Ganztagsschulen weiterentwickeln: Impulse – Herausforderungen – Perspektiven
Dr. Christine Steiner Deutsches Jugendinstitut (DJI)
Gemeinsam lernen, gemeinsam aufwachsen. Ergebnisse der Bildungsberichterstattung Ganztagsschule NRW 2015/2016
29. November 2016, Gelsenkirchen
Gefördert von:
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Entwicklung der Ganztagsschule in der Bundesrepublik Deutschland (Schuljahr 2002/2003 bis 2014/2015)
Quelle: Sekretariat der KMK (Hrsg.) : Allgemein bildende Schulen in Ganztagsform in den Ländern in der Bundesrepublik Deutschland, diverse Ausgaben, absolute Anzahl und in % aller schulischen Verwaltungseinheiten, eigene Darstellung
4.951 5.723
6.810
8.226
9.690
11.123 11.825
13.381
14.491
15.349 15.742
16.198 16.488
16,3% 19% 23,2% 28,3% 33,6% 38,9% 41,7% 47,4% 51,3% 54,3% 55,9% 57,9% 59,9% 0
2.000
4.000
6.000
8.000
10.000
12.000
14.000
16.000
18.000
2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014
9,8%
24,1%
37,7%
71%
aller Eltern wünschen sich die GTS JAKO-O-Studie
(2014, 76)
Anteil teilnehmender Schüler/-innen
3
Entwicklung der Nachfrage nach Ganztagsplätzen in den letzten 2 Jahren
57,1
25,1
32
0% 20% 40% 60% 80% 100%
Primarschule (n=476)
Schulen der Sek I (ohne Gym.) (n=601)
Gymnasien (n=281)
zugenommen
abgenommen
konstant geblieben
Quelle: StEG-Konsortium (Hrsg.) (2016): Ganztagsschule 2014/2015. Deskriptive Befunde einer bundesweiten Befragung. S. 87, eigene Darstellung
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Ausbaudynamik in den Bundesländern
Starker Zuwachs an gemeldeten Ganztagsprimarschulen im Rahmen des StEG
Systemmonitorings Ganztagsschule
Hier vor allem Zugewinne in Bayern, Rheinland-Pfalz, Hessen, Hamburg
zum Teil Unterschreitung der Mindestkriterien der KMK-Definition der GTS
Starke Orientierung am Betreuungsbedarf der Eltern
Formen- und Bezeichnungsvielfalt der Ganztagsschule nimmt (weiter) zu
(Bayern: reguläre und verlängerte Mittagsbetreuung, Hamburg: GBS-
Schulen, Rheinland-Pfalz „offene Ganztagsschule bzw. betreuende
Grundschule“)
unterschiedliche Finanzierungs- und Beitragsmodelle
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Unterschiedliche Ganztagsmodelle im Primarbereich
96,4
66,8
23
86,7
31,5
9,4 7,5 5,9
17,5
0
20
40
60
80
100
Hamburg Rheinland-Pfalz Bayern
Anteil von Ganztagsgrundschulen (2014)
Anteil von Schulkindern unter 11 Jahren in GTA (2014/15)
Anteil von Schulkindern unter 11 Jahren in Horten (2014/15)
Formen 1) Ganztagsschulen nach Rahmenkonzept 2) Ganztägige Bildung und Betreuung
(Kooperation Schule / Hort = GBS)
Zeiten 5 Tage / 6 – 18 Uhr Kernzeit: 13-16 Uhr Ferienzeiten
Private Beiträge Kernzeit kostenlos für Schüler/-innen bis 14 Jahre Kosten für Zeiten außerhalb der Kernzeit
Formen 1) Betreuende Grundschule 2) offene Ganztagsschule 3) Ganztagsschule in Angebotsform 4) Ganztagschule in verpflichtender Form
Zeiten 1) 5 Tage/ schulspezifische Regelungen 2) min. 3 Tage/ min. 7 Zeitstunden 3) min. 4 Tage / min. 8 Zeitstunden 4) min. 4 Tage / max. 9 Zeitstunden
