institut für sozial-ökologische wirtschaftsforschung münchen e. V.
Schutzgebühr 3,00 EUR März 2003
Fred Schmid, Tatjana Fuchs
BILANZ 2002 -Ausblicl< 2003-Fakten & Argumente zur wirtschaftlichen Situation
11. isw-forum Staat- Steuern - Daseinsvorsorge
. Entwicklungen und Alternativen
Freitag, 4. / Samstag, 5. Juli 2003 München, Gewerkschaftshaus ·
Referentinnen: Prof. Rudolf Hickel, Memorandum - Gruppe Alternative Wirtschaftspolitik Conrad Schuhler, isw / Sybille Lust, ver.di / Tatjana Fuchs, isw
Veranstalter: isw - institut für sozial-ökologische wirtschaftsforschung e .V. ver.di, Landesbezirk Bayern
näheres demnächst unter www.isw-muenchen.de
Impressum isw-wirtschaftsinfo 35, März 2003 Herausgeber: isw - institut für sozial-ökologische wirtschaftsforschung e.V. 80639 München, Johann-von-Werth-Str. 3, Tel. 089/130041Fax:168 94 15 email:[email protected],http://www.isw-muenchen.de
Konto: Sparda Bank München, Konto-Nr. 98 34 20 (BLZ 700 905 00)
Redaktion: Tatjana Fuchs, Fred Schmid verantwortlich im Sinne des Presserechts: Fred Schmid
Layout: Monika Ziehaus grafiken/karikaturen: Bernd Bücking, Monika Ziehaus
Redaktionsschluss: 7. März 2003
·Eigendruck im Selbstverlag Schutzgebühr: 3,00 EUR
Nachdruck - auch auszugsweise - nur mit vorheriger Genehmigung des lsw e.V.
Inhalt
Vorwort . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen 2003 . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . 3
Sozialprodukt, Wachstum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 7 Produktivität . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 8 Preise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Außenhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Einkommensverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Löhne . .... . .. . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . 12 Vorstandsbezüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Gewinne/Profite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Investitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Steuern . . . . .. . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . 21 Staatsverschuldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 ReichtumNermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 27 Fusionen/Pleiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Arbeitsplätze/Arbeitslosigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Anhang . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
Abkürzungen:
HB - Handelsblatt FTD - Financial Times Deutschland SZ - Süddeutsche Zeitung mm - managermagazin WiWo - Wirtschaftswoche SVR - Sachverständigenrat DIHK- Deutsche Industrie· und Handelskammertag
lsw-wlrtschattsinlo Nr. 35
Vorwort
Hier unsere "Bilanz 2002 - Ausblick 2003", die Bilanz der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung des vergangenen Jahres. Wir hoffen, dass sie eine Unterstützung für die anstehenden sozial- und tarifpolitischen Auseinandersetzungen ist. Wie immer sind wir für Anregungen dankbar. Die verwendeten Zahlen entstammen zum größten Teil der Amtlichen Statistik, insbesondere der Fachserie 18 , Reihe 1. 1 "Erste vorläufige Jahresergebnisse" (Veröffentlichung Mitte Januar), der Reihe 3 "Viertes Quartal 2002" (26. Februar 2003) und Reihe 1.2 "Vorbericht zur Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung" (März 2003). Die Vorjahreszahlen werden vom Statistischen Bundesamt häufig leicht korrigiert. Die Änderungen haben wir berücksichtigt. Die Regierungserklärung vom 14. März 2003 wurde erst nach Redaktionsschluss gehalten. Wir konnten also nur berücksichtigen, was bis dahin bekannt war. Zum Kapitel "Steuern" erscheint (voraussichtlich im April 2003) ein eigener Grafikdienst. Die große Unbekannte beim "Ausblick 2003" ist ein Krieg gegen den Irak. Unter der Rubrik "Kein Krieg gegen den Irak" werden wir auf unserer website ( www .isw-muenchen.de) auch weiterhin akutelle Berichte veröffentlichen.
Soziale Kriegserklärung isw-grafik bb
2 lsw·wirtschaftsinfo Nr. 35
Wirtschaftliche Rahmenbedingungen 2003
Krise und Krieg Wirtschaftl iche Entwicklung im Zeichen globaler Risikofaktoren
Deutsche Wirtschaft schrumpft
Vor einem Jahr hatten wir auf die Gefahr einer "double-dip-recession" (zweimaliges Eintauchen), eines erneuten Absturzes der Konjunktur in eine rezessive Entwicklung hingewiesen (vgl. wirtschaftsinfo 33 "Bilanz 200 1 " und wirtschaftsinfo 34 "Pleite des Kapitalismus"). Heute steht die Krise vor der Tür: Wie aus den vom Statistischen Bundesamt am 26. Februar 2003 für das vierte Quartal 2002 veröffentlichten BIP- und Wachstumszahlen hervorgeht, schrumpft die deutsche Wirtschaft seit Ende vergangenen Jahres. Das vierte Quartal 2002 kennzeichnet eine "rote Null" - 0,03 Prozent im Vergleich zum Vorquartal - im ersten Quartal 2003 dürfte sich der Abwärtstrend noch beschleunigen. Ob es wie 2001 bei einer Stagnation bzw. Mini-Rezession bleibt, ist abzuwarten. Historischen Erfahrungen gemäß fällt der zweite Absturz meist tiefer aus.
BRD-Wirtschaft: "douple dip"?
Reales Bruttoinlandsprodukt - Veränderungen zu Vorquartal in Prozent
.... 2001 .... 2002 <0(-- 2003 1.Vj. 2. V). 3.Vj. 4. V]. 1.Vj. 2. Vj. 3. Vj. 4. Vj. 1. Vierteljahr
+ 0,6
_. + 0,3 +0,2 + 0,3
-0,0 ·0,2 -0,3 -0,3.
• Schätzung lsw Quelle: SlatlsUsches Bundesamt lsw-graflk mz
Erneut blamabel für die professionellen und professoralen Konjunkturdeuter und Gesundbeter der Bundesregierung, die den "kraftvollen Aufschwung" ursprünglich für die zweite Jahreshälfte 2001 vorhersagten, dann für die zweite Jahreshälfte 2002 zusicherten. So der Bundeskanzler im Mai 2002: "Der Aufschwung kommt. Die deutsche Wirtschaft gewinnt kräftig an Fahrt." (HB, 3.5.02). Und die fünf Wirtschaftsweisen (Sachverständigenrat/SVR) sahen noch im Juli 2002 einen "spürbaren" Aufschwung kommen: "Wir bleiben bei unserer Prognose, dass der Aufschwung in der zweiten Jahreshälfte verstärkt einsetzen wird." (SZ, 29.7.02). Zu diesem Zeitpunkt war die Wirtschaft bereits wieder auf Talfahrt, mit der Folge, dass für das Gesamtjahr Nullwachstum (BIP + 0,2 Prozent) bilanziert werden musste. Auch auf dieses Problem hatten wir hingewiesen (siehe "Sozialprodukt/Wachstum").
Es geht hier nicht um Rechthaberei. Es geht darum, dass SVR und Wirtschaftsforschungsinstitute über "keine Vorstellung oder gar Analyse des regelmäßigen Konjunkturzyklus verfügen" (Michael Wend!, in "Sozialismus" 12/02). Der Wert ihrer Prognosen reduziert sich daher auf Sterndeuterei, die Trefferquote kommt der von Lottospielern gleich. Schlimmer noch: Da in ihrem neoliberalen Ansatz die Angebotskomponenten (Kostensituation, Gewinne) im Vordergrund stehen, die Nachfragefaktoren bewusst vernachlässigt werden, geraten sie auch in den Trend-Aussagen regelmäßig auf die falsche Fährte.
Folgen von Nullwachstum und Stagnation
De facto herrscht in Deutschland seit zwei Jahren wirtschaftliche Stagnation: Das reale BIP wuchs 200 1 noch um 0,6 Prozent und 2002 um magere 0,2 Prozent. Die negativen Auswirkungen auf Beschäftigung, Sozialsystem und Staatsfinanzen sind gravierend. Die Problematik lässt sich in etwa so quantifizieren:
• Beschäftigung/Arbeitsplätze: Wegen des Produktivitätszuwachses kann erst beim Überschreiten einer Wachstumsschwelle von 2 Prozent mit einer Ausweitung der Beschäftigung gerechnet werden. Jedes Unterschreiten dieser Marke um einen Prozentpunkt bedeutet -unter sonst gleichen Umständen - ca. 300.000 Arbeitslose mehr. • Sozialkassen: Ein Prozent weniger Wirtschaftswachstum hat wegen höherer Arbeitslosenzahlen für die Bundesanstalt für Arbeit Mehrausgaben von ca. 3,5 Milliarden Euro und für die Sozialkassen ca. 3 Milliarden Euro weniger Beitragseinnahmen zur Folge.
lsw-wirtschaftslnro Nr. 35 3
• Staatsfinanzen: Finanzminister Eichel geht bei seiner mehrjährigen Finanzplanung von einem Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent aus. Dieser Ansatz wurde in den beiden vergangenen Jahren weit unterschritten; für 2003 hat die Bundesregierung ihre ursprüngliche Erwartung von 1,5 Prozent bereits auf 1 Prozent korrigiert. Ein Prozent weniger BIP-Zuwachs bedeutet einen Steuerausfall von etwa 5 Milliarden Euro. Entsprechend mussten die Steuerschätzungen in den vergangenen Jahren revidiert werden.
Die Löhne sind das Problem
Fragt man nach den Ursachen der wirtschaftlichen Misere, herrscht vordergründig weitgehend Übereinstimmung: Die Konjunkturschwäche sei bedingt durch die schwächelnde Verbrauchernachfrage. Erstmals seit Jahrzehnten ist 2002 der private Konsum - mit einem Anteil von 57 Prozent die entscheidende Nachfragekomponente des Sozialprodukts - zurückgegangen. Unternehmerverbände und ihre medialen und wissenschaftlichen Apologeten führen dies in erster Linie auf die "Verunsicherung der Verbraucher" wegen der Steuerdiskussion und angeblich fehlender "Reformbereitschaft" der Bundesregierung zurück. "Das Gros der Bevölkerung hat Netto immer weniger in der Tasche, ohne dass es einen Schimmer von Hoffnung auf Besserung gibt", schreibt Heribert Prantl in der SZ (4.3.03). Im Gegenteil: Zum realen Kaufkraftverlust kommt die realistische Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren. Das alles hemmt die Konsum- und Ausgabenbereitschaft, macht eher Angstsparen Platz, wie die steigende Sparquote beweist.
Es zeigt die Borniertheit des "Rates" (SVR), wenn er in seinem Jahresgutachten die "zu hohen Tarifabschlüsse" für die stagnativen Tendenzen mit verantwortlich macht. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat bereits in einem Minderheitsgutachten zum Herbstgutachten 2002 der Wirtschaftsforschungsinstitute dieser Auffassung widersprochen: "Deutschland hat kein Lohnproblem. In keinem Land der EWU sind in den vergangenen Jahren trotz teilweise höherer Arbeitslosigkeit die Nominallöhne schwächer gestiegen als in Deutschland. Auch die Entwicklung der Lohnstückkosten in Deutschland liegt deutlich unter dem Durchschnitt im Euroraum." (Herbstgutachten, 745). "Neue Arbeitsplätze" hatte der SVR in seinem Gutachten 1998 bei "lohnpolitischer Zurückhaltung" versprochen, der "Weg aus der Rezession" müsse über eine "Fortsetzung der moderaten Lohnpolitik" erfolgen (SVR 2001). Herausgekommen ist das Gegenteil: Deutschland ist wachstumsmäßig das Schlusslicht im Euroraum, nirgendwo stieg und steigt die Arbeitslosigkeit schneller als hier zu Lande. Deutschland hat in der Tat ein "Lohnproblem": nämlich zu niedrige Löhne. "Dafür kann zum gewichtigen Teil die Lohnentwicklung 2000/0 1 unter der Ägide des Bündnisses für Arbeit verantwortlich gemacht werden", schreibt Michael Wend!.
Auch die Konsumausgaben des Staates stagnieren seit Jahren. Preisbereinigt waren sie im Jahr 2002 um etwa 8 Prozent niedriger als 1991. Der Staatskonsum trägt knapp 20 Prozent ( 19,6 %) zur volkswirtschaftlichen Nachfrage bei. Mit Privat- und Staatskonsum sind mehr als drei Viertel der BIP-Nachfrage (Verwendung des BIP) im Minus. Was wunder, dass die Unternehmer ihre Investitionen zurück fahren. Zumal sie im Zuge der New-Economy- und High-Tech-Euphorie bis zum Jahre 2000 in einigen Bereichen erhebliche Überkapazitäten aufgebaut hatten (siehe "Investitionen"). Lediglich der Außenbeitrag (Exporte abzgl. Importe) lieferte im vergangenen Jahr - wie bereits im Jahr davor - einen nennenswerten Wachstumsbeitrag zum BIP. Der Exportüberschuss stieg erneut um ein Drittel auf neue Rekordhöhe. Ohne diesen Exportüberschuss wäre die deutsche Volkswirtschaft in den vergangenen beiden Jahren erheblich geschrumpft. Fraglich ist, ob sich derartige Außenhandelsüberschüsse wiederholen lassen und überhaupt wünschenswert sind.
Perspektiven 2003: Bestenfalls Stagnation
Im Kabinett und Kanzleramt aber regieren statt konjunkturpolitischer Taten weiterhin Gesundbeterei und das "Prinzip Hoffnung". Irgendwann müsse der Aufschwung ja kommen. Trotzig hält die Bundesregierung deshalb an ihrer bereits nach unten korrigierten Prognose von 1 Prozent Wachstum fest. Banken und Institute rechnen mittlerweile mit weniger als einem halben Prozent - ein Bruchteil ihrer ursprUnglichen Prognose.
Alle Hoffnungen richten sich auf eine Fortsetzung der Außenexpansion und auf ein Konjunkturwunder in den USA. Beides ist mit großen Unsicherheiten behaftet. Hier nur skizzenhaft einige Punkte.
• USA: Wie sich in einer Korrektur der US-BIP-Zahlen im August 2002 herausstellte, waren die ursprünglichen Zahlen der Gesamtbilanz 2001 falsch (siehe wirtschaftsinfo 34). Die US-Wirtschaft war 2001 für drei Quartale in eine Rezession geraten. Ab dem vierten Quartal 2001 ging es zunächst mit relativ starken Wachstumsraten wieder nach oben. Dafür hatten geldpolitische (ein Dutzend Zinssenkungen) und fiskalpolitische Maßnahmen (Steuergutschriften, expandierende Staatsausgaben für Rüstung und "Sicherheit") gesorgt. Ende 2002 schwächte sich das US-Wirtschaftswachstum erneut ab. Folgende Probleme zeigen sich:
4 isw-wlrtschaftsinfo Nr. 35
- Investitionsschwäche: Kern des Problems sind nach wie vor die gewaltigen Überkapazitäten, die in den USA in den Boom-Jahren errichtet wurden. Sie sind längst noch nicht abgebaut und bedingen eine lahme Investitionstätigkeit. Zwar legten die Unternehmensinvestitionen im vierten Quartal 2002 wieder zu (+ 1,5 %) doch sehen Experten darin noch keine Trendwende, sondern vor allem unaufschiebbare Ersatzinvestitionen. - Verbrauchervertrauen: Die Hauptstütze der US-Konjunktur war auch in den vergangenen Jahren die relativ ungebremste Konsumnachfrage der Privathauhalte und damit verbunden die enorme Verschuldungsbereitschaft. Im Januar 2003 ist dieses Verbrauchervertrauen regelrecht eingebrochen. Der Index des Verbrauchervertrauens ist auf den tiefsten Stand seit 1993 gefallen: von 78,8 Punkten auf 64 Punkte (HB, 26.2.03). - Doppeldefizit: Die "Konjunkturprogramme" und der Rüstungs-Keynesianismus der Bush-Regierung führen zu erneuten gigantischen Haushaltsdefiziten. Verabschiedet werden soll jetzt ein zehnjähriges Konjunkturprogramm mit einem Umfang von insgesamt 670 Milliarden Dollar. Die konjunkturpolitische Wirkung ist allerdings umstritten, da es zum größten Teil den Reichen zugute kommt (300 Milliarden Dollar davon sollen allein der Abschaffung der Dividendenbesteuerung zugute kommen). Auch die Nachhaltigkeit der übrigen Konjunkturprogramme ist fraglich. Das Staatsdefizit geht einher mit einem anhaltend hohen Defizit in der Leistungsbilanz. Das Doppeldefizit verlangt irgendwann nach einer Gegenreaktion, die mit der Dollarabwertung bereits eingetreten scheint. Hält diese Tendenz an, ergeben sich jedenfalls erhebliche Probleme für die deutschen Exporte. Insgesamt spricht wenig dafür, dass die US-Ökonomie in der nächsten Zeit eine LokomotivFunktion in der Weltwirtschaft einnimmt. "US-Wirtschaft steuert auf Stagnation zu" (FTD, 31.1 .03) und "US-Wirtschaft droht Mini-Rezession" (HB, 20.01 .03) lauten denn auch die Schlagzeilen der Wirtschaftspresse. Unkalkulierbar sind die Folgen des Krieges.
• Deutscher Außenhandel: Eine weitere stürmische Expansion deutscher Exporte ist nicht zu erwarten: - wegen der doppelt defizitären US-Wirtschaft und der Gefahr eines weiteren Anstiegs des Euro-Kurses; - wegen der US-Konjunkturschwäche insgesamt; - wegen der Aufwertung des Euro gegenüber anderen wichtigen Währungen wie YEN und britischem Pfund; - wegen der stagnierenden Wirtschaft im Euro-Raum: "Euro-Wirtschaft steht vor der Rezession" , schreibt die FTD (14.2.03). - wegen der Auswirkungen eines Kriegs im Irak auf den gesamten Welthandel und die Mineralöl-Preise. Im vierten Quartal 2002 zeichnete sich ein gewisser Einbruch bei den Exporten ab: Dadurch lieferte der Außenbeitrag mit 0,5 % den stärksten negativen Beitrag zum Wirtschaftswachstum.
"Japanische Verhältnisse"? Gefahr einer Deflation?
