Aus dem Department für Pathobiologie
der Veterinärmedizinischen Universität Wien
(Departmentsprecher: Univ.-Prof. Dr.rer.nat. Armin Saalmüller)
Institut für Anatomie, Histologie und Embryologie
(Leitung: Ao.Univ.-Prof. Dr.med.vet. Monika Egerbacher)
DIE GESCHICHTE DER VETERINÄRAKUPUNKTUR
IN ÖSTERREICH
INAUGURAL-DISSERTATION
zur Erlangung der Würde eines
DOCTOR MEDICINAE VETERINARIAE
der Veterinärmedizinischen Universität Wien
vorgelegt von
Mag.med.vet. Sigrid Sabadello
Wien, im Jänner 2012
Betreuer:
A. Univ. Prof. Dr. Gerhard Forstenpointner
Department für Pathobiologie
Institut für Anatomie, Histologie und Embryologie der Veterinärmedizinischen
Universtität Wien
DIE GESCHICHTE DER VETERINÄRAKUPUNKTUR
IN ÖSTERREICH
INHALTSVERZEICHNIS
1. EINLEITUNG UND FRAGESTELLUNG 1
1.1. Forschungsstand 1
1.2. Begriffserklärungen 2
1.2.1. Definition Akupunkturpunkt 3
1.2.2. Definition Meridian 4
1.3. Anwendung 4
1.4. Indikationen 5
1.4.1. Allgemein 5
1.4.2. Speziell 6
2. MATERIAL UND METHODE 8
2.1. Auswertung von Literatur und Archivquellen 8
2.2. Befragung von Zeitzeugen 8
3. ERGEBNISSE 10
3.1. Die Wurzeln der Akupunktur 10
3.1.1. Ötzi – der Mann vom Hauslabjoch 10
3.1.2. Der Veterinärpapyrus Kahun LV.2 12
3.1.3. Eine tätowierte Mumie in Südperu 13
3.2. Veterinärakupunktur in China 17
3.2.1. Entwicklung in China 17
3.2.2. Verbreitung in andere Länder 20
3.3. Veterinärakupunktur in Europa vor dem
20. Jahrhundert 21
3.3.1. Vor dem 17.Jahrhundert? 21
3.3.2. 17.Jahrhundert 24
3.3.3. 19. Jahrhundert 29
3.3.4. 19.Jahrhundert in Österreich 31
3.3.4.1. Anton Hayne 31
3.3.4.2. Dr. Leopold Forster 35
3.4. Entwicklung im 20.Jahrhundert –
der Weg nach Österreich 39
3.4.1. Georges Souliè de Morant 39
3.4.2. Dr. Franz Hübotter 40
3.4.3. Dr. Roger de la Fuye 40
3.5. Entwicklung im 20. Jahrhundert -
in Österreich 42
3.5.1. Prof. Dr. J. Bischko 42
3.5.2. Prof. Dr. med. vet. Oswald Kothbauer 45
3.5.3. Prof. Dr. J. Schreiber 56
3.5.4. Dr. Ferdinand Brunner 62
3.5.5. Dr. Andreas Zohmann 68
3.5.6. Dr. Karl Grohmann 74
3.5.7. Entwicklung bis heute 76
3.6. Ausbildung 83
3.6.1. Vorlesungen an der Veterinärmedizinischen
Universität Wien 83
3.6.2. Kurse für Tierärzte 84
3.6.2.1. ÖGT 84
3.6.2.2. IVAS 85
3.6.3. Fachtierarzt für Akupunktur und
Neuraltherapie 85
3.7. Fachliche Vertretung 86
3.7.1. Die Sektion Ganzheitsmedizin der
Österreichischen Gesellschaft der Tierärzte 86
3.7.1.1. Entstehung 86
3.7.1.2. Definition 87
3.7.1.3. Ziele 88
3.7.2. IVAS – International Veterinary
Acupuncture Society 88
4. DISKUSSION 90
5. ZUSAMMENFASSUNG 94
6. EXTENDED SUMMARY 95
7. LITERATURVERZEICHNIS 97
1
1. EINLEITUNG UND FRAGESTELLUNG
Die Idee, eine Arbeit zu diesem Thema zu verfassen, entstand zu Beginn meiner
Tätigkeit als Tierärztin. Nachdem ich begonnen hatte, mich mit der Akupunktur
auseinander zu setzen, stellte ich bald fest, dass einige österreichische Tierärzte
maßgeblich an der Entwicklung der Veterinärakupunktur beteiligt waren. Ich setzte
mir zum Ziel, diese Entwicklung nachzuvollziehen und zu dokumentieren. Dieses
Vorhaben schließt die Wurzeln ebenso wie den Weg der Akupunktur, den diese
Lehre von China nach Österreich genommen hat, mit ein, besonders beleuchten und
hervorheben möchte ich aber die Arbeit von österreichischen Tierärzten, die zur
internationalen Anerkennung und Weiterentwicklung der Veterinärakupunktur geführt
hat.
1.1. FORSCHUNGSSTAND
Die Geschichte der Veterinärakupunktur in Österreich ist bis jetzt nicht ausführlich
wissenschaftlich bearbeitet worden. Ein kurzer Artikel, diese Thematik betreffend,
wurde von Dr. Oswald Kothbauer unter dem Titel „Geschichte der Tierakupunktur in
Österreich seit den 50er Jahren“ veröffentlicht (KOTHBAUER, 1992).
Eine Dissertation aus Hannover von Reinhard Schippers mit dem Titel „Die
Geschichte der Veterinärakupunktur und -moxibustion ausserhalb Chinas“ geht auch
auf die Veterinärakupunktur in Österreich ein, erwähnt aber nur kurz die
Publikationen von Dr. Anton Hayne von 1833 und die Forschungen von Dr. Oswald
Kothbauer zwischen 1960 und 1970 (SCHIPPERS, 1993).
Eine weitere Arbeit zu diesem Themenkreis wurde von Petrissa Rinesch verfasst und
1995 als Dissertation mit dem Titel „Die Entwicklung des Einsatzes von
Lokalanästhetika in der Veterinärmedizin unter besonderer Berücksichtigung ihrer
therapeutischen Wirkung als Neuraltherapie“ approbiert (RINESCH, 1995).
JANSSENS (1981) veröffentlichte 1981 im American Journal of Acupuncture den
Artikel „Veterinary Acupuncture in Europe“.
In der Einleitung von Lehrbüchern der Akupunktur wird oft auch die Geschichte der
Veterinärakupunktur erwähnt. Von diesen Quellen konnte ich in erster Linie das Buch
„Akupunktur in der Tiermedizin“ von Allen M. Schoen für meine Arbeit nutzen, da er
auch auf die Arbeiten von Dr. Oswald Kothbauer eingeht (SCHOEN, 2003).
2
1.2. BEGRIFFSERKLÄRUNGEN
Da sich diese Arbeit in erster Linie mit der Geschichte und Entstehung der
Akupunktur in Österreich befasst und weniger mit dem fachlichen Aspekt, würde es
den Rahmen sprengen, die Wirkungsmechanismen der Akupunktur und die
Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) mit ihrer Yin- und Yang Lehre, der 5-
Elemente-Lehre bzw. der Lehre der Wandlungsphasen und der Meridianlehre zu
erklären.
Zum besseren Verständnis von einigen Kapiteln möchte ich dennoch einige
einleitende Sätze über die Hintergründe der Akupunktur an den Beginn stellen und
einige fachspezifische Ausdrücke erklären.
Die Akupunktur (lat. acus Nadel; pungere stechen) ist eine Methode der Traditionell
Chinesischen Medizin (TCM). Dabei werden Störungen der verschiedenen
Organsysteme des Körpers (die in ihrer Form und Funktion von den Organsystemen
der westlich-wissenschaftlichen Forschung abweichen) erkannt. Durch Anregung
oder Dämpfung dieser verschiedenen Organsysteme sollen diese Störungen
behoben werden. Dies geschieht durch Stimulation von Punkten auf der
Körperoberfläche, von denen die meisten auf bestimmten Linien, den Meridianen,
liegen. Über die Meridiane werden die mit ihnen verbundenen Organsysteme
beeinflusst. In den Meridianen fließt das Qi, oft übersetzt mit „Lebensenergie“ das
durch diese Behandlungsform beeinflusst werden kann.
Die Stimulation dieser Punkte erfolgt mittels verschiedener Methoden, entweder
durch Einstechen von Nadeln, durch Massage, durch Erhitzen oder auch durch
Einbringen von Flüssigkeiten (HILDEBRANDT et al., 1997 u. REICHE, 2003):
In der freien Enzyklopädie Wikipedia wird Akupunktur in einem Artikel von 2008 als
Regulationstherapie bezeichnet, bei der über genau definierte Hautareale, die
Akupunkturpunkte, durch Einstechen einer Nadel regulierende Impulse gesetzt
werden. Die Akupunkturpunkte unterliegen einer Systematik, wodurch dem
Anwender ermöglicht wird bestimmte Effekte zu erzielen. Unter Regulationstherapie
versteht man im weitesten Sinne jede Art von Therapie, die einen aus dem
Gleichgewicht geratenen Organismus wieder in den Zustand des Gleichgewichts
3
zurückbringen soll. Die Regulation soll durch körpereigene Kräfte erfolgen
(WIKIPEDIA Seite „Regulationstherapie“ 2008).
Obwohl die Akupunktur eine sehr alte Form der Diagnose und Therapie ist, gibt es
nicht nur Befürworter. Die Kontroverse über die Wirksamkeit der Akupunktur wird
vielleicht auch dadurch unterstützt, dass viele Studien die die Wirksamkeit belegen
sollen, einen Mangel an statistischer Analyse und Kontrollen aufweisen (SCHOEN,
2009).
Dennoch gibt es schon viele Fortschritte in dem Bemühen, die Funktionsweise der
Akupunktur auch aus westlich-wissenschaftlicher Sicht zu erklären.
1.2.1. Definition Akupunkturpunkt:
Die Haut kann als das Organ betrachtet werden, von dem aus eine
Akupunkturwirkung induziert wird. In der Haut befinden sich Rezeptoren (freie
Nervenendigungen und korpuskuläre Endkörperchen). Histologische
Untersuchungen haben ergeben, dass im Akupunkturpunkt pro mm2 0,31
Rezeptoren gezählt werden können, aber nur 0,16 Rezeptoren pro mm2 außerhalb
des Akupunkturpunktes. Der Akupunkturpunkt scheint daher eine Art „Sinnesorgan“
der Haut zu sein, insbesondere für elektrisch messbare Werte. Im Akupunkturpunkt
sinkt der Hautwiderstand gegenüber der Umgebung sehr wesentlich ab (KELLNER,
1966).
Die Morphologie der Akupunkturpunkte konnte sowohl beim Menschen (HEINE,
1998) als auch beim Tier (EGERBACHER, 1991) identifiziert werden. An den als
Akupunkturpunkte beschriebenen Arealen waren Austrittstellen von Gefäß-
Nervenbündeln durch die oberflächliche Hautfaszie festzustellen. Typisch hierbei ist
eine konzentrische Schichtung von Bindegewebsstrukturen um diese austretenden
Bündel. Der Akupunkturpunkt unterscheidet sich außerdem durch seine erhöhte
elektrische Leitfähigkeit bzw. seinen erniedrigten elektrischen Hautwiderstand von
anderen Hautstellen, was ihn elektrisch messbar macht.
4
1.2.2. Definition Meridian
In der Modellvorstellung der Traditionellen Chinesischen Medizin ist ein Meridian eine
Energieflussbahn des Körpers, die sich als Linie auf die Haut projiziert; auf ihr lassen
sich Akupunkturpunkte ausfindig machen, die eine wichtige Rolle bei der Therapie
von Krankheiten spielen. Die Meridiane sind mit westlich-naturwissenschaftlichen
Methoden noch nicht nachgewiesen worden (REICHE, 2003).
Aus heutiger Sicht könnten sich die Meridiane beim Menschen nach kinetischen
Muskelfunktionsketten darstellen (BERGSMANN u. BERGSMANN, 1997). Diese
können auch beim Pferd nachempfunden werden (KOTHBAUER, unpubl.).
Nach heutiger Auffassung liegen die Akupunkturpunkte auf 14 Leitbahnen, die auch
als Meridiane bezeichnet werden. 12 dieser Leitbahnen stehen in Bezug zu den
Funktionskreisen bzw. Organen der chinesischen Medizin und sind paarig
angeordnet (z.B. Lunge und Herz). Die beiden anderen sind unpaarige Bahnen ohne
Organbezug (Lenkergefäß und Konzeptionsgefäß). Die Leitbahnen werden in auf-
und absteigende Bahnen unterschieden. In ihnen soll nach Auffassung der TCM die
körpereigene Energie, das „Qi“ kreisen, wobei sich diese Energie in 24 Stunden
einmal durch alle Leitbahnen bewegt.
Die Meridiane (z.B. Magen-Meridian, Lungen-Meridian) bilden ein vernetztes System,
über das Fernwirkungen erklärbar werden.
1.3. ANWENDUNG
Zur Behandlung von Krankheiten ist es zunächst notwendig eine Diagnose nach den
Kriterien der Traditionell Chinesischen Medizin zu erstellen. Dabei werden
grundlegende Störungen des Gleichgewichts zwischen Yin und Yang identifiziert.
Die Auswahl der Akupunkturpunkte zur Behebung dieser Störungen kann mittels
zahlreicher Methoden erfolgen, nach denen bestimmte Punktkombinationen
zusammengestellt werden.
Auch für die Einteilung der Akupunkturpunkte gibt es unterschiedliche Systeme.
MUELLER (2011) unterscheidet zwischen Nahpunkten (bzw. Lokalpunkten) und
Fernpunkten, zwischen temporären und permanenten Punkten und unterteilt die
Punkte nach Lage und Funktion in Hauptkategorien nach den Regeln der TCM.
Die Einteilung der Akupunkturpunkte nach den Regeln der TCM wird auch von
5
SCHOEN (2009) getroffen. In diesem Zusammenhang wird von folgenden
Punktgruppen gesprochen: Alarm-Mu-Punkte, Zustimmungs-Shu-Punkte, Yuan-
Quell-Punkte, Luo-Passage-Punkte, Xi-Grenz-Punkte, Einflussreiche-Hui-Punkte,
Kardinal-oder Schlüsselpunkte, Kreuzungspunkte, Punkte der vier Meere, Antike
Punkte, Untere Vereinigungspunkte und von den Fünf Elemente Punkten.
1.4. INDIKATIONEN
1.4.1. Allgemein
Eine systematische Übersicht der wesentlichsten allgemeinen Indikationen wurde
von KOTHBAUER (unpubl.) zusammengestellt.
1. Unterstützung der üblichen diagnostischen Verfahren
Durch Feststellung von hyperalgetischen Akupunkturpunkten oder Punktegruppen
auf der Haut, die für eine Krankheit oder ein Organ spezifisch sind (Schmerzpunkte).
2. Ausübung einer Therapie
Über die Stimulation eines Akupunkturpunktes (durch Nadelung, Wärmeanwendung,
elektrische Stimulation usw.), entweder als Akupunktur alleine oder in Verbindung mit
medikamentöser Therapie.
Diese Behandlungsmöglichkeit kann breit gefächerte Wirkungen im gesamten Körper
entfalten, indem sie auf Regelsysteme im Körper einwirkt. Stark geschädigte Organe,
in denen durch Zelltod bereits fixierte Endzustände bestehen, können in der Regel
nicht beeinflusst werden. Genauso wenig können Infektionskrankheiten und
Krankheitserreger direkt beeinflusst werden, jedoch kann auf die dadurch
entstehenden Erkrankungen über die Beeinflussung von körpereigenen
Abwehrsystemen Einfluss genommen werden.
6
1.4.2. Speziell
Die Frage, bei welchen Krankheiten die Akupunktur nun genau angewendet werden
kann, wird einem Mediziner der dieses Fachgebiet anwendet oft gestellt. Im Jahr
2003 hat die WHO (World Health Organisation) den Versuch gemacht eine genaue
Indikationsliste zusammenzustellen (aus Roche Lexikon Medizin, REICHE, 2003):
Diese Liste ist vor allem auf den Internetseiten von Anbietern dieser Methode noch
sehr weit verbreitet.
Respirationstrakt:
• akute Sinusitis
• akute Rhinitis
• allgemeine Erkältungskrankheiten
• akute Tonsillitis
bronchopulmonale Erkrankungen
• akute Bronchitis
• Asthma bronchiale
Augenerkrankungen:
• akute Konjunktivitis
• zentrale Retinitis
• Myopie (bei Kindern)
• Katarakt
Erkrankungen der Mundhöhle:
• Zahnschmerzen
• Schmerzen nach Zahnextraktion
• Gingivitis
• akute u. chronische Pharyngitis
orthopädische Erkrankungen:
• Schulter-Arm-Syndrom
• Periarthritis humeroscapularis
7
• Tennis-Ellenbogen
• Lumbalgie
• rheumatoide Arthritis
gastrointestinale Erkrankungen
• Ösophagus- u. Kardiospasmen
• Singultus
• Gastroptose
• akute u. chronische Gastritis
• Hyperazidität des Magens
• chronisches Ulcus duodeni
• akute u. chronische Kolitis
• Obstipation
• Diarrhoe
• paralytischer Ileus
neurologische Erkrankungen
• Kopfschmerzen
• Migräne
• Trigeminusneuralgie
• Fazialisparese
• Lähmungen nach Schlaganfall
• periphere Neuropathien
• Poliomyelitislähmung
• Morbus Menière
• neurogene Blasendysfunktion
• Enuresis nocturna
• Interkostalneuralgie
• Ischalgie
8
2. MATERIAL UND METHODE
Für die Bearbeitung der gewählten Fragestellung wurden zwei methodische
Forschungszugänge angewendet.
2.1. AUSWERTUNG VON LITERATUR UND ARCHIVQUELLEN
Die Wurzeln der Akupunktur und der Weg, den die Lehre dieser
Behandlungsmethode von China nach Österreich genommen hat, konnte durch das
Studium von vorhandener Literatur nachvollzogen und dargestellt werden.
Für die Suche nach der vorhandenen Literatur wurde die Datenbank der Bibliothek
der Veterinärmedizinischen Universität Wien über das Suchsystem vetmed:seeker
sowie die Datenbank PubMed benutzt. Verwendete Suchbegriffe: Veterinärmedizin,
Geschichte, Akupunktur, Österreich.
Die Arbeiten der österreichischen Tierärzte Dr. Anton Hayne und Dr. Leopold Forster,
beide im 19.Jahrhundert als Professoren an der Wiener Tierärztlichen Schule tätig,
lieferten wertvolle Erkenntnisse des damaligen Forschungsstandes und konnten im
Archiv der Veterinärmedizinischen Universität Wien im Original eingesehen werden.
Die Darstellung des heutigen Standes der Lehre der Veterinärakupunktur in
Österreich erfolgte nach Kontakt mit der Tierärztekammer, die mir die Richtlinien zur
Erlangung des Titels „Fachtierarzt für Akupunktur und Neuraltherapie“ zur Verfügung
stellte. Die Darstellung der weiteren Ausbildungsmöglichkeiten, der fachlichen
Vertretung und der Lehre an der Veterinärmedizinischen Universität Wien erfolgte
unter Zuhilfenahme von Daten der Sektion Ganzheitsmedizin der Österreichischen
Gesellschaft der Tierärzte und des Vorlesungsverzeichnisses der
Veterinärmedizinischen Universität Wien.
2.2. BEFRAGUNG VON ZEITZEUGEN
Ein wesentlicher Anteil der für meine Arbeit verwertbaren Daten konnte über
persönliche Gesprächen und Interviews mit österreichischen Tierärzten, die
maßgeblich an der Entwicklung der Veterinärakupunktur beteiligt waren, erfasst
werden. Dankenswerterweise stellten mir meine Interviewpartner nicht nur ihre
persönlichen Erinnerungen, sondern auch ihre Literatursammlungen und eigene
9
Forschungsdokumentationen zur Verfügung.
Die Datenerfassung für diesen methodischen Zugang erfolgte weitgehend nach den
Regeln der Oral History, welche über so wenig wie möglich gelenkte Erzählungen
von Zeitzeugen eine wissenschaftlich betriebene Erfassung persönlicher
Lebenserfahrungen anstrebt. Der beabsichtigte Erkenntnisgewinn dient nicht so sehr
der Dokumentation vergangener Sachverhalte und Ereignisse als vielmehr der
Erfassung mentaler und kultureller Mechanismen, durch die in der Folge oft sehr
bedeutsame Entscheidungen ausgelöst und motiviert wurden (HENKE-
BOCKSCHATZ, 2006). Für die traditionelle Methode der Oral History lässt man die
Zeitzeugen frei erzählen, ohne wie bei einem klassischen Interview den
Interviewpartner durch Fragen in eine bestimmte Richtung zu lenken. Das Erzählte
wird mit einem Diktiergerät festgehalten und anschließend vom Historiker in Textform
übertragen. Auf Grund der unübersehbaren methodischen Schwierigkeiten in der
Datenerfassung, die vor allem auf der durch das Selbstbild des Erzählers geprägten
Färbung des Geschehnisablaufes beruhen (z. B. NIETHAMMER, 2009), wurden für
die vorliegende Studie, entsprechend modernerer methodischer Auffassungen, die
Zeitzeugen durchaus mit Fragen und Nachfragen konfrontiert.
10
3. ERGEBNISSE
3.1. DIE WURZELN DER AKUPUNKTUR
Die Ursprünge der Akupunktur sind nicht eindeutig feststellbar, wurden aber lange
Zeit im antiken China vor etwa 3000 Jahren vermutet. Bisher war die Annahme
verbreitet, dass die Akupunktur im 17. Jh. über die Niederlande und Frankreich in
Deutschland und Österreich erstmals eingeführt wurde.
3.1.1. Ötzi – der Mann vom Hauslabjoch
Im Jahr 1991 wurde in Tirol ein Aufsehen erregender Fund gemacht, eine
Gletschermumie aus dem alpinen Chalkolithikum, die auf ein Alter von ca. 5300
Jahren datiert werden konnte. Der Mann vom Hauslabjoch, allgemein bekannt als
„Ötzi“ wurde nach der Bergung umfangreichen Untersuchungen unterzogen, bei
denen Tätowierungen an mehreren Körperstellen festgestellt wurden.
Insgesamt wurden 47 strichförmige Tätowierungen am Rücken, an den Armen und
an den Beinen entdeckt, die sich in 15 Gruppen zusammenfassen lassen. Einige der
Tätowierungen schienen keinen dekorativen Wert zu haben, da sie an Körperstellen
angebracht waren die normalerweise nicht zur Schau gestellt wurden und eine
simple, lineare und geometrische Form hatten.
Im Juni 1998 fiel dem Münchner Akupunkturarzt Frank Bahr auf, dass die
Tätowierungen des Eismanns zum größten Teil auf Hautarealen liegen, die in der
Akupunktur als Akupunkturpunkte oder -meridiane beschrieben werden. In einer
darauf folgenden Studie wurde anhand von Fotografien und exakter Lokalisierung
der Tätowierungen untersucht, ob eine Verbindung zwischen Akupunkturpunkten
und den an der Gletschermumie gefundenen Tätowierungen besteht (DORFER u.
MOSER, 1998,1999).
Die genaue Auswertung förderte Erstaunliches zu Tage: Von den 15
Tätowierungsgruppen liegen neun exakt auf bzw. weniger als 6 mm von einem
klassischen Akupunkturpunkt entfernt. Zwei weitere Gruppen liegen direkt auf einem
klassischen Meridian. Drei Tätowierungen sind 6 bis maximal 13 Millimeter vom
nächstgelegenen Akupunkturpunkt entfernt.
11
Die tätowierten Areale liegen gleichzeitig in der Nähe bzw. auf klassischen
Akupunkturpunkten des Blasenmeridians.
Eine Strichgruppe liegt weder auf einem Meridian, noch auf einem bekannten
Akupunkturpunkt, befindet sich aber am rechten Sprunggelenk, in dem arthrotische
Veränderungen festgestellt wurden (Abb. 1). Es finden sich auch Tätowierungen
direkt über der Lendenwirbelsäule, die laut radiologischer Untersuchungen
arthrotische Veränderungen aufweist (Abb. 2).
Diese Lokalisationen entsprechen einer Stimulierung im Sinne einer locus dolendi
Akupunktur.
Auch die zweite Akupunkturstufe, die Anwendung von Fernpunkten, kann an der
Gletschermumie mit hoher Wahrscheinlichkeit vermutet werden: In der Akupunktur-
Literatur ist der Punkt "Blase 60" generell bei Schmerzen, vor allem im Bereich der
Hinterextremitäten anwendbar, lokal bei Tarsalgelenksschmerzen (MUELLER, 2011).
Genau im Bereich dieses Punktes liegt hinter dem linken Außenknöchel ein
tätowiertes Kreuz.
Sogar die komplexeste Stufe, die konstitutionelle Akupunktur, kann beim
Gletschermann möglicherweise angewendet worden sein: Zur Therapie von
tiefliegenden, arthrosebedingten Schmerzen, Knochen- und Gelenksveränderungen
und Beschwerden, die sich vor allem unter Kälteeinfluss verstärken, werden zwei
bestimmte Punkte angegeben. Die Punkte Blase 23 und Niere 7 wurden beim Mann
aus dem Eis exakt getroffen.
Auf Grund dieser Erkenntnisse kann durchaus angenommen werden, dass schon
3200 v. Chr. großes Wissen über die Akupunktur vorhanden war. Nicht nur die
einfachste Form der Akupunktur wurde praktiziert, sondern anscheinend auch die
konstitutionelle Form. Das Wissen darüber setzt jahrhundertelange Entwicklung und
Erfahrung voraus, was bedeuten würde, dass die Ursprünge der Akupunktur
wahrscheinlich noch viel weiter zurückreichen.
Nicht nur der Zeitpunkt der Anfänge der Akupunktur wird damit verschoben, sondern
auch der Ort der Entwicklung. Ob der Ursprung der Akupunktur ausschließlich im
fernen Osten liegt oder ob er weiter nach Europa verschoben werden muss, kann
12
diskutiert werden. In jedem Fall wird der jungsteinzeitlichen mitteleuropäischen
Medizin durch diese Erkenntnisse ein wesentlich höherer Entwicklungsgrad
zuerkannt werden müssen als bisher angenommen (DORFER u. MOSER,
1998,1999).
Ein weiterer, weit zurückliegender Hinweis auf die Anfänge der Akupunktur
außerhalb Chinas stammt aus Ägypten.
3.1.2. Der Veterinärpapyrus Kahun LV.2
Der aus London stammende Ägyptologe Sir William Flinders Petrie (1853 – 1942)
wurde als Sohn eines Landvermessers und Ingenieurs geboren, der die Theorie
vertrat, dass Zoll und Fuß ursprünglich ägyptische Maßeinheiten waren. William
begleitete seinen Vater bei vielen seiner Projekte und entdeckte selbst sein Interesse
an der Ägyptologie. Bei seiner ersten Reise 1880 nach Ägypten widerlegte er durch
eine genaue Vermessung der Pyramiden von Gizeh die Theorie seines Vaters. In
den folgenden Jahren arbeitete Petrie überall in Ägypten, unter anderem auch in der
Arbeitersiedlung Medinet-Kahun bei El-Lahun (auch Lahun oder Kahun) (BARD,
1999).
Dort machte er in den Jahren 1888 und 1889 bei Ausgrabungen eine bedeutende
Entdeckung. Er fand zwei Dokumente, die später als der Medizin-Papyrus Kahun
VI.1 und der Veterinär-Papyrus Kahun LV.2 bekannt wurden.
Dieser Papyrus, auch Veterinärmedizinischer Papyrus von Kahun genannt, wird um
etwa 1800 v. Chr. datiert, er wurde also in der Zeit des Mittleren Reichs verfasst
(etwa 2137 bis 1781 v. Chr.). Nachweislich basiert er aber auf Vorlagen aus dem
Alten Reich (etwa 2707–2216 v. Chr.) und ist somit das älteste bekannte
veterinärmedizinische Literaturdokument der Menschheit.
Er ist zwar nur noch in Bruchstücken vorhanden und konnte bislang nicht vollständig
übersetzt werden, beinhaltet aber Reste eines Buches über Tierkrankheiten.
In dem Papyrus werden Fisch, Gans und Hund als Patienten erwähnt, am besten
erhalten und am ausführlichsten sind aber die Abschnitte über Rinderkrankheiten. Im
letzten Abschnitt wird zum Beispiel die Rinderseuche „uschau“ (Nagana) erwähnt
(Abb. 3) (WINKLE, 2003). Obwohl man nicht in der Lage ist, alle Krankheiten die der
13
Papyrus abhandelt, exakt zu bestimmen, ist eine eindeutige Gliederung vorhanden.
Zunächst wird die Krankheit in einer Art Kurzdiagnose vorgestellt, danach werden die
Symptome beschrieben anhand derer man zu einer Diagnose gelangen kann. Als
Drittes erfolgt die Anweisung zur Therapie und zu guter Letzt folgt die
Prognosestellung.
Bemerkenswert an den therapeutischen Ansätzen ist, dass das Zufügen von
Schnitten an Nase und Schwanz erwähnt wird. Hierbei handelte es sich aber nicht
um einen Aderlass im herkömmlichen Sinne, sondern lediglich um das Ritzen ganz
bestimmter Hautpunkte aus denen dann einige Blutstropfen austraten. Diese
Behandlung könnte im Sinne eines Mikroaderlasses als eine Form der Akupunktur
betrachtet werden.
Auch das Eindrücken einer im Feuer erhitzten Tonscherbe an die Schläfe eines
erkrankten Rindes wird erwähnt. Dies könnte als Maßnahme zur Aktivierung der
Widerstandskraft gedeutet werden und könnte den gleichen Hintergrund haben wie
die Feuerakupunktur in der chinesischen Heilkunde, bei der die Akupunktur an
Tieren mittels einer glühenden Nadel (Feuernadel) durchgeführt wurde (PETERS u.
DRIESCH, 2003 u. WIKIPEDIA „Seite Medizinische Papyri aus Lahun“, 2011).
Auch FROEHNER (1934) beschreibt die Übersetzung der Anwendung von
glühenden Scherben: „…geschwollen ist und seine Augen zufallen, so lege um seine
Augen eine am Feuer erhitzte Scherbe, um die Triefäugigkeit zu vertreiben.“ Er gibt
aber an, dass Scherben vielfach als Träger von Zaubersprüchen und –formeln
verwendet wurden, was auch hier der Hintergrund gewesen sein könnte.
3.1.3. Eine tätowierte Mumie in Südperu
Einen weiteren Hinweis darauf, dass die Akupunktur schon sehr früh weit verbreitet
war liefern die Arbeiten von Maria Anna Pabst und ihren Kollegen an der
Medizinischen Universität Graz. Sie beschreibt darin eine 1000 Jahre alte Mumie, die
im Sand der Wüste bei Chiribaya Alta in Südperu gefunden wurde (MARCHANT,
2010; PABST et al., 2010). An dieser Mumie wurden zwei verschiedene Arten von
Tätowierungen gefunden. Die eine Gruppe, an Armen, Händen und am linken Bein,
beschreibt Pabst als dekorative Tätowierung, die Vögel, Affen, Reptilien und andere
Symbole zeigt (Abb. 4) Die zweite Gruppe befindet sich um den Nacken der Mumie,
14
zeigt ein asymmetrisches Muster sich überschneidender Kreise und war wohl von
Haaren und Kleidung bedeckt (Abb. 5).
Die Tätowierungen wurden analysiert und Pabst entdeckte, dass für die Herstellung
verschiedene Ausgangsstoffe verwendet wurden. Für die Zeichen der ersten Gruppe
wurde vor allem Kohlenstoff (Ruß) eingesetzt. Bei den Zeichen der zweiten Gruppe
wurde allerdings ein ganz anderes Material verwendet – wahrscheinlich pyrolisiertes
Pflanzenmaterial (Pyrolyse: durch hohe Temperaturen bedingte thermo-chemische
Spaltung).
Das Bemerkenswerte an dieser Entdeckung ist, dass zum ersten Mal an ein und
derselben Mumie unterschiedliche Tätowierungsmethoden gefunden wurden.
Dies wird als starker Hinweis darauf angesehen, dass die verschiedenen
Tätowierungen aus unterschiedlichen Gründen angefertigt wurden. Pabst benützt in
diesem Zusammenhang folgende Formulierung: „If you use different materials, they
have different functions” (zit. nach MARCHANT, 2010).
Pabst und ihr Team glauben, dass die Zeichen im Nacken therapeutischen Zwecken
dienten, da sie nahe an chinesischen Akupunkturpunkten liegen, die einen
entspannenden und schmerzlindernden Effekt für den Nacken und den Kopfbereich
haben. Zusätzlich könnten die verwendeten Pflanzen einen medizinischen Zweck
gehabt haben (MARCHANT, 2010; PABST et al., 2010)
Diese historisch sehr interessanten Erkenntnisse ändern aber nichts an der
Tatsache, dass die Akupunktur im engeren Sinn außerhalb Chinas über sehr lange
Zeit nicht angewendet wurde und in Europa erst vor kurzer Zeit wieder zu einer
anerkannten Behandlungsmethode wurde.
15
Abb. 2:
Tätowierungen im Bereich der
arthrotischen Lendenwirbelsäule
von „Ötzi – dem Mann vom
Hauslabjoch“. DORFER (2010)
Abb. 1:
Lokale Punkte in der Region des
arthrotischen rechten
Sprunggelenkes von „Ötzi – dem
Mann vom Hauslabjoch“. DORFER
(2010)
16
Abb. 3:
Letzter Abschnitt des beschädigten Veterinärpapyrus-Kahun über die
Rinderseuche "uschau" (Nagana) aus dem 2. Jahrtausend v. Chr.
