8/17/2019 Eine Radikal Segensreiche Welt part 1
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Eine radikal segensreiche Welt:Automatisierung, Technologie, und die
Schaffung von Arbeitsplätzen für alle
Charles Hugh Smith
Übersetzt von Jonee Tiedemann
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Teil 1: Warum das derzeitige System
versagt hat
Kapitel 1: Klaffende Löcher in der herkömmlichen
Erzählweise
Warum lehnen wir neue Lösungen ab?
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Mein persönlicher Weg zur Lösung
Was einfach ist, doch garantiert scheitert: Wunschdenken
Drei Ausgangspunkte
Automatisierung, Arbeitsplätze, und garantiertes
Einkommen
Die dritte industrielle Revolution
Menschliche Arbeit ist die 450-Dollar-Lösung,
Automatisierung ist die 45-Dollar-Alternative
Die Schwächen und Fehler vom garantiertem Einkommen
für alle
Automatisierung kommodifiziert Arbeit, Güter und
Diensleistungen, und senkt Profit
Die steigenden Kosten menschlicher Arbeit
Das System kann nicht die Probleme der Automatisierung
lösen
Armut ist mehr als materiell
Wachstum ist kein nachhaltiges oder positives Modell
Die Wissenswirtschaft und kognitiver Kapitalismus
Die Grenzen der Wissenswirtschaft und kognitiver
Kapitalismus
Zusammenfassung der WissenswirtschaftFragen, die zu stellen sind
Die Zukunft gehört sinnvoller Arbeit
Geldschöpfung und -Verteilung sind integraler Bestandteil
für sinnvolle Arbeit und umfassenden Vermögensaufbau
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Kapitel 2: Eine kurze Lektion über Systeme, Hierarchie,
und Netzwerke
Das Dilemma des Autors: ein dicker Türstopper von Buch
oder eine Zusammenfassung?
Was sind Systeme?
Anreize und Abschreckungen
Die Gummibärchen-Wirtschaft: Eigeninteresse ist nicht
genug
Halbwahrheiten verursachen Inkohärenz, Misstrauen und
Komplexität
Der Schutz von Privilegien bringt Systeme zur
Selbstzerstörung
Vergleich von zentralisierten Hierarchien und Netzwerk-
Organisationen
Wie Systeme selbstzerstörerisches Verhalten begünstigen
Lassen Sie uns zwei Arbeitsspiele entwerfen
Lassen Sie uns zwei Systeme zum Füllen von
Schlaglöchern entwerfen
Der Informationsfluss in SystemenZentralisierte Hierarchien optimieren Politik und die
Verzerrung von Information
Die Nachteile von Hierarchie
Die Subprime-Hypothekenkrise/Immobilienblase und
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deren Kollaps
Das Versagen von schrittweisen Reformen
Der historische Kontext des gegenwärtigen Welt-Systems
Kapitel 3: Knappheit, Produktivität, und Privileg
Künstliche Knappheit und Stagnation
Welche Leistungsfähigkeiten werden durch zentralisierte
Hierarchien optimiert?
Monopol ist die Perfektion der zentralisierten Hierarchie
Was ist Knappheit?
Systeme, die nicht auf dem Schutz von Privilegien
beruhen
Kapitel 4: Zentralisiertes Geld, Reichtum, und die
Subversion der Demokratie
Das Monopol der Geldschöpfung und zunehmende
Ungleichheit
Wie Geld im zentralisierten Banksystem verteilt wird
Ein Beispiel von pyramidalem Reichtum im zentralisiertenBanksystem
Kapitel 5: Die Grenzen des Marktes und des Staates
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Der Markt und der Staat sind keine Lösung für
Automatisierung und Wachstumsrücknahme (degrowth)
Die Lösung des Marktes für das Überangebot an
Arbeitskraft: Knechtschaft
Die Grenzen der Maximierung von persönlicher
Bereicherung
Einen Gewinn machen versus Maximierung der
persönlichen Bereicherung
Der Staat erzwingt fahrlässiges Verhalten (moral hazard)
Was nun?
Jene, die vom gegenwärtigen System profitieren, stehen
vor einer tiefgreifenden Wahl
Einleitung
Bis vor kurzer Zeit gedeihten Millionen von uns auf eine
Art und Weise, von der frühere Generationen nur
träumten. Ich meine hier nicht den Besitz von Villen,Yachten, oder das Kaufen von politischer Macht – ich
meine,das Führen eines eigenständigen Lebens und den
Besitz der Quellen unseres Wohlstands.
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Diese Autonomie und dieses Besitztum ist als der
Amerikanische Traum bekannt: der Aufbau von
dauerhaftem Wert, durch Arbeit, an der einem etwas liegt,
unter eigenen Bedingungen.
Wir erreichten diesen Wohlstand ohne die Vorteile einer
Bildung auf Eliteuniversitäten oder einer Erbschaft. Mit
anderen Worten, umfassende Prosperität kam nicht durch
Privileg, oder Genius, oder Glück, sondern durch
reichhaltige Möglichkeiten.
Das System selbst offenbarte diese Möglichkeiten.
Millionen von uns ergriffen sie.
Ein Sprung in die heutige Gegenwart zeigt, dass sich die
Zeiten geändert haben: Die Möglichkeiten der jüngeren
Vergangenheit sind ferne Erinnerung. Wir alle spüren dies,
aber wir wissen nicht, wie diese neue Armut an
Möglichkeiten behoben werden kann – nicht nur, um nur
einfach weiterzumachen, sondern der Herr der eigenen
Arbeit zu sein.
Die Verteidiger der momentanen Ordnung behaupten,
dass dieser Rückgang temporär ist, und dass geringe
Reformen alles reparieren können, was kaputt ist.
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Doch ihre Verleugnung ändert nichts an der Realität, dass
Löhne und Gehälter seit Jahrzehnten stagnieren, alldieweil
die Vermögensungleichheit enorm anstieg. Ich werde Sie
nicht mit Statistiken langweilen, aber jeder der sich den
Anteil der Arbeit in der Wirtschaft ansieht, verdientes
Einkommen mit Inflationsausgleich, oder andere
Parameter der Ungleichheit, sieht, dass dies keine
temporäre Pechsträhne ist: Das System an sich ist kaputt.
Selbst die Verteidiger bestreiten nicht die globalen
Auswirkungen der Automatisierung auf menschliche
Arbeit, oder die zunehmenden Anforderungen an die
Resourcen der Erde, während 7 Milliarden Menschen
einen Konsum von Nahrungsmitteln, Energie, Wohnraum
und Transport der (westlichen) Mittelschicht anstreben.
Optimisten sind der Ansicht, dass Solarenergie bald mehr
oder weniger gratis für alle sein wird, doch heißt dies nicht,
dass die von allem Leben beraubten Ozeane einfach auf
magische Weise wiederhergestellt werden, oder dass dieWälder die für den Anbau von Tierfutter abgeholzt wurden
durch künstliche Bäume ersetzt werden können. Die
Weigerung, planetarische Grenzen zu erkennen, heißt
nicht, dass diese verschwinden.
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Automatisierung – Software, Robotik und künstliche
Intelligenz (A.I.) – ersetzt in zunehmendem Maße überall
die menschliche Arbeit, und nicht nur Arbeit mit geringer
fachlicher Qualifikation. Wie der Technologie-Visionär
Marc Andreessen bekannterweise anmerkte, Software
“frisst die Welt auf”. Genauer gesagt, Software frisst
bezahlte Arbeit, jeden Tag in grösseren und grösseren
Happen.
Diese Zerstörung der Arbeit wird zu einem arbeitsfreiem
Utopia führen, so wird uns gesagt, bezahlt durch Steuern
der Besitzer von Software und Robotern. Wenn wir uns
jedoch die Zahlen ansehen – was wir im ersten Kapitel
auch tun – dann entdecken wir, dass dies unbegründeter
Blödsinn ist, die schlimmste Art von magischem Denken.
Kein einziger Wunschdenker, der die Wunder des
garantierten Einkommens für alle in einer arbeitsfreien
Gesellschaft proklamiert, hat auch nur eine läppische
Filzstift-Skizze vorgelegt, woher denn dieses Geld von
echten Quellen, wie Firmengewinnen undSteuereinnahmen, herkommen soll.
Wenn es darum geht, unser sozialökonomisches System
zu verstehen, dann sind wir wie Fische im Wasser: Wir
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können uns kein anderes System vorstellen als jenes, das
wir bewohnen. Wir nehmen an, dass es nicht nur das
einzige System ist, sondern dass es das beste System ist.
Welche Fehler es auch immer hat, es hat in der
Vergangenheit gut funktioniert, und es wird gut in der
Zukunft funktionieren.
Das ist nachweislich falsch. Statt dass es über
Jahrhunderte perfektioniert wurde, ist unser System eine
Müllhalde der Geschichte: Krempel, der übrig blieb, um
Seuchen zu überleben, Kriege und Revolutionen. Wenn
wir uns dies aus einer neuen Perspektive ansehen, dann
macht dieser Schuttabladeplatz absolut keinen Sinn. Das
System wurde nicht dafür ausgelegt, kohärent zu sein,
also ist es kein Wunder, dass es inkohärent ist. Wie könnte
es auch anders sein?
Das gegenwärtige System basiert auf fünf Prinzipien, von
denen wir annehmen, sie seien so etwas wie sozio-
ökonomische Gravitation, das heißt, sie seien
selbstevidente Wahrheit:
• Geld, welches von Banken geschaffen wird, tröpfelt
herunter, um Arbeit und Reichtum für alle zu schaffen.
• Technologie schafft mehr Arbeitsplätze als durch
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Automatisierung zerstört werden.
• Zentralisierung ist die Lösung für schwerwiegende
wirtschaftliche Probleme.
• Wachsende Schulden und Konsum (d.h. Wachstum) ist
der Weg zum Wohlstand.
• Die Maximierung von privaten Gewinnen organisiert die
Wirtschaft zum Vorteil aller.
Wenn wir uns diese Prämissen mit neuen Augen ansehen,
dann sehen wir, dass sie alle nur Wunschdenken sind. Alle
fünf sind erwiesenermaßen unwahr. Statt dass sie die
Grundlage für ein kohärentes System sind addiert jede
von ihnen noch mehr Inkohärenz. Statt dass sie eine
Lösung böten ist jede von ihnen ein toxisches Problem
welches das System zunehmend von innen erodiert.
Was bedeutet dieses Systemversagen für uns als
Individuen und Haushalte? Klären wir gleich zu Beginn,
jeder der für sich und seine Familie eine bessere Zukunft
will muss damit beginnen wie nie zuvor sein Schicksal in
die eigene Hand zu nehmen.
