Therapierbare Viren?
• Herpesviren: HSV 1+2, VZV, CMV, HHV6• Influenzaviren A, B• Hepatitisviren: HBV, HCV• HIV• (RSV, Adenoviren, Lassaviren, Hantaviren…)
– Keine randomisierten Therapiestudien verfügbar
Wirkweise von antiviralen Substanzen
• Antivirale Medikamente sind virostatisch (vermehrungshemmend), nicht viruzid (abtötend)
• Viren haben keinen eigenen Stoffwechsel, sie bedienen sich des Stoffwechsels der Körperzelle ‐ Angriffspunkte müssen bei den Stadien der Virusvermehrung liegen und dürfen nicht in den Zellstoffwechsel eingreifen
Angriffspunkte in den Vermehrungsstadien eines Virus
• Andocken der Viruspartikel an der Zellmembran des Wirtsorganismus
• Eindringen in die Wirtszelle, uncoating(Freisetzung von Kapsid und Genom aus der Virushülle)
• Synthese viraler Nukleinsäuren und Proteine (z.B. Kapsidproteine)
• Assembly (Zusammenfügung der synthetisierten Virusbestandteile zu neuen Viren)
• Freisetzung der neu gebildeten Viren aus der Wirtszelle
Am längsten bekannt: Polymerase‐Inhibitoren
• Störung des Aufbaus viraler Nukleinsäurestränge
• Polymerase braucht freies 3‐Hydroxy‐Ende am Nukleotid um komplementären Strang zu synthetisieren
• Polymerase kann gehemmt werden durch Substanzen, die ihr diese Struktur vorgaukeln
Nukleosid/Nukleotid‐Analoga
• Sehen ähnlich aus wie Nukleoside/Nukleotide (Nukleosid‐Triphosphate)
• Durch Einbau des falschen Bausteins kann die Polymerase die Kette nicht zu Ende synthetisieren – Kettenabbruch
• Gefahr: Zytotoxizität• Ideal: Prodrug wird durch virale Enzyme aktiviert
Wirksamkeit von Acyclovir
• Abhängigkeit von der viralen Thymidinkinase: – Wirksam am besten gegen HSV1 und HSV2– Schlechter wirksam gegen Varicella‐Zoster‐Virus , höhere Dosen notwendig
– In vitro wirksam gegen EBV, nicht in vivo– Nicht wirksam gegen andere Herpesviren bzw. gegen andere Viren
– Schlechte Bioverfügbarkeit bei oraler Gabe
Ähnliche Wirkstoffe
• Penciclovir – Ähnlich wie Aciclovir, nur für die topische Anwendung
• Famciclovir – Diacetylderivat von Penciclovir, oral bioverfügbar
• Ganciclovir
Ganciclovir
• Auch ein Guanin‐Analogon
• Virale Kinase: Monophosphat• Zelluläre Kinase: Diphosphat• Kinase der CMV‐infizierten Zelle (10x effektiver):
TriphosphatZytotoxisch: Knochenmarksuppressiv
Ganciclovir
• Oral schlechte Bioverfügbarkeit: – Prodrug: Valganciclovir, zur Prophylaxe und Therapie der CMV‐Infektion zugelassen
• Sehr enges therapeutisches Fenster– Zu niedriger Wirkspiegel: nicht ausreichend wirksam, Resistenzentwicklung
– Zu hoher Wirkspiegel: evtl. Knochenmarktoxisch
Nukleotid‐Analogon: Cidofovir
• Analogon von Deoxy‐Cytidin‐Monophosphat• Blockiert in vitro viele DNA‐Viren
– Zugelassen nur für die Therapie von CMV
• Phosphorylierung durch zelluläre Kinasen • Hemmt virale Polymerase viel stärker als zelluläre Polymerase
Nicht‐Nukleosidische Polymerase‐Inhibitoren
• Blockieren die Polymerase‐Aktivität ohne Nukleoside/Nukleotide nachzuahmen und ohne in die Kette eingebaut zu werden
• Foscarnet:
• Bindet die virale Polymerase, die dadurch blockiert wird
Weitere antivirale Wirkstoffe
• Hemmung des Viruseintritts: – Fusions‐Inhibitoren: Énfurvitide (HIV)– Hemmung des Uncoating: z.B. Amantadin (Influenza)
• Hemmung viraler Proteine– Proteaseinhibitoren : HIV, HCV– Integraseinhibitoren: HIV
• Hemmung der Virusfreisetzung: Zanamivir, Oseltamivir – Influenza
• (Interferon alpha (und Lambda): Stimulierung der körpereigenen Virusabwehr)
Probleme der antiviralen Therapie
• Viren werden nicht abgetötet – Immunsystem muss „helfen“
• Therapie muss rechtzeitig gestartet werden, bevor zu viele Zellen mit dem Virus infiziert sind
• Resistenzentwicklung durch weitere Replikation unter Medikation und „Fehler“ bei der Replikation
Fallbeispiel
• 52‐jährige Nierentransplantierte Patientin• Unter antibiotischer Therapie mit Erythromycin (Cytochrom p450 Hemmung) Anstieg der Cyclosporin‐Konzentration
• Plötzlicher Anstieg der Leberwerte und Pankreasenzyme
• Hepatitis‐Serologie und PCR auf Herpesviren– Nachweis hoher Konzentration HSV‐1‐DNA im Blut
• Sofortiger Start einer i.v. Aciclovir‐Therapie mit 10mg/kg 3x täglich
• Zwei Tage später Entwicklung einer respiratorischen Insuffizienz
• Exitus Letalis ‐ HSV‐1 nachweisbar in allen Organen in hoher Konzentration
• HSV‐1‐Reaktivierung, wahrscheinlich zu später Therapie‐Beginn bei zusätzlich fehlender zellulärer Immunität
Fallbeispiel 2
• 10 Tage alter Säugling wird schlapp, trinkt nicht mehr
• Anstieg der Leberwerte, Fieber, Leukozytose• Sofortiger Start einer Aciclovir‐Therapie• Molekulare Diagnostik für verschiedene virale Erreger der neonatalen Sepsis
• Nachweis von 20 Mio Kopien/ml HSV‐1‐DNA im Blut
• Klinische Besserung innerhalb weniger Tage• Deutliche Abnahme der Viruslast im peripheren Blut
• Nach 3 Wochen konnte der Säugling gesund entlassen werden
• HSV‐1‐Primärinfektion rechtzeitig therapiert bei funktionierendem Immunsystem
Herpes simplex – Wann therapieren?
• Optional: Primärinfektion mit ausgeprägter Symptomatik
• Genitale Primärinfektion• Herpetischer Rundlauf
en.wikipedia.org
consultant360.com
Herpes simplex – wann therapieren
• Optional: Häufige Rezidive bei genitalem Herpes – Langzeitprophylaxe über 6 – 12 Monate mit oralem Valaciclovir oder Famciclovir
Herpes simplex –Immer therapieren bei:
• Reaktivierung unter Immunsuppression• Verdacht auf Primärinfektion bei
– Schwangeren– Immunsupprimierten– SäuglingenNICHT AUF DIAGNOSTIK WARTEN !!!
• Verdacht auf Herpes‐Enzephalitis– NICHT AUF DIAGNOSTIK WARTEN !!!
Varicella‐Zoster‐VirusTherapie notwendig?
• Ab 50 J. zunehmende Häufigkeit von Komplikationen
• Postzosterische Neuralgie (PZN) mit hohem Leidensdruck und enormen Therapiekosten
• Jeder Zoster ab 50 muss frühzeitig behandelt werden– Therapiebeginn innerhalb von 48h nach Auftreten der ersten Bläschen
Therapie der VZV‐Infektion
• Zoster unter Immunsuppression muss immer therapiert werden– Um hohe Aciclovir‐Spiegel zu erreichen, i.v. Therapie empfohlen
• Varizellen‐Primärinfektion bei Auftreten von Komplikationen wie Pneumoníe, Enzephalitis und bei Immunsuppression
Brivudin ‐ Zostex
• Thymidin‐Analogon• Phosphorylierung durch virale
Thymidinkinase, nur in virusinfizierten Zellen aktiviert
• Bleibt ca. 10h in der Zelle aktiv, hohe antivirale Potenz
• Wirksamkeit nur gegen HSV1 und VZV• Gute orale Bioverfügbarkeit• Muss innerhalb von 48h nach Symptombeginn
begonnen werden
Therapie der Influenzavirusinfektion
• Früher: Amantadin, eigentlich gegen Parkinson, hemmt den Eintritt der viralen Erbsubstanz in die Zelle– Nur gegen Influenza‐A‐Viren wirksam– H1N1 2009pdm resistent
• Neuraminidasehemmer: Oseltamivir (Tamiflu) und Zanamivir (Relenza)
Influenza behandeln ?
