr fr Siemens. Das werden wohl auch die Quartalszahlen am Dienstag zeigen. Als Infrastrukturanbieter hngen die Mnchener stark an der Weltkonjunktur. Verunsicherte Kunden halten sich momentan aber mit neuen Bestellungen zurck. In diesem Umfeld wird es groer Anstrengungen bedrfen, unser Schiff auf Kurs zu halten, warnt Lscher. Kurs halten, das ist Lschers Strategie. Waghalsige Experimente, wie sie die Siemens-Brder riskierten dafr ist er nicht zu haben. Dabei knnte der Siemenschef wenn er wollte durchaus etwas riskieren. Die Bilanz kann sich sehen lassen, auch dank Lschers Umbau in den vergangenen Jahren. Kaum ein Konzern in Deutschland ist so gut fr einen drohenden Konjunkturabschwung gerstet wie Siemens. Auftragsbuch und Kasse des Konzerns sind prall gefllt.

>> Gute Ausgangslage aberkein Selbstlufer Doch ein Selbstlufer werden die nchsten Jahre fr den Technologiekonzern nicht. Denn die Einschlge kommen nher. Die Quartalszahlen, die Lscher morgen auf der Hauptversammlung verkndet, sind nicht mehr so glnzend wie noch im vergangenen Jahr. Das Wachstum wird von immer weniger Geschftsfeldern getragen. Schon im vierten Quartal 2010/11

zum Beispiel konnten nur noch fnf von elf Divisionen, ber die Siemens berichtet, den Auftragseingang verbessern. Bei den anderen zeigten die Orders bereits nach unten. Das sind keine guten Voraussetzungen fr Lschers Ziel, beim Umsatz die 100-Milliarden-Euro-Grenze zu durchbrechen und dabei so profitabel zu arbeiten wie die besten Wettbewerber. Keine spektakulren, aber sehr ehrgeizige Ziele, die sich Lscher fr seine im Sommer beginnende zweite Amtszeit gesteckt hat. Vor allem das geplante Wachstum erscheint im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld ambitioniert. Ohne grere Zukufe wird das kaum gehen. Doch bei Akquisitionen hat sich Lscher bereits die Finger verbrannt. Und es ist fraglich, ob er sich noch einmal traut, einen groen Zukauf zu stemmen. Fr den 54-Jhrigen ist es wichtig, dass der Mnchener Technologiekonzern endlich annhernd auf Augenhhe mit der Konkurrenz liegt. Vor der ra des sterreichers galt General Electric (GE) als unerreichbares Vorbild. Unter Lschers gide erreichte die Nettoumsatzrendite zum Ende des Geschftsjahres 2010/11 nun 8,6 Prozent. GE kam im Geschftsjahr bis Ende 2011 auf 9,8 Prozent. Wenn sich das konjunkturelle Umfeld nun verschlechtert, drfen die Siemens-Margen zwar schlech-

ter werden aber sie drfen eben nicht unter die der Konkurrenten fallen. So lautet Lschers Direktive. Damit dies klappt, sollte es keine unerwarteten Einbrche im Geschft geben. Da sieht es derzeit noch gut aus, denn die Auftragsbcher sind gut gefllt. Im vergangenen Geschftsjahr legte der Auftragseingang konzernweit um 16 Prozent zu.

DIE SERIE

>> Schwellenlnder treibenderzeit noch das Geschft Angetrieben wurde das Geschft bei Siemens bisher von den Schwellenlndern. Die Bestellungen aus Asien wuchsen um ein Viertel. Im Industriegeschft steht ein Plus von 24 Prozent in den Bchern. Das Boomjahr 2010/11 wird Siemens also helfen, einen Abschwung aufzufangen. Siemens kann von einem Rekordauftragsbestand von 96 Milliarden Euro zehren. 40 Milliarden Euro davon will der Konzern im laufenden Geschftsjahr 2011/12 umsetzen. Anders ausgedrckt: Den halben Jahresumsatz von zuletzt 73,5 Milliarden Euro hat Siemens also bereits in der Tasche, selbst wenn mit wachsender Zurckhaltung der Kunden gar keine neuen Bestellungen mehr eingingen. Beruhigend fr die nchsten Jahre ist auch die Kassenlage. Den Gewinn nach Steuern konnte Siemens im abgelaufenen GeschftsDie Serie Dax-Konzerne, ungeschminkt nimmt die Aktionrstreffen wichtiger deutscher Grounternehmen zum Anlass, deren Jahresabschlsse unter die Lupe zu nehmen. Die Zahlenwerke sind unter anderem durch neue Bilanzierungsstandards so komplex und undurchsichtig geworden, dass sie fr Anleger schwer zu verstehen sind. Das Handelsblatt analysiert daher die Bilanzen und weist auf Strken und Schwchen hin. Dax-Konzerne, ungeschminkt startete in diesem Jahr mit dem Stahl- und Investitionsgterkonzern ThyssenKrupp am vergangenen Freitag. Der nchste Teil der Serie: 7. Mrz: Infineon nach der Hauptversammlung (HV) am 8. Mrz. Die nchsten HV-Termine folgen Anfang April.

jahr von vier auf 6,3 Milliarden Euro steigern. Der Free Cash-Flow, der sich aus dem Mittelzufluss aus dem laufenden Geschft minus Investitionen in Sachanlagen und immaterielle Vermgenswerte ergibt, ging zwar um 16 Prozent zurck, kann sich mit 5,9 Milliarden Euro aber weiterhin sehen lassen. Mittelzuflsse und -abflsse aus Geschften, die der Konzern den nicht fortgefhrten Aktivitten zuordnet, sind dabei ausgeklammert.

>> Solides Finanzpolster berschaubare Verschuldung Die flssigen Mittel lagen zum Bilanzstichtag bei knapp 13 Milliarden Euro. Rechnet man die Finanzschulden einschlielich der der Finanzdienstleistungssparte dagegen, kommt Siemens auf eine Nettoverschuldung von knapp fnf Milliarden Euro, zehn Prozent weniger als im Vorjahr. Im Verhltnis zum Eigenkapital macht die Nettoverschuldung 15,5 Prozent aus, damit ist sie fr einen Konzern dieser Gre berschaubar. Die Finanzlage bildet also ein solides Polster fr die strmischen Monate, die vor dem Konzern liegen.