Die Auslastung eines "Produktionspotenzials" in einer Volkswirtschaft gebe es nur dann, "wenn die meisten Menschen auf Zuwächse bei den Realeinkommen bauen können, die dem Potenzialpfad entsprechen", schreibt Heiner Flassbeck, jahrelang Leiter der Konjunkturforschung beim DIW und heute Chefökonom der UNO-Welthandelsorganisation UNCTAD. "Bleiben die Einkommen eine Reihe von Jahren unter diesem Pfad, ist die Rückkehr mit Hilfe anderer Mittel der Wirtschaftspolitik fast unmöglich. Japan ringt noch immer mit den Folgen dieser bitteren Lektion; betrachtet man Deutschland, scheint es, als seien japanische Verhältnisse nicht mehr zu vermeiden." (FID, 23. 1.03). In Japan stagniert die Wirtschaft seit über einem Jahrzehnt, gerade in den letzten Jahren zeigten sich zunehmend deflatorische Tendenzen mit anhaltenden Preissenkungen auf breiter Front und Kürzungen der Löhne (zu den Ursachen und Auslösern der Japan-Krise, siehe isw-report 46: Abschwung oder Absturz?). Für Deutschland warnt das DIW, dass sich mit dem jahrelang niedrigen Wachstum und der stagnierenden Binnennachfrage "eine Konstellation herausgebildet (hat), in der Deflation entstehen kann". Preissenkungen bei Industrieprodukten und Rabattschlachten im Handel deuten in diese Richtung. Inwieweit sich diese Tendenzen verstärken, gar zu einer Deflations-Spirale aufschaukeln, die in eine Depression mündet, lässt sich schwer vorhersagen. Angriffe auf den Flächentarifvertrag, Ausbau eines Niedriglohnsektors, weitere Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse (Leiharbeit) und Festhalten der Bundesregierung an einem strikten Sparkurs (Stabilitätspakt) verstärken jedenfalls diese Tendenzen. Die Hauptgefahr für deflatorische Entwicklungen geht jedoch vom internationalen Konkurrenzkampf der Transnationalen Konzernen aus. Dieser internationale Konkurrenzkampf verleiht den TNK eine relativ geringe Preissetzungsmacht. Zur Verbesserung ihrer "internationalen Konkurrenzfähigkeit" erfolgt ein permanenter Druck auf die Lohnstückkosten, werden in einem Standort-Wettlauf alle Standards gedumpt. Bei stockendem Absatz über mehrere Jahre, stagnierenden Märkten, birgt das die Gefahr von "Lohnsenkungswettläufen". Zunehmende Globalisierung der Volkswirtschaften und damit verbunden eine Vernetzung, Öffnung und
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Deregulierung von Güter- und Kapitalmärkten, können dazu führen, dass derartige Kostensenkungswettläufe in Preiskriege münden. Auslöser der Deflation könnten die Überkapazitäten sein, die Konzerne in den vergangenen Jahren aufgebaut haben und die nun auf die Preise drücken.
Deflation
Rein definitorisch das Gegenteil von Inflation: Ständiger über mehrere Jahre anhaltender Rück· gang des Preisniveaus bzw. Anstieg des Geldwertes. Deflation und in deren Gefolge Depression war früher der klassische Fall einer Wirtschaftskrise, die ab 1825 im Kapitalismus mit ziemlicher Regelmäßigkeit zyklisch auftrat. Die letzte - damals bereits globale - Depression war die Weltwirtschaftskrise 1929. Der ersten Phase einer mehr oder weniger "normalen" Überproduktionskrise folgte das eigentliche Krisendrama mit einem Börsen· krach und der sich anschließenden Deflationsspirale: deflationierende Vermögenswerte, zusam· menbrechende Inlandsnachfrage, fallende Preise auf breiter Front, Kürzungen der Löhne, Entlas· sungen, versiegende Gewinne und Investitionen, Verbraucher und Unternehmer geraten in die Schuldenfalle, Unternehmenskonkurse und in der Folge Bank-Bankrotte, sprunghafter Anstieg der Massenarbeitslosigkeit. Damals von drei auf über sechs Millionen. Der Staat reagierte auf die sinkenden Staatseinnahmen mit rigider Sparpolitik - Brüningsche Austeritätspolitik - und be· schleunigte damit die Abwärtsspirale.
Krise und neoliberaler Umbau
Nach der Bundestagswahl und vor dem Hintergrund der anhaltenden Krise haben die Unternehmerverbände und ihre Medien eine Kampagne für eine verschärfte Gangart beim neoliberalen Umbau von Staat und Gesellschaft gestartet. Nach den verlorenen Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen nahm der Druck auf die Bundesregierung nach "Reformen" in diesem Sinne zu. Geforde1t wird eine radikale Kürzung von Sozialleistungen, der neoliberale Umbau des "Sozialsystems" und die Aufweichung und Deregulierung gesetzlicher und tarifvertraglicher Schutzgesetze.
Dabei setzen die Unternehmerverbände nicht auf einen Regierungswechsel, sondern fordern eine enge Zusammenarbeit von Regierung und Opposition. Zur Zeit regiert die größtmögliche Koalition: in der Bundesregierung SPD-Grüne, die mit dem Argument der CDU-Mehrheit in Bundesrat von Haus aus nur noch eine Politik machen, die die Zustimmung der Opposition findet. In sozialen Fragen haben die Grünen dabei trefflich die Rolle der FDP in früheren sozial-liberalen Regierungen übernommen. Die Unternehmerverbände fordern aber nicht nur von der SPD einen Politikwechsel, sondern auch von der CDU: "Wir werben dafür, dass die verschiedenen politischen Lager sich aufmachen zu einer wirklichen Reformpolitik in Deutschland". Und so haben CDU und FDP das Ende ihrer Blockadepolitik im Bundesrat zugesagt. Die Situation ist die: Die Opposition regiert und die Regierung wagt kaum zu opponieren.
Bereits im Dezember hat der BOI ein Zehn-Punkte-Programm vorgelegt (siehe Kasten). Dieses Programm wird derzeit Punkt für Punkt in Politik umgesetzt.
Soziale Kriegserklärung
Im März will US-Präsident Bush den Angriffskrieg gegen den Irak beginnen. "Den Irakkrieg nutzt Bundeskanzler Schröder, um schmerzliche Reformen im Inneren durchzusetzen", schreibt die "Wirtschaftswoche" (27.2.03). In der Rede zur Lage der Nation am 14. März 2003 im Bundestag, will der Kanzler die soziale Kriegserklärung gegen die eigene Bevölkerung verkünden. "Blut, Schweiß und Tränen" (DGB-Vorsitzender Sommer) sollen da Arbeitnehmern, Arbeitslosen, Sozialhilfeempfängern und Rentnern abverlangt werden. Opfer und brutale Einschnitte, die sich in etwa so zusammen fassen lassen:
• Weniger soziale Sicherheit bei Arbeitslosigkeit, Krankheit, Armut und Not • Abbau von Schutzrechten gegenüber der Willkür des Kapitals • Mehr Selbstbeteiligung der Arbeitnehmer bei allen sozialen Risiken Kriegsgewinnler sind Unternehmer, Konzerne und Reiche: Sie sollen von Steuern und Sozialabgaben entlastet werden. Das Solidarprinzip wird damit vollends über Bord geworfen, das Ziel sozialer Gerechtigkeit auf den Kopf gestellt.
Einen zentralen Punkt beim "psychologischen Befreiungsschlag" nimmt die Aufweichung und der Abbau des Kündigungsschutzes ein. Der Kanzler und sein Wirtschaftsminister versuchen den Arbeitnehmern einzureden, dass weniger Rechte und weniger Schutz besser für sie sind. Sie sollten sich daran erinnern, dass 1996 die Regierung Kohl den Kündigungsschutz abgebaut hat, mit dem Versprechen auf 300.000 neue Arbeitsplätze. Stattdessen gab es mehr Arbeitslose und zwei Jahre später keine CDU-Regierung mehr. (siehe dazu im Anhang).
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Das 10-Punkte
Programm des BOI
• Subventionen kurzfristig pauschal zwischen l O und 20 Prozent kürzen und mlttelfrlsllg per Gesetz auslaufen Jassen
• Pauschale Abgeltungssteuer von 15 Prozent auf alle Kapitalerträge
• Staatskonsum senken, lnvestlllonen erhöhen
• Neue Schulden vermeiden
• Weitere Privatisierungen, vor allem auf kommunaler Ebene
• Drastische Flexlblllslerung des Arbeitsmarktes mit Eingriffen In die Tarifpolitik und den Kündigungsschutz
• In den Sozialsystemen Leistungen kürzen und Eigenbeteiligung stärken
• Ein Steuersystem, das lnvestlllonen attraktiver macht und so Wachstum fördert
• Bürokratie abbauen
• Ein Marketingkonzept, um der Bevölkerung die Notwendigkeit der Einzelreformen zu erklären
Quelle: FN., 23.11.2002
BIP 2002 Nach Verwendung/Nachfrage
Antell ln Prozent
Private Konsum-Ausgaben
1 56,8
1 Außenbe!trag
a..e11e: S111�1�1cha1 eunc1e11m1 {Exporte abzgl. Importe)
Sozialprodukt, Wachstum Bruttoinlandsprodukt (BIP), Bruttonationaleinkommen
Definition Das Sozialprodukt spiegelt die wirtschaftliche Leistung eines Landes wider. In ihm wird der Wert aller im Kalenderjahr neu geschaffenen Güter und Dienstleistungen zusammengefasst; es ist die Summe aller Wertschöpfungen.
2002: Nullwachstum: + 0,2 %
Wirtschaftswachstum in Deutschland reales BIP in 'ro gegenüber Vorjahr
Quelle: Statistisches Bundesaml (Fachserie 18 VGR); isw-Berechnungen iswgrafik/bb
In unserem Ausblick 2002 schrieben wir: "Im Endeffekt dürfte 2002 Nullwachstum herauskommen, was eine Fortsetzung der krisenhaften Entwicklung für Beschäftigung, Staatsfinanzen und Finanzierung der Sozialversicherung bedeuten würde" . Diese Prognose hat sich ein Jahr später leider bestätigt, mit den skizzierten Folgen. Die von Bundesregierung, Sachverständigenrat und Wirtschaftsforschungsinstituten vorhergesagten bzw, herbeigewünschten Entwicklungen erwiesen sich einmal mehr als Makulatur. Der entscheidende Grund für die wirtschaftliche Stagnation liegt in der seit über einem Jahrzehnt lahmenden Binnennachfrage, der privaten und der staatlichen (siehe dazu auch "Löhne").
Ausblick 2003: Weiterhin Stagnation und Gefahr der Deflation
In Berlin regiert wieder das Prinzip Hoffnung: Im zweiten Halbjahr 2003 soll es aufwärts gehen!? So lange die private und staatliche Kaufkraft jedoch nicht entscheidend gestärkt wird, halten die stagnativen Tendenzen an. Denn die "Trumpfkarte" Export ist weitgehend ausgereizt und angesichts der Nachfrageschwäche und der noch bestehenden Überkapazitäten, besteht für die Unternehmer kein Grund zu verstärkter Investitionstätigkeit. Die Bundesregierung hat ihre Wachstumsprognose für 2003 von ursprünglich 1,5 % bereits auf 1,0 % reduziert - doch auch die ist für den Reißwolf. Wir gehen für 2003 von Schrumpfung, bestenfalls von einem Nullwachstum des BIPs aus.
lsw-wirtschaftsinfo Nr. 35 7
Produktivität Arbeitsproduktivität
Definition
Die Arbeitsproduktivität ist das Maß für die Ergiebigkeit des Einsatzes von Arbeitskräften: Verhältnis von Gütererzeugung (output) zum Einsatz von Arbeit (input), pro Arbeitsstunde (Arbeitsstunden-Produktivität) oder pro Erwerbstätigen.
Methodik
Wie bereits in den vorhergehenden isw-"Bilanzen" erwähnt und in "Bilanz 99" ausführlich behandelt (Anhang), hat das Statistische Bundesamt im Zuge der Umstellung auf das EU-System der VGR (ESVG) eine starke Veränderung seines Zahlenwerks vorgenommen, insbesondere im Hinblick auf die Zahl der einbezogenen Erwerbstätigen. Dadurch veränderten sich vor allem die bis dato ausgewiesenen Produktivitätszahlen. Auch in der Fachserie 18, Reihe 1.1 von diesem Jahr sind wieder sämtliche Jahreszahlen für den Zuwachs der Arbeitsproduktivität je Arbeitsstunde korrigiert. Wir übernehmen diese veränderten Zahlen, weisen aber darauf hin, dass Vergleichbarkeit und Aussagekraft darunter erheblich leiden.
2002: Protlukfi11ifäf je Arbeifsduntle + t, 5 %
Arbeitsproduktivität pro Arbeitsstunde - gegenüber Vorjahr in %
96 91 96 99 2000 01 oz
Quelle: Statistisches Bundesamt (Fachserie 1 B, Reihe 1.1) iswgrafik/bb
2002 war das Wirtschaftswachstum gleich Null. Gleichzeitig stieg jedoch die Produktivität um 1,5 Prozent. Das BIP 2002 konnte also - bei sonst gleichen Bedingungen - mit ca. 1 ,5 110.,_+-+-+-t-t-t-t-t-+-t--t Prozent weniger Arbeitsstunden (Arbeitsvolumen) hergestellt werden. Bei gleicher Jahresarbeitszeit je Beschäftigten wären entsprechend weniger Arbeitskräfte benötigt worden. In Wirklichkeit sank die Zahl der Erwerbstätigen (Selbständige + Arbeitnehmer) jedoch "nur" 12a+--+--+--+--+--+-+-+-+--!.o'--+ um eine Viertel Million (246.000) gleich 0,6 Prozent (die Zahl der Selbständigen nahm noch leicht zu, während die Zahl der Arbeitnehmer um 0,8 % = 301 Tausend zurück ging). Der Grund für den geringeren Rückgang der Arbeitskräfte im Vergleich zum Arbeitsvolumen 110+-+-+-"""'6-'f-t.-f.:."k'l''F-t-I liegt zum einen in einer Zunahme der Kurzarbeit und zum anderen darin, dass immer mehr Menschen in Nicht-Vollarbeitsplätze (Teilzeit-, geringfügig Beschäftigte, u.a.) abgedrängt werden. 10..!":+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-I Diese Entwicklung ist über die ganzen 90er Jahre festzustellen: Das Arbeitsvolumen nahm 2002 gegenüber 1991 um 5,8 Prozent ab, die Zahl der Erwerbstätigen (einschließlich Scheinselbständige) sogar noch um 0,6 Prozent zu (Arbeitnehmer minus 0,9 Prozent). Wenn die Produktivitätsfortschritte auch in Zukunft nicht wenigstens anteilig an die Beschäftigten weitergegeben werden - in Form von Arbeitszeitverkürzung oder Reallohnerhöhung - wird sich die Schere weiter öffnen. Das bedeutet: immer weniger Menschen werden gebraucht, fallen aus dem Produktionsprozess heraus.
8 isw-wlrtschaflslnlo Nr. 35
m1 Z002
Preise ·
Preisindex für die Lebenshaltung
Definition Der Preisindex für die Lebenshaltung widerspiegelt die Entwicklung der Kosten für eine durchschnittliche Lebenshaltung eines Haushalts (auch als Inflationsrate bezeichnet).
Zur Ermittlung wählen die Statistiker einen Warenkorb aus, der angeblich typisch für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte ist. Der Warenkorb ist mit ca. 750 Produkten und Dienstleistungen gefüllt, die unterschiedlich gewichtet werden. Gewichtung und Zusammensetzung wird alle fünf Jahre überprüft und je nach Kauf- und Lebensgewohnheiten verändert.
Diese Berechnungsmethode ist naturgemäß ungenau und mit Unsicherheiten behaftet. Völlig unsinnig ist es, alle Haushalte über einen Kamm zu scheren. Beispiel: Für einen Arbeitnehmerhaushalt mit durchschnittlichem Einkommen, schlägt die Erhöhung der Mieten viel stärker zu Buche als für einen Selbständigenhaushalt mit Spitzenverdienst.
2002: Verteuerung der Leben1haltung: + t,3 %
• Verteuerung• +26 8 % der Ltb&shalltlig • , 1gg1- 2002 -- lsw-graflkbb
Quellen: Statist. Bunde�Qlllt: isw-Berechnung�n
Die Inflationsrate war 2002 mit 1,3 Prozent etwas mehr als halb so hoch wie im Jahr davor. Dennoch wurde der "Teuro" zum Wort des Jahres gekürt. 88 Prozent der Verbraucher sind einer Umfrage zu Folge der Ansicht, dass die Preise zum Nachteil der Verbraucher umgerechnet wurden. Das Statistische Bundesamt spricht in diesem Zusammenhang von einer "gefühlten Inflation". Bei einer Reihe besonders gängiger Waren und Dienstleistungen -Friseur, Gaststätten, Kino, kommunale Gebühren - seien die Preise mit der Umstellung deutlich erhöht worden.
2002: Staatliche Preistreibereien und deflatorische Tendenzen
Im laufenden Jahr dürften vor allem staatlich beeinflusste Preise in die Höhe gehen: Das betrifft einmal kommunale Gebühren als Folge der Finanznot der Städte und Gemeinden und des Rückgangs der Gewerbesteuerzahlungen der Konzerne. Durch die fünfte Stufe der Ökosteuer ab Januar verteuern sich Strom und Treibstoff .. Auch die Erhöhung bzw. Explosion des Ölpreises infolge Kriegsvorbereitungen und Krieg gegen den Irak ist politisch bedingt. Ein besonders starker Preisschub ist beim Strom zu erwarten: Experten rechnen damit, dass die Stromrechnung für einen 3-Personenhaushalt um 6,5 Prozent höher ausfallen wird: 52 Prozent der Erhöhung sind staatlich verursacht (Stromsteuer, Erneuerbare Energiegesetze), 48 Prozent beruhen auf Preistreibereien der Konzerne. Die Elektrizitätswirtschaft hat sich wieder stärker monopolisiert - mit der Folge, dass Preissenkungen aus der Liberalisierung der Strommärkte wieder zurück gedreht werden. Im Bereich industrieller Produkte werden möglicherweise die deflatorischen Tendenzen -Rabattschlachten - zunehmen.
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Außenhandel Export/Import, Handelsbi lanz, Leistungsbilanz
Definition Die Handelsbilanz ist Teil der Leistungsbilanz. Sie enthält eine Gegenüberstellung des Warenexports (Aktivseite) und des Imports (Passivseitc). Bei Exportüberschuss spricht man von einer aktiven Handelsbilanz. Die Leistungsbilanz umfasst den Warenhandel (Handelsbilanz), die Dienstleistungstransaktionen (Dienstleistungsbilanz: z.B. Reiseverkehr, Transportleistungen, Kapitalerträge, Lizenzund Patentgebühren) und die Übertragungen (Übertragungsbilanz: z.B . Überweisungen ausländischer Arbeitskräfte, Zahlungen an EU und internationale Organisationen, Entwicklungshilfe).
