7/25/2019 Gasschutz Und Luftschutz 1936 Nr.4 April
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NR 4
6.
J AHR GANG
BERLIN
IM APRIL 1936
ZEITSCHRIFT FR DAS
GESAMTE
GEBIET
DES
GAS UND LUFTSCHUTZES DER
ILBEVLKERUNG
MITTEILUNGS
BLATT
AMTLICHER
NACHRICHTEN
Einige Bausteine fr eine Dienstvorschrift
Zur Durchfhrung der Schdenbekmpfung
J. von R e i c h e Major der Schutzpolizei und
Kommandeur
eines
Luftschutzabschnittes
Altona
A. Ober die Notwendigkeit
solcher Vorschrift.
.Jede ' Abschnittskommamleur und
R c v i e r v o r ~
stehc ' wird bei seiner praktischen
Arbcit
der V o r ~
bereitung auf 'das, was der
L u f t s e h u t z ~ S i e h e r h e i t s
und I filfsdienst im Kriege bei und nach eincm
n
griff feindlicher Flieger tun soll, mit mir die
S e h n ~
sucht nach einer diesbezglichen ie n s t vor
Sc h I i
f
t
schon oft
geteilt
haben:
die Sehnsucht
n.aeh
wenigstens einer
Art
allgemeingltiger
g r u n d ~
satzlieher Anleitung die fr die Praxis wirklich
brauchbar
ist, weil sie
nicht
von einer grauen
kathedergeborenen
Theorie sondern von der
?endigen praktischen
Erfahrung ausgeht. Ich
Jedenfalls blicke
neidvoll
auf die den Kampf b e ~
handelnden Dienstvorschriften der Wehrmacht in
deren Grundbegriffen
das lteste und
erfahrenste
Handwerk
das
vV
a f f e n h a n d
wer k
seinen
Werkzweck seino 'vVerkmeister und
Werkleute
seine 'Werkzeuge
Werkstoffe
und
Werkstcke
und die Folge
der
einzelnen
Werkhandlungcn
im
Ablauf
des
gesamten
Werkganges so
vorbildlich
t r ~ f f e n d
und anschaulich
benennt
und
folgerichtig
gliedernd ordnet.
Solche h a n d we r k I
i ch
e n
~ e g r i f fe
sind
geschaffen. um beim
Handwerken
Jedesmalige erneute
lange Erklrungen berflssig
Zu
machen,
um also durch einfache
und
rasche
handwerkliche
Verstndigung
das
Handwerk
se l
bst
Zu erleichtern.
Sie sind
Urschpfungen des Hand.
werkes,
vom
Handwerk aus
der
Erkenntnis
ihrer
S
.otwendigkeit
heraus fr das
Handwerk geboren.
10
sind so alt wie
das
Handwerk
selbst.
Werb
z ~ e e k
des Waffenhandwerkes ist der Sieg;
vVe
rb
stuck der Kampf in
seinen mannigfaltigen F o
Inen von Scharmtzeln. Gefechten
und Schlachten
v
o
'
AT)griff
und
Verteidigung;
Werkstoff
ist der
Feind;
Werkgang
die
Taktik
deren
Grundbegriffe
a ~ s
handwerkliche
C 1 undregeln
in
der Taktiklehrc
ndledergelegt
sind. Ausschlielich
die
Erfordernisse
er
Taktik
sind magebend fr alle
brigen a n d ~
wel'ksbezeichnungen, auch die
der Werkmeister
und
Werkleute .
Weil
ich
ber
die
Grundlagen der Erfllung
u n ~
serer
Aufgaben im
umfangreichen
Sehri.fttum
ber
den zivilen
Luftschutz nicht
"iel
gefunden habe
desto mehr
aber
i.iber rein
wissenschftliche und
andere
zweigfachliche
Einzelheiten
scheint
mir
Scre
Aufgabe
viclfaeh
noch nicht
als
Ilandwcrk
angesprochen zu werden.