(WINKLE, 2003)
Abb. 4:
dekorative Tätowierungen an
Armen und Beinen einer Mumie
aus Südperu (MARCHANT, 2010)
Abb. 5:
Asymmetrische Muster im
Nacken einer Mumie aus
Südperu (MARCHANT, 2010)
17
3. 2. VETERINÄRAKUPUNKTUR IN CHINA
3.2.1. Entwicklung in China
Die Angaben zur historischen Entwicklung der Akupunktur in China entsprechen,
soweit nicht anders zitiert, den Ausführungen von SCHOEN (2003).
Die Frühgeschichte der Akupunktur in der Veterinärmedizin ist vage, dennoch gibt es
interessante Spekulationen und Legenden darüber. Eine dieser Geschichten
berichtet darüber, dass im Krieg verletzte Pferde, nachdem sie an ganz bestimmten
Stellen von Pfeilen getroffen wurden, von bestimmten Leiden schneller geheilt
wurden. Diese Hypothese ist sehr spekulativ, erscheint aber immerhin vorstellbar.
Diese Beobachtungen sollen in weiterer Folge genauer erforscht worden sein, um
eine effizientere Form der Behandlung zu finden.
Es wird vermutet, dass schon im späten Neolithikum (3500–2800 v. Chr.) die ersten
Formen der Akupunktur auftraten. Es gab besondere zugespitzte Steinwerkzeuge,
bian, die vielleicht ursprünglich für eine primitive Form der Chirurgie verwendet
wurden, z.B. um Abszesse zu öffnen und den Eiter abfließen zu lassen. Auf diesem
Wege könnte festgestellt worden sein, dass der Einstich an ganz bestimmten
Punkten einen Effekt auf verschiedenste Krankheitsbilder hat (UNSCHULD, 1985).
Chinesische Medizinhistoriker betrachten den Arzt Bian que als den ersten
dokumentierten Akupunkturanwender, der im 6. vorchristlichen Jahrhundert eine
Form der Ein-Nadel-Akupunktur anwendete (POLLMANN, 2002).
In der Frühling-Herbst Periode (677-476 v.Chr.) der Zhou-Dynastie verfasste ein
Militärgeneral namens Sun-Yang (auch bekannt als Bai-le) den „Kanon der
Veterinärmedizin“. Es gibt Legenden, dass er sehr versiert in der
Akupunkturbehandlung von Tieren war und er gilt als Vater der chinesischen
Tiermedizin.
Der älteste bekannte schriftliche Hinweis und somit der Nachweis der Anwendung
von Akupunktur wurde während der Han-Dynastie (200 v. Chr. bis 200 n.Chr.)
verfasst. Das Huangdi Neijing war ein Grundlagentext der Humanmedizin mit
18
Einfluss auf Veterinärakupunktur und Moxa-Therapie und liegt auch in deutscher
Übersetzung vor (Innerer Klassiker des Gelben Kaisers).
Dieses Werk besteht aus 81 Abhandlungen, die zu zwei Büchern zusammengefasst
wurden. Das Su Wen behandelte grundlegende Fragen zu Physiologie, Morphologie,
Pathologie, Diagnose und Prävention von Krankheiten. Das Ling Shu hingegen
beschreibt die klinischen Anwendungen von Akupunktur und Moxibustion und
beschäftigt sich mit der Lage der Akupunkturpunkte und der Meridiane.
Der Ursprung des Huangdi Neijing ist nicht vollkommen geklärt, es wird aber
angenommen, dass es sich um eine Sammlung von Texten von verschiedenen
Autoren handelt.
Fortschritte in der Metallurgie machten es zu dieser Zeit auch möglich, feine, dünne
Akupunkturnadeln aus Stahl herzustellen.
Nach der Zeit der Han-Dynastie (also nach 220 n. Chr.) entwickelten sich in China
zwei verschiedene Richtungen der Medizin. Die eine war vergleichbar mit der
westlichen Medizin, befasste sich mit Pharmakologie und hatte nur wenig Bezug zu
den traditionellen Theorien.
Die andere befasste sich mit den Theorien, die im Westen als traditionelle
chinesische Medizin bekannt sind.
Zwei weitere wichtige Werke aus der Han-Dynastie sind noch zu nennen, das eine ist
das Nan Jing, der „Klassiker der Problematik“. Darin werden die Theorien von
Meridianen und Punkten vorgestellt, sowie die Therapie mit Nadeln. Weiters werden
die Ätiologie und die Diagnose von Krankheiten kommentiert.
Das zweite ist das Shang Han Lun, der „Systematische Klassiker der Akupunktur und
Moxa-Therapie“ von Zhang Zhong-Jing. Dieses Werk ist zu einem der klinischen
Grundlagenwerke für die Pharmakologie im Bereich der klassischen chinesischen
Medizin geworden. Es enthält neben den pharmakologischen Aspekten Anleitungen
für die Akupunktur- und Moxatherapie und Hinweise auf die Kräuterheilkunde.
Etwa hundert Jahre später während der West-Jin-Dynastie (265-316 n. Chr.) wurde
das Zhenjiu Jiayi-Jing, der „Klassiker der Akupunktur und Moxa-Therapie“, von
Huang-Fu-Mi verfasst.
Aus diesem Werk stammt ein in Akupunkturkreisen häufig zitierter Satz (zit. nach
SCHOEN, 2003): „Ein guter Arzt behebt die Störung, bevor sich eine Erkrankung
19
entwickelt hat, ein durchschnittlicher Arzt setzt Akupunktur ein bevor die Krankheit
ihren Höhepunkt erreicht hat und ein schlechter Arzt behandelt den Patienten wenn
die Krankheit bereits im Abklingen ist“.
Diese Worte illustrieren den hohen Stellenwert der Prophylaxe in der chinesischen
Medizin.
Der nächste äußerst wichtige Abschnitt für die Veterinärmedizin ist die T‘ang-
Dynastie (618-907 n. Chr.). Zu dieser Zeit erfolgte die Organisation der
medizinischen Ausbildung, 618 n. Chr. wurde das kaiserliche medizinische Kolleg
gegründet, dem folgte die Gründung von zahlreichen Universitäten und ähnlichen
Einrichtungen.
Es entwickelte sich eine ausgereifte tiermedizinische Behandlungsform, über die Li
Shi das Si-mu An-ji Ji, die „Sammlung von Pflege- und Behandlungsmethoden für
Pferde“, verfasste. Das Buch befasst sich mit 72 verschiedenen Krankheiten und gibt
Behandlungsmethoden mit Kräutern und Akupunktur, inklusive Diagrammen von
Akupunkturpunkten, an.
Während der Song-Dynastie (960-1279 n. Chr.) wurde der Hofarzt Wang Wie-Yi
damit beauftragt das Wissen über die Akupunktur und die Meridiane zu verifizieren
und zu überarbeiten. Er lokalisierte 359 Punkte entlang von 14 Meridianen und gab
für jeden der Punkte die Indikationen und die Nadeltiefe an. Er entwickelte ebenfalls
die Ausbildung der Akupunkturärzte weiter und entwickelte Methoden um ihr Können
und Wissen zu überprüfen.
In der Zeit der Ming Dynastie (1368 bis 1644 n. Chr.) lebten zwei Brüder, die als
Tierärzte berühmt waren. Während 60 Jahren schrieben sie ein Buch über die
Behandlung von Pferden mit dem Titel „Liaomaji“. Dieses große Lebenswerk stellt
eine Zusammenfassung der damaligen Veterinärmedizin in China dar und enthält
auch eine Darstellung von Meridianen in Form von Meridianpunkten (KOTHBAUER
u. MENG, 1983).
Den Höhepunkt ihrer Entwicklung erreichte die Akupunktur in China am Ende des 16.
Jahrhunderts. Forschung, Ausbildung, klinische Errungenschaften und Bearbeitung
und Kommentierung von früheren Werken waren zu dieser Zeit voll entwickelt.
20
3.2.2. Verbreitung in andere Länder
Während der Zeit der T‘ang-Dynastie wurde das medizinische und
veterinärmedizinische Wissen aus China in andere Länder exportiert. Die
buddhistische Missionstätigkeit brachte die Einführung von Akupunktur in andere
Länder mit sich, da Texte über diese Behandlungsmethode nach Korea, Japan und
in Teile von Südostasien mitgebracht wurden.
Im 17. Jahrhundert kamen zahlreiche jesuitische Missionare aus Europa nach China.
Es kam zu einem Austausch des medizinischen Wissens, Berichte über Akupunktur
drangen bis nach Europa vor.
Die stärkste Verbreitung erlebte die chinesische Medizin aber im 19. Jahrhundert. Zu
dieser Zeit kamen zahlreiche Ärzte aus dem Westen und amerikanische
Missionsärzte an den Vertragshäfen der Ostindischen Kompanie ins Land, während
des Opiumkrieges (1839-1842) auch britische Militärärzte.
Ein wichtiges Ereignis für die Weiterentwicklung der Akupunktur war die Reise des
damaligen US Präsident Richard Nixon nach China im Jahr 1972. Er rückte nicht nur
die politische Lage, sondern auch die hoch entwickelten Wissenschaften des Landes
in den Blick der Weltöffentlichkeit. Er brachte das Wort Akupunktur mit und auch
Berichte darüber, unter anderem auch über Operationen an Menschen, die unter
reiner Akupunkturanalgesie durchgeführt wurden.
21
3.3. VETERINÄRAKUPUNKTUR IN EUROPA VOR DEM 20. JAHRHUNDERT
3.3.1. Vor dem 17. Jahrhundert?
Schon in vorchristlicher Zeit bestand zwischen Europa und China eine Beziehung.
Ein Netz von Karawanenstrassen, die Seidenstrasse, verband schon im 2.
Jahrhundert vor Christus das Mittelmeer mit Ostasien (KOTHBAUER, 1992).
Eine Blütezeit erlebten die Seidenstraßen während der T’ang Dynastie (600 - 900 n.
Chr). In dieser Zeit erlebte auch die Pferdezucht in China einen markanten
Aufschwung und die erste Schule für Veterinärmedizin wurde gegründet. Es wurden
die Grundlagen der klassischen Akupunkturlehre, die Einteilung in Meridiane und die
Yin/Yang-Lehre entwickelt (PETERMANN, 2004).
Neben den Verbindungen über die Seidenstraßen und über andere Landwege waren
es auch die Schiffsrouten zwischen China und Indien (um 130 v. Chr.) und noch
früher Schiffsrouten zwischen Indien und Griechenland, über die Informationen und
Güter in den Mittelmeerraum gelangen konnten.
Gewiss nicht beweisbar, aber durchaus im Bereich der Möglichkeiten, ist es, dass
dadurch bestimmte Kenntnisse über Akupunktur bei Tieren auch bis nach Europa
verbreitet werden konnten (KOTHBAUER u. MENG, 1983).
Etwa vom 3. Jahrhundert n. Chr. an haben chinesische Hochseeschiffe Ceylon
erreicht und gewiss auch einiges Wissen über die Veterinärakupunktur vermittelt.
Wie aus einem ca. 500 n. Chr. datierten ceylonesischen Palmblatt-Akupunkturbuch
hervorgeht, war die Veterinärakupunktur zu dieser Zeit bereits in Ceylon (dem
heutigen Sri Lanka) bekannt. Bilder darin zeigen Menschen und auch Tiere mit
dargestellten Akupunkturpunkten (Abb. 6).
Wenn man davon ausgeht, dass wahrscheinlich erste Informationen über die
Akupunktur über den Mittelmeerraum nach Europa gelangten, ist es daher nicht
überraschend, dass bereits zur Zeit der Römer schriftliche Aufzeichnungen
existierten, die etwas mit Akupunktur zu tun gehabt haben könnten (KOTHBAUER u.
MENG, 1983).
In der freien Enzyklopädie Wikipedia wird zum Thema „ Römisch-chinesische
Beziehungen“ 2011 angegeben, dass die erste protokollierte Gesandtschaft,
22
angeblich entweder vom römischen Kaiser Antoninus Pius oder von seinem
Nachfolger Mark Aurel entsandt, 166 n. Chr. China erreicht hat.
Es ist auch bekannt, dass um 226 n. Chr. eine offizielle römische Gesandtschaft
einen Kaiser der Shu-Dynastie in Nanking besucht hat (KOTHBAUER u. MENG,
1983).
Eines der ältesten erhaltenen römischen Tierheilkundebücher ist das X. Buch der
"Mulomedicina Chironis", welches um 400 nach Christi Geburt verfasst wurde.
Chiron war neben Pelagonius und Vegetius einer von drei wichtigen
tiermedizinischen Schriftstellern im römischen Westreich. Chiron, der Kentaur, galt
zwar von jeher als Vater der griechischen Rossarznei, seine Rolle als Schriftsteller ist
aber eher anzuzweifeln, deshalb ist wohl davon auszugehen, dass Chiron im Falle
der Mulomedicina ein Pseudonym war und der Autor selbst unbekannt bleibt
(SACKMANN, 1993).
In dem Buch werden Methoden beschrieben, bei denen an ganz bestimmten Zonen
ein Mikroaderlass zur Behandlung verschiedener Krankheiten bei Pferd und Rind
durchgeführt wird. In dem Buch werden Angaben zu Aderlassstellen an Nase, Zunge,
Unterlippe und zwischen den Ohren von Pferd und Rind gemacht, die uns bekannten
Akupunkturpunkten entsprechen (ENDERLE, 1975).
Die erste Erwähnung von chinesischer Medizin in westlicher Literatur stammt aus
dem 13. Jahrhundert. Der holländische Franziskanermönch und Forschungsreisende
William von Rubruck (1220 n. Chr. – 1293 n. Chr.) berichtet in seinem Reisebericht
auch über Akupunktur, die westliche Welt wurde sich dieser Behandlungsform aber
erst einige Jahrhunderte später bewusst (RAMEY u. BUELL, 2004).
23
Abb. 6:
Akupunkturpunkte bei Tieren aus einem etwa 1500 Jahre alten
ceylonesischen Palmblatt – Akupunkturbuch (KOTHBAUER u. MENG, 1983)
24
3.3.2. 17. Jahrhundert
Einen Hinweis auf die Anwendung von Akupunktur in der Tiermedizin zu dieser Zeit
geben Kupferstiche von Pferden, auf denen Aderlassstellen eingezeichnet wurden,
die sogenannten „Lassrösslein“ (Abb.7). Einige dieser Abbildungen geben genau an,
bei welcher Krankheit welcher Punkt zum Aderlass gewählt werden soll.
Bemerkenswert ist, dass diese Punkte zum Teil exakt mit den Punkten zur
Körperakupunktur beim Tier übereinstimmen (ZOHMANN u. DRAEHMPAEHL,
1998).
Abb. 7:
Lassrösslein mit 100 eingezeichneten Aderlassstellen,
Kupferstich um 1630 (PETERS u. DRIESCH, 2003)
25
Die überwiegende Zahl dieser Aderlassstellen sind bei lokalen Krankheitsprozessen
zur Therapie genützt worden. Es handelt sich dabei vornehmlich um die einfache
Akupunktur, das sog. "Locus dolendi-Stechen", beim Pferd (KOTHBAUER u. MENG,
1983).
Die ersten genaueren Hinweise auf das Nadelstechen wurden in Europa bereits zu
Beginn des 17.ten Jahrhunderts durch die Berichte des portugiesischen
Forschungsreisenden Fernão Mendes Pinto (Abb. 8) publiziert (KOTHBAUER u.
MENG, 1983).
Fernão Mendes Pinto (1509-1583)
Der portugiesische Entdecker und Schriftsteller besuchte im Zuge
seiner Reisen den Mittleren und Fernen Osten, Äthiopien, das
Arabische Meer, Indien, Japan und China. Seine Reise begann im
Jahr 1537 und endete erst 21 Jahre später mit seiner Rückkehr
nach Portugal. In der posthumen Veröffentlichung seiner
Memoiren „Pilgerreise“ (Peregrinação) geht es zum einen um eine
geistige Reise, Religion, moralische Betrachtungen zum
Kolonialismus, Prüfungen und Mühen der Reise, aber auch um
detaillierte Berichte über das asiatische Leben (CATZ, 1991).
In seinen Reiseberichten wird auch die Anwendung von Akupunktur erwähnt, die er
auf seinen Reisen beobachtet hat (KOTHBAUER u. MENG, 1983).
Jakob De Bondt (1592-1631)
Eine weitere sehr frühe schriftliche Erwähnung von Akupunktur in Europa stammt
von dem Holländer Jakob de Bondt. Er war als Arzt bei der ostindischen
Handelskompanie beschäftigt und berichtet über die Akupunkturlehre, die er in Japan
kennengelernt hat. Seine Aufzeichnungen, veröffentlicht 1658 unter dem Namen
„Historiae naturalis&mediacae indiae“, berichten auch schon über Indikationen und
die Art der Anwendung (BARNES, 2005).
Abb. 8: Fernão
Mendes Pinto
(WIKIPEDIA „Fernão
Mendes Pinto“, 2011)
26
Placide Harvieu (1671-1746)
1671 übersetzte Harvieu, ein jesuitischer Mönch, eine Arbeit über Akupunktur
erstmals ins Französische, nachdem er aus Macao und Beijing nach Frankreich
zurückgekommen war.
Der Franzose schrieb das Buch: “The Secrets of Chinese Medicine and the Perfect
Knowledge of the Pulse, brought from China by a Respected Frenchman”
(SCHIPPERS, 1993).
Andreas Cleyer (1634 – 1697/98)
Der aus Kassel stammende Arzt der Niederländisch-Ostindischen Kompanie,
veröffentlichte zwischen 1680 und 1686 vier Schriften, die sich unter anderem mit der
Akupunktur befassen. Eine erhaltene Schrift lautet „Specimen medicinae sinicae,
(sive) opuscula medica ad mentem Sinesinum“ und stützt sich laut HUARD und
WONG (1968) auf das Huang-ti Nei-ching.
1682 publizierte Cleyer das lateinische Buch „De Pulsibus libri quatuor e Sinico
translati“. Dieses Buch ist eine Übersetzung des chinesischen Buches Mai-chüeh
und befasst sich mit der Pulsdiagnose der Ming-Zeit (UNSCHULD, 1989).
Besonders auffällig in den Werken von Cleyer ist, dass er versucht, chinesische
Begriffe in die lateinische Sprache zu übertragen, zum Beispiel gibt er das
chinesische Wort „Qi“ mit dem lateinischen Begriff „spiritus“ wieder (SCHIPPERS,
1993).
Willem ten Rhyne (1647-1700)
1683 n. Chr. publiziert Willem ten Rhyne (Abb. 9), ein holländischer
Arzt der bei der Ostindischen Handelkompanie tätig war, ein
lateinisches Buch mit dem Titel: „Dissertatio de Arthride: Mantissa
Schematica de Acupunctura“. Dieses Buch wurde in London und Haag
veröffentlicht, in mehreren Auflagen gedruckt und 1692 auch ins
Deutsche übersetzt (MICHEL, 1989).
Mit diesem Werk lieferte ten Rhyne die ausführlichsten und
wichtigsten Daten zum Beginn der europäischen
Akupunkturgeschichte. Er erwähnte als erster Europäer das Wort
Abb. 9:
Willem ten Rhyne
(WIKIPEDIA „Willem ten
Rhijne“, 2012)
27
„acupunctura“. Bis zu diesem Zeitpunkt war Akupunktur nur umschrieben worden.
Außerdem enthält seine Arbeit Abbildungen von Akupunkturpunkten und
Meridianverläufen beim Menschen, sowie die Abbildung einer japanischen
Metallnadel und eines dazugehörigen Hämmerchens (Abb.10) (SCHIPPERS, 1993).
Das Buch enthält am Schluss zusammengefasste Auszüge, unter anderem auch
über die Akupunkturbehandlung unter dem Titel "Der Chinesen und Japaner Manier,
wie selbige alle Krankheiten durch das Moxa-Brennen und Guldene Nadel=Stechen
vollkommen curiren".
Ten Rhynes Meinung von der ostasiatischen Medizin geht aus folgendem
Originalzitat deutlich hervor: „Die Moxa ist bey denen Chinesen und Japanern nicht
alleine im Gebrauch, sondern auch das Stechen mit einer Nadel. Ihre Chirurgische
Curen geschehen mehrentheils vermittelst des Nadel=Stechens und Moxa=Brennen,
dann in diesen beyden bestehet beynahe ihre ganze Kunst.“ (zit. nach MICHEL,
1989).
Abb.10: Akupunkturhämmerchen und Nadel für die sogenannte
„Schlagnadelung“ aus Dissertatio de Arthride: Mantissa Schematica de
Acupunctura von Willem ten Rhyne (WIKIPEDIA „Willem ten Rhijne“, 2012)
28
Engelbert Kämpfer (1651-1716)
Der deutsche Arzt war ebenfalls Mitglied der Niederländisch-Ostindischen Kompanie
und reiste unter anderem nach Ceylon, Japan und Siam. In seinem Reisebericht
zeigt Kämpfer Abbildungen von Akupunkturpunkten und Nadeln (SCHIPPERS,
1993).
Während seiner Reisen traf Kämpfer sowohl auf Andreas Cleyer als auch auf Willem
ten Rhyne. Es wäre verwunderlich wenn bei den Treffen der drei Ärzte nicht auch
über die östliche Heilkunde gesprochen worden wäre. Spätestens nach seiner
Rückkehr nach Europa las er ten Rhynes „Dissertatio de Arthride: Mantissa
Schematica de Acupunctura“ und benutzte das in diesem Buch geprägte Wort
„acupunctura“ für sein eigenes Werk „Curatio Colicae per Acupuncturam, Japonibus
usitata“ (MICHEL, 1983).
Informationen über Akupunktur bei Tieren sind in diesen frühen Berichten noch nicht
enthalten. Dies führte zu einer Verzögerung der Anwendung im Veterinärbereich und
später auch zu einer unqualifizierten Anwendung und einer Technik die mehr auf
Experimentierfreudigkeit als auf Wissen beruhte.
Weil keine Informationen aus erster Hand über die Akupunktur bei Tieren von China
nach Europa gelangten, konnten sich die ersten Anwender in der Veterinärmedizin
nur an den Berichten von Ten Rhyne beziehungsweise an den laienhaften
Versuchen ihrer damaligen europäischen Humankollegen orientieren (SCHIPPERS,
1993).
Im 17. Jahrhundert wurde die Akupunktur besonders in Frankreich für kurze Zeit
beliebt, geriet jedoch bald wieder in Vergessenheit, bis sie Anfang des 19.
Jahrhunderts von dem Pariser Arzt Dr. Louis Berlioz wieder aufgenommen wurde.
Zu diesem Zeitpunkt erfolgte auch schon eine Übertragung in die Tierheilkunde
(VOGEL, 1891).
29
3.3.3. 19. Jahrhundert
Basierend auf den Arbeiten von M. Dujardin (1774) und Felix v. Vicq d’Azyr (1787)
begann Dr. L. Berlioz 1809 die Akupunktur in der Praxis anzuwenden und führte
auch zahlreiche klinische Versuche durch (HEMPEN, 2005). Er setzte die
Akupunktur in erster Linie zur Schmerztherapie ein, beobachtete aber auch schon
Allgemeinreaktionen. Aus diesen Versuchen resultierte 1810 die erste dokumentierte
Anwendung von Akupunktur in Europa, im Zuge der er an der Pariser Schule der
Medizin eine junge Frau behandelte, die an Bauchschmerzen litt. Die Pariser
Medizinische Gesellschaft beschreibt diese Art der Behandlung als „ziemlich
leichtsinnig“ („somewhat reckless“), Berlioz ließ sich aber nicht entmutigen und setzte
seine Bemühungen um die Akupunktur fort.
1823 wird Akupunktur in der ersten Ausgabe der Zeitschrift „The Lancet“, der ältesten
medizinischen Fachzeitschriften der Welt, erwähnt (BAI, 2009).
1824 übersetzte J. Wagner den Aufsatz "A Treatise on Acupuncturation" des
Engländers James M. Churchill ins Deutsche – die erste bekannte Veröffentlichung
zum Thema Akupunktur in unserer Sprache (HEMPEN, 2005).
1828 wird zum ersten Mal in England eine eigene Arbeit über Tierakupunktur in „The
Veterinarian“ veröffentlicht. In dem anonymen Bericht mit dem Titel „On
Acupuncturation in Veterinary Practice“ werden die Autoren Prevost, Bouley und
Chiley erwähnt und deren Versuche im Bereich der Veterinärakupunktur abgehandelt
(JANSSENS, 1981).
Der später erschienene Aufsatz des Genfer Tierarztes Charles PREVOST aus dem
Jahr 1833 ist eine deutschsprachige Übersetzung eines zuvor in französischer
Sprache verfassten Artikels, der bereits 1826 im „Journal Pratiqe de Médecine
Vétérinaire“ abgedruckt wurde und 1828 in „The Veterinarian“ Berücksichtigung fand
(SCHIPPERS, 1993).
Im Jahre 1836 schreibt ein französischer Tierarzt namens Flammens über die
Akupunkturbehandlung einer gelähmten Kuh (KOTHBAUER u. MENG, 1983).
30
Eine literarische Quelle aus dem späten 19. Jahrhundert stammt von Dr. Eduard
Vogel. In einer Neuauflage von "Hering`s Operationslehre für Tierärzte" beschreibt
der Deutsche 1891 die Akupunktur und Elektropunktur bei Tieren.
Vogel meint, dass durch Einstechen von Metallnadeln durch die Haut in die
unterliegenden Gebilde, insbesondere in die Muskulatur, zunächst nur ein
mechanischer Reiz ausgeübt wird. Dieser Reiz soll die kontraktilen Fasern und die
Nervenzellen anregen und lediglich der Anwesenheit eines fremden Körpers
zuzuschreiben sein. Galvanische oder chemische Reize fänden nach damaligen
neuesten Untersuchungen nicht statt. Außerdem soll die mechanische Wirkung nach
praktischen Erfahrungen sehr gering sein und nachdem sich das Gewebe schnell
daran gewöhnt hat auch schnell vorüber sein.
Anders schätzt er die Wirkung ein, wenn gleichzeitig mit den Akupunkturnadeln
stärkere Reizmittel eingeführt werden, wie zum Beispiel scharfe Stoffe oder ein
entsprechend starker elektrischer Strom. In ersterem Fall soll durch die Erzeugung
einer entzündlichen Reaktion mehr „Tätigkeit und Innervation“ hervorgerufen werden
können. Bei Verwendung von galvanischen Strömen sollen auch gewisse
Molekularveränderungen und eine chemische Zersetzung der Gewebssäfte oder
pathologischer Produkte stattfinden. Das soll dazu führen, dass infolge der direkt in
die erkrankten Organe geleiteten verstärkten Reize oder durch die erwähnten
elektrolytischen Vorgänge lähmungsartige Zustände zur Besserung oder Heilung
gelangen können. Die ersten Effekte der Behandlung sollen sich durch örtliche
Schwellung, Empfindlichkeit und pulsförmige Bewegungen der Muskulatur zwischen
den Nadeln zeigen.
Die Akupunkturnadeln beschreibt Vogel folgendermaßen (Abb.11): Sie bestehen aus
poliertem, ausgeglühtem Stahl und sind mit einem Knopf oder einem Ring
versehen. Sie müssen stark und spitz genug sein und werden daher in der Regel
lanzenförmig angeschliffen. Ihre Länge ist unterschiedlich und wechselt zwischen 5
und 15cm, die Dicke geht nicht über die einer normalen Stricknadel hinaus. Je nach
der räumlichen Ausdehnung des Leidens und dessen Intensität braucht man eine
größere Anzahl, häufig 30-50 Stück.
Das Einstechen in die Haut geschieht entweder mit der Hand oder, falls die Haut wie
besonders bei Rindern oder Hunden Schwierigkeiten bereitet, unter Zuhilfenahme
eines Holzes oder Hammers, wobei die Haut mit den Fingern angespannt wird. Vogel
31
weist darauf hin, dass das Einbringen der Nadeln meist mit einer erheblichen
Beunruhigung der Tiere einhergeht und man sich deswegen in Acht nehmen sollte.
Als Applikationsort empfiehlt auch Vogel den Sitz des Leidens oder die nächste
Nähe. In erster Linie kommen Backen, Schulter, Rücken, Kruppe und Becken in
Frage, wo auch eine dickere Lage von Weichteilen vorhanden ist. Laut Vogel soll
auch das Einstechen in Gehirn, Herz, Lungen oder Arterien keine wesentlichen
Nachteile hervorrufen.
Die Nadeln sollen in geregelten Haufen oder Reihen beieinander positioniert werden
und voneinander Abstände von wenigen Zentimetern haben (VOGEL, 1891).
3.3.4. 19. Jahrhundert in Österreich
3.3.4.1. Anton Hayne (1786 – 1853)
Die erste schriftliche Erwähnung von Akupunktur in der Veterinärmedizin in
Österreich stammt aus dem Jahr 1833 (SCHREIBER, 2004). Der Verfasser war
Anton Hayne, ein angesehener Wissenschaftler und Veterinärmediziner in
Österreich. 1811 wurde er „Correpetitor“ am „Thierarzney-Institute“ in Wien und 1813
Professor der Tierheilkunde am Lyceum in Olmütz. 1820 war er in Laybach
Landestierarzt und im selben Jahr wurde er öffentlicher Professor der speziellen
Pathologie und Therapie am k. k. Thierarzney-Institut zu Wien (SCHIPPERS, 1993).
Er war bis 1852 als Lehrer und Forscher am Thierarzney-Institut in Wien tätig.
Während seiner dreißigjährigen Professur war Hayne stets auf der Suche nach
wissenschaftlicher Wahrheit, die in seiner Lehrtätigkeit und zahlreichen Publikationen
ihren Ausdruck fand. Als Wegbereiter wissenschaftlicher Tierheilkunde machte
Hayne Anfang der dreißiger Jahre Versuche an Pferden, um die therapeutische
Wirksamkeit der Akupunktur zu bestätigen (SCHREIBER, 2004).
Hayne veröffentlichte eine Vielzahl an Studien und Arbeiten, von denen mindestens
drei die Akupunktur behandelten bzw. erwähnten (SCHIPPERS, 1993).
1833 veröffentlicht Hayne die kurze Abhandlung „Bemerkungen und Erfahrungen
über Acupunktur in thierärztlicher Beziehung“, publiziert in: "Medizinische
Jahrbücher des K. k. Österreichischen Staates, im Jahre 1833" (HAYNE, 1833).
.
32
In dieser Abhandlung gibt er an, dass die Vielzahl an positiven Berichten in den
humanmedizinischen Zeitschriften Anlass für ihn war, diese Heilmethode auch an
Tieren anzuwenden. Die Krankheitsformen, die sich seiner Meinung nach am
meisten zu eignen schienen, waren chronische Entzündungen. Dazu zählte er die
Schulter,- Bug,- Hüft- und Kreuzlähme, sowie mit Beschränkung auch den
Starrkrampf, sowie den so genannten Sehnenklapp (chronische Entzündung der
Beugesehnenscheide des Hufbeines) (SCHREIBER, 2004).
Als besonderen Vorteil der Akupunktur sieht er, dass diese Behandlungsweise keine
Spuren hinterlässt, die die betreffenden Tiere entstellen und dadurch mehr oder
weniger entwerten, selbst dann wenn keine günstigen Wirkungen eintreten. Das
steht im Gegensatz zu den damals für diese Krankheitsbilder angewandten
Behandlungsmethoden wie Revellentien, scharfen Einreibungen, Eiterbändern oder
Behandlungen mit glühenden Eisen.
Hayne gibt auch eine Anleitung zur Anwendung der Akupunkturnadeln. Zwei bis drei
Zoll (5,08cm – 7,6cm) lange, stählerne Nähnadeln sollen hinreichend tief
eingestochen werden und ein bis acht Tage nicht so sehr in als zunächst über dem
leidenden Teil stecken bleiben. Die Nadeln werden aus Vorsicht durch Fäden
verbunden, falls sie, wie es zuweilen der Fall ist, selbstständig tiefer eindringen. Die
dadurch mehr oder weniger heftigen entzündlichen Anschwellungen sollen in
günstigem Falle eine mehr oder weniger vollständige Heilung des zu bekämpfenden
Leidens zur Folge haben. Daraufhin werden die Nadeln an den zu einer Schlinge
verknüpften Fäden wieder herausgezogen. Für den Fall dass die Nadeln durch eine
eintretende Anschwellung herausgehoben werden, schreibt Hayne dass eine
neuerliche Applikation erforderlich ist, die aber durch die Unruhe des Tieres und den
Widerstand der Haut bzw. des Fleisches nur schwer erfolgen kann, was
entsprechende Nadelhalter notwendig macht.
Sonst lassen sich laut Hayne in Bezug auf Applikation der Nadeln noch keine Regeln
festsetzen. Die Tiefe, Anzahl, Größe, Form und Material der Nadeln, sowie an
welcher Stelle sie eingestochen werden sollen, müsse erst durch weiteren Gebrauch
ermittelt werden, wozu er an dieser Stelle auch ermuntert.
33
Weiters warnt Hayne davor, diese Methode als Allheilmittel zu betrachten, weil dann
das Gute was es leistet übersehen werden könnte, oder die Methode ihren guten Ruf
verlieren könnte.
In weiterer Folge beschreibt Hayne einige der Fälle die er mit Akupunktur behandelt
hat, an erster Stelle steht hier die Erkrankung eines neun Jahre alten Reitpferdes an
Tetanus. Das Pferd zeigte eine vollständige Maulsperre, eine Pulsfrequenz von
60/min, eine Atemfrequenz von über 60/min, Starrheit und Unbeweglichkeit über der
gesamten Skelettmuskulatur, sowie Ängstlichkeit und Schweißausbruch. Da sonstige
denkbare Verfahren als unzureichend erachtet wurden, wurden Nadeln in Kau,- Hals-
und Rückenmuskulatur bis an die Knochen eingestochen und zwei Tage lang
stecken gelassen, worauf nach und nach eine Besserung der Symptome eintrat und
die Genesung zwar langsam, aber ohne den Gebrauch anderer Mittel eintrat. Diesen
Behandlungserfolg relativiert Hayne aber in den nächsten Zeilen, indem er
beschreibt, dass in anderen Tetanusfällen der Behandlungserfolg weniger günstig
war.
