Einführung in den Forschungsprozess und die Methoden der empirischen Kommunikations- und Medienforschung
Vorlesung 3: Theoretische Konzeption von Untersuchungen I
26.10.2012 1Forschungsprozess und Methoden
Gliederung Vorlesung 3
1. Das Problem des Problems
2. Gegenstandsbenennung: dimensionale Analyse
3. Exkurs: Theorien
4. Begriffsbildung
Literaturempfehlungen:
Atteslander 23-47
Brosius et al. 33-42
Diekmann 140-172
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1. Entdeckungszusammenhang: Problembenennung und -abgrenzung
Definition:
Ein Problem ist ein Zustand, für den eine Beschreibung, eine Erklärung, eine Lösung gesucht wird, d.h. es handelt sich um ein Wissen um Nichtwissen
bzw. Nichtkönnen. (≠ Aufgabe: Lösungsalgorithmus bekannt!)
1. Wissenschaftliche Forschung beginnt (meist) mit Problemen
2. Probleme entstehen durch Handeln
3. Probleme werden als Frage formuliert
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2. Gegenstandsbenennung: Dimensionale Analyse (nach Zetterberg)
Schaffung einer theoretischen Konzeption
aus Problemstellung
o Strukturierung des Untersuchungsgegenstandes und Selektion von Variableno Präzisierung von Theorieno Definitionen
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2. Gegenstandsbenennung: Dimensionale Analyse (nach Zetterberg)
o Ziel: Strukturierung des Untersuchungsgegenstandes; Schaffung eines „Modells“ der untersuchungsrelevanten Variablen
o Ablauf: 1. Ideen- und Materialsammlung Literaturstudium, Expertenkonsultation
2. SystematisierungModellbildung, Gruppierung der Variablen
abh./unabh./interv. Variable
3. Auswahl der untersuchungsrelevanten Aspekte Reduktion auf das „Machbare“
4. Entwicklung eines deskriptiven Begriffsschemas: Begriffsexplikation & semantische Analyse
Wie wird er Begriff verwendet?
Wie soll er verwendet/definiert werden?
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3. Exkurs: Theorie
Allgemein: o Theorien sind eine Form der Speicherung von Erfahrungen
vs. Literatur, Film, Predigt, Alltagskommunikation/Überlieferung …
o Theorien enthalten (vor allem) Verallgemeinerungen → GesetzeAllaussagen (Popper), Abstraktionen („Ab-Sehen“ von Details)
o Kern von Theorien: Erklärungen, Reduktionen auf das „Wesentliche“ (Wie ist die „Welt“ und warum ist sie so?)
o Theorien leiten die Forschung („Scheinwerferfunktion“)
→ Nichts ist so praktisch wie eine gute Theorie! (Kant, Boltzmann, Lewin u.a.)
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3. Exkurs: Theorie
Definition:
System von Aussagen über eine (gesetzmäßige) Ordnung und über empirische Befunde eines Erkenntnisobjekts
Theorien haben ihre (eigene) Syntax (Struktur), Semantik, Pragmatik
Syntax einer Theorie: formallogische Ordnungsprinzipien
o Theorien sind Ordnungen von Sätzen
Über-/Unterordnung (Haupt-/Nebenthesen, Geltungsbedingungen)
o Widerspruchfreiheit
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3. Exkurs: Theorie
Semantik einer Theorie: Aussagegehalt, „Realitätsbezug“ (bei Theorien empirisch arbeitender Wissenschaften)
o Kernvorstellungen/theorieprägende Behauptungen
Beispiel: Attributionsforschung – Wie führen Menschen Ereignisse auf best. Ursachen zurück (als Teil von Realitätskontrolle und Sinnstiftung im Alltag)
o Begriffe: Dispositionsbegriffe
Attribution, externale/internale Zuschreibung, konstatierende/erklärende A.
o Gesetze/ Hypothesen
Self-serving bias, Attributionsdifferenz, Informationslagen, Schemata,
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3. Exkurs: Theorie
Pragmatik einer Theorie: Praxisbezug
o Entstehungsbedingungen z.B. hinsichtlich der „Medienverhältnisse“ bzw. der Lebenslagen zum Entstehungszeitpunkt
o Konsequenzeno für das Handeln (Politik, Sport, … Alltag)
o für die Erforschung
o Funktionen: Erklärung, Prognose, Technologie
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3. Exkurs: Theorie
Deduktiv-Nomologisches Erklärungsmodell oder Hempel-Oppenheim-Schema
o Explanans: das Erklärende ; Explanandum das zu Erklärende
o Majorprämisse (Gesetzesaussage): Wenn A dann B
o Minorprämisse (Rahmenbedingung): A ist der Fall – Conclusio (Erscheinung): dann auch B
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4. Begriffsbildung
Begriffe sind Klassifikationen (der „Welt“)o Intension von Begriffen: Merkmale, Klassifikationsregelo Extension von Begriffen: zugehörige Elemente
Funktionen: o Kommunikationo FestlegungProbleme: Widersprüche, Präzision, Steuerung der Forschung
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4. Begriffsbildung
Begriffe sind Klassifikationen (der „Welt“)Intension von Begriffen: Merkmale, KlassifikationsregelExtension von Begriffen: zugehörige Elemente
4.1 Theoriegehalt und empirischer Bezug von Begriffen:
o Direkte Beobachtungsterminidirekt beobachtbare Sachverhalte, z.B. Äußerungen in Interviews
o Indirekte Beobachtungsterminiüber Indikatoren beobachtbare Sachverhalte, z.B. Schlüsse von Äußerungen auf „interne“ Zustände (Absichten, Motive usw.: Selbstwert)
o Konstrukte/Theoretische BegriffeVerallgemeinerungen aufgrund von Beobachtungen, z.B. Realitätskontrolle, Sinnstiftung
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4. Begriffsbildung
4.2 Definition von Begriffen
Problem I: Konventionalismus vs. BegriffsrealismusNominaldefinitionen (Festlegungen) vs. Realdefinitionen („Wesen“ der Sache)
logische Struktur: A = B, C, D o A: Definiendum: das zu Definierende o B, C, D: Definiens: das A Definierende
Problem II: unendlicher Rekurs/Abbruch
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Übungsfragen
Was ist dimensionale Analyse und wozu ist sie nötig?
Was versteht man unter dem Begriff der Theorie?
Wozu braucht man Theorien?
Was muss man bei der Begriffsbildung beachten?
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