2002: Exporfübeflchu11 t/3 höher a/1 Rekord 2001
Außenhandels-Rekorde
12? 65 65 S9
Quelle: Statistisches Bundesamt; lsw-Berechnungen lswgrafik/bb
Der Exportüberschuss ist 2002 genau um ein Drittel höher als im Jahr 2001 - und das war bereits der höchste Exportüberschuss aller Zeiten. Er ist mehr als doppelt so hoch als zwei Jahre davor. Das Geschwätz über "mangelnde internationale Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft" ist nach Veröffentlichung der Zahlen denn auch schnell verstummt. Wachsturnsmäßig ist die deutsche Wirtschaft inzwischen fast ausschließlich vom Export abhängig. Ohne Exportüberschuss wäre das BIP im vergangenen Jahr um über ein Prozent geschrumpft. Genau darin aber liegt das Problem: Die Exporterfolge wurden durch gnadenlose Rationalisierung und Senkung der Lohnkosten (Mini-Tarifabschlüsse) erkauft, was andererseits zur Schwächung inländischen Nachfragekomponenten beitrug. Zudem birgt eine Strategie der permanenten Außenhandels-Expansion erhebliche Risiken: Die Abhängigkeit von der weltwirtschaftlichen Entwicklung nimmt zu. Das zeigt sich gerade jetzt, wo alle Aufschwungs-Hoffnungen hier zu Lande auf ein Durchstarten der Konjunktur in den USA beruhen. Gerade dort aber zeigen wichtige Indikatoren nach unten. Zudem bringt die Aufwertung des Euro gegenüber Dollar, Yen und britisches Pfund erhebliche Ersch.wernisse für die deutschen Exporte. Die größte Unbekannte für Weltwirtschaft und Welthandel ist in der nächsten Zeit jedoch ein möglicher Krieg im Irak.
10 isw-wirtschattsinlo Nr, 35
26,1 Sparquoten ln % des Einkommens
Netto- """-"'---""'""'---'"""'"--"-'"'-"---"'= Elnk. 900 - 1.500 - 2.000 - 2.500 - 5.000 -In Euro 1.250 2.000 2.500 3.500 17.500
QueJle:StaU11Usches Bundesamt lsw-gmflkmz
Netto-Haushaltseinkommen Euro pro Monat im Jahr 2000 Sozialhilfe-Empfänger 1 . 1 05 Arbeitslose 1 .545 Rentner 1 .71 4 Arbeiter 2.387 Angestellte 2.920 (Durchschnitt Arbeitnehmer-Haushalte) (2.734) Selbständige 7.321 Quelle: Statistisches Bundesamt
Einkommensverteilung Volkseinkommen, Lohnquote , Verfügbares Einkommen
Definition Volkseinkommen= Bruttosozialprodukt - Abschreibun.gen - indirekte Steuern (abzüglich Subventionen) wird trotz Änderung der Methodik der VGR vom Statist. Bundesamt weiterhin ausgewiesen.
Lohnquote = der prozentuale Anteil der Einkommen aus unselbständiger Tätigkeit (Brutto-Lohn-und Gehaltsumme) am Volkseinkommen= Bruttolohnquote.
Bereinigte Lohnquote = bereinigt um den Einfluss, der sich aus der Änderung der Beschäftigtenstruktur ergibt (was sich in der Entwicklung der "Arbeitnehmerquote" niederschlägt. Arbeitnehmerquote = Anteil der Arbeitnehmer an den Erwerbstätigen.
Aussagekräftiger in Bezug auf die Verteilungsrelationen ist die Netto-Lohn- bzw. -Gewinnquote: Sie geben Auskunft über den Anteil von Arbeit und Kapital an den verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte.
Verfügbares Einkommen der privaten Haushalte: Setzt sich zusammen aus der Nettolohn- und -gehaltsumme + "Empfangene monetäre Sozialleistungen" = Masseneinkommen + Gewinn- und Vermögenseinkommen.
2002: Neffo-Lohnquofe 1inkf weiter. Auch Cewinnquofe gehl zurück.
--------------·-----------------------�
VerteiluMg des volkswirtschaftlitheM l<utheHs. f\14ltileaM1 verfiigbal8i Ei11koM11teM der Privafhal.ISkalte 11acllder Staabu111verteilg.iw %
Verfügbares Eiwko1M1MeM det Privathaushalte : 1991: 971 Mrd. Euro 2002: 1.369 Mrd. Euro
Netto\oklll' uwd 1------r----1 CleliaittSU!MlMe
Quellen: Statist. Bundesomt, Fach,erie 18, Reihe 1.1 isw-Serectvmngsn
Der Anteil der Lohn- und Gehaltsempfänger am "Kuchen" des verfügbaren Einkommens der privaten Haushalte nähert sich wieder dem historischen Tiefstand von 1998 (43,2 %). Während die Empfänger von Gewinn- und Vermögenseinkommen im Jahr 2001 trotz Konjunkturschwäche ihren Anteil erhöhen konnten - von 30,J auf 30,5 - haben sie im zweiten Jahr der Stagnation ebenfalls Einbußen erlitten. Der höhere Anteil "empfangene monetäre Sozialleistungen" ist in erster Linie durch die gestiegene Arbeitslosenzahl verursacht. Insgesamt hat sich an der Verteilungsschieflage gegenüber 199 1 nichts Grundlegendes geändert. Bemerkenswert ist der immer höhere Anteil der Vermögenseinkommen an den "Nettogewinn- und Vermögenseinkommen". Während ihr Anteil 1996 35 Prozent betrug, machte er fünf Jahre später fast die Hälfte aus (48 Prozent). Der Anstieg der Vermögenseinkommen (Zinsen, Dividenden) betrug in diesen fünf Jahren 70 Prozent. Aus der verteilungspolitischen Schieflage ergibt sich auch ein erhebliches konjunkturelles (Nachfrage-)Problem: Das durchschnittliche Netto-Monatseinkommen eines Selbständigenhaushalts betrug im Jahr 2000 (neuere Daten liegen noch nicht vor) 7 .321 Euro. In dieser Kategorie beträgt die durchschnittliche Sparquote 26,1 Prozent, d.h. nur 73,9 Prozent dieses Einkommens werden nachfragewirksam. Das durchschnittliche Einkommen eines Arbeitnehmerhaushalts betrug 2.734 Euro, wovon 10,2 Prozent gespart werden, also 90 Prozent nachfragewirksam werden.
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Löhne Brutto-/Nettoloh n; Real lohn (Kaufkraft)
Definition Bruttolohn= (tariflich oder betrieblich) vereinbarter Lohn bzw. Gehalt.
Nettolohn = das an den Arbeitnehmer nach Abzug der Steuern (Lohnsteuer, ggfs. Kirchensteuer) und Sozialversicherungsbeiträge ausbezahlte Arbeitsentgelt.
Reallohn, auch realer Nettolohn = Nettolohn dividiert durch den Preisindex für die Lebenshaltung. Der Reallohn ist Indikator für die reale Kaufkraft des Lohnes.
Methodik Das Statistische Bundesamt hat mit der Umstellung auf Euro die bisherigen Zahlen bei der Entwicklung der Brutto- und Nettolöhne/-gehälter nochmals leicht korrigiert (siehe auch "Methodik" zu diesem Punkt in unserer "Bilanz 2000"). Dadurch ergeben sich leichte Abweichungen zu unseren Vorjahresberechnungen.
2002: Reallohnabbau: - 0, 3 % Brutto-Lohn: + t,1 % Netto-Lohn: + t,O %
l<aufkralf-Vetlud--1/-,'1-% Lnhnentwid<lun9 1992-2002 jeweils in ProzentzumVorjahr 0 Bruttolohn je Arbeitnehmer �Nettolohn • Reallohn-Kaufkraft
Das bedeutetfürdenleitraum von 1992 bis 2oo2 Btultoläh11e : + 30,0 % -
- Neltoläh11e : + 22.4 % ::::: � - Reallöhne � - lf..4% - -
Quelle: Statist. Bundesamt, Fachserle 18, Reihe t, 1 iswgrafikJbb
Es fehlt an Kaufkraft
Mittlerweile dämmert es auch den neoliberalen Angebotstheoretikern und -politikern: Die schwächelnde Binnennachfrage ist das konjunkturelle Hauptproblem. In Deutschland fehlt es speziell an Konsumenten-Nachfrage. Als "kümmerlich" bezeichnet der Sachverständigenrat die Entwicklung des privaten Verbrauchs, mit 57 Prozent der Wirtschaftsleistung immerhin die entscheidende Nachfragekomponente. Die Entwicklung ist in der Tat dramatisch: Erstmals seit der Wiedervereinigung war der private Verbrauch schwächer als im Vorjahr: gerechnet zu konstanten Preisen Jagen die privaten Konsumausgaben im Jahr 2002 um 0,5 Prozent niedriger als 2001. Nicht einmal in der Rezession 1993 hatten sich die privaten Konsumausgaben negativ entwickelt. Wichtiger Indikator für die nachlassende Konsumneigung ist die Entwicklung des Einzelhandelsumsatzes, der seit sieben Jahren stagniert. 2002 war das "schwärzeste Jahr", mit einem Umsatzrückgang von über 2 % - Zuwächse erzielten nur noch die Discounter wie Aldi, Lid! u.a. Auf Kosten der kleinen Ein.zelhandeslgeschäfte.
1 2 isw-wirtschattslnfo Nr. 35
Sparquote der Privathaushalte in der BRD Sparen in % des Haushaltseinkommens
13,0
� � � � 96 � � � 00 01 02
Quelle: Slatlstlsches Bundesamt lsw-grallkmz
Uneinigkeit und Rätselraten herrscht über die Gründe der Kauf- und Konsumzurückhaltung: (Um es hier gleich vorweg zu nehmen: es soll hier nicht einem Konsum-Fetischismus das Wort geredet werden; die Degenerierung der Menschen auf zweibeinige Kostenfaktoren bzw. allesfressende Konsummaschinen in der kapitalistischen Verwertungswirtschaft ist hier nicht das Thema. Untersucht werden die Wirkungen veränderter Binnen- bzw. Konsumentennachfrage auf die konjunkturelle Entwicklung. Im übrigen handelt es sich auch hier um eine Verteilungsfrage: Arbeitslosen-, Sozialhilfe- und teilweise auch Rentnerhaushalte haben durchaus noch echten und sinnvollen Konsumbedarf. Zudem wäre eine Umschichtung von Privat- in Staatskonsum - Erziehung, Bildung, Wissenschaft, Sport, Kultur, Gesundheit „. - sinnvoll und notwendig, dessen Erhöhung und eine Steigerung der staatlichen Investitionen (Nahverkehr, Städtesanierung, Wohnungsbau, etc.) nötig).
"Käuferstreik", Kauf-"Unlust"
Häufig werden die nachlassenden Konsumausgaben psychologisch erklärt: Die Verbraucher seien verunsichert ob der wirtschaftlichen Perspektiven, der Regierungspolitik, der Beschäftigungssituation, etc. Richtig daran ist, dass die Furcht vor dem Verlust des Arbeitsplatzes konsumhemmend wirkt; wer damit rechnen muss, seinen Arbeitsplatz zu verlieren, wird vor teuren Anschaffungen und gar Konsumentenkrediten zurückschrecken. Er neigt eher zu sog. Angstsparen, legt einen Notgroschen an. Ausdruck dafür ist die Zunahme der Sparneigung in den beiden vergangenen Jahren (s. Grafik) - eine typische Reaktion in einer rezessiven Entwicklung. Dennoch: Der entscheidende Grund für die stagnierenden privaten Konsumausgaben und damit die Lähmung der Konjunktur ist die tatsächliche Entwicklung der Verfügbaren Einkommen der Haushalte und dabei insbesondere der Netto-Löhne und -Gehälter: Die verfügbaren Einkommen der Privathaushalte sind im vergangenen Jahr nominal um 1 Prozent gestiegen - real, d.h. preisbereinigt bedeutet das einen Rückgang um 0,3 Prozent. Die Netto-Lohn und -Gehalts-Summe (also nicht bezogen pro Arbeitnehmer) ist im vergangenen Jahr nur noch um 0,2 Prozent gestiegen, was real einen Verlust von 1, l Prozent bedeutet. Im Verlauf der 90er Jahre hat diese Größe um etwa 5 Prozent real abgenommen. Kein Wunder also, dass seitens der Arbeitnehmer keine Nachfrage-Impulse mehr ausgehen.
Abzüge der Arbeitnehmer In % der Bruttolohn- und -gehaltssumme
Jahr 1 991 1 992 1 993 1 994 1 995 1 996 1 997 1 998 1 999 2000 2001 2002 Sozialbeitr. 1 4,3 1 4,5 1 4,7 1 5,4 1 5 ,6 1 5,9 1 6,6 1 6,6 1 6,3 1 6,1 1 6,0 1 6, 1 Lohnsteuer 1 6,3 1 7,2 1 6,8 1 7,2 1 8 ,6 1 9,3 1 9,5 1 9,5 1 9,5 1 9,4 1 8,5 1 8,8 Summe* 30,6 31 ,7 3 1 ,5 32,6 34,2 35,2 36,1 36,1 35,8 35,5 34,5 34,9 Summe der effektiv geleisteten Abzüge Quelle: Statist. Bundesamt (Fachserie 18, Reihe 1.1: VGA), Berechnunaen isw isw-tabelle
Was sind die Gründe für diese Entwicklung?
• Lohnsteuer-Belastung: Die Belastung der Lohn- und Gehaltssumme mit Lohnsteuer hat in den 90er Jahren bis heute um 2,5-Prozentpunkte zugenommen. "Sozialbeiträge verschwinden nicht im Schwarzen Loch, sondern fließen unmittelbar in den Wirtschaftskreislauf zurück. Sozialleistungen werden fast vollständig nachfragewirksam verausgabt." (ver.di- Positionspapier "Wirtschafts- und Finanzpolitik", S. 10). Konjunkturpolitisch ist das zunächst kein Problem, denn höheres Steueraufkommen wird vom Staat nachfragewirksam ausgegeben. De facto aber wurde mit dem höheren Lohnsteueraufkommen die Steuerentlastung der Spitzenverdiener und Konzerne gegenfinanziert. Und diese Umschichtung ist in der Tat konjunkturpolitisch kontraproduktiv, schon wegen der höheren Sparquote der Reichen und der Verwendung der Profite teilweise zu Auslandsinvestitionen und Fusionen/Übernahmen. • Belastung mit Sozialbeiträgen: Diese Belastung nahm um 1,8 Prozentpunkte bezogen . auf die Lohnsumme zu. Konjunkturpolitisch ebenfalls kein Desaster, da diese Gelder ebenfalls voll nachfragewirksam werden: als Sozialleistungen in den verschiedenen Bereichen. Konjunkturpolitisch kontraproduktiv wäre es, die Sozialbeiträge durch Kürzung der Leistungen - Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, Renten, Gesundheitsleistungen - zu senken: dann würden die Unternehmer mit entlastet, die diesen Zugewinn zum geringsten Teil in den Nachfrage-Kreislauf einschleusen würden. Aber selbst eine Entlastung der Arbeitnehmer auf Kosten der Arbeitslosen und Sozialhilfe-Empfänger wäre konjunkturschädlich, da die Sparquote bei ersteren ca. 10 Prozent beträgt, während letztere ihre Einkünfte fast 100%ig ausgeben müssen. Sinnvoll wäre eine Senkung der Sozialbeiträge durch Wiedereinführung der Vermögensteuer, wie dies Ver.di fordert. • Niedrige Tarifabschlüsse/Lohnerhöhungen: "„. lohnpolitische Zurückhaltung schafft neue Arbeitsplätze" verkündeten die "Fünf Weisen" (SVR) 1998 und fast gleichlautend jedes Jahr. Danach müsste der Arbeitsmarkt total leergefegt sein, denn die 90er Jahre waren tarifpolitisch eine einzige Zurückhaltung. Selbst wenn man höhere Lohnsteuer und Sozialabgaben herausrechnet, bleibt beim Reallohn je Arbeitnehmer in den vergangenen 11 Jahren
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eine rote Null (- 0 , 1%). Auch im Jahr 2002 war leider die "Zeit der Bescheidenheit" nicht vorbei. 2,7 Prozent durchschnittliche Tariflohn-Erhöhungen konnten betrieblich nicht in diesem Umfang umgesetzt werden und wurden von steigenden Preisen und Sozialabgaben aufgefressen. Sowohl die realen Nettolöhne pro Beschäftigtem als auch die gesamte reale Nettolohnsumme sind im vergangenen Jahr gesunken, um 0,3 bzw. 1 ,1 Prozent.
Frankreich macht es besser:
Unter der Überschrift "Anstieg der Stundenlöhne in Deutschland deutlich geringer als in Frankreich" veröffentlichte das Statistische Bundesamt am 14. Januar 2003 folgende Presseerklärung (Auszug): "Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, stiegen in dritten Quartal 2002 die Stundenlöhne und -gehälter der Arbeiter und Angestellten in der gewerblichen Wirtschaft in Deutschland binnen Jahresfrist mit 2,2 % deutlich geringer als in Frankreich (+ 3,7 %). Die relativ starke Zunahme der Stundenlöhne in Frankreich beruht auf einer schrittweisen Verkürzung der tariflichen Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden im Jahr 1999 auf 35,7 Stunden im dritten Quartal 2002 bei vollem Lohnausgleich. In Deutschland beträgt die tarifliche Wochenarbeitszeit - seit einigen Jahren unverändert - durchschnittlich gut 37 Stunden. Die tariflichen Monatsgehälter der Arbeitnehmer lagen im dritten Vierteljahr in Deutschland um 2,3 % und in Frankreich um 2,5 % höher als vor Jahresfrist ". Gegenüber Deutschland stieg in Frankreich der Privatverbrauch wesentlich schneller; im Vorjahr + 1,8 % (Deutschland - 0,5 %). Trotz Arbeitszeitverkürzung und höherer Monatsgehälter! Die Wachstumsrate des BIP war in Frankreich in den vergangenen Jahren wesentlich höher als in Deutschland. Lag die Arbeitslosigkeit in Frankreich im Jahr 1998 noch fast 3 Prozentpunkte über der in Deutschland, so ist inzwischen Gleichstand erreicht.
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" Lohn nebenkosten"
Seit Jahren laufen Unternehmerverbände und ihre neoliberalen Apologeten in Medien und Wirtschaftsforschungsinstituten Sturm gegen die angeblich zu hohen "Lohnnebenkosten". Dabei ist der Begriff schon falsch: Die von den Arbeitgebern abgeführten Sozialbeiträge sind Lohnbestandteile, sind Teil des "Einkommens aus unselbständiger Arbeit". Eine Minderung des Arbeitgeberanteils an der Sozialversicherung bedeutet de facto eine Lohnsenkung. Beschäftigungspol itisch hat eine Senkung der Beiträge keine positiven Effekte, wie immer wieder behauptet wird. Im Gegentei l , sie bringt zwar dem einzelnen Unternehmer Kostenvorteile, bedeu· tet aber gesamtwirtschaftlich eine Schwächung der Nachfragekräfte (siehe oben). Mit der Polemik gegen die zu hohen Lohnnebenkosten, versuchen die Unternehmer die (Noch-) Beschäftigten und Gewerkschaften Ins Boot zu holen und gegen die Arbeitslosen, Sozialhilfeempfänger und Rentner auszuspielen. 'Da die Sozialbeiträge die Hauptfinanzierungsquelle der Sozialleistungen sind, verbergen sich hinter der Forderung nach Senkung der Sozialbeiträge in der Regel Forderungen nach weiterem Sozialabbau. Vorteile haben davon nur die Unternehmer, deren Finanzierungsbeitrag gesenkt wird", schreibt Ver.di (Positionspapier des Bundesvorstands zur Wirtschafts· und Finanzpolitik, 27.01 .03, S. 1 1 ) .
Ver.di weist darauf hin, dass die gesamten Sozialversicherungsbeiträge - Arbeitgeber- als auch Arbeitnehmerbeiträge - zur sozialen Sicherung notwendig sind. Würde man die Risiken privat versichern, käme das erheblich teurer - siehe Krankenversicherung in den USA - und wäre mit erheblichen Risiken verbunden, wie sich gerade an den kapital- und aktiengedeckten privaten und betrieblichen Alters"sicherungen" in den USA und Großbritannien zeigt. In der Tat sind die Sozialbeiträge in den vergangenen Jahren stark angestiegen und lasten erheblich auf den Nettolöhnen. Die Ursache für diese Entwicklung liegt aber nicht in einem "Missbrauch" sozialer Leistungen, wie häufig auch von der Bundesregierung argumentiert wird, und nur zum geringeren Teil in der Zunahme der Lebenserwartung. Mit diesem Argument sollen die Jungen gegen die Alten ausgespielt werden und von den wahren Ursachen abgelenkt werden. Eine wichtige Ursache liegt darin, dass der Sozialversicherung im vergangenen Jahrzehnt Immer mehr als "versicherungsfremd" bezeichnete Leistungen auferlegt wurden - vor allem für die Finanzierung der Deutschen Einheit. Hier wurden allein zwischen 1 991 und 1 999 rund 1 20 Mrd. Euro vereinigungsbedlngte Transfers geleistet - allein im Jahre 1 999 waren es 20 Milliarden Euro. Das DIW schreibt: "Durch das Verlagern von Teilen der finanziellen Vereinigungsfolgen in den Bereich der Sozialversicherung wurde das System der solidarischen Absicherung über Gebühr beansprucht und damit in Misskredit gebracht." (DIW·Wochenbericht 40/1 997). Ver.dl: "Die Beiträ· ge könnten urn fast drei Prozent niedriger liegen, wenn die aus der deutschen Einheit resultierenden Kosten als gesamtgesellschaftliche Aufgabe über Steuern und nicht nur von den sozialversicherten Beschäftigten aufgebracht werden müssten." (Positionspapier, a.a.O„ S. 1 3). Bedingung sei allerdings, dass die höheren steuerfinanzierten Zuschüsse durch eine stärkere Besteuerung von Gewinn- und Vermögenseinkommen gegenfinanziert werden. Die entscheidende Ursache für die Probleme im System der sozialen Sicherung liegt jedoch darin, dass dieses kapitalistische System nicht in der Lage ist auch nur annähernd Vollbeschäftigung zu garantieren. Die 'Kosten der Arbeitslosigkeit" werden zunehmend zum Sprengsatz für das System der sozialen Sicherung: Die fiskalischen Kosten für 1 .000 Arbeitslose betragen 1 8,4 Mio. Euro irn Jahr an Unterstützungszahlungen und Mindereinnahmen der öffentlichen Haushalte und Sozialversicherungskassen (53 % Unterstützungszahlungen, 21 % entgangene Lohnsteuer, 26 % Min· dereinnahmen der Sozialversicherung).
isw-wirtschaflsinfo Nr. 35
Vorstandsbezüge Vorstandsgehälter, -Boni u .a . variable Bezüge, Aktienoptionen; Aufsichtsratstantiemen
Definition
Der Vorstand einer Aktiengesellschaft (AG) wird vom Aufsichtsrat bestellt; dieser regelt auch die Gehälter des Vorstandes bzw. segnet sie ab. Die Vorstandsbezüge setzen sich i.d.R. aus dem Gehalt (fixer Bestandteil an den Bezügen) und variablen, meist gewinnbezogenen, Bestandteilen (Prämien, Boni, Tantiemen) zusammen. Seit einigen Jahren gehen fast alle AG dazu über, dem Vorstand zusätzlich sog. Aktienoptionen zu gewähren. Die Realisierung ist dabei i.d.R. an eine bestimmte Kurshöhe gebunden. Bei idealem Kursverlauf können die Top-Manager daraus zwei- bis dreistellige Millionenbeträge realisieren. Damit soll der Vorstand ganz unmittelbar zur "Kurspflege", d.h. der Erhöhung des Shareholder Values stimuliert werden: Durch Kostensenkungsprogramme (Entlassungen), Reduzierung aufs Kerngeschäft (Abspaltung von weniger renditeträchtigen Unternehmensteilen), Fusionen, etc.
Zusammensetzung der Top-"Verdienste" am Beispiel Siemens: Die Gesamtbezüge des Vorstands beliefen sich im Geschäftsjahr 2002 auf 22,0 Mio. Euro (= 2,0 Mio. Euro pro Vorstand). Davon entfallen 1 8,5 Mio. Euro auf Barvergütungen (5,6 Mio. Euro Gehälter, 12,9 Mio. Euro variable Einkommen - Jahres- und Drei-Jahres-Bonus) sowie 3,5 Mio. Euro auf den Marktwert der Aktienoptionen.
Methodik In den USA müssen nach den Bilanzierungsregeln GAAP die fünf Topverdiener eines Unternehmens geoutet werden. Die deutschen Konzernlenker geben sich bezüglich ihrer finanziellen "Verdienste" sehr zugeknöpft. Sogar die 15 deutschen, an der Wallstreet (NYSE) gelisteten deutschen Konzerne beantragten für ihre Konzernspitzen das Ausnahmerecht auf Geheimhaltung.
In den Geschäftsberichten nach dem deutschen Aktienrecht ist nur der Gesamtaufwand für den Vorstand berechnet. Daraus lässt sich annähernd die Vergütung pro Vorstandsmitglied berechnen. Der Vorstandsvorsitzende bekommt meist 50 Prozent mehr oder das Dappelte. Wie viel jedes Vorstandsmitglied wirklich verdient, lässt sich daraus aber nur annähernd bemessen. "Die Firmen bedienen sich zahlreicher Kniffe, um Gehaltserhöhungen ihrer Elite zu verstecken", schreibt das managermagazin (8/01).
200 1 zu 1 991: Vorlfäntle DAX-10-Konzerne ka91ieren im Schnitt 82 % mehr!
Selbst im Rezessionsjahr 2001 erhöhten sich 17 der 30 Dax-Konzerne die Vorstandsgehälter - und nicht zu knapp (siehe Aufstellung im Anhang). Den Vogel schoss die hoch verschuldete Deutsche Telekom ab: Während der Aktienkurs wegen der schlechten Zukunftsaussichten des Konzerns auf ein Rekordtief rauschte, verkündete der damalige Telekornchef Ran Sommer bei den Vorstandsbezügen für 2001 ein Rekordhoch: Plus 85 Prozent auf 2,18 Mio. Euro. Insgesamt stagnierten im Jahr 2001 erstmals die durchschnittlichen Bezüge eines Dax-Vorstands: 1,64 Mio. Euro gegenüber 1 ,67 Mio. Euro im Jahr 2000 (vgl. Interconsilium-Studie, Mai 2002, S. 4f). Sie lagen damit um 82 Prozent über den durchschnittlichen Vorstandsbezügen von 1997 (0,9 Mio. Euro). Zum Vergleich: Der durchschnittliche Jahres-Bruttolohn je Arbeitnehmer erhöhte sich im gleichen Zeitraum um 5,9 % von 24.480 Euro auf 25 .920 Euro (Statistisches Bundesamt).
Chefs scheffeln
Ab Mitte der 90er Jahre wurde die Gier der Vorstände schier grenzenlos. Die "Wirtschaftswoche" (2.5.02) hat von einigen Konzernen die jährlichen Gehaltszuwächse der Vorstandsgehälter von 1995 bis 2001 berechnet: Die jährlichen Zuwächse der Maßhalteapostel betrugen bei Deutsche Bank + 43,4 %, HypoVereinsbank + 33 %, Schering + 30,1 %, Siemens + 25,6 %, Linde + 18,4 %, RWE + 15 ,8 %, Commerzbank + 13,3 %, BASF + 1 1 ,2 %, BMW + 9,7 % - geradezu bescheiden die jährlichen "Lohn"erhöhungen, die sich die BayerBosse gewährten: + 5,0 %. Für 2002 wird ein weiteres leichtes Sinken der durchschnittlichen Vorstandsbezüge erwartet. Allerdings dürfte es auch im Stagnations-Jahr 2002 einige Ausreißer nach oben geben, da einige Konzerne trotz schlechter Konjunktur hervorragende Gewinne einfuhren. Siemens, z.B. erzielte profitmassig das zweitbeste Ergebnis in seiner Geschichte. Der Konzerngewinn stieg um 24 %; der Vorstand erhöhte sich darauf hin seine Barbezüge um 4 3% (Gesamtbezüge + 29,4 %). Siemens scheint überhaupt den Stein der Weisen für hohe Vorstandsbezüge
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in guten wie in schlechten Zeiten gefunden zu haben: Gehen die Geschäfte weniger gut, wie im Jahr 2001, dann erhöhen sich die Bosse einfach die fixen Bestandteile ihrer Einkommen: damals um 27,5 %. Boomen die Profite, dann sorgen die variablen Einkommens-Bestandteile für Top-Verdienste der Top-Manager.
Selbstbedienungsladen "Aktienoptionen' '
"Die meisten Manager deutscher Großunternehmen erhalten nicht nur fürstliche Gehälter", schreibt die "Financial Times Deutschland" (27 .8 .02), "sondern genehmigen sich darüber hinaus Aktien ihrer Firma zum Nulltarif". Michael Adams, Professor für Wirtschaftsrecht an der Uni Hamburg: "Jürgen Schrempp, Vorstandsvorsitzender von DaimlerChrysler, kassierte im Jahr 2000 ein Grundgehalt von 3,7 Millionen Euro. Zusätzlich wurden ihm Aktienoptionen gewährt, deren Marktwert 7,4 Millionen Euro beträgt." (Der Spiegel, 27.5.02). Den Gesamtwert des laufenden Optionsprogramms der Deutschen Telekom beziffert Adams mit mindestens 100 Millionen Euro (FAZ, 25.5 .02). Mit den Aktienoptionen versuchen die Vorstände, die tatsächliche Höhe ihrer Vergütungen zu kaschieren, so Adams. "Deutschlands Manager benutzen Aktienoptionsprogramme in erster Linie, um sich die Taschen zu füllen", schreibt ' Capital' (10/02). Um auch bei sinkenden Aktienkursen möglichst schnell an die Goldgrube "Aktienoptionen " heranzukommen, werde "die Messlatte, ab wann die Optionen ausgeübt werden dürfen, dramatisch gesenkt." (Adams). Z.B. Infineon-Boss Schumacher: Musste er bislang den Wert der Aktie um 20 Prozent steigern, um an den Aktienoptionen zu verdienen, so senkte er jetzt die Schwelle auf ein Plus von 5 Prozent. Schumacher findet diese Art der Selbstbedienung ganz normal: "Wir müssen uns den amerikanischen Konkurrenten anpassen." (zit. nach Capital). Das lässt schlimmstes befürchten: Dort werden immer mehr Fälle bekannt, wo Top-Manager Bilanzen fälschten oder mit anderen kriminellen Methoden versuchten, den Aktienkurs in die Höhe zu treiben, um aus ihren Aktienoptionen Millionen und Milliarden zu kassieren. Ulrich Schumacher hatte bereits beim Börsengang von Infineon bewiesen, dass seine Hemmschwelle sehr niedrig ist, wenn es um seine persönliche Bereicherung geht: "Bosse stopften sich die Taschen voll" schimpfte die Bild-Zeitung. Während beim damaligen Emissions- und Aktien-Rausch Millionen Infineon-Zeichner leer ausgingen und weitere Millionen gerade mal 25 Aktien bekamen, sackten Schumacher und seine vier Vorstandskollegen 250.000 Aktien ein. Die Crew, die sich zur "Roadshow" im Schumi-Outfit prädentierte, war nach dem ersten Handelstag des Börsengangs um 18 Millionen Mark reicher (mm 7 /2000). Schneller geht' s auch nicht bei Formel 1 .
1 6 !sw-wlrtschaflslnfo Nr. 35
Gewinne/Profite "Unternehmens- und Vermögenseinkommen" , Gewinne der Kapitalgesellschaften
Definition + Methodik
Zur Problematik der volkswirtschaftlichen Gewinnermittlung siehe isw-wirtschaftsinfo 32 "Bilanz 2000", S. 15. Wie wir dort ausführten, konzentrieren wir uns in Zukunft auf die Gewinnentwicklung bei Kapitalgesellschaften.
Unter der Kategorie "Kapitalgesellschaften" werden in der VGR des Statistischen Bundesamtes nicht nur echte Kapitalgesellschaften wie AG und GmbH verstanden, sondern auch Quasi-Kapitalgesellschaften wie Kommanditgesellschaften (KG) und Offene Handelsgesellschaften (OHG) einbezogen. Im Hinblick auf die Gewinnentwicklung der Konzerne - in der Regel Aktiengesellschaften - ist diese Statistik weniger aussagefähig als die frühere AG/GmbH-Statistik. Allerdings lassen sich jetzt zumindest grobe Angaben zur Gewinnentwicklung der Großbetriebe machen.
2002: Kapitalge1el/1chalfen: Bruttogewinne - 3, 8 % Nettogewinne - 4,0 %
Konzerne ziehen rigorose1 Ko1fen-Dumping durch/
Lohn- und Gewinnentwicklung 2002 :zu 1991 in Pro:zent
.... -«t"" � �� <-- . � � \
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Löhne* ... * * 63,'t
Gewinne
brutto 30.0
• es handelt sich hier u m d i e volk:swirtschaftliche Lohn-Summe (nicht Lohn j e Arbeitnehmer) *" Gewinne "Kapitalge:sell:schaftena (noch Definition des Statistischen Bundesamtes)
brutto 51 ,0
Quelle: Statl,tl�c:hu Bundesamt isw-9raflk bb
2001 , im ersten Stagnationsjahr, konnten die Kapitalgesellschaften gewinnmassig noch kräftig zulegen: die Bruttogewinne stiegen zwar nur um 1,6 % - dank rot-grüner Steuerreform erhöhten sich die Netto-Profite jedoch um 10,6 % (die veränderten Zahlen gegenüber unserer "Bilanz 2001", S. 17 resultieren aus den Korrekturen, die das Statistische Bundesamt mittlerweile vorgenommen hat). Das zweite Nullwachstums-Jahr hinterließ jetzt auch bei den Konzerngewinnen Spuren, vor allem auch bei den Nettogewinnen: unter Null Euro Körperschafts teuer wie 2001 konnten die Finanzämter ja auf Dauer nicht gehen.
lsw-wirtschattsinfo Nr. 35 1 7
"Mein Arbeitsplatzverlust ist euer Aktiengewinn" Bei den Kapitalgesellschaften dürfte es 2002 zu einer sehr differenzierten Gewinnentwicklung gekommen sein. Vor allem Konzerne und insbesondere Multis (Transnationale Konzerne) reagierten auf stagnierende Umsätze mit rigorosen Verschlankungs- und massiven Kostensenkungsprogrammen, was zum Emporschnellen der Arbeitslosigkeit beitrug. Ein Aktionärsvertreter formulierte auf der Siemens-Hauptversammlung in der Münchner Olympiahalle 2003 brutal offen die Marschrichtung: "Wenn die Märkte nichts mehr hergeben, dann muss man die Rendite aus den Kosten holen" . Was das bedeutet hatte einer der gekündigten Kollegen von Siemens-Hofmannstraße, die vor der Olympiahalle demonstrierten, auf den Punkt gebracht: "Mein Arbeitsplatzverlust ist euer Aktiengewinn", hatte er auf sein Schild geschrieben. Die ersten in diesem Jahr veröffentlichten Konzern-Bilanzen bestätigen diese Aussage (genauere Untersuchungen hierzu sind erst nach Veröffentlichung der Bilanzen in den nächsten Wochen möglich):
z.B. Siemens Der Elektro-Multi fuhr im vergangenen Geschäftsjahr das zweitbeste Gewinnergebnis der Firmengeschichte ein: 2,6 Milliarden Euro = + 24 Prozent gegenüber Vorjahr; das operative Ergebnis war sogar um 86 Prozent in die Höhe geschossen. Und das bei einem Umsatzwachstum von plus/minus Null. Das "Erfolgs"-Geheimnis: die Konzernbelegschaft wurde um 56.000 Mitarbeiter reduziert. Die Belegschaft der (noch) defizitären Netzwerksparte wurde im Geschäftsjahr 2002 von 54.000 auf 39.000 geschrumpft. Bis Ende 2003 müssen mindestens 6.000 weitere Beschäftigte gehen. Dann will der Konzern in diesem Bereich wieder schwarze Zahlen schreiben. Hieß es früher, dass ein hoher Gewinn Arbeitsplätze sichere, so ist jetzt - bei stagnierenden Umsätzen - brutale Arbeitsplatzvernichtung die Voraussetzung für hohe Gewinne.
z.B. DaimlerChrysler Auch bei DaimlerChryler stagnierte im vergangenen Geschäftsjahr der Umsatz bei knapp 150 Milliarden Euro. Dennoch erzielte der Konzern einen operativen Gewinn von 5,8 Milliarden Euro (Vorjahr: bei gleichem Umsatz 662 Mio. Euro Verlust). Ausschlaggebend war vor allem die Verwirklichung des Sanierungsplans für Chrysler, der den Abbau von 26.000 Stellen vorsah.
z.B. Deutsche Ban k Die Deutsche Bank hat ihren Gewinn vor Steuern mit 3,5 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahr fast verdoppelt (+ 98 %). Trotz gesunkenem Zinsüberschuss und starkem Einbruch beim Investmentbanking. "Entscheidend für die verbesserte Ertragsentwicklung war der deutlich gesunkene Kostenblock" , schreibt die SZ (8.2.03). "Die Kosteneinsparungen sind vor allem das Ergebnis eines massiven Stellenabbaus. Ende Januar 2003 beschäftigte die Deutsche Bank noch 72.000 Personen, 17.000 weniger als ein Jahr zuvor".
Insgesamt dürfte es zu einer weiteren Polarisierung der Gewinnsituation bei den Kapitalgesellschaften kommen. Denn zu rigorosen Kostensenkungen und "Verschlankungen" der Belegschaften sind vor allem Groß- und transnationale Konzerne in der Lage • durch Druck auf die Zulieferbetriebe • durch Reduzierung der Kernbelegschaften und verstärkte Leiharbeit • durch Unterlaufen des Kündigungsschutzes wie z.B. bei Siemens-Netzwerksparte • durch noch rigorosere Orientierung aufs Kerngeschäft und outsourcing • durch Ausbau der globalen Wertschöpfungsketten Insgesamt soll so der Break-even-Punkt herabgesetzt werden, um auch bei niedrigeren Absatzzahlen ansehnliche Renditen zu erzielen. Klein- und mittleren Firmen bleibt im wesentlichen nur der direkte Druck auf Löhne und Gewerkschaften (Tarifverträge) und auf Regierung und Gesetzgeber: Senkung der "Lohnnebenkosten" und Aushöhlung des Kündigungsschutzes. Hierbei erfüllen sie eine wichtige Brechstangen-Funktion auch für die Transnationalen Konzerne. Unter den Bedingungen bereits seit Jahren stagnierender Massenkaufkraft ist eine solche Entwicklung gefährlich und geeignet, eine deflatorische Spirale auszulösen. Denn die Nachfrage wird durch Arbeitsplatzabbau und Druck auf Löhne und Lohnbestandteile weiter reduziert. Kaufzurückhaltung und Angstsparen nehmen zu, der Binnenmarkt verengt sich weiter. Preissenkungen und Rabattschlachten sind die Folge, bei denen letztlich nur Großkonzerne und im Handel die Discounter durchhalten können. Die steil ansteigenden Firmenpleiten zeigen in diese Richtung. Die Gefahr einer Dauer-Stagnation oder gar Depression ist nicht von der Hand zu weisen.
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1 nvestitionen Ausrüstungs-/Bauinvestitionen, Staatsinvestitionen
Definition Investition= Einsatz von Kapital zur Erhaltung (Ersatz-!), Vergrößerung (Erweiterungs-!) oder Umgestaltung (Rationalisierungs-!) der Produktionsanlagen. In der VGR wird nach Ausrüstungs- (Maschinen/Geräte, Fahrzeuge) und Bauinvestitionen unterschieden. Direktinvestitionen sind Kapitalanlagen von Inländern im Ausland (engl. FDI outflows) bzw. von Ausländern im Inland (FDI inflows).
Methodik Das Statistische Bundesamt hat seine bisherigen Angaben für die Entwicklung der Investitionen teilweise massiv korrigiert. Wir legen diese neuen Zahlen zugrunde, jeweils in Preisen von 1995; d.h. es handelt sich um reale Zuwächse bzw. Abnahmen gegenüber dem Vorjahr.
2002: Investitionen: Dramatischer Einbruch Unternehmen - 6,4 % Staat - 5, 1 %
Investitionen 1 992 - 2002 (Veränderungen gegenüber Vorjahr in Prozent) Ausrüstungs- und Bau investit ionen in Preisen von 1995
Unternehmensinvestitionen
1!1!l2 83 9'1 95
Quelle: Statistisches Bundesamt iswgrafik/bb
Bruttoanlageinvestitionen der Unternehmen
Die Bruttoanlagen sind zwei Jahre hintereinander stark gesunken und liegen jetzt auf dem Niveau von 1992 - während die Nettogewinne um 63 Prozent höher liegen. Von wegen, hohe Gewinne führen zu hohen Investitionen und sichern dadurch Arbeitsplätze. "Die schwache Binnennachfrage haben die Unternehmer schmerzlich zu spüren bekommen und ihre Investitionen drastisch zurückgefahren", schreibt das 'Handelsblatt ' . Fragt man sich, wo die hohen Gewinne der vergangenen Jahre geblieben sind? • Sie wurden einmal zum großen Teil ins Ausland transferiert: Die jahresdurchschnittlichen deutschen Direktinvestitionen (FDJ outflows) lagen in der zweiten Hälfte der 90er Jahre fast dreimal so hoch - 68 Milliarden Dollar jährlich - wie in der ersten Hälfte des Jahrzehnts mit 23 Milliarden Dollar. Erst ab dem Jahr 2000 sinken sie wieder. Der größte Teil wurde zum grenzüberschreitenden Aufkauf (cross border M&A) von Firmen verwendet. Dabei haben sich einige Konzerne "überfressen", z.B . Telekom mit Worldcom, und sind dadurch heute hoch verschuldet.
lsw-wirtschaftslnfo Nr. 35 1 9
• Auch im Inland hielt das "Große Fressen" an: Vor allem der Wert der übernahmen stieg (siehe "Fusionen"). • In der zweiten Hälfte der 90er Jahre lagen die durchschnittlichen jährlichen "Ausschüttungen und Entnahmen" bei den Kapitalgesellschaften mit 212 Milliarden Euro um 41 Prozent höher als in der ersten Hälfte ( 150 Milliarden Euro). Der Löwenanteil der Gewinne ging also für den Kauf von Marktanteilen (Konzentration) und zur Bedienung der Shareholder drauf.
"Viele Kommunen befinden sich am Rande des Ruins" (Präsidentin des Städtetags)
"Die schwerste Finanzkrise der Städte seit Bestehen der Bundesrepublik hat ihren Höhepunkt noch nicht erreicht", heißt es in der Presseerklärung des Deutschen Städtetags vom 27.1 .03. "2003 wird sich die Lage weiter dramatisch zuspitzen, obwohl viele Städte bereits nach den Jahren 200 1 und 2002 praktisch handlungsunfähig sind". Die Kommunen erreichen 2003 ein Rekorddefizit von fast 10 Milliarden (9,9 Mrd.) Euro. Die Folge ist ein Verfall der Investitionen: sie gehen um fast 11 Prozent (10,8 %) zurück und liegen dann um 37 % unter dem Niveau von 1992. Die Städte geraten von zwei Seiten in die finanzielle Klemme:
• Wegen der Beschäftigungskrise und der zunehmenden Armut müssen sie mehr für "Soziale Leistungen" (insbes. Sozialhilfe) berappen: 2002 und 2003 um 5 ,0 bzw. 5,6 % mehr; • Zum anderen gehen ihre Einnahmen wegen des Einbruchs der Gewerbesteuer zurück (siehe "Steuern"). Dabei ist der Investitionsbedarf der Kommunen riesengroß. Das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) ermittelte bis 2009 einen Finanzbedarf für kommunale Infrastruktur von 690 Milliarden Euro (siehe Grafik). Die Forderung nach einem Kommunalen Investitionsprogramm wie wir es in "Bilanz 2000" und "2001" forderten, bleibt also hochaktuell. Auch Ver.di fordert ein Sofortprogramm für die Kommunen in Höhe von 20 Milliarden Euro. Ein solches Programm wäre zudem ein wichtiger Impuls für die Konjunktur. Die Bundesregierung lehnte jedoch bislang wirksame "Soforthilfen" für Städte und Gemeinden strikt ab. Die jetzt für die Regierungserklärung am 14. März in Aussicht gestellten "direkten Hilfen" von etwa einer Milliarde Euro sind "nur ein Tropfen auf dem heißen Stein" (Städtetag). Das geplante "Kreditprogramm" des Bundes aber lehnen die Städte ab. Stephan Articus, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages: "Viele Städte dürfen auf Grund ihrer Defizite in den Verwaltungshaushalten längst keine Kredite mehr für Investitionen aufnehmen und brauchen deshalb keine zusätzlichen Kreditprogramme." (FTD, 4.3.03)
9,6
Kommunen: Historisches Tief bei Investitionen
Sachinvestitionen der Kommunen (in Mil liarden Euro)
9, 3 8,9 8,3
D Alte Bundesländer
CJ Neue Bundesländer
Q Gesamt
1 992 1 993 1 994 1 995 1 996 1 997 1 998 1 999 2000 2001 2002 2003' • Prognose; 0 bereinigt um Flutoperhllfe Quelle: Deutscher Städtetag lsw.grafik mz
Finanzen der deutschen Städte und Gemeinden in 2003 Einnahmen in Mrd. Euro
Investitions· zuwelsungen 9,40 von Land und Bund
Gebühren 1 6,25
laufende Zuweisungen von Land und Bund
isw-grafik mz
20
46,95 Steuern
soziale 30,30 Leistungen
Personal
Ausgaben in Mrd. Euro
5129 Zinsen
sonstige Ausgaben
Quelle: Bundesvereinigung der kommunelen Spltzenverbiinde
lsw-wlrtschaftslnfo Nr. 35
Kommunaler lnvestltlonsbedarf 2000 - 2009 in Mrd. Euro
Energl&versorgung
Quelle: Deutsches lnsUlut fOr Urbanlslfk lsw-g111fik mz
Steuern Lohnsteuer, Gewinn- und Kapitalsteuern , Steuerbelastung
Definition
Hier sei nur auf die Steuern vom Einkommen, Ertrag und Vermögen (Kapital) eingegangen. Dazu zählen : Die Lohnsteuer vom Einkommen der Arbeitnehmer. Auf der Kapitalseite: Veranlagte Einkommensteuer (= Steuer vom Gewinn der Selbständigen), Körperschaftsteuer (Steuer vom Gewinn der Kapitalgesellschaften), Gewerbesteuer (Steuer auf Gewinn und Kapital von Gewerbetreibenden), Kapitalertragsteuer, einschließlich Zinsabschlagsteuer (= Steuer von Vermögenseinkommen).
2002: Veranlagte Einkommensfeuer: - t 4 % Cewerbesteuer: - 9 % Körperschalfsfeuer weiter an Null-Linie
Der Steuerskandal : U nterneh mer, Konzerne u n d Reiche zahlten i n den vergangenen zwei Jahren trotz h öherer Gewin ne 50 M i l l iarden Euro wen iger Steuern !
Entwicklung Gewinn- und Kapitalsteuern
2000 2001 2002 in Mrd Euro Steuerplus bzw.,minus in Mrd Euro 2000-2002
22,s Mrd Euro Kaaitalertragsteuer + 10,1 • 22,3 Mrd Euro Gewerbesteuer - 1.2
2=0=-----�-+���-t-
10 t.s Mrd EuroVeranl . Eink.steuer - 8,1
2,8 Mrd Euro Köroerschaftstruer -4�8 samtausfdl l - 9 4-
0 -0,lf.
6esautfausfall 1°H 2Jah�: 50 Mrd Euro! Quelle: Bundesbankberichte; BMF iswgraflk/bb
Steuern zahlen im wesentlichen nur noch die Dummen: Lohnsteuerpflichtige und Verbraucher. Konzerne, Unternehmer und Reiche aber stehlen sich aus der Finanzierung von Gemeinschaftsaufgaben und öffentlicher Zukunfts- und Daseinsvorsorge. Während in den vergangenen zwei Jahren die "Kleinen Leute" über erhöhte Verbrauchsteuern wie Mineralölund Stromsteuer weiter abgezockt wurden, erhielten Unternehmer und Konzerne das größte Steuergeschenk aller Zeiten: 50 Milliarden Euro weniger führten sie in den Jahren 2001 und 2002 gegenüber dem Jahr 2000 an Gewinnsteuern ab (siehe Grafik).
lsw-wirtschaftsinfo Nr. 35 21
Und in diesem Jahr findet der Skandal seine Fortsetzung: Selbst nach den Zahlen der offiziellen Steuerschätzung vorn November 2002 wird im Jahr 2003 das Aufkommen an Gewinn- und Kapitalsteuernsteuern - Körperschaftsteuer, Veranlagte Einkommensteuer, Gewerbesteuer, Kapitalertragsteuer - 27 Milliarden Euro unter dem Aufkommen von 2000 liegen. Dagegen soll das Lohnsteueraufkommen um 7 ,5 Milliarden Euro und die Umsatzsteuer um 4 Mrd. Euro steigen.
Die Gewinne sind gestiegen
Von Seiten der Unternehmerverbände und des Finanzministers wird behauptet, der Steuerausfall hätte seine Ursache in der schlechten Konjunktur- und Gewinnentwicklung der Jahre 2001 und 2002. Diese Behauptung ist falsch, auch Kabinett und Kapital wissen es besser:
Die Gewinne (der Kapitalgesel lschaften + Betriebsüberschüsse/SelbständigeneinkommenNe rmögenseinkommen) lagen 2001 u m 28,4 M i l l iarden und 2002 um 5,3 Mrd. Euro über dem Niveau von 2000. In Wirklichkeit hätten die Gewinn- u. Kapitalsteuern gegenüber 2000 steigen m üssen.
Die Gewinn-Steuer-Einbrüche sind zum einen die Folge der SPD/Grünen-Steuer-"Jahrhundertreform" mit einer gewaltigen Senkung der Unternehmenssteuern (siehe "Bilanz 2000" und "Bilanz 2001 "). Zum anderen erklären sie sich durch die immer stärkeren Steuer-Umgehungen insbesondere der Transnationalen Konzerne.
Gewin nentwicklung 2000 - 2002 728,6 757,0
� �
2000 2001 lsw-grafik m:t
733,9 �
2002
In Mrd. Euro
Betrfebsüberschuss/ Selbständlgenefnkommenf Vermögenseinkommen
D Gewinne der Kapitalgesellschaften
Quelle: stallal BundesamVFechser1e 18/Relhe 1 . 1 und 1.Z
"Wer da hat, dem wird gegeben, dass er die Fülle habe" (Matthäus, 13. Kap.)
z.B. Siemens: Im Geschäftsjahr 2001 versteuerte Siemens seinen Gewinn noch zu 29 %. Im Geschäftsjahr 2002, mit dem zweitbesten Ergebnis in der Firmengeschichte, betrug der effektive Ertragsteuersatz nur noch 24 %. Im Geschäftsbericht 2002 heißt es dazu: "In beiden Jahren war dieser Ertragsteuersatz durch die steuerfreie Veräußerung von Infineon-Aktien positiv beeinflusst. Im Vorjahr (also 2002) kam noch eine Absenkung der Steuersätze durch die im Oktober 2000 verabschiedete Steuerreform hinzu." (GB 2002, S. 67). Also durch die Eicheisehe Steuerbefreiung von Veräußerungsgewinnen und die allgemeine Steuerreform zugunsten der Konzerne zahlte der drittgrößte Konzern Deutschlands im Inland immer weniger bzw. 2002 überhaupt keine Ertragsteuern mehr : In konkreten Zahlen: Im Jahr 2000 führte Siemens an den deutschen Fiskus noch 2,03 Milliarden Euro ab, 2001 nur noch 97 Millionen. Im Jahr 2002 bekam Siemens von Eichel gar 350Millionen Euro zurückvergütet.
z.B. G roßbanken : Nach dem September-Bericht (2002) der Deutschen Bundesbank führten die Banken 2001 insgesamt 3,7 Milliarden Euro Steuern ab, 3,0 Milliarden weniger als im Jahr zuvor. Ihr Steueraufkommen fiel damit auf den niedrigsten Stand seit Beginn der 80er Jahre. Die Steuerquote ging von 42 % 1999 auf 26 % im Jahr 2001 zurück. Die Großbanken zahlten 2001 überhaupt keine Steuern mehr, sondern erhielten wie im Vorjahr 0,4 Milliarden Euro vorn Finanzamt zurück. Neben der Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen - beim Verkauf von Beteiligungen - spielten die anderen "steuerrechtlichen Änderungen eine wichtige Rolle", schreibt die Bundesbank (Monatsbericht Sept. 2002, S. 35).
22 lsw-wirtschaftsinlo Nr. 35
Steuerreform: Konjunkturpolitisch ein Flop
"Ein großer Teil der Steuerausfälle war im Zuge der Steuerreform 2000 politisch gewollt und eingeplant", schreibt Ver.di (Wirtschaftspolitische Informationen 1/03, S. 7). Durch das Steuersenkungsprogramm bei den Unternehmen sollten diese zu Investitionen angeregt, Wachstum und Beschäftigung stimuliert werden. Tatsache ist: Die Steuerreform bescherte den Unternehmen zwar einen reinen Geldsegen, verschlimmerte jedoch die Krise und die Arbeitslosigkeit. Um die Steuerausfälle wenigstens teilweise zu kompensieren, wird jetzt bei Arbeitslosen, Sozialhilfeempfängern und Rentnern eingespart (siehe auch "Arbeitslosigkeit''). Das verschlechtert nicht nur die soziale Lage dieser Personengruppen, sondern mindert deren verfügbare Einkommen und würgt damit den privaten Konsum weiter ab. Hinzu kommt, dass die öffentliche Hand weniger Geld für Investitionen zur Verfügung hat, was sich insbesondere in den Kommunen verheerend auswirkt. Umgekehrt hätte an Stelle von 50 Milliarden Euro Steuergeschenke für Unternehmer und Konzerne mit dem Geld ein wirksames kommunalpolitisches Investitionsprogramm aufgelegt werden können, das einen echten konjunkturpolitischen Impuls und hunderttausende Arbeitsplätze gebracht hätte. Zudem wäre es die beste Handwerks- und Mittelstandsförderung gewesen. Mit den damit verbundenen Lohnsteuer- Gewerbesteuer- und Sozialabgaben-Effekten hätte es sich teilweise sogar selbst finanziert.
Gemeindefinanzen vor dem Kollaps
Man hält es im Kopf nicht aus, aber es ist so : Alle großen Firmen und Konzerne zusammen - alle AG und GmbH - zahlten 2001 per Saldo keinen einzigen Cent Körperschaftsteuer, sondern erhielten von Eichel 426 Millionen Euro zurückerstattet. Und auch 2002 ist das Körperschaftsteueraufkommen zum Erinnerungsposten verkommen: 2,8 Mrd. Euro. Zum Vergleich: Allein der Energiekonzern E.ON gab im vergangenen Jahr für den Erwerb eines britischen Stromkonzerns fast den dreifachen Betrag aus.
Nicht viel besser sieht es mit der Gewerbesteuer, der Haupteinnahmequelle der Kommunen aus. Auch hier stehlen sich vor allem die Transnationalen Konzerne aus der Steuerpflicht raus. Der E.ON-Energiekonzern, der höchste Dividenden auszahlte, zig-Milliarden für Beteiligungen ausgab und 2001 einen Gewinn von 2,1 Mrd. Euro auswies, eröffnete Städten und Gemeinden in einem Schreiben, für vergangene Jahre keinen Euro mehr an Gewerbesteuer zu zahlen. Und weiter: "Für den Veranlagungszeitraum 2002 erwarten wir auf Basis unseres Budgets, bestehender Verlustvorträge und tiefgreifender Veränderungen in der Struktur unseres Organkreises ebenfalls keine Gewerbesteuer". Die SZ schreibt am 23. Juli 2002 in Bezug auf die Finanzsituation Münchens: "Mit der HypoVereinsbank zahlen nun alle sieben Großunternehmen, die der Aktienindex Dax listet (das sind außer der Bank: Allianz, BMW, Infineon, MAN, Münchener Rück und Siemens), keinen Cent Gewerbesteuer mehr". Der Präsident des Bayerischen Städtetages, Oberbürgermeister Deimer fasst zusammen: "Unser „. Steuersystem eröffnet für die so genannten ' Global Player' ungeahnte legale - ich betone ausdrilcklich legale - Steuervermeidungsmöglichkeiten. " (Redemanuskript, 24.7.02, S. 3). Diese "Legalität" aber haben die SPD/Grüne- und vorausgehende schwarz-gelbe Regierungen geschaffen.
Wie bereits ausgeführt, müssen wegen wegbrechender Gewerbesteuer die Städte und Gemeinden ihre Investitionen und Ausgaben für öffentliche Daseinsvorsorge drastisch zurückfahren. Betroffen davon sind in erster Linie die "Normalbilrger" der Kommunen, denn nur Reiche können sich eine arme Stadt leisten. Aufgrund ihrer Finanzmisere sind die Gemeinden gezwungen, ihr Tafelsilber zu verscherbeln. Und auch das ist politisch gewollt. Der BDI fordert in seinem nach der Bundestagswahl verabschiedeten 10-Punkte-Programm u.a.: "Weitere Privatisierungen vor allem auf kommunaler Ebene". Und "Capital" (22/02) listet bereits auf, was die Stadtkämmerer zum Ausverkauf noch alles anbieten könnten: Grundstücke 100 Mrd. Euro, Sparkassen 80 Mrd„ Stadtwerke 50 Mrd„ Wohnungen 20 Mrd„ Krankenhäuser 8 Milliarden, usw. usf.
Die von der Bundesregierung vorgesehene Reform der Kommunalfinanzen aber sieht eine weitere Entlastung der Unternehmen vor. Die Gewerbesteuer soll zu einer reinen Gewinnsteuer werden, mit der Folge, dass Unternehmen, die keine Gewinne machen, gar keine Gewerbesteuer bezahlen. Zur Stabilisierung der Gemeindefinanzen sollen andere Elemente einbezogen werden, wie z.B. ein höherer Umsatzsteueranteil der Gemeinden - was auf eine Verbrauchsteuer-Erhöhung hinauslaufen würde - und eine Verstärkung der Grundsteuer, was auf die Mieter abgewälzt würde.
Der "Städtetag" fordert dagegen eine Revitalisierung der Gewerbesteuer: Rücknahme der erhöhten Umlage der Gewerbesteuer an den Bund. Sie wurde im Rahmen der Steuerreform von 20 auf 30 Prozent erhöht, was für die Kommunen einen Einnahmeausfall von ca. 2,3 Mrd. Euro bedeutet. Rücknahme der Steuerbefreiung von Veräußerungsgewinnen. Schließung der Steuer-Schlupflöcher. Ausdehnung der Gewerbesteuerpflicht auf gut verdie-
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nende Selbständige und Freiberufler. Städtetag: "Nicht eine zu hohe Steuerlast der Wirtschaft, sondern die immer geringeren Beiträge der großen Unternehmen „. sind das Hauptproblem der Gewerbesteuer." (der städtetag, 4/2002, S. 8)
Gewerkschaften fordern
• Wiedereinführung einer reformierten Vermögensteuer • Höhere Besteuerung großer Erbschaften und Schenkungen • Korrekturen bei der Besteuerung von AGs und GmbHs • Grundlegende Reform der Gewerbesteuer
• keine Abgeltungssteuer
Die Gewerkschaft Ver.di schließt sich den Forderungen des Städtetages in puncto Gewerbesteuer im wesentlichen an: "Alle in einer Kommune wirtschaftenden Unternehmen müssen einen verlässlichen und angemessenen Finanzierungsbeitrag leisten", heißt es in dem Papier "Staatsfinanzen stärken" (2002, S. 22). Darüber hinaus werden kurzfristig zusätzliche Finanzhilfen des Bundes für kommunale Investitionen von "vier Milliarden Euro pro Jahr" gefordert. Im Ver.di-Positionspapier "Wirtschafts- unf Finanzpolitik" vom 27. Januar 2003 wird eine "konsequente Besteuerung" von AG und GmbHs gefordert: "Die jetzt nicht durchgeführten Korrekturen im Bereich der Besteuerung der Aktiengesellschaften und GmbHs müssen nachgeholt werden. Es muss u.a. sichergestellt werden, dass die Unternehmen sich der Verpflichtung zur Zahlung von Gewerbesteuern nicht entziehen können". Zentrale Forderung von Ver.di und IG Metall ist die Wiedereinführung einer reformierten Vermögensteuer: Die Steuer soll ab einem Freibetrag von 500.000 Euro für eine vierköpfige Familie zur Geltung kommen. "Wenn Vermögen ab diesem Schwellenwert mit einem Prozent besteuert werden, könnte dies alleine zu Mehreinnahmen von knapp 16 Milliarden Euro führen." (Ver.di, Staatsfinanzen stärken, S. 30). Durch eine korrekte Bewertung des Immobilienvermögens und Abbau übermäßiger Begünstigung des Betriebsvermögens könnten darüber hinaus bei der Erbschaftsteuer zusätzlich 3,6 Milliarden Euro erbracht werden. Die geplante Abgeltungsteuer von 25 Prozent lehnt Ver.di ab. Sie würde gegenüber der bisher geltenden Zinsabschlagsteuer Mindereinnahmen von 2 bis 4 Milliarden Euro erbringen und somit Reiche und Geld vermögende weiter begünstigen. Es ist ein Treppenwitz der Geschichte, dass sich SPD-regierte Bundesländer ihre Forderung nach Wiedereinführung der Vermögensteuer von Kanzler Schröder mit seinem Vorschlag einer pauschalen Abgeltungsteuer abkaufen ließen. "Die Abgeltungsteuer ist nur eine verdeckte Steuersenkung auf Zinseinkommen", schreibt die 'Financial Times Deutschland' ( 18 . 12.02). "Sie wird keinen einzigen Arbeitsplatz in Deutschland schaffen". Kein Wunder, dass die Wirtschaftsverbände dem Schröder-Vorschlag euphorisch zustimmten.
24
1980 : Gesamtsteueraufkommen 187 Mrd . Euro
Quelle: aundnbonK
Steuerlastenvertei lung A nte i le i n %
2002 : Gesamtsteueraufkommen 414 Mrd . Euro
lsw-wlrtschaftsinlo Nr, 35
Haushalte der Bundesanstalt für Arbeit in Mrd. Euro
57,2 52,5 50,6 51 ,7 50,5 52,6 53,0 .
1 997 96 2003
Qul!llle: Bundesanstalt fQr Arbeit, BMF • p1anung
Zuschussbedarf
Defizit der Bundesanstalt für Arbeit
in Mrd. Euro 5,6
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i 0,0 98 99 2000 2001 2002 2003
Quelle: Bundesanstalt fOr Arbeit • nech Aussage von Elchei
Staatsverschuldung/Haushalt
Definition Die gesamte Staatsverschuldung setzt sich zusammen aus der Verschuldung der öffentlichen Haushalte der Gebietskörperschaften - Bund, Länder und Gemeinden - und der sog. Sondervermögen und Fonds (z.B . Fonds "Deutsche Einheit") .
pro Einwohner 15. 500=€
· 1. 559€
lsw· l'nflk bb
Wenn ein Privathaushalt spart, um seine Schulden zu reduzieren, dann erspart er sich Zinsen und verbessert seine wirtschaftliche Lage. Wenn der Haushaltsvorstand des Staates zur konjunkturell falschen Zeit das gleiche tut, erreicht er unter Umständen das Gegenteil: seine Haushaltslage verschlechtert sich weiter. Denn der Staat ist mit seinem ökonomischen und fiskalischen Potenzial ein wichtiger Faktor im Wirtschaftskreislauf. Mit Staatskonsum und staatlichen Investitionen steht er für ein Fünftel der Binnennachfrage, mit Renten- und Sozialpolitik beeinflusst er sogar noch mehr: • Spart die Öffentliche Hand rigoros in konjunkturell flauen Zeiten, dann vermindert sie die Binnennachfrage und beschleunigt die konjunkturelle Talfahrt; • Holt sie darüber hinaus den Bürgern mit höheren Verbrauchsteuern mehr Geld aus den Taschen, dann mindert sie auch noch den Privatkonsum; • Steckt sie schließlich ihre Einsparerfolge und Milliarden zusätzlich den Konzernen und Reichen als Steuergeschenke in die Tasche, macht sie so ziemlich alles falsch, was man falsch machen kann: das Defizit wächst weiter an und die Konjunktur wird noch mehr abgewürgt. So wundert sich der beflissene Spar-Minister Eichel, dass trotz seiner jahrelangen und rigorosen Konsolidierungspolitik die Haushaltslöcher immer größer werden. Der frühere Konjunkturexperte des DIW, Heiner Flassbeck, bescheinigte dem hessischen Oberlehrer bereits vor Jahren, dass er nur ein betriebswirtschaftliches Verständnis aufbringe, ihm das Denken in gesamtwirtschaftlichen Zusammenhängen fehle oder abhanden gekommen sei. So wunderts nicht, dass der Arbeitskreis Steuerschätzung hauptsächlich deshalb zusammen kommt, um seine früheren Prognosen nach unten zu korrigieren. Allein die Steuerschätzung
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für 2003 wurde bereits dreimal nach unten korrigiert: von 520 Milliarden Euro Steuereinnahmen auf 459 Milliarden. Und auch das ist noch zu hoch gegriffen, da es von einem BIP-Wachstum von 1,5 % ausgeht. Der "vermeintliche Sparkommissar sei nicht deshalb gescheitert, weil er zu wenig gekürzt hat, sondern eher zu viel und zumindest an falscher Stelle oder zum falschen Moment", schreibt die 'Financial Times Deutschland' (22. 1 1.02). Schmal-Hans Eichel aber hält eisern in Brüningscher Tradition an seiner prozyklischen Haushaltspolitik fest: "Eichel beharrt auf strenger Haushaltsdisziplin" (FTD, 3.3.03) und wehrt sich gegen jegliche Maßnahmen zu einer aktiven Beschäftigungspolitik und einem wirksamen Sofortprogramm für die Kommunen. Es soll noch schlimmer kommen: In seiner "Blut-Schweiß-und Tränen-Rede" am 14. März will Kanzler Schröder tiefe Einschnitte verkünden und den konjunkturpolitischen CrashKurs noch beschleunigen. Ein Beispiel, das schon vorab bekannt wurde: Durch die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe sollen ca. drei Milliarden Euro eingespart werden. Das ist ziemlich exakt der Betrag, der an Einnahmen durch die Einführung der pauschalen Abschlagsteuer gegenüber der bisherigen Besteuerung der Zinseinkommen verloren geht. Damit finanzieren die Arbeitslosen das Milliarden-Geschenk an die reichen und steinreichen Rentiers. Die konjunkturelle Wirkung ist zudem negativ - siehe oben. Einsparbedarf an Minister-Renten aber sieht Eichel keinen: Der 60-jährige Spar-Minister selbst hat einen Rentenanspruch von 11.635 Euro pro Monat. 450 Jahre müsste ein Durchschnittsverdiener arbeiten, um die gleiche Rente zu erhalten (Stern, 4612002).
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Geld für die Rüstung
Zum "Haushalt" stellte "Verteid igungs"-Minister Struck am 21 . Februar unter anderem fest:
• Von 2003 bis 2006 wird der Verteidigungshaushalt über eine gleichbleibende Finanzausstattung von rund 24,4 Mi l l iarden Euro verfügen.
• Für Operationen zur Terrorismusbekämpfung sowie für sonstige Auslandseinsätze sind 1 . 1 53 Mil l ionen Euro veranschlagt, die bei Bedarf über Haushaltsvermerke verstärkt werden können.
• Im Ergebnis wachsen die verteidigungsinvestiven Ausgaben gegenüber dem Haushalt 2002 um über 800 Mi l l ionen Euro.
• I nsgesamt hat diese Bundesreg ierung seit 1 998 Verträge zur Verbesserung der Fäh igkeiten der Bundeswehr in Höhe von rund 14 Mi l l iarden Euro abgeschlossen.
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Reichtu'm/Vermögen Privates und betriebl iches Geldvermögen , Gesamtvermögen, Produktivvermögen
Vermögens-Statistik + Methodik
Siehe dazu unsere Ausführungen zu den Erhebungen und Veröffentlichungen von Statistischem Bundesamt (Einkommens- und Verbrauchsstichprobe - EVS) und Bundesbank (Monatsberichte) in iswwirtschaftsinfo 32 "Bilanz 2000" . Privates Geldvermögen: Setzt sich zusammen aus Bargeld (Sichteinlagen), Spareinlagen, Termingeldern, Wertpapieren, Investmentzertifikaten, Aktien, Bauspareinlagen, Anlagen bei Versicherungen.
Privates Gesamtvermögen: Immobilienbesitz + Geldvermögen + Gebrauchsvermögen (hochwertige Gebrauchsgüter).
Privates Reinvermögen= Gesamtvermögen abzüglich Verpflichtungen (Kredite).
200 t: Privafe1 Celdvermögen: 3. 653.000.000.000 Euro Pro Einwohner: 45.000
Vertei lung des Geldvermögens in der Bundesrepubl ik Deutschland
78 Euro-Milliardäre zählte das managermagazin (3/03) für vergangenes Jahr in Deutschland. Zusammen brachten sie es auf ein Gesamtvermögen von 224 Milliarden Euro - pro Kopf im Durchschnitt fast 3.000 Millionen Euro. Einsame Spitze die ALDI-Brothers mit zusammen 28 Milliarden Euro, die inzwischen Rang 3 der Weltrangliste der Mega-Reichen einnehmen. Gegenüber dem Vorjahr legten sie um 800 Millionen Euro zu, verdienten also vor allem daran, dass die Leute wegen der Krise sparsamer und billiger einkaufen müssen.
"Millionäre trotzen Aktienflaute"
Die Summe der Privaten Geldvermögen in Deutschland stieg 2001 zum Vorjahr nur um schlappe 9 Milliarden Euro, was seinen Grund daran hat, dass die Aktien als Teil des Geldvermögens in ihrem Kurs nach unten gingen.
Für die superreichen Geldvermögenden trifft dies jedoch nicht zu. Wie die Investmentbank Merrill Lynch und die Beraterfirma Cap Gemini Ernst & Young in ihrem "World Wealth Report 2002" aufzeigten, konnten die "Ultra High Net Worth Individuals" bei ihrem Geldvermögen sogar noch um 3 Prozent durchschnittlich zulegen. Als ultra-hohes "Netto-Wert-
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Individuum" wird eingestuft, wer über ein Netto-Geldvermögen von über 30 Millionen Euro verfügt. 3 .700 solcher Individuen gab es 1999 in Deutschland (German Wealth Report 2000) mit einem Anteil von 7 ,9 % am gesamten Geldvermögen. Das gute Abschneiden der Gutbetuchten auch in Zeiten der Börsen-Baisse begründete Merrill Lynch damit, dass sie ihre Portfolios von Bank-Vermögensberatern (Private Banking) professionell und aktiv managen lassen. Damit seien die Kursverluste an Aktienmärkten durch Erträge aus festverzinslichen Anlagen und alternativen Produkten wie Hedge-Fonds, die auch aus fallenden Aktienkursen Kapital schlagen können, mehr als ausgeglichen worden.
365.000 Euro-Millionäre
Die Schieflage der Vermögensverteilung wird noch deutlicher, wenn man die Euro-Millionäre mit einbezieht. Nach Angaben von Merrill Laynch/Cap Gemini gibt es in Deutschland 365 .000 "High Net Worth lndividuals" - also ohne "Ultra" - "jeweils mit einem Geldvermögen von mehr als 1 Million Euro". Sie vereinen nach Angaben von Merrill Lynch insgesamt 2.000 Milliarden Euro auf sich und damit 25,7 % des gesamten Vermögens. "Damit besitzen 0,5 % der erwachsenen deutschen Bevölkerung 25,7 % des gesamtdeutschen Vermögens" (German Wealth Report, S. 5). Die Geldvermögen dieser Millionäre und MultiMillionäre wuchsen in den vergangenen Jahren um 10 % jährlich - lediglich 200 1 war der Zuwachs geringer. Das gesamte private Geldvermögen in Deutschland nahm von 1992 bis 2001 um 74 % zu.
Privates Geldvermögen
Vermögensteuer als Konjunkturstütze
Jeder ernsthafte Versuch, die Staatsfinanzen zu sanieren bzw. Geld für kommunale Investitionen und staatliche Zukunftsausgaben freizumachen, muss an diesen Millionärs- und Milliardärsvermögen ansetzen. Modelle sind viele vorstellbar. Eine Vermögensbesteuerung, wie sie Ver.di und IG Metall fordern, würde nur einen Bruchteil des Vermögenszuwachses wegsteuern, an der unsozialen Vermögensverteilung nichts ändern und nur den Konzentrationsprozess etwas verlangsamen. Dennoch würden in Verbindung mit einer korrekteren Besteuerung der Erbschaften jährlich 20 Milliarden Euro in die Kassen der öffentlichen Hand gespült. Eine derartige Steuer hätte keine negativen Auswirkungen auf die Konjunktur: Denn Reiche und Superreiche würden deshalb keinen Euro weniger konsumieren oder investieren. Umgekehrt könnte sofort ein effektives und umfangreiches kommunales Struktur- und staatliches Wachstumsprogramm aufgelegt werden, das Konjunktur und Wachstum wichtige Impulse geben würde.
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Fusionen/Pleiten
Definition
Fusion = Zusammenschluss (V crschmelzung) von zwei oder mehreren Unternehmen zu einer rechtlichen und wirtschaftlichen Einheit (Engl. : Merger; Acquisition = Übernahme). Pleite = Bankrott, Konkurs eines Unternehmens; Insolvenz = Zahlungsunfähigkeit.
2002: Fu9ionen: Starker Rückgang in Zahl und Volumen
• v.o. wg. Vodafon-MQ/'lnumann mit 190 Mrd. Euro
1990 !11 !12 9J g� 95 g6 91 98 !l9 2000 01 02
25 26 29 29 25 30 3't 16 201 195 'ilt160 ß8 Quelle: M&A International
Weltweit sank die Zahl der großen Firmenkäufe um 24 % auf 22.775 Fälle, der Wert der Transaktionen ging sogar um 47 % auf 996 Milliarden Dollar zurück. Fast die gleichen Zahlen für Deutschland: - 23 bzw. - 45 %. Die größten Transaktionen fanden im Energiesektor statt: RWE kaufte für 8 Mrd. Euro die britische Innogy und stieg damit in Europa zum zweitgrößten Stromanbieter auf. E.on vollzog mit 7 ,5 Mrd. Euro den Erwerb des britischen Energieversorgers Powergen. BP kaufte für 5,5 Mrd. Dollar die deutsche Veba Oe! . Die stärksten Impulse für den Markt für Unternehmenstransaktionen gehen nach KPMG Corporate Finance von der Privatisierung öffentlicher Betriebe (v .a. Stadtwerke) aus.
2002: Pleitewelle rollt weiter: erneut + t 6%
Unternehmens -Pleiten und
Deutschland ist in Europa Spitze bei Unternehmenspleiten. Bei den fast 38.000 Firmenpleiten entstand ein Schaden von 38 Milliarden Euro, fast 600.000 Arbeitsplätze wurden vernichtet. Zugenommen hat die Zahl von Großpleiten (Firmen mit Umsatz von mehr als 50 Mio. Euro). Die größten deutschen Pleiten : Philipp Holzmann (6,4 Mrd. Umsatz), Babcock Borsig (5, 1), Kirch Media (3,3), Gontard&Metallbank ( 1 ,7), Fairchild Dornier (0,7).
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Arbeitsplätze/ Arbeitslosigkeit Erwerbstätige, registrierte Arbeitslose, "Sti l le Reserve"
Methodisches Erwerbstätige: In der VOR veröffentlicht das Statistische Bundesamt die Zahl der Erwerbstätigen im Inland und gliedert sie nach Sektoren auf (Landwirtschaft, Industrie, Bau, Handel, Finanzierung/V ermietung, Öffcntl. und private Dienstleister). Außerdem unterteilt es in Arbeitnehmer und Selbständige. Im Jahr 2001 gab es danach 38,69 Millionen Erwerbstätige, davon 34,73 Mio. Arbeitnehmer und 3 ,96 Mio. Selbständige. Wie bereits erwähnt, revidierte die Statistik mit dem Übergang auf das ESVG die Zahl der Erwerbstätigen.
Arbeitslose: Jeden Monat gibt die Bundesanstalt für Arbeit (Nürnberg) die Zahl der offiziell registrierten Arbeitslosen bekannt. Die "wahre" Arbeitslosigkeit ist weit höher. Das "Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung" (TAB) bei der Bundesanstalt für Arbeit ermittelt einmal im Jahr die sog. Stille Reserve: (Stille Reserve im engeren Sinn widerspiegelt Entmutigungs- und Verdrängungseffekte infolge der schlechten Arbeitsmarktlage; Stille Reserve in Maßnahmen. Berufliche Weiterbildung, Vorruhestandsregelung. Dazu müssten dann noch die direkt und indirekt geförderten Beschäftigungsverhältnisse gezählt werden ( = gesamte verdeckte Arbeitslosigkeit).
2002: Über 4 Millionen regisfrierfe Arbeifslose; 2003 kommf es noch schlimmer.
Arbettslosigkeit IA. ArbeitsP.latz-Lücke
istrierte =tslose C.Jaltresd urtk.sd411ilt)
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30 isw-wlrtschaftslnfo Nr. 35
Alarmierende Januar-Zahlen
Bereits zu Beginn des Neuen Jahres stiegen die Arbeitslosenzahlen dramatisch an: um fast 400.000 auf 4,623 Millionen. Die Zahl der Arbeitslosen lag damit um eine Drittel Million (333. 160) Arbeitslose höher als vor einem Jahr. Da wundem sich die Konjunktur.deuter noch immer, weshalb der private Konsum einbricht. Eine Besserung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil. Für 2003 rechnet die Bundesanstalt für Arbeit mit 4,14 Millionen Arbeitslosen im Jahresdurchschnitt. Das galt bei einer angenommenen BIP-Wachstumsrate von 1,5 %. Mittlerweile mussten Clement/Eichel ihre Prognosen auf 1,0 nach unten und Gerster die angenommenen Arbeitslosen auf über 4,2 Millionen nach oben korrigieren. Trotz Hartz. Bei Nullwachstum aber läge die Zahl der registrierten Arbeitslosen um weitere 300.000 höher.
Eichel will nicht zahlen
Für die Kassen der Bundesanstalt dürfte diese Entwicklung zum Fiasko geraten. Entsprechend dem Sparpaket der Bundesregierung soll die Bundesanstalt in diesem Jahr ohne Bundeszuschuss auskommen. Doch bereits 2002 stieg das Defizit der Nürnberger Behörde auf Grund der höheren Arbeitslosigkeit auf 5,6 Milliarden Euro an - Vorjahr 1,9 Milliarden - das vom Bund gedeckt werden musste. Für 2003 soll die Anstalt rund vier Milliarden weniger ausgeben: durch deutliche Einsparungen beim Arbeitslosengeld und bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Obwohl selbst Berlin und Nürnberg von höheren Arbeitslosenzahlen ausgehen, soll der Etat der Bundesanstalt um 4 Milliarden niedriger sein. "Eichel lehnt weitere Hilfe für Arbeitsämter ab", schreibt das ' Handelsblatt' (15.1.03). Bei Nullwachstum tut sich eine zusätzliche Lücke von ca. 5 Milliarden Euro auf: 100.000 zusätzliche Arbeitslose kosten der .BA 1,5 Milliarden Euro.
Der Präsident der BA, Florian Gerster, spricht sich für eine Verkürzung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld aus. Dadurch könnten 2 bis 3 Milliarden Euro eingespart werden. Auf die geplante Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe mit dem Einsparziel von 3 Milliarden Euro haben wir bereits hingewiesen. Die Arbeitslosenhilfe soll nur noch zehn Prozent über der Sozialhilfe liegen. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt fordert noch weitere Kürzungen: "Das Leistungsniveau für Arbeitslosenhilfeempfänger und arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger muss unter das allgemeine Niveau der Sozialhilfe sinken." (SZ, 7.3.03). Dadurch würden wirksame Anreize zur Arbeitsaufnahme geschaffen. Der Arbeitgeberpräsident selbst ist nur moralisch auf den Hundt gekommen. Finanziell zählt er zum Geld-Hochadel, Platz 230 in der Rangliste der reichsten Deutschen (managermagazin, 3/03). Der Autozulieferer hat sich ein Vermögen von 250 Millionen Euro "erarbeitet".
Arbeitslose: Diffamiert und deklassiert
Wieder einmal wird der Rotstift bei der Versorgung arbeitsloser Menschen angesetzt -obwohl Kürzungen beim Arbeitslosengeld nicht nur unsozial sondern auch konjunkturpolitisch kontraproduktiv sind: Einsparungen bei den Lohnersatzleistungen (Arbeitslosengeld, -hilfe, Sozialhilfe) vermindern das verfügbare Einkommen privater Haushalte und damit den privaten Konsum. Aber diese Form von volkswirtschaftlicher Weitsicht wird allen Anschein nach einer anderen Einsicht untergeordnet, die etwa so lautet: Je größer der Druck, der auf Arbeitslose ausgeübt wird, desto eher werden sie Arbeit um jeden Preis annehmen. Und wenn man genügend arbeitslose Menschen erfolgreich gezwungen hat, nun weit unter tariflichen Löhnen zu arbeiten, dann wächst auch der Druck auf die Löhne und Arbeitsbedingungen von allen anderen Beschäftigten. Dieses Prinzip liegt unübersehbar auch dem 'arbeitsmarktpolitischen' Konzept zu Grunde, das Ende letzten Jahres von der Kommission "Modeme Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" unter Leitung des VW-Managers Peter Hartz vorgelegt wurde. Aus aktuellem Anlass werden wir daher die Kernpunkte des sogenannten ' Hartz-Papiers' und den Stand ihrer Umsetzung nachfolgend dokumentieren.
Das Hartz-Papier und seine Umsetzung
Das erklärte Ziel der Hartz-Kommission ist die Reduzierung der Arbeitslosenzahl bis zum Jahr 2005 um 2 Millionen - also nicht die Schaffung von 2 Millionen neuen Arbeitsplätzen. 'Hilfreich' ist in diesem Zusammenhang die Verständigung von SPD und Grünen im Koalitionspapier, die Arbeitslosenstatistik den internationalen Standards anzupassen. Danach gelten nur jene Arbeitslosen in der Statistik als 'arbeitslos ' , die weniger als eine Stunde pro Woche arbeiten, die aktiv Arbeit suchen und dem Arbeitsmarkt sofort zur Verfügung stehen (vgl. Handelsblatt 10. 10.2002). Damit wird die Arbeitslosenstatistik zum Beispiel um alle arbeitslosen Menschen, die sich in Umschulungs- oder ABM-Maßnahmen befinden, bereinigt. Zusammengenommen lässt sich allein durch die 'Anpassung der Arbeitslosenstatistik' die Zahl der Arbeitslosen um 1,2 Mio. senken, was zweifelsfrei als erfolgreiche Umsetzung der Hartz-Empfehlungen dargestellt werden wird. Darüber hinaus soll das Ziel, die Arbeitslosenzahl um 2 Millionen zu reduzieren, durch die Verkürzung der Dauer der Arbeitslosigkeit um ein Drittel und durch die Reduzierung des Zugangs in Arbeitslosigkeit erreicht
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werden. Zu diesem Zweck präsentierte die Kommission der Bundesregierung - in deren Auftrag sie arbeitet - in 13 Modulen verschiedene Vorschläge, die möglichst 1: 1 umgesetzt werden sollen - was auch in Teilen schon geschieht (siehe Tabelle Seite 33).
Das Hartz-Papier und seine Folgen
Das "Herzstück" der Hartz-Reform ist die flächendeckende Ausweitung von Leiharbeitsfirmen in Form von PersonalServiceAgenturen (vgl. Tabelle). Jeder arbeitslose Mensch muss von nun an bereit sein, sich ab dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit als Leiharbeitnehmerln vermitteln zu lassen - zu einer der bestehenden Zeitarbeitsfirmen oder zu einer PersonalService-Agentur, die entweder ebenfalls privatwirtschaftliche arbeitet oder durch das Arbeitsamt verwaltet wird und nicht zwingend an einen Tarifvertrag gebunden sein muss. In jedem Fall werden die ehemals arbeitslosen Menschen gezwungen, als Leiharbeiter weit unter ihren Einkommensbedingungen zu arbeiten. Konkret bedeutet das für einen Arbeitslosen, der vormals einen Stundenlohn von 13 Euro brutto bekam, dass er in den ersten drei Monaten jede Arbeit für 10,40 Euro annehmen muss, vom vierten bis zum 6. Monat für 9, 10 Euro und schließlich für 6,50 Euro brutto. Darüber hinaus kann ein arbeitsloser Mensch über die PSA für max. 6 Wochen für ein Nettoeinkommen in Höhe seines Arbeitslosengeldes verliehen werden. Ansonsten gilt der sog. Grundsatz der Gleichbehandlung von Leiharbeitnehmerlnnen und Stammbeschäftigten, von dem jedoch durch einen Zeitarbeits-Tarifvertrag oder einen Arbeitsvertrag abgewichen werden kann. Berücksichtigt man dazu noch, dass mit der Umsetzung der Hartz-Reform alle bisher geltenden Schutzrechte für Zeitarbeits beschäftigte - wie die Einschränkung von Befristungen, das Wiedereinstellungsverbot, die Beschränkung der Überlassungsdauer sowie das Synchronisationsverbot - fallen, so wird eines deutlich: das Ziel der Übung ist es, noch mehr Menschen zu zwingen, zu Dumpinglöhnen zu arbeiten - und zwar heute hier und morgen dort. Wer dagegen 'aufmuckt', dem droht eine Sperre des Arbeitslosengeldes. Zweitens wird damit ein ungeheuerlicher Druck auf die sogenannten Stammbeschäftigten erzeugt, die von nun an immer öfter mit Leiharbeit-Koleglnnen konfrontiert werden, die die gleich Arbeit gezwungener Maßen viel billiger erledigen. Es braucht nicht viel Phantasie, um sich auszumalen, wie sehr diese Mechanismen die Qualität der Arbeit verändern werden.
Mindestens ebenso gravierend für die Entwicklung der Arbeitswelt wird die gesetzliche Ausweitung der Minijobs (ehemals Geringfügige Beschäftigung) sein. Ab April 2003 wird von derzeit 325 Euro auf 400 Euro im Monat angehoben. Bis zu dieser Grenze wird über den Arbeitgeber eine Pauschalabgabe in Höhe von 25 %, bei Beschäftigungsverhältnissen im Haushalt (z.B. Haushaltshilfen, Alten- und Krankenpflegerinnen, Erzieherinnen) in Höhe von 12 % gezahlt. Eine Beschränkung der Arbeitszeit wird es in Zukunft nicht mehr geben und diese Regelungen gelten nun auch wieder für Geringfügige Beschäftigungsverhältnisse die als Neben- bzw. Zweitjob ausgeübt werden. Darüber hinaus wird es künftig eine sogenannte Gleitzone bis 800 Euro geben, das heißt, bei (zusammengerechneten) Einkommen oberhalb von 400 Euro bis 800 Euro steigt der Sozialversicherungsbeitrag für die Beschäftigten von rund 4 % (bei einem Einkommen von 400,01 Euro) progressiv auf den vollen Beitrag von 21 % bei einem Einkommen von 800 Euro an. Berücksichtigt man nun, dass gerade in den Branchen, in denen bisher der überwältigende Teil der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse zu finden ist (Handel, Reinigungsgewerbe, Gaststätten), Vollzeitlöhne gezahlt werden, die netto gerade an 800 Euro reichen, wird deutlich, wo die Reise hingehen soll: Der gesamte Bereich der Teilzeitarbeit wird von den allgemeinen sozialen Schutzrechten abgekoppelt. Gerade in frauendominierten Branchen betrifft das die Mehrheit der Beschäftigten. Die staatliche Förderung von Minijobs wird somit vor allem für Frauen verheerende Folgen haben: Schon heute arbeitet ein Drittel aller erwerbstätigen Frauen in Westdeutschland unter 20 Wochenstunden (entlohnt). In Zukunft werden ihnen noch häufiger Minijobs statt regulärer Teilzeitarbeit angeboten. Dadurch können Frauen erstens keine eigenständigen und ausreichenden Alters-, Kranken- und Rentenversichungsansprüche aufbauen und bleiben von der Versorgung durch den Partner oder vom Sozialamt abhängig. zweitens werden Frauen in Minijobs in der Regel bei der Entlohnung diskriminiert und haben in der Praxis nur selten die selben Rechte wie regulär beschäftigte Arbeitnehmerlnnen. Die Verbilligung von Arbeit durch die staatliche Förderung von Minijobs und die real existierenden Diskriminierung beim Arbeitsentgelt der betroffenen Beschäftigten wird von den Arbeitgebern in Zukunft vermutlich noch intensiver genutzt werden, um geschützte Arbeitsverhältnisse zu vernichten und geringfügige Arbeitsverhältnisse auszubauen.
Durch den Ausbau von Beschäftigungsverhältnissen, die nicht oder nur eingeschränkt sozial versicherungsplichtig sind, gehen den Sozialkassen im hohen Maße Beitragseinnahmen verloren. Den Einsparungen auf Arbeitgeberseite stehen also massive Verluste bei der Versichertengemeinschaft der abhängig Beschäftigten gegenüber. Diese werden durch steigende Beiträge und geringere Leistungen ausgeglichen. Das heißt, die Förderung der Minijobs zahlen alle Beschäftigten durch steigende Beiträge an die Sozialkassen und sinkende Qualität der Leistungen.
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Auszüge aus den Empfehlungen der Hartz-Kom misslon
Inhalt Umsetzung
Modul "Familienfreundliche Quickvermlttlung"
--> Personen mit Familie erhalten Priorität bei der Vermittlung --7 Bisher keine gesetzliche Umsetzung
--> Meldepflicht beim Arbeitsamt schon zum Zeitpunkt der Kündigung --7 Bei nicht unverzüglicher Meldung der Kündigung oder des - bei verspäteter Meldung wird das Arbeitslosengeld pro Tag der Vertragsendes (bei Befristungen) ALG - Kürzung/ Tag Verspätung gekürzt: (für max. 30 Tage) um: Bis 1 .700 Euro: 7 Euro Bis 400 Euro: 7 Euro Bis 3. 1 00 Euro: 35 Euro Bis 700 Euro: 35 Euro Ab 3 . 100 Euro: 50 Euro Ab 700 Euro: 50 Euro
Begrenzt auf das halbe Arbeitslosenentgelt
Modul "Neue Zumutbarkelt und Frelw/11/gkeit"
--> Beweislastumkehr bei Job-Ablehnung --> Beweislastumkehr bei Job-Ablehnung --> Schaffung flexibler Handhabungsmöglichkeiten für Sperrzeiten --> Sperrzeiten --> Finanzielle Zumutbarkeit wie heute: - wegen Arbeitsaufgabe: 12 Wochen
- 80% Brutto ( 1 . bis 3. Monat), - wegen Arbeitsablehnung: 3 , 6 und 1 2 Wochen - 70% Brutto (4. bis 6 . Monat), Netto - Nach Sperrzeit von 21 (bisher 24) Wochen erlischt Alg-Anspruch - in Alg-/Alhi-Höhe (ab 7. Monat) --> Finanzielle Zumutbarkeit wie heute
--> Bundesweite Mobilitätsbereitschaft --> Umzug zumutbar für Arbeitslose ohne familiäre Bindung bereits ab dem 7. Monat - Alleinstehende bereits in den ersten drei Monaten der Arbeitslosigkeit, sofern die ab dem 4. Monat - der Arbeitslosigkeit Arbeitslosigkeit vermutlich nicht innerhalb des zumutbaren
Pendelbereichs beendet werden kann.