Jedoch ist die Auseinandersetzung mit einem
versagenden System, um unsere individuellen Schicksale
zu verbessern, nicht mehr ausreichend. Selbst die
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Wenigen, die es sich leisten können, Festungen auf Inseln
zu kaufen, werden bald entdecken, dass wir die
Konsequenzen des Versagens unseres gegenwärtigen
Systems alle teilen. Wenn die Ozeane erst einmal ohne
Leben sind, dann sind sie das für alle, nicht nur für die
Armen.
Die wirkliche Lösung ist offensichtlich, oder nicht? Wir
brauchen ein neues System. Wir alle spüren das, aber wir
wissen nicht, wo wir anfangen sollen. Beginnen wir mit
einer einfachen Frage:Wie wäre es, wenn wir den Reset-
Knopf drücken könnten, was die Art und Weise wie wir
Geld schaffen angeht, Arbeit, Wirtschaft und
Gemeinschaft?Wenn wir neu anfangen könnten, was
würden wir erbauen? Dies ist keine müßige Frage, denn
die Technologie ermöglicht uns jetzt, diesen Reset-Knopf
zu drücken und die Organisation der Geldschöpfung,
Arbeit, Wirtschaft und Gemeinschaft auf neue Weise zu
erschaffen.
Wenn wir uns vornehmen, ein System zu schaffenwelches jedem die Chance zur Kontrolle über seine
eigenen Quellen des Wohlstands gibt, wie würde solch ein
System aussehen?
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Wenn dies eine Frage ist die Sie interessiert (und wenn sie
uns alle nicht interessieren sollte, dann haben wir ganz
gehörige Probleme), dann lesen Sie weiter. Dieses Buch
legt eine umfassende, komplette Lösung des globalen
Systems dar.
Der ausschlaggebende Punkt ist kein Geheimnis: Man
muss verstehen, wie Systeme funktionieren.
Systeme haben Eingänge (Inputs), Regeln, und Ausgänge
(Outputs). Wenn wir nur Gummibärchen essen und
niemals Sport machen, dann werden wir krank, weil
unsere Körper ein System sind:
Gummibärchen + kein Sport = schlechte Gesundheit und
eventueller Tod
Simpel!
Auf ähnliche Weise schafft unser momentanes
Wirtschafts-, Sozial- und politisches System ungenügendewirtschaftliche, soziale und politische Resultate.
Um hier eine populäre Definition von Wahnsinn zu zitieren:
“Wahnsinn ist, wenn die Eingaben dieselben sind und
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unterschiedliche Resultate erwartet werden.” Indem die
Geschmäcker der Gummibärchen und die Sitzpositionen
auf dem Sofa verändert werden ändert dies nichts am
Ausgang der Dinge (der Tod).
Und dennoch sind alle Reformen, die bisher vorgestellt
wurden, genau so als würde die Sorte der Gummibärchen
gewechselt werden, und man erwarte, dass dieser winzige
Unterschied eine fundamentale Auswirkung auf unsere
Gesundheit hätte.
Wir brauchen ein total neues System, wenn wir die
Resultate oder die Ausgänge/Outputs die aus
Ungleichheit, Unsicherheit und der Armut an Möglichkeiten
bestehen, in Chancen, sichere Arbeit und Wohlstand
umwandeln wollen.
Dieses neue System setzt nicht die Überwerfung der
existierenden Ordnung voraus, oder das Reparieren des
gegenwärtigen Systems. Dieses neue System vereinigt
existierende Technologien und soziale Innovationen, diewir alle verstehen können. Dieses neue System ist nicht
utopisch; es ist extrem praktisch. Wir sehen jeden Tag
Beispiele von ähnlichen Systemen.
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Wir wollen nicht weiterhin versagen, indem wir den
Geschmack unserer Gummibärchen wechseln und uns
darüber wundern, weshalb die Resultate nicht anders
werden. Tausche das System durch ein anderes aus und
die Ausgänge, die Outputs, die Resultate, werden:
• Möglichkeiten und Chancen
• Autonomie
• Sichere Arbeit
• Besitztum der Quellen des Wohlstands
Da ist eine weltverändernde Differenz zwischen unserem
gegenwärtigen System und jenem, welches hier
beschrieben wird. Die gegenwärtige Ordnung ist von oben
nach unten, und um irgendetwas zu ändern, braucht es
Reichtum und/oder politische Macht (wenn man den
Reichtum hat, kann man die Macht erkaufen). In diesem
System ist der Einzelne im Wesentlichen machtlos;
Wählerstimmen werden gezählt, doch die
pyramidenförmige Struktur bleibt unverändert.
Im System das in den kommenden Kapiteln beschrieben
wird hat jeder Einzelne die Macht, das System für das
Wohlergehen von sich selbst und das aller anderen
Beteiligten zu verändern. Vorbedingung ist nicht mehr,
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oben auf dem Schloss zu sitzen. Jeder, der im
momentanen Arrangement machtlos ist wird in diesem
neuen System ermächtigt. Ermächtigt dazu, nicht nur sein
Wohlergehen und das seiner Familie anzustreben,
sondern die Gemeinschaft zu verbessern, und dadurch die
große Gemeinde des Planeten Erde.
Mein Buch ergreift diese globale Herausforderung mit
einer dicken Umarmung, eine welche die Fesseln des
ideologischen Jargons sprengt und die uns befreit, damit
wir einen praktischen Weg zu einer radikal segensreichen
Zukunft ausarbeiten können. Worauf warten wir noch?
Teil 1: Warum das gegenwärtige System
versagt hat
Kapitel 1: Klaffende Löcher in der
herkömmlichen Erzählweise
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Dieses Buch – mit seinem ursprünglichen TitelBrückenüber einen trügerischen Fluss: Neue Werkzeuge für die
Lösung globaler Armut (“Bridging a Treacherous River:
New Tools to Solve Global Poverty”) – begann als ein Plan
zur Linderung der globalen Armut. Es war die Krönung von
40 Jahren, während derer ich folgende einfachen Fragen
betrachtet habe: Ist Armut unvermeidlich? Wenn nicht,welche systemische Lösung gibt es, eine, die überall auf
dem Globus die Armut lindert?
Als eine von Natur aus praktische Person, und trainiert als
solche, suchte ich nach einer praktischen Antwort.
Ich fand heraus, dass wir zwei Arten von Armut haben: Die
uralte Armut (Mangel), und eine neue Art, ausgelöst durch
Automatisierung und Software welche “die Welt frisst”, wie
Marc Andreessen es so passend ausdrückte. Digitale
Technologien ersetzen menschliche Arbeit auf massive Art
und Weise, und bedrohen Millionen mit Verdienstausfall.
Als ich einmal die Hauptursache der Armut verstanden
hatte – der Mangel an sicherer und bezahlter Arbeit für
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alle – merkte ich, dass mein wirkliches Themadie
Schaffung von Arbeitsplätzen für alle, die bezahlte Arbeit
wollten war – auf einer globalen Skala. Dies war nicht nur
die Lösung für globale Armut sondern ebenso für den
zunehmenden Ersatz der menschlichen Arbeit durch
Automatisierung.
Während ich herausfand, warumdas einzig mögliche
Ergebnis des gegenwärtigen Systems Armut und
Ungleichheit ist, verstand ich ein paar weitere Dinge, die
uns dabei behilflich sein werden, ein neues System zu
entwerfen welches Möglichkeiten für alle als Ergebnis hat.
Eines davon ist die Tatsache, dass staatlicher
Kapitalismus (oder wie auch immer man das gegenwärtige
Arrangement nennen will) mehr ist als ein wirtschaftliches
oder finanzielles System; es organisiert unsere
Beziehungen mit der Natur und zu anderen Personen, und
es tut dies, ohne das wir uns dessen wirklich bewusst
sind.
Mit anderen Worten, ein finanziell-ökonomisches System
ist auch ein sozialpolitisches System hinsichtlich
Resourcen-Management,von Natur aus. Der Entwurf des
Finanz-Geld-Wirtschaftssystems setzt den Kurs für alles
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Weitere.
Zweitens, der Kernpunkt jedes Systems von Finanzen und
Wirtschaft ist dieSchaffung von Wertigkeit.Wenn eine
kleine Gruppe von Leuten die Schaffung von Wert
kontrolliert, dann ist das einzig mögliche Ergebnis des
Systems die Schaffung von Armut an Möglichkeiten und
von zunehmender Ungleichheit – genau das, was das
gegenwärtige System hervorruft.
Per Definition hat Geld einen Wert. Jene Personen,
welche die Schaffung und Verteilung von Wert (zum
Beispiel Geld) kontrollieren, kontrollieren alles Andere.
Wenn die Art, wie Geld geschaffen und verteilt wird nicht
geändert wird, dann hat man in Wirklichkeit nichts
verändert. Man isst nur eine andere Farbe von
Gummibärchen.
Nehmen wir einmal an, dass ein System Gummibärchen
als Geld ansieht. Ich besitze die einzige
Gummibärchenfabrik, und ich stecke jeden ins Gefängnisder versucht, eine konkurrierende Gummibärchenfabrik zu
etablieren. Wer glauben Sie wird reich und in diesem
System mächtig sein? Was ist das einzig mögliche
Ergebnis in diesem System?
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Natürlich ist dies eine Vereinfachung, aber Sie verstehen
meinen Punkt. Jene, welche die Schaffung von Wertigkeit
kontrollieren, kontrollieren alles Andere. Wenn wir nicht die
Art und Weise wie Geld geschaffen und verteilt wird
ändern, dann ändert sich nichts. Wir ändern lediglich die
Farbe der Gummibärchen, und wundern uns darüber, dass
sich die Resultate nicht ändern.
Möglichkeiten und Chancen laufen darauf hinaus, dass
eineMöglichkeit zur Schaffung von Wert besteht. Wenn
die Schaffung von Wertigkeit von ein paar Wenigen oben
auf der Pyramide kontrolliert wird, dann wird die Mehrheit
einen Mangel an Möglichkeiten haben. Solch ein System
erlaubt kein anderes Ergebnis.
Natürlich sind wir alle für Freiheit. Nur Despoten und
Diktatoren sind gegen Freiheit. Doch ist Freiheit ohne die
Möglichkeit der Schaffung von Wert eine Illusion. Was
genau bedeutet Freiheit in einem System, wo die
Schaffung von Wertigkeit und von Möglichkeiten von einpaar Wenigen auf Kosten der Mehrheit begrenzt wird?
Der Vorsitzende Mao Tse-tung behauptete
berühmterweise, dass “politische Macht aus dem Ende
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von Kanonenrohren” kommt. Die Macht von Zwang kommt
aus dem Ende eines Kanonenrohrs, doch ist dies nicht
dasselbe wie politische Macht, oder der Macht, Dinge zu
erledigen.
Am Ende hatte Mao Unrecht.Kooperation ist die Basis
von Macht. Der Kamerad mit der kecken Mao-Kappe und
dem Gewehr kann irgendwelche Macht die aus dem Ende
des Laufes kommt nur halten, solange er das Gewehr auf
jene, die keine Gewehre haben richtet. Zwang ist eine sehr
begrenzte Form der Macht. Zwang schafft keine
Werthaftigkeit,Kooperation schafft Wert.
