SANDRA REGNIER Die Pan-Trilogie: Die magische Pforte der
Anderwelt (Pan-Spin-off )1 5 7
iDie Elfen sind zurück!
Die unterirdischen Gassen Edinburghs sind für die
16-jährige Allison nichts weiter als eine Touristen-
attraktion. Bis sie bei einer Führung mit ihrer Schul-
klasse aus Versehen eine mysteriöse Pforte öffnet
und unsägliches Chaos anrichtet. Denn von nun an
heftet Finn sich an ihre Fersen, der zwar verdammt
gut aussieht, aber leider ziemlich arrogant ist und
obendrein behauptet, ein Elfenwächter zu sein. Er
verlangt von Allison, das Tor zur magischen Welt
wieder zu schließen. Doch wie soll sie das anstellen,
wenn sie noch nicht mal an die Existenz von Elfen
glaubt?
• Das Spin-off zur erfolgreichen Pan-Trilogie
• 300.000 verkaufte Exemplare der Serie
• All-Age-Fantasy im unnachahmlichen Regnier-Stil
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Ich blinzelte und da geschah es. Der winzige Millisekun-
denbruchteil reichte aus, um meine Erinnerung zurückzu-
rufen. Es war alles wieder da! Wie er mich über die Schul-
ter geworfen und durch die engen Gassen getragen hatte.
Dass es streckenweise stockfinster gewesen war. Wir hat-
ten einen anderen jungen Mann getroffen und dann war
da dieser Durchgang im Mary Kings Close ... Der Durch-
gang zu dem sonnendurchfluteten Innenhof, der aussah,
als gehöre er nach Pompeji oder ins antike Rom oder so
ähnlich.
Meine beiden Begleiter waren niedergeschlagen wor-
den von ... Zwergen? Zumindest kleineren Männern, und
ich hatte Finns Ohren gesehen.
»Du hast Spitzohren!«, entfuhr es mir.
Er reagierte nicht.
»Du hast Ohren wie Peter Pan! Ist das ein Genfehler?
Hatte dein Vater so was? Oder sind die angeklebt wie in
Herr der Ringe? Darf ich mal sehen?«
Ich machte einen Schritt auf ihn zu, doch mein Bein
ließ mich erneut im Stich. Ich strauchelte und er fing mich
auf. In einer Geschwindigkeit, die mich überraschte.
Und mit einer Kraft, an die ich mich ebenfalls wieder
erinnerte.
»Du bist kein Mensch, oder?«
Ich sah zu ihm auf. Er wich meinem Blick nicht aus,
sondern erwiderte ihn.
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»Nein. Ich bin kein Mensch.«
Ich löste mich aus seinem Griff und trat zurück. Mir
schwante etwas.
»Moment mal. Du kannst unglaublich schnell rennen.
Und du bist übermenschlich stark.« Ich zog meine Uni-
formjacke vor der Brust zusammen. »Hast du auch einen
Röntgenblick?«
Blöderweise trug ich den dämlichen BH mit den klei-
nen Hufeisen, den Camilla mir letztes Jahr zu Weihnach-
ten geschenkt hatte. Wieso wartete ich auch immer mit
dem Waschen, bis der hier übrig blieb?
»Nein, ich habe keinen Röntgenblick«, sagte Finn. Ein
winziges Lächeln stahl sich auf seine Lippen. Ich atmete
erleichtert auf und ließ den Blazer wieder los.
Jetzt grinste Finn breit. »Aber ich kann Gedanken lesen.
Hufeisen hab ich noch nie zuvor auf einem BH gesehen.«
Entsetzt stieß ich einen Schrei aus. »Du bist ein Alien?
O Gott! Bitte sag nicht, dass du die Erde für dein Volk er-
kundet hast, damit sie uns den Sauerstoff abzapfen.«
»Red nicht so einen Unsinn. Wir leben schon viel län-
ger hier in England als ihr Menschen.«
Ich erstarrte. Er hatte Wir gesagt! Was meinte er mit
Wir?
»Wir Elfen«, beantwortete er meine unausgesprochene
Frage.
Ich wartete.
Ich wartete auf das: Ätschbätsch, verarscht!
Doch das kam nicht. Stattdessen runzelte er die Stirn.
»Wer zum Teufel sagt heute noch Ätschbätsch?«, fragte
er.
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Wenn er mir in den Magen geboxt hätte, hätte mir
nicht schlimmer die Luft ausgehen können.
»Allison? Bist du okay?« Er kam näher und weil ich so
klein war, musste er sich zu mir herabbeugen.
»Allison? Du bist so bleich! Warte, das kann ich än-
dern.«
Er hauchte mir ins Gesicht und ein Duft von Frühlings-
blumen und Leder umwehte mich.
»Normalerweise hilft das bei einem Menschen«, mur-
melte er verdutzt, als ich weiterhin nach Luft schnappte
und schwankte. Er wollte mich stützen, doch ich hielt ab-
wehrend eine Hand hoch.
»Nicht! Anfassen!«, stöhnte ich.
Er blieb auf Abstand und musterte mich kritisch.