Modul "Jugendliche Arbeitslose / Ausb/ldungsZeit-Wertpapler"
--> Ausbildungszeit-Wertpapier soll Inhabern eine Ausbildung --> Derzeit' keine gesetzliche Regelung vorgesehen garantieren
--> Privatfinanzierung --> Umsetzung erfolgt über eine Stiftung
Modul "Förderung älterer Arbeitnehmer/ Br/dgeSystem "
--> Lohnversicherung soll älteren ArbN (ab 55) für erste Jahre nach --> Leistungen der Entgeltsicherung für 50-jährige und ältere ArbN Entlassung Teil des Einkommensverlustes bei Niedriglohn- (50% der Nettoentgeltdifferenz bei Billiglohnbeschäftigung plus beschäftigung ersetzen RV·Beiträge auf 90%) für die Alg-Dauer
--> Ausweitung der„Befristungsmöglichkeiten für Ältere --7 Befristungsmöglichkeit ohne sachl. Grund ab Alter 52 bzw. 50
--> BridgeSystem: Altere ArbN können sich aus JobCenter-Betreu- --7 ArbGeb, die einen älteren Arbeitslosen (Alter 55) erstmalig be-ung verabschieden - sie erhalten dann kostenneutrale monatliche schäftigen, werden vom Beitrag zur Arbeitslosenversicherung Leistungen mit vollem Sozialversicherungsschutz befreit
Modul "Arbeitslosen- und Sozlalhi/fe zusammenführen "
--7 Künftig dreigliedriges Leistungssystem: --> Erste Schritte: Arbeitslosengeld 1 (Versicherungsleistung - aber ohne - Keine Dynamisierung Oährliche Anpassung an die Einkommens-Dynamisierung) entwicklung) des Arbeitslosengeldes Arbeitslosengeld I I (steuerfinanziert und bedürftigkeitsabhänglg) - Drastische Kürzung der Arbeitslosenhilfe durch geringeres für alle, die keinen Alg !·Anspruch (mehr) haben - auch erwerbs- Schonvermögen und stärkere Anrechnung des Partner-Ein fähige Sozialhilfe-Empfänger kommens Sozialgeld für nicht erwerbsfähige Personen (heutige Sozialhilfe)
Modul "PersonalServlceAgenturen " (PSA)
--> 'Herzstück" der Vorschläge: vermittlungsorientlerte Leiharbeit Bis Ende 2003: --> AÜG wird dereguliert (Befristungs-, Synchronisations- und Wieder· --; Arbeitsbedingungen/-entgelt der PSA·ArbN müssen sich nach
einstellungsverbot, Beschränkung der Überlassungsdauer). (irgend) einem der 33 Tarifverträge für ArbN·Überlassung richten --> Arbeitslose sind (im Rahmen der neuen Zumutbarkeit) zur Auf- Ab 2004:
nahme einer PSA·Beschäftigung verpflichtet --7 AÜG-Schutznormen fallen --> Netto-Entgelt während Probezeit in Alg·Höhe - anschließend --> Arbeitslosen kann für max. 6 Wochen Nettolohn in Alg-Höhe
PSA-Lohn gezahlt werden --7 Tarifdispositives Gleichbehandlungsgebot für Leih-ArbN. --7 Auch nicht tarifgebundene Verleiher können Billig-Tarif
anwenden
Modul "ICH-AG", "Famlllen-A G"
--> Reduzierung der Schwarzarbeit --> Existenzgründungszuschuss (Ich-AG) bei Aufnahme einer - unter Arbeitslosen durch lch·AGs (AA-Zuschüsse, Pauschal- selbständigen Tätigkeit (max. für drei Jahre in Höhe von monatlich steuer 1 O %, Verdienstgrenze 25.000 Euro, SVPflicht, in Privat· 600 Euro, 360 Euro, 240 Euro) haushalten keine Beschränkung) --7 Die so genannten Vermutungskriterien im "Scheinselbständigen-- bei Dienstleistungen in Privathaushalten durch Mini-Jobs (bis gesetz" (§ 7 SGB IV) entfallen 500 Euro mit 1 O % SV-Pauschale) - für Arbeitslose u. Nicht- --> Arbeitseinkommensgrenze 25.000 Euro, RV·Pflicht kraft Gesetz erwerbstätige --> Generelle Ausweitung von Mini-Jobs auf 400 Euro (auch wieder
__, Die Inanspruchnahme haushaltsnaher Dienstleistungen wird als Nebenjob) mit 25 % bzw. 12 % ArbGeb-Pauschalbeitrag; steuerlich absetzbar schließlich gestaffelte SV-Beiträge bis zu einem monatl. Einkorn·
men von 800 Euro; erst ab 800 Euro wieder volle SV-Pflicht. --> Steuerliche Absetzbarkeit von Haushaltsdienstleistungen in
unterschiedlicher Höhe Erläuterung der Abkürzungen: SV = Sozialversicherung, RV = Rentenversicherung, ArbGeb = Arbeitgeber/in, ArbN = Arbeitnehmer/in, AA = Arbeitsamt, Alg = Arbeitslosengeld, Alhi = Arbeitslosenhilfe, SGB = Sozialgesetzbuch, AÜG = Arbeitliehmerüberlassungsgeselz Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Johannes Steffen: "Die 13 Module des Dr. Hartz - und ihre Umsetzung", Arbeitnehmerkammer Bremen; Sland: 20.1 2.2002. http://www.arbeitnehmerkammer.de/sozialpolitik/
lsw-wlrtschaflsinlo Nr. 35 33
Anhang
1 991 - 2002 : 4,4% Real lohnabba u ! B rutto-, Netto- u n d Realverdienste
je Arbeitnehmer - Monatsverdienste
Nominale Brutto· Nominale Netto· Preis· Reale Netto· Löhne und ·Gehälter Löhne und ·Gehälter Index 1 Löhne und Gehälter
Jahr Euro , Änd. % Euro 1 Änd. % Änd. % 1 991 = 1 00 1 Änd. %
(1 991 ) 2 (1 .650) 1 (1 . 1 50) 1 1 1 991 3 1 .692 1 1 . 1 76 1 1 00,0 1 1 992 1 .830 1 8,2 1 .250 1 6,3 5,1 1 01 ,2 1 1 ,2 1 993 1 .9 10 1 4,4 1 .3 10 1 4,7 4,5 1 01 ,4 1 0,2 1 994 1 .940 1 2,0 1 .3 10 1 0,2 2,7 98,9 1 · 2,5 1 995 2.01 0 1 3,2 1 .320 1 0,8 1 ,8 97,9 1 ' 1 ,0 1 996 2.040 1 1 ,5 1 .320 1 · 0, 1 1 ,4 96,5 1 • 1 ,5 1 997 2.040 1 0,2 1 .300 1 • 1 ,2 1 ,9 93,4 1 · 3 , 1 1 998 2.060 1 1 ,0 1 .320 1 1 ,2 1 ,0 93,6 1 0,2 1 999 2.090 1 1 ,5 1 .340 1 1 ,9 0,6 94,6 1 1 ,0 2000 2 : 120 1 1 ,7 1 .380 1 2,4 1 ,9 95,1 1 0,5 2001 2 . 160 1 1 ,9 1 .420 1 3,3 2,5 95,9 1 0,8 2002 2.200 1 1 ,7 1 .440 1 1 ,0 1 ,3 95,6 1 · 0,3 1) Anstieg des Preisindex für die Lebenshaltung 2) Angaben des Statistischen Bundesamtes 3) Bereinigt um einen Großteil der exlrem hohen Zahl von Kurzarbeitern in Ostdeutschland (1 ,62 Mio.) (Siehe DGB-Info zur Wirtschafts· und Strukturpolitik 06/0 1 , 1 8.9.01 , Seite 3)
Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 1 8, Reihe 1 . 1 ; isw-BerechnunQen isw-tabelle
Gewinne der Kapitalgesellschaften •
Jahr Brutto-Gewinne Direkte Steuern •• Netto-Gewinne
Mrd. Euro Änderung Mrd. Euro Mrd. Euro Änderung
1 99 1 1 87,7 21 ,8 1 65,9 -
1 992 1 75,9 -6,3 % 22,2 1 53,7 -7,4 %
1 993 1 66,8 -5,2 % 22,7 1 44 , 1 -6,2 %
1 994 203,9 +22, 2 % 1 9,5 1 84,4 +28,0 %
1 995 2 1 4,4 +5, 1 % 1 8,6 1 95,8 +6,2 %
1 996 21 6,6 + 1 ,0 % 24,3 1 92,3 - 1 ,8 %
1 997 242,9 +1 2 , 1 % 24,6 21 8,3 +1 3,5 %
1 998 280,4 +1 5,4 % 26,7 253,7 + 1 6,2 %
1 999 274,6 -2, 1 % 30,2 244,4 -3,7 %
2000 290,0 +5,6 % 34,6 255,3 +4,5 %
200 1 294,6 + 1 , 6 % 1 2,3 282,3 + 1 0,6 %
2002 283,5 -3,8 % 1 2,5 271 ,0 -4,0 %
Quelle: Statistisches Bundesamt, Facherie 18 Reihe 1 .2, 2002
• "Kapitalgesellschaften" nach Definition des Statistischen Bundesamtes: Kapitalgesellschaften In engerem Sinn (AG, GmbH, KGaA) und quasi-Kapitalgesellschaften (OHG, KG)
"'* Köroerschaftsteuer und sonstiae direkte Steuern (einschließlich Vermöaensteuern) der Kapitalgesellschaften
Gewinnsteuern
in Mio. Euro 2000 2001 2002 2003 *
Körperschaltsteuer 23.575 - 426 2.846 6.600
Gewerbesteuer 27.025 24.534 22.301 23.000
Veranlagte Einkommensteuer 1 2.225 8.771 7.541 5 .500
Kapitalertragsteuer 20.849 29.845 21 .495 2 1 .495
Summe 83.674 62.724 55.208 56.595
* AK Steuerschätzung November 2002; Quelle: Bundesbankberichte, BMF
34 lsw-wlrtschattsrnro Nr. 35
Die 6ierder Top-Vorstände Vor.sta"1dsgehälter pro Kopf und jahr der Dax 30-Uwt��ew
l<onzerne Deutsche Eank. sctierfng Deutsche Telekom
, Hypo Vereinsbanl< · Volk�wagen · Pairn/erChryG/er
· :Jnft'neon Metro
, e .on · BM W ' Siemens · Allianz.
Degus5'a Preussag
• SAP · Linde ., Commerzbank. . Henkel , Ba.yer
MLP · Adidas -Sa/omon · BASF · R WE c ThysGen Krupp · Fresenius Med.CQre · Miinchner Rück. De.utsche Post MA·N EpcoS'
, Luffhansa.
Jahresgehalt + Bonus
2001 1', 06 Mio 2, 12 "' Mio 2, 1 8 Mio 2 , 1 1 Mio 2, 1 0 rvtio 2, 00 Mio . 1 , 9 7 ::1 M1'0 1 , 93 Mio 1, 7& Mio 1, 68 Mio 1 , 6 0 :!.I Mio 1 1 Slt Mio 1 , 50 Mio 1 , 3 6 Mio 1, 33 Mio 1, 3 3 Mio 1, 30 Mio 1, 28j) Mio 1, 16 Mio 1, 12 Mio 1, 04 Mio 1 , 03 Mio 1, 00!\JMio 0, 89 Mio 0 , 82 Mio 0 , 1ß !l1 Mlo 0, 13 Mio 0 ,10 Mio 0 , 68 Mio 0, 53 Mio
1) IHkiLISive Akti€1o!optioHew � Mittel aer Fusio1o1sparrner !) 1999 � Fi:ir Ru�pfgesctiäfujahr (6 Mo11atel 0.5 Mio Euro � Gehalt 2000
!sw-wirtschaflsinfo Nr. 35
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Veränderung Jahresgehalt Gellaltszuwm gegenüber + Bonus 200:1 1 Vorjahr 1997 zu 1997 •
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Kommentar
Die Frage des Kündigungsschutzes ist eine Frage der Demokratie An Argumenten für die Aufweichung des Kündigungsschutzes ist gegenwärtig kein Mangel. Da sollen die Unternehmer zu Neueinstellungen ermutigt werden, indem man Entlassungen erleichtert. Da will man die Diskriminierung älterer Arbeitnehmer beenden, indem es den Unternehmen leichter gemacht wird, sie zu feuern. Gleichzeitig soll den Unternehmen der Weg verbaut werden, sich auf Kosten der Arbeitslosenversicherung von älteren Arbeitnehmern zu entsorgen. Und wie? Die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes wird auf 12 Monate verkürzt und die Kündigung älterer Arbeitnehmer durch die Beseitigung der sozialen Auswahl erleichtert.
Am 1 .2.2003 schreibt ein N.P. in einem Kommentar der SZ: " So wird derzeit in den krisengeschüttelten deutschen . Zeitungshäusern eine ganze Generation hervorragend ausgebildeter junger Journalisten auf die Straße gesetzt, einfach weil es die Sozialauswahl so verlangt. " Die Sozialauswahl verlangt den Hinauswurf der Jungen! Nicht mehr die Unternehmer werfen die Menschen auf die Straße, sondern die Sozialauswahl, die älteren Kollegen werfen die jungen hinaus. Ein neuer Generationenkonflikt zeichnet sich ab. An Absurditäten ist die von Arbeitgeberverbänden und Regierung angestoßene Debatte wahrlich kaum zu überbieten. Belege für die Behauptung, dass weniger Kündigungsschutz zu mehr Jobs führt, wagt kaum jemand mehr zu verlangen. Dabei ist der gegenteilige Beweis in der Praxis bereits erbracht: Die Kohl-Regierung hat 1 996 Betrieb mit weniger als elf Beschäftigten aus dem Kündigungsschutz ausgenommen. Das Handwerk hatte für weniger Kündigungsschutz 500.000 neue Jobs versprochen. Mit dem verschlechterten Kündigungsschutz gab es am Ende der KohlRegierung um 1 00.000 Arbeitplätze weniger im Handwerk.
Auch der häufig angeführte Verweis auf die USA und ihre niedrigen Arbeitslosenzahlen trägt nicht weit. Tatsächlich können dort Arbeitnehmer von heute auf morgen gefeuert werden. Aber das war auch schon vor zwanzig Jahren so, und damals war die Arbeitslosigkeit in den USA weit höher als in der BRD. Es gibt eben keinen nachweisbaren Zusammenhang zwischen Konjunktur und Kündigungsschutz, zwischen der Höhe der Arbeitslosigkeit und dem Kündigungsschutz.
"Wir können nicht beweisen, dass es hilft, ich bin mir aber ziemlich sicher, dass es nichts schadet.", gibt einer der "Experten" zu. Aber es gehe darum, "Blockaden" zu beseitigen, "vor allem solche, die im Kopf stecken. " (SZ, 4.2. 03)
In der Tat geht es darum Blockaden zu beseitigen. Natürlich schützt das Kündigungsschutzgesetz nicht wirklich vor Kündigungen, aber es grenzt Unternehmerwillkür ein. Und das ist der Kern: Das Kündigungsschutzgesetz trägt ebenso wie der Tarifvertrag dazu bei, dass Unternehmermacht begrenzt wird, dass die Arbeiter und Angestellten Konflikte im Betrieb austragen können, ohne schutzlos der Unternehmerwillkür ausgeliefert zu sein, dass die arbeitenden Menschen für den aufrechten Gang im Betrieb eintreten können. Die Frage des Kündigungsschutzes ist eine Frage der Demokratie.
Wer in der sozialen Hängematte eines Bundesministers liegt, sollte besser nicht über die Einschränkung des Kündigungsschutzes von Menschen nachdenken, die mit dem Rauswurf in existenzielle Notlagen gestürzt werden und mit dem zurecht kommen müssen, was ein Minister als Gehaltserhöhung einstreicht. Im Übrigen verhindert der Kündigungsschutz keine Entlassungen, sondern nur unbegründete. Die "freie Unternehmerentscheidung" zur Streichung von Arbeitsplätzen wird durch das Kündigungsschutzgesetz nicht eingeschränkt. Der Arbeitgeber muss bei der Auswahl der zu Kündigenden lediglich soziale Kriterien wie Alter, Betriebszugehörigkeit und Unterhaltspflichten beachten. Die Statistik spricht eine klare Sprache: jedes Jahr werden ca. 2, 1 Millionen Arbeitsverhältnisse durch den Arbeitgeber beendet. Nur 300.000 Kündigungen kommen vors Arbeitsgericht. Wenn das den Schreiberlingen in den Redaktionen und einem Bundesminister nicht bekannt Ist, dann wäre das durchaus ein Kündigungsgrund - leistungsbedingt.
Wurde zu Beginn der Debatte die Aufhebung des Kündigungsschutzes in Kleinunternehmen in den Vordergrund geschoben, so kristallisiert sich jetzt heraus, dass es eigentlich um die soziale Auswahl geht. Diese verhindert, dass die Unternehmen eine Drehtüre installieren: ältere, meist etwas teurere Arbeitskräfte raus und jüngere, bill igere und flexiblere rein. Die vorgeschrieben soziale Auswahl eröffnet Widerstandsmöglichkeiten für die Rausgeworfenen und sie hemmt den Weg in die Amerikanisierung des deutschen Arbeitsmarktes.
Mit Händen zu greifen ist auch der enge Zusammenhang zwischen dem Kampf der Siemens-Belegschaft gegen die Kündigungen und dem Vorstoß von Bundesregierung und Opposition zur Aufhebung der Sozialauswahl bei Kündigungen. Denn "Konzerne wie Siemens laufen Gefahr, von ausländischen Managern als ebenso unflexibel abgestempelt zu werden wie die gesamte Republik, " schreibt die Süddeutsche Zeitung (1 .2.2003) . Der Kündigungsschutz mache Konzerne wie Siemens oder die Commerzbank "Quasi handlungsunfähig" jammern die Personalchefs der beiden Konzerne auf einer halben Seite in der SZ am 1 0.2.2003. Sie fordern, das ganze Land endlich optimal auf den globalen Wettbewerb auszurichten, wo unter den Bedingungen der globalen Kostenoptimierung produziert wird und Belegschaften nichts anderes sind als Ressourcen, die mit maximaler Geschwindigkeit und so billig wie möglich an die jeweiligen Marktbedingungen angepasst werden. Kündigungsschutz, Sozialauswahl, feste Arbeitsverhältnisse stehen dem entgegen. Dieser soziale Plunder aus den Zeiten, als man noch auf die mögliche Alternative Sozialismus Rücksicht nehmen musste, ist in den Augen unserer Global Players längst vorbei - nun also der Frontalangriff auf den Sozialstaat und alle sozialen Schutzgesetze für die Ware Arbeitskraft.
lsw-wlrtschaftsinfo Nr. 35
128 S�/ten 7,5Qf./
Strategien der soz ia len Spa lt u n g W. Seppm a n n : A u s g re n z u n g u n d Herrsch aft * J . Miehe: E ntsorgu n g d e s «Wohlfa h rssta ats» * N. Mül ler : Rürup a l s Rächer der E nterbten * 0. Meyer: Die Rente * H.-P. Brenner: SPDG e s u n d heitspol it i k * N . D i m m e ! : Ethisierung des Reichtums, Ökonomis ierung von Armut
Außerdem: K. Wagener: Ren a issance des Kolonialismus * R Werning: Nordkorea * A. Scheer: Ven e z u e l a * W. Gerns: Hakenkreuze in Russ l a n d * S. Aigner: Herr Koch, der I m peri a l i s m us, unser Progra m m * G . Schi rm er: Antifaschismus und Grundgesetz
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Nr.3: Globalisierung, Krise und Krieg Ellen Melkelns Wood untersucht die neue ldeologle des Krieges aus historischer Sicht Pater Qowen diskutiert die Hintergründe der US·Geopo!itlk und Ihre Rlva· lltät zur EU Alaln Gresh fragt nach den Grundlagen der Solldarltät mit Palästlna Robert Brenner analysiert dlo Krise der Weltökonomie Sarar Sarkar slehl Im Koyneslanlsmus keine linke Altemat!ve Peuy Anderson verfolgt die historischen ZusammenMnge von Natlonallsmus und lnternatlonalismus
Zeitschrift Marxistische ,
14. Jahrgang, Nr. 53, Mirz 2003, 224 S. Krise - Betrieb, Bewußtsein, Politik
Krull - .Modell Volkswagen• I Kalla -.Betrieblich sehe Ich keine Alternative zu dem Abschluss" I Engelhardt - IG-MetallJugendarbeit I Förster - Junge Ostdeutsche I Neumann - Berliner (Bank) Gesellschaft I Werner - Strategische Lücke das linken Parlamentarismus I Seppmann -Aktualität der Klassenfrage
Diskussion lmperlallsmus
Helnlnger - Empire? Kollektive! lmperlallsmus? SMK? I Heuer - Die .neuen Kriege" / Dörhöfer - Kategorie .Immaterielle Arbeit"
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Publizisten die weltweite Verantwortung
Deutschlands als einen militärischen
Auftrag definieren, den die Bundeswehr
zu erfüllen habe, dann widerspricht
Ossietzky . . . Wenn sie Flüchtlinge als
Kriminelle darstellen, die abgeschoben
werden müßten, und zwar schnell, dann
widerspricht Ossietzky ... Wenn sie
Demokratie, Menschenrechte, soziale
Sicherungen und Umweltschutz für Standortnachteile ausgeben, die beseitigt
werden müßten, dann widerspricht
Ossietzky . . . Wenn sie behaupten, Löhne
müßten gesenkt, Arbeitszeiten verlängert
werden, damit die Unternehmen viele
neue Arbeitsplätze schaffen, dann wider
spricht Ossietzky - aus Gründen der Hu
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lichen Erfahrung.
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rechte, Berlin - jedes Heft voller Wider
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konzerne, gegen feigen Selbstbetrug.
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