Private Beiträge 1) für Zeiten vor/nach dem Unterricht 2) sozial gestaffelte Beiträge 3)+4) kostenfrei
Formen 1) gebundene Ganztagsschule 2) Mittagsbetreuung 3) verlängerte Mittagsbetreuung
Zeiten 1) min. 4 Tage/ min. 16 Uhr 2) min. 4 Tage / min 14 Uhr 3) min. 4 Tage / min. 15:30 Uhr
Private Beiträge 1) kostenfrei 2) +3) kostenpflichtig
in %
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Private Kostenbeiträge für den Ganztagsbesuch
„Wofür müssen Eltern an Ihrer Schule im Rahmen der Inanspruchnahme des Ganztagsbetriebes durch ihr Kind einen finanziellen Beitrag leisten?“
Primar Sek. I (o. Gym) Gymnasien
2012
(n=457)
2015
(n=433)
2012
(n=528)
2015
(n=608)
2012
(n=224)
2015
(n=274)
Mittagessen 98,7 97,2 97,5 96,3 97,8 95,1
Genereller Beitrag für
Teilnahme am Ganztag 59,9 54,4 5,7 6,2 7,9 9,2
Einzelne Angebote
(regelmäßig) 17,3 17,9 14,5 13,2 24,2 24,5
Einzelne Angebote
(unregelmäßig) 31,3 27,6 36,3 30,6 37,6 32,3
Quelle: StEG-Konsortium (Hrsg.) (2016): Ganztagsschule 2014/2015. S. 87, StEG-Konsortium (Hrsg.) (2013). Ganztagsschule 2012/2013, S.70, Mehrfachnennungen, Angaben in %
„Der weitere Ausbau von kostenlosen Ganztagsplätzen in der Grundschule ist […] nicht nur in Bezug auf die Nach- Fragesituation, sondern auch mit Blick auf eine Verbesserung der Chancengleichheit nach wie vor zu empfehlen.“ (StEG-Konsortium 2016, S. 105)
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Bildungsqualität und individuelle Wirkungen: Die StEG-Verbundprojekte 2012-2016
Gemeinschaftsprojekt Systemmonitoring
Ganztagsschule
bundesweit repräsentative
Befragungen von Schulleitungen an Ganztagsschulen
2012, 2015
Qualität und Wirkungen von Ganztagsangeboten in der Primarstufe (StEG-P)
67 Primarschulen, 2149 Schüler/-innen (K3/K4) , 4 Messzeitpunkte Kompetenzentwicklung Lesen, Naturwissenschaften, soziales Lernen
Ganztagsangebote als neue Lernarrangements (StEG-Q)
9 Schulen der Primar- und Sekundarstufe, 222 Schüler/-innen, 74 Lehrkräfte und pädagogische Mitarbeiter/-innen, Interviewstudie, Vergleich unterrichts– und freizeitnaher Angebote
Bedeutung der Angebotsqualität für die Entwicklung von Schlüssel- kompetenzen in der Sekundarstufe I (StEG-S)
66 Schulen der Sek I, 2149 Schüler/-innen (K5/K6) , 3 Messzeitpunkte, Kompetenzentwicklung Lesen, Deutschförderung, Medien, soziales Lernen
Stabilisierung von Bildungsverläufen durch die Ganztagsschule (StEG-A)
65 Schulen der Sek I (ohne Gymnasien), 1901 Schüler/-innen (K9/K10), 3 Messzeitpunkte, Schulnoten, soziale Kompetenzen, Bildungsentscheidungen
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Wie viele Angebote halten die Schulen in den untersuchten Domänen vor?
Quelle: StEG-P, Schüler/-innenbefragung (n=2.149)/Angebotslisten der Schulen (n=67); Innenkreis=2.Halbjahr 3.Klasse, Mittelkreis=1. Halbjahr 4. Klasse, Außenkreis=2. Halbjahr 4. Klasse
Wie viele Angebote besuchen die untersuchten Kinder in den Domänen?