Ein anderer Fall betrifft ein auch heute noch schwer zu bekämpfendes Leiden, die so
genannte Kreuzlähme (Mal de Caderas, eine durch Trypanosoma equinum
ausgelöste Parasitose mit neurologischen Symptomen, typisch ist das Einknicken der
Hinterbeine). Hayne beschreibt, dass es durch Heilungsversuche wie etwa durch
scharfe Einreibungen, künstliche Geschwüre der Moxa oder durch Glüheisen nur
sehr wenige Teilerfolge, aber keinen Fall der vollständigen Heilung gab. Aus diesem
Grund wurde bei einem 15 Jahre alten Zugpferd, das in höherem Grad kreuzlahm
war, ein Versuch zur Heilung durch Akupunktur durchgeführt, und zwar auf folgende
Weise: Es wurden 2 ½ Zoll (6,35 cm) lange stählerne Nadeln zur Seite der
Processus spinosi der Lendenwirbel in etwa 2 Zoll (5cm) tief eingestochen und bis zu
zehn Tagen lang dort belassen. Daraufhin kam es an diesen Stellen zu
entzündlichen Anschwellungen und später teilweise auch zu Eiterung. Nach dieser
Behandlung wurde der Gang kräftiger, das Schwanken und die Empfindungslosigkeit
verschwanden zusehends. Vier bis fünf Wochen nach der Behandlung konnte ein
Mann ohne Probleme das Pferd reiten, wodurch es als wieder gesund eingestuft
wurde.
34
Laut Hayne ist die positive Wirkung der Akupunktur noch deutlicher bei der so
genannten Schulter-, Bug- und Hüftlähme, sowie beim Sehnenklapp.
Hayne bemerkte, dass die Durchführung weiterer Versuchsreihen die Erweiterung
der Indikationen lehren werde. Die noch unbekannten Wirkmechanismen wurden den
„revellierenden Kräften“ oder vielleicht einem elektrisch-galvanischem Prozess
zugesprochen, wobei zukünftige Erfahrungen diese schon aufklären würden
(SCHREIBER, 2004).
Professor Kothbauer, einer der Begründer der modernen österreichischen
Veterinärakupunktur, bemerkte, dass Haynes „tastende Therapieversuche an
Pferden mit Bewegungsstörungen wahrscheinlich zu den ersten Anwendungen von
Akupunktur bei Tieren an einer öffentlichen Lehrstätte in Österreich zählten“
(KOTHBAUER, 1999).
Ebenfalls im Jahr 1833 wird von Hayne das Buch „Theoretisch-praktische
Darstellung der in der Tierheilkunde bewährten diätetischen pharmaceutischen und
chirurgischen Heilmittel“ veröffentlicht. In dem Kapitel „Nadelstiche (Acupunctura)“
beschreibt Hayne die Behandlung zweier Pferde gegen Starrkrampf und Hüft- bzw.
Kreuzlähme. Sehr interessant sind auch einige Bemerkungen Haynes zum Thema
Akupunktur, die seine Erkenntnisse und seine Erwartungen zum Thema Akupunktur
bei Tieren wiedergeben. Schon damals erkannte er das Problem, dass meist erst
nach Versagen der üblichen Therapien die Akupunktur als Therapiemöglichkeit in
Betracht gezogen wird, und deswegen oft keinen Heilungserfolg erreichen kann.
Dazu bemerkt er (zit. nach SCHREIBER, 1993): „… größtentheils machte man aber
damit dann erst einen Versuch, wo alle sonstigen Mittel nach langem und
wiederhohltem Gebrauche fruchtlos blieben; daher auch die Nadelstiche nicht viel,
auch gar nichts leisteten, allein deßwegen den Vorwurf, als ob sie nirgends etwas
leisten könnten, auch nicht verdienen, weil sonst dieses jedes der bekannten
Heilmittel treffen müßte.“
Auch seine Sympathie für China machte Hayne deutlich, obwohl er seine Kenntnisse
wohl nur aus zweiter Hand und nicht durch eigene Auslandsreisen erwarb (zit. nach
SCHREIBER, 1993): „Zwar möchte es bey näherer Überlegung scheinen, daß eine
35
neue Verletzung des ohnehin beleidigten Gebildes das Leiden steigern müßte, und
nur in China so etwas Widersprechendes in Anwendung kommen könne: indessen
darf man dieses Verfahren in jenen Ländern nicht zu gering achten, weil viele, ja die
wichtigsten Erfindungen, die man den Europäern zuschreibt, angeblich schon seit
undenklichen Zeiten dort sollen bekannt gewesen seyn.“
Am Schluss seines Kapitels über Akupunktur finden sich Haynes Auswertungen
seiner Forschungen (zit. nach SCHREIBER, 1993): „ Dem Angeführten zufolge läßt
sich auch ohne Versuche über die Wirkung der Nadelstiche weder etwas
Entschiedenes für, noch dagegen sagen. Sollten aber mehrere Fälle des in Rede
stehenden Verfahren bey entzündlichen Affectionen der nervösen und musculösen
Parthien bestätigen, dann verdiente es in so ferne Vorzüge vor den Einreibungen,
Eiterbändern u.s.f., weil damit kein Haarverlust und keine Narben entstehen, die von
den meisten Thiereigenthümern oft zu ihrem Nachteil gescheut werden.“
Zusammenfassend bewertet Hayne die in seinen Publikationen von 1833
herausgebrachten Ergebnisse als sehr positiv und fordert zu weiteren Versuchen auf.
In der zweiten Auflage seines Buches „Handbuch der Zoo-Pathologie und
Therapie…“ von 1852 findet sich im Kapitel über Muskelerkrankungen auch ein
kurzer Absatz über die Akupunktur (SCHREIBER, 2004).
3.3.4.2. Dr. Leopold Forster
Eine andere historische Quelle ist eine Publikation von Dr. Leopold Forster aus dem
Jahr 1861. Er war Professor am k. k. Thierarzney-Institute in Wien und beschreibt in
einem Kapitel seines Buches "Thierärztliche Instrumenten- und Verbandlehre"
Akupunkturnadeln und ihre Anwendung (FORSTER, 1861).
Forster beschreibt die Anwendung der Akupunkturnadeln in folgender Weise: Die
Nadeln werden in die den erkrankten Partien zunächst gelegene Muskulatur
eingestochen, um reizend und demzufolge ableitend zu wirken. Die Nadeln besitzen
eine Länge von zwei bis vier Zoll (5,08-10,16cm), die Dicke einer mittelstarken
Stricknadel und sind mit einer sehr feinen Spitze versehen (Abb.12). An ihrem
stumpfen Ende tragen sie ein verschieden geformtes Köpfchen, entweder aus
36
demselben Material wie das der Nadel, oder auch aus einem anderen Material.
Dieses Köpfchen soll das leichte Einstechen der Nadel ermöglichen und ist entweder
schraubenförmig, zylindrisch, prismatisch oder knopfförmig, erstere Form soll
besonders dann zweckmäßig sein, wenn man die Nadel nicht durch einen raschen
Druck einstechen, sondern sie durch Drehen zwischen den Fingern einführen will.
Um zu verhindern dass die Nadeln herunterfallen und zu einer Verletzung des Tieres
führen können, sind sie an ihren Köpfchen durchbohrt, wodurch man sie mit einem
Faden verbinden kann. Laut Forster ist das zweckmäßigste Material zur Herstellung
von Akupunkturnadeln reiner Stahl, da bei anderen Materialien wie etwa Gold, Silber
oder Platin sehr dicke Nadeln verwendet werden müssten, damit sich diese beim
Einstechen nicht verbiegen, außerdem wären andere Materialien zu kostspielig.
Für den Fall, dass keine speziellen Akupunkturnadeln zur Verfügung stehen, gibt
Forster noch den Rat gewöhnliche Nähnadeln zu verwenden oder die damals häufig
angefertigten Nadeln mit Glasköpfchen zu verwenden.
Auch über die für die Elektroakupunktur zu verwendenden Nadeln gibt Forster
Auskunft: Man solle Nadeln verwenden, die anstatt der Köpfchen Ringe besitzen, in
welche die Leitungsdrähte von einer Stromquelle eingehängt werden können. Als
Stromquelle empfiehlt Forster entweder ältere elektrische Apparate wie die
Elektrisiermaschine (erzeugt Reibungselektrizität), die Leydner Flasche (die älteste
Form eines Kondensators) oder die Volta’sche Säule (ein Vorläufer der heutigen
Batterien). Als zweckmäßiger sieht er aber neuere elektromagnetische Apparate wie
z.B. die Electromotoren von Neef, Wagner und Anderen, oder die magneto-
elektrischen Rotationsmaschinen von Ettingshausen, Hessler, Romershausen und
Anderen an.
Zur Anwendung der Nadeln bemerkt Forster, dass man sie durch raschen Druck oder
durch Drehen zwischen den Fingern in der Muskulatur versenken kann. Da nach
seiner Ansicht diese beiden Methoden aber wegen der Dicke und Derbheit der Haut
mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sind und die Tiere wegen der langen
Dauer einer solchen Operation unruhig werden, empfiehlt er die Nadel mit der linken
Hand senkrecht auf die Haut zu setzen und sie durch einen leichten Schlag mit
einem glatten Holz oder einem Aderlaßschlägel durch die Haut in die Weichteile zu
treiben. Ebenso kann man einen zwei Zoll (5,08 cm) langen Holz- oder Beingriff mit
37
Metallhülse zur Aufnahme des Köpfchens der Nadel verwenden und mittels raschen
Druckes auf den Griff die Nadel einstoßen (FORSTER, 1861).
Obwohl sich im 19. Jahrhundert die Berichte über die Anwendung der Akupunktur
auch bei Tieren in Europa mehren, scheiterte auch dieser Annäherungsversuch der
westlichen Welt an diese Form der Behandlung.
Erst im Laufe des vergangenen Jahrhunderts konnte sich die Akupunktur außerhalb
des ostasiatischen Kulturkreises durchsetzen.
In der Mitte des 20. Jahrhunderts erwacht das Interesse an dieser Methode erneut.
Hergeleitet von Erfolgen beim Menschen, werden auch Untersuchungen am Tier
begonnen (KOTHBAUER u. MENG, 1983).
38
Abb. 11: Akupunkturnadel nach Vogel
(VOGEL, 1891)
Abb. 12: Akupunkturnadeln nach
Forster (FORSTER, 1861)
39
3.4. ENTWICKLUNG IM 20.JAHRHUNDERT – DER WEG NACH ÖSTERREICH
3.4.1. Georges Souliè de Morant (1887– 1955)
Der Erste, der eine umfassendere Abhandlung über die
Akupunktur verfasste, war der französische Diplomat und
Sinologe Georges Souliè de Morant (Abb. 13) (LOWN,
2007). Seine Arbeiten waren der bedeutungsvollste
Anstoß für die Entwicklung der Akupunktur im 20.
Jahrhundert in Europa.
Schon mit acht Jahren begann er von einem
jesuitischen Priester chinesisch zu lernen. Im Alter von 20 Jahren arbeitete er für
eine Bank und wurde 1899 nach China geschickt. Die nächsten zwei Jahrzehnte
arbeitete er für die französische diplomatische Abteilung in verschiedenen
chinesischen Städten.
Überzeugt von der Bedeutung der Akupunktur wurde er, als er die Effekte dieser
Behandlung während einer Choleraepidemie miterlebte. Er begann sich intensiv mit
der Lehre der Akupunktur zu beschäftigen (RAMEY u. BUELL, 2004), prägte das
Wort „Meridian“ und war der erste Europäer, der in China als Arzt der chinesischen
Medizin anerkannt wurde.
1917 kam er nach Frankreich zurück und begann dort, die Akupunktur in
verschiedenen Krankenhäusern einzusetzen (RUDOLPH, 2008).
Zusammen mit seinem Freund, dem homöopathisch tätigen Arzt Dr. Ferreyrolles,
befasste er sich ausführlich mit dieser Behandlungsmethode. Er publizierte darüber
1939 die ausführliche Abhandlung „L’Acupuncture Chinoise“ (RAMEY u. BUELL,
2004). Dieses Werk wird immer noch als eines der klassischen Werke über
Akupunktur betrachtet und wurde in verschiedene Sprachen übersetzt.
Morant behandelte und unterrichtete über 30 Jahre lang in verschiedenen
Krankenhäusern bis er, weil er kein Arzt war, der illegalen Ausübung der Heilkunde
angeklagt wurde.
Seine Werke und seine Schüler hatten einen enormen Einfluss auf die Akupunktur in
Europa (RUDOLPH, 2008).
Abb. 13: Georges Souliè de Morant
(WIKIPEDIA „ Georges Souliè de
Morant“, 2010)
40
3.4.2. Dr. Franz Hübotter (1881-1967)
Ungefähr zur gleichen Zeit wie Morant, verfasste der deutsche Arzt und Sinologe Dr.
Franz Hübotter ein umfangreiches Buch über chinesische Medizin: „Chinesische
Medizin zu Beginn des XX. Jahrhunderts und ihr historischer Entwicklungsgang“
(HÜBOTTER, 1929).
Durch seine Reisen nach China besaß auch er ein umfangreiches Wissen über
Akupunktur, fand aber zur damaligen Zeit in Deutschland noch wenig Gehör. Sogar
in den 50er Jahren, in denen das Buch noch im Handel erhältlich war und die
Akupunktur sich in Deutschland stürmisch zu entwickeln begann, gab es nur wenige
die es gelesen, geschweige denn verstanden hatten. Damals beherrschte vor allem
die französische Lehre die Akupunkturszene. Hübotter bezieht sich ausschließlich
auf chinesische Quellen, die ihm durch seine Arbeit als Sinologe zur Verfügung
standen.
Das Buch enthält neben anderen Übersetzungen auch eine vollständige deutsche
Übersetzung des Nan Jing, des „Klassikers der Problematik“ aus der Han-Dynastie.
3.4.3. Dr. Roger de la Fuye (1890-1961)
Dr. Roger de la Fuye wurde zu einem Schüler von Georges Souliè de Morant, sein
Interesse an der Akupunktur erwachte aber zunächst weit weg von Frankreich.
Der Neffe des legendären französischen Schriftstellers Jules Verne unternahm schon
als junger Mann Bildungs- und Forschungsreisen um die halbe Welt. Eine seiner
Reisen verschaffte ihm einen ungewöhnlichen und sehr interessanten ersten Kontakt
zur Akupunktur. Während einer Fahrt nach Nordamerika zu den nordkanadischen
Stoney-Indianern, stieß er auf eine interessante Spur. Die Medizinmänner dieses
Stammes, der nah mit den Eskimos verwandt war, behandelten seine Kranken mit
Einstichen von Steinnadeln und Extrakten aus Heilpflanzen. De la Fuye kannte
damals die Akupunktur bereits vom Hörensagen und vermutete auf ein Relikt der
steinzeitlichen Form der chinesischen Akupunktur gestoßen zu sein. Möglicherweise
hatte die amerikanische Urbevölkerung diese Behandlungstechnik während der
Steinzeit über die Behringstrasse aus Ostasien mitgebracht.
41
Daraufhin begann sich de la Fuye immer mehr mit der praktischen Anwendung von
Akupunktur zu befassen. Ihm zu Hilfe kam die Tatsache, dass sich Frankreich zu
dieser Zeit durch die Arbeit von Georges Souliè de Morant als erstes europäisches
Land intensiv mit der Akupunktur zu beschäftigen begann, und dieser Methode die
Tore öffnete.
Seine eigene Forschung setzte zu Beginn der dreißiger Jahre ein und machte ihn
zum überzeugten Akupunkteur (SEILER, 2002).
Er entwickelte die Homöosiniatrie, eine Lehre, die Akupunktur mit der klassischen
Homöopathie von Hahnemann verbindet. Bei homöosiniatrischen Verfahren werden
beispielsweise homöopathische Mittel an Akupunkturpunkten laut TCM gespritzt, was
zu Heilwirkungen führen soll, die über die jeweiligen Wirkungen von TCM und
Akupunktur im Sinne einer Synergie hinausgehen soll (WIKIPEDIA „Homöosiniatrie“,
2011).
1947 wird de la Fuyes Hauptwerk publiziert, das „Traité d’Acupuncture“ mit dem
Untertitel „La Synthèse de l’Acupuncture et de l’Homépathie“ (SEILER, 2002).
Während des 2. Weltkriegs wurde 1943 die französische Gesellschaft für Akupunktur
gegründet. Damit ist sie die älteste derartige Vereinigung der westlichen Welt. Paris
wurde deshalb für lange Jahre das Zentrum der westlichen Akupunktur
(KOTHBAUER, 1961).
1954 wurde an der Veterinärschule von Alfort die erste Dissertation über Akupunktur
verfasst:
Bernard J. 1954. Contribution a l’etude de l’acupuncture chez les carnivores. Doc.
Thesis, National Vet. Sch., Alfort, France. (SCHOEN, 2003).
Um 1950 begann sich der deutsche Arzt Gerhard Bachmann für Akupunktur zu
interessieren. Er erlernte die Anwendung dieser Behandlungsmethode in Frankreich
von de la Fuye. Er war der Wegbereiter der Akupunktur in Deutschland und gründete
1951 gemeinsam mit Heribert Schmidt, der ebenfalls ein Schüler von de la Fuye war,
und Erich Stiefvater die Deutsche Ärztegesellschaft für Akupunktur (POLLMANN,
2002).
42
3.5. ENTWICKLUNG IM 20.JAHRHUNDERT IN ÖSTERREICH
Einer der Schüler Bachmanns war der Wiener Johannes Bischko, er spielte in
weiterer Folge eine große Rolle bei der Entwicklung der Akupunktur in Österreich.
Zu dieser Zeit beginnt sich auch die Veterinärakupunktur rapide zu entwickeln. Eine
große Unterstützung bei der Einführung der Tierakupunktur in Österreich war die
Verbindung mit der Humanakupunktur durch Prof. Dr. J. Bischko, der sich zum
Vorteil beider Fachrichtungen sehr um eine Zusammenarbeit bemühte
(KOTHBAUER u. MENG, 1983).
3.5.1. Prof. Dr. J. Bischko (Abb. 14) (1922-2004)
Der Pionier der westlichen Akupunktur studierte in Wien Medizin
und legte die Prüfung zum Facharzt für Chirurgie ab. Anfang der
50er Jahre wurde er an der Chirurgischen Abteilung des Wiener St.
Rochus-Spitals zum Oberarzt ernannt und pflegte dort den Kontakt
zu anderen Ärzten, die durch ihre Erfahrungen auch aufgeschlossen
waren für Neuerungen in der Medizin.
Sie befassten sich deshalb neben ihrer chirurgischen Tätigkeit mit bis
dahin wenig bekannten und nicht anerkannten Therapiemethoden.
Zufällig ergab es sich zu dieser Zeit auch, dass Bischko eine italienische
Übersetzung von Souliè de Morant über die Akupunktur fand und sich damit
beschäftigte. Daraufhin unternahm er zahlreiche Reisen nach China, wo er sich
eingehend mit der Akupunktur beschäftigte. Bischko suchte nun auch Kontakt zu De
la Fuye in Paris und Bachmann in München, um sein Akupunkturwissen auf den
aktuellen Stand zu bringen.
Sein Zugang war aber nicht - wie damals üblich – der philosophische Hintergrund,
ihn interessierte viel mehr das „Warum“, „Wie“ und „Wodurch“
Er wurde somit zu einem wesentlichen Mitbegründer der wissenschaftlichen
Akupunktur: von Anfang an war er überzeugt, dass die Wirkung der Akupunktur mit
Abb. 14: Dr. J.
Bischko
(RICHART, 2010)
43
schulmedizinischen Methoden erforschbar und erlernbar sei. Es ist ihm gelungen, die
uralte chinesische Heilmethode auf eine fundierte wissenschaftliche Basis zu stellen.
Dadurch wurde es ermöglicht, die Akupunktur aus dem Dunstkreis der
Alternativmedizin herauszuführen und in die heutige Schulmedizin als anerkannte
Methode zu integrieren.
Die neuere Entwicklung der Akupunktur in Österreich verlief daher anders als in den
meisten Ländern Europas. Sie war von Anfang an darauf ausgerichtet, möglichst
engen Kontakt mit der offiziellen Medizin zu halten und in Lehre und
Umgangssprache deren Ausdrucksweise zu benützen. Dies bedeutete, dass man
Vieles vom Gedankengut der Klassik dann zurückstellen musste, wenn
wissenschaftliche Erkenntnisse die alten Überlieferungen erklären konnten. In
diesem Sinne haben Bischko und alle anderen Mitarbeiter der Österreichischen
Akupunkturgesellschaft sehr bald den Kontakt zu universitären Einrichtungen
gesucht und gefunden. In den folgenden Jahren wurden zahlreiche Erkenntnisse
erarbeitet, die auch entsprechend dokumentiert und veröffentlicht wurden (RICHART,
2010).
Johannes Bischko schuf durch die gezielte wissenschaftliche Aufarbeitung von
Befunden und Erfahrungen die dadurch geprägte Wiener Schule der Akupunktur.
Durch seine Bücher und Publikationen, sowie durch ausgedehnte Vortrags- und
Lehrtätigkeit erwarb er sich auch große Verdienste um die Aus- und Weiterbildung
von Studenten und Medizinern.
Neben seiner Lehr- und Forschungstätigkeit führte er ab 1958 eine
Akupunkturambulanz in der von ihm eröffneten HNO-Abteilung der Wiener Poliklinik.
Bekannt wurde er einem breiten Publikum, als 1972 eine Mandeloperation in der
Wiener Poliklinik mit Akupunktur als örtlicher Betäubung ohne weitere Narkose im
Fernsehen übertragen wurde.
Für seine Arbeiten bekam er zahlreiche nationale und internationale
Auszeichnungen, unter anderem war er Träger des Ehrenkreuzes für Wissenschaft
und Kunst 1. Klasse.
Ihm zu Ehren wird auch die Johannes-Bischko-Medaille vergeben.
Im Jahr 1952 wurde die deutsche Gesellschaft für Akupunktur gegründet und im Jahr
1954 die österreichische Gesellschaft für Akupunktur. Der erste Präsident der
österreichischen Gesellschaft für Akupunktur war Bischko, er hatte diese
44
verantwortungsvolle Position bis zum Jahre 1989 inne und war danach
Ehrenpräsident.
Im Jahr 2001 wurde im Kaiserin-Elisabeth-Spital das Ludwig-Boltzmann-Institut für
Akupunktur ins Leben gerufen, das 2005 auf Johannes-Bischko-Institut umbenannt
wurde und das von Bischko selbst bis zuletzt geleitet wurde.
Prof. Dr. med. Johannes Bischko hat sich auch stets für die Förderung der
Veterinärakupunktur eingesetzt. Durch seine Unterstützung wurde den Tierärzten
wertvolle Literatur zugänglich gemacht und wertvolle Kontakte vor allem mit
ausländischen Kontakten und Instituten ermöglicht. Die Basis für diese
Zusammenarbeit war ein jahrelanges freundschaftliches Verhältnis zwischen Bischko
und Prof. Dr. med. vet. Oswald Kothbauer. Diese Verbindung erwies sich als
maßgeblich für die Entwicklung der Veterinärakupunktur in Österreich (KOTHBAUER
u. MENG, 1983).
Ehe näher auf die Verdienste von Oswald Kothbauer um die Förderung der
Veterinärakupunktur in Österreich einzugehen sein wird, soll das Bild dieser
außergewöhnlichen Persönlichkeit mit den Worten von Johannes Bischko umrissen
werden (zit. nach KOTHBAUER u. MENG, 1983):
„Mein Freund Kothbauer war immer ein kritischer Geist, der sich mit dem ihm
eigenen listigen Lächeln alles anhörte (wir kennen uns in der Akupunktur seit gut 25
Jahren), genau bei seinen Tierpatienten zu Hause überprüfte und erst dann ja oder
nein dazu sagte.
Dies hat seine Begründung in seiner viel zu großen persönlichen Bescheidenheit.
Schließlich war er es, der als erster, sicher gegen viele Widerstände und ohne jedes
Salär dafür, nicht nur in unserem Land die Basisuntersuchungen für die
Veterinärakupunktur schuf. Heute zitiert er seine Schüler in extenso und in oben
genannter Bescheidenheit.
Schließlich war er es, der als erster im Westen, nach viel Vorarbeit und manchen
Schwierigkeiten, die Venia legendi im Bereich Akupunktur an der
Veterinärmedizinischen Universität Wien erhielt, ein Unikat, das im Bereiche der
Humanmedizin etwa von noch niemand erreicht wurde.
45
Ein vir clarissimus reinsten Wassers, wie die verehrlichen Leser sich das nicht
vorstellen könne, auch nicht, wenn sie das Glück haben, bei und mit ihm zu arbeiten,
ein Pionier der ersten Stunde, ein Name, der in keinem Literaturverzeichnis je mehr
fehlen wird“.
Ich hatte das Glück Prof. Dr. med. vet. Oswald Kothbauer interviewen zu dürfen und
werde einiges davon in den nächsten Kapiteln wiedergeben.
3.5.2. Prof. Dr. med. vet. Oswald Kothbauer (geb.1926)
Oswald Kothbauer (Abb. 15) wurde in Wien geboren und ist in
Niederösterreich aufgewachsen. Sein Vater, der schon im
ersten Weltkrieg Militärtierarzt war, hatte in Großmugl in
Niederösterreich eine Tierarztpraxis. Später bekam er einen
Posten in der niederösterreichischen Landesregierung in
Matzen im Marchfeld. Diesen Posten hatte er einige Jahre lang
inne und Oswald Kothbauer verbrachte dort mit seinem Bruder
seine Kindheit.
1938 wurde der Vater nach Deutschland berufen, um dort auf die deutschen
Veterinärgesetze umgeschult zu werden. Die Jahre 1940 bis 1943 verbrachte die
Familie im Rheinland, wo Kothbauer auch das Gymnasium besuchte. Weil der Vater
aber immer nach Österreich zurück wollte, nahm er mit Kriegsende eine Stelle als
Amtstierarzt in Grieskirchen an. Durch seinen Vater waren für Kothbauer die Vor-
und Nachteile des Tierarztberufes bekannt und so war die Berufsentscheidung zum
Teil vorgegeben.
Nachdem Kothbauer in Ried im Innkreis die Matura abgelegt hatte, begann er das
Studium an der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Während des Studiums
verbrachte er die Ferien in Grieskirchen und begleitete seinen Vater. So bekam er
einen guten Einblick in das Leben der Menschen und konnte die gute Beziehung
seines Vaters zu den Bauern miterleben. Schon damals bemerkte er, dass es noch
sehr schwierig war beim Tier konkrete Diagnosen zu stellen, man versuchte in erster
Abb. 15:
Dr. O. Kothbauer
(persönlich von Dr.
Kothbauer zur Verfügung
gestellt)
46
Linie über die Befragung der Bauern (Anamnese) auf die Ursache der Erkrankung zu
schließen.
Nach seiner Promotion zum Doktor der Veterinärmedizin im Jahr 1952 nahm er seine
eigene tierärztliche Tätigkeit in Grieskirchen auf. Bald stellte sich der Wunsch ein, auf
die Fragen der Bauern und Tierbesitzer bessere Antworten geben zu können. Dieser
Wunsch stellte für Kothbauer den inneren Motivatonsschritt zum Interesse an der
Akupunktur und ihrer späteren Anwendung dar.
Zu dieser Zeit kam ihm zu Kenntnis, dass schon 1885 der englische Neurologe Sir
Henry Head (1861-1940) eine Beziehung zwischen der Haut und inneren Organen
gefunden hatte. Diese wurden später nach ihrem Entdecker Head’sche Zonen
genannt. Bei Erkrankungen der inneren Organe werden die Schmerzen über den
entsprechenden Spinalnerven übertragen, vom Großhirn aber (fälschlicherweise)
Hautgebieten, die vom gleichen Spinalnerv versorgt werden, zugeordnet. Wenn eine
Zuordnung der Hautnerven zu den Innenorganen bekannt ist, kann man laut Head
anhand der Lokalisation schmerzhafter Hautstellen angeben, welches innere Organ
erkrankt ist. Nach intensiver Befassung mit dieser Thematik reifte in Kothbauer der
Wunsch, diese Beziehung auch bei Tieren zu suchen.
Die Diagnose druckschmerzempfindlicher Hautpartien beim Tier stellte sich als
deutlich schwieriger heraus als beim Menschen, da die Kommunikation des
Schmerzempfindens vom Tier an den Untersucher naturgemäß sehr schwer zu
deuten ist. Trotzdem machte sich Kothbauer auf die Suche nach derartigen
druckschmerzhaften Punkten. Er begann bei Kühen, die für die Schlachtung
bestimmt waren, nach Symptomen zu suchen. Auf der Basis einer gründlichen
Allgemeindiagnose konnte er die ersten Verbindungen zwischen bestimmten
Hautarealen und erkrankten inneren Organen herstellen.
Der erste direkte Kontakt zur Akupunktur ergab sich anlässlich einer Visite bei einem
Bauern. Beim Betreten der Stube sah Kothbauer die Bäuerin auf einem Sessel
sitzen, an verschiedenen Körperstellen befanden sich Nadeln. Der Humanmediziner
Fritz Doppler erklärte Kothbauer, dass es sich hierbei um eine chinesische Methode
handelte, mit der man auch Heilungen erzielen könne.
47
Dieses Erlebnis brachte Kothbauer auf die Idee, diese Methode auch bei Tieren
anzuwenden, was er seit 1956 in seiner Praxis dann auch umsetzte. Der Zufall wollte
es, dass sich zu dieser Zeit sein ehemaliger Anatomielehrer Prof. J. Schreiber, mit
dem er auch nach Abschluss seines Studiums in Kontakt verblieb, gerade mit der
Erforschung des Nervensystems bei Rindern unter besonderer Berücksichtigung der
Headschen Zonen befasste. Er beauftragte einen seiner Assistenten, den späteren
langjährigen Vorstand der Wiener Veterinäranatomie Prof. DDr. Oskar Schaller,
damit, das Hautnervensystem bei Rindern zu untersuchen. Nachdem die Haut
abpräpariert worden war, sodass man die Nerven sehen konnte, erkannte Kothbauer
eine Reihe von Punkten wieder, die er schon in seiner eigenen Forschung in der
Praxis als wichtig erkannt hat. Erkrankte Rinder hatten bei Berührung dieser Punkte
immer wieder eine gewisse Empfindlichkeit gezeigt. Diese wesentlichen Punkte
benannte er später als Schmerzpunkte.
Mangels geeigneter Unterlagen und Literaturangaben für einen gezielten Einsatz der
Akupunktur beim Tier gestaltete sich die gezielte Suche nach den wirksamen
Punkten zunächst äußerst schwierig. Besonders was die Therapie mit Akupunktur
betraf, war man auf die eigenen Erfahrungen am Tierpatienten angewiesen. Zudem
war eine Erforschung nach streng wissenschaftlich kontrollierten Kriterien noch nicht
möglich, weil die Suche nach Punkten vor allem in der Praxis ausgeübt wurde, ohne
die Möglichkeit, den Nachweis für das Wirken der Behandlung durch exakte
Nachuntersuchungen erbringen zu können. Außerdem waren die Interessen und
auch Möglichkeiten offizieller Forschungsstätten damals zu gering, um in eine
konsequente Forschung einzusteigen. Dennoch konnten wesentliche Ergebnisse in
der Praxis durch die Untersuchung der Patienten vor Ort dadurch erzielt werden,
dass klar definierte Akupunkturpunkte, die auf mechanischen Druck oder elektrische
Reizung mit Überempfindlichkeit und Schmerz reagieren, dokumentiert werden
konnten.
Dr. Kothbauer hat hunderte Krankengeschichten gesammelt. In Verbindung mit
schulmedizinischer Diagnostik konnte er feststellen, dass bei gleichen Erkrankungen
immer wieder auch die gleichen Punkte druckschmerzhaft waren. Er verglich diese
Punkte mit Akupunkturtafeln aus der Humanmedizin, da es zur damaligen Zeit für
Tiere noch nichts Vergleichbares gab.
48
Um zu verifizieren ob die angenommene Haut-Organ Verbindung tatsächlich
bestand, wandte Kothbauer folgende Methode an: Wenn er bei einem
druckschmerzhaften Punkt den Verdacht hatte, dass die Erkrankung eines
bestimmten Organs die Ursache dafür war, wandte er eine konkrete
schulmedizinische Behandlung für dieses Organ an. Wenn daraufhin die Heilung
eintrat, konnte die Beziehung als bestätigt angesehen werden.
Zwei oder drei Jahre lang wandte er die „Kothbauerschen Punkte“ zu rein
diagnostischen Zwecken an, was den Schlüssel zu seiner späteren Tätigkeit
darstellte. 1959 begann er damit, seine Erkenntnisse zu veröffentlichen und zog
damit die Aufmerksamkeit von Kollegen auf seine Arbeit (Abb.16).
In seinem ersten Artikel (KOTHBAUER, 1959) beschreibt er die von ihm gefundenen
kutanen Druckpunkte auch in Zusammenhang mit der Homöopathie. Der Ansatz für
seine Theorie war, in bestimmte Akupunkturpunkte Homöopathika zu injizieren um
dadurch die Wirksamkeit der Akupunktur zu erhöhen. Auf diese Weise könne man
nicht nur im Sinne der Neuraltherapie arbeiten, also das im Reflexbogen liegende
Organ entstören, sondern auch eine Wirkung auf den ganzen Organismus erzielen.
Zwei Jahre später beschreibt Kothbauer seine Druckpunktdiagnose noch genauer
(KOTHBAUER, 1961). Sein Ziel ist es, damit einen größeren Kreis von Kollegen für
diese Methode zu interessieren, die für ihn nach einer 4-jährigen
Beobachtungsperiode zu einem sehr genauen und hilfreichen Verfahren geworden
ist. Nach einer kurzen Einleitung erklärt er die theoretischen Grundlagen seines
Verfahrens. Er geht dabei auf die Head’schen und Mackenzie’schen Zonen ein und
erklärt den viscero-kutanen Reflex.