Wir können nurbewerten, was wir messen können. Wenn
wir es nicht messen können, dann existiert es nicht. Wenn
wir über Ungleichheit sprechen, dann reden wir
letztendlich über Geld, denn Geld können wir messen.
Das Endresultat der Messung von Ungleichheit durch Geld
ist die Idee dass, wenn wir Leuten ein bisschen mehr Geld
gäben, die Ungleichheit gemindert würde.
Aber Ungleichheit besteht nicht wirklich wegen des
Geldes. Ungleichheit ist darüber, wer die Schaffung von
Wertigkeit kontrolliert und wer die Möglichkeit hat, Wert zu
schaffen. Wenn Leuten Geld gegeben wird, dann
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vermindert dies zwar das Schuldgefühl jener, die oben auf
der Pyramide sitzen, doch verändert dies nicht wirklich die
Ungleichheit des Systems. Es kann das Schweigen jener
erkaufen, denen die Möglichkeiten vorenthalten werden,
doch ändert dies nichts an den Ursachen der Ungleichheit.
Da wir die Ursachen für die Ungleichheit nicht messen,
erkennen wir sie noch nicht einmal. Wenn wir einer Person
die Möglichkeit für die Schaffung von Wert vorenthalten,
um aktiv zu etwas Produktivem und Wichtigem
beizutragen, und meinen, dass ein wenig Geld diese
Ungleichheit verschwinden lässt, dann sind wir blind
gegenüber den Ursachen der Ungleichheit.
Der erste Schritt ist, zu erkennen, dass Geld nicht der
einzige, noch der hilfreichste Maßstab für die Messung
von Ungleichheit oder Wert ist. Es ist noch nicht einmal
eine adäquate Messung fürKapital, denn das wertvollste
Kapital ist die Möglichkeit der Schaffung von Wert durch
die freie Kooperation mit Anderen.
Das gegenwärtige System ist eine zentralisierte
Hierarchie. Zentralisierte Hierarchien funktionieren super
für jene an der Spitze der Pyramide von Reichtum, Macht,
Sicherheit und Möglichkeiten. Die obersten 10% mit dem
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größten Reichtum, der meisten Macht, Sicherheit, und mit
den meisten Möglichkeiten, schauen nach unten und
sagen, da das System für sie funktioniert, funktioniere es
für alle. Sie glotzen die Wenigen an welche die Pyramide
heraufklettern um sich zu ihnen zu gesellen, als Beweis
dafür, dass das System für alle funktioniert die das Zeug
dazu haben: Verstand, Hingabe, und so weiter.
Es ist überflüssig hier zu sagen, dass jene Leute den
Reichtum und die Macht haben, daher lassen sie nicht
irgendjemand anderen das System verändern, sie könnten
ja ihren Platz auf der Spitze der Pyramide verlieren. Da sie
Verstand und Hingabe etc. haben, können sie ohne
weiteres eine endlose Liste von Gründen dafür
herbeizaubern, weshalb das System gut beieinander ist
und nur kleine Reformen nötig sind.
Doch ob die oberen 10% es erkennen oder nicht, es
mögen oder nicht, das System ist ungerecht. Es ist
moralisch verdorben bis in seine Grundfesten.
Aber die moralische Korruption des Systems ist nicht das
dringendste Problem. Das vordringliche Problem sind die
fünf Prämissen die in der Einleitung aufgeführt sind, und
diese sind es die das System von innen her zersetzen. Je
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mehr wir diesen fünf Prämissen Folge leisten, desto mehr
höhlen wir das System aus.
Dies lässt uns eine Wahl. Wir können die Richtigkeit des
Systems welches für uns als Individuen funktioniert
verteidigen, jenes, welches es uns ermöglicht, unsere
privaten Interessen zu maximieren. Wir können
andersfarbige Gummibärchen essen und hoffen, dass sich
das System auf magische Weise selbst rettet, oder wir
packen die Sache an und entwerfen ein von Grund auf
neues System, eines mit Chancen und Möglichkeiten für
alle.
Man sagt uns, dass es immer einen Mittelweg gibt, aber
dies ist nicht immer wahr. Manchmal heißt es entweder-
oder.
Betrachten wir nun dieses Konzept:Ein System welches
für alle funktioniert, funktioniert auch für uns.
Warum lehnen wir neue Lösungen ab?
Skepsis ist generell unsere erste Reaktion auf jede neue
Lösung. Es spricht mehr dafür als nur gesunde Vorsicht,
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und wir müssen die Psychologie der Skepsis verstehen,
wenn wir vermeiden wollen, in die Falle der
Schwarzmalerei zu gehen.
Skepsis ist ein Teil unseres intellektuellen Immunsystems
welches uns vor Wunschdenken, Fuzzy Logic und der
Illusion des Verstehens schützt (d.h. der Drang, alles auf
eine Power Point-Präsentation reduzieren zu wollen).
Aber Skepsis ist auch eine Tarnkappe für Schwarzmalerei.
Unter der Verkleidung der Skepsis finden Schwarzmaler
umfangreiche Mängel im gegenwärtigen Arrangement,
doch noch mehr so in den vorgeschlagenen Lösungen.
Wenn Schwarzmaler regieren, dann stagniert das System.
In Unternehmen führt Stagnierung zum Bankrott. In
Gesellschaften führt Stagnierung zu einem Rückgang an
Vitalität und der Fähigkeit der Problemlösung.
Schwarzmaler denken, dass sie eine wertvolle, ja
heroische Aufgabe ausführen, indem sie Lösungen
abwürgen. Es ist ihnen zu verdanken, dass durch ihreBemühungen die Dummen, die sonst unangemessene
Risiken eingingen, vor sich selbst bewahrt werden.
Ihnen geht es nicht in den Kopf, dass sie selbst das größte
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Risiko darstellen. Und doch ist dies die Realität. Nassim
Taleb und Andere haben gezeigt, dass Systeme, die sich
der Fermentierung von neuen Ideen widersetzen,
zunehmend brüchig und schwach werden. Das Ablehnen
von Lösungen garantiert den Systemkollaps.
Einer der vorherrschenden Gründe für Schwarzmalerei ist,
unsere Bezahlung und Vergünstigungen, unsere Position
und unseren sozialen Status vor der Gefahr neuer
Lösungen zu beschützen. Experimente und Konkurrenz
sind eine Gefahr für unser eigennütziges Interesse, und
wir alle verstehen die Motivation, unseren Anteil am
Kuchen vor der Gefahr durch schneller-besser-billiger zu
bewahren.
Der Gemeinnützigkeit ist gedient, nicht durch eigennützige
Interessen sondern durch schneller-besser-billiger. Wenn
Experimente und Konkurrenz unterdrückt werden, damit
eigennützige Interessen geschützt werden, dann verrottet
das System von innen.
Schwarzmalerei triumphiert, wenn eigennützige Interessen
über dem Gemeinnutzen stehen. Es ist nicht
verwunderlich, dass diese Abwertung von bürgerlichen
Tugenden zugunsten von Eigennutz –der Maximierung
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von persönlichem Gewinn auf alle Kosten – als der
Hauptgrund für den Niedergang und den Fall Roms
identifiziert wurde.
Schwarzmaler finden ihr Zuhause in Schwarzmalerei-
Organisationen wie Bürokratien und in Monopolstellungen
– Organisationen, die dazu da sind entweder Nein zu
sagen (Bürokratien), oder die von der Eliminierung von
neuen Lösungen abhängen (auch bekannt unter dem
Namen Konkurrenz).
Es ist kein Zufall, dass Schwarzmalerei-Organisationen
zentralisierte Hierarchien sind. Wie wir im zweiten Kapitel
sehen werden zerstören sich Systeme von selbst, wenn
sie groß, komplex, zentralisiert und hierarchisch werden.
Wie sie sich selbst zerstören ist ganz simpel:
Innovationen, Experimente, Konkurrenz werden als Gefahr
unterdrückt, und so wird schneller-besser-billiger
beruhigenderweise in einem flachen Grab verbuddelt.
Der Weg nach oben innerhalb dieser Organisationen istphänomenal gute Schwarzmalerei – während man
überschwenglich die unsterbliche Unterstützung für
Innovation verlautbart. Innovation ist prima, als Prinzip,
selbstverständlich, aber wenn sie erst einmal die
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eigennützigen Interessen angreift, was sie, ähem, immer
tut, dann wird sie schnell auf den Friedhof von “weitere
Untersuchungen sind notwendig” geworfen.
Schwarzmaler zeigen ihre Expertise nicht durch Innovation
sondern dadurch, dass sie Löcher in die Innovationen
Anderer machen. Innovation ist riskant, Schwarzmalen ist
sicher – besonders in Organisationen, die Risiko
vermeiden. Das Ergebnis ist, dass Schwarzmaler von
Kollegen gepriesen werden, dafür, dass sie die
Organisation vor der Gefahr der Innovation bewahren.
Da ist noch eine weitere bedeutende Motivation für
Schwarzmalerei. Jene, die Teil der 10% der Schicht von
Technokraten, Finanzen und Wirtschaft sind, schauen auf
ihren Erfolg und denken, dassdas System für mich und
für meine Kollegen funktioniert, also ist es offensichtlich
prima. Die Möglichkeit, dass das System nur für die
oberen 10% gut ist, oder dass der Erfolg nur temporär ist,
ist nicht so überzeugend wie die persönliche Erfahrung
jener, die in Schwarzmaler-Organisationen drin sind.
Anders gesagt, wenn das System für sie persönlich nicht
funktioniert, dann habe sie wenig Anlass für
Schwarzmalerei. Sie sind an Lösungen interessiert und
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geben ihnen eine Chance. Doch jene, die gut durch
eigennützige Interesse geschützt sind, haben viele Gründe
dafür, schwarz zu malen, und wenige Gründe dafür,
möglicherweise disruptive Lösungen zu unterstützen.
Auf alle Fälle sollten wir skeptisch sein, doch sollten wir es
vermeiden, schwarz zu malen und in die Stagnation und
den Kollaps zu schlittern.
Mein persönlicher Weg zur Lösung
Dieses Buch folgt dem guten Ratschlag des Philosophen
Ludwig Wittgenstein: “Die Probleme des Lebens sind an
der Oberfläche unlösbar und nur in der Tiefe zu lösen. In
den oberflächlichen Dimensionen sind sie unlösbar.” Zu
meiner Verwunderung hat mein eigener verschlungener
Karriereweg mir dabei geholfen, die klaffenden Löcher der
herkömmlichen Erzählweise zu identifizieren und eine
neue Lösung zu entwerfen.
