Grundlagen des Hörens
Klaus FrielerUniversität Hamburg
Musikwissenschaftliches Institut
Seminar 56.803, SoSe 08
Klaus Frieler: Grundlagen des Hörens
Überblick
• Aufbau des Ohrs• Cochlea• Neuronen• Die auditorische Bahn• Lautheitswahrnehmung• Tonhöhenwahrnehmung• Klangfarbe• Konsonanz-Dissonanz
Klaus Frieler: Grundlagen des Hörens
Aufbau des Ohrs
1. Ohrknorpel2. Ohrkanal3. Ohrmuschel (Pinna)4. Trommelfell5. Ovales Fenster6. Hammer7. Amboss8. Steigbügel9. Bogengänge10. Gehörschnecke (Cochlea)11. Hörnerv12. Eustachische Röhre
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Ohr
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Aufbau des Ohrs - Signalweg
Außenschall (Luft)Pinna (Luft)
Trommelfell (Mech.)
Gehörknöchelchen (Mech.)
Cochlea (Hydr.)
Basilarmembram (Mech.)
Haarzellen (Elektr.- Mech.) Auditorischer Nerv (Elekt.-Chem.)
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Aufbau des Ohrs - Cochlea
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Cochlea
• Wanderwelle auf der Basilarmembran• Frequenzselektivität:
– Hohe Frequenzen Maxima an der Basis (ovales Fenster)– Niedrige Frequenzen maixma an der Spitze (Helicotrema)
• Äußere Haarzellen (ca. 12.000) wirken als adaptives Filter (top-down)
• Innere Haarzellen (ca. 3.500) im Corti‘schen Organ längs der Basilarmembran transduzieren die mech. Wanderwelle in Nervenimpulse (bottom-up)
• Tonotopie
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Aufbau des Ohrs - Cochlea
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Aufbau des Ohrs - Cochlea
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Neuronen
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Neuronen - Schema
Dendriten Synapsen Dendriten
Soma Axon
Synapsen
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Neuronen
• Nervenzellen bestehen aus – Soma (Zellkörper)– Axon (Ausgangsleitung)– Dendriten (Eingangsleitungen)
• Synapsen bilden die Übergängen zwischen verschiedenen Neuronen
• Hauptfunktion ist die Erzeugung und Weiterleitung von elektro-chemischen Signalen (Aktionspotentiale, Spikes)
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Synapsen und Spikes
• Synapsen benutzen Neurotransmitter• Synapsen können Aktivierend oder
Hemmend sein• Synapsen haben bestimmte Stärken
(Veränderung der Stärken = Lernen)• Einkommende Signale werden im Soma
addiert. Wird ein Schwellwert überschritten feuert das Neuron
• Messgröße: spike rates (Feuerraten)
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Aktionspotential - Spike
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Auditorische Neuronen
• Jede Hörneuron hat ein rezeptives Feld: Aktivitätsbereich in Abhängigkeit von Frequenz und Intensität
• Charakteristische Frequenz (CF) : Frequenz mit der niedrigsten Feuerschwelle
• Beste Frequenz (BF): Frequenz mit der höchsten Feuerrate bei gegebener Tonintensität
• Kritische Bandbreite jedes Hörneurons (Logarithmisch, ~ 1 Terz)
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Auditorische Neuronen
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Die Auditorische Bahn
Hörnerv
Cochlea Nucleus
Superior Olive
Inferior Colliculus
Medial Geniculatus
Auditorischer Cortex
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Die Auditorische Bahn
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Lautstärkenwahrnehmung
• Schalldruckpegel, Schallintensität: Physikalische Leistung einer Schallwelle (I ~ p2 )
• Das menschliche Ohr kann Schallintensitäten zwischen 10-16 W/cm2 und 10-4 W/cm2 erfassen (1kHz): 12 Zehnerpotenzen! (0-120 dB)
• Logarithmische Skala: dezibel (p0= 20 Pa)
• Weber-Fechner‘sches Gesetz s ~ x/x
Logarithmische Skalen in der Wahrnehmung• Just Noticable Difference bei 1kHz: 0,1 – 1 dB
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Lautstärkenwahrnehmung
• Wahrnehmung der Schallintensität ändert sich mit der Frequenz
• Phon-Skala: Gleiche Lautstärke von Sinustönen verschiedener Frequenz
• Bei 1kHz: dB = Phon• Phonskala nicht distanztreu• Lautheit: Sone–Skala
– Doppelte Sone-Wert entspricht doppelter Lautheit
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Lautstärkenwahrnehmung
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Verdeckung
• Verdeckung (Masking): Nicht-Wahrnehmbarkeit von Tönen in Gegenwart anderer Töne
• Mp3 und andere Audiokompressionsverfahren basieren u.a. auf Verdeckungseffekten
• Frequenz- und Zeitabhängig• Nachverdeckung: Vorgehender stärkerer Ton
verdeckt nachfolgenden schwächeren• Vorverdeckung: Folgender stärkerer Ton verdeckt
vorhergehenden schwächeren Ton
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Tonhöhenwahrnehmung
• Tonhöhenwahrnehmung entsteht durch periodische Eigenschaften des Schalls
• Hängt prinz. von Klangfarbe (Spektrum) und Lautstärke ab
• EmpfundeneTonhöhe ist nicht gleich der niedrigesten, stärksten Frequenz
• Phänomen der Residualtöne (missing fundamental, Schouten 1940): Fehlender Grundton wird ergänzt
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Tonhöhenwahrnehmung
• Tonotopie der Auditorischen Bahn basiert auf Tonhöhe und nicht auf Frequenz
• Phasenkopplung der auditorischen Nerven bis 2kHz
• Kein allseits akzeptiertes Modell Tonhöhenwahrnehmung: Orts/Zeittheorien
• Kombinationstöne sind nicht an der Tonhöhenwahrnehmung beteiligt
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Tonhöhenwahrnehmung
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Tonhöhenwahrnehmung
• Tonhöhenwahrnehmung ist kategorial• Unterschiedschwelle (JND) für Tonhöhen (Sinuston,
~70 Phon, 1kHz): 5 cent (0,3%)
• cent(f, f0) = 1200 log2 f/f0, z. B. cent(2f, f) = 1200 (Oktave)
• Phänomen der Oktavidentität• Revesz‘ Zweikomponententheorie der Tonhöhe:
Tonigkeit und Helligkeit (pitch class, Chroma und Oktavlage),
• Neuronale Evidenz für Tonhöhenhelix
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Tonhöhenhelix
Langner (2007)
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Klangfarbe
• Faktoren des Wahrnehmungsphänomens Klangfarbe:– Gestalt des Frequenzspektrums (Obertongehalt)– Zeitliche Entwicklung des Spektrums
(Auftauchende, sinkende Obertöne)– Ein/Ausschwingvorgänge
• Formanten: Feste Resonanzbereiche im Spektrum
• Dimensionen der Klangfarbe nicht eindeutig: Schwer systemfähig
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Dimensionen der Klangfarbe
• Spektraler Schwerpunkt• Spektrale Abweichung• Spektrale Dichte• Einschwingzeit• Ausschwingzeit• Hüllkurve• Spektraler Fluss• Tonhöhenstärke• Einschwingsynchronizität• Geräuschhaftikeit
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Dimensionen der Klangfarbe
Grey (1977)
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Konsonanz-Dissonanz
• Problem der Verquickung von ästhetischen und perzeptiven Aspekten
• Perzeptive Aspekte:– Schwebung– Rauigkeit– Schärfe– Verschmelzung– Kleine ganzzahlige Intervalle– Kritische Bandbreiten