Danach beschreibt er die genaue Lage der Punkte bei Störungen der Ovarien und
des Uterus, beim Euterödem, bei Störungen des Magens, des Herzens, der Lunge,
der Leber und der Nieren.
Auch andere Tierärzte begannen sich immer mehr mit den von Kothbauer
gefundenen Punkten zu befassen.
Nach Ansicht von WOLTHER (1959) konnte die Richtigkeit der Ausführungen von
Kothbauer über seine diagnostischen Punkte bestätigt werden. Damit wäre der
Veterinärmedizin ein neuer diagnostischer Weg eröffnet worden, durch den über
49
einen therapeutischen Schematismus hinweg eine individuell angepasste Therapie
betrieben werden könne.
Auch GREIFF (1975) befasst sich in einem Artikel über die Neuraltherapie mit den
Kothbauerschen Punkten.
Nach diesen Erfolgen würdigte auch Kothbauers ehemaliger Anatomieprofessor Dr.
Schreiber seine Arbeit mit folgenden Worten: „Es ist interessant, dass Wiener
Fachärzte in den letzten Tagen in der Tratschpresse („Bunte Illustrierte“) erzählen,
Sie hätten eine neue Therapie, die Segmenttherapie, eingeführt! Ich freue mich, dass
Sie, lieber Herr Kollege, die Idee der „Kothbauerschen Schmerzpunkte“ weiter
bearbeitet haben. Sie wird mit Ihnen auch eine Leistung der Wiener Schule werden.“
Inzwischen hatten sich auch Kothbauer und Prof. Dr. Johannes Bischko kennen
gelernt und eine bald von Freundschaft geprägte Zusammenarbeit entwickelt.
Bischko sprach darüber, dass Humanmedizinern immer wieder vorgeworfen werde,
dass die Wirkung der Akupunktur nur auf Einbildung oder Hypnose beruhe. Wenn
diese Methode aber auch bei Tieren funktioniere, dann könne man doch davon
ausgehen, dass durch Akupunktur tatsächlich Wirkungen erzielt werden.
In weiterer Folge führte Kothbauer dann eine Reihe klar abgegrenzter Versuche an
Tieren durch um die Akupunktur weiter zu entwickeln und zu erforschen. Zum
Beispiel setzte er einen Reiz an einem inneren Organ beim Rind, etwa am Uterus,
und konnte dann feststellen, dass in kürzester Zeit der zugehörige Punkt auf der
Haut auf Druck schmerzhaft wurde (KOTHBAUER, 1966). Da von diesem Zeitpunkt
an vom positiven Nachweis der Wirkung des viscero-cutanen Reflexes ausgegangen
werden konnte, wurden die Versuche systematisch fortgesetzt und die Ergebnisse
weiterhin publiziert.
Anlässlich einer Studienreise in die Volksrepublik China, 1975, erfolgte ein
Erfahrungsaustausch mit chinesischen Tierärzten, der weiteren Gewinn brachte. An
dieser Reise nahmen neben 18 Humanmedizinern auch noch der Kleintiermediziner
Dr. Ferdinand Brunner und Dr. Alexander Meng teil. Letzterer übersetzte mehrere
Werke der chinesischen Primärliteratur ins Deutsche.
50
In China konnte Kothbauer auch beobachten, dass Operationen an Tieren unter
reiner Akupunkturanalgesie durchgeführt wurden. Daraufhin brachte er die dafür
benötigten Elektroakupunkturgeräte für Großtiere nach Österreich mit, Dr. Ferdinand
Brunner erwarb die entsprechenden Geräte für den Kleintierbereich.
Kothbauer war der erste westliche Tierarzt, der unter ausschließlicher Verwendung
von Akupunktur zur Schmerzkontrolle (Abb. 17, Abb. 18) Operationen wie
Zitzenamputationen und Kaiserschnitte bei Kühen durchführte. Somit konnte er
belegen, dass durch Akupunktur im behandelten Bereich eine auch für große
chirurgische Eingriffe ausreichende Hypalgesie zu erzielen war (KOTHBAUER, 1973
u. KOTHBAUER, 1975).
Sogar eine Laparatomie bei einer Labmagenverlagerung konnte Kothbauer unter
ausschließlicher Akupunkturanalgesie durchführen (KOTHBAUER u. ZOHMANN,
1990).
Durch die gute Beziehung die Kothbauer zu den Bauern und Tierbesitzern hatte,
konnte er seine Erkenntnisse auch ausführlich in der Praxis testen. Auf die Frage, ob
er eine neue Technik, die sie bis jetzt noch nicht gesehen hätten anwenden solle,
meinten die meisten Bauern dass „er ausprobieren kann was er will, solange es die
Kühe nicht umbringt.“
Bald darauf konnten die Bauern aber die positive Wirkung der Akupunktur selbst
erleben, was Kothbauer eine weitere Verbesserung seines Verhältnisses zu ihnen
einbrachte.
51
Abb. 17: Durchführung einer Zitzenoperation unter Akupunkturanalgesie
(persönlich von Dr. Kothbauer zur Verfügung gestellt)
Abb. 16: Druckpunkte der linken Körperhälfte (KOTHBAUER, 1961)
52
Abb. 18: Durchführung eines Kaiserschnitts unter Akupunkturanalgesie
(persönlich von Dr. Kothbauer zur Verfügung gestellt)
Abb.19: Anwendung eines Punktsuchgerätes (persönlich von Dr. Kothbauer zur Verfügung gestellt)
53
Ein weiterer wichtiger Schritt für die Veterinärakupunktur war das erste Gerät zur
Auffindung von Akupunkturpunkten. Es wurde um 1970 von Ing. W. Kothbauer, dem
Bruder von Prof. O. Kothbauer entwickelt. Obwohl Kothbauer betont, dass es nach
einiger Übung des Untersuchers nicht mehr nötig ist ein solches Gerät zu
verwenden, kann es vor allem in den Anfängen des Studiums der Akupunktur sehr
hilfreich sein. Dieser „Schmerzpunktdetektor“ (Abb. 19) stellt ein elektrisches
Untersuchungsgerät zur Auffindung von kutanen Schmerzpunkten dar. Die
Wirkweise beruhte auf folgenden Grundsätzen: Normalerweise setzt die Haut dem
elektrischen Strom einen Widerstand von bestimmter Größe entgegen. An den
hyperalgetischen Punkten ist dieser Hautwiderstand herabgesetzt. Mit diesem Gerät
wird eine elektrische Spannung an der Haut angesetzt, die an unbeeinflussten
Hautstellen noch nicht bemerkt wird, an einer hyperalgetischen Hautstelle dagegen
bereits als elektrischer Reiz empfunden wird. Das Tier beantwortet diesen Reiz mit
einer typischen Schmerzreaktion und in Form einer Abwehrbewegung.
Die heute verwendeten Punktsuchgeräte arbeiten ebenfalls nach dem Grundprinzip
der Feststellung von veränderten Hautwiderständen an Akupunkturpunkten. Im
Unterschied zu dem von W. Kothbauer entwickelten Gerät wird der veränderte
Hautwiderstand aber von den modernen Geräten gemessen und mit einer
Signallampe oder einem Ton angezeigt.
Der damalige Rektor der Veterinärmedizinischen Universität Wien, Dr. Rudolf
Supperer, regte Kothbauer dazu an, alle seine Erkenntnisse und Beobachtungen
niederzuschreiben. Die Zusammenfassung der Untersuchungen und gewonnenen
Erkenntnisse mit Akupunktur und Neuraltherapie bei Rindern mit Fertilitätsproblemen
zu einem Buch stellten auch die Grundlage für die spätere Habilitation von Kothbauer
dar.
Gegen einige Widerstände seitens der Universität konnte sich Kothbauer dennoch
mit Hilfe von Dr. K. Arbeiter, dem damaligen Vorstand der Klinik für Geburtshilfe,
Gynäkologie und Andrologie, durchsetzen. Mit seiner Habilitationsschrift „Die
Sterilität des Rindes: besondere Methoden ihrer Behandlung; Akupunktur und
Neuraltherapie zur Sterilitätsbehandlung beim Rind“, erhielt er 1978 die Venia
legendi für Akupunktur und Neuraltherapie in der Geburtshilfe, Gynäkologie und
Andrologie an der VUW.
54
Daraus resultiert seit 1980 ein offizieller Lehrauftrag an dieser Universität, über den
Kothbauer seinen Studenten die Grundlagen der Akupunktur und Neuraltherapie
beim Rind vermittelt. 1992 wurde ihm ein zusätzlicher offizieller Lehrauftrag erteilt
und die praktische Ausbildung in Veterinärakupunktur für die Studenten übertragen.
1983 wurde ein weiteres Buch über die Akupunktur beim Rind und Schwein, mit
Beiträgen zum Pferd, veröffentlicht (KOTHBAUER u. MENG, 1983). Dieses Werk
liegt seit 1990 in zweiter Ausgabe vor und wurde auch ins Englische übersetzt.
Professor Kothbauer veröffentlichte mehr als 30 einschlägige wissenschaftliche
Arbeiten. Noch heute hält er seine Schüler dazu an ihre Erkenntnisse
niederzuschreiben und anderen davon zu erzählen. Auch wenn man seine
Beobachtungen noch nicht beweisen kann, sollte man doch andere daran teilhaben
lassen. Durch seine eigenen zahlreichen Publikationen gelangten seine Erkenntnisse
mit der Zeit bis nach Amerika. Er wurde nach Philadelphia eingeladen, um die von
ihm gefundenen Punkte und Zusammenhänge zu zeigen. Die anfängliche Skepsis
überwand er mit einer Demonstration, bei der er mit seiner Punktediagnostik an einer
Kuh die erkrankten Organe vor dem Publikum korrekt diagnostizierte.
In weiterer Folge hielt Kothbauer Vorträge in vielen Ländern und konnte sein Wissen
an sehr viele Menschen weitergeben (Abb. 20, Abb. 21).
Seine Vortragstätigkeit erstreckte sich besonders auf folgende Länder: Österreich,
Deutschland, Schweiz, Italien, Jugoslawien, Frankreich, Belgien, Dänemark, Holland,
Schweden, USA, Mexiko, Tschechoslowakei, Ungarn, Norwegen, China (Taiwan),
Australien und Brasilien.
Damit ist er zu einer internationalen Kapazität geworden und hat entscheidend zur
Bereicherung der Tiermedizin beigetragen.
.
55
Abb. 20: Einladung zu einem Akupunkturseminar an der neuen Veterinäruniversität in Assiut, Ägypten, 1998 (persönlich von Dr. Kothbauer zur Verfügung gestellt)
Abb. 21: Über Einladung von Karl-Heinz Böhm - „Menschen für Menschen“ - wurde
im Anschluss an die Vorträge in Ägypten, 1998 ein Veterinärakupunktur-seminar in
Awassa am Awassasee, Äthiopien, für Tierärzte organisiert. (persönlich von Dr.
Kothbauer zur Verfügung gestellt)
56
Im Jahr 1968 wurde Kothbauer die „Josef-Bayer-Medaille“ der Vet. Med. Universität
Wien für besondere wissenschaftliche Leistungen verliehen.
Mit Beschluss des Vorstandes der Landeskammer der Tierärzte Oberösterreichs vom
1. März 1984 erhielt er die Ehrennadel der Landeskammer der Tierärzte
Oberösterreichs.
Mit Beschluss der Oberösterreichischen Landesregierung vom 19. Oktober 1992
erfolgte seine Ernennung zum Konsulenten für Wissenschaft.
Im März 1995 verlieh ihm die Internationale Gesellschaft für Neuraltherapie nach
Huneke die „Huneke Medaille“, in Anerkennung der Verdienste um die
Grundlagenforschung und Verbreitung der Neuraltherapie nach Huneke.
1998 beschloss das Executive Committee der Internationalen Veterinärakupunktur-
Gesellschaft IVAS (International Veterinary Acupuncture Society) Dr. Kothbauer
aufgrund seiner hervorragenden Verdienste um die Veterinärakupunktur wie auch die
IVAS die Ehrenmitgliedschaft auf Lebenszeit zu verleihen.
Am 23.3.2007 wurde die Johannes Bischko Medaille für die Verdienste um die
Akupunktur an Professor Kothbauer verliehen.
Kothbauer war von 1986-1987 Präsident der Internationalen Gesellschaft für
Veterinärakupunktur (I.V.A.S.).
3.5.3. Prof. Dr. Josef Schreiber
Wie schon erwähnt hat auch Prof. Dr. Schreiber (Abb. 22) eine
wesentliche Rolle bei der Weiterentwicklung der
Veterinärakupunktur in Österreich gespielt.
Er wurde als Sohn eines Beamten in Wien geboren und begann
im Jahr 1908 mit dem Studium der Veterinärmedizin in Wien. Er
erhielt 1913 das Diplom eines Tierarztes und wurde noch im
selben Jahr summa cum laude zum Doctor medicinae veterinariae
promoviert.
Nach vielfältigen beruflichen und privaten Herausforderungen wurde Schreiber im
Jahr 1945 mit der Abhaltung der Vorlesungen, Übungen und Prüfungen aus
Systematischer und Topographischer Anatomie an der Tierärztlichen Hochschule in
Wien betraut.
Abb. 22:
Dr. Josef Schreiber
(SCHALLER, 1960)
57
Nun folgte ein rascher Aufstieg in seiner wissenschaftlichen und akademischen
Laufbahn. Am 1.Februar 1951 wurde er zum ordentlichen Hochschulprofessor
ernannt. In den folgenden Jahren hatte er folgende hohe Funktionen inne:
Stipendienreferent, Rector magnificus, Prorektor und war seitdem Promotor der
Tierärztlichen Hochschule in Wien.
Er bewältigte schließlich die schwere Aufgabe, die keineswegs idealen Verhältnisse
nach dem zweiten Weltkrieg zu ordnen, und brachte die Hochschule wieder auf einen
hohen Stand.
Neben seiner Tätigkeit als Lehrer, in der er sich großer Beliebtheit erfreute, hat
Schreiber mit seinen wissenschaftlichen Arbeiten wesentliche Beiträge auf vielen
Gebieten der Veterinäranatomie geleistet. Seine besondere Aufmerksamkeit wandte
er aber der Neuroanatomie zu. Da zu dieser Zeit für die Anatomie des Rindes noch
viele offene Fragen bestanden, stellte er in seinen eigenen Arbeiten wie auch in
denen seiner Mitarbeiter die Erforschung der anatomischen Besonderheiten dieser
Tierart in den Vordergrund. Insbesondere sind es eingehende und umfassende
Arbeiten über das periphere und das autonome Nervensystem des Rindes, zu deren
Erforschung sein Institut viel beigetragen hat (SCHALLER, 1960).
Zufällig ergab es sich, dass Schreiber 1954 einem Vortrag von seinem Kollegen Dr.
H.G. Kalchschmidt beiwohnte.
Schon im Jahr 1948 hatte Dr. H. G. Kalchschmidt über die sogenannte
Fremdkörperzone, eine Head’sche Zone beim Rind, berichtet.
Unter Head’schen Zonen versteht man Hautareale, in denen bei Erkrankung von
inneren Organen Hyperästhesie und Hyperalgesie (als viszerokutane Reflexe)
auftreten können und die in ihrer Ausdehnung dem Dermatom entsprechen, das aus
demselben spinalen Segment innerviert wird wie das erkrankte Organ. Ein Dermatom
ist das von einer Spinalnervenwurzel versorgte Hautsegment.
Zu dieser Zeit wurde in der Humanmedizin schon mehrfach das Auftreten von
Head’schen Zonen bei verschiedenen inneren Krankheiten beobachtet und
beschrieben. Sie wurden damals auch schon als diagnostische Hilfsmittel benutzt.
Die Beschreibung der Fremdkörperzone des Rindes als Head’sche Zone durch
Kalchschmidt, war die erste Beschreibung einer derartigen Struktur in der
Veterinärmedizin (KALCHSCHMIDT, 1948)
58
Innerhalb dieser Head´schen Zone, die sich am kaudalen Ende des Widerristes
befindet und in verschiedenen Größen auftreten kann, liegen Akupunkturpunkte, die
in Verbindung mit der Vormagentätigkeit des Rindes stehen. Diese können bei der
häufig auftretenden Fremdkörpererkrankung des Rindes, bei der mit dem Futter
aufgenommene Fremdkörper Schäden im Netzmagen anrichten, als hyperalgetische
Punkte in Erscheinung treten (KOTHBAUER u. MENG, 1983).
Im Jahr 1954 erschien ein weiterer Artikel von Kalchschmidt, in dem er die
Bedeutung der von ihm beschriebenen Fremdkörperzone als diagnostisches
Hilfsmittel herausstreicht. Er geht darin davon aus, dass die von ihm beschriebene
Fremdkörperzone auf manuellen Reiz durch Berührung oder auch durch Aufheben
einer Hautfalte bei Erkrankung des Rindes deutlich schmerzhafter ist als beim
gesunden Tier. Er gibt an, dass die Beweisführung auf diesem Gebiet sehr schwierig
war und dass er erst nach mehrjährigen Untersuchungen an 2300 Rindern und
Überprüfungen durch die Fremdkörperoperation seine Behauptungen aufstellte.
Nach seinen Untersuchungen trifft er eine Einteilung in große Zonen bei frischen
Erkrankungen, mittlere Zonen bei Erkrankungen die schon einige Tage dauern und
kleine Zonen bei chronischen Erkrankungen (KALCHSCHMIDT, 1954).
Die Reaktionen der damaligen Tierarztkollegen waren gespalten, einige kritisierten
seine Methode (KALCHSCHMIDT, 1954). Dennoch ist der Test als „Probe nach
Kalchschmidt“ bekannt geworden und wird bis heute jedem Studenten an der
Veterinärmedizinischen Universität Wien gelehrt.
Der Vortrag von Dr. Kalchschmidt mit dem Titel „Eine Head’sche Zone als
diagnostisches Hilfsmittel bei der Fremdkörpererkrankung des Rindes“, gehalten am
1. Internationalen Fortbildungskurs der Wiener Tierärztlichen Hochschule (1954), rief
bei Prof. Dr. Schreiber großes Interesse hervor (KOTHBAUER u. MENG, 1983).
Die Frage nach den Prinzipien, auf welchen eine Beziehung von inneren Organen
zur Haut beruhte, interessierte ihn als Anatomen naturgemäß ebenfalls.
In der auf den Vortrag von Dr. Kalchschmidt folgenden Diskussion berichtete Prof.
Dr. Schreiber, damals Ordinarius am Anatomischen Institut der Tierärztlichen
Hochschule in Wien, über die Arbeit an seinem Institut. Dort wurden schon seit
mehreren Jahren Untersuchungen über das Nervensystem des Rindes in
Zusammenhang mit der Dermatomeinteilung zu den Head’schen Zonen und den
Mackenzie’schen Zonen durchgeführt. Die Mackenzie’schen Zonen umfassen
59
bestimmte Muskelgruppen in die bei Erkrankung von bestimmten Organen die vom
selben spinalen Segment innerviert werden Schmerzen projiziert werden.
Zum damaligen Zeitpunkt lagen also nur wenige Informationen über Tierakupunktur
vor, wohl aber über die Head’schen Zonen bei Mensch und Tier. Es wurde erkannt,
dass zwischen Körperorganen und sensiblen Zonen auf der Hautoberfläche ein
Zusammenhang besteht und sie in reflektorischer Verbindung zu krankhaft
veränderten oder anderweitig belasteten Innenorganen stehen können. Durch die
Arbeiten von Prof. Schreiber und seinen Schülern wurden in weiterer Sicht wichtige
Vorarbeiten für die topographische Bestimmung vieler Akupunkturpunkte, v.a. beim
Rind, geleistet. Die innerhalb der Head’schen Zonen liegenden Maximalpunkte mit
erhöhter Druckempfindlichkeit erwiesen sich als Akupunkturpunkte, die später als
SHU – Punkte (Zustimmungspunkte) und als MU-oder MO-Punkte (Alarmpunkte) bei
Tieren identifiziert werden konnten (KOTHBAUER u. MENG, 1983).
In einem 1954 von Dr. Schreiber verfassten Artikel, in dem er auf den Vortrag von
Kalchschmidt eingeht, wurde zum ersten Mal im 20.Jahrhundert das Wort
Akupunktur in Zusammenhang mit Veterinärmedizin verwendet.
Er beschreibt in seinem Artikel sehr anschaulich mit welchen Methoden damals die
Verbindungen der Nervenaustrittsstellen vom Rückenmark bis zu den Dermatomen
erforscht wurden.
Im Kleintierbereich wurde zum Beispiel die Sherringtonmethode durchgeführt: Dabei
wurden die Nervenwurzeln von drei Segmenten cranial und caudal des zu
untersuchenden Segmentes durchtrennt und danach die Sensibilität des mutmaßlich
zugehörigen Dermatoms überprüft.
Bei der Methode der Strychninvergiftung wurden einzelne Wurzeleintrittszonen mit
Strychnin injiziert und anschließend die Hyperalgesie in den entsprechenden
Dermatomen festgehalten.
Andere durchtrennten bestimmte Dorsalwurzeln, reizten anschließend den
peripheren Stumpf und beobachteten die Vasodilatation im entsprechenden
Hautinnervationsgebiet.
Diese Methoden konnten allerdings unter anderem aus pekuniären Gründen, wie
Schreiber angibt, beim Rind nicht angewandt werden. Er und seine Schüler wählten
60
deshalb den mühsamen Weg der Feinpräparation jedes Neurotoms bis in die letzten
noch sichtbaren Verzweigungen in der Haut.
Der zweite Teil seiner Arbeit befasste sich mit der anatomischen Erforschung der
vegetativen Innervation der Eingeweide. Für diesen Teil der Forschung musste
wegen der zahlreich vorkommenden Variationen eine große Zahl von Rindern und
Kälbern untersucht werden.
Der dritte Arbeitsbereich gehörte der physiologischen Forschung. Ziel war, den
Einfluss des Viszerotoms (innere Organe) auf die Haut (Dermatom), die Gefäße
(Angiotom), Muskeln (Myotom), die Knochen (Slerotom) und die Nerven (Neurotom)
zu definieren.
Auf Grund dieser Zusammenhänge kann zum Beispiel durch viscerokutane und
kutiviscerale Reflexbögen die Erkrankung eines Organes (Viscerotom) über das
Rückenmark (Neurotom) zur Verspannung der zugehörigen Muskulatur (Myotom)
führen. Diese Verspannung kann über die Muskelansätze zu einem verstärkten Zug
am Periost (Sklerotom) mit Schmerzen und einem Gefäßspasmus (Angiotom) führen.
Durch die schlechte Blutversorgung kann es weiters zu Veränderungen an der Haut
(Dermatom) kommen.
Ein weiterer sehr interessanter Aspekt des Artikels betrifft die Entstehung der Idee
eines Punktsuchgerätes. Als Auslöser gibt Schreiber die Erkenntnis an, dass ein
Tierarzt ohne Aussage seiner Patienten zurechtkommen, und sich deswegen
objektiverer Methoden bedienen müsse. Schon damals glaubte er, dass dazu auch
die Beeinflussung der „sekundär elektromotorischen Erscheinungen der Haut“, also
die Änderung des Hautpotentials durch physische und psychische Erregung des
Körpers und einzelner seiner Organe geeignet ist. Mit Hilfe eines sogenannten
Dermatometers (ein empfindliches elektrisches Hautthermometer) konnte das
elektrische Potential an Hunden, Kaninchen und Kälbern festgestellt werden.
Schreiber regt an, dass in breit angelegten Studien zunächst die vegetative Tages-
Rhythmik dieses Potentials geklärt werden sollte, danach dann der Einfluss der
inneren Organe auf das elektrische Potential der Haut, wodurch die Vorgänge des
viscerokutanen Reflexes geklärt werden sollten.
Im Zusammenhang mit der Erforschung dieser Zusammenhänge machte sich
Schreiber auch Gedanken über den kutiviszeralen Reflex, also die Beeinflussung von
inneren Organen durch die Haut.
61
Dazu Dr. Schreiber wörtlich zitiert: „Die praktische Anwendung dieser Phänomene
erfolgt in einer Form, die wir heutzutage bewusst als „Segmenttherapie“ bezeichnen
und die die Menschheit empirisch seit Jahrhunderten, ja seit Jahrtausenden betreibt.
Denn von der Akupunktur des neolithischen Menschen angefangen, über die
Brennkrautverwendung und das Glüheisen, über trockene und feuchte, warme und
kalte Kompressen, Einreibungen, Reizbehandlungen, Massagen bis zu zonal
ausgeführten, subkutanen Novocain- und Acetylcholininjektionen und
Luftinsufflationen, immer geschieht die dabei beabsichtigte Einwirkung auf die
erkrankten Innenorgane durch Erregung der metameren Innervation. So ist das
Studium der hyperalgetischen Zonen an unseren Haustieren sowohl als Diagnostik
als auch für die Therapie von großer Bedeutung“. (SCHREIBER, 1954).
Weitere Publikationen von Dr. Schreiber in den nächsten Jahren belegen seine
umfangreiche Forschungsarbeit auf diesem Gebiet, beispielsweise publizierte er eine
Arbeit über die Lageentwicklung der Extremitätendermatome des Rindes
(SCHREIBER, 1954), eine andere über die anatomischen Grundlagen der
Leitungsanästhesie beim Rind an Kopf-, Rumpf und Extremitätennerven.
Weil sich Schreiber bewusst war, wie wichtig die Erkenntnisse der anatomischen
Forschung für die Praxis der Akupunktur ist, leitete er einige seiner Schüler dazu an,
diese Gedanken weiter zu verfolgen.
Die Publikationen von Dr. Schreiber und die Dissertationen seiner Schüler an der
Vet. Med. Universität Wien bilden eine breite Datenbasis für die Lokalisation und
Bedeutung von Akupunkturpunkten beim Rind:
DAMBÖCK, A. (1955): Die Hautinnervation der Extremitäten des Rindes.
GIROLLA, W. (1955): Der Nervus phrenicus des Rindes. Seine Morphologie, Topik,
Innervations- und Funktionsaufgabe.
SCHALLER, O. (1956): Die periphere sensible Innervation der Haut am Rumpf des
Rindes.
62
FREWEIN, J. (1963): Der Anteil des Sympathicus an der autonomen Innervation des
Rindermagens.
Die Untersuchungen von SCHALLER (1956) erweisen sich für die Praxis der
Akupunktur als besonders wertvoll. Die von ihm dargestellten Durchbruchstellen der
sensiblen Hautnerven unter die Haut haben sich später als sehr wirksame
Akupunkturpunkte, sowohl für die Therapie als auch für die Diagnostik erwiesen.
DAMBÖCK (1955) erwähnt, dass in neuester Zeit die Autonomfelder der Hautnerven
vermehrtes Interesse bei der Diagnose der Erkrankungen der Eingeweide gefunden
haben. Deshalb sei das Studium des viszerokutanen Reflexes, aber auch – zu
therapeutischen Zwecken – die Feststellung der kutiviszeralen Beziehungen von
zunehmender Bedeutung.
Auch die Untersuchungen von FREWEIN (1963) und GIROLLA (1955) trugen viel zur
Verifizierung von Akupunkturpunkten beim Rind bei
Etwa zur gleichen Zeit wie Prof. Dr. Kothbauer, der sich in erster Linie mit Nutztieren
beschäftigte, begann Dr. Ferdinand Brunner, sich neben seiner Kleintierordination in
Wien mit der Akupunktur bei diesen Tieren zu befassen.
3.5.4. Dr. Ferdinand Brunner (geb. 1928)
Nach dem Besuch des Realgymnasiums in St. Pölten und der
Absolvierung der Matura 1946, begann Dr. Brunner (Abb. 23) sein
Studium an der Tierärztlichen Hochschule in Wien im
Wintersemester 46/47. Wegen seines damals schon vorhandenen
Interesses an der Verhaltensforschung studierte er in den ersten 3
Semestern zusätzlich Philosophie mit dem Hauptfach Psychologie
als außerordentlicher Hörer an der Universität Wien.
Nach mehreren Unterbrechungen des Studiums aus finanziellen Nöten und
Tätigkeiten verschiedenster Art erreichte Brunner sein Tierärztliches Diplom 1957.
Parallel zu Assistenztätigkeiten und Urlaubsvertretungen in verschiedenen
tierärztlichen Praxen, verfasste er seine Dissertation zum Thema: „ Das Verhalten
des Hundes im Großstadtverkehr – eine verhaltenspsychologische Studie“ und
promovierte damit im Jahr 1958 zum Dr.med.vet.
Abb. 23:
Dr. Ferdinand Brunner
(BRUNNER, 1981)
63
Im gleichen Jahr gründete Brunner eine eigene Kleintierpraxis in Wien, gleichzeitig
gründete er eine tierpsychologische Beratungsstelle und war bei der Fa. Asid in der
pharmazeutischen Entwicklungsabteilung beschäftigt.
Zu dieser Zeit erkrankte Dr. Brunner an einer Grippe, von der eine schwere Ischialgie
zurückblieb. Gegen die nahezu unerträglichen Schmerzen zeigten die damals
potentesten Schmerzmittel kaum eine Wirkung. Damals sah Dr. Brunner sich selbst
noch als eingefleischten Schulmediziner nach dem Motto: „was nicht evidenzbasiert
ist, gilt nicht“. Nachdem aber sowohl die Schulmedizin als auch die Homöopathie ihm
nicht helfen konnten, war er bereit, alles auszuprobieren was eventuell Linderung
versprach.
Damals wandte Dr. Bischko gerade in der Poliklinik Akupunkturbehandlungen und
Akupunkturanalgesie an und Dr. Brunner begab sich zu ihm in Behandlung. Nach der
vierten Sitzung zeigte sich ein durchschlagender Erfolg, die Schmerzen waren wie
weggeblasen und rezidivierten auch nicht. Nach dieser eigenen Erfahrung kam dem
Tierarzt Dr. Brunner natürlich der Gedanke, dass dieses Fachgebiet die
Veterinärmedizin bereichern könnte.
Er besuchte daraufhin etliche humanmedizinische Kurse und Dr. Bischko wurde sein
langjähriger Lehrer. Dr. Brunner begann allmählich die Akupunktur in die eigene
Praxis zu integrieren.
Ab diesem Zeitpunkt begann Dr. Brunner auch Literatur zu sammeln, unter anderem
bei einer Reise nach China, bei der Dr. Meng, ein Mitarbeiter von Dr. Bischko,
wertvolle Arbeit leistete indem er vom Chinesischen ins Deutsche übersetzte. Von
dieser Reise brachte Dr. Brunner auch ein Gerät zur Elektroakupunktur mit, das er
lange Zeit in der eigenen Praxis verwendete (Abb. 24).
Durch seinen kritischen Geist und sein Bemühen um evidenzbasierte Medizin
machte Dr. Brunner auf der einen Seite immer wieder Placeboversuche um
festzustellen ob die Akupunktur tatsächlich Erfolge brachte, auf der anderen Seite
befasste er sich auch mit den naturwissenschaftlichen Grundlagen der Akupunktur.
Nach seinen eigenen Worten ist das Interesse der naturwissenschaftlich orientierten
klinischen Forschung an der Akupunktur erst durch die Erkenntnis möglich
geworden, dass ohne mystisches Beiwerk in Methode und Begründung für den
therapeutischen Effekt der Akupunktur in erster Linie der Reizort das Wichtigste zu
sein scheint. Es sei vornehmlich der Verdienst österreichischer Forscher sowie
64
einiger Franzosen die sich um naturwissenschaftliche Grundlagen bemüht haben, in
einer Zeit, in der diese Lehre noch nicht als „schulmedizinisch hoffähig“ angesehen
wurde.
Haupteinsatzbereich in der eigenen Praxis waren zu Beginn neurologische Fälle, weil
bei diesen Fällen die Besitzer auch bereit waren, ihre Tiere öfter und über längere
Zeit behandeln zu lassen.
Bei etwa der Hälfte von Hunden mit Querschnittlähmungen und Wurzelneuritiden, die
von der Universität als aussichtslos aufgegeben wurden, erzielte Dr. Brunner Erfolge.
Um sicher zu sein, dass die Heilung tatsächlich auf die Behandlung zurückzuführen
war, nadelte Dr. Brunner immer wieder auch nur Placebopunkte. Er wies seine
Schüler häufig darauf hin, dass bei Hunden zwar der Suggestiveffekt kaum
vorhanden ist, man sich durch Autosuggestion aber durchaus selbst einen
Behandlungserfolg vortäuschen kann.
Durch diese kritische Haltung trug Dr. Brunner beträchtlich dazu bei, die Akupunktur
bei Tieren zu einem ernstzunehmenden Teil der Veterinärmedizin zu machen.
Gleich von Beginn an setzte Dr. Brunner die Akupunktur aber auch ein, um durch
Steigerung der Atemfrequenz die Aufwachphase nach Narkosen zu verkürzen, um in
der Geburtshilfe die Wehentätigkeit anzuregen oder auch um bei Schildkröten
Verstopfungen und Durchfall zu behandeln.
In weiterer Folge veröffentlichte Dr. Brunner eine Vielzahl von eigenen
Forschungsergebnissen in Fachzeitschriften, unter anderem Folgende:
BRUNNER, F. (1963): Die Behandlung schmerzhafter Wirbelsäulen-Erkrankungen
mit Akupunktur und Aurikulo-Therapie. D. prakt. Tierarzt 60, 1100.
BRUNNER, F. (1963): Praxisberichte über Procaintherapie in der Tierheilkunde.
Asis-Mitteilg.f. Tierärzte.
BRUNNER, F. (1975): Die Anwendung der Akupunktur zur Analgesie in der
chinesischen Veterinärchirurgie. Wien Tierärztl Monat – Vet Med Austria 62, 392-
394.
BRUNNER, F. (1976a): Akupunktur in der Hundeklinik. Kleint.-Prax. 21, 182.
BRUNNER, F. (1976b): Akupunkturanalgesie in der Veterinärmedizin. Tierärztl. Prax.
4, 387.
BRUNNER, F. (1978): Akupunktur bei Kleintieren. Wien Tierärztl Monat – Vet Med
Austria 65, 334.