Hier ist eine Aufzählung meiner bunten Karriere: Schreiner
und Bauhandwerker, Entrepreneur, Arbeitgeber, politischer
Aktivist, ehrenamtlicher Sozialarbeiter, Mitbegründer einer
örtlichen gemeinnützigen Stiftung, Manager im
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Hinterzimmer einer kleinen Firma für Finanzforschung
und, in der jüngeren Vergangenheit, eigenständiger Autor
von Büchen, Blogs und Ideen innerhalb der digitalen
Wirtschaft. Ich habe viele Häuser gebaut und viele Bücher
geschrieben, und mit einer Spitzhacke habe ich mir ein
unabhängiges Auskommen in den Gräben der Risiko-
Ökonomie ausgehöhlt.
Steve Jobs hielt 2005 eine Anrede an der Stanford
University, eine welche berühmt ist für ihre hart erarbeitete
Weisheit hinsichtlich der Tatsache, dass unsere Karriere
nur dann abhebt, wenn wir den Punkt erreichen, wo alles
zusammenkommt.
Dieses Buch ist dieser Punkt.
Jede meiner Arbeitserfahrungen hat etwas Unersetzliches
zu dieser Verbindung der Punkte beigetragen. Ich hätte
nicht die gleichen analytischen Werkzeuge verfügbar,
wenn auch nur eine von ihnen fehlte.
Daher ist es nur allzu angebracht, dass ich Sie warne
hinsichtlich der Tatsache dass ich, während ich als junger
Mann das Schreinerhandwerk erlernte, ebenfalls ein
Studium der Philosophie ablegte. Dies bedeutet, dass ich
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ab und zu einen unwiderstehlichen Drang habe, ein
verschleiertes Wort wie zum BeispielTeleologiezu
verwenden. Ich versuche hier nicht, schleierhaft zu sein,
ich versuche, prägnant zu sein; manchmal vermittelt ein
einziges Wort einen ganzen Rattenschwanz an wichtigen
Ideen.
Teleologie ist solch ein Wort. Es bedeutet das Endziel, der
finale Punkt zu welchem hin all die Dinge, die wir getan
haben führen, Erfolge wie Fehlschläge.
Abstraktionen zu verstehen ist essentiell, und doch nicht
ausreichend. Es reicht nicht, abstraktes Wissen zu haben;
man muss es mit bodenständigen Erfahrungen verbinden,
um zu verstehen, wie die Dinge wirklich funktionieren.
Da ist noch eine weitere unabdingliche Zutat: Risiko.
Man kann niemals wirklich verstehen, wie die Dinge
funktionieren, wenn man nicht selbst mit Haut und Haaren
dabei ist, und dies heißt, dass Risiko dazukommt.Verlieren, versagen, zurückgewiesen werden, nicht
bezahlt werden – diese Dinge schärfen den Geist. Es gibt
keinen Ersatz für das, was wir erlernen, indem wir uns
durch die Probleme der realen Welt kämpfen und den
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Konsequenzen ins Auge sehen.
Wenn wir abstraktes Wissen mit jenem aus der wirklichen
Welt verbinden, dann können wir, wenn wir Glück haben,
eine Fähigkeit für unabhängiges Denken entwickeln,
Fragen stellen und Antworten finden die nicht einfach von
vorgekauten Binsenwahrheiten herrühren.
Was einfach ist, aber garantiert scheitert:
Wunschdenken
Wir wissen alle, dass die Menschen die Dinge gerne
einfach haben. Es gibt einen Grund dafür, dass wir so
veranlagt sind. Kalorien sind in der Welt der Jäger und
Sammler knapp, und wertvolle Energie bei der Verfolgung
von schwierigen Aufgaben zu verbrennen hat keinen Sinn,
es sei denn, der Lohn ist sehr groß. (Bedenken Sie, dass
unsere Gehirne lodernde Hochöfen sind die viele Kalorien
verbrennen.)
Deshalb bevorzugen wir Wunschdenken statt Analyse.
Wunschdenken macht sehr viel weniger Arbeit. Wenn man
die Wahl hat, dann wählt man Wunschdenken, denn es ist
allgemein weniger riskant als wertvolle Energie in Arbeit
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zu verspielen die sich vielleicht nicht auszahlt.
Wenn wir jedoch schwierigen Problemen
gegenüberstehen, dann ist Wunschdenken nicht sehr
nützlich, denn es birgt keine Lösungen in sich.
Wenn Sie ein echtes Unternehmen führen, eines welches
Sie in den Bankrott bringt, wenn sie bei der Lösung eines
Problems Versagen, hier ist Wunschdenken katastrophal.
Es gibt wenige Garantien im Leben, aber Wunschdenken
garantiert Versagen.
Wunschdenken kann nicht die harte Arbeit von Analyse,
Experimentieren, und all dem riskanten Herumfuchteln bei
der Lösung von Problemen ersetzen.
Wenn wir also wirklich die Probleme der Armut und der
Automation, die unsere Welt frisst, lösen wollen, dann
sollten wir die Ärmel hochkrempeln und eine recht
kalorienverbrauchende Analyse vornehmen. Die Resultate
werden es wert sein.
Drei Ausgangspunkte
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Bevor wir damit beginnen können, ein neues System zu
entwerfen, müssen wir verstehen, warum das momentane
System versagt hat. Sonst werden wir das gleiche Resultat
bekommen. Fangen wir mit diesen drei Punkten an:
1.Die herkömmliche Erzählweise hinsichtlich unseres
sozio-ökonomischen Systems ist so voller Löcher,
dass sie keinen Sinn mehr macht.
2.Wir stellen nicht die richtigen Fragen – jene, die wirklich
gestellt werden müssen.
3.Systeme sind nicht ideologisch. Sie funktionieren
unabhängig von unseren Wünschen und können nicht
durch mentale oder emotionale Trickspielerei repariert
werden.
Obwohl uns angeblich beigebracht wurde, kritisch zu
denken, gibt es erstaunlich wenig unabhängiges Denken
welches tatsächlich auf die fünf Prämissen, die in der
Einleitung aufgeführt wurden, angewandt wird. Warum ist
das so? Es gibt mehrere Gründe dafür.
Wenn diese Erzählweisen keinen Sinn mehr machen,
dann müssen wir neue schaffen. Dies ist von vornherein
ein riskantes Unterfangen, denn neue Erzählweisen
können so inkohärent sein wie die gegenwärtigen.
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Dass Systeme auf Input, Regeln und Outputs reduziert
werden können die nichts mit unserem Glauben an ihre
Güte oder Effizienz zu tun haben, war eine Erleuchtung.
Einfach gesagt, Systeme sind erfolgreich oder sie
versagen, unabhängig von unseren ideologischen
Überzeugungen über das System.
Obwohl die Psychologie des Glaubens kompliziert ist, es
läuft auf Identität hinaus: Unser Glaube an den Wert eines
Systems ist Grundbestandteil unserer Identität.
Wir glauben an die Güte und Gerechtigkeit von
subventionierten Sozialwohnungen, als Beispiel hier, weil
wir an soziale Gerechtigkeit und Wohnungen für alle
glauben. Dass dies Leuten mit niedrigem Einkommen
nicht hilft, ist kontraintuitiv und inakzeptabel: Es muss
Leuten mit niedrigem Einkommen helfen, weil wir Leuten
mit niedrigem Einkommen helfen wollen.
Auf ähnliche Weise glauben wir, dass die Maximierung vonprivatem Profit das System zu Wohlstand führt, weil wir an
wirtschaftliche Freiheit glauben. Wie könnte jemand denn
nicht das Gute und Rechte von wirtschaftlicher Freiheit
sehen? Dass die Maximierung von privater Bereicherung
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das System zerstört ist kontraintuitiv und inakzeptabel:
Größte private Bereicherung muss das System
ordnungsgemäß funktionieren lassen, weil Selbstinteresse
der Kern der Freiheit ist.
Und so weiter. Jeder ideologische Glaubensinhalt kann auf
diese Weise aufgegliedert werden.
Wir wehren uns gegen diese Analyse, weil es unsere
Identität herausfordert. Kein Wunder, dass wir uns
widerstreben: Was ist schon wichtiger für unser
Selbstverständnis als jene Glaubensmuster, die unsere
Identität ausmachen?
Wenn wir dies verstehen, dann können wir unseren
Glauben von Systemen als Solche trennen. Wir können
unseren Glauben beibehalten und dennoch verstehen,
dass der Erfolg oder das Versagen des Systems nichts mit
unseren eigenen Überzeugungen zu tun hat.
Wenn wir positive Resultate und Outputs wollen, dannmüssen wir das System als System untersuchen, nicht als
ein Ausdruck unserer Identität und unserer
Glaubensvorstellungen.
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Merkwürdigerweise bestehen wir darauf, Systeme zu
unterstützen deren Resultate genau das Gegenteil davon
sind was wir bekunden, weil wir glauben, dass unkritischer
Glaube ein Ausdruck unserer Überzeugung sei.
Dies lässt uns eine recht krasse Wahl. Entweder wir
setzen uns als Ziel, ein System zu entwerfen welches
positive Resultate produziert, oder wir schwelgen in
unseren ideologischen Glaubensmustern. Entweder –
oder.
Wie Donna Meadows aufzeigt, Systeme sind oft
kontraintuitiv: Wir wollen, dass sie ein bestimmtes Resultat
hervorbringen, doch können die Regeln und die Eingänge
(Inputs) die wir wählen komplett andersartige Resultate
(Outputs) verursachen, als wir erwarten. Wenn man dazu
das Versagen, sich eine Welt vorzustellen die anders ist
als jene in der wir leben nimmt, dann ist es kein Wunder,
dass unsere Systeme sich selbst zerstören.
Der erste Teil des Buches hat drei Ziele;
1.Untersuchung der klaffenden Abgründe und Löcher der
herkömmlichen Erzählweise, damit sie kohärent
werden.
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2.Die Fragen stellen, die gestellt werden müssen, aber
nicht gestellt werden.
3.Unsere Wirtschaft und Gesellschaft als System
verstehen.
Wenn wir einmal diese Ziele erreicht haben, dann sind wir
darauf vorbereitet, ein System zu entwerfen welches
tatsächlich positive Resultate produziert.
Automatisierung, Arbeitsplätze, und garantiertes
Einkommen
Beim Studium dessen, was Andere als Lösung zur
Automatisierung vorgeschlagen haben war ich erstaunt
darüber, dass ich riesige Löcher in der herkömmlichen
Erzählweise fand in Bezug auf was passiert, wenn
Software und Roboter riesige Areale der menschlichen
Arbeit ersetzen. Die gängige Erzählweise (wie sie von
hochangesehenen Volkswirtschaftlern, Akademikern,
Journalisten und öffentlichen Intellektuellen präsentiertwird) ist, dass die unvermeidbare Erosion von Arbeit durch
Automatisation folgende Resultate haben wird:
• Die Schaffung von noch mehr Arbeitsplätzen als durch
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die fortschreitende Technologie verloren gehen; oder
• Ein garantiertes Mindesteinkommen für alle, bezahlt
durch Steuern von jenen, welche die Roboter und
Software besitzen die all die Arbeitsplätze fraßen.