0
1
2
3
>3
6% 8%
27%
28%
31%
9% 5%
18%
37%
31%
6% 11%
24%
34%
25%
Lesen
8% 15%
25% 33%
19%
11%
18%
25%
27%
19%
14%
12%
27%
34%
13%
Naturwissenschaften
55% 14%
19%
9% 3%
61% 21%
9% 7% 2%
55%
13%
20%
12% 0%
Soziales Lernen
1% 14%
85%
1% 10%
89%
1% 11%
88%
2% 15%
83%
1% 11%
88%
1% 10%
89%
7%
25%
68%
12%
25%
63%
7%
22%
71%
0
1
>1
StEG-P: Angebot und Teilnahme an Primarschulen
9
StEG-A: Nutzungsprofile von Schüler/-innen nichtgymnasialer GTS
lernbezogene Profile freizeitbezogene Profile
68,2
8,7
8
3,1
11,9 nicht erweitert
diskontinuierlich-erweitert übungsorientiert
förderorientiert
leistungsorientiert
33,4
23,2
17,6
25,8
nicht erweitert
vielfältig und kulturell geprägt
musisch und sozial orientiert
sportzentriert
Quelle: StEG-A, Schüler/-innenbefragung Frühjahr 2013, n= 1.901, Angaben in Prozent, Ergebnisse von Sequenzmuster- und Clusteranalysen zur Angebotsnutzung der Schüler/-innen seit der 5. Klasse (Retrospektivangaben)
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Zeitumfang und Angebotsstruktur an Ganztagsschulen
Quelle: StEG-Schulleitungsbefragung 2014/2015, n=697 gewichtete Angaben (Gesamtpopulation)
Quelle: StEG-Schulleitungsbefragung 2014/2015, n=482 gewichtete Angaben (Teilpopulation)
Skala: -1= die Schule verfügt ausschließlich über überfachliche Angebote, 0= die Schule verfügt über ein ausgewogenes Verhältnis aus fachlichen und überfachlichen Angeboten, 1= die Schule verfügt ausschließlich über fachbezogene Angebote.
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Im Rahmen der StEG-2-Untersuchungen konnte eine Reihe von Befunden der ersten Förderphase bestätigt werden (vor allem Förderung der psychosozialen Entwicklung , aber auch Verbesserung der Schulnoten, Schutz vor Klassenwiederholungen).
Die Teilnahme an Ganztagsangeboten unterstützt zudem die Bewältigung von Übergängen im Bildungssystem.
Allerdings zeigten in den fachbezogenen Leistungstests keine Unterschiede in der Kompetenzentwicklung von teilnehmenden und nicht-teilnehmenden Schüler/-innen.
Vermutlich spielen die schulischen Rahmenbedingungen, eingeschränkte Möglichkeiten fachlicher Förderung für alle Schüler/-innen, aber auch das eher „alltagstheoretische“ Verständnis individueller Förderung eine Rolle.
In STEG-3 wird daher in Zusammenarbeit mit Praktiker/-innen an der Erarbeitung von konkreten Angeboten, aber auch Fortbildungen für Lehrkräfte und pädagogische Mitarbeiter/-innen gearbeitet.
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Integration von Schüler/-innen mit sonderpädagogischen Förderbedarfe ( & neu
zugewanderter Kinder und Jugendlicher)
„Welche Bezüge sehen Sie zwischen Inklusionsmaßnahmen und Ganztagsbetrieb?“
83,1
11,3 9,9
77,9
11,4
18,6
64,1
12,5
34,7
0
20
40
60
80
100
füreinander förderlich schränken sich gegenseitig ein haben nichts miteinander zu tun
Primarschulen (n=377) Schulen der Sekundarstufe I (ohne Gym,) (n=512) Gymnasien (n=229)
Quelle: StEG-Konsortium (Hrsg.) (2016): Ganztagsschule 2014/2015. Deskriptive Befunde einer bundesweiten Befragung, S. 95, eigene Darstellung.
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Pädagogische Ziele von Ganztagsschulen
Primar 2015 (n=430) Sek. I (o. Gym.) 2015 (n=560) Gymnasien 2015 (n=263)
Primar 2012 (n=415) Sek. I (o. Gym.) 2012 (n=505) Gymnasien 2012 (n=212)
0 20 40 60 80 100
Erweiterung der Lernkultur
Kompetenzorientierung und Begabungsförderung
Gemeinschaft, soziales Lernen und Persönlichkeitsentwicklung
Betreuung und Schulöffnung
Angaben in %
Quelle: StEG-Konsortium (Hrsg.) (2016): Ganztagsschule 2014/2015. Deskriptive Befunde einer bundesweiten Befragung.
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Multiprofessionelle Teams und innerschulische Kooperation
An fast allen Schulen arbeiten Nicht-Lehrkräfte im Ganztag mit; nach wie vor in sehr
unterschiedlichen Anstellungs- und Beschäftigungsverhältnissen.
Bis auf wenige Ausnahmen ist zumindest ein Teil der Lehrpersonen auch am
Nachmittag in der Schule.
Nur ein Teil der Lehrpersonen arbeitet regelmäßig im Ganztagsbereich mit.
Einbindung der Lehrpersonen hängt u.a. von der Teilnahmeverbindlichkeit, der
Teilnahmequote sowie der Länge der Ganztagsschulerfahrung ab.
Organisatorische Absprachen dominieren inhaltlichen resp. professionellen
Austausch, aber…
…die Wertschätzung der jeweiligen professionellen Kompetenzen und Erfahrung ist
gestiegen.
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Multiprofessionelle Teams und innerschulische Kooperation
Anteil von Schulen ohne reservierte Zeiten für die Kooperation von Lehrpersonen und
weiteren pädagogisch tätigen Mitarbeiter/-innen
52,8
44,3
21,3
0 20 40 60 80 100
Gymnasien
Schulen der Sekundarstufe I (ohne Gym.)
Primarschulen
in %
Quelle: StEG-Konsortium (Hrsg.) (2016): Ganztagsschule 2014/2015. Deskriptive Befunde einer bundesweiten Befragung, S. 65, eigene Darstellung.
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Partizipationsspielräume für Schüler/-innen aus der Sicht der Schulleitungen
Primar Sek I
1,00
1,50
2,00
2,50
3,00179
223
74
189
234
179
8alle Bereiche
Angebote
Schuldemokratie
Unterrichtsgestaltung
Quelle: Arnoldt &Steiner (2010) Partizipation an Ganztagsschulen; In: Betz,Tanja/ Gaiser, Wolfgang/ Pluto, Liane (Hrsg.): Partizipation von Kindern und Jugendlichen. Forschungsergebnisse, Bewertungen, Handlungsmöglichkeiten, Schwalbach/Ts., 2010, Wochenschauverlag, S. 160
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StEG-S: Bei freiwilliger Teilnahme erhöht sich das Leseverständnis.
Leseangebote
Teilnahme Motive Freiwillig Leseverständnis
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Ein wichtiger IMPULS geht von der Akzeptanz aus, die die Ganztagsschule in den vergangenen Jahren nicht nur, aber vor allem auch bei Eltern schulpflichtiger Kinder gewonnen hat.
Er spiegelt sich zum einen in der Ausbaudynamik, zum anderen in durchaus zu erkennenden Öffnung und wechselseitiger Anerkennung der Akteure schulischer und außerschulischer Bildung und Betreuung wider. Vor allem das offene Modell scheint PERSPEKTIVISCH vielfältiger zu werden.
Dies sowie landes-, regional- und lokalspezifische Ganztagsmodelle lassen das Angebot außerunterrichtlicher Bildung sehr ungleich werden.
Aufgrund dessen ist genau zu prüfen, inwieweit die doppelte Zielsetzung des Ganztagausbaus, die Unterstützung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und der Abbau herkunftsbedingter Bildungsdisparitäten, umgesetzt wird.
Dies gilt umso angesichts der HERAUSFORDERUNG der Inklusion von Kindern und Jugendlichen mit sozialpädagogischen Förderbedarf bzw. Zuwanderungs- und Fluchthintergrund.
Insofern bleibt die individueller Förderung gerade auch der kognitiven (unterrichtsbezogenen) Fähigkeiten der Schüler/innen eine HERAUSFORDERUNG an und für Ganztagsschulen.
Impulse – Herausforderungen - Perspektiven
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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Für mehr Informationen zum Forschungsverbund und zu vorliegenden Befunden
www.projekt-steg.de