65
BRUNNER, F. (1980a): Akupunktur und Aurikulotherapie als Alternative zu bisher
üblichen Behandlungsmethoden in der Kleintierpraxis. Wien Tierärztl Monat – Vet
Med Austria 67, 236.
Zu Beginn seines Interesses an der Akupunktur stellte Dr. Brunner fest, dass die
Informationen, die den tierärztlichen Sektor betrafen sehr verstreut und schwer
zugänglich sind. Es war sehr schwierig, mit einem sinnvollen Zeitaufwand zu einem
praktisch verwertbaren Überblick zu kommen.
Um diesem Mangel abzuhelfen und interessierten Kollegen den Einstieg in dieses
fesselnde und zukunftsträchtige Gebiet zu ermöglichen, schrieb er, durch Dr.
Kothbauer ermutigt, ein Buch mit dem Titel: Akupunktur für Tierärzte-Akupunktur der
Kleintiere (BRUNNER, 1980b).
In diesem Buch erklärt er im allgemeinen Teil die wichtigsten, in der Akupunktur
üblichen Fachausdrücke, erläutert die Wirkungsbasis der Akupunktur und informiert
allgemein über Hilfsmittel und Anwendungstechnik.
Im speziellen Teil folgen dann genaue Beschreibungen der Punktlokalisationen und
der Punktauswahl nach klinischen Indikationen.
Unterstützt durch die anatomische Zeichnerin Frau B. Bammer fertigte er auch
genaue Zeichnungen mit Angabe der Punkte an (Abb. 25).
In diesem Buch geht Dr. Brunner speziell auf die Belange bei Kleintieren inklusive
Geflügel ein und weist darauf hin dass die Kollegen Westermayer im Pferdebereich
und Kothbauer im Bereich der Nutztiere an umfangreichen Werken arbeiten.
Dr. Brunner wurde Fachtierarzt für Kleintiere und Fachtierarzt für Akupunktur und
Neuraltherapie und wirkte in diesem Bereich auch als Mitglied der
Fachtierarztprüfungskomission.
Er betreute auch andere Tierärzte während ihrer Dissertation, von denen einer Dr.
Andreas Zohmann war, der sich in seiner Arbeit mit der Ohrakupunktur befasste.
Gemeinsam mit Prof. Dr. H. E. König und Dr. Artmeier entwarfen Brunner und
Zohmann eine Ohrkarte für die Ohrakupunkturpunkte bei Hunden. Um bei ihren
66
Vorträgen den Hörern zeigen zu können, wo sich die Punkte tatsächlich befinden,
fertigten sie selbst Abdrücke von Hundeohren an und markierten die Punkte.
In den letzten 12 Jahren beschäftigte sich Dr. Brunner mit der Magnetfeldtherapie,
ein Gebiet der Medizin, das vielleicht heute so unterschätzt wird wie die Akupunktur
zu Beginn der beruflichen Tätigkeit von Dr. Brunner.
67
Abb. 25: Akupunkturpunkte des Hundes (BRUNNER, 1980b)
Abb. 24: Schaltbild eines chinesischen Elektroakupunkturgerätes
(BRUNNER, 1980b)
68
3.5.5. Dr. Andreas Zohmann
Den ersten Kontakt zur Akupunktur hatte Zohmann schon während seines
Veterinärmedizinstudiums. Bei einem Abendessen mit einem Bekannten, der als
Geologe oft in China unterwegs war, kam zufällig das Gespräch auf die medizinische
Behandlung in China. Dort hatte dieser Geologe die Akupunktur am Menschen
beobachten können und stellte nun die Frage, ob man Akupunktur nicht auch
am Tier anwenden könne und dass das ja ein interessantes Dissertationsthema
wäre.
Ein weiteres Ereignis, das trotz seiner Trivialität in Zohmanns Erinnerung einen
wichtigen Platz einnimmt, ereignete sich während seines Studiums im ersten
Semester. Während einer Fahrt mit der Straßenbahn las ein Freund in einer
Tageszeitung einen Artikel über einen Tierarzt namens Kothbauer, der Akupunktur
an Tieren durchführen sollte. Damals amüsierten sich beide über den ihrer Meinung
nach recht witzigen Namen, ohne zu ahnen, welche Rolle Prof. Kothbauer und Dr.
Zohmann einmal für die Akupunktur spielen sollten.
Nach seiner Heirat und der Übersiedlung seiner Familie nach Wien, entschloss sich
Zohmann als Demonstrator am Institut für Anatomie zu arbeiten. Bei der ersten
Institutskonferenz wurden von Prof. Schaller einige Dissertationsthemen vergeben,
eines davon wurde von Dr. Ferdinand Brunner vorgeschlagen und handelte von
Ohrakupunktur und deren Funktionsmechanismen. Dieses Gebiet der Akupunktur
war noch sehr jung, zum ersten Mal wies der Franzose Nogier im Jahr 1956 bei
einem Vortrag auf einem Kongress auf die Beziehungen verschiedener Körperzonen
zur Ohrmuschel hin und prägte den Begriff der „Auriculotherapie“.
Zohmann erinnerte sich zu diesem Zeitpunkt wieder an sein Gespräch mit dem
befreundeten Geologen, bekundete Interesse an diesem Thema und begann 1978
an seiner Dissertation über die Funktionsmechanismen der Ohrakupunktur zu
arbeiten.
Bis zu seiner Sponsion 1984 war Zohmann als freier Mitarbeiter am Institut für
Anatomie beschäftigt und hielt dort unter anderem Intensivkurse über die Anatomie
des Zentralen Nervensystems ab. Während dieser Zeit arbeitete er schon intensiv an
dem Thema Ohrakupunktur:
1985 wurde Dr. Zohmann bei der Fa. Gebro (ein pharmazeutischer Betrieb in
Fieberbrunn/Tirol) wissenschaftlicher Betreuer der Fachgebiete Neuraltherapie,
69
Lokalanästhesie, medikamentöse Schmerztherapie, Osteoporose, präoperative
Hautdesinfektion, Ein- und Durchschlafstörungen. In diesen Bereichen wirkte er bei
der Erstellung von wissenschaftlichen Unterlagen, Schulungen des Außendienstes
und bei Vorträgen für Ärzte und Apotheker mit.
1987 wurde von R. Pellegrini, H. Schmitz und A. Zohmann als verantwortlichem
Autor das Buch „Schmerzbehandlung mit Xyloneural®“ veröffentlicht. Xyloneural ist
ein Lidocain Präparat das in der Neuraltherapie verwendet wird (PELLEGRINI et al.,
1996).
Zu dieser Zeit begann Zohmann auch bei den Vorlesungen von Prof. Dr. Kothbauer
an der VUW als freiwilliger Mitarbeiter mitzuwirken.
1989 promovierte er mit seiner Arbeit „Die Blockade des Ganglion cervicothoracicum
(stellatum) beim Hund zur Untersuchung der Beteiligung des sympathischen
Nervensystems an der Projektion eines gereizten Organes in die Ohrmuschel“ zum
Dr.med.vet. (ZOHMANN, 1989).
Zohmann hatte erkannt, dass der Umstand des hohen Alters der Akupunktur, ihrer
Einfachheit und der Umstand, dass ihre Dokumentation lange Zeit zur Gänze auf
Erfahrungsberichten basierte, diese Therapieform mit dem Fluidum der Mystik und
Unseriosität umgaben. Diagnostische und therapeutische Methoden müssen, um
heute anerkannt zu werden, mittels anerkannter wissenschaftlicher Verfahren
untersucht und erklärbar oder wenigstens interpretierbar sein.
In diesem Zusammenhang stellte er sich zur Aufgabe, die Projektion eines
experimentell gereizten Organs in die Ohrmuschel zu verifizieren. Anschließend
wurde untersucht, ob die reversible Unterbrechung einer Sympathicus-Schaltstelle
(Blockade) zwischen Reiz- und Projektionsort Hinweise auf eine etwaige Beteiligung
des Vegetativums an somatotopisch wirkenden Informationsmechanismen geben
kann.
Aufbauend auf die verifizierte Tatsache, dass die Reizung einer Region (Ellenbogen)
eine umschriebene Erniedrigung des Hautwiederstandes an einer bestimmten Stelle
der Ohrmuschel („Ellenbogenpunkt“) nach sich zieht, etablierte er also folgende
Arbeitshypothese: Bei einer Beteiligung des sympathischen Nervensystems an den
Projektionsmechanismen der Ohrakupunktur müsste eine Unterbrechung der
Verbindung des Sympathikus zwischen einem gereizten Organ (Ellenbogen) und der
70
Ohrmuschel einen Einfluss auf dieses Phänomen („Ellenbogenpunkt“ Abb. 26)
haben.
Seit 1978 gab es die unterschiedlichsten Darstellungen von Ohrmuscheln mit
markierten Projektionspunkten innerer Organe sowie des Bewegungsapparates.
Teilweise fielen diese Darstellungen sehr dürftig aus, oft fehlte sogar die
Beschreibung, auf welche Tierart sich die Kartographien bezogen. Aufgrund der
Angaben dieser Darstellungen wurde der Ellbogenpunkt ausgewählt, da er als
Ausnahme relativ frei von benachbarten Punkten im oberen Teil der Innenseite der
Ohrmuschel liegt und in den verschiedenen Zeichnungen übereinstimmend
dargestellt wurde.
In dieser Studie wurde bei Beagles eine Hautfalte am linken Ellenbogen mittels einer
subkutan gesetzten Nadel gereizt, die für 10 Stunden an Ort und Stelle verblieb.
Nach dem Setzen der Nadel wurde in bestimmten Zeitabständen die linke
Ohrmuschel mit einem Punktdetektor auf Veränderungen des Hautwiederstandes
untersucht.
Im zweiten Teil der Studie wurde vor der Reizung der Hautfalte am linken Ellenbogen
das Ganglion stellatum (cervicothoracicum) der ipsilateralen Seite mittels eines
Lokalanästhetikums (Xyloneural®) blockiert. Überprüft wurde die erfolgreiche
Blockade anhand Eintreten der Horner’schen Trias (Abb. 27) und durch Messung des
Anstiegs der Hauttemperatur am Zehenrücken der ipsilateralen Brustgliedmaße.
Unter der Horner’schen Trias (=Horner Syndrom) versteht man einen
Symptomenkomplex, für den drei Merkmale typisch sind: Pupillenverengung (Miosis),
Herabhängen des oberen Augenlids (Ptosis) und ein scheinbar eingesunkener
Augapfel (Pseudoenophthalmus).
Danach wurde erneut die Ohrmuschel mit einem Punktdetektor auf Veränderungen
des Hautwiederstandes untersucht. In den Ergebnissen wird deutlich, dass durch die
Blockade des Ganglion stellatum nach Reizung der Haut am Ellenbogen eine
Verminderung des Hautwiderstandes am Ellenbogenpunkt verhindert wird. Der
Ellenbogenpunkt konnte also nicht mehr geortet werden. Anhand dieser Experimente
konnte zum einen die Projektion gereizter Organe an topographisch bestimmbare
Punkte der Ohrmuschel verifiziert werden. Außerdem konnte auch die Beteiligung
des sympathischen Nervensystems an den Projektionsmechanismen aurikulärer
Somatotopien nachgewiesen werden.
71
Abb. 26: Ellenbogenpunkt
(ZOHMANN, 1989)
Abb. 27: Horner’sche Trias
(ZOHMANN, 1989)
72
1989 gründete Dr. Zohmann die Sektion Akupunktur, Neuraltherapie und
Homöopathie der Österreichischen Gesellschaft der Tierärzte, und war bis 1999
Vorsitzender der Sektion.
1990 gründete er eine private Forschungsstelle für Akupunktur und Neuraltherapie in
Fieberbrunn.
In diesem Jahr begann die neu gegründete Sektion der ÖGT mit regelmäßigen
Curricula über Akupunktur und Neuraltherapie, die die Basis der Ausbildung von
vielen auf diesem Gebiet tätigen Tierärzten darstellen.
1991 legte Zohmann die Prüfung der Österreichischen Medizinischen Gesellschaft
für Neuraltherapie und Regulationsforschung ab.
Im Jahr darauf wurde seine private Forschungsstelle in die Ludwig Boltzmann –
Gesellschaft (Leitung Prof. Dr. Johannes Bischko) aufgenommen und Zohmann
wurde zum Leiter der Außenstelle Veterinär des Ludwig Boltzmann Institutes für
Akupunktur.
Seitdem bis 2002 war Zohmann auch Universitätslektor für Akupunktur und
Neuraltherapie an der Veterinärmedizinischen Universität Wien (Chirurgie, Interne 1).
1994 beendete Zohmann gemeinsam mit Dr. Markus Kasper seine Arbeit an dem
Buch „Neuraltherapie in der Veterinärmedizin. Grundlagen – Diagnose – Therapie“.
(ZOHMANN u. KASPER, 1994). Für dieses Buch wurde ihnen der „Bank Austria
Förderungspreis der Bundeskammer der Tierärzte Österreichs“ verliehen.
Im gleichen Jahr wurde, angetrieben von Dr. Zohmann, in Österreich der Fachtierarzt
für Akupunktur und Neuraltherapie geschaffen. Erste Träger dieses Titels waren Dr.
Zohmann und Professor Dr. Kothbauer.
1995 erschien das Buch „Akupunktur bei Hund und Katze“ verfasst von Dr. D.
Draempaehl und Dr. Zohmann. Gemeinsam mit Prof. Dr. Kothbauer wurde ihm die
Huneke-Medaille der Inernationalen Gesellschaft für Neuraltherapie und
Regulationsforschung verliehen.
1997 erschien das Video „Einführung in die Veterinär-Neuraltherapie“.
1998 beendete Dr. Zohmann seine Tätigkeit bei der Firma Gebro und erhielt den
„Pischinger Preis“ der Österreichischen Gesellschaft für Akupunktur und
Neuraltherapie für die Studie „Diagnostische und therapeutische Nutzbarkeit eines
druckempfindlichen Punktes am Oberschenkel des Hundes und seine Beziehung
zum Hüftgelenk“ (ZOHMANN, 1998).
73
Von 1998 bis 1999 war Dr. Zohmann Universitätsassistent an der Vet. Med. Univ.
Wien. In dieser Zeit erfolgte der Aufbau der Regulationsambulanz an der I. Med.
Univ. Klinik (Akupunktur, Neuraltherapie, Physikalische Medizin, Schmerztherapie),
die Dr. Zohmann auch leitete.
1999 eröffnete Dr. Zohmann in Fieberbrunn eine Spezialpraxis für Akupunktur,
Neuraltherapie, Schmerztherapie und Physikalische Medizin für Klein- und Großtiere
und wurde leitender Tierarzt des „Vierbeiner Reha-Zentrums“ in Bad Wildungen in
Hessen, D, mit dem Spezialgebiet Physikalische Medizin/Physiotherapie für
Kleintiere und Pferde.
2000 beendete Zohmann seine tierärztliche Tätigkeit in Fieberbrunn und widmet sich
seither ausschließlich der tierärztlichen Leitung des Vierbeiner Reha-Zentrums in
Bad Wildungen und erhält auch die Zusatzbezeichnung „Akupunktur“.
Von 2002 bis 2005 war Zohmann Lehrbeauftragter an der Justus Liebig-Universität
Giessen (Kleintierchirurgie) und hielt die Vorlesungsreihe „Physikalische Medizin und
postoperative Rehabilitation beim Pferd“ für Studenten der Veterinärmedizin des 7.
und 9. Semesters und die Vorlesungsreihe „Physikalische Medizin in der
Kleintierorthopädie und –neurologie“ für Studenten der Veterinärmedizin des 6. und
8. Semesters.
Von 2006 bis 2009 leitete Zohmann auch die Zweigstelle des Vierbeiner Reha-
Zentrums in Piding an der bayrisch-salzburgischen Grenze.
2007 erschien Zohmanns Buch „Ganzheitliche Schmerztherapie für Hund und
Katze“.
2008 begann Zohmann mit dem Institut für Zytobiologie der Naturwissenschaftlichen
Fakultät der Universität Salzburg zusammenzuarbeiten, um Grundlagenforschung
zur Goldimplantation zu betreiben.
2009 wurde Dr. Zohmann zum Ehrenmitglied der Österreichischen Medizinischen
Gesellschaft für Neuraltherapie und Regulationsforschung ernannt.
Zusätzlich zu den vielen oben genannten Leistungen trug Dr. Zohmann mit einer
Vielzahl von Vorträgen, Seminaren und Kursen für Tierärzte, Ärzte und Laien sowie
mit über 30 Publikationen in Fachzeitschriften und als Buchbeiträge sowie mit zwei
Lehrvideos umfangreich zur Weiterentwicklung der Veterinärakupunktur in Österreich
bei.
74
3.5.6. Dipl.Tzt. Dr.Karl Grohmann
Fachtierarzt für Akupunktur und Neuraltherapie, Fachtierarzt für Kleintiere,
Universitätslektor für Veterinärakupunktur. Das Interesse von Dr. Karl Grohmann an
der Akupunktur war schon während seines Studiums an der Veterinärmedizinischen
Universität Wien vorhanden. Die ersten Kontakte zu diesem Gebiet hatte er während
seiner Assistenzzeit am Institut für Anatomie.
Nach seiner Dissertation 1986 und seinem zweiten Assistenzjahr am Institut für
Anatomie gründete er in Klosterneuburg eine eigene Praxis und begann sich
intensiver mit dem Thema Akupunktur zu befassen.
Frühzeitig spezialisierte er sich auf die traditionelle Chinesische Medizin und auf die
orthopädische Neuraltherapie. In der Schulmedizin liegt der Schwerpunkt von Dr.
Grohmann auf der Inneren Medizin und der Chirurgie.
Das Interesse an der Akupunktur begründete sich für Grohmann darin, dass oft
Lösungsangebote für Probleme geboten werden, die in der Schulmedizin als
austherapiert gelten oder die nur symptomatisch behandelt werden.
Die zur damaligen Zeit von Prof. Kothbauer und Dr. Zohmann gehaltenen
Vorlesungen an der Universität über die Grundlagen der Akupunktur waren in erster
Linie westlich-wissenschaftlich orientiert. Das Interesse von Dr. Grohmann richtete
sich aber schon früh auf die traditionell chinesische Lehre. Dazu gab es zur
damaligen Zeit in Österreich noch keine Kurse oder Ausbildungen, der Kurs der IVAS
(International Veterinary Acupuncture Association) wurde damals nur in den USA
angeboten. Aus diesem Grund bildete sich Grohmann vor allem in Deutschland über
die ATF (Akademie für tierärztliche Fortbildung) und in der Schweiz weiter. In diesen
Ländern gehörten die Tierärzte, die sich erfolgreich mit Akupunktur befassten, zwar
auch noch einer handverlesenen Gruppe an, jedoch war dieser Teil der Medizin
schon deutlich stabiler etabliert als in Österreich.
Nach den anfänglichen Schwierigkeiten, sich von der Schulmedizin auf ein komplett
anderes System mit einer anderen Diktion umzustellen, wurde genau diese andere
Herangehensweise an ein Problem für Dr. Grohmann sehr spannend. Durch die
Erkenntnis dass ein sehr großer theoretischer Wissensstand nötig ist um ein
Krankheitsbild komplett zu erfassen, bedurfte es 2-3 Jahre intensiver
Auseinandersetzung mit der Materie, bis Selbstvertrauen und Kenntnisse groß genug
75
waren für die Anwendung der Akupunktur in der Praxis. Nach dem Beginn der
Anwendung der Akupunktur Mitte der 90er Jahre stellten sich dann bald die ersten
Erfolge ein.
Im Jahr 1999 folgte Dr. Grohmann Dr. Zohmann als Leiter der Sektion Akupunktur,
Neuraltherapie und Homöopathie der Österreichischen Gesellschaft der Tierärzte. Er
war auch für fünf Jahre Leiter der Außenstelle Veterinärakupunktur der Ludwig
Boltzmanngesellschaft.
Unter seiner Leitung wurden von der ÖGT-Sektion immer mehr Seminare und Kurse
zur Akupunktur veranstaltet, zu denen auch Gastreferenten aus dem Ausland
eingeladen wurden. Neben anderen Referenten wurde v.a. Dr. Barbara Bachmann
immer wieder eingeladen. Die Schweizer Tierärztin zählt zu den Pionieren der
Veterinärakupunktur in der Schweiz und bildete sich vor allem in China und den USA
weiter. Sie verfasste 1988 an der Universität Zürich ihre Dissertation zum Thema
Akupunktur: „Untersuchungen zur Akupunktur: Elektrische Hautwiderstandsmessung
zur Lokalisation von Akupunkturpunkten bei Kühen.
Im Jahr 2000 begann Dr. Grohmann anstelle von Dr. Zohmann an der
Veterinärmedizinischen Universität Wien die Vorlesung: „ Einführung in Akupunktur
und Neuraltherapie“ zu halten. Bis jetzt wird dieser Kurs von den Studierenden sehr
gut angenommen und hat jährlich in etwa 100 Hörer.
Im gleichen Jahr organisierte Grohmann gemeinsam mit Dr. Kurt Ganzberger den
jährlichen IVAS Kongress in Wien.
Zu dieser Zeit begann Grohmann auch für verschiedenste Einrichtungen Seminare
und Vorträge zu halten, unter anderem für die VÖK (Vereinigung Österreichischer
Kleintiermediziner), für die ÖGT (Österreichische Gesellschaft der Tierärzte), für die
Veterinärmedizinische Universität Wien aber auch in privatem Bereich für
interessiertes Laienpublikum.
76
3.5.7. Entwicklung bis heute
In etwa zeitgleich mit Dr. Grohmann begannen sich einige österreichische Tierärzte
näher mit der chinesischen Lehre der Akupunktur zu befassen. Obwohl der westlich-
wissenschaftliche Zugang außerordentlich bedeutsam war für die Anerkennung und
Verbreitung dieser Form der Diagnostik und Therapie, ist die chinesische Lehre in
anderen Teilen der Welt schon über eine weitaus längere Zeit praktiziert und erprobt
worden.
Einer der Tierärzte, die erkannten, dass die chinesische Lehre eine große
Bereicherung für die Akupunktur in Österreich darstellen könnte, war Dr. Kurt
Ganzberger, der während seiner Tätigkeit am Institut für Anatomie über Dr. Zohmann
erste Kontakte zur Akupunktur knüpfte. Weil es damals in Österreich im Bereich der
Veterinärmedizin nur Kurse zum Thema Neuraltherapie gab, nutzte Dr. Ganzberger
die Gelegenheit, mit einigen Kollegen zu einem IVAS Kurs nach Belgien zu fahren. In
einem einjährigen, von zahlreichen Fahrten nach Belgien geprägten Lehrgang
lernten sie dort die Grundlagen der traditionellen chinesischen Medizin und der
Akupunkturlehre kennen. Nach Beendigung dieses Kurses wurde gemeinsam mit Dr.
Zohmann begonnen, einen Teil der chinesischen Lehre in die österreichischen
westlich-wissenschaftlich orientierten Kurse einzubringen, was wiederum einen
großen Fortschritt für die Entwicklung dieses Teiles der Veterinärmedizin in
Österreich brachte.
Zum heutigen Zeitpunkt wird beim jährlich angebotenen Curriculum der ÖGT Sektion
Ganzheitsmedizin sowohl die Neuraltherapie als auch die TCM gelehrt.
Einen großen Stellenwert für die Weiterentwicklung und Anerkennung der
Akupunktur in der Veterinärmedizin hat auch die Ambulanz für Physikalische Medizin
und Rehabilitation der Veterinärmedizinischen Universität Wien seit 14 Jahren. Im
Jahr 1998 als Regulationsambulanz von Dr. Zohmann gegründet, entwickelte sich
diese Einrichtung unter der Leitung von Dr. Barbara Bockstahler ab 1999 zu einem
fixen Bestandteil der universitären Einrichtungen für die Kleintiermedizin. Seit 2001
wird diese Einrichtung durch die IVAS zertifizierte Veterinärakupunkteurin Dr. Marion
Müller unterstützt. Neben der Arbeit mit den mittlerweile sehr zahlreich gewordenen
Akupunkturpatienten, ist es ein Anliegen dieser Einrichtung als universitäre
Einrichtung Beiträge dazu zu leisten, diesen Teil der Medizin auf eine
evidenzbasierte Basis zu stellen. 2010 wurde eine Studie publiziert die überprüfen
77
soll, ob man bestimmte Teile der TCM Diagnostik mit westlicher Diagnostik
vergleichen kann. Dabei stellt sich heraus dass bei manchen Organsystemen die
Übereinstimmung sehr hoch ist (Herz/Perikard; 87,5%), bei anderen Organsystemen
jedoch eher niedrig (Milz/Pankreas 50%) (MUELLER et al., 2010).
Das von Müller herausgebrachte und von Müller und Bockstahler verfasste
Fachbuch: „Checkliste Akupunktur für Kleintiere“, (MUELLER, 2011) erfüllt den
Anspruch an eine hohe Praxisrelevanz, verbunden mit einer übersichtlichen
Darstellung der Grundlagen. Über Indikationen oder über den traditionell
chinesischen Weg kann zu Behandlungskonzepten gefunden werden.
Die Mitarbeiter der Ambulanz für Physikalische Medizin und Rehabilitation bemühen
sich auch die Lehre und Erforschung der Akupunktur zu unterstützen, indem sie
Diplomarbeiten und Dissertationen zu diesem Thema fördern. Zurzeit befinden sich
folgende Themen in Arbeit, betreut durch Prof. Thalhammer von der Klinischen
Abteilung für Interne Medizin Kleintiere:
SCHMITT, A.M.: Einfluss der Nadelung der Akupunkturpunkte Perikardium 6 und
Herz 7 auf die Herzfrequenzvariabilität.
MERGL, A.: Klinische prospektive Grundlagenstudie über den Effekt der Nadelung
der Akupunkturpunkte Lu11 und LG26 auf Atemparameter.
WURZBERGER, S.: Korrelation zwischen orthopädischer und röntgenologischer
Diagnostik und Diagnosestellung anhand von Akupunkturpunkten (SHU- und
Triggerpunkten).
Im Laufe der Zeit an der Veterinärmedizinischen Universität Wien erschienene
Dissertationen, die die Erforschung der Akupunktur vorangetrieben haben
DAMBÖCK, A. (1955): Die Hautinnervation der Extremitäten des Rindes.
Beschrieben unter 6.3.
GIROLLA, W. (1955): Der Nervus phrenicus des Rindes. Seine Morphologie, Topik,
Innervations- und Funktionsaufgabe.
Beschrieben unter 6.3.
78
SCHALLER, O. (1956): Die periphere sensible Innervation der Haut am Rumpf des
Rindes.
Beschrieben unter 6.3.
FREWEIN, J. (1963): Der Anteil des Sympathicus an der autonomen Innervation des
Rindermagens.
Beschrieben unter 6.3.
FAFFELBERGER, C. (1981): Ein Beitrag zur Anwendung der Akupunkturanalgesie
bei Zitzenoperationen an Kühen.
Angeregt durch Berichte von Dr. Kothbauer über Akupunkturanalgesie bei Kühen,
setzte sich Faffelberger zum Ziel die Wirksamkeit und Verwendbarkeit der
Akupunkturanalgesie bei Zitzenoperationen im Vergleich zur Infiltrationsanästhesie
an zwölf Kühen zu überprüfen. Lediglich zwei von den geplanten zwölf Operationen
konnten aufgrund von Abwehrreaktionen unter Verwendung der
Akupunkturanalgesie durchgeführt werden, wobei mittels Infiltrationsanästhesie alle
geplanten zwölf Operationen ohne Probleme durchgeführt werden konnten.
Faffelberger gibt an, dass in weiteren Untersuchungen ermittelt werden sollte, ob
durch Verbesserung der Geräte, durch weitere Punktkombinationen bzw. durch eine
abgeänderte elektrische Stimulation ein hypalgetischer Effekt verstärkt bzw. eine für
Operationszwecke ausreichende Analgesie erzielt werden kann.
KANIS, A. (1981): Ein Beitrag zur Anwendung der Akupunkturanalgesie bei
Laparotomien an Kühen.
Angeregt von Berichten von Dr. Kothbauer über die Durchführung von
Kaiserschnitten unter Akupunkturanalgesie, setzte sich Kanis zum Ziel die
Wirksamkeit und Verwendbarkeit der Akupunkturanalgesie bei Laparotomien an
zwölf Rindern zu überprüfen. Sechs Versuche mussten abgebrochen werden. Sechs
Operationen konnten trotz heftiger Abwehr und trotz Zwischenfällen, die darin
bestanden dass die Tiere niedergingen und umfielen, bis zum Ende durchgeführt
werden. Bei der Infiltrationsanästhesie konnte bei allen Kontrolloperationen eine
79
ausreichende Analgesie erzielt werden und alle Operationen konnten ohne
Zwischenfälle durchgeführt werden. Auch Kanis stellt sich die Frage ob
möglicherweise durch eine andere Punktkombination bzw. durch eine andere
elektrische Stimulation ein hypalgetischer Effekt verstärkt werden könnte.
RUMPF, R. (1985): Physikalische Verfahren (Scheidendusche, Klitorismassage und
Akupunktur) zur Ovulationsbeeinflussung beim Rind.
In seinen Untersuchungen konnte Rumpf durch Akupunktur die Follikelreifung um 13
Stunden und die Ovulation um 21 Stunden gegenüber der Kontrollgruppe
beschleunigen.
ZOHMANN, A. (1989): Die Blockade des Ganglion cervicothoracicum (stellatum)
beim Hund zur Untersuchung der Beteiligung des sympathischen Nervensystems an
der Projektion eines gereizten Organes in die Ohrmuschel.
Beschrieben unter 6.5.
CHAN, W.W. (1991): Effect of electroacupuncture in boars on spermatological
parameters and seminal noradrenaline concentration.
Chan untersuchte den Einfluss von Elektroakupunktur auf die Samenqualität und die
Konzentration von Noradrenalin in der Samenflüssigkeit von Wildschweinen. Die
Beweglichkeit der Spermien erhöhte sich, es wird aber vermutet dass die Ursache
dafür die signifikant angestiegene Konzentration von Noradrenalin nach der
Akupunkturbehandlung war.
EGERBACHER, M. (1991): Anatomische und histologische Untersuchungen zur
Morphologie ausgewählter Akupunkturpunkte am Rumpf bei Rind und Hund .
Durch ihre Dissertation an der Veterinärmedizinischen Universität Wien, hat
Egerbacher weiter dazu beigetragen, die Akupunkturlehre aus dem Bereich der
paramedizinischen Heilmethoden herauszuheben und sie auf eine wissenschaftliche
Basis zu stellen. Sie geht in ihrer Arbeit davon aus, dass nicht in erster Linie die
Reizart - verschiedenste Formen der Hautreiztherapie sind seit langem auch bei uns
80
bekannt - das entscheidende Kriterium für die Wirksamkeit der Akupunktur darstellt,
sondern vor allem der Reizort. Um festzustellen ob es am Akupunkturpunkt ein
morphologisch fassbares Substrat gibt, hat sie an Rind und Hund die Struktur der
Punkteareale durch mikroanatomische Untersuchungen noch weiter aufgeklärt und
die Arbeiten von HEINE (1987, 1988, 1990) und KOTHBAUER (1961, 1984, 1990)
dadurch ergänzt. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde noch keine einheitliche spezifische
Struktur gefunden, die den Akupunkturreiz aufnimmt und verarbeitet bzw. weiterleitet.
Die wichtigste Gemeinsamkeit der an Akupunkturpunkten gefundenen Strukturen ist
die Anwesenheit von Nerven, sei es als größeres Nervenbündel, als freie
Nervenendigungen oder auch nur als perivaskulärer Plexus.
LAYROUTZ, A. (1994): Ohrakupunkturpunkte des Hundes und ihre Morphologie.
LAYROUTZ findet ähnliche Durchbruchstellen von Nerven im Ohr des Hundes.
Nach Layroutz ist es anzustreben, die letzten „weißen Flecken“ dieser diagnostisch
und therapeutisch zu nutzenden Behandlungsmethode zu erforschen, um den
wenigen noch vorhandenen Skeptikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Einer
der zentralen Fragen der Akupunkturwirkung seien die funktionell-anatomischen
Eigenschaften der Akupunkturpunkte. Dies betrifft aber nicht nur die traditionelle
chinesische Körperakupunktur, sondern auch die verhältnismäßig junge
Auriculotherapie, als deren Entdecker man den französischen Arzt Dr. Paul Nogier
bezeichnen kann. Einen Beitrag dazu soll die Arbeit von Layroutz leisten. Sie stellte
dabei von 19 Hunden verschiedener Rassen die Ohrknorpel dar und stellte dabei
eine Übereinstimmung zwischen perforierenden Gefäß-Nervenbündeln und
Projektionszonen verschiedener Ohrkarten von 70-80 % fest.
JANEZIC, E. (1996): Untersuchungen über die Beziehung zwischen Körperkontakten
während des Mutter-Kalb-Verhaltens post partum und Akupunkturpunkten.
Schon Dr. Kothbauer ist im Jahr 1990 bei der Betrachtung der am häufigsten
beleckten Stellen des Rinderkörpers in einer Abbildung von SAMBRAUS (1978) ein
Zusammenhang mit Akupunkturpunktlokalisationen aufgefallen. Außerdem erkannte
er schon, dass das soziale Lecken vor allem in der Zeit nach dem Grasen stattfindet,
und es sich bei den am meisten beleckten Stellen um Akupunkturpunkte handelt, die
der Verbesserung des Stoffwechsels und der Verdauung dienen.
81
Janezic untersucht in ihrer Arbeit das Leckverhalten der Mutterkuh nach der Geburt
und das Eutersuchverhalten des Kalbes post partum. Es wird bestätigt, dass die
Mutterkuh beim neugeborenen Kalb bevorzugt an Körperteilen leckt, an denen sich
die so genannten Notfallpunkte befinden, und dass das Kalb bei der ersten Suche
nach dem Euter, bei dem es immer wieder den Körper der Kuh berührt, jene
Lokalisationen wählt, an denen euterwirksame und die Milchejektion verbessernde
Akupunkturpunkte liegen.