• Im Prinzip zugelassen ab 1J• Kann Symptomdauer verkürzen und evtl. Komplikationen verhindern
• Muss innerhalb von 36h, besser 24h nach Symptombeginn begonnen werden
• Therapie empfohlen bei Pat. mit Grunderkrankungen, Immunsuppression
• Resistenzentwicklung möglich
Entwicklung von Resistenzen bei antiviralen Medikamenten
• Jede antivirale Therapie kann Resistenzentwicklung mit sich bringen
• Virusreplikation ist „Evolution im Zeitraffer“– Schnelle Anpassung an neue Gegebenheiten
• Bei Viren mit hoher Fehlerrate besonders schnelle Resistenzentwicklung
Antivirale Resistenz
• Je länger die Therapiedauer, desto wahrscheinlicher entwickeln sich Resistenzen
• Da viele Wirkstoffe auf ähnlichen Wirkmechanismen basieren und miteinander verwandt sind, sind Kreuzresistenzen häufig
• Resistente Stämme können übertragen werden
Antivirale Resistenzen
• HIV‐Therapie – vergleichbar mit TBC, nur Kombinationstherapie möglich, ständiges Therapiemonitoring notwendig, um rechtzeitig umzusetzen
• HCV und HBV – Anstieg der Viruslast unter Medikation– Lamivudintherapie bei HBV: innerhalb von wenigen Jahren hoher Prozentsatz resistenz, Kreuzresistenz zu neueren Medikamenten – heute obsolet
Resistenz bei Herpesviren: HSV, CMV
• Vor allem nach vorheriger Prophylaxe unter Immunsuppression
• Meistens Mutation der Thymidinkinase, die das Medikament aktiviert (Aciclovir bzw. Ganciclovir)– Foscarnet und Cidofovir meistens noch wirksam
Resistenz bei Influenzaviren
• H1N1 2009pdm gegen Amantadin resistent• Bei manchen Stämmen hoher Prozentsatz an Resistenzen (H1N1 saisonal zu nahe 100% Tamiflu resistent)
• bei längerer Anwendung , vor allem unter Immunsuppression, Entstehung unter Therapie
Wie stellt man antivirale Resistenzen fest?
• A: Klinische Resistenz– Wiederanstieg der Viruslast bzw. fehlende Besserung der Symptomatik bei zuverlässiger Medikamenteneinnahme
– Muss nicht immer durch echte Resistenz verursacht sein, Dosierungsprobleme, Interaktionen etc.
Wie stellt man antivirale Resistenzen fest?
• B: Phänotypische Resistenztestung– Virusanzucht (nicht bei allen Viren möglich) unter verschiedenen Konzentrationen des Medikamentes.
– Benötigt Zeit und viel Erfahrung– Hoch spezifisch, weist auch Resistenzen nach, für die die genetische Grundlage noch nicht bekannt ist
Wie stellt man antivirale Resistenzen fest?
• C: Genotypische Resistenzbestimmung– Durch PCR und Sequenzierung oder durch spezielle PCR‐Methoden, die die bekannten Punktmutationen nachweisen
– Methode ist darauf angewiesen, dass die Resistenzmutationen bekannt sind
– Abgleich mit Datenbanken, die gut geführt sein müssen
• Bindung der Hybridisierungssonde an die Amplifikate wird durch langsame Erhöhung der Temperatur gelöst
• Schmelzkurve stellt die Temperatur dar, bei der noch 50% der Bindungen vorliegen
• Bei Mutation lösen sich die Sonden aufgrund des Mismatches schon bei geringerer Temperatur als beim Wildtyp, wodurch sich die Schmelzkurve in der Analyse nach links verschiebt