Lscher hlt trotzdem das Geld zusammen. Ein Aufsichtsrat ist froh, dass das Management nicht dem Drngen einiger Investoren nach einer Sonderdividende nachgekommen ist. Und sollte der Brsengang der Lichttochter Osram in diesem Jahr doch noch gelingen, wrde weiteres Geld in die Siemens-Kasse flieen. Immerhin gibt es fr die Aktionre ein kleines Plus. Die Dividende soll von 2,70 Euro pro Aktie im Vorjahr auf drei Euro erhht werden. Das entspricht einer Ausschttungsquote von 41 Prozent nach 46 Prozent. Ein kleines Trostpflaster. Denn mit der Kursentwicklung knnen die Aktionre auf Jahressicht nicht so richtig zufrieden sein. Rund 14 Prozent hat die Aktie in den zurckliegenden zwlf Monaten verloren. Damit ist Siemens an der Brse deutlich strker abgerutscht als der Dax. Die Nagelprobe fr Lscher kommt allerdings noch. In seinem neuen Zielsystem One Siemens eine Art permanentes Unternehmensprogramm hat er klare Vorgaben gemacht. Eine davon: Siemens soll schneller wachsen als die wich-

tigsten Wettbewerber. Wohlweislich hat Lscher kein Jahr genannt, in dem er die 100 Milliarden Euro Umsatz knacken will. Frher hatte der Konzern einmal die Vorgabe formuliert, doppelt so schnell zu wachsen wie die Wirtschaft insgesamt in einzelnen

3,00Euro je Aktie - diese Dividende will Siemenschef Peter Lscher den Aktionren vorschlagen.Quelle: Unternehmensangaben

Mrkten ebenso wie weltweit. Doch das Ziel wurde mehrfach verfehlt und hat sich nicht bewhrt. Nun also ist der Vergleich mit Konkurrenten wie GE, Philips, ABB, Rockwell und Schneider wichtigster Mastab. Und da schnitten die Mnchener zuletzt nur mittelmig ab. Im abgelaufenen Geschftsjahr wuchs der Konzern am Umsatz gemessen um 6,6 Prozent, die wichtigsten Wettbe-

werber im gleichen Zeitraum aber im Schnitt um 9,9 Prozent. Fr das bessere Abschneiden der Wettbewerber gibt es einen entscheidenden Grund: Die Konkurrenten waren zum Teil deutlich akquisitionsfreudiger als Siemens. So hat zum Beispiel der Schweizer ABB-Konzern im ersten Quartal 2011 den US-Industriemotorhersteller Baldor bernommen und seine Stellung als einer der fhrenden Anbieter von industrieller Antriebstechnik ausgebaut. Siemens dagegen hlt sich mit bernahmen zurck. Das liegt auch daran, dass sich Lscher schon ein paar Mal die Finger verbrannt hat. Gleich zu seinem Amtsantritt Mitte 2007 musste er den Kauf der US-Diagnostikfirma Dade Behring durchziehen, den sein Vorgnger Klaus Kleinfeld bereits eingefdelt hatte. Fnf Milliarden Euro legte Siemens fr den Medizintechnik-Spezialisten auf den Tisch. Der hohe Kaufpreis ging nur deswegen etwas unter, weil Siemens gleichzeitig die Autotochter VDO zu dem gigantischen Preis von mehr als elf Milliarden Euro an den Automobilzulieferer Continental verkaufte.

Siemens-Finanzvorstand Joe Kaeser, der skeptisch gewesen sein soll, rumte frh ein, dass der Preis fr Dade Behring ambitioniert war. Und in der Tat: Dade Behring erfllte die Wachstumserwartungen nicht. Siemens musste einen Milliardenbetrag abschreiben. Nicht besser erging es Lscher mit dem Kauf des israelischen Solarthermie-Spezialisten Solel im Jahr 2009. Ganze 284 Millionen Euro zahlte Siemens fr das hochdefizitre Unternehmen. Doch die Solarthermie kommt nun deutlich langsamer voran als von Siemens erwartet was auch am rasanten Preisverfall bei der konkurrierenden Photovoltaik-Technologie liegt. Und auch Solel erwies sich bislang nicht als das erhoffte Top-Unternehmen. Erschwerend kommt hinzu, dass sich von Israel der Markt fr Solarthermie-Kraftwerke im arabischen Raum nur schwer bearbeiten lassen wird. Das Ergebnis all dieser Probleme jedenfalls war eine Abschreibung in Hhe von 231 Millionen Euro. Das reichte schon fast an den Kaufpreis heran. Fortsetzung auf Seite 10

HCHSTKURS9.7.2007

111,17KURS20.01.2012

78,12

Peter Lscher Vorstandschef ab ab Juli 2007

Heinrich von Pierer Vorstandschef ab Oktober 1992

Klaus Kleinfeld Vorstandschef ab Januar 2005

Aktienkurs in Euro890in Mio. Euro

Netto Nettoett ttoergebnis

Aus Aususschttung

2 626

2 541

978

3 557 1 112

2 396 1 201

3 345

1 292

4 038 1 462

5 886 1 380

2 497 1 388

4 068 2 349

6 321 2 623**

TIEFSTKURS*Geschftsjahr jeweils zum 30.9. Handelsblatt | Quellen: Bloomberg, Unternehmen; HB-Research: G. Matthee-Will

8.10.2002

32,052004 2005 2006 2007 2008 2009 2010

**Auf Basis der derzeit erwarteten Zahl der dividendenberechtigten Aktien

2002*

2003

2011

2012

Umsatz in Mrd. Euro

84,0

74,2

70,2

75,4

66,5*

72,4******

77,3

76,7

69,0

73,5

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10 DAX-KONZERNE UNGESCHMINKT: SIEMENSIm abgelaufenen Geschftsjahr bis Ende September 2011 hat Siemens erneut gute Zahlen vorgelegt. In der Industrie, der grten Sparte des Konzerns, stiegen die Umstze um neun Prozent. In der Energiesparte lief es mit einem Umsatzplus von acht Prozent fast ebenso gut. Am schwierigsten war das Umfeld fr die Medizintechnik. Die dritte groe Sparte konnte im Geschftsjahr 2010/ 11 nur um ein Prozent zulegen. Die vierte groe Konzernsparte, genannt Infrastruktur und Stdte, nahm am 1. Oktober 2011 ihre Arbeit auf.