WEISSENSTEINER, J. (1996): Chemische Aspekte des Akupunkturpunktes.
Laut Weissensteiner sind Akupunkturpunkte aufgrund histochemischer Befunde
durch neuronale Innervation charakterisiert. In Gewebeproben und Mikrodialysaten
von 28 Hunden, 2 Kaninchen und einem Rind wurden Konzentrationen der
Transmittersubstanzen Noradrenalin, Adrenalin und Dopamin mit
Hochdruckflüssigkeitschromatographie und elektrochemischer Detektion in
Akupunkturpunkten bestimmt.
LICKA, T. (1996): Bewegungsbild von Pferden mit Rückenschmerzen. Einfluss der
Akupunktur- Therapie auf den Bewegungsablauf.
Zum Zeitpunkt dieser Arbeit war in der Veterinärmedizin die Behandlung von
chronischen Schmerzzuständen und chronisch degenerativen Erkrankungen noch
nicht lange etabliert. Die Akupunktur hatte sich in diesem Bereich gerade in der
Humanmedizin einen Platz geschaffen, da dort die traditionellen
Behandlungsmethoden häufig wenig zufrieden stellende Ergebnisse erzielten. Da die
wirtschaftlichen Faktoren in der Pferdehaltung immer mehr an Bedeutung verloren
und die Pferdehaltung aus Liebhaberei und Freizeitbeschäftigung immer wichtiger
wurde, ist für die Veterinärmedizin ein neuer Anwendungssektor entstanden.
Die Frage die dieser Studie zugrunde liegt, lautet: Lässt sich mittels
wissenschaftlicher Methoden die Wirksamkeit der Akupunktur als Therapie für einen
spezifischen Symptomenkomplex verifizieren?
Damit fügt sich diese Studie als ein weiterer Mosaikstein in das Spannungsfeld
zwischen die Akupunktur und die westliche Schulmedizin ein.
Die therapeutische Wirksamkeit eines Akupunktur-Therapie Schemas bei
Rückenschmerzen des Pferdes wurde in 10 Fällen überprüft.
82
Die Druckschmerzhaftigkeit der untersuchten und genadelten Akupunkturpunkte
nahm bei 9 von 10 Pferden ab. Die klinische Erfassung der Rückenschmerzen ergab
eine Verbesserung bei 5 Pferden und ein Gleichbleiben bei 5 Pferden.
HABACHER, G. (2005): Systematic review of the effectiveness of acupuncture in
veterinary medicine .
Das Ziel dieser Arbeit war, anhand einer systematischen Literaturrecherche die
Wirksamkeit von Akupunktur in der Veterinärmedizin wiederzugeben und zukünftige
Forschungsfelder aufzuzeigen.
14 randomisierte klinische Studien und 17 nicht randomisierte klinische Studien
wurden in die Untersuchungen miteinbezogen.
Laut dieser Arbeit gibt es keine überzeugenden Hinweise darauf, dass Akupunktur
effektiver ist als keine Behandlung oder als konventionelle Therapieformen.
CHVALA, S. (2002): Untersuchungen über den Einsatz des "Meridiantests" aus dem
Bereich der Akupunktur zur Diagnose von Equinen Herpesvirus Typ-1 (EHV-1) -
Infektionen bei Problempferden.
Chvala setzte sich zum Ziel, herauszufinden, ob man durch palpatorische Prüfung
der Sensitivität von Akupunkturpunkten auf Meridianverläufen („Meridiantest“) die
Diagnose stellen kann, dass ein Pferd mit „poor performance syndrom“
(„Problempferd“) an einer akuten bzw. reaktivierten EHV-1 Infektion leidet.
Zwanzig Pferde mit Leistungsabfall und/oder Widersätzlichkeit bzw. auch mit
Verhaltensänderungen, wurden über den palpatorischen Nachweis bestimmter
sensitiv reagierender Akupunkturpunkte ("Herpespunkte") als "Herpes-verdächtig"
diagnostiziert. Diese und 20 weitere Pferde, die als Kontrollgruppe dienten (sie
reagierten nicht auf die "Herpespunkte") wurden einer "westlich" schulmedizinischen
Untersuchung unterzogen.
Eine eindeutige Beziehung zu einer Herpesinfektion konnte nicht bewiesen werden,
obwohl eine gewisse Tendenz dazu zu erkennen war.
83
3.6. AUSBILDUNG
Im Gegensatz zu Deutschland und in der Schweiz ist die Ausübung von Akupunktur
an Tieren in Österreich nur den Tierärzten vorbehalten. Obwohl für die Erlaubnis der
Ausübung keine weitere Qualifikation als das veterinärmedizinische Studium
Voraussetzung ist, kann das dafür nötige Wissen nur zu einem kleinen Teil an der
Universität erworben werden.
Die Akupunkturausbildung kann während des Studiums in den Vorlesungen von Prof.
Dr. Oswald Kothbauer und Dr. Karl Grohmann an der Veterinärmedizinischen
Universität Wien begonnen werden.
Die ÖGT (Österreichische Gesellschaft der Tierärzte - Sektion Ganzheitsmedizin-
Vorsitz: Dr. Harald Pothmann) bietet intensive Praxiskurse für Akupunktur und
Neuraltherapie an. Zur internationalen Anerkennung dient die Weiterbildung bei der
IVAS (International Veterinary Acupuncture Society). Man muss also nicht mehr nach
China reisen.
3.6.1. Vorlesungen an der Veterinärmedizinischen Universität Wien
Zunehmendes Interesse an der Veterinärakupunktur durch praktizierende Tierärzte,
wie auch Bemühungen seitens des Lehrkörpers und auch der Studenten an der
Veterinärmedizinischen Universität in Wien, haben dazu geführt, dass im Jahre 1980
ein Lehrauftrag: "Akupunktur und Neuraltherapie in der Gynäkologie und Geburtshilfe
des Rindes - spezielle Akupunkturlehre" geschaffen wurde. Mit den Vorlesungen
wurde Doz. Dr. Oswald Kothbauer beauftragt. Ab dem Jahr 1987 beteiligte sich Dr.
Zohmann als freier Mitarbeiter an den Vorlesungen von Dr. Kothbauer. Die
Vorlesungen wurden an der Klinik für Geburtshilfe, Gynäkologie und Andrologie an
der Veterinärmedizinischen Universität Wien abgehalten. Auf allgemeinen Wunsch
wurde mit Beginn des Studienjahres 92/93, ein weiterer Lehrauftrag für einschlägige
Übungen am Lehr- und Forschungsgut Merkenstein in Niederösterreich eingerichtet.
Im Jahr 2000 hat Dr. Grohmann begonnen die Vorlesung: „ Einführung in Akupunktur
und Neuraltherapie“ zu halten.
84
Vorlesungen an der Veterinärmedizinischen Universität zum heutigen Zeitpunkt
(2012):
Einführung in die Akupunktur und Neuraltherapie. Dr. Karl Grohmann und Dr. Marion
Müller. Klinische Abteilung für Interne Medizin Kleintiere.
3.6.2. Kurse für Tierärzte
3.6.2.1. ÖGT
Die Sektion Ganzheitsmedizin der ÖGT (Österreichische Gesellschaft der Tierärzte)
bietet ein Curriculum in Traditionell Chinesischer Veterinär-Akupunktur (TCVM) und
Neuraltherapie (NT) an.
Dieser Kurs ist für Tierärzte und für Studenten im letzten Studienjahr zugelassen.
Durch die stark gestiegene Dichte an Informationen und Erfahrungen wurde der
Lehrgang im letzten Jahr auf sieben Kurse erweitert, die folgende Themen
beinhalten:
Einführung in die Veterinärakupunktur nach Traditionell Chinesischer Medizin (TCM)
und Neuraltherapie (NT)
Grundlagen der Neuraltherapie und Laser(aku)punktur in Theorie und Praxis
Kulturgeschichte der TCM
Chinesisches und westliches Denken
Yin und Yang, die fünf Elemente
Die vitalen Substanzen
Die inneren Organe
Krankheitsursachen
Substanzmuster
Die acht Leitprinzipien
Akupunkturpunkte (Auswahl, Stichtechniken)
Meridiane
Energieflüsse
Praktikum am Kleintier (Hund), Pferd und Rind
Ausblick auf verwandte Techniken (Moxa, Ohr-Akupunktur, Goldimplantate,
Kräutermedizin, manuelle Medizin)
85
Diese Kurse sind inhaltlich den Anforderungen der I.V.A.S. (International Veterinary
Acupuncture Society) angepasst und entsprechen den internationalen Standards. Ein
Unterschied besteht aber darin, dass die Akupunkturkurse mit Neuraltherapie und mit
der westlich-wissenschaftlichen Akupunktur verbunden werden. Das soll den
praktisch umsetzbaren Wert erhöhen und das Verständnis für die pathologischen,
diagnostischen und therapeutischen Abläufe erleichtern.
3.6.2.2. I.V.A.S.
Auch für die Kurse der I.V.A.S. (International Veterinary Acupuncture Society) sind
nur Tierärzte und Studenten der Veterinärmedizin im letzten Studienjahr zugelassen.
Zurzeit findet in den USA einmal pro Jahr ein Basiskurs statt, der aus 120 Stunden in
konzentrierten theoretischen Einheiten und 4-5 Wochenenden mit praktischen
Übungen innerhalb eines Jahres besteht. Nach einem dreistündigen Abschlusstest
und der Präsentation von 5 detaillierten Fallberichten, werden die Absolventen als
befähigt angesehen, Veterinärakupunktur auszuüben.
Darauf aufbauend können sowohl Akupunkturkurse für Fortgeschrittene, als auch
Kurse, die die chinesische Kräuterlehre behandeln, besucht werden.
Auch in Europa gibt es eine der IVAS angeschlossene Organisation, die GERVAS
(German Veterinary Acupuncture Society) in Deutschland. Nach abgeschlossenem
GERVAS Basiskurs erhält man die Bezeichnung „IVAS Certified Veterinary
Acupuncturist“.
3.6.3. Fachtierarzt für Akupunktur und Neuraltherapie
Da nach Ansicht der österreichischen Tierärztekammer die Akupunktur und
Neuraltherapie in der Veterinärmedizin in Österreich ein Niveau erreicht hat, das
zumindest europaweit als führend bezeichnet werden muss, wurde im Jahr 1994 die
Möglichkeit zum Erwerb des Titels Fachtierarzt für Akupunktur und Neuraltherapie
eingeführt. Der wachsenden Bedeutung in der Praxis und der führenden Tätigkeit
von österreichischen Tierärzten auf diesem Fachgebiet sollte mit der Schaffung
dieses Titels Rechnung getragen werden.
Erste Träger dieses Titels waren Dr. Zohmann und Professor Dr. Kothbauer.
86
Voraussetzung für den Antritt zur Prüfung ist neben dem abgeschlossenen Studium
der Veterinärmedizin und der mindestens 5 jährigen tierärztlichen Tätigkeit, die
fachspezifische praktische und theoretische Weiterbildung. Dazu empfiehlt die
Tierärztekammer dem Prüfungssenat, die Vorlesungen an der VUW und an anderen
Universitäten in Deutschland und der Schweiz anzuerkennen. Weiters muss der
Besuch von einschlägigen Seminaren, Kursen, Tagungen oder postgraduaten
Lehrgängen in der Dauer von mindestens 50 Stunden pro Jahr über wenigstens 3
Jahre nachgewiesen werden. Die Tierärztekammer empfiehlt dem Senat auch die
Veranstaltungen der Österreichischen Gesellschaft der Tierärzte, Sektion
Ganzheitsmedizin, anzuerkennen.
Zusätzlich müssen zwei einschlägige wissenschaftliche Arbeiten und ein
einschlägiger wissenschaftlicher Vortrag im Rahmen einer Tagung, eines Kurses,
eines Seminars oder einer Lehrveranstaltung nachgewiesen werden.
3.7. FACHLICHE VERTRETUNG
3.7.1. Die Sektion Ganzheitsmedizin der Österreichischen Gesellschaft der Tierärzte
3.7.1.1. Entstehung
1989 wurde von Dr. Andreas Zohmann bei der Vollversammlung der
Österreichischen Gesellschaft der Tierärzte ein Antrag zur Gründung der Sektion
Akupunktur, Neuraltherapie und Homöopathie eingebracht. Zum Anlass für diesen
Antrag nahm er eine von ihm österreichweit durchgeführte Befragung von tierärztlich
tätigen Klinikern und Praktikern, Assistenten und Professoren der
Veterinärmedizinischen Universität Wien, sowie von humanmedizinischen
Wissenschaftlern. Dieser Antrag wurde mit nur einer Gegenstimme angenommen.
Neun Jahre später war diese Sektion mit 235 Mitgliedern die mitgliederstärkste der
Österreichischen Gesellschaft für Tierärzte und gilt seit ihrer Gründung auch als
aktivste.
Die Grundintention der Sektion ist, praktikable und wirksame Methoden (teilweise
aus dem Dunstkreis der sogenannten „Alternativmedizin“) in den allgemeinen
Praxisalltag von Tierärzten zu integrieren. Nach Dr. Zohmann gelingt das nicht durch
puritanisches Festhalten an Prinzipien aus den Anfangszeiten der Akupunktur in
87
Österreich, sondern durch Forschung, Lehre und Praxis auf Basis des heutigen
Wissenschaftstandes.
Auf diesen Hintergrund bauend wurden ab 1991 von der Sektion die ersten Kurse
für Akupunktur und Neuraltherapie durchgeführt.
Seit 1980 hält Prof. Dr. Kothbauer Vorlesungen über die Akupunktur, heute verfügt
die Sektion über zwei Lehraufträge zur Akupunktur, sowie auch für Homöopathie und
Phytotherapie an der Veterinärmedizinischen Universität Wien.
Im Jahr 2000 wurde von der Sektion in Wien der jährliche IVAS – Kongress
durchgeführt (ZOHMANN ,1998).
Seit 1989 hat die Sektion den Titel „Akupunktur, Neuraltherapie, Homöopathie“ inne.
Später hat sich das Institut für Angewandte Botanik der Sektion angeschlossen und
den Fachbereich „Phytotherapie“ eingebracht. Daraus hat sich eine Diskussion um
die Namensgebung der Sektion entwickelt, da eine Aufzählung der einzelnen
Disziplinen zu einem ,,Wortmonster" geführt hätte.
Sowohl den bereits bestehenden und universitär gelehrten Sparten, wie auch den
Außenseitern (Bioresonanz, Bachblüten etc.) sollte Raum geboten werden. Jenen
Außenseitern nämlich, bei denen sich durch den Erkenntnisstand in Zukunft eine
Aufnahme in die Sektion anbieten kann.
Aus diesen Überlegungen heraus wurde die Sektion umbenannt, zunächst in Sektion
für Komplementäre Veterinärmedizin, und heißt heute Sektion Ganzheitsmedizin
(KASPER,1998).
3.7.1.2. Definition
Die Sektion und vor allem seine gewählte Vertretung sehen sich als Bindeglied, zum
einen zwischen den veterinärmedizinischen Universitäten und den praktizierenden
TierärztInnen und Studenten, zum anderen zwischen der westlich-wissenschaftlichen
Tiermedizin und der Ganzheitsmedizin bzw. der Naturheilkunde.
Die Kernaufgabe liegt in der Erforschung von ganzheitlichen Phänomenen, sowohl
was die Entstehung von Erkrankungen angeht, als auch die Diagnostik und Therapie
dieser Erkrankungen. Diese Forschungstätigkeiten sollen angeregt, in Gang gehalten
und veröffentlicht werden.
88
Das Augenmerk der Sektion wird zum einen auf die Grundlagenforschung in den
traditionellen Methoden wie Akupunktur, Neuraltherapie und Homöopathie gelenkt.
Auf der anderen Seite soll die Sektion aber auch ein offenes Forum zur Darstellung
und Diskussion für neue Methoden sein, die sich einer wissenschaftlichen
Beurteilung bislang entziehen.
Um das vorhandene Wissen über diese Methoden auch praktizierenden Tierärzten
und Studenten zugänglich zu machen, werden Lehrveranstaltungen und Seminare
abgehalten.
Des Weiteren ist es ein Anliegen der Sektion, diese Methoden durch fundierte
Argumentation gesellschaftlich zu verankern und sie so einem breiteren Publikum
bekannt zu machen.
3.7.1.3. Ziele
Die Sektion Ganzheitsmedizin der ÖGT hat sich zum Ziel gesetzt die
Wirkmechanismen verschiedenster Phänomene zu erforschen und zu verifizieren.
Das soll zum Teil in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit humanmedizinischen
Vereinigungen bzw. Instituten geschehen. Als Beispiele wären hier das Ludwig
Boltzmann-Institut für Akupunktur oder die Gesellschaft für Matrixforschung zu
nennen.
3.7.2. IVAS - International Veterinary Acupuncture Society
Der erste Zusammenschluss von Akupunkteuren zu einer Gruppe im westlichen
Kulturkreis erfolgte im Jahr 1974 in Kalifornien. Eine Gruppe von Tierärzten gründete
die „National Association of Veterinary Acupuncture (NAVA). Die Tierärzte wurden
damals vom kalifornischen Veterinary Medical Board unter Druck gesetzt, ihre
Akupunktur-Anwendung zu legitimieren. Die Organisation hatte nur vier bis fünf Jahre
Bestand (SCHOEN, 2003).
Etwas später im selben Jahr (1974) wurde die einzige heute bestehende
internationale Organisation für Veterinärakupunktur in Georgia gegründet. Die
Gründungsmitglieder waren Marvin Cain, David Jaggar und Grady Young.
Ihre Mitglieder und Kontakte erstrecken sich über 38 Länder.
89
Ihre Ziele sind die volle Integration der Veterinärakupunktur in die
Veterinärwissenschaften und die internationale Standardisierung der Ausbildung.
Dazu werden in Ländern, die daran interessiert sind, von der IVAS Basiskurse
angeboten.
90
4. DISKUSSION
Obwohl die Akupunktur mittlerweile einen hohen Stellenwert in der kurativen Medizin
einnimmt und durch die klinisch-morphologischen Untersuchungen der Struktur-
Wirkungsbeziehungen auch ein wissenschaftlich anerkanntes Forschungsfeld
darstellt, herrscht gegenüber dieser Behandlungsmethode oft noch große Skepsis.
Diese reservierte Haltung könnte ihre Ursache in der Entwicklungsgeschichte der
modernen Veterinärakupunktur haben, genauer gesagt in dem Zusammenspiel
zwischen der Rezeption traditioneller chinesischer Medizin und dem Einfluss westlich
orientierter, wissenschaftlicher Forschung.
Es ist eine Tatsache, dass heutzutage auch auf dem Gebiet der Veterinärmedizin
medizinische Behandlungsmethoden gefordert werden, die auf der Grundlage von
empirisch nachgewiesener Wirksamkeit ausgewählt wurden. Aus der
Entwicklungsgeschichte der Veterinärakupunktur in Europa, lässt sich ableiten, dass
erst die Bemühungen die Lehre der Akupunktur auf eine wissenschaftlich fundierte
Basis zu stellen, zur Anerkennung derselben beitragen.
Nachdem die ersten gesicherten Informationen über Akupunktur, die auch zur
Anwendung dieser Methode führten im 17.Jahrhundert aus China nach Europa
kamen, kam es immer wieder zu einem Aufflackern des Interesses an diesem Teil
der Medizin. Bis zum 20. Jahrhundert konnte sich die Akupunktur in Europa aber
nicht etablieren. Gründe dafür könnten sein, dass die wissenschaftliche Forschung in
Europa noch nicht in der Lage war, Erklärungen oder Anleitungen zur Anwendung
der Akupunktur zu geben, und auch die chinesische Lehre nur bruchstückhaft zu den
Anwendern durchgedrungen war.
Wahrscheinlich wurde auch schon vor dem 20.Jahrhundert versucht in
wissenschaftlicher Art und Weise an die Thematik heranzugehen. SCHIPPERS
(1993) ist der Meinung, dass sich in Anton Haynes Arbeit aus dem 19. Jahrhundert
durchaus Hinweise darauf finden, dass er sich intensiv mit der Technik und den
Grundlagen der Akupunktur auseinandergesetzt hat. SCHIPPERS (1993) ist der
Meinung, dass die Veterinärmedizin einen großen Anteil daran hat, dass in Europa
die Akupunkturgeschichte eingeleitet wurde. Er weist darauf hin, dass französische
91
Tierärzte schon im 19.Jahrhundert die Arbeit ihrer humanmedizinischen Kollegen als
unqualifiziert erkannten und sich bemühten ihre eigene Arbeit im Rahmen ihrer
damaligen Möglichkeiten wissenschaftlich abzusichern.
Laut SCHOEN (2003) ist die Entfaltung der Veterinärakupunktur im Westen drei
europäischen Tierärzten zu verdanken, nämlich dem Deutschen Dr. Erwin
Westermayer, Dr. Milin aus Frankreich und Dr. Oswald Kothbauer aus Österreich.
Alle drei begannen in den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts unabhängig
voneinander auf diesem Gebiet zu arbeiten.
SCHOEN (2003) gibt an, dass auch Dr. Kothbauer vor allem deswegen erfolgreich
war, weil er sich zunächst mit der Neuraltherapie eine wissenschaftliche Grundlage
erarbeitete und erst später die Beschäftigung mit der Akupunktur aufnahm. Dr.
Kothbauer erforschte in erster Linie an Rindern in empirischer Arbeit
Akupunkturpunkte, die in Bezug zu inneren Organen stehen. Erst nachdem er seine
Erkenntnisse schon lange erfolgreich in der tierärztlichen Praxis eingesetzt hatte,
konnte er durch eine Reise nach China die chinesische Lehre aus eigener Erfahrung
kennenlernen. Durch ihre wissenschaftliche Erforschung der morphologischen
Grundlagen und Wirkungsmodalitäten der Akupunktur leisteten Dr. Kothbauer und
seine Kollegen einen wesentlichen Beitrag zur Anerkennung der Akupunktur in
Österreich.
Nicht zu vergessen ist die Rolle, die das Institut für Anatomie der
Veterinärmedizinischen Universität in der Auseinandersetzung mit den
morphologischen Aspekten der Akupunktur spielte. Prof. Schreiber und seine Schüler
lieferten durch ihren neuroanatomischen Forschungsschwerpunkt schon für Dr.
Kothbauer wesentliche Erkenntnisgrundlagen und auch die jüngeren Protagonisten
der österreichischen Akupunktur wie Zohmann, Grohmann, Ganzberger und Kasper
stammen in ihren akademischen Anfängen durchwegs aus dem Umfeld der Wiener
Veterinäranatomie. Auch die mikroskopische Morphologie von Akupunkturpunkten in
der Veterinärmedizin konnte von der österreichischen Histologin Monika Egerbacher
in wesentlichen Punkten geklärt werden (EGERBACHER, 1991).
Durch die vielen Studien die im 20.Jahrhundert durchgeführt wurden, konnte eine
gute Basis gelegt werden, damit die Akupunktur als Teil der modernen Medizin
akzeptiert wird.
92
Für die weitere Entwicklung müssen aber noch weitere wichtige Schritte getan
werden.
Durch die Forderung nach Behandlungsmethoden, die auf der Grundlage von
empirisch nachgewiesener Wirksamkeit ausgewählt wurden, rücken natürlich auch
die Methoden mit denen diese Studien durchgeführt werden in den Blickpunkt von
Kritikern.
Ein immer wieder genannter Kritikpunkt von Gegnern dieser Methode ist, dass die
Qualität vorhandener Studien, die deren Wirksamkeit belegen sollen, in
Metaanaylsen und Reviews oft massiv bemängelt wird.
NICKEL (2005) kommt sogar zu dem Schluss, dass eine hohe Studienqualität
negativ mit der Effektivität der untersuchten Maßnahme korreliert.
HABACHER (2005) kommt in ihrer Dissertation „Systematic review of the
effectiveness of acupuncture in veterinary medicine” zu dem Schluss, dass die
Qualität der überprüften Studien sehr niedrig war. Auch konnte die Wirksamkeit der
Akupunktur nicht belegt werden.
Die Kritik der mangelnden Qualität betrifft auch die vom deutschen Cochrane
Zentrum zur Verfügung gestellten Arbeiten (MOLSBERGER et al., 2002).
Das Cochrane Zentrum möchte Arbeiten zu Themen aus allen Gebieten der Medizin
zur Verfügung stellen und will am Gesundheitswesen beteiligten Personen eine
wissenschaftlich fundierte Informationsgrundlage bieten. Das Ziel soll sein den
aktuellen Stand der klinischen Forschung objektiv beurteilen zu können.
Wegen der massiven Kritik an bis jetzt durchgeführten Studien wurde Anfang 2002
in Deutschland begonnen, die GERAC-Studien zur Akupunktur (German
Acupuncture Trials) durchzuführen. Damit wollten die deutschen Krankenkassen
feststellen, ob und in welchen Bereichen die Akupunktur tatsächlich wirkt. Verglichen
wurde dabei chinesische Akupunktur mit Sham-Akupunktur als Kontrollgruppe
(stechen an Nicht-Akupunkturpunkten) und mit etablierten Standardtherapien
(MOLSBERGER et al., 2002).
In den Ergebnissen zeigte sich die Akupunktur den Standardtherapien überlegen,
sowohl bei Migränepatienten (ENDRES et al., 2007a) als auch bei orthopädischen
Indikationen (ENDRES et al., 2007b), allerdings konnte nicht zwischen chinesischer
93
Akupunktur an Standardakupunkturpunkten und Sham-Akupunktur unterschieden
werden.
Diese Ergebnisse lassen weiterhin viel Diskussionsspielraum sowohl für die Gegner
als auch für die Befürworter der Akupunktur offen und zeigen, dass das
Grundproblem, ein traditionelles auf Erfahrungswerte basierendes Therapieverfahren
auf das Konzept der westlichen evidenzbasierten Medizin zu übertragen, bis jetzt
noch nicht ganz gelöst werden konnte.
Diesen Schwierigkeiten zum Trotz bleibt es eine Tatsache, dass es für die weitere
Entwicklung und Akzeptanz der Akupunktur unumgänglich ist, die Forschung auf
einen evidenzbasierten Level zu bringen. Placebokontrollierte, doppeltverblindete
Studien mit entsprechenden Patientenzahlen unter Verwendung von objektiven
Messmethoden sind für zukünftige Studien daher anzustreben.
94
5. ZUSAMMENFASSUNG
Die Akupunktur ist eine sehr alte Methode und hat schon früh Spuren hinterlassen.
Die älteste ist eine ca. 5000 Jahre alte Gletschermumie aus Tirol – Ötzi, aber auch
aus Ägypten, China und Südamerika sind frühe Zeugnisse von Akupunktur erhalten.
Die Verbreitung der Akupunktur in die ganze Welt begann aber in China im 19. Jhd.
Vor dem 17. Jh. finden sich in Europa nur sehr wenige Hinweise auf die Akupunktur,
diese mehren sich im 17. Jh., es kommt jedoch noch nicht verbreitet zur Anwendung.
Im 19. Jh. wird die Akupunktur, ausgehend von Frankreich, wieder bekannt und wird
auch in Europa auf die Veterinärmedizin übertragen. Die ersten Veröffentlichungen
zu diesem Thema erscheinen auch in Österreich, jedoch kann sich diese Methode
erneut nicht durchsetzen.
Erst im 20.Jh. kann sich die Akupunktur endlich etablieren und in der Medizin als
diagnostische und therapeutische Methode durchsetzen. Von Frankreich ausgehend
über Deutschland erreicht die Lehre Österreich. Währenddessen hat aber schon
unabhängig von chinesischer und französischer Lehre ein österreichischer Tierarzt
damit begonnen in mühseliger Kleinarbeit und aus eigener Kraft die Akupunktur für
Tiere neu zu entdecken: Dr. O. Kothbauer – er wird zu einer maßgeblichen Figur für
die Entwicklung der Akupunktur in Österreich. In Zusammenarbeit mit Prof. J.
Schreiber, der das Nervensystem des Rindes erforschte, hat Kothbauer die Basis für
die Akupunktur beim Rind geschaffen. Fast zur gleichen Zeit beschäftigt sich Dr. F.
Brunner mit der Akupunktur bei Kleintieren und schreibt ein Buch zu diesem Thema
das lange Zeit als Standardwerk gilt. Dr. A. Zohmann beschäftigt sich mit der
Ohrakupunktur und war unter anderem maßgeblich daran beteiligt die heutige
Sektion Ganzheitsmedizin der ÖGT zu gründen, den Fachtierarzt für Akupunktur und
Neuraltherapie zu schaffen und auf der Universität eine Regulationsambulanz zu
gründen. Andere österreichische Tierärzte, die heute noch selbst aktiv und in der
Lehre tätig sind, konnten sowohl die chinesische Lehre in die österreichische Lehre
der Akupunktur einbringen, als auch dazu beitragen diesen Teil der Medizin weiter zu
etablieren.
95
6. EXTENDED SUMMARY
Acupuncture is an ancient technique which traces back to the early times. The first
trace is a 5000 year old mummy from a Tyrolean glacier. Known as Ötzi the Iceman,
Similaun Man and Man from Hauslabjoch, this well preserved mummy was found in
1991 on the border between Italy and Austria. Ötzi had several carbon tattoos around
both ankles, behind the right knee and on both sides of the lumbar spine. It has been
speculated that the use of these tattoos was pain relief, their function similar to
acupuncture. The previously known earliest use of acupuncture in China is at least
2000 years later.
However, an early trace of acupuncture also was found in Egypt. A veterinarian
papyrus that contains evidence of acupuncture was found by Flinders Petrie in El-
Lahun as a part of a 3800 years old collection of papyri.
For sure, China is widely known as the country of origin for acupuncture but only has
a recorded history of about 2000 years. But it seems to be safe to assume that
acupuncture was used in China for at least 4000 years.
The actual spreading of acupuncture to the entire world originated definitely in China
in the 19th century. Up until the 17th century only very few signs of acupuncture can
be found in Europe. These traces increase in the course of the 17th century; even so,
there is not yet wide spread application. A still very well known illustration from this
period is the “Lassrösslein”.
Based in France, Acupuncture becomes more apparent again in the 19th century and
starts to get used in Veterinary Medicine. Also in Austria the first publications appear,
the first written mention of acupuncture was published by Anton Hayne in 1833.
However, acupuncture does not gain stable recognition in European medicine again.
Not earlier than in the 20th century acupuncture becomes a well accepted part of
medicine for diagnostic and therapy. Originating in France, scientific acupuncture
reaches Germany and then Austria.
After World War II, independent of the French and Chinese traditions, an Austrian
veterinarian starts to discover the principles of acupuncture on his own: Dr. Oswald
Kothbauer – one of the most important persons for the development of acupuncture
in Austria. In cooperation with Dr. J. Schreiber, who delves into the nervous system
of cattle, Kothbauer provides basic empiric evidence for the acupuncture of cattle. He
96
taught acupuncture in the University of Veterinary Medicine in Vienna to a great
number of students and gave lectures all over the world.
Almost at the same time, Dr. F. Brunner deals with the acupunctural treatment of
small animals and publishes a book about small animal acupuncture that becomes
the standard reference for a long time.
Dr. A. Zohmann deals with auriculotherapy and makes significant contributions in
founding the compartment of holistic medicine in the Austrian Association of
Veterinarians and in creating the title „Specialist in Acupuncture and neural therapy“
for Veterinarians who passed a special examination. He also founds the department
of „Regulationsmedizin“at the University of Veterinary Medicine in Vienna.
Other Austrian veterinarians, who are still active in treating animals and also in
teaching, were able to bring in the Chinese science of acupuncture and to improve
the establishment of this part of medicine in Austria. The basic acupuncture course of
the section Ganzheitsmedizin of the Austrian Veterinary Society has become an
inherent part of the course offers for veterinarians in Austria.
Another step in the right direction is the demand for evidence based medicine.
Current Studies, e.g. published by the Institute of Physiotherapy and Rehabilitation of
the University of Veterinary Medicine in Vienna, stay abreast of these changes.
Keywords: acupuncture, veterinary, Austria, history
97
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1
1. EINLEITUNG UND FRAGESTELLUNG
Die Idee, eine Arbeit zu diesem Thema zu verfassen, entstand zu Beginn meiner
Tätigkeit als Tierärztin. Nachdem ich begonnen hatte, mich mit der Akupunktur
auseinander zu setzen, stellte ich bald fest, dass einige österreichische Tierärzte
maßgeblich an der Entwicklung der Veterinärakupunktur beteiligt waren. Ich setzte
mir zum Ziel, diese Entwicklung nachzuvollziehen und zu dokumentieren. Dieses
Vorhaben schließt die Wurzeln ebenso wie den Weg der Akupunktur, den diese
Lehre von China nach Österreich genommen hat, mit ein, besonders beleuchten und
hervorheben möchte ich aber die Arbeit von österreichischen Tierärzten, die zur
internationalen Anerkennung und Weiterentwicklung der Veterinärakupunktur geführt
hat.
1.1. FORSCHUNGSSTAND
Die Geschichte der Veterinärakupunktur in Österreich ist bis jetzt nicht ausführlich
wissenschaftlich bearbeitet worden. Ein kurzer Artikel, diese Thematik betreffend,
wurde von Dr. Oswald Kothbauer unter dem Titel „Geschichte der Tierakupunktur in
Österreich seit den 50er Jahren“ veröffentlicht (KOTHBAUER, 1992).
Eine Dissertation aus Hannover von Reinhard Schippers mit dem Titel „Die
Geschichte der Veterinärakupunktur und -moxibustion ausserhalb Chinas“ geht auch
auf die Veterinärakupunktur in Österreich ein, erwähnt aber nur kurz die
Publikationen von Dr. Anton Hayne von 1833 und die Forschungen von Dr. Oswald
Kothbauer zwischen 1960 und 1970 (SCHIPPERS, 1993).