Sonst wrde
man
nicht
llerhand Ausdrcke
wie Schden.
Gefahren
St
.
rungen,
Groschden Katastrophen
und
Katastro
.
phenherde in einen Topf getan und so
letzten
Endes
begrifflich ziemlich gleichgestellt finden,
gleich
man
meinen
sollte,
verschiedene
Worte
mten auch
Verschiedenes bedeuten.
n d c r e r
seits
zeigt
die gelegentliche Anwendung waffen
.
wehrmiger taktischer Grundbegri
He,
da
man
deren Bedeutung
als
den Werkgang
und die
seine
vorbereitenden IIandlungen der zeitlichen
Folge
nach
ordnenden
Glieder
sowie
die
Bezeichnungen
dieser
Glieder als
begrifflich klar gegeneinander
abgegrenzte und scharf umrissene
Aufgahen
und
somit Auftrge nicht
allein stillsehweigen{l
berall
als
bekannt voraussetzt sondern mit
den
B e l a n
gen
unserer
Taktik
fr
stets kongruent erachtet.
Sonst wrde nicht kurzerhand von Erkundung
Be.
obaehtung Beurteilung der
Lage,
Entschlu und
Ausfhrungsbefehlen
dazu die
Rede
sein,
ohnc
zu
sagen,
was sie fr uns
im
einzelnen hedcuten.
I
merhin aber wird unsere Aufgabe
als
Handwerk
angesehen ist ihr Wesen
als
Kampf erkannt und
wird
gezeigt,
da
auch
wir einer Ta
k t i k
und da
,
mit einer Ta
k
t i
k I
eh r ehedrfen.
.
Damit haben wir
auch
eine Ha
n d
wer
k s
s p r
ach
e ntig. Ihre
allgemeine Kenntnis
und
richtige Anwendung
sollen
Miverstndnisse
schlieen.
Kein anderes Handwerk bedarf
gerade
fi.ir den Ablauf des
vVerkganges
so kurzer und
doch klarer Begriffe
wie
das unsere.
weil bei
keinem das
Gelingen
des Werkstckes so
sehr von
der
Schnelligkeit
der Arbeitsausfhrung
und der
Einfachheit
und Krze
der
gegenseitigen
V e r s t n
digung abhngt. Solange
aber eine TI a n d w e r k s
sprache fehlt oder
unseren
Erfordernissen
nicht
vo
ll
auf gengt,
knnen
wir
selbst noch keine
Handwerksmeister
sein, bleibt
unscr Lehren
vollkommen sind wir
beim
Lehren immer
wieder
auf langwierige Wiederholungen angewiesen und
laufen gerade deshalb Gefahr miverstanden
zu
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werden. Schlimmer noch,
gerade
im Ernstfall sind
wir zu zei traubenden Erluterungen gezwungen,
um Miverstndnisse zu vermeiden, werden sie
aber trotzdem
oder
wiederum gerade deshalb e r ~
leben,
verstoen notgedrungen
gegen das d r i n
gendc und fast ausschlieli ch Erfolg
bedingcnde
Gcbot der
jedesmaligen allergrten
Eile, v e r u r ~
sachen Oberhastungen und Oberstrzungen
und
stellen so das Gelingen
unsere
s
\Verkzweck
es
von
vornherein
ernstlich in Frage.
Als ehemaliger Seeoffizier
dureh
w a f f e n w e h r ~
mige taktische Begriffe wcniger vorbelastet als
meine aus
der
alten Armee gekommenen a m e
raden , habe ich nun versucht,
jede
den klaren
Blick trbende Wissenschaft beiseitezustellen und
zunchst nur die praktischen
E r
f 0 r d c r n
i ss
e
u n s e r e r T a k t i k zu
ergrnden.