MONTAG, 23. JANUAR 2012, Nr. 16

1115,0

Ergebnis-Marge IndustrieGesamt

Ergebnis-Marge EnergieGesamt Fossil Power Generation

11,0davon Industry Automation

Ergebnis-Marge MedizintechnikGesamt

10,727,8davon DIagnostics

19,0davon Drive Technologies Oil & Gas

8,2 9,9

13,2davon Mobility Power Distribution

6,8davon Building Technologies Power TransmissionGeschftsjahr 2010/11, Ergebnis vor Finanzierungszinsen, Pensionsaufwendungen und Ertragssteuern im Verhltnis zum Umsatz Handelsblatt Quelle: Unternehmensangaben

9,0 8,9Renewable Energy

5,5davon Industry Solutions

Geschftsjahr 2010/11, Ergebnis vor Finanzierungszinsen, Pensionsaufwendungen und Ertragssteuern im Verhltnis zum Umsatz Handelsblatt Quelle: Unternehmensangaben

Geschftsjahr 2010/11, Ergebnis vor Finanzierungszinsen, Pensionsaufwendungen und Ertragssteuern im Verhltnis zum Umsatz Handelsblatt Quelle: Unternehmensangaben

4,6

0

Strke 1: Solide Kapitalstruktur mit geringen Schulden

Fortsetzung von Seite 9

M

it seiner soliden Kapitalstruktur ist Siemens gut fr einen Abschwung gerstet. Die Nettofinanzverschuldung sank im Geschftsjahr 2010/11 um zehn Prozent auf knapp fnf Milliarden Euro bei Zahlungsmitteln in Hhe von 12,5

Eigenkapitalquoteper 30.09.2011, in Prozent 47 41 31 16*

PhilipsHandelsblatt

ABB

Siemens

GE

*per 31.12.2011 Quelle: Unternehmen

Milliarden Euro. So gut stand der Konzern seit Jahren nicht da. Im Verhltnis zum Eigenkapital machen die Nettoschulden nur knapp 16 Prozent aus. Rechnet man die Finanzdienstleistungssparte heraus und addiert die Pensionsverpflichtungen hinzu, ergibt sich sogar ein Nettofinanzguthaben von 1,5 Milliarden Euro. Daher verwundert es nicht, dass die Ratingagenturen dem Siemens-Konzern Bonittsnoten im Investmentgrade-Bereich zugestehen: Standard & Poors und Fitch vergeben ein Rating von A+, Moodys von A1. Aber auch die europischen Konkurrenten weisen starke Bi-

lanzen auf: Whrend Siemens inklusive der Finanzsparte eine Konzerneigenkapitalquote von 31 Prozent hat, kommen die beiden Unternehmen Philips und ABB ohne Finanztchter sogar auf noch hhere Werte von 47 und 41 Prozent. Der US-Konzern General Electric hingegen erreicht inklusive der Finanzsparte lediglich eine Eigenkapitalquote von 16 Prozent. Bei Philips haben sich die Nettofinanzschulden im Jahr 2011 zwar erhht. Ende September lagen sie bei 1,2 Milliarden Euro nach nur 80 Millionen im Vorjahr. In Relation zum Eigenkapital waren das ax/sme aber nur neun Prozent.

S

Strke 2: Neue Auftrge sorgen fr stabile Umstze

D

ie Zahlen sind beeindruckend: Zum Ende des Geschftsjahres 2010/11 hatte Siemens einen Rekordauftragsbestand von 96 Milliarden Euro in den Bchern. In den Monaten davor waren neue Auftrge von 86 Milliarden Euro hinzugekommen. Damit stieg der Eingang im Vergleich zum Vorjahr um 16 Prozent und wuchs damit doppelt so schnell wie der Umsatz. Getrieben wurde das Auftragswachstum vor allem von den beiden grten Geschftsbereichen Industrie und Energie. Siemens profitierte in der Industriesparte vom kurzzyklischen Geschft und

vom grten Auftrag fr Zge, den der Konzern jemals verzeichnet hat. In der Energiesparte legten sogar alle Divisionen zu. Siemens rechnet damit, etwa 40 Milliarden Euro der Auftrge bereits im laufenden Geschftsjahr in Umsatz ummnzen zu knnen. Das bedeutet: Selbst wenn der Konzern 2012 keine neuen Auftrge mehr an Land ziehen wrde, wre schon mehr als der halbe Jahresumsatz in trockenen Tchern. Zuletzt hat der Konzern einen Umsatz von 73,5 Milliarden Euro erzielt. Die hohen Auftragsbestnde sind ein gutes Polster. Denn Fi-

nanzchef Joe Kaeser hat vor Kurzem angedeutet, dass sich die schwache Konjunktur in Europa auf das Neugeschft auswirkt. Ein hnlich hoher Auftragseingang drfte 2012 daher kaum zu erreiax/sme chen sein.

Auftragssituationper 30.09.2011, in Mrd. Euro ftrag Auftragsrag bestand: bestand: stand: Umsatz Umsa z msatz 96,0 Auftrags73,5 reichweite

470TageHandelsblatt Quelle: Unternehmen

iemens-Chef Peter Lscher ist nach seinen Erfahrungen beim Thema Akquisitionen vorsichtig geworden. In Zukunft muss ein zugekauftes Geschft, so fordert es der Konzernchef, innerhalb von zwei Jahren den Geschftswertbeitrag steigern. Und sptestens drei Jahre nach der Integration sollte es innerhalb des vorgegebenen Kapitaleffizienzziels liegen. Die Rentabilitt des eingesetzten Kapitals also muss sich nach Steuern zwischen 15 und 20 bewegen. Riskante, aber chancenreiche Zukufe sind fr Siemens deshalb nicht drin. Die Zeit knnte Lscher aber in die Hnde spielen. In den vergangenen ein, zwei Jahren lagen die Unternehmensbewertungen enorm hoch. Schnppchenkufe waren in den Zukunftsmrkten zum Beispiel bei den erneuerbaren Energien kaum mglich. Hier aber hat Siemens teilweise noch Nachholbedarf. So will der neue Energievorstand Michael S eventuell doch ins Photovoltaikgeschft einsteigen. Der kommende Konjunkturabschwung drfte die Unternehmensbewertungen nun aber wieder auf ein vernnftiges Ma reduzieren. Eine Chance fr Siemens, die prall gefllte Kriegskasse schon bald einzusetzen. Der Schwerpunkt soll aber ohnehin auf organischem Wachstum liegen ohne groe Zukufe. In den Schwellenlndern ist der Konzern traditionell stark positioniert. Zudem profitiert er von einer moder-

nen Produktpalette. Denn in der letzten Wirtschafts- und Finanzkrise hielten die Mnchener das Investitionsvolumen hoch, whrend Konkurrent General Electric sparen musste. Die Folge: Auf vielen Gebieten hat Siemens derzeit die Nase vorn. So verkauft sich die effizienteste Gasturbine der Welt bestens.