Eine weitere Arbeit zu diesem Themenkreis wurde von Petrissa Rinesch verfasst und
1995 als Dissertation mit dem Titel „Die Entwicklung des Einsatzes von
Lokalanästhetika in der Veterinärmedizin unter besonderer Berücksichtigung ihrer
therapeutischen Wirkung als Neuraltherapie“ approbiert (RINESCH, 1995).
JANSSENS (1981) veröffentlichte 1981 im American Journal of Acupuncture den
Artikel „Veterinary Acupuncture in Europe“.
In der Einleitung von Lehrbüchern der Akupunktur wird oft auch die Geschichte der
Veterinärakupunktur erwähnt. Von diesen Quellen konnte ich in erster Linie das Buch
„Akupunktur in der Tiermedizin“ von Allen M. Schoen für meine Arbeit nutzen, da er
auch auf die Arbeiten von Dr. Oswald Kothbauer eingeht (SCHOEN, 2003).
2
1.2. BEGRIFFSERKLÄRUNGEN
Da sich diese Arbeit in erster Linie mit der Geschichte und Entstehung der
Akupunktur in Österreich befasst und weniger mit dem fachlichen Aspekt, würde es
den Rahmen sprengen, die Wirkungsmechanismen der Akupunktur und die
Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) mit ihrer Yin- und Yang Lehre, der 5-
Elemente-Lehre bzw. der Lehre der Wandlungsphasen und der Meridianlehre zu
erklären.
Zum besseren Verständnis von einigen Kapiteln möchte ich dennoch einige
einleitende Sätze über die Hintergründe der Akupunktur an den Beginn stellen und
einige fachspezifische Ausdrücke erklären.
Die Akupunktur (lat. acus Nadel; pungere stechen) ist eine Methode der Traditionell
Chinesischen Medizin (TCM). Dabei werden Störungen der verschiedenen
Organsysteme des Körpers (die in ihrer Form und Funktion von den Organsystemen
der westlich-wissenschaftlichen Forschung abweichen) erkannt. Durch Anregung
oder Dämpfung dieser verschiedenen Organsysteme sollen diese Störungen
behoben werden. Dies geschieht durch Stimulation von Punkten auf der
Körperoberfläche, von denen die meisten auf bestimmten Linien, den Meridianen,
liegen. Über die Meridiane werden die mit ihnen verbundenen Organsysteme
beeinflusst. In den Meridianen fließt das Qi, oft übersetzt mit „Lebensenergie“ das
durch diese Behandlungsform beeinflusst werden kann.
Die Stimulation dieser Punkte erfolgt mittels verschiedener Methoden, entweder
durch Einstechen von Nadeln, durch Massage, durch Erhitzen oder auch durch
Einbringen von Flüssigkeiten (HILDEBRANDT et al., 1997 u. REICHE, 2003):
In der freien Enzyklopädie Wikipedia wird Akupunktur in einem Artikel von 2008 als
Regulationstherapie bezeichnet, bei der über genau definierte Hautareale, die
Akupunkturpunkte, durch Einstechen einer Nadel regulierende Impulse gesetzt
werden. Die Akupunkturpunkte unterliegen einer Systematik, wodurch dem
Anwender ermöglicht wird bestimmte Effekte zu erzielen. Unter Regulationstherapie
versteht man im weitesten Sinne jede Art von Therapie, die einen aus dem
Gleichgewicht geratenen Organismus wieder in den Zustand des Gleichgewichts
3
zurückbringen soll. Die Regulation soll durch körpereigene Kräfte erfolgen
(WIKIPEDIA Seite „Regulationstherapie“ 2008).
Obwohl die Akupunktur eine sehr alte Form der Diagnose und Therapie ist, gibt es
nicht nur Befürworter. Die Kontroverse über die Wirksamkeit der Akupunktur wird
vielleicht auch dadurch unterstützt, dass viele Studien die die Wirksamkeit belegen
sollen, einen Mangel an statistischer Analyse und Kontrollen aufweisen (SCHOEN,
2009).
Dennoch gibt es schon viele Fortschritte in dem Bemühen, die Funktionsweise der
Akupunktur auch aus westlich-wissenschaftlicher Sicht zu erklären.
1.2.1. Definition Akupunkturpunkt:
Die Haut kann als das Organ betrachtet werden, von dem aus eine
Akupunkturwirkung induziert wird. In der Haut befinden sich Rezeptoren (freie
Nervenendigungen und korpuskuläre Endkörperchen). Histologische
Untersuchungen haben ergeben, dass im Akupunkturpunkt pro mm2 0,31
Rezeptoren gezählt werden können, aber nur 0,16 Rezeptoren pro mm2 außerhalb
des Akupunkturpunktes. Der Akupunkturpunkt scheint daher eine Art „Sinnesorgan“
der Haut zu sein, insbesondere für elektrisch messbare Werte. Im Akupunkturpunkt
sinkt der Hautwiderstand gegenüber der Umgebung sehr wesentlich ab (KELLNER,
1966).
Die Morphologie der Akupunkturpunkte konnte sowohl beim Menschen (HEINE,
1998) als auch beim Tier (EGERBACHER, 1991) identifiziert werden. An den als
Akupunkturpunkte beschriebenen Arealen waren Austrittstellen von Gefäß-
Nervenbündeln durch die oberflächliche Hautfaszie festzustellen. Typisch hierbei ist
eine konzentrische Schichtung von Bindegewebsstrukturen um diese austretenden
Bündel. Der Akupunkturpunkt unterscheidet sich außerdem durch seine erhöhte
elektrische Leitfähigkeit bzw. seinen erniedrigten elektrischen Hautwiderstand von
anderen Hautstellen, was ihn elektrisch messbar macht.
4
1.2.2. Definition Meridian
In der Modellvorstellung der Traditionellen Chinesischen Medizin ist ein Meridian eine
Energieflussbahn des Körpers, die sich als Linie auf die Haut projiziert; auf ihr lassen
sich Akupunkturpunkte ausfindig machen, die eine wichtige Rolle bei der Therapie
von Krankheiten spielen. Die Meridiane sind mit westlich-naturwissenschaftlichen
Methoden noch nicht nachgewiesen worden (REICHE, 2003).
Aus heutiger Sicht könnten sich die Meridiane beim Menschen nach kinetischen
Muskelfunktionsketten darstellen (BERGSMANN u. BERGSMANN, 1997). Diese
können auch beim Pferd nachempfunden werden (KOTHBAUER, unpubl.).
Nach heutiger Auffassung liegen die Akupunkturpunkte auf 14 Leitbahnen, die auch
als Meridiane bezeichnet werden. 12 dieser Leitbahnen stehen in Bezug zu den
Funktionskreisen bzw. Organen der chinesischen Medizin und sind paarig
angeordnet (z.B. Lunge und Herz). Die beiden anderen sind unpaarige Bahnen ohne
Organbezug (Lenkergefäß und Konzeptionsgefäß). Die Leitbahnen werden in auf-
und absteigende Bahnen unterschieden. In ihnen soll nach Auffassung der TCM die
körpereigene Energie, das „Qi“ kreisen, wobei sich diese Energie in 24 Stunden
einmal durch alle Leitbahnen bewegt.
Die Meridiane (z.B. Magen-Meridian, Lungen-Meridian) bilden ein vernetztes System,
über das Fernwirkungen erklärbar werden.
1.3. ANWENDUNG
Zur Behandlung von Krankheiten ist es zunächst notwendig eine Diagnose nach den
Kriterien der Traditionell Chinesischen Medizin zu erstellen. Dabei werden
grundlegende Störungen des Gleichgewichts zwischen Yin und Yang identifiziert.
Die Auswahl der Akupunkturpunkte zur Behebung dieser Störungen kann mittels
zahlreicher Methoden erfolgen, nach denen bestimmte Punktkombinationen
zusammengestellt werden.
Auch für die Einteilung der Akupunkturpunkte gibt es unterschiedliche Systeme.
MUELLER (2011) unterscheidet zwischen Nahpunkten (bzw. Lokalpunkten) und
Fernpunkten, zwischen temporären und permanenten Punkten und unterteilt die
Punkte nach Lage und Funktion in Hauptkategorien nach den Regeln der TCM.
Die Einteilung der Akupunkturpunkte nach den Regeln der TCM wird auch von
5
SCHOEN (2009) getroffen. In diesem Zusammenhang wird von folgenden
Punktgruppen gesprochen: Alarm-Mu-Punkte, Zustimmungs-Shu-Punkte, Yuan-
Quell-Punkte, Luo-Passage-Punkte, Xi-Grenz-Punkte, Einflussreiche-Hui-Punkte,
Kardinal-oder Schlüsselpunkte, Kreuzungspunkte, Punkte der vier Meere, Antike
Punkte, Untere Vereinigungspunkte und von den Fünf Elemente Punkten.
1.4. INDIKATIONEN
1.4.1. Allgemein
Eine systematische Übersicht der wesentlichsten allgemeinen Indikationen wurde
von KOTHBAUER (unpubl.) zusammengestellt.
1. Unterstützung der üblichen diagnostischen Verfahren
Durch Feststellung von hyperalgetischen Akupunkturpunkten oder Punktegruppen
auf der Haut, die für eine Krankheit oder ein Organ spezifisch sind (Schmerzpunkte).
2. Ausübung einer Therapie
Über die Stimulation eines Akupunkturpunktes (durch Nadelung, Wärmeanwendung,
elektrische Stimulation usw.), entweder als Akupunktur alleine oder in Verbindung mit
medikamentöser Therapie.
Diese Behandlungsmöglichkeit kann breit gefächerte Wirkungen im gesamten Körper
entfalten, indem sie auf Regelsysteme im Körper einwirkt. Stark geschädigte Organe,
in denen durch Zelltod bereits fixierte Endzustände bestehen, können in der Regel
nicht beeinflusst werden. Genauso wenig können Infektionskrankheiten und
Krankheitserreger direkt beeinflusst werden, jedoch kann auf die dadurch
entstehenden Erkrankungen über die Beeinflussung von körpereigenen
Abwehrsystemen Einfluss genommen werden.
6
1.4.2. Speziell
Die Frage, bei welchen Krankheiten die Akupunktur nun genau angewendet werden
kann, wird einem Mediziner der dieses Fachgebiet anwendet oft gestellt. Im Jahr
2003 hat die WHO (World Health Organisation) den Versuch gemacht eine genaue
Indikationsliste zusammenzustellen (aus Roche Lexikon Medizin, REICHE, 2003):
Diese Liste ist vor allem auf den Internetseiten von Anbietern dieser Methode noch
sehr weit verbreitet.
Respirationstrakt:
• akute Sinusitis
• akute Rhinitis
• allgemeine Erkältungskrankheiten
• akute Tonsillitis
bronchopulmonale Erkrankungen
• akute Bronchitis
• Asthma bronchiale
Augenerkrankungen:
• akute Konjunktivitis
• zentrale Retinitis
• Myopie (bei Kindern)
• Katarakt
Erkrankungen der Mundhöhle:
• Zahnschmerzen
• Schmerzen nach Zahnextraktion
• Gingivitis
• akute u. chronische Pharyngitis
orthopädische Erkrankungen:
• Schulter-Arm-Syndrom
• Periarthritis humeroscapularis
7
• Tennis-Ellenbogen
• Lumbalgie
• rheumatoide Arthritis
gastrointestinale Erkrankungen
• Ösophagus- u. Kardiospasmen
• Singultus
• Gastroptose
• akute u. chronische Gastritis
• Hyperazidität des Magens
• chronisches Ulcus duodeni
• akute u. chronische Kolitis
• Obstipation
• Diarrhoe
• paralytischer Ileus
neurologische Erkrankungen
• Kopfschmerzen
• Migräne
• Trigeminusneuralgie
• Fazialisparese
• Lähmungen nach Schlaganfall
• periphere Neuropathien
• Poliomyelitislähmung
• Morbus Menière
• neurogene Blasendysfunktion
• Enuresis nocturna
• Interkostalneuralgie
• Ischalgie
8
2. MATERIAL UND METHODE
Für die Bearbeitung der gewählten Fragestellung wurden zwei methodische
Forschungszugänge angewendet.
2.1. AUSWERTUNG VON LITERATUR UND ARCHIVQUELLEN
Die Wurzeln der Akupunktur und der Weg, den die Lehre dieser
Behandlungsmethode von China nach Österreich genommen hat, konnte durch das
Studium von vorhandener Literatur nachvollzogen und dargestellt werden.
Für die Suche nach der vorhandenen Literatur wurde die Datenbank der Bibliothek
der Veterinärmedizinischen Universität Wien über das Suchsystem vetmed:seeker
sowie die Datenbank PubMed benutzt. Verwendete Suchbegriffe: Veterinärmedizin,
Geschichte, Akupunktur, Österreich.
Die Arbeiten der österreichischen Tierärzte Dr. Anton Hayne und Dr. Leopold Forster,
beide im 19.Jahrhundert als Professoren an der Wiener Tierärztlichen Schule tätig,
lieferten wertvolle Erkenntnisse des damaligen Forschungsstandes und konnten im
Archiv der Veterinärmedizinischen Universität Wien im Original eingesehen werden.
Die Darstellung des heutigen Standes der Lehre der Veterinärakupunktur in
Österreich erfolgte nach Kontakt mit der Tierärztekammer, die mir die Richtlinien zur
Erlangung des Titels „Fachtierarzt für Akupunktur und Neuraltherapie“ zur Verfügung
stellte. Die Darstellung der weiteren Ausbildungsmöglichkeiten, der fachlichen
Vertretung und der Lehre an der Veterinärmedizinischen Universität Wien erfolgte
unter Zuhilfenahme von Daten der Sektion Ganzheitsmedizin der Österreichischen
Gesellschaft der Tierärzte und des Vorlesungsverzeichnisses der
Veterinärmedizinischen Universität Wien.
2.2. BEFRAGUNG VON ZEITZEUGEN
Ein wesentlicher Anteil der für meine Arbeit verwertbaren Daten konnte über
persönliche Gesprächen und Interviews mit österreichischen Tierärzten, die
maßgeblich an der Entwicklung der Veterinärakupunktur beteiligt waren, erfasst
werden. Dankenswerterweise stellten mir meine Interviewpartner nicht nur ihre
persönlichen Erinnerungen, sondern auch ihre Literatursammlungen und eigene
9
Forschungsdokumentationen zur Verfügung.
Die Datenerfassung für diesen methodischen Zugang erfolgte weitgehend nach den
Regeln der Oral History, welche über so wenig wie möglich gelenkte Erzählungen
von Zeitzeugen eine wissenschaftlich betriebene Erfassung persönlicher
Lebenserfahrungen anstrebt. Der beabsichtigte Erkenntnisgewinn dient nicht so sehr
der Dokumentation vergangener Sachverhalte und Ereignisse als vielmehr der
Erfassung mentaler und kultureller Mechanismen, durch die in der Folge oft sehr
bedeutsame Entscheidungen ausgelöst und motiviert wurden (HENKE-
BOCKSCHATZ, 2006). Für die traditionelle Methode der Oral History lässt man die
Zeitzeugen frei erzählen, ohne wie bei einem klassischen Interview den
Interviewpartner durch Fragen in eine bestimmte Richtung zu lenken. Das Erzählte
wird mit einem Diktiergerät festgehalten und anschließend vom Historiker in Textform
übertragen. Auf Grund der unübersehbaren methodischen Schwierigkeiten in der
Datenerfassung, die vor allem auf der durch das Selbstbild des Erzählers geprägten
Färbung des Geschehnisablaufes beruhen (z. B. NIETHAMMER, 2009), wurden für
die vorliegende Studie, entsprechend modernerer methodischer Auffassungen, die
Zeitzeugen durchaus mit Fragen und Nachfragen konfrontiert.
10
3. ERGEBNISSE
3.1. DIE WURZELN DER AKUPUNKTUR
Die Ursprünge der Akupunktur sind nicht eindeutig feststellbar, wurden aber lange
Zeit im antiken China vor etwa 3000 Jahren vermutet. Bisher war die Annahme
verbreitet, dass die Akupunktur im 17. Jh. über die Niederlande und Frankreich in
Deutschland und Österreich erstmals eingeführt wurde.
3.1.1. Ötzi – der Mann vom Hauslabjoch
Im Jahr 1991 wurde in Tirol ein Aufsehen erregender Fund gemacht, eine
Gletschermumie aus dem alpinen Chalkolithikum, die auf ein Alter von ca. 5300
Jahren datiert werden konnte. Der Mann vom Hauslabjoch, allgemein bekannt als
„Ötzi“ wurde nach der Bergung umfangreichen Untersuchungen unterzogen, bei
denen Tätowierungen an mehreren Körperstellen festgestellt wurden.
Insgesamt wurden 47 strichförmige Tätowierungen am Rücken, an den Armen und
an den Beinen entdeckt, die sich in 15 Gruppen zusammenfassen lassen. Einige der
Tätowierungen schienen keinen dekorativen Wert zu haben, da sie an Körperstellen
angebracht waren die normalerweise nicht zur Schau gestellt wurden und eine
simple, lineare und geometrische Form hatten.
Im Juni 1998 fiel dem Münchner Akupunkturarzt Frank Bahr auf, dass die
Tätowierungen des Eismanns zum größten Teil auf Hautarealen liegen, die in der
Akupunktur als Akupunkturpunkte oder -meridiane beschrieben werden. In einer
darauf folgenden Studie wurde anhand von Fotografien und exakter Lokalisierung
der Tätowierungen untersucht, ob eine Verbindung zwischen Akupunkturpunkten
und den an der Gletschermumie gefundenen Tätowierungen besteht (DORFER u.
MOSER, 1998,1999).
Die genaue Auswertung förderte Erstaunliches zu Tage: Von den 15
Tätowierungsgruppen liegen neun exakt auf bzw. weniger als 6 mm von einem
klassischen Akupunkturpunkt entfernt. Zwei weitere Gruppen liegen direkt auf einem
klassischen Meridian. Drei Tätowierungen sind 6 bis maximal 13 Millimeter vom
nächstgelegenen Akupunkturpunkt entfernt.
11
Die tätowierten Areale liegen gleichzeitig in der Nähe bzw. auf klassischen
Akupunkturpunkten des Blasenmeridians.
Eine Strichgruppe liegt weder auf einem Meridian, noch auf einem bekannten
Akupunkturpunkt, befindet sich aber am rechten Sprunggelenk, in dem arthrotische
Veränderungen festgestellt wurden (Abb. 1). Es finden sich auch Tätowierungen
direkt über der Lendenwirbelsäule, die laut radiologischer Untersuchungen
arthrotische Veränderungen aufweist (Abb. 2).
Diese Lokalisationen entsprechen einer Stimulierung im Sinne einer locus dolendi
Akupunktur.
Auch die zweite Akupunkturstufe, die Anwendung von Fernpunkten, kann an der
Gletschermumie mit hoher Wahrscheinlichkeit vermutet werden: In der Akupunktur-
Literatur ist der Punkt "Blase 60" generell bei Schmerzen, vor allem im Bereich der
Hinterextremitäten anwendbar, lokal bei Tarsalgelenksschmerzen (MUELLER, 2011).
Genau im Bereich dieses Punktes liegt hinter dem linken Außenknöchel ein
tätowiertes Kreuz.
Sogar die komplexeste Stufe, die konstitutionelle Akupunktur, kann beim
Gletschermann möglicherweise angewendet worden sein: Zur Therapie von
tiefliegenden, arthrosebedingten Schmerzen, Knochen- und Gelenksveränderungen
und Beschwerden, die sich vor allem unter Kälteeinfluss verstärken, werden zwei
bestimmte Punkte angegeben. Die Punkte Blase 23 und Niere 7 wurden beim Mann
aus dem Eis exakt getroffen.
Auf Grund dieser Erkenntnisse kann durchaus angenommen werden, dass schon
3200 v. Chr. großes Wissen über die Akupunktur vorhanden war. Nicht nur die
einfachste Form der Akupunktur wurde praktiziert, sondern anscheinend auch die
konstitutionelle Form. Das Wissen darüber setzt jahrhundertelange Entwicklung und
Erfahrung voraus, was bedeuten würde, dass die Ursprünge der Akupunktur
wahrscheinlich noch viel weiter zurückreichen.
Nicht nur der Zeitpunkt der Anfänge der Akupunktur wird damit verschoben, sondern
auch der Ort der Entwicklung. Ob der Ursprung der Akupunktur ausschließlich im
fernen Osten liegt oder ob er weiter nach Europa verschoben werden muss, kann
12
diskutiert werden. In jedem Fall wird der jungsteinzeitlichen mitteleuropäischen
Medizin durch diese Erkenntnisse ein wesentlich höherer Entwicklungsgrad
zuerkannt werden müssen als bisher angenommen (DORFER u. MOSER,
1998,1999).
Ein weiterer, weit zurückliegender Hinweis auf die Anfänge der Akupunktur
außerhalb Chinas stammt aus Ägypten.
3.1.2. Der Veterinärpapyrus Kahun LV.2
Der aus London stammende Ägyptologe Sir William Flinders Petrie (1853 – 1942)
wurde als Sohn eines Landvermessers und Ingenieurs geboren, der die Theorie
vertrat, dass Zoll und Fuß ursprünglich ägyptische Maßeinheiten waren. William
begleitete seinen Vater bei vielen seiner Projekte und entdeckte selbst sein Interesse
an der Ägyptologie. Bei seiner ersten Reise 1880 nach Ägypten widerlegte er durch
eine genaue Vermessung der Pyramiden von Gizeh die Theorie seines Vaters. In
den folgenden Jahren arbeitete Petrie überall in Ägypten, unter anderem auch in der
Arbeitersiedlung Medinet-Kahun bei El-Lahun (auch Lahun oder Kahun) (BARD,
1999).
Dort machte er in den Jahren 1888 und 1889 bei Ausgrabungen eine bedeutende
Entdeckung. Er fand zwei Dokumente, die später als der Medizin-Papyrus Kahun
VI.1 und der Veterinär-Papyrus Kahun LV.2 bekannt wurden.
Dieser Papyrus, auch Veterinärmedizinischer Papyrus von Kahun genannt, wird um
etwa 1800 v. Chr. datiert, er wurde also in der Zeit des Mittleren Reichs verfasst
(etwa 2137 bis 1781 v. Chr.). Nachweislich basiert er aber auf Vorlagen aus dem
Alten Reich (etwa 2707–2216 v. Chr.) und ist somit das älteste bekannte
veterinärmedizinische Literaturdokument der Menschheit.
Er ist zwar nur noch in Bruchstücken vorhanden und konnte bislang nicht vollständig
übersetzt werden, beinhaltet aber Reste eines Buches über Tierkrankheiten.
In dem Papyrus werden Fisch, Gans und Hund als Patienten erwähnt, am besten
erhalten und am ausführlichsten sind aber die Abschnitte über Rinderkrankheiten. Im
letzten Abschnitt wird zum Beispiel die Rinderseuche „uschau“ (Nagana) erwähnt
(Abb. 3) (WINKLE, 2003). Obwohl man nicht in der Lage ist, alle Krankheiten die der
13
Papyrus abhandelt, exakt zu bestimmen, ist eine eindeutige Gliederung vorhanden.
Zunächst wird die Krankheit in einer Art Kurzdiagnose vorgestellt, danach werden die
Symptome beschrieben anhand derer man zu einer Diagnose gelangen kann. Als
Drittes erfolgt die Anweisung zur Therapie und zu guter Letzt folgt die
Prognosestellung.
Bemerkenswert an den therapeutischen Ansätzen ist, dass das Zufügen von
Schnitten an Nase und Schwanz erwähnt wird. Hierbei handelte es sich aber nicht
um einen Aderlass im herkömmlichen Sinne, sondern lediglich um das Ritzen ganz
bestimmter Hautpunkte aus denen dann einige Blutstropfen austraten. Diese
Behandlung könnte im Sinne eines Mikroaderlasses als eine Form der Akupunktur
betrachtet werden.
Auch das Eindrücken einer im Feuer erhitzten Tonscherbe an die Schläfe eines
erkrankten Rindes wird erwähnt. Dies könnte als Maßnahme zur Aktivierung der
Widerstandskraft gedeutet werden und könnte den gleichen Hintergrund haben wie
die Feuerakupunktur in der chinesischen Heilkunde, bei der die Akupunktur an
Tieren mittels einer glühenden Nadel (Feuernadel) durchgeführt wurde (PETERS u.
DRIESCH, 2003 u. WIKIPEDIA „Seite Medizinische Papyri aus Lahun“, 2011).
Auch FROEHNER (1934) beschreibt die Übersetzung der Anwendung von
glühenden Scherben: „…geschwollen ist und seine Augen zufallen, so lege um seine
Augen eine am Feuer erhitzte Scherbe, um die Triefäugigkeit zu vertreiben.“ Er gibt
aber an, dass Scherben vielfach als Träger von Zaubersprüchen und –formeln
verwendet wurden, was auch hier der Hintergrund gewesen sein könnte.
3.1.3. Eine tätowierte Mumie in Südperu
Einen weiteren Hinweis darauf, dass die Akupunktur schon sehr früh weit verbreitet
war liefern die Arbeiten von Maria Anna Pabst und ihren Kollegen an der
Medizinischen Universität Graz. Sie beschreibt darin eine 1000 Jahre alte Mumie, die
im Sand der Wüste bei Chiribaya Alta in Südperu gefunden wurde (MARCHANT,
2010; PABST et al., 2010). An dieser Mumie wurden zwei verschiedene Arten von
Tätowierungen gefunden. Die eine Gruppe, an Armen, Händen und am linken Bein,
beschreibt Pabst als dekorative Tätowierung, die Vögel, Affen, Reptilien und andere
Symbole zeigt (Abb. 4) Die zweite Gruppe befindet sich um den Nacken der Mumie,
14
zeigt ein asymmetrisches Muster sich überschneidender Kreise und war wohl von
Haaren und Kleidung bedeckt (Abb. 5).
Die Tätowierungen wurden analysiert und Pabst entdeckte, dass für die Herstellung
verschiedene Ausgangsstoffe verwendet wurden. Für die Zeichen der ersten Gruppe
wurde vor allem Kohlenstoff (Ruß) eingesetzt. Bei den Zeichen der zweiten Gruppe
wurde allerdings ein ganz anderes Material verwendet – wahrscheinlich pyrolisiertes
Pflanzenmaterial (Pyrolyse: durch hohe Temperaturen bedingte thermo-chemische
Spaltung).
Das Bemerkenswerte an dieser Entdeckung ist, dass zum ersten Mal an ein und
derselben Mumie unterschiedliche Tätowierungsmethoden gefunden wurden.
Dies wird als starker Hinweis darauf angesehen, dass die verschiedenen
Tätowierungen aus unterschiedlichen Gründen angefertigt wurden. Pabst benützt in
diesem Zusammenhang folgende Formulierung: „If you use different materials, they
have different functions” (zit. nach MARCHANT, 2010).
Pabst und ihr Team glauben, dass die Zeichen im Nacken therapeutischen Zwecken
dienten, da sie nahe an chinesischen Akupunkturpunkten liegen, die einen
entspannenden und schmerzlindernden Effekt für den Nacken und den Kopfbereich
haben. Zusätzlich könnten die verwendeten Pflanzen einen medizinischen Zweck
gehabt haben (MARCHANT, 2010; PABST et al., 2010)
Diese historisch sehr interessanten Erkenntnisse ändern aber nichts an der
Tatsache, dass die Akupunktur im engeren Sinn außerhalb Chinas über sehr lange
Zeit nicht angewendet wurde und in Europa erst vor kurzer Zeit wieder zu einer
anerkannten Behandlungsmethode wurde.
15
Abb. 2:
Tätowierungen im Bereich der
arthrotischen Lendenwirbelsäule
von „Ötzi – dem Mann vom
Hauslabjoch“. DORFER (2010)
Abb. 1:
Lokale Punkte in der Region des
arthrotischen rechten
Sprunggelenkes von „Ötzi – dem
Mann vom Hauslabjoch“. DORFER
(2010)
16
Abb. 3:
Letzter Abschnitt des beschädigten Veterinärpapyrus-Kahun über die
Rinderseuche "uschau" (Nagana) aus dem 2. Jahrtausend v. Chr.
(WINKLE, 2003)
Abb. 4:
dekorative Tätowierungen an
Armen und Beinen einer Mumie
aus Südperu (MARCHANT, 2010)
Abb. 5:
Asymmetrische Muster im
Nacken einer Mumie aus
Südperu (MARCHANT, 2010)
17
3. 2. VETERINÄRAKUPUNKTUR IN CHINA
3.2.1. Entwicklung in China
Die Angaben zur historischen Entwicklung der Akupunktur in China entsprechen,
soweit nicht anders zitiert, den Ausführungen von SCHOEN (2003).
Die Frühgeschichte der Akupunktur in der Veterinärmedizin ist vage, dennoch gibt es
interessante Spekulationen und Legenden darüber. Eine dieser Geschichten
berichtet darüber, dass im Krieg verletzte Pferde, nachdem sie an ganz bestimmten
Stellen von Pfeilen getroffen wurden, von bestimmten Leiden schneller geheilt
wurden. Diese Hypothese ist sehr spekulativ, erscheint aber immerhin vorstellbar.
Diese Beobachtungen sollen in weiterer Folge genauer erforscht worden sein, um
eine effizientere Form der Behandlung zu finden.
Es wird vermutet, dass schon im späten Neolithikum (3500–2800 v. Chr.) die ersten
Formen der Akupunktur auftraten. Es gab besondere zugespitzte Steinwerkzeuge,
bian, die vielleicht ursprünglich für eine primitive Form der Chirurgie verwendet
wurden, z.B. um Abszesse zu öffnen und den Eiter abfließen zu lassen. Auf diesem
Wege könnte festgestellt worden sein, dass der Einstich an ganz bestimmten
Punkten einen Effekt auf verschiedenste Krankheitsbilder hat (UNSCHULD, 1985).
Chinesische Medizinhistoriker betrachten den Arzt Bian que als den ersten
dokumentierten Akupunkturanwender, der im 6. vorchristlichen Jahrhundert eine
Form der Ein-Nadel-Akupunktur anwendete (POLLMANN, 2002).
In der Frühling-Herbst Periode (677-476 v.Chr.) der Zhou-Dynastie verfasste ein
Militärgeneral namens Sun-Yang (auch bekannt als Bai-le) den „Kanon der
Veterinärmedizin“. Es gibt Legenden, dass er sehr versiert in der
Akupunkturbehandlung von Tieren war und er gilt als Vater der chinesischen
Tiermedizin.
Der älteste bekannte schriftliche Hinweis und somit der Nachweis der Anwendung
von Akupunktur wurde während der Han-Dynastie (200 v. Chr. bis 200 n.Chr.)
verfasst. Das Huangdi Neijing war ein Grundlagentext der Humanmedizin mit
18
Einfluss auf Veterinärakupunktur und Moxa-Therapie und liegt auch in deutscher
Übersetzung vor (Innerer Klassiker des Gelben Kaisers).
Dieses Werk besteht aus 81 Abhandlungen, die zu zwei Büchern zusammengefasst
wurden. Das Su Wen behandelte grundlegende Fragen zu Physiologie, Morphologie,
Pathologie, Diagnose und Prävention von Krankheiten. Das Ling Shu hingegen
beschreibt die klinischen Anwendungen von Akupunktur und Moxibustion und
beschäftigt sich mit der Lage der Akupunkturpunkte und der Meridiane.
Der Ursprung des Huangdi Neijing ist nicht vollkommen geklärt, es wird aber
angenommen, dass es sich um eine Sammlung von Texten von verschiedenen
Autoren handelt.
Fortschritte in der Metallurgie machten es zu dieser Zeit auch möglich, feine, dünne
Akupunkturnadeln aus Stahl herzustellen.
Nach der Zeit der Han-Dynastie (also nach 220 n. Chr.) entwickelten sich in China
zwei verschiedene Richtungen der Medizin. Die eine war vergleichbar mit der
westlichen Medizin, befasste sich mit Pharmakologie und hatte nur wenig Bezug zu
den traditionellen Theorien.
Die andere befasste sich mit den Theorien, die im Westen als traditionelle
chinesische Medizin bekannt sind.
Zwei weitere wichtige Werke aus der Han-Dynastie sind noch zu nennen, das eine ist
das Nan Jing, der „Klassiker der Problematik“. Darin werden die Theorien von
Meridianen und Punkten vorgestellt, sowie die Therapie mit Nadeln. Weiters werden
die Ätiologie und die Diagnose von Krankheiten kommentiert.
Das zweite ist das Shang Han Lun, der „Systematische Klassiker der Akupunktur und
Moxa-Therapie“ von Zhang Zhong-Jing. Dieses Werk ist zu einem der klinischen
Grundlagenwerke für die Pharmakologie im Bereich der klassischen chinesischen
Medizin geworden. Es enthält neben den pharmakologischen Aspekten Anleitungen
für die Akupunktur- und Moxatherapie und Hinweise auf die Kräuterheilkunde.
Etwa hundert Jahre später während der West-Jin-Dynastie (265-316 n. Chr.) wurde
das Zhenjiu Jiayi-Jing, der „Klassiker der Akupunktur und Moxa-Therapie“, von
Huang-Fu-Mi verfasst.
Aus diesem Werk stammt ein in Akupunkturkreisen häufig zitierter Satz (zit. nach
SCHOEN, 2003): „Ein guter Arzt behebt die Störung, bevor sich eine Erkrankung
19
entwickelt hat, ein durchschnittlicher Arzt setzt Akupunktur ein bevor die Krankheit
ihren Höhepunkt erreicht hat und ein schlechter Arzt behandelt den Patienten wenn
die Krankheit bereits im Abklingen ist“.
Diese Worte illustrieren den hohen Stellenwert der Prophylaxe in der chinesischen
Medizin.
Der nächste äußerst wichtige Abschnitt für die Veterinärmedizin ist die T‘ang-
Dynastie (618-907 n. Chr.). Zu dieser Zeit erfolgte die Organisation der
medizinischen Ausbildung, 618 n. Chr. wurde das kaiserliche medizinische Kolleg
gegründet, dem folgte die Gründung von zahlreichen Universitäten und ähnlichen
Einrichtungen.