Ich kniff die Augen zusammen und umfasste meine
Nase. Das war ein Traum. Das musste ein Traum sein. Ich
lag in meinem Bett und träumte einfach nur, dass ich in
einem unterirdischen Gang von Edinburgh stand, mit ei-
nem äußerst attraktiven Kerl, der meine Gedanken lesen
konnte. So was gab es im echten Leben nicht. George hatte
mich mit seinem Gequatsche beeinflusst.
»Kannst du die Augen wieder öffnen? Wir sind noch
nicht fertig hier unten.«
Der Duft von Blumen und Leder wurde stärker.
»Ach, verflixt«, murmelte ich. Er hatte Ätschbätsch ge-
sagt. Er konnte Gedanken lesen!
»Was ist? Ist dir schlecht?«, erkundigte er sich. Er klang
weniger besorgt als vielmehr genervt.
Ich öffnete die Augen. Nein, das war kein Traum. Das
war Realität pur. Oder ...?
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»Kannst du mal deine Mähne von den Ohren nehmen?«
»Was soll das werden?«
Ich will mich davon überzeugen, dass ich nicht geträumt habe,
dachte ich und: Wenn du wirklich Gedanken lesen kannst, soll-
test du das wissen.
Ein wenig widerstrebend bewegte er die Hände zu sei-
nem blonden Schopf. Da waren sie: die Spitzohren.
»Okay«, sagte ich und atmete ein paarmal hektisch ein
und aus. »Okay, lass mich nur mal kurz zusammenfassen.«
Doch statt irgendetwas zusammenzufassen, trat ich
näher an ihn heran. Er hatte die Haare wieder über die
Ohren fallen lassen, aber ich war doch zu neugierig.
Emma war mal als Galadriel auf einer Kostümparty
aufgetreten. Die angeklebten Ohrspitzen aus dem Inter-
net hatten sich angefühlt wie ein Wasserball, der an Luft
verloren hatte. Eklig, um ehrlich zu sein.
Finn hielt ganz still, als ich seine Haare zur Seite schob
und seine Ohren begutachtete. Er beugte sich sogar ein
wenig nach unten, damit ich einen besseren Blick drauf
werfen konnte.
»Nur um es klarzustellen«, knurrte er. »Ich halte nur
still, damit wir endlich vorankommen. Ich weiß schon,
dass du nur kooperierst, wenn deine Neugierde befriedigt
ist.«
Ich achtete nicht auf ihn und berührte seine Ohren.
Sie fühlten sich wirklich an wie Ohren! Weiche Haut,
Knorpel, nur waren sie oben halt – spitz!
Wahnsinn!
»Wahnsinn«, hauchte ich begeistert und konnte es
nicht lassen, noch einmal drüberzustreicheln.
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Ich hörte, wie sich Finns Atmung veränderte, und er
packte meine Hand.
»Okay, genug gefummelt. Bist du jetzt beruhigt?«
Beruhigt?
»So würde ich es nicht nennen«, gestand ich und schiel-
te noch immer zu seinen Ohren. »Mir fallen auf Anhieb
tausend Fragen ein.«
»Die müssen warten.«
»Das sehe ich anders«, erwiderte ich und ging erneut
auf Abstand. »Wenn du wirklich ein Elf bist – das da könn-
te ja auch immerhin einfach nur ein Gendefekt sein und
dein Opa hatte schon Spitzohren oder deine Großtante –«
»Es waren meine Eltern«, warf er ein. »Beide.«
Ich blinzelte und versuchte mich wieder auf das zu
konzentrieren, was ich hatte sagen wollen. »Okay, deine
Eltern. Gehen wir doch einfach mal davon aus, dass du zur
Spezies der tauträufelnden Blumenkinder gehörst.«
»So ein Unsinn«, stöhnte er. »Wir haben noch nie ...«
Er stockte, weil ich meine Hand hob. »Egal. Du bist ein
Elf, das lassen wir mal so stehen.« Auch wenn ich es nicht
glaubte. »Was waren dann die kleinen Männchen, die uns
überfallen haben? Zwerge? Hobbits? Ich meine, wie viel
von Herr der Ringe ist echt?«
Finn starrte mich an.
»Bitte sag mir nicht, dass es auch Drachen gibt«, fügte
ich hinzu, weil er noch immer keinen Ton herausbrachte.
»Was für kleine Männchen?«, fragte er endlich.
»Na, die, die euch – und mich – niedergeschlagen ha-
ben. Ich hätte das zwar auch gern getan, immerhin war ich
die Entführte, aber ...«
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»Wie sahen sie aus?«, unterbrach er mich.
»Sie waren ungefähr so groß wie ich, was ja eher klein
ist, und hatten einen olivfarbenen Teint. So nennt man das
doch? Auf alle Fälle waren sie braun gebrannt und ...«
»Bei Pans Schwert. Ich muss dem Oberon Bericht er-
statten.«
Finn fuhr sich durch seine Haare und stapfte davon,
ohne sich noch mal nach mir umzudrehen.
Sandra Regnier
Die magische Pforte der Anderwelt (Pan-Spin-off)
Umschlag: formlabor
Ca. 416 Seiten
Ab 14 Jahren
12 x 18,7 cm, Taschenbuch
ISBN 978-3-551-31687-5
Ca. € 8,99 (D) / € 9,30 (A) / sFr. 13,50
Erscheint im Oktober 2017
Ebook bei impress
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