>> lnvestitionen zahlen sich ausDas schlgt sich in den Zahlen nieder. Das operative Ergebnis der Siemens-Bereiche Industrie, Medizin und Energie stieg im abgelaufenen Geschftsjahr von 6,7 auf 9,1 Milliarden Euro. Das entspricht einer operativen Marge von 12,4 Prozent. Grter Gewinnbringer des Konzerns war einmal mehr die Energiesparte, obwohl es durchaus nicht berall glnzend luft. So wird wohl das Ziel, im laufenden Jahr in die Gruppe der drei grten Windkrafthersteller aufzusteigen, verfehlt werden. Siemens ist zwar bei Offshore-Anlagen auf hoher See stark, bei Windrdern, die auf dem Land errichtet werden, dominiert aber die chinesische Konkurrenz. Auch im Solarsektor gibt es fr Siemens Nachholbedarf. Zudem werden weniger Kohlekraftwerke gebaut. Wenigstens das Geschft mit Gasturbinen luft noch blendend. Hier will Siemens viel investieren, um General Electric auf Abstand zu halten. Der Industriesektor wiederum profitierte stark von der lebhaften Konjunktur im letzten Jahr. Lscher muss sich allerdings mit rgerlichen Sonderlasten herumschlagen. Die Vertragsstrafe fr den

hastigen Ausstieg aus dem Joint Venture mit dem franzsischen Areva-Konzern war nur eine davon. Siemens sei nun ein normales Unternehmen, hatte Lscher 2010 verkndet. Damit erweckte er den Eindruck, alle Baustellen seien geschlossen. Doch das ist bei einem komplexen Konzern wie Siemens wohl nie ganz mglich, wie auch Lscher lernen musste.

>> Knftige WachstumsfelderWenn Lscher morgen vor die Aktionre tritt, wollen die Anteilseigner aber vor allem wissen, wie es weitergeht. Und da setzt Lscher auf zwei Wachstumsfelder: Da sind zum einen die grnen Technologien. Auch in der Konjunkturkrise werden Unternehmen und ffentliche Auftraggeber hier investieren vor allem um Energie zu sparen, ist Lscher berzeugt. Im abgelaufenen Geschftsjahr wuchs das Umweltportfolio denn auch schneller als der Konzernumsatz, und zwar von 27 Milliarden auf 30 Milliarden Euro. Bis 2014 sollen es aus eigener Kraft 40 Milliarden Euro sein. Viele Analysten bezweifeln, dass dieses Ziel erreichbar ist. Dies liegt auch daran, dass die energiesparenden Produkte von Osram nicht mehr zum grnen Portfolio gezhlt werden, weil die Lichttochter an die Brse gebracht werden soll. Doch Barbara Kux will das 40-Milliarden-Ziel als zustndiges Vorstandsmitglied noch nicht aufgeben: Wir arbeiten hart daran, es umzusetzen. Zweiter groer Hebel soll das Geschft mit den rasch wachsenden Megacitys und den kleineren Stdten dieser Welt sein. Lscher hat dazu im laufenden Geschftsjahr ab Oktober 2011 einen eigenen Infrastruktur- und Stdtesektor geschaf-

fen. Das erforderte tiefe Einschnitte in die Konzernstruktur. Im Unternehmen gibt es allerdings Zweifler, ob der Umbau wirklich zustzliches Geschft generiert. Zur Hauptversammlung gibt es nun erstmals Zahlen fr diesen Bereich. Natrlich luft noch nicht alles rund, sagt ein Konzern-Insider. Die neuen Geschftsfelder mssen sich erst einmal finden. Das Timing fr diesen Prozess ist nicht gerade gnstig. Denn ob die klammen Stdte dieser Welt trotz Schuldenkrise krftig Siemens-Produkte kaufen, muss sich noch erweisen. Auch wenn sich der Sektor gut schlagen sollte: Die Ziele im laufenden Jahr werden fr Siemens nur schwer erreichbar sein. Selbst Finanzvorstand Joe Kaeser bezeichnete sie als sehr ambitioniert. Der operative Gewinn soll auf vergleichbarer Vorjahresbasis von rund sechs Milliarden Euro liegen.

Schwche 1: Die Medizintechnik ist kein Selbstlufer mehr

S

iemens ist weltweit einer der grten Anbieter von medizinischer Bildgebung und Labordiagnostik. Zuletzt hat die Medizintechniksparte bei Umstzen von 12,5 Milliarden Euro eine operative Marge von ber zehn Prozent erzielt. Der Markt wird aber schwieriger. ffentliche Gesundheitssysteme stehen unter Kostendruck. Die Regierungen in den USA und in Europa mssen ihre Staatsschulden unter Kontrolle bringen. Hinzu kommt, dass Siemens in der Vergangenheit kein glckliches Hndchen bei Akquisitionen hatte. Mit dem Zukauf der US-Firma Dade Behring wollte

sich der Mnchener Konzern eine strkere Position im Diagnostikmarkt sichern. Nur war die bernahme berteuert, das Geschft bleibt hinter den Erwartungen zurck. Siemens musste schon im Geschftsjahr 2009/10 Abschreibungen ber 1,2 Milliar-

Operative MargeMedizintechnik, per 30.09.2011, in % GE* 15,5 Siemens 10,6 Philips** -4,3Handelsblatt *per 31.12.2011; **9 Mon.; Ergebnis vor Zinsen und Steuern zu Umsatz Quelle: Unternehmen

den Euro vornehmen, denn der Preisdruck in der Diagnostik ist weiterhin hoch. Herausforderungen gab es 2011 auch in der Partikeltherapie: Da diese noch nicht reif fr die kommerzielle Umsetzung ist, nahm Siemens Wertberichtigungen in Hhe von 381 Millionen Euro vor. Um die Sparte wieder flottzumachen, kndigte der Konzern krzlich Restrukturierungen an. Neben hheren Investitionen in Produktentwicklung und Vertrieb will Siemens die Strahlentherapie neu ausrichten und die Kostenposition in der Diagnostik verbessern. Der Umbau wird das Erax/sme gebnis 2012 belasten.

>> Ambitionierte ZieleAll dies soll gelingen, ohne die Langfristziele zu gefhrden. Deshalb will Lscher die Investitionen trotz des schwierigeren Umfelds hoch halten diejenigen in langfristige Anlagegter sollen von 1,6 auf bis zu 2,1 Milliarden Euro steigen. Notfalls wrde Lscher dafr auch einen Gewinnrckgang in Kauf nehmen. Nach Informationen des Handelsblatts wird er auf der Hauptversammlung an der Prognose festhalten. Er wird sie aber nur erreichen knnen, wenn sich die Konjunktur im zweiten Halbjahr erholt. Siemens soll also auf Kurs bleiben. Heute geht es nicht mehr um die Verlegung von Transatlantikkabeln, aber darum, dass wir unseren Weg konsequent fortsetzen, schreibt Lscher an die Mitarbeiter. Blo kein hektisches Umsteuern.

Schwche 2: Telekommunikation der ewige Sanierungsfall

D0 -1250

ie Wurzeln von Siemens lagen einst in der Telekommunikation. Von der Handysparte sowie vom Geschft mit Schnurlostelefonen und Telefonanlagen fr Firmen hat sich der Konzern inzwischen verabschie-

BeteiligungsergebnisNokia Siemens Networks, in Mio. Euro

-280 Mio.

-2500 2006/07Handelsblatt

2010/11Quelle: Unternehmen

det. brig blieb das Gemeinschaftsunternehmen Nokia Siemens Networks (NSN). Im November 2011 gab das Joint Venture bekannt, sich knftig auf das mobile Breitband und zugehrige Dienste zu konzentrieren. In diesem Zusammenhang will NSN weltweit rund 17 000 Arbeitspltze streichen. Siemens ist an NSN zu 50 Prozent beteiligt. Die operative Fhrung liegt bei dem finnischen Konzern. Beide Partner mussten zuletzt frisches Eigenkapital nachschieen, die Beteiligungsquoten haben sich dadurch nicht verndert. Die Kapitalerhhung diente

der Strkung der angekratzten Finanzlage. Denn NSN schreibt seit Jahren Verluste. Bei Siemens tauchen diese im Beteiligungsergebnis auf. Immerhin: Im abgelaufenen Geschftsjahr reduzierte sich der Beteiligungsverlust aus NSN von 533 Millionen auf 280 Millionen Euro. Im Geschftsjahr zuvor waren wegen hoher Wertberichtigungen sogar noch Belastungen von 2,2 Milliarden Euro entstanden. Im laufenden Geschftsjahr rechnet Siemens wegen der Kosten fr die Neuausrichtung wieder mit einem erheblich hheren Beteiliax/sme gungsverlust als 2011.

Strke 3: Hohe Liquiditt ermglicht Milliarden-Investitionen

KennzahlenDer Konzern in Mrd. Euro, 2010/11Vernderung in ProzentSHandelsblatt | *Summe der Sektoren; Quelle: Unternehmensangaben

Umsatz nach Regionen in Mrd. Euro, Vernderung in Prozent, 2010/11

Operatives Ergebnis Umsatz nach Sparten 2010/11, in Mio. Euro Industrie

Schwche 3: Abschied von Osram - den richtigen Zeitpunkt verpasst3,6 | 32,9

S

iemens hatte gegenber den Konkurrenten zuletzt einen entscheidenden Vorteil den hohen operativen Cash-Flow. Zwar ging dieser im Vorjahresvergleich etwas zurck. Gleichwohl hat das Unternehmen mehr Spielraum fr Investitionen als seine wichtigsten Konkurrenten. Kein vergleichbarer Konzern schafft es, so viel Umsatz in tatschlichen Mittelzufluss umzumnzen wie der bayerische Traditionskonzern. Die Cash-Flow-Umsatzrendite von Siemens lag zuletzt bei elf Prozent. Die wichtigsten Konkurrenten kamen auf niedrigere Werte. Der

Medizintechnik 1,3 | 12,5 Financial Services 0,4 | 1,0 Sonstiges, Konzernberleitung -0,3 | -0,5******

Cashow-Umsatzrenditeper 30.09.2011, in Prozent 11 8 7 Philips* -2 SiemensHandelsblatt *9 Monate; **per 31.12.2011

Nettoergebnis 6,3 Mrd. +55,4%

Handelsblatt | Quelle: Unternehmensangaben

Schweizer ABB-Konzern erreichte beispielsweise nach neun Monaten 2011 eine Cash-Flow-Umsatzrendite von sieben Prozent. Bei Philips war der operative Cash-Flow zwischen Januar und September 2011 sogar negativ.

GE**

ABB*Quelle: Unternehmen

Der Free Cash-Flow aus fortgefhrten Aktivitten also die operativen Mittelzuflsse abzglich der Investitionen in Sachanlagen und immaterielle Vermgenswerte lag bei Siemens mit 5,9 Milliarden Euro leicht unter dem Vorjahr. Gleichwohl knnen die Mnchener die Dividendensumme von 2,6 Milliarden Euro aus erwirtschafteten Mitteln zahlen und mssen somit keine Reserven dafr anzapfen. Zuletzt drfte der Cash-Flow wegen hoher Investitionen und der Konjunkturabkhlung aber etwas unter Druck gekommen sein. ax/sme

Umsatz

73,5 Mrd.

+6,6%

Ergebnis*

9,1 Mrd. +36,3%

Europa, GUS, Afrika, Naher Osten

Energie 4,1 | 27,6

D

38,7 Mrd. +3,0%

Mitarbeiter weltweit 402 000

Amerika

GesamtOperatives Ergebnis

20,5 Mrd. Asien, Australien

9,2 Mrd. EuroUmsatz

+9,9%

73,5 Mrd. Euro

Deutschland

127 000

14,4 Mrd.

+12,4%

en geplanten Brsengang musste die Siemens-Tochter Osram im Herbst wegen des schlechten Kapitalmarktumfelds verschieben. Eigentlich sollte die Emission einen Milliardenerls in die Siemens-Kasse splen. Der Konzern wollte die Investitionen, die in dem Geschft notwendig sind, nicht mehr aus eigenen Mitteln stemmen. Doch Siemens zgerte zu lange und verpasste damit den zyklisch idealen Zeitpunkt fr den Brsengang. Nun sprt die Lichtbranche deutlich den Konjunkturabschwung. Siemens-Finanzchef Joe Kaeser sagte bereits, dass

man vor diesem Hintergrund nicht wild darauf sei, den Brsengang rasch nachzuholen. Die Chancen fr 2012 stehen also eher schlecht. Bis zum nchsten Jahr sollte Siemens aber schon eine Lsung finden, denn eigentlich darf Osram nur 24 Monate als nicht fortzufhrendes Geschft bilanziert werden. Das bedeutet konkret: Osram wird aus dem Zahlenwerk des Konzerns herausgerechnet. Osram streicht derweil mehr als 1 000 Stellen in Deutschland das wird zu erheblichem Sanierungsaufwand fhren. Damit reagiert der Licht-Konzern auch auf

den Technologiewandel von der Glhbirne hin zu LED-Lsungen. Zwar drften die Osram-Umstze laut Expertenschtzungen im abgelaufenen Quartal noch gestiegen sein, die Renditen kommen ax/sme aber unter Druck.

Kennzahlen OsramUmsatz. in Mio. Euro Ergebnis nach Steuern, in Mio. Euro Umsatzrendite 10/11 5 032 6,1 % 309 09/10 4681 6,8 % 318Handelsblatt Quelle: Unternehmen

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12 MEINUNG

MONTAG, 23. JANUAR 2012, Nr. 16 ******

13IRAN

WORTE DES TAGESREPUBLIKANER

Integrationsfigur gesucht

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eelenbalsam hat sich die Republikanische Partei Amerikas an diesem Wochenende gegnnt. In South Carolina hat sie nach Gefhl und Leidenschaft und nicht nach Vernunft entschieden. Einen Totgesagten, Newt Gingrich, lie sie wiederauferstehen, wenigstens dieses eine Mal. Damit haben die amerikanischen Konservativen gezeigt, dass sie sich nicht so einfach ins Unvermeidliche fgen wollen. Fgen in Mitt Romney, den Ex-Gouverneur von Massachusetts, der seit letztem Sommer als republikanischer Herausforderer von Prsident Barack Obama praktisch festzustehen schien. Dabei ist Newt Gingrich nicht etwa der Beste unter den anderen Kandidaten der Republikaner. Er ist nur der, dem man gerade den Platz an der Sonne am meisten gnnt. Auch wenn es vielleicht nur fr ein paar Tage ist, bis am Dienstag nchster Woche wieder gewhlt wird, dann in Florida, wo Romney derzeit noch haushoch fhrt. Denn bei aller konservativen Euphorie ber den berraschungssieg des 68-Jhrigen: Dass der ehemalige Sprecher des US-Reprsentantenhauses die Spitzenkandidatur der Republikaner erringt, ist auch nach dem Sieg im erzkonservativen South Carolina nicht wahrscheinlich. Gingrich fehlt es an Organisation, an Geld, an Disziplin. Und Gingrich ist beladen mit Lasten aus der Vergangenheit, die ihn zwar menschlich machen, aber in einem Duell mit Barack Obama auch extrem angreifbar. Doch lsst sich an Newt Gingrich exemplarisch das Problem der Republikaner und jenes von Mitt Romney ablesen. Die amerikanischen Konservativen wissen in diesem Wahljahr nicht, wohin ihre Reise gehen soll. Weil zum einen die Republikanische Partei in so viele Flgel und Strmungen zerfallen ist wie noch nie. Und weil zum anderen der eine Kandidat, der diese disparate Partei zusammenfhren knnte, nicht in Sicht ist, zumindest nicht zur Wahl steht. Das gilt im brigen auch fr Gingrich. Dessen Ansichten zu republikanischen Kernthemen mandern zwischen ziemlich links und ziemlich rechts. Mit der demokratischen Minderheitsfhrerin im Kongress und Hassfigur fr die Republikaner, Nancy Pelosi, trat er etwa 2008 in einem Werbespot auf, der vor dem Klimawandel warnte. Den republikanischen Vorschlag einer Reform der staatlichen Krankenversicherung Medicare verurteilte er im vergangenen Frhjahr als Sozialeingriff von rechts. Und beim Thema Einwanderung pldiert er fr ein Gastarbeiterprogramm. So liberal er hier ist, so stark driftet er zur Tea-Party, wenn er die Abschaffung der Obama-Gesundheitsreform fordert, wenn es um Waffengesetze geht oder er mglichst niedrige Steuern will. Derzeit gelingt es Gingrich, all diese Widersprche in den Hintergrund zu drngen. Wenn Newt Gingrich auf einer Bhne steht, ist er authentisch, er spricht eine Sprache, die jeder versteht, und er vermittelt das Gefhl, bei ihm in guten Hnden zu sein. Und im Moment reicht das, um dem glattpolierten Mitt Romney die Schau zu stehlen.

Ich erkenne ja die Sparbemhungen in Griechenland an, aber ich habe erhebliche Zweifel, ob sie angesichts der Ausgangslage reichen werden.FRANK MATTERN, McKinsey-Chef

Sanktionen sind nur die halbe Diplomatie

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Ich wage die Prophezeiung, dass der Insolvenzverwalter nicht viele Lden wird weiter betreiben knnen.DIRK ROSSMANN, Rossmann-Chef zur Schlecker-Pleite

Wir spren die Krise nicht im Umsatz. Wir haben trotz Euro-Schuldenkrise keine Packung weniger verkauft.HELMUT KRAFT, Stada-Finanzvorstand

Eigentlich kann man den Ratingagenturen keinen groen Vorwurf machen, wenn sie ihre Rechenmodelle jetzt konsequent durchziehen.JOSEF ACKERMANN, Deutsche-Bank-Chef

RATINGAGENTUREN

Auf einem Auge blindHans-Joachim Dbel

Ratingagenturen klammern die Risiken aus Inflation und sinkendem Wechsel kurs aus, obwohl diese fr Investoren wichtig sind. So bevorzugen sie das angelschsische Modell.

Markus Ziener

D

Der Autor ist Korrespondent in Washington. Sie erreichen ihn unter: [email protected]

Verantwortlicher Redakteur der Meinungsseiten: Torsten Riecke, Berlin. Sie erreichen die Meinungsredaktion: E-Mail: [email protected] Adresse: Kasernenstrae 67, 40213 Dsseldorf

as Kernargument der Ratingagentur Standard & Poors (S&P) zu den Herabstufungen von Frankreich und anderen Euro-Lndern lautet, dass zu viel an den Symptomen und zu wenig an den Ursachen kuriert werde. Diese Kritik geht durchaus in die richtige Richtung. Die harten Sparauflagen fr die schwachen Euro-Lnder blenden die tiefer liegenden wirtschaftlichen Ungleichgewichte aus. Auerdem kann die Krise nicht dadurch bekmpft werden, dass sich alle Euro-Staaten gleichzeitig aufs Sparen verlegen. Trotzdem ist die Argumentation der Ratingagenturen sehr einseitig. Denn sie konzentrieren sich nur auf das Risiko, das Investoren durch Manahmen der Schuld-