Es entwickelte sich eine ausgereifte tiermedizinische Behandlungsform, über die Li
Shi das Si-mu An-ji Ji, die „Sammlung von Pflege- und Behandlungsmethoden für
Pferde“, verfasste. Das Buch befasst sich mit 72 verschiedenen Krankheiten und gibt
Behandlungsmethoden mit Kräutern und Akupunktur, inklusive Diagrammen von
Akupunkturpunkten, an.
Während der Song-Dynastie (960-1279 n. Chr.) wurde der Hofarzt Wang Wie-Yi
damit beauftragt das Wissen über die Akupunktur und die Meridiane zu verifizieren
und zu überarbeiten. Er lokalisierte 359 Punkte entlang von 14 Meridianen und gab
für jeden der Punkte die Indikationen und die Nadeltiefe an. Er entwickelte ebenfalls
die Ausbildung der Akupunkturärzte weiter und entwickelte Methoden um ihr Können
und Wissen zu überprüfen.
In der Zeit der Ming Dynastie (1368 bis 1644 n. Chr.) lebten zwei Brüder, die als
Tierärzte berühmt waren. Während 60 Jahren schrieben sie ein Buch über die
Behandlung von Pferden mit dem Titel „Liaomaji“. Dieses große Lebenswerk stellt
eine Zusammenfassung der damaligen Veterinärmedizin in China dar und enthält
auch eine Darstellung von Meridianen in Form von Meridianpunkten (KOTHBAUER
u. MENG, 1983).
Den Höhepunkt ihrer Entwicklung erreichte die Akupunktur in China am Ende des 16.
Jahrhunderts. Forschung, Ausbildung, klinische Errungenschaften und Bearbeitung
und Kommentierung von früheren Werken waren zu dieser Zeit voll entwickelt.
20
3.2.2. Verbreitung in andere Länder
Während der Zeit der T‘ang-Dynastie wurde das medizinische und
veterinärmedizinische Wissen aus China in andere Länder exportiert. Die
buddhistische Missionstätigkeit brachte die Einführung von Akupunktur in andere
Länder mit sich, da Texte über diese Behandlungsmethode nach Korea, Japan und
in Teile von Südostasien mitgebracht wurden.
Im 17. Jahrhundert kamen zahlreiche jesuitische Missionare aus Europa nach China.
Es kam zu einem Austausch des medizinischen Wissens, Berichte über Akupunktur
drangen bis nach Europa vor.
Die stärkste Verbreitung erlebte die chinesische Medizin aber im 19. Jahrhundert. Zu
dieser Zeit kamen zahlreiche Ärzte aus dem Westen und amerikanische
Missionsärzte an den Vertragshäfen der Ostindischen Kompanie ins Land, während
des Opiumkrieges (1839-1842) auch britische Militärärzte.
Ein wichtiges Ereignis für die Weiterentwicklung der Akupunktur war die Reise des
damaligen US Präsident Richard Nixon nach China im Jahr 1972. Er rückte nicht nur
die politische Lage, sondern auch die hoch entwickelten Wissenschaften des Landes
in den Blick der Weltöffentlichkeit. Er brachte das Wort Akupunktur mit und auch
Berichte darüber, unter anderem auch über Operationen an Menschen, die unter
reiner Akupunkturanalgesie durchgeführt wurden.
21
3.3. VETERINÄRAKUPUNKTUR IN EUROPA VOR DEM 20. JAHRHUNDERT
3.3.1. Vor dem 17. Jahrhundert?
Schon in vorchristlicher Zeit bestand zwischen Europa und China eine Beziehung.
Ein Netz von Karawanenstrassen, die Seidenstrasse, verband schon im 2.
Jahrhundert vor Christus das Mittelmeer mit Ostasien (KOTHBAUER, 1992).
Eine Blütezeit erlebten die Seidenstraßen während der T’ang Dynastie (600 - 900 n.
Chr). In dieser Zeit erlebte auch die Pferdezucht in China einen markanten
Aufschwung und die erste Schule für Veterinärmedizin wurde gegründet. Es wurden
die Grundlagen der klassischen Akupunkturlehre, die Einteilung in Meridiane und die
Yin/Yang-Lehre entwickelt (PETERMANN, 2004).
Neben den Verbindungen über die Seidenstraßen und über andere Landwege waren
es auch die Schiffsrouten zwischen China und Indien (um 130 v. Chr.) und noch
früher Schiffsrouten zwischen Indien und Griechenland, über die Informationen und
Güter in den Mittelmeerraum gelangen konnten.
Gewiss nicht beweisbar, aber durchaus im Bereich der Möglichkeiten, ist es, dass
dadurch bestimmte Kenntnisse über Akupunktur bei Tieren auch bis nach Europa
verbreitet werden konnten (KOTHBAUER u. MENG, 1983).
Etwa vom 3. Jahrhundert n. Chr. an haben chinesische Hochseeschiffe Ceylon
erreicht und gewiss auch einiges Wissen über die Veterinärakupunktur vermittelt.
Wie aus einem ca. 500 n. Chr. datierten ceylonesischen Palmblatt-Akupunkturbuch
hervorgeht, war die Veterinärakupunktur zu dieser Zeit bereits in Ceylon (dem
heutigen Sri Lanka) bekannt. Bilder darin zeigen Menschen und auch Tiere mit
dargestellten Akupunkturpunkten (Abb. 6).
Wenn man davon ausgeht, dass wahrscheinlich erste Informationen über die
Akupunktur über den Mittelmeerraum nach Europa gelangten, ist es daher nicht
überraschend, dass bereits zur Zeit der Römer schriftliche Aufzeichnungen
existierten, die etwas mit Akupunktur zu tun gehabt haben könnten (KOTHBAUER u.
MENG, 1983).
In der freien Enzyklopädie Wikipedia wird zum Thema „ Römisch-chinesische
Beziehungen“ 2011 angegeben, dass die erste protokollierte Gesandtschaft,
22
angeblich entweder vom römischen Kaiser Antoninus Pius oder von seinem
Nachfolger Mark Aurel entsandt, 166 n. Chr. China erreicht hat.
Es ist auch bekannt, dass um 226 n. Chr. eine offizielle römische Gesandtschaft
einen Kaiser der Shu-Dynastie in Nanking besucht hat (KOTHBAUER u. MENG,
1983).
Eines der ältesten erhaltenen römischen Tierheilkundebücher ist das X. Buch der
"Mulomedicina Chironis", welches um 400 nach Christi Geburt verfasst wurde.
Chiron war neben Pelagonius und Vegetius einer von drei wichtigen
tiermedizinischen Schriftstellern im römischen Westreich. Chiron, der Kentaur, galt
zwar von jeher als Vater der griechischen Rossarznei, seine Rolle als Schriftsteller ist
aber eher anzuzweifeln, deshalb ist wohl davon auszugehen, dass Chiron im Falle
der Mulomedicina ein Pseudonym war und der Autor selbst unbekannt bleibt
(SACKMANN, 1993).
In dem Buch werden Methoden beschrieben, bei denen an ganz bestimmten Zonen
ein Mikroaderlass zur Behandlung verschiedener Krankheiten bei Pferd und Rind
durchgeführt wird. In dem Buch werden Angaben zu Aderlassstellen an Nase, Zunge,
Unterlippe und zwischen den Ohren von Pferd und Rind gemacht, die uns bekannten
Akupunkturpunkten entsprechen (ENDERLE, 1975).
Die erste Erwähnung von chinesischer Medizin in westlicher Literatur stammt aus
dem 13. Jahrhundert. Der holländische Franziskanermönch und Forschungsreisende
William von Rubruck (1220 n. Chr. – 1293 n. Chr.) berichtet in seinem Reisebericht
auch über Akupunktur, die westliche Welt wurde sich dieser Behandlungsform aber
erst einige Jahrhunderte später bewusst (RAMEY u. BUELL, 2004).
23
Abb. 6:
Akupunkturpunkte bei Tieren aus einem etwa 1500 Jahre alten
ceylonesischen Palmblatt – Akupunkturbuch (KOTHBAUER u. MENG, 1983)
24
3.3.2. 17. Jahrhundert
Einen Hinweis auf die Anwendung von Akupunktur in der Tiermedizin zu dieser Zeit
geben Kupferstiche von Pferden, auf denen Aderlassstellen eingezeichnet wurden,
die sogenannten „Lassrösslein“ (Abb.7). Einige dieser Abbildungen geben genau an,
bei welcher Krankheit welcher Punkt zum Aderlass gewählt werden soll.
Bemerkenswert ist, dass diese Punkte zum Teil exakt mit den Punkten zur
Körperakupunktur beim Tier übereinstimmen (ZOHMANN u. DRAEHMPAEHL,
1998).
Abb. 7:
Lassrösslein mit 100 eingezeichneten Aderlassstellen,
Kupferstich um 1630 (PETERS u. DRIESCH, 2003)
25
Die überwiegende Zahl dieser Aderlassstellen sind bei lokalen Krankheitsprozessen
zur Therapie genützt worden. Es handelt sich dabei vornehmlich um die einfache
Akupunktur, das sog. "Locus dolendi-Stechen", beim Pferd (KOTHBAUER u. MENG,
1983).
Die ersten genaueren Hinweise auf das Nadelstechen wurden in Europa bereits zu
Beginn des 17.ten Jahrhunderts durch die Berichte des portugiesischen
Forschungsreisenden Fernão Mendes Pinto (Abb. 8) publiziert (KOTHBAUER u.
MENG, 1983).
Fernão Mendes Pinto (1509-1583)
Der portugiesische Entdecker und Schriftsteller besuchte im Zuge
seiner Reisen den Mittleren und Fernen Osten, Äthiopien, das
Arabische Meer, Indien, Japan und China. Seine Reise begann im
Jahr 1537 und endete erst 21 Jahre später mit seiner Rückkehr
nach Portugal. In der posthumen Veröffentlichung seiner
Memoiren „Pilgerreise“ (Peregrinação) geht es zum einen um eine
geistige Reise, Religion, moralische Betrachtungen zum
Kolonialismus, Prüfungen und Mühen der Reise, aber auch um
detaillierte Berichte über das asiatische Leben (CATZ, 1991).
In seinen Reiseberichten wird auch die Anwendung von Akupunktur erwähnt, die er
auf seinen Reisen beobachtet hat (KOTHBAUER u. MENG, 1983).
Jakob De Bondt (1592-1631)
Eine weitere sehr frühe schriftliche Erwähnung von Akupunktur in Europa stammt
von dem Holländer Jakob de Bondt. Er war als Arzt bei der ostindischen
Handelskompanie beschäftigt und berichtet über die Akupunkturlehre, die er in Japan
kennengelernt hat. Seine Aufzeichnungen, veröffentlicht 1658 unter dem Namen
„Historiae naturalis&mediacae indiae“, berichten auch schon über Indikationen und
die Art der Anwendung (BARNES, 2005).
Abb. 8: Fernão
Mendes Pinto
(WIKIPEDIA „Fernão
Mendes Pinto“, 2011)
26
Placide Harvieu (1671-1746)
1671 übersetzte Harvieu, ein jesuitischer Mönch, eine Arbeit über Akupunktur
erstmals ins Französische, nachdem er aus Macao und Beijing nach Frankreich
zurückgekommen war.
Der Franzose schrieb das Buch: “The Secrets of Chinese Medicine and the Perfect
Knowledge of the Pulse, brought from China by a Respected Frenchman”
(SCHIPPERS, 1993).
Andreas Cleyer (1634 – 1697/98)
Der aus Kassel stammende Arzt der Niederländisch-Ostindischen Kompanie,
veröffentlichte zwischen 1680 und 1686 vier Schriften, die sich unter anderem mit der
Akupunktur befassen. Eine erhaltene Schrift lautet „Specimen medicinae sinicae,
(sive) opuscula medica ad mentem Sinesinum“ und stützt sich laut HUARD und
WONG (1968) auf das Huang-ti Nei-ching.
1682 publizierte Cleyer das lateinische Buch „De Pulsibus libri quatuor e Sinico
translati“. Dieses Buch ist eine Übersetzung des chinesischen Buches Mai-chüeh
und befasst sich mit der Pulsdiagnose der Ming-Zeit (UNSCHULD, 1989).
Besonders auffällig in den Werken von Cleyer ist, dass er versucht, chinesische
Begriffe in die lateinische Sprache zu übertragen, zum Beispiel gibt er das
chinesische Wort „Qi“ mit dem lateinischen Begriff „spiritus“ wieder (SCHIPPERS,
1993).
Willem ten Rhyne (1647-1700)
1683 n. Chr. publiziert Willem ten Rhyne (Abb. 9), ein holländischer
Arzt der bei der Ostindischen Handelkompanie tätig war, ein
lateinisches Buch mit dem Titel: „Dissertatio de Arthride: Mantissa
Schematica de Acupunctura“. Dieses Buch wurde in London und Haag
veröffentlicht, in mehreren Auflagen gedruckt und 1692 auch ins
Deutsche übersetzt (MICHEL, 1989).
Mit diesem Werk lieferte ten Rhyne die ausführlichsten und
wichtigsten Daten zum Beginn der europäischen
Akupunkturgeschichte. Er erwähnte als erster Europäer das Wort
Abb. 9:
Willem ten Rhyne
(WIKIPEDIA „Willem ten
Rhijne“, 2012)
27
„acupunctura“. Bis zu diesem Zeitpunkt war Akupunktur nur umschrieben worden.
Außerdem enthält seine Arbeit Abbildungen von Akupunkturpunkten und
Meridianverläufen beim Menschen, sowie die Abbildung einer japanischen
Metallnadel und eines dazugehörigen Hämmerchens (Abb.10) (SCHIPPERS, 1993).
Das Buch enthält am Schluss zusammengefasste Auszüge, unter anderem auch
über die Akupunkturbehandlung unter dem Titel "Der Chinesen und Japaner Manier,
wie selbige alle Krankheiten durch das Moxa-Brennen und Guldene Nadel=Stechen
vollkommen curiren".
Ten Rhynes Meinung von der ostasiatischen Medizin geht aus folgendem
Originalzitat deutlich hervor: „Die Moxa ist bey denen Chinesen und Japanern nicht
alleine im Gebrauch, sondern auch das Stechen mit einer Nadel. Ihre Chirurgische
Curen geschehen mehrentheils vermittelst des Nadel=Stechens und Moxa=Brennen,
dann in diesen beyden bestehet beynahe ihre ganze Kunst.“ (zit. nach MICHEL,
1989).
Abb.10: Akupunkturhämmerchen und Nadel für die sogenannte
„Schlagnadelung“ aus Dissertatio de Arthride: Mantissa Schematica de
Acupunctura von Willem ten Rhyne (WIKIPEDIA „Willem ten Rhijne“, 2012)
28
Engelbert Kämpfer (1651-1716)
Der deutsche Arzt war ebenfalls Mitglied der Niederländisch-Ostindischen Kompanie
und reiste unter anderem nach Ceylon, Japan und Siam. In seinem Reisebericht
zeigt Kämpfer Abbildungen von Akupunkturpunkten und Nadeln (SCHIPPERS,
1993).
Während seiner Reisen traf Kämpfer sowohl auf Andreas Cleyer als auch auf Willem
ten Rhyne. Es wäre verwunderlich wenn bei den Treffen der drei Ärzte nicht auch
über die östliche Heilkunde gesprochen worden wäre. Spätestens nach seiner
Rückkehr nach Europa las er ten Rhynes „Dissertatio de Arthride: Mantissa
Schematica de Acupunctura“ und benutzte das in diesem Buch geprägte Wort
„acupunctura“ für sein eigenes Werk „Curatio Colicae per Acupuncturam, Japonibus
usitata“ (MICHEL, 1983).
Informationen über Akupunktur bei Tieren sind in diesen frühen Berichten noch nicht
enthalten. Dies führte zu einer Verzögerung der Anwendung im Veterinärbereich und
später auch zu einer unqualifizierten Anwendung und einer Technik die mehr auf
Experimentierfreudigkeit als auf Wissen beruhte.
Weil keine Informationen aus erster Hand über die Akupunktur bei Tieren von China
nach Europa gelangten, konnten sich die ersten Anwender in der Veterinärmedizin
nur an den Berichten von Ten Rhyne beziehungsweise an den laienhaften
Versuchen ihrer damaligen europäischen Humankollegen orientieren (SCHIPPERS,
1993).
Im 17. Jahrhundert wurde die Akupunktur besonders in Frankreich für kurze Zeit
beliebt, geriet jedoch bald wieder in Vergessenheit, bis sie Anfang des 19.
Jahrhunderts von dem Pariser Arzt Dr. Louis Berlioz wieder aufgenommen wurde.
Zu diesem Zeitpunkt erfolgte auch schon eine Übertragung in die Tierheilkunde
(VOGEL, 1891).
29
3.3.3. 19. Jahrhundert
Basierend auf den Arbeiten von M. Dujardin (1774) und Felix v. Vicq d’Azyr (1787)
begann Dr. L. Berlioz 1809 die Akupunktur in der Praxis anzuwenden und führte
auch zahlreiche klinische Versuche durch (HEMPEN, 2005). Er setzte die
Akupunktur in erster Linie zur Schmerztherapie ein, beobachtete aber auch schon
Allgemeinreaktionen. Aus diesen Versuchen resultierte 1810 die erste dokumentierte
Anwendung von Akupunktur in Europa, im Zuge der er an der Pariser Schule der
Medizin eine junge Frau behandelte, die an Bauchschmerzen litt. Die Pariser
Medizinische Gesellschaft beschreibt diese Art der Behandlung als „ziemlich
leichtsinnig“ („somewhat reckless“), Berlioz ließ sich aber nicht entmutigen und setzte
seine Bemühungen um die Akupunktur fort.
1823 wird Akupunktur in der ersten Ausgabe der Zeitschrift „The Lancet“, der ältesten
medizinischen Fachzeitschriften der Welt, erwähnt (BAI, 2009).
1824 übersetzte J. Wagner den Aufsatz "A Treatise on Acupuncturation" des
Engländers James M. Churchill ins Deutsche – die erste bekannte Veröffentlichung
zum Thema Akupunktur in unserer Sprache (HEMPEN, 2005).
1828 wird zum ersten Mal in England eine eigene Arbeit über Tierakupunktur in „The
Veterinarian“ veröffentlicht. In dem anonymen Bericht mit dem Titel „On
Acupuncturation in Veterinary Practice“ werden die Autoren Prevost, Bouley und
Chiley erwähnt und deren Versuche im Bereich der Veterinärakupunktur abgehandelt
(JANSSENS, 1981).
Der später erschienene Aufsatz des Genfer Tierarztes Charles PREVOST aus dem
Jahr 1833 ist eine deutschsprachige Übersetzung eines zuvor in französischer
Sprache verfassten Artikels, der bereits 1826 im „Journal Pratiqe de Médecine
Vétérinaire“ abgedruckt wurde und 1828 in „The Veterinarian“ Berücksichtigung fand
(SCHIPPERS, 1993).
Im Jahre 1836 schreibt ein französischer Tierarzt namens Flammens über die
Akupunkturbehandlung einer gelähmten Kuh (KOTHBAUER u. MENG, 1983).
30
Eine literarische Quelle aus dem späten 19. Jahrhundert stammt von Dr. Eduard
Vogel. In einer Neuauflage von "Hering`s Operationslehre für Tierärzte" beschreibt
der Deutsche 1891 die Akupunktur und Elektropunktur bei Tieren.
Vogel meint, dass durch Einstechen von Metallnadeln durch die Haut in die
unterliegenden Gebilde, insbesondere in die Muskulatur, zunächst nur ein
mechanischer Reiz ausgeübt wird. Dieser Reiz soll die kontraktilen Fasern und die
Nervenzellen anregen und lediglich der Anwesenheit eines fremden Körpers
zuzuschreiben sein. Galvanische oder chemische Reize fänden nach damaligen
neuesten Untersuchungen nicht statt. Außerdem soll die mechanische Wirkung nach
praktischen Erfahrungen sehr gering sein und nachdem sich das Gewebe schnell
daran gewöhnt hat auch schnell vorüber sein.
Anders schätzt er die Wirkung ein, wenn gleichzeitig mit den Akupunkturnadeln
stärkere Reizmittel eingeführt werden, wie zum Beispiel scharfe Stoffe oder ein
entsprechend starker elektrischer Strom. In ersterem Fall soll durch die Erzeugung
einer entzündlichen Reaktion mehr „Tätigkeit und Innervation“ hervorgerufen werden
können. Bei Verwendung von galvanischen Strömen sollen auch gewisse
Molekularveränderungen und eine chemische Zersetzung der Gewebssäfte oder
pathologischer Produkte stattfinden. Das soll dazu führen, dass infolge der direkt in
die erkrankten Organe geleiteten verstärkten Reize oder durch die erwähnten
elektrolytischen Vorgänge lähmungsartige Zustände zur Besserung oder Heilung
gelangen können. Die ersten Effekte der Behandlung sollen sich durch örtliche
Schwellung, Empfindlichkeit und pulsförmige Bewegungen der Muskulatur zwischen
den Nadeln zeigen.
Die Akupunkturnadeln beschreibt Vogel folgendermaßen (Abb.11): Sie bestehen aus
poliertem, ausgeglühtem Stahl und sind mit einem Knopf oder einem Ring
versehen. Sie müssen stark und spitz genug sein und werden daher in der Regel
lanzenförmig angeschliffen. Ihre Länge ist unterschiedlich und wechselt zwischen 5
und 15cm, die Dicke geht nicht über die einer normalen Stricknadel hinaus. Je nach
der räumlichen Ausdehnung des Leidens und dessen Intensität braucht man eine
größere Anzahl, häufig 30-50 Stück.
Das Einstechen in die Haut geschieht entweder mit der Hand oder, falls die Haut wie
besonders bei Rindern oder Hunden Schwierigkeiten bereitet, unter Zuhilfenahme
eines Holzes oder Hammers, wobei die Haut mit den Fingern angespannt wird. Vogel
31
weist darauf hin, dass das Einbringen der Nadeln meist mit einer erheblichen
Beunruhigung der Tiere einhergeht und man sich deswegen in Acht nehmen sollte.
Als Applikationsort empfiehlt auch Vogel den Sitz des Leidens oder die nächste
Nähe. In erster Linie kommen Backen, Schulter, Rücken, Kruppe und Becken in
Frage, wo auch eine dickere Lage von Weichteilen vorhanden ist. Laut Vogel soll
auch das Einstechen in Gehirn, Herz, Lungen oder Arterien keine wesentlichen
Nachteile hervorrufen.
Die Nadeln sollen in geregelten Haufen oder Reihen beieinander positioniert werden
und voneinander Abstände von wenigen Zentimetern haben (VOGEL, 1891).
3.3.4. 19. Jahrhundert in Österreich
3.3.4.1. Anton Hayne (1786 – 1853)
Die erste schriftliche Erwähnung von Akupunktur in der Veterinärmedizin in
Österreich stammt aus dem Jahr 1833 (SCHREIBER, 2004). Der Verfasser war
Anton Hayne, ein angesehener Wissenschaftler und Veterinärmediziner in
Österreich. 1811 wurde er „Correpetitor“ am „Thierarzney-Institute“ in Wien und 1813
Professor der Tierheilkunde am Lyceum in Olmütz. 1820 war er in Laybach
Landestierarzt und im selben Jahr wurde er öffentlicher Professor der speziellen
Pathologie und Therapie am k. k. Thierarzney-Institut zu Wien (SCHIPPERS, 1993).
Er war bis 1852 als Lehrer und Forscher am Thierarzney-Institut in Wien tätig.
Während seiner dreißigjährigen Professur war Hayne stets auf der Suche nach
wissenschaftlicher Wahrheit, die in seiner Lehrtätigkeit und zahlreichen Publikationen
ihren Ausdruck fand. Als Wegbereiter wissenschaftlicher Tierheilkunde machte
Hayne Anfang der dreißiger Jahre Versuche an Pferden, um die therapeutische
Wirksamkeit der Akupunktur zu bestätigen (SCHREIBER, 2004).
Hayne veröffentlichte eine Vielzahl an Studien und Arbeiten, von denen mindestens
drei die Akupunktur behandelten bzw. erwähnten (SCHIPPERS, 1993).
1833 veröffentlicht Hayne die kurze Abhandlung „Bemerkungen und Erfahrungen
über Acupunktur in thierärztlicher Beziehung“, publiziert in: "Medizinische
Jahrbücher des K. k. Österreichischen Staates, im Jahre 1833" (HAYNE, 1833).
.
32
In dieser Abhandlung gibt er an, dass die Vielzahl an positiven Berichten in den
humanmedizinischen Zeitschriften Anlass für ihn war, diese Heilmethode auch an
Tieren anzuwenden. Die Krankheitsformen, die sich seiner Meinung nach am
meisten zu eignen schienen, waren chronische Entzündungen. Dazu zählte er die
Schulter,- Bug,- Hüft- und Kreuzlähme, sowie mit Beschränkung auch den
Starrkrampf, sowie den so genannten Sehnenklapp (chronische Entzündung der
Beugesehnenscheide des Hufbeines) (SCHREIBER, 2004).
Als besonderen Vorteil der Akupunktur sieht er, dass diese Behandlungsweise keine
Spuren hinterlässt, die die betreffenden Tiere entstellen und dadurch mehr oder
weniger entwerten, selbst dann wenn keine günstigen Wirkungen eintreten. Das
steht im Gegensatz zu den damals für diese Krankheitsbilder angewandten
Behandlungsmethoden wie Revellentien, scharfen Einreibungen, Eiterbändern oder
Behandlungen mit glühenden Eisen.
Hayne gibt auch eine Anleitung zur Anwendung der Akupunkturnadeln. Zwei bis drei
Zoll (5,08cm – 7,6cm) lange, stählerne Nähnadeln sollen hinreichend tief
eingestochen werden und ein bis acht Tage nicht so sehr in als zunächst über dem
leidenden Teil stecken bleiben. Die Nadeln werden aus Vorsicht durch Fäden
verbunden, falls sie, wie es zuweilen der Fall ist, selbstständig tiefer eindringen. Die
dadurch mehr oder weniger heftigen entzündlichen Anschwellungen sollen in
günstigem Falle eine mehr oder weniger vollständige Heilung des zu bekämpfenden
Leidens zur Folge haben. Daraufhin werden die Nadeln an den zu einer Schlinge
verknüpften Fäden wieder herausgezogen. Für den Fall dass die Nadeln durch eine
eintretende Anschwellung herausgehoben werden, schreibt Hayne dass eine
neuerliche Applikation erforderlich ist, die aber durch die Unruhe des Tieres und den
Widerstand der Haut bzw. des Fleisches nur schwer erfolgen kann, was
entsprechende Nadelhalter notwendig macht.
Sonst lassen sich laut Hayne in Bezug auf Applikation der Nadeln noch keine Regeln
festsetzen. Die Tiefe, Anzahl, Größe, Form und Material der Nadeln, sowie an
welcher Stelle sie eingestochen werden sollen, müsse erst durch weiteren Gebrauch
ermittelt werden, wozu er an dieser Stelle auch ermuntert.
33
Weiters warnt Hayne davor, diese Methode als Allheilmittel zu betrachten, weil dann
das Gute was es leistet übersehen werden könnte, oder die Methode ihren guten Ruf
verlieren könnte.
In weiterer Folge beschreibt Hayne einige der Fälle die er mit Akupunktur behandelt
hat, an erster Stelle steht hier die Erkrankung eines neun Jahre alten Reitpferdes an
Tetanus. Das Pferd zeigte eine vollständige Maulsperre, eine Pulsfrequenz von
60/min, eine Atemfrequenz von über 60/min, Starrheit und Unbeweglichkeit über der
gesamten Skelettmuskulatur, sowie Ängstlichkeit und Schweißausbruch. Da sonstige
denkbare Verfahren als unzureichend erachtet wurden, wurden Nadeln in Kau,- Hals-
und Rückenmuskulatur bis an die Knochen eingestochen und zwei Tage lang
stecken gelassen, worauf nach und nach eine Besserung der Symptome eintrat und
die Genesung zwar langsam, aber ohne den Gebrauch anderer Mittel eintrat. Diesen
Behandlungserfolg relativiert Hayne aber in den nächsten Zeilen, indem er
beschreibt, dass in anderen Tetanusfällen der Behandlungserfolg weniger günstig
war.
Ein anderer Fall betrifft ein auch heute noch schwer zu bekämpfendes Leiden, die so
genannte Kreuzlähme (Mal de Caderas, eine durch Trypanosoma equinum
ausgelöste Parasitose mit neurologischen Symptomen, typisch ist das Einknicken der
Hinterbeine). Hayne beschreibt, dass es durch Heilungsversuche wie etwa durch
scharfe Einreibungen, künstliche Geschwüre der Moxa oder durch Glüheisen nur
sehr wenige Teilerfolge, aber keinen Fall der vollständigen Heilung gab. Aus diesem
Grund wurde bei einem 15 Jahre alten Zugpferd, das in höherem Grad kreuzlahm
war, ein Versuch zur Heilung durch Akupunktur durchgeführt, und zwar auf folgende
Weise: Es wurden 2 ½ Zoll (6,35 cm) lange stählerne Nadeln zur Seite der
Processus spinosi der Lendenwirbel in etwa 2 Zoll (5cm) tief eingestochen und bis zu
zehn Tagen lang dort belassen. Daraufhin kam es an diesen Stellen zu
entzündlichen Anschwellungen und später teilweise auch zu Eiterung. Nach dieser
Behandlung wurde der Gang kräftiger, das Schwanken und die Empfindungslosigkeit
verschwanden zusehends. Vier bis fünf Wochen nach der Behandlung konnte ein
Mann ohne Probleme das Pferd reiten, wodurch es als wieder gesund eingestuft
wurde.
34
Laut Hayne ist die positive Wirkung der Akupunktur noch deutlicher bei der so
genannten Schulter-, Bug- und Hüftlähme, sowie beim Sehnenklapp.
Hayne bemerkte, dass die Durchführung weiterer Versuchsreihen die Erweiterung
der Indikationen lehren werde. Die noch unbekannten Wirkmechanismen wurden den
„revellierenden Kräften“ oder vielleicht einem elektrisch-galvanischem Prozess
zugesprochen, wobei zukünftige Erfahrungen diese schon aufklären würden
(SCHREIBER, 2004).
Professor Kothbauer, einer der Begründer der modernen österreichischen
Veterinärakupunktur, bemerkte, dass Haynes „tastende Therapieversuche an
Pferden mit Bewegungsstörungen wahrscheinlich zu den ersten Anwendungen von
Akupunktur bei Tieren an einer öffentlichen Lehrstätte in Österreich zählten“
(KOTHBAUER, 1999).
Ebenfalls im Jahr 1833 wird von Hayne das Buch „Theoretisch-praktische
Darstellung der in der Tierheilkunde bewährten diätetischen pharmaceutischen und
chirurgischen Heilmittel“ veröffentlicht. In dem Kapitel „Nadelstiche (Acupunctura)“
beschreibt Hayne die Behandlung zweier Pferde gegen Starrkrampf und Hüft- bzw.
Kreuzlähme. Sehr interessant sind auch einige Bemerkungen Haynes zum Thema
Akupunktur, die seine Erkenntnisse und seine Erwartungen zum Thema Akupunktur
bei Tieren wiedergeben. Schon damals erkannte er das Problem, dass meist erst
nach Versagen der üblichen Therapien die Akupunktur als Therapiemöglichkeit in
Betracht gezogen wird, und deswegen oft keinen Heilungserfolg erreichen kann.
Dazu bemerkt er (zit. nach SCHREIBER, 1993): „… größtentheils machte man aber
damit dann erst einen Versuch, wo alle sonstigen Mittel nach langem und
wiederhohltem Gebrauche fruchtlos blieben; daher auch die Nadelstiche nicht viel,
auch gar nichts leisteten, allein deßwegen den Vorwurf, als ob sie nirgends etwas
leisten könnten, auch nicht verdienen, weil sonst dieses jedes der bekannten
Heilmittel treffen müßte.“
Auch seine Sympathie für China machte Hayne deutlich, obwohl er seine Kenntnisse
wohl nur aus zweiter Hand und nicht durch eigene Auslandsreisen erwarb (zit. nach
SCHREIBER, 1993): „Zwar möchte es bey näherer Überlegung scheinen, daß eine
35
neue Verletzung des ohnehin beleidigten Gebildes das Leiden steigern müßte, und
nur in China so etwas Widersprechendes in Anwendung kommen könne: indessen
darf man dieses Verfahren in jenen Ländern nicht zu gering achten, weil viele, ja die
wichtigsten Erfindungen, die man den Europäern zuschreibt, angeblich schon seit
undenklichen Zeiten dort sollen bekannt gewesen seyn.“
Am Schluss seines Kapitels über Akupunktur finden sich Haynes Auswertungen
seiner Forschungen (zit. nach SCHREIBER, 1993): „ Dem Angeführten zufolge läßt
sich auch ohne Versuche über die Wirkung der Nadelstiche weder etwas
Entschiedenes für, noch dagegen sagen. Sollten aber mehrere Fälle des in Rede
stehenden Verfahren bey entzündlichen Affectionen der nervösen und musculösen
Parthien bestätigen, dann verdiente es in so ferne Vorzüge vor den Einreibungen,
Eiterbändern u.s.f., weil damit kein Haarverlust und keine Narben entstehen, die von
den meisten Thiereigenthümern oft zu ihrem Nachteil gescheut werden.“
Zusammenfassend bewertet Hayne die in seinen Publikationen von 1833
herausgebrachten Ergebnisse als sehr positiv und fordert zu weiteren Versuchen auf.
In der zweiten Auflage seines Buches „Handbuch der Zoo-Pathologie und
Therapie…“ von 1852 findet sich im Kapitel über Muskelerkrankungen auch ein
kurzer Absatz über die Akupunktur (SCHREIBER, 2004).
3.3.4.2. Dr. Leopold Forster
Eine andere historische Quelle ist eine Publikation von Dr. Leopold Forster aus dem
Jahr 1861. Er war Professor am k. k. Thierarzney-Institute in Wien und beschreