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Digitalisierte Arbeit und menschliche Initiative
Erik Haberzeth, Prof. Dr.Professur für Höhere Berufsbildung und Weiterbildung Abteilung Hochschuldidaktik und ErwachsenenbildungPH Zürich
Tagung #Weiterbildung digital. Forschungsperspektiven25. Januar 2018
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Inhalt
1. Debatte um „4.0“ und die Digitalisierung der Arbeitswelt
2. Wandel von Arbeit: Forschungsergebnisse aus Logistik und Detailhandel
3. Bedeutung menschlichen Arbeitsvermögens
4. Perspektiven der Arbeitsgestaltung und Weiterbildung
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„4.0“-Debatte
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4.0-DebatteIndustrie 4.0
• deutsche Begriffsschöpfung
• Ursprung 2011: Artikel in den VDI-Nachrichten zur Hannover Messe
• Henning Kagermann u.a.: „Industrie 4.0: Mit dem Internet der Dinge auf dem Weg zur 4. industriellen Revolution“
• Idee: automatisierte Prozesssteuerung durch die Ausstattung von Gegenständen mit „Embedded Systems“ und deren autonome Kommunikation über das Internet („Cyber-Physical-Systems“)
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IFS, Abb. nach DFKI 2011
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4.0-Debatte
Logistik 4.0, Handel 4.0, Gesundheit 4.0 etc. – Wirtschaft 4.0• Ausweitung auf andere Branchen
Arbeiten 4.0: soziale Folgen• weniger technikzentriert, sondern Diskussion zukünftiger Arbeitsformen und -verhältnisse: Teilhabe an Arbeit,
Löhne, Qualifizierung, gute Arbeit, Unternehmenskultur etc.
Studium 4.0, Berufsbildung 4.0, Weiterbildung 4.0 etc.: Bedeutung für Bildung• z.T. Reduzierung auf Einsatz digitaler Medien („Schafft die Uni sich ab?“)• Berufsbildung: künftiges Verständnis vom Ausbildungsberuf, das Verhältnis und die Übergänge von Grund-
und Weiterbildung, Gestaltung von Lernprozessen, Qualifikation des Bildungspersonals, Inhalte etc. (BIBB 2016).
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Halle 54 bei Volkswagen:
Bild einer menschenleeren Fabrikhalle
(Metall. Zeitung der Industriegewerkschaft Metall, 23.9.1983, S. 28f., aus: Heßler 2014)
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Arbeitsbezogene Fragen der Digitalisierung– Substitutionsrisiko und Strukturwandel der Arbeit– Upgrading vs. Polarisierung– Qualitätsveränderungen der Arbeit (komplexer, abstrakter etc.) – Entgrenzung der Arbeit– Überwachung und Kontrolle, Datenschutz– Kompetenzen– Lernen, schulische und berufliche Bildung sowie Weiterbildung
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Wandel von Arbeit: Logistik und Detailhandel
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Forschungsprojekt: Digitalisierung von Arbeit– Universität Hamburg (Susanne Umbach, Hanna Böving) in
Kooperation mit der PHZH (Erik Haberzeth)– Mittelgeber: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)– 6 Betriebsfallstudien in den Branchen Logistik und Detailhandel– Interviews mit Beschäftigten der ausführenden Ebene, ergänzt
durch Expert-/innen-Gespräche und Betriebsbegehungen
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Bsp. Lagerlogistik: Beobachtung
– Standardisierung und Zentralisierung der Prozesse
– Monotonie durch stark eingeschränkte Handlungsspielräume (Ausführung, Bewegung)
– Kleinteiligkeit der Aufgabenbereiche
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Bsp. Hafenlogistik: Beobachtung
– Qualitätsveränderung der Arbeit: von „draußen“ nach „drinnen“ (Bildschirmarbeit) und vom „Groben“ zum „Feinen“
– Spannungsverhältnis zwischen Dequalifizierungstendenzen und hoher Verantwortung
– Veränderung der Identifikationschancen in der Arbeit
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Bild: dapd
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Bsp. Transportlogistik: Beobachtung
– Standardisierung (Aufträge, Zeiten etc.) und starke Steuerung durch Planer
– Gefahr sinkender Motivation durch digitale Fliessbandarbeit („mal ein Wort gewechselt“)
– Gefahr der Rücknahme individueller Initiative und Verantwortung für das Ganze
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Quelle: Wincor Nixdorf
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Wandel von Arbeit– hohe und zunehmende Automatisierung und Digitalisierung– Vereinheitlichung und zentrale Steuerung– Vernetzung von Prozessen
Auswirkungen auf Arbeit (u.a.):– eingeschränktes Aufgabenspektrum (Logistik) vs. Aufgabenanreicherung (Detailhandel)– eingeschränkte Autonomie (Ausführung, Bewegung)– Arbeitsverdichtung– Reduzierung des zwischenmenschlichen Kontakts und sinnlicher Erfahrung
Welcher Stellenwert kommt der menschlichen Arbeitskraft noch zu?Was zeichnet menschliches Arbeitsvermögen aus?