Das fhrte
zwangslufig
zur
Prgung einiger taktischer B e ~
griffe fr unser Handwerk, vorlufig als Aushilfen,
danach dazu, alle bisher geschaffenen i n r i e h t u n ~
gen
und
Begriffe des zivilen Luftschutzes Schritt
vor Schritt systematisch daraufhin zu prfen, ob
ihre je tzige Bcsehaffenheit und ihre ' jetzigcn
Namcn
taktisch
richtig
sind
oder
aus
taktischen
Grndcn
umgeformt
odcr umbcnannt
wcrdcn
mssen. Diese Untersuchung ist also nicht eine
bswillige
und
berhebliche Kritik an dem, was
alles mit viel Mhe
und Arbeit bereits hergestellt
wurde,
sondern
sie ist ein
Versuch,
zum schnellen
Gelingen eines brauchbaren
Ganzen
nach bcsten
Krften beizutragen.
Ich wrde es auch nicht unternehmen, dicsc
beit zu verffcntlichen, wcnn nicht nur
berufcnc
I\:.cnner unscrcr praktischen Erfordernissc, sondern
auch mcine eigenen Untergebenen sie nicht chrlieh
fr gut befundcn httcn. Geradc die Meinung
ser
eigentlichen
Handwerker
ist der beste
P r f ~
stein.
Grunelstzlich
mu
man bei einem
Versuch zu
einer Dienstvorschrift ber
unsere
Taktik von
einer festcn Basis ausgehcn,
von
einem M a n t c l ~
gesctz sozusagen, das die
Notwendigkoit
eincr
Taktik berhaupt begrndct
und
die Bclange
dcs
gesamten
zivilen
Luftschutzcs
folgcrichtig
unter
die [ferrschaft
dicscr
Taktik
zw ingt. Solch
Mantc\;
gesctz
hngt zwar schon in eier Luft, in
b r a u c h
barer
Krze
habe
ich es aber noch
nicht
gefundcn.
Ich habe es mir dcshalb selbst entworfen und
bringe
es alls zwei Grndcn wortgetreu: einmal,
weil es in
beweisfhrender Behauptung
o u v c r t r e n ~
artig
den
Extrakt
meiner Anschauungen bringt ;
zum
andern, weil
unsere bishcrigen
Namen "ziviler
Luftschutz und Luftschutz Sicherheits
und
r
[ilfsdienst meiner
Meinung
nach unser
bisheriges
Schicksal recht ungnstig und das Tcmpo unserer
Entwicklung
recht hemmend beeinflut haben.
Theoretisch wird unsere Daseinsbcrechtigung wohl
beralI anerkannt, praktisch jedoch hufig noch
nicht oder nicht ausreichend . .Jeder von
uns
hat
bei dem oft vergeblichen, heien und z c i t r a u b e n ~
elen Bemhen, Hindernisse zu
berwinden,
hier
genug unerfreuliche Erfahrungen gemacht. Noch
haben wir nicht beralI erreicht, da der groe
Bruder
vVehrmacht und die
Formationen
eIer
tei uns, elie Leutchen ohne Waffc, nicht nur
ablassend dulden, sondern als WaffengeFhrten und
Mithelfer voll anerkennen, da sie uns das
Unserc
zukommen lassen und sich im gemeinsamen
Kampf
gcgen Gefahren sogar unse rer Fhrung
a n v e r ~
trauen.
Im Kampf um den A usbau dieser unserer
Stellung, die wir uns
nicht
anmaen, sondern die
uns zugewiesen ist und die wir zu he
haupten
8
haben, sollen die folgenden Zeilen berzeugende
I felfcr scin.
Ober
die Bedeutung des Schdenwehrdienstes
im totalen Krieg.
1
V o m
W e s e n d e s t o t a le n K r i e g e s.