Mit anderen Worten,wir müssen nicht die Eingaben oder
Inputs, oder das System, ändern: Das System wird die
allgemeine Zerstörung von Arbeitsplätzen lösen, ohne
dass wir etwas anders machen müssen. Es wird
automatisch mehr Arbeitsplätze schaffen als zerstört
werden, und der Staat wird mehr Steuern einnehmen und
allen ein Mindesteinkommen zahlen.
Dass diese Schlussfolgerungen inkohärent und untauglich
sind ist für jeden einleuchtend, der Erfahrung als
Unternehmer und ein Grundverständnis hinsichtlich der
Regierungsausgaben und der Firmengewinne hat.
Beginnen wir mit der Idee, dass Technologie immer mehr
Arbeitsplätze schaffen wird als sie zerstört.
Es gibt wenige Beweise dafür, dass dies so ist. Es könnte
in der Vergangenheit so gewesen sein, doch nicht heute.
Wenn wir die Frage stellen würden, eine Technologie zu
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nennen welche im vergangenen Jahrzehnt mehr
Arbeitsplätze schuf als sie zerstörte, dann ist
Biotechnologie die typische Antwort. Was aber nur Wenige
sich scheinbar in Erinnerung rufen ist, dass die auf
Chemie basierende pharmazeutische Industrie von
Produkten der wachsenden und auf Biomaterial
basierenden Industrie ausgeweidet wurde; tausende
Arbeitsplätze wurden verloren. Die atemberaubend
niedrige Rentabilität der überwiegenden Mehrheit der
Biotechnologie-Firmen wird ebenfalls nicht erwähnt;
ebensowenig der Überfluss an Arbeitern, die in
Wissenschaft, Technologie, Ingenieurswesen und
Mathematik ausgebildet sind.
Die Erteilung von Universitätstiteln in diesen Bereichen
schafft keine Arbeitsplätze für die Absolventen.
Der Glaube, dass Technologie durch Zauberhand mehr
Arbeitsplätze schafft als sie zerstört ist Wunschdenken.
Diese Theologie entstand als Resultat des Übergangs von
einfachster landwirtschaftlicher Arbeit zur einfachenFabrikarbeit, in der ersten Industrierevolution (1750-1860,
Dampfmaschinen, Eisenbahnen, Fabriken, etc.), und der
zweiten Industrierevolution (1870-1930, Massenfertigung,
Elektrizität, Autos, Flugzeuge, Radio, Telefon, Filme).
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Jeder Übergang bot Millionen an neuen, unqualifizierten
Arbeitsplätzen für jene, die durch Technologie ersetzt
worden waren, und schaffte zunehmend zahlreichere
Arbeitsplätze für qualifizierte Arbeiter in den Bereichen
Design, Technologie, Marketing und Management. Doch
diese Geschichte wiederholt sich nicht in der jüngsten
industriellen Revolution.
Die dritte industrielle Revolution
Diese letzte Revolution begann mit der digitalen
Kommunikation und Datenverarbeitung, und in jüngerer
Zeit kamen große Fortschritte hinzu, in Robotik, Software
und vernetzten digitalen Geräten, d.h. das World Wide
Web und das Internet der Dinge.
Zum ersten Mal im Verlauf des technologischen
Fortschritts werden keine unqualifizierten Arbeitsplätze
durch die letzte Revolution geschaffen. Nicht nur werden
wenige unqualifizierte Jobs durch die digitale Revolutiongeschaffen, hochqualifizierte Arbeit wird durch rapide
Fortschritte in künstlicher Intelligenz und Software erodiert.
Da Automatisierung und Software jetzt qualifizierte
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Tätigkeiten frisst, schafft die Fortbildung von Arbeitern
nicht automatisch Arbeitsplätze für sie. Indem die gesamte
Bevölkerung zur Erlangung von Universitätsabschlüssen
gedrängt wird heißt dies nicht, dass automatisch
Arbeitsplätze geschaffen werden welche
Universitätsabschlüsse voraussetzen.
Die herkömmliche Erzählweise übersieht eine Dynamik mit
einer Schlüsselrolle in der dritten Industrierevolution:Die
Zahl der qualifizierten Arbeiter welche nötig sind, um
ganze Industriezweige von qualifizierten Angestellten zu
eliminieren, ist viel kleiner als die Zahl der Arbeitskräfte,
die eliminiert werden.
“Craigslist” zum Beispiel (zentrales Online-Netzwerk mit
Anzeigenseiten aller Art) hat weniger als 50 Angestellte,
und doch hat die Firma tausende von mittelständischen
Arbeitsplätzen ausgelöscht welche einst durch
Anzeigenseiten in den Print-Medien unterhalten worden
waren.
Software Programmierung – etwas, was Viele als die
Zugmaschine für zukünftige Arbeitsplätze ansehen – wird
selbst automatisiert. Wenn jedem beigebracht wird zu
programmieren, dann wird das nicht automatisch Millionen
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neuer Jobs gründen, während Maschinen arbeitsintensive
Arbeitsschritte des Programmierens übernehmen.
In vielen Fällen ist Programmieren bereits ein Prozess,
wobei größere Stücke von Code von Online-Quellen
übernommen und zusammengeflickt werden: Drag & Drop
ersetzt mühseliges Programmieren. In anderen Fällen
können automatisierte Systeme wie MIT’s Helium älteren
Code in einer Stunde säubern und optimieren, etwas was
Monate menschlicher Arbeit benötigen würde.
In einer Welt der globalen Konkurrenz und knapper
Haushalte ist ein Programm welches die Arbeit von
Dutzenden von Arbeitern in ein paar Stunden tun kann
(und besser) Manna vom Himmel.
Zwei Merkmale der automatischen Programmierung helfen
uns beim Verständnis weshalb die dritte (digitale)
Industrierevolution anders ist als die vorangegangenen
zwei Industrierevolutionen.
1.Die Arbeit des Programmierens wird nicht mehr
wiederholt werden müssen. Es muss nur einmal
geschrieben werden. Einmal entstanden, wird das
Programm tausende Linien Code von Nachlass-Code
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(legacy code) automatisch durcharbeiten, und dabei
mehr lernen.
2.Eine digitale Kopie kann global für fast Null Kosten
verbreitet werden.
Diese Merkmale helfen uns dabei, zu verstehen warum
automatische Programmierung nicht höher bezahlte Arbeit
für Menschen schafft als sie zerstört: Das ganze Ziel von
automatisierter Software ist, dramatisch niedrigere Kosten
zu bereiten, und das Output zu verbessern, indem
menschliche Arbeit und die Kosten für Verteilung und
Operation eliminiert werden.
Menschliche Arbeit ist die 450-Dollar-Lösung,
Automatisierung ist die 45-Dollar-Alternative
Der Glaube, dass Technologie mehr Arbeitsplätze
schaffen wird als sie zerstört ist verständlich. Die
Standard-Erklärung hat lediglich zwei Mechanismen für
die Schaffung von Arbeitsplätzen: Unternehmen welchedie Profite maximieren, und die Regierung. Wenn diese
Sektoren mehr Arbeitsplätze schaffen können als
Technologie zerstört, dann bietet die Standard-
Erzählweise keine Lösung.
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Mainstream-Ökonomen sind dabei, vorsichtig dieses Job-
zerstörende schwarze Loch zu erforschen. Erik
Brynjolfsson, Andrew McAfee und der Wirtschafts-
Nobelpreisgewinner Michael Spence schrieben in 2014:
“Sollte die digitale Revolution in der Zukunft weiterhin so
mächtig sein wie sie es in den letzten Jahren war, dann
müssen die Strukturen der modernen Wirtschaft und die
Rolle der Arbeit als solche möglicherweise überdacht
werden.”
Obwohl sie vorsichtigerweise nicht vorhersagten, dass
sich die digitale Revolution mit der gegenwärtigen
Geschwindigkeit ausbreiten wird, die Realität ist, dass die
Revolution an Fahrt gewinnt. Statt zu hoffen, die Software
würde ihren Appetit am Job-fressen verlieren, können wir
davon ausgehen, dass ihr Appetit nur zunehmen wird.
Warum ist dies so?
Arbeitsplätze werden nicht durch Magie oder abstrakteTheorien geschaffen. Jobs werden einer nach dem
anderen geschaffen, indem jemandem ein Gehalt gezahlt
wird um eine profitable Arbeit zu verrichten. Wenn
Software die Arbeit schneller, besser und billiger als
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menschliche Arbeit machen kann, dann macht es
wirtschaftlich gesehen keinen Sinn, einen Menschen für
die Arbeit zu bezahlen.
Lediglich die Arbeitgeber verstehen genau die
Auswirkungen der digitalen Technologien für die Schaffung
von Arbeitsplätzen, denn sie sind die Einzigen die sich
fragen müssen: Macht es vom finanziellen Standpunkt aus
Sinn einen weiteren Angestellten anzustellen?
Die große Mehrheit der Arbeitnehmer sind Angestellte,
und sie haben keine Erfahrung damit, Arbeitgeber zu sein.
Dies platziert eineerfahrungsgemäße Obergrenze in
unserem kollektivem Verständnis der zugrundeliegenden
Realitäten für die Schaffung von Arbeitsplätzen. Was auf
abstrakte Weise plausibel aussieht, für jene, die keine
Erfahrung haben mit Lohnzusatzkosten welche die
Einnahmen übersteigen (d.h. der Verlust von Geld), ist in
der realen Welt oft impraktikabel.
In der realen Welt kann die Einstellung von mehrAngestellten jemanden, und sein Unternehmen, in den
Bankrott treiben.
Die Mainstream-Medien glorifizieren die Wenigen die in
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der unternehmerischen Nahrungskette ganz obenauf sind,
und die Milliarden an Profiten einbringen, aber in den
Schützengräben der Risiko-Ökonomie ist es schwierig,
einen Profit zu machen. In dieser Welt setzt das
Überleben voraus, dass menschliche Arbeit reduziert wird,
oder dass von jedem Angestellten mehr Wert extrahiert
wird.
Die Kernfunktion des Kapitalismus ist es, Profite zu
generieren und Kapital zu erweitern. Die Schaffung von
Arbeitsplätzen ist nicht die Hauptaufgabe des
Kapitalismus, weder ist es die Hauptaufgabe der
Regierung. Wir gehen einfach davon aus, dass
Arbeitsplätze expandieren, als Nebeneffekt von Kapital
und Staat (d.h. Regierung) bei der Verfolgung ihrer
Hauptaufgaben, aber in der digitalen Ökonomie kann dies
nicht mehr als gottgegeben vorausgesetzt werden.