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Bedeutung menschlichen Arbeitsvermögens
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Bewältigung von Ungeplantem und Unwägbarkeiten– automatisches Bestellsystem erfasst Diebstahl, Defekte, falsches Einscannen etc. nicht– Bestellsystem kann unberechenbare Faktoren wie Wetter, Warenqualität etc. nicht hinreichend
abbilden– nicht-intendierte Effekte: die Kunden sind an SB-Geräten ratlos (Beratung), Kunden klauen
(Aufpasser), technische Ausfälle (Kasse blockiert, SB-Gerät friert ein etc.)– technische Dynamik und Probleme: permanente Updates, neue Geräte oder Komponenten– schwierige Wind- und Wetterverhältnisse bei der Verladung– Google Maps-Berechnungen werden ignoriert, um Stau zu vermeiden– Techniker füllen Wartezeit aus (ölen, putzen etc.)– Kommissionierungsgondel wird auf „Ehrenrunde“ geschickt
keine Ausnahmen, sondern die Regel; fester Bestandteil des Arbeitsalltags (vgl. Böhle 2015)
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Wandel von Arbeit zentraler Stellenwert spezifisch menschlichen Arbeitsvermögens: Gespür und Intuition, Kreativität, Entscheidungsflexibilität, Improvisationsfähigkeit etc., basierend auf Erfahrung und Identifikation
Leistungen:(1) „normale“ Prozesse werden ermöglicht
(2) gute und effektive Lösungen in „Ausnahmesituation“ werden gefunden
(3) gute Arbeit und Identifikationschancen für die Beschäftigten werden ermöglicht durch Einbringen subjektiver Kompetenz
Perspektiven der Arbeitsgestaltung und Weiterbildung
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Aspekte humaner Arbeitsbedingungen (Volpert 1990; Ulich 2005; Faulstich 1998)
• Handlungsspielräume• zeitliche Spielräume• Durchschaubarkeit und Veränderbarkeit der Arbeitsbedingungen• Ermöglichen körperlicher Aktivitäten• Ermöglichen sinnlicher Erfahrbarkeit• Einräumen unterschiedlicher Umsetzung• Kooperation und zwischenmenschlicher Kontakt
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Arbeitsgestaltung
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Lernen und Weiterbildung
– anforderungs- vs. personalorientierte Kompetenzanalysen– Vermittlung von Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten: IKT-Kompetenzen, Systemverständnis,
personale und soziale Kompetenzen etc. (vgl. SECO 2017)– personalorientierter Blick öffnet eine andere Ebene: Mitbestimmung und Autonomie, subjektive
Aneignung der Arbeit, Identifikationschancen, betriebswirtschaftlicher Nutzen
Personalorientierter Weiterbildungsansatz– Partizipation der Beschäftigten: bereits bei der Bedarfsanalyse, bei Durchführung, bei Gestaltung
der Arbeitssituation etc. (z.B. GO-Modell von SVEB)– Einsatz eines professionellen pädagogischen Weiterbildungspersonals– Weiterbildung des mittleren/oberen Managements: lernförderliche Unternehmenskultur
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Prof. Dr. Erik HaberzethProfessur für Höhere Berufsbildung und WeiterbildungZHE Zentrum für Hochschuldidaktik und ErwachsenenbildungPädagogische Hochschule Zürich Lagerstrasse 2CH-8090 Zü[email protected]
Vielen Dank!