nerstaaten droht, also durch Schuldenschnitte oder den Stopp der Zahlungen. Dagegen klammern sie die Risiken durch eine mgliche Abwertung der Whrung oder Inflation aus, obwohl die fr die Investoren genauso relevant sind. Anders gesagt: Sie betreiben ein legalistisches statt eines konomischen Ratings. Damit verfehlen S&P und die Konkurrenten nicht nur ihr primres Unternehmensziel des Investorenschutzes. Weil sie auf einem Auge blind sind, kommen bei ihnen Staaten mit hohen Inflationsrisiken systematisch viel zu gut weg oder Lnder mit direkten Ausfallrisiken vergleichsweise zu schlecht. Das benachteiligt alle Lnder, die ber feste Wechselkurse oder eine gemeinsame Whrung an ihre Partner gebunden sind. In der Tat sind Whrungsrume wie die Euro-Zone, aber auch der auf einseitigen Bindungen in Asien und Lateinamerika beruhende Dollarraum anfllig fr Schuldenkrisen. Erstens entfllt bei (vermeintlich) festen Wechselkursen die im Zinssatz enthaltene Risikoprmie fr mgliche Abwertungen was dazu fhrt, dass die Auslandsinvestoren ihre Risiken unterschtzen. Zweitens ist eine hohe inlndische Verschuldung in einem Whrungsraum mit niedriger Inflation besonders gefhrlich, denn ihr realer Wert sinkt nur langsam. IWF-Analysen zeigen daher, dass Lnder mit flexiblen Wechselkursen weniger krisenanfllig sind als solche mit festen Bindungen. Wegen dieser hheren Anflligkeit verdienen Whrungsrume einen gewissen, begrenzten Ratingabschlag; es sei denn, es

gbe eine strikte Kontrolle der gesamten Verschuldung also weit ber die reine Staatsverschuldung hinaus. Die derzeitigen Abschlge fr die Euro-Zone bersteigen aber deutlich das notwendige Ma. Sie wirken diskriminierend, weil die speziellen Risiken der Lnder mit flexiblen Wechselkursen ausgeblendet werden. Ein Beispiel: Das britische Pfund hat seit Ende 2006 um rund 20 Prozent gegenber dem Euro abgewertet, mit entsprechenden Verlusten fr Auslandsinvestoren in britische Staatspapiere. Grobritannien hatte zudem 2011 eine zwei Prozent hhere Inflationsrate als die Euro-Zone, was ber fnf Jahre extrapoliert einem Kapitalschnitt fr seine Inlandsinvestoren von zehn Prozent entspricht. Nimmt man die fnf Jahre seit Ausbruch der Finanzkrise, also 2007 bis 2011, so entspricht die Inflationsdifferenz zur Euro-Zone immer noch einem Kapitalverlust von sechs Prozent. Italien ist hnlich verschuldet wie Grobritannien. Aber wrde Italien die schleichende Abwertung der Briten auf einen Schlag mit einem Kapitalschnitt nachholen, so wrden die Agenturen von einem Kreditausfall sprechen und das Land auf die Note CCC oder D abwerten. Und die gestiegene Wahrscheinlichkeit eines solchen Schritts fhrte bereits jetzt zur Abstufung in den Bereich von A bis BBB. Grobritannien hingegen bleibt mit seiner Inflationsstrategie unbehelligt und behlt die Topnote AAA. Moodys lobte die britische Politik des Landes im Dezember 2011 ohne jede Ironie: the very strong record of reversing increases in debt einschlielich

der offenbar akzeptierten Methode, den Anstieg der Schulden durch Inflation aufzufangen. Diese von allen Agenturen geteilte Methodik ist also offensichtlich sehr einseitig, und ihre Sprengkraft fr jede Form koordinierter Whrungspolitik und Inflationsbekmpfung ist enorm. Ein sinnvoller Ratingansatz msste auf den erwarteten realen Barwerten der zuknftigen Zahlungsstrme von Wertpapieren basieren. Das heit: Er msste die Wahrscheinlichkeit eines Verlusts durch Inflation ebenso wie die eines rechtlichen Kapitalschnitts bercksichtigen. Dies wrde zu weit geringeren Ratingdifferenzen, etwa zwischen Grobritannien und Italien, als bisher fhren. Es bleibt abzuwarten, ob die Staaten, die Ratings strker regulieren wollen, sich mit dieser Einengung ihrer wirtschaftspolitischen Optionen durch die einseitige Methodik der Agenturen abfinden. Auerdem darf man nicht bersehen: Kurzfristig profitieren zwar die Lnder, die einen faktischen Schuldenschnitt ber Abwertung und Inflation verfolgen, von der aktuellen Methodik. Das langfristige Interesse einer weit greren Zahl von Staaten an Integration mit ihren wichtigsten Handelspartnern bei niedriger Inflation sowie das Interesse der Investoren an realistischer Bewertung werden die Agenturen aber schon mittelfristig zwingen, ihren einseitigen Ansatz zu berdenken.Der Autor leitet das Beratungsunternehmen Finpolconsult in Berlin. Sie erreichen ihn unter: [email protected]

ie heute erwartete Entscheidung der EU-Auenminister, iranische limporte zu verbieten und die Aktivitten der iranischen Zentralbank einzuschrnken, kommt vor dem Hintergrund eines Konflikts, der seit Wochen zwischen Iran, Israel und den USA abluft. Dazu gehren aggressive iranische Militrmanver und Drohungen, die Strae von Hormus zu sperren, demonstrative israelische Raketentests, der Mord an einem iranischen Atomwissenschaftler und zahlreiche Politikeruerungen ber die Mglichkeit oder gar Notwendigkeit militrischer Schlge gegen Iran. Besonnenere Tne kommen von Leuten, die vom Kriegfhren etwas verstehen: So machte Israels Geheimdienstchef klar, dass Iran fr Israel zwar eine Bedrohung, aber keine existenzielle Gefahr darstelle. Der amerikanische Verteidigungsminister sprach von den unabsehbaren Konsequenzen eines denkbaren israelischen Militrschlags, und der US-Generalstabschef reiste nach Israel, um dort vor unabgesprochenen Militraktionen gegen Iran zu warnen. Prsident Obama und sein Verteidigungsminister definierten gleichzeitig zwei rote Linien, bei deren berschreitung Teheran mit militrischen Manahmen der USA zu rechnen habe: eine Blockade der Strae von Hormus und die Herstellung einer Atomwaffe. Diese Statements sind eher Zeichen der Entspannung als der weiteren Eskalation. Signalisieren sie doch, dass Washington eine militrische Konfrontation nach Mglichkeit vermeiden will. Aus amerikanischer Sicht ist es zunchst ausreichend, wenn Europer und andere Verbndete ihre Sanktionen gegen Iran verschrfen, um Teheran von einem weiteren Ausbau seines Atomprogramms abzuhalten. In der Tat sind Sanktionen ein Mittel robuster Diplomatie, das Regierungen zwingen kann, ihren Kurs zu revidieren. Das wichtigste Wort hier ist kann: Irgendeine