Dur
ch den Weltkrieg hat Europa seine
auf
Ban>
dei und Industrie beruhend-:
VormachtstelIung
in
der
VV
cl t und sein
berragendes
Ansehen bci den
farbigen
Vlkern verloren
und luft
Gefahr,
mit
se inen
Kolonien der Quellen
seines restlichen
Wohlstandes
verlustig ' zu gehen. Dadurch wird
seine Bettigung
mehr
und
mehr
auf das enge
feld
des fcimatkontinents eingeengt. Seine lebens>
willigen
Nationen werden
gezwungen, fr ihre
wachsende Bcvlkerung Ackerboden und S i e d ~
lungsland zu schaffen.
Gelingt
es nicht, diese
Nationen
zur
gemeinsamen
Regelung
ihrer
L e b e n s ~
interessen
friedlich zu einigen, so
sind
Kriege in
Europa
unausbleiblich. Diese Kriege
werden nicht
mchr, wie dcr
Dreiigjhrige
Krieg,
von l { c l i g i o n s
gemeinschaften um ihren Glauben
oder
von
H c r r
schern
oder
Regierungen
als
Kabinettskriegc
um
Gebiete
einschlielich
deren
Bevlkerung oder,
wic
der Weltkrieg, von
mchtigen
W i r t s e h a f t s ~
verbnden
um die
Vormacht
in der
v V e l t w i r t
schaft,
sondern
von rassisch
und
damit
national
geeinten selbstndigen Vlkern
ausschlielich um
Grund und Boden gefhrt
werden. Dadurch
w a c h ~
sen sic zu einem
Kampf
zwischen ganzcn
Nationen
um
ihren fortbestand oder Untergang.
Diese r
Kampf
bedingt
den restlosen
Einsatz nicht nur
der
bewaffneten
Macht,
sondern
des
gesamten
Volkes.
Die
unmittclbare oder mittelbare Teilnahme
jedes einzelnen an diesem
Kampf,
die mit K r i e g s ~
beginn einsetzende Umstellung des gesamten
ffentlichen
und privaten
Lebens
auf
diesen
Kampf
und der durch die Luftwaffe gegebene Fortfall des
bisherigen Begriffes der Front - weil
durch
L u f t ~
angriffe selbst der abgelegenste Ort eines Landes
jcderzeit in ein Schlachtfeld verwandelt werden
kann - bilden den Begriff des
t o t
a le n K r i c
ge s.
2 D e r K r i e g s b e d a r
f
Die Wehrmacht hat dic Aufgabe, den
Feind
zu
schlagen.
Die Heimat hat
die Aufgabe, der
e h r
macht
dazu unaufhrlich
den ntigen Nachschub
an
K r
i e g
sb
e
d a r f
aller Art
zu
liefern .
Der
materielle Umfang dieses
Kriegsbcdarfes
wchst
mit
der
Technisierung der
\ \
'
chrmacht
weit s c h n e l ~
ler als mit ihrer Kopfzahl. Die Herstcllung des
Kriegsbedarfes
ist Sache der K r i e g s i n
l
u
s t r i e , die von Kriegsbeginn an e1ie gesamte
mische ln dustrie einschHelich der Landwirtschaft
um fat.
Die
stets verhltnismig groe n a p p
heit an Vorrten und die voraussicht liche Sperrung
der Einfuhr zwingen berall zum Zurckgreifcn
auf Privateigentum aller
Art.
Damit wird
das
ganze Staatsgebiet zum
Industriegebiet.
Daneben
gilt es, mancherlei
vorhandene Vorrte
durch
rasehestc Aufarbeit un g und Verteilung der
V e r
nichtung
durch feindliche Sabotalle oder L u f t
an( riffo zu entziehcn.
Zur
Erfllung
dieser
mannigfaltigen
Aufgaben
wird die gesamte B e v l k e r u ~ herangezogen. Der
Umfang und das Tempo der Gesamtherstellung
sowie die innige Verflechtung ihrer v e r s c h i e d e n ~
stcn Zweige miteinander erfordern eine e i n ~
gehende . mHitrisch
straff
disziplinierte Organi