Die Realität ist, dass Unternehmen und Staaten
arbeitssparende Maßnahmen annehmen müssen um zu
überleben. Die Bestätigung findet man ganz einfach durcheinen Blick auf die heutigen Schlagzeilen: Die US-Marine
untersucht die 3-D Fabrikation von Schiffen (nicht die von
Komponenten, ganze Schiffe), chinesische Hersteller
wenden sich hin zu komplett automatisierten Fabriken,
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selbstfahrende Lastwagen sind auf den Straßen, und
selbst Arbeiten die allzu Low-Tech für Robotik zu sein
scheinen, wie die Ernte von Teeblättern, werden
automatisiert.
Automation ist nicht eine Option die zugunsten von
“Business As Usual” abgelehnt werden kann. Wie wir in
einem Moment gleich sehen werden ist die
Automatisierung ein unausweichliches Resultat der
zugrundeliegenden Kräfte, welche nur stärker werden.
Hauptursache dafür sind die steigenden Kosten der
menschlichen Arbeit – nicht nur in den entwickelten
Ländern, sondern überall.
Es herrscht ein allgemeiner Unglaube vor hinsichtlich der
Tatsache, dass Automation hochqualifizierte
mittelständische Berufe in der gleichen Art und Weise
fressen kann wie sie es mit unqualifizierten
landwirtschaftlichen und Fabrik-Jobs tat. So gesehen
waren die 50 Angestellten vonCraigslist.com welche
tausende von mittelständischen Berufen in derAnzeigenbranche auslöschten sozusagen ein Glücksfall.
Die Wahrheit jedoch ist, dass die Bastionen der
mittelständischen Berufe – zum Beispiel das
http://craigslist.com/http://craigslist.com/
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Gesundheitswesen, Bildungswesen, Regierung und
Verteidigung – zunehmend unbezahlbar werden und
daher reif sind für eine umfassende kreative Zerstörung
von Kosten, Jobs, und Business As Usual.
Die herkömmliche Lösung für steigende Kosten in diesen
Industrien ist es, Steuern zu erhöhen oder sich mehr Geld
zu leihen. Jedoch können Steuern nur bis zu einer
gewissen Obergrenze ansteigen bevor sie Rezessionen
auslösen, sowie andere selbst-korrigierende
Mechanismen. Sich Geld zu leihen führt letztendlich zum
Bankrott des Schuldners, egal wie groß er ist. Ist die
Lösung für steigende Studienkosten sich eine weitere
Billion zu borgen?
Dies sind keine nachhaltigen Lösungen; es ist
Wunschdenken.
Die Lösung ist, Kosten durch Technologie zu senken –
nicht um 3% oder 5%, sondern um 50% oder 90%.
Jene, die sich in diesen untragbaren Sektoren ein Leben
eingerichtet haben, verteidigen den Status Quo, indem sie
behaupten, Menschen täten bessere Arbeit als Maschinen
und Software, oder dass Menschen essentiell sind,
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ungeachtet ihrer Kosten.
In vielen Fällen ist dies selbstgefälliges Wunschdenken.
Hinsichtlich der unbeachteten Kosten:Was wir uns leisten
können ist gut genug. Als Beispiel, ein Apple iPad kostet
450 Dollar. Ein Tablet mit dem kostenlosen Android
Betriebssystem kostet 45 Dollar (10% der Kosten eines
iPads), in China und Indien. Ja, das iPad hat ein paar
Vorteile gegenüber eines 45-Dollar-Tablets. Aber welche
Vorteile sind es denn, für jene, die sich ein iPad nicht
leisten können? Wie hoch sind dieOpportunitätskosten,
wenn ein Produkt zehnmal mehr kostet als die
kommodifizierte Version? Anders ausgedrückt – was sonst
hätte man mit den eingesparten 405 Dollar machen
können, wenn das billige Tablet gekauft wird? Was sonst
hätte man mit den Zinsen, die für das Darlehen von
zusätzlichen 405 Dollar die gezahlt wurden, alles machen
können?
Forschungen legen nahe, dass Kinder Lesen undSchreiben ohne jegliche Lehrer erlernen, wenn ihnen
Tablets mit Spielen gegeben werden welche für das
Lernen von Lesen und Schreiben entworfen wurden. Ein
Lehrer kann ein Plus sein, aber wenn man sich keinen
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leisten kann, dann macht ein Tablet mit lehrreichen
Spielen die ganze Arbeit.
Je mehr wir über die Faktoren welche die Bildung wirklich
effizient machen lernen, desto einfacher ist es, diese
Prozesse zu automatisieren, mit Software, die auf 45-
Dollar-Tablets funktioniert.
Wir tragen nicht die Schuld am Stolz über unsere
menschliche Fähigkeit für Empathie und Einsicht. Dies
sind wertvolle Kapazitäten. Wenn aber alles, was wir uns
leisten können, ein 45-Dollar-Tablet ist, dann sind die
Hohelieder auf das iPad keine Lösung.
Es gibt bereits Roboter in Klassenzimmern, und Roboter,
die für die Pflege von Senioren entworfen wurden. Es gibt
Roboter, die Menschen im Rollstuhl ihre Mobilität
zurückgeben. Software steuert bereits viele Bereiche des
Fliegens in fortschrittlichen Flugzeugen.
Dickschädel sind dazu bereit zu erklären, dassKampfpiloten unerlässlich seien, egal welche Kosten, was
aber, wenn wir uns nicht länger 200-Millionen-Dollar-
Kampfjets leisten können?Egal welche Kosten,dies ist
eine andere Art zu sagen solange jemand anderes die
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Rechnung zahlt, oderBezahlung per Kreditkarte. Doch
keines ist eine Lösung; beide sind Wunschdenken.
Wenn wir uns lediglich einen Fürsorgeroboter leisten
können, dann wird die Lösung sein, die Fähigkeiten des
Roboters zu verbessern, nicht der Versuch seines
Austauschs durch einen kostspieligen Menschen. Wenn
wir uns lediglich ein pilot-loses Flugzeug welches vom
Boden gesteuert wird leisten können, dann wird die
Lösung nicht sein, sich eine Billion zu leihen, um obsolete
Kampfjets zu bauen welche unseren Hang zum Schein der
Unersetzbarkeit befriedigen. Die Lösung ist, die
Fähigkeiten der pilot-losen Flugzeuge zu verbessern.
Dass sowohl unerschwingliche wie ineffiziene Systeme
ersetzt werden müssen, ist einleuchtend und notwendig,
jedoch widersetzen wir uns, weil wir erkennen, dass die
verlorenen Arbeitsplätze nicht ersetzt werden können.
Nehmen wir als Beispiel hier die Art, wie wir momentan
medizinische Tests handhaben. Der Patient fährt zur Klinikoder ins Krankenhaus, wartet in einem Zimmer (ein totale
Vergeudung von potentiell produktiver Zeit), während eine
riesige Bürokratie die Interaktion und die Bezahlung
verarbeitet. Eine Probe wird entnommen, und der Patient
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fährt zurück zur Arbeit, oder nach Hause. Die Proben
werden ins Labor geschickt, wo hochbezahltes Personal
sie bearbeitet. Die Resultate werden in ein System
eingegeben und dem Patienten und/oder den Ärzten und
Krankenschwestern ausgehändigt.
All dies (ver)braucht teure Energieträger, Zeit, und Arbeit.
Noch schlimmer, die Ergebnisse sind Momentaufnahmen,
die trügerisch sein können. Was ist, wenn Krankenhäuser
den Patienten nervös machen? (Ich hebe die Hand.) Der
gemessene Blutdruck wird dann höher sein als wenn er
zuhause gemessen würde. Dem Patienten wird womöglich
unnötige medikamentöse Behandlung verschrieben.
Die digitale Technologie ermöglicht einen viel billigeren
und effizienteren Weg, um mit solchen Tests umzugehen.
Die Patienten tragen digitale Apparate, die kontinuierlich
die Werte in Echtzeit messen. Smartphones werden zu
kontrollierenden und überwachenden Einheiten die Wege,
Zeitaufwand und bürokratische Reibungshitze eliminieren.
Es gibt keinen Papierkrieg; die Daten werden digitalversendet.
Zu behaupten, das gegenwärtige System sei notwendig
und effizient, ist absurd. Es ist verschwenderisch,
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unbezahlbar, ineffizient, und unnötig.
Sein Ersatz wir viel mehr Arbeitsplätze eliminieren als
durch Software-Entwicklung geschaffen werden. Es gibt
keine äquivalente Erweiterung von Arbeitsplätzen, und es
gibt kein Zurück in kostspielige, verschwenderische,
ineffiziente Systeme welche die Arbeitsplätze schufen.
Ungefähr 50% der Gesundheitsausgaben in den USA sind
für 5% der Bevölkerung mit mehreren chronischen
Krankheiten. Wenn Technologie die Kosten für die
Überwachung und Kontrolle dieser Patienten reduzieren
kann, indem menschliche Arbeit eliminiert wird, dann
werden wir letztendlich keine andere Wahl haben als diese
Kostensenkung vorzunehmen. Die Bezahlung der
explodierenden Kosten des Gesundheitswesens mit der
nationalen Kreditkarte ist keine nachhaltige Lösung.
Die Kosten der Hochschulbildung laufen auf eine einfache
Prämisse hinaus: Wenn ein Student einmal lernt zu lernen,
dann braucht er nicht mehr die komplexe Bürokratie um zulernen. Wie ich in meinem BuchThe Nearly Free
University and the Emerging Economy (“Die fast
kostenlose Universität und die entstehende Ökonomie”)
beschrieb, ist eine Reduzierung der Kosten der
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Möglicherweise ist der 1 Billion-teure F-35 Kampfjet
marginal besser unter gewissen Bedingungen, doch sind
Flugzeuge, die vom Boden aus gesteuert werden und die
90% billiger sind unter vielen anderen Bedingungen
besser – eine Tatsache, die von jenen, welche ihre Jobs
im Status Quo verteidigen, nie erwähnt wird.
Ein riesiges Universitätsgelände mit hochbezahltem
Personal mag unter gewissen Umständen besser sein als
Online-Lernen welches mit einem Praktikum verbunden
ist, aber in anderen Situationen ist das Lernen innerhalb
des Modells mit einer zielgerichteten Lehre sehr viel
effektiver als die Studenten dazu zu zwingen, sich durch
vier Jahre Vorlesungen zu mühen um eine unglaublich
kostspielige Qualifikation mit rapide nachlassendem Wert
in der realen Welt zu erlangen.
Mit dem Risiko, jene zu nerven die Wiederholungen
verabscheuen:Ungeachtet aller Kosten ist eine andere Art
zu sagen “Solange jemand anderes die Rechnung zahlt”,
oder “Solange es auf die Kreditkarte gesetzt werdenkann”. Keines von beiden ist eine Lösung.
Technologie frisst mittelständische Arbeitsplätze auf die
gleiche Weise wie sie unqualifizierte Jobs gefressen hat,
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und als Ergebnis steigender Kosten ist ihr Appetit nach
mittelständischen Jobs am zunehmen. Die Arbeitsplätze,
die durch Niedrigkosten-Technologie geschaffen werden
sind selbst anfällig für Automatisierung, wenn die
anfängliche Entwicklung einmal getan wurde.
Menschliche Arbeit ist die 450-Dollar-Option, und zu
sagen, sie sei essentiell hilft jenen mit nur 50 Dollar nicht.
Ihre einzige rationale Wahl ist, die 45-Dollar-Option zu
kaufen und an der Verbesserung des Outputs dieser
Niedrigkosten-Technologie zu arbeiten.
Die Schwächen und Fehler vom garantiertem
Einkommen für alle
Kommen wir zurück zur zweiten konventionellen Lösung
für das, was passiert, wenn Automation riesige Areale von
bezahlter menschlicher Arbeit eliminiert: Die Auszahlung
eines garantierten Mindesteinkommens für alle, bezahlt
durch Steuergelder, die von jenen eingenommen werden,welche Profite durch Roboter und Software machen.
Dies ist die Lösung desSuperwohlfahrtsstaates: Die
Regierung nimmt genügend Steuern ein, um
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Sozialleistungen zu zahlen, nicht nur an die temporär
arbeitslosen und jene, die nicht arbeiten können (Kinder,
Behinderte und Senioren), sondern an die Mehrheit der
Bürger, nicht nur in einem bestimmten Lebensabschnitt,
sondern während ihres gesamten Lebens.
Das offensichtlichste Problem mit dieser Lösung der
Massenarbeitslosigkeit ist, die Zahlen rechnen sich nicht:
Die Besitzer von Robotern und Software können nicht
genügend Profit machen, um die riesigen Kosten eines
garantierten Mindesteinkommens für Dutzende von
Millionen von arbeitslosen Haushalten zu bezahlen.
Ein kurzer Blick auf die gegenwärtigen Staatsausgaben
und Firmengewinne zeigt den Abgrund zwischen den
Kosten für ein garantiertes Mindesteinkommen für alle und
der Realität.
Die US-Regierung gibt momentan jährlich 3.2 Billionen
Dollar aus, und etwa zwei Drittel davon sind für
Programme wie Social Security (Sozialversicherung undEinkommensversicherung), Medicare, Medicaid,
Subventionen für Wohnraum, SNAP
(Lebensmittelmarken), Arbeitslosenversicherung, und so
weiter.
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Die gesamten Unternehmensgewinne in 2015 betrugen
etwa 1.8 Billionen. Wenn die Regierung den letzten Dollar
der Firmengewinne nehmen würde (was
offensichtlicherweise unpraktisch ist), dann ist dies
weniger als 30% der gesamten Staatsausgaben.
Aber – so zumindest geht die konventionelle Denkweise –
digitale Unternehmen werden noch profitabler sein als der
existierende Haufen an Unternehmen.
Basiert dies auf der Realität oder ist dies nur noch mehr
Wunschdenken?
Nehmen wir einmal drei Technologie-Giganten, die von
praktisch allen als Paradebeispiel für Wachstum in der
digitalen Ökonomie hochgehalten werden: Google,
Facebook und Twitter.
Google hatte Einnahmen von 70 Milliarden (Halbjahr
2015), Nettoeinkommen (Profit) von 14 Milliarden, undweltweit 55.000 Angestellte. (In den USA sind es um die
33.000.)
Wenn die gesamten Nettogewinne von Google vom Staat
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genommen werden würden, dann benötigten wir 443
Googles, jedes mit 14 Milliarden im Jahr, um alle
Staatsausgaben zu finanzieren.
Aber es gibt nur ein Google auf dem Planeten, und es gibt
nicht genügend Sauerstoff für ein weiteres Google, schon
gar nicht für hunderte von ähnlich profitablen
Unternehmen. Google erledigt schon die überwiegende
Mehrheit der Web-Suchen.
Wenn wir annehmen, dass jene 443 hochprofitable
Firmen, jede davon für sich, 33.000 in der USA angestellte
Leute brauchen, um zu funktionieren, dann hätten wir etwa
15 Millionen private Angestellte – etwa 10% der
amerikanischen Arbeiterschaft von 150 Millionen.
Facebook hat global 10.000 Angestellte und
erwirtschaftete einen Nettogewinn von 2.8 Milliarden. Wir
würden 2214 Facebooks brauchen, um alle
Staatsausgaben zu finanzieren. Jene 2214 Firmen hätten
eine Belegschaft von insgesamt 22 Millionen – weniger als2% der Arbeiterschaft.
Aber es gibt nur ein Facebook auf dem Planeten, und eine
oder zwei entsprechende Firmen in China. Was würden
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die anderen 2213 hochprofitablen digitalen Firmen tun, um
Milliarden an Profiten zu erwirtschaften und 10.000 Leute
anzustellen?
Nehmen wir Twitter, mit seiner globalen Verbreitung und
3900 Angestellten. Die Gewinne sind, vor Zinsen, Steuern,
Wertminderung und Amortisation (EBITDA) 339 Millionen.
Ganz richtig, ein Verlust. Es ist eine wachsende Firma,
also wird sie vielleicht schon bald einen Nettogewinn
bringen. Aber es gibt keine Garantien dafür.
Wieviele Twitter-äquivalente Firmen brauchen wir, um 6.2
Billionen an Staatsausgaben zu finanzieren? Wenn Firmen
nicht sehr profitabel sind, dann gibt es nichts zu
besteuern. Und wenn sie nicht viele Angestellte haben
(denken wir an Craigslist), dann gäbe es nicht genug von
ihnen, um 6.2 Milliarden an Steuern einzunehmen.
In jedem dieser Fälle dominiert das Unternehmen seinen
Bereich; da ist nicht genug Sauerstoff für auch nur ein
weiteres Google, Facebook, Twitter oder Craigslist, schongar nicht für tausende solcher digitalen Unternehmen.
Dies ist ein sehr einfaches Modell, natürlich, denn ich
habe nicht die Steuern miteinberechnet welche Google vor
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dem Nettogewinn zahlte, die Lohnnebenkosten, die von
den Angestellten bezahlt wurden, und so weiter. Doch der
Kernpunkt hier ist, dass ein garantiertes
Mindesteinkommen welches über 7 Billionen an
Steuereinnahmen benötigt, hochprofitable Firmen sowie
Dutzende von Millionen an gutbezahlten Angestellten die
gehörig Steuern zahlen voraussetzt.
Wenn keine dieser Vorbedingungen vorhanden ist, dann
ist die Idee eines garantierten Mindesteinkommens
unbrauchbar: Wenn Profite nachlassen und Arbeitsplätze
verschwinden, dann tun dies auch die Steuern.
Ob wir wollen oder nicht, die Lösung für
Massenarbeitslosigkeit mittels eines garantierten
Mindesteinkommens ist lediglich Wunschdenken. Selbst
die profitabelsten digitalen Firmen generieren bloß einen
dünnen Streifen der Profite und der Gehälter die
notwendig sind, um ein garantiertes Mindesteinkommen
für alle zu finanzieren, und sie beschäftigen lediglich einen
dünnen Streifen der Arbeiterschaft.
Und dies unter der Annahme, dass es niemals eine
Rezession gibt – eine wirklich sehr dumme Annahme!
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Während einer Rezession fallen die Firmengewinne jäh
ab. Sollten die Profite auf 1 Billion sinken (wie dies in
vorangegangenen Rezessionen passierte), dann würden
die Steuern auf Unternehmen gerade einmal 15% der
gegenwärtigen Staatsausgaben decken – ganz
abgesehen davon, dass die Kosten für ein garantiertes
Mindesteinkommen für alle astronomisch ansteigen würde,
wenn Unternehmen Arbeiter entlassen.
Befürworter des garantierten Mindesteinkommens gehen
davon aus, dass steigende Steuern für Vermieter,
umweltverschmutzende Industriezweige, Zucker und
Alkohol etc. für die zunehmenden Kosten aufkommen
würden. Das Problem ist, dass es jetzt schon saftige
Steuern auf praktisch alle diese Kategorien gibt, und ein
kurzer Blick auf die tatsächlichen Profite die jeweils
eingefahren werden offenbart, dass die gestiegenen
Steuern bei weitem nicht ausreichen würden um all die
ausgefallenen Einnahmen, bedingt durch abnehmende
Profite und verschwindende Arbeitsplätze, zu ersetzen.
Die einzig mögliche Schlussfolgerung: Garantiertes
Mindesteinkommen für alle istWunschdenken.
Aber da ist ein noch viel größeres Loch in dieser
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Erzählweise, wie wir sehen werden.
Automatisierung kommodifiziert Arbeit, Güter und
Dienstleistungen, und senkt Profit
Während die Automatisierung Jobs frisst, tut sie das auch
mit den Profiten, denn die Automatisierung kommodifiziert
Arbeit, Güter und Dienstleistungen. Wenn etwas
kommodifiziert wird, fällt der Preis, denn die Güter und
Dienstleistungen sind austauschbar und können fast
überall produziert werden.
Das 45-Dollar-Tablet kann überall montiert werden, und
die Software kann überall geschrieben werden.
Hohe Profite kommen durch Knappheit, z.B. wenn die
Nachfrage das Angebot übersteigt. Wenn das Angebot die
Nachfrage übersteigt, dann fallen die Preise, und die
Profite verschwinden.
Die Kosten der Automatisierung und der Robotik sinken
dramatisch. Dies senkt die Kosten des Einstiegs für
kleinere, hungrigere, beweglichere Konkurrenten, und es
senkt die Kosten von steigender Produktion.
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Die Einzelteile für das 45-Dollar-Tablet fallen im Preis, und
die Profitmargen dieser Teile ist hauchdünn, denn sie sind
lediglich Güter. Software wie das Android Betriebssystem
ist kostenlos, und viele der für die Zusammenstellung von
neuer Software benötigten Software-Bibliotheken sind
ebenfalls gratis.
Automation erhöht das Angebot und senkt die Kosten.
Beide sind tödlich für Profite.
Hier ist also das Kernproblem mit der Idee, dass Steuern
auf die Besitzer von Robotern und Software das
garantierte Einkommen für alle finanzieren: Je mehr
Arbeit, Güter und Dienstleistungen
automatisiert/kommodifiziert werden, desto niedriger die
Profite.
Die momentane Story geht davon aus, dass mehr
Reichtum durch die digitale Zerstörung von
Industriezweigen und Arbeitsplätzen geschaffen wird, aberBeispiele aus der Realität legen nahe, dass das genaue
Gegenteil der Fall ist: Für die Musikbranche fielen die
Einnahmen auf die Hälfte, als digitale Technologie sich
durch ihren Sektor fraß. Eine 14-Milliarden-Industrie ist
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jetzt eine 7-Milliarden-Industrie. Profite und
Lohnnebenkosten der Industrie sackten ab.
Alldieweil der Musik-Abonnementservice den Verkauf von
Liedern und Alben ersetzt werden die Einnahmen
weiterhin fallen, obwohl der Konsument breiteren Zugang
zu mehr Produkten hat. Mit anderen Worten, die
Zerstörung von Verkäufen, Arbeitsplätzen von Angestellten
und Profiten ist bei weitem noch nicht vorüber.