Volker Perthes

Schnelle Wirkung drften auch harte Sanktionen nicht entfalten. Aber sie knnen dazu beitragen, Teheran zum Einlenken zu bewegen.Wirkung zeigen Sanktionen immer. In der Regel schwchen sie die betroffenen Staaten; die gewnschte Politiknderung bewirken sie sehr viel seltener. Generell gilt, dass betroffene Regierungen eher zum Einlenken zu motivieren sind, wenn solche Manahmen von der gesamten internationalen Gemeinschaft, mindestens aber von den wichtigsten Staaten getragen werden. Sanktionen mssen klar genug sein, also deutlich machen, welches Verhalten zu ndern wre. Strafmanahmen, die ein Regime als solches ins Visier nehmen, scheitern fast immer. Kuba bietet hier das Beispiel mit der lngsten Geschichte. Schlielich sollten Sanktionen in einen weiteren politisch-diplomatischen Kontext eingebunden sein: Sie mssen Bemhungen um eine friedliche Konfliktregelung ergnzen, nicht ersetzen. Letzteres wird vor allem die Aufgabe Europas, namentlich Deutschlands, Frankreichs und Grobritanniens, sein. Ganz aussichtslos sind neue diplomatische Anstrengungen nicht. Die iranische Regierung hat sich angesichts der erwarteten europischen Sanktionen, deren Umsetzung sie selbstverstndlich verhindern will, zu neuen Verhandlungen mit den drei plus drei (USA, Russland, China sowie Frank-

reich, Grobritannien und Deutschland) bereiterklrt und die IAEO zu neuen Inspektionen ihrer Anlagen eingeladen. Das sollte genutzt werden. Natrlich wird sich der Atomkonflikt mit Iran nicht in ein oder zwei Gesprchsrunden lsen lassen. Dazu ist das gegenseitige Misstrauen zu gro, und die Positionen liegen zu weit auseinander. Iran wird nicht einfach, wie vom Sicherheitsrat verlangt, vollstndig auf die Anreicherung von Uran verzichten. Auch in Iran ist Auenpolitik zunchst einmal Innenpolitik. Im Frhjahr finden dort Parlamentswahlen, im Sommer 2013 Prsidentschaftswahlen statt. Kein Kandidat wird sich ein Einknicken gegenber dem Westen vorwerfen lassen wollen. Auch im Falle ernsthafter Verhandlungen sind deshalb bestenfalls Zwischenlsungen zu erwarten. Vorstellbar ist die Entwicklung eines schrittweisen Prozesses, in dem definiert wrde, was Iran unternehmen muss, damit einige Sanktionen aufgehoben oder ausgesetzt werden etwa der Verzicht Irans auf die weitere Anreicherung von Uran auf 20 Prozent, dem eine Aussetzung amerikanischer und europischer limport- und Finanzsanktionen gegenberstehen knnte. Eine vollstndige Aufhebung der vom Sicherheitsrat verhngten Sanktionen ist derzeit aber genauso wenig zu erwarten wie ein Stopp aller iranischen Anreicherungsaktivitten. Sinnvoll wre auch die Wiederbelebung der Idee eines Brennstoff-Swaps, bei dem Iran eigenes mittelhoch angereichertes Uran an Russland oder Frankreich liefert und dafr Brennstbe fr seinen medizinischen Forschungsreaktor erhlt. Auch eine solche Vereinbarung wre nicht der groe Durchbruch. Sie knnte aber den Weg fr weitere Verhandlungen ebnen.Der Autor leitet die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Sie erreichen ihn unter: [email protected]

SCHLECKER

Schrumpfen ist keine Option

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ie Kaufhauskette Sinn-Leffers machte es vor: In der Planinsolvenz wurden unrentable Mietvertrge neu ausgehandelt, berzhlige Mitarbeiter erhielten ohne teure Abfindungen die Kndigung, und selbst Lieferanten besserten ihre Verkaufsangebote angesichts der Schieflage ihres Abnehmers nach. Heute verdient die Hagener Modekette wieder prchtig. hnlich erfolgreich stellten Insolvenzplne auch die Wettbewerber Karstadt und Woolworth wieder auf die Beine. Nach einem Befreiungsschlag, den vor allem Mitarbeiter und Vermieter zu spren bekamen, fanden die Traditionsfirmen neue Eigentmer. Die Rettung von Schlecker also kaum mehr als eine Formsache? Schn wrs. Tatschlich drfte es dem knftigen Insolvenzverwalter kaum schwerfallen, den Geschftsbetrieb am Laufen zu halten und ungnstige Vertrge kurzfristig zu kndigen. Doch ein Gesundschrumpfen gibt es fr Schlecker nicht. Fr das Drogeriemarktkonzept war bislang nur eines gesund: Wachstum. Whrend die Wettbewerber dm und Rossmann ihre Mitarbeiter schulten, Bioartikel in die Lden nahmen und in teure Innen-

Christoph Schlautmann

Die Drogeriemarktkette konnte sich bisher durch Wachstum behaupten. Jetzt muss ein neues Konzept her.stadtlagen investierten, setzte der Marktfhrer aus Schwaben allein auf die Expansion seines Filialnetzes. Selbst an entlegensten Orten ffneten seine wei-blauen Lden, selbst dann, wenn von den Ertrgen kaum die Kassiererinnen zu bezahlen waren. Die Strategie erinnert an ein Schneeballsystem. Solange die Umstze stiegen, konnte Schlecker seine Lieferanten mit den Geldeinnahmen bequem bezahlen. Schlielich waren die Artikel meist schon in seinen

Lden verkauft, bevor die Rechnungen in der Ehinger Firmenzentrale zu begleichen waren. Erst als Schlecker die Grenze zur Marktsttigung erreichte, brach das System zusammen. Kein Wunder, dass die Schwaben seit vier Jahren rote Zahlen schreiben. Die Zukunft ist fr das Unternehmen alles andere als rosig. Denn verabschiedet sich Schlecker von einem wesentlichen Teil seines Filialnetzes, sinkt der Warenumsatz drastisch. Die gnstigen Einkaufspreise bei der Industrie wren dahin, die Sonderangebote fr die Kundschaft ebenso. Was Drogerieketten in solchen Fllen droht, zeigten die Wettbewerber Idea, kd und Ihr Platz: Sie alle verschwanden vom Markt. Schlecker braucht jetzt ein vllig neues Geschftsmodell. Und zwar eines, dass sich mit einem mig attraktiven Standortnetz gegenber den enorm erfolgreichen Wettbewerbern dm und Rossmann durchsetzt. Ideen drfte der Insolvenzverwalter dankend entgegennehmen.Der Autor ist Unternehmensredakteur. Sie erreichen ihn unter: [email protected]

Handelsbla


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