Beispiele für solch radikale Abstürze sind im täglichen
Leben zahlreich. Um ein kleines Beispiel zu nennen,
neulich versagte unser Kühlschrank. Der Motor lief, aber
die Kühlung funktionierte nicht. Statt den Apparat für
hunderte von Dollar zu ersetzen, oder einen teuren
Reparaturservice zu bestellen, schaute ich online,
diagnostizierte das Problem als einen fehlerhaften Sensor,
sah mir das Tutorial auf YouTube an (was ich die YouTube-
Universität nenne), bestellte online einen neuen Sensor für
weniger als 20 Dollar, und machte die Reparatur ohne
Kosten, abgesehen von einer halben Stunde Arbeit, wasmich nichts kostete was eine Geldausgabe anbelangt.
Der Profit, der von YouTube gemacht wurde, war minimal,
ebenso die Profite der Firmen welche den Sensor
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anfertigten und verschickten. Die Verkäufe und Profite, die
durch die Benutzung von fast kostenlosen digitalen
Werkzeugen umgangen wurden, lagen eine
Größenordnung darüber.
Neulich wurde ich via Skype interviewt, von einem Online-
Journalisten mit Millionen von Ansichten seines YouTube-
Kanals. Vor einem Jahrzehnt, als er im Mainstream TV-
Journalismus tätig war, benötigte ein Interview kosten- und
zeitaufwendige Reisen (für das Team oder den Gast),
einen Toningenieur, einen Kameramann, einen
Interviewer, einen Editor und die Gesamtaufsicht der
Leitung. Diese sechs Jobs wurden mit digitalen
Werkzeugen in einen einzigen Job zusammengerollt, und
Reisen wurden vollkommen eliminiert.
Manche werden argumentieren, dass die Qualität des
Videos und des Tons nicht so hoch sei, aber die Qualität,
die der Konsument erlebt, ist letztendlich vom Display des
Konsumenten abhängig, und dies ist zunehmend ein
Handy oder ein Tablet. Also ersetzt in Sachen Nutzen,Wert und Eindruck das Produkt, welches von einer
einzigen Person produziert wird, das konventionelle
Medium, welches sechs Leute benötigte.
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Mein eigenes Solo-Unternehmen für digitale Inhalte hätte
vor nur einem Jahrzehnt eine Handvoll Leute
vorausgesetzt (wenn nicht mehr). Mit digitalen
Werkzeugen und Dienstleistungen braucht es jetzt nur
eine Person. Jene unter uns, die mit digitalen Mitteln
arbeiten müssen um zu überleben, wir wissen aus erster
Hand dass, was einmal eine ganze Reihe von Arbeitern
voraussetzte, jetzt von einer Person produziert werden
muss, wenn wir hoffen wollen, auch nur ein marginales
Mittelschicht-Einkommen verdienen zu können.
Multipliziert man ein Haushaltsgerät, welches nicht ersetzt
werden muss, und einen Reparaturservice, der nicht in
Anspruch genommen werden muss, ein halbes Dutzend
Positionen, die durch einen Teilzeitjob ersetzt werden, ein
Haushaltsgerät, welches 10% kostet verglichen mit der
Marke mit dem hohen Profit, und man versteht, weshalb
Profite abstürzen, während Software die Welt frisst.
Dies sind nicht blauäugige Beispiele, die auf Projektion
beruhen; dies sind Beispiele aus der wirklichen Welt derdigitalen Technologien welche Kosten, Verkaufszahlen und
Profite auf höchster Ebene zerstören.
Manche Beobachter haben die Besteuerung von Reichtum
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statt Profiten zum Zweck der Finanzierung des Super-
Wohlfahrtsstaates vorgeschlagen. Alldieweil Profite
sinken, könnte Reichtum viel mehr reine Einbildung sein,
als diese Beobachter annehmen.
Die steigenden Kosten menschlicher Arbeit
Es gibt einen weiteren Antrieb für die Automatisierung,
einer der von den herkömmlichen Stories übersehen wird:
Die steigenden Kosten der menschlichen Arbeit.
Im Gegensatz zum menschlichen Arbeiter braucht ein
Roboter keine Krankenversicherung,
Arbeitsunfallversicherung, Rente und all die anderen
Arbeitsgemeinkosten. Ein Roboter streikt nicht für höheres
Gehalt.
Wie der Nationalökonom Immanuel Wallerstein
beobachtete, steigen die Lohnkosten global, bedingt durch
die strukturellen Kräfte, die immun sind gegenüberProduktionssteigerungen, Rezessionen, Steuerkrediten
oder anderen Faktoren:
1.Urbanisierung
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2.Externe Kosten (Umweltschäden, etc.), welche nun
bezahlt werden müssen.
3.Steigende Lohnkosten, während die Öffentlichkeit mehr
Leistungen vom Staat fordert.
Diese Trends sind besonders in China sichtbar, wo die
Löhne stiegen, die Kosten für die Kontrolle der
Umweltverschmutzung stiegen, und die Forderungen an
die Leistungen seitens des Staates stiegen.
Wo stehen wir also zu diesem Zeitpunkt?
• Technologie schafft nicht länger mehr Arbeitsplätze als
sie zerstört.
• Profite nehmen ab, während Automation Arbeit, Güter
und Dienstleistungen weltweit kommodifiziert.
• Digitale Werkzeuge und Roboter sinken im Preis,
während die Kosten für menschliche Arbeit
unaufhaltsam steigen.
• Während die Kosten für Automatisierung sinken, fallen
auch die Barrieren für Einsteiger und Konkurrenten,und alle werden in die Automatisierung gedrängt,
wenn sie überleben wollen.
Alles zusammengenommen, und die Schlussfolgerung ist
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unübersehbar: Die Lösungen der herkömmlichen
Erzählweisen (der Glaube, dass mehr Jobs geschaffen als
zerstört werden, garantiertes Einkommen für alle) sind
Wunschdenken.
Dasselbe kann gesagt werden über die Rufe nach dem
Staat, dass er Dutzende von verdrängten Arbeitern in
einem gigantischem Arbeitsprogramm beschäftige –
woher soll das Geld kommen, wenn die Steuereinnahmen
stocken?
Ja, Regierungen können sich Geld leihen, doch dies ist
kein nachhaltiger Weg um Dutzende von Millionen von
Arbeitsplätzen zu erhalten. Wenn Profite und die steigende
Zahl der Arbeitsplätze nicht zurückkehren, dann ist das
Leihen von Geld nur eine vorläufige Notlösung, keine
Lösung.
Das System kann nicht die Probleme der
Automatisierung lösen
Fassen wir zusammen, was wir bisher über Systeme
herausgefunden haben.
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Die althergebrachte Version der Dinge behauptet, dass
das gegenwärtige System automatisch mehr Arbeitsplätze
schaffen wird, ohne dass wir irgendetwas verändern
müssen. Falls sich dies als falsch herausstellen sollte,
dann wird das System jedem ein garantiertes Einkommen
für das ganze Leben geben, ohne dass etwas verändert
wird, bis auf den Steuersatz für Unternehmen, die Roboter
und Software besitzen welche all die Jobs fraßen.
Beide Lösungen sind total unpraktisch, haben keine Basis
in der Realität. Beide beruhen auf Wunschdenken.
Doch ist dies nicht alles was am konventionellen System
falsch ist.
Armut ist mehr als materiell
Die konventionelle Erzählweise erkennt nicht, dass der
Verlust von Arbeitsplätzen einen Verlust an Bestimmung
und sozialer Kohäsion nach sich zieht. In der Phantasie-Version des garantierten Einkommens für alle erhalten
Leute ein garantiertes Einkommen und haben die
Möglichkeit, Literatur zu erforschen, Musik zu
komponieren, Kunstwerke zu schaffen, Spiele zu spielen,
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und die eines Lebens das erfüllt ist von produktivem
Müßiggang. Befreit von der Last der Arbeit werden die
Leute Güter und Dienstleistungen konsumieren die durch
Automatisierung geschaffen wurden.
Diese Phantasie übersieht die Realität, und zwar jene,
dass Gemeinschaften, denen freies Wohnen, Essen und
Gesundheitswesen gegeben wird, zum Nährboden für
selbstzerstörerisches Verhalten werden, für Pathologien
wie Depression, schlechte Gesundheit und
Unglücklichsein. Die öffentlichen Intellektuellen die eine
Phantasie der kreativen Freizeit proklamieren, begründen
ihre Vision von Utopia mit ihrer eigenen Gruppe von
Anhängern und Mitgliedern, den am meisten gebildeten,
den erfolgreichsten und ambitioniertesten 1% der
Arbeiterschaft. Die meisten Menschen können nicht auf
Dauer den Lebenssinn und die Zielsetzung außerhalb
eines Arbeitsverhältnisses welches wichtige soziale Rollen
bietet aufrechterhalten.
Arbeit ist die Grundlage für Sinn und für positive sozialeRollen; Freizeit und Konsum sind es nicht.
Der Forscher John B. Calhoun fand heraus dass, wenn
einmal die Zahl der Individuen, die dazu fähig sind, soziale
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Rollen zu erfüllen, die Zahl der verfügbaren Rollen
übersteigt, dann bricht die soziale Kohäsion zusammen,
und die folgende Pathologie der geteilten
Hoffnungslosigkeit schafft was Calhoun einen
verhaltensmäßigen Abgrund genannt hat (“behavioral
sink”). Hoffnung und der menschliche Geist werden beide
von diesem Abgrund eines schwarzen Loches vernichtet.
Obwohl wir über Armut in materiellen Parametern denken
ist der tiefere Verlust des Verschwindens von Jobs der
Verlust der positiven sozialen Rollen, von Absicht und Sinn
– nicht nur der Grund dafür, morgens aufzustehen,
sondern der Grund dafür, beizutragen. Leuten nur einfach
Geld zu geben schafft nicht automatisch positive soziale
Rollen. Stattdessen bestärkt dies den
selbstzerstörerischen Zustand den ich permanente
Adoleszenz nenne, worin ein Fokus auf Freizeit und
Konsum das menschliche Leben trivialisiert. Dieser Abbau
von sozialen Rollen zugunsten des Konsumenten-tums
führt zu Selbstabsorption und dem Verlust von Absicht,
Stolz, und von Sinnhaftigkeit.
Dass die Ökonomen blind gegenüber der schrecklichen
Verarmung des menschlichen Lebens sind, wenn sinnvolle
Arbeit verschwindet ist verblüffend, und man ist daran
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erinnert, dass Arbeit nicht nur ein finanzielles
Arrangement ist; es ist ein soziales Arrangement, und die
Quelle von individuellem Stolz und von Zielhaftigkeit.
Der Verlust von Jobs ist nicht nur der Verlust von
Einkommen, sondern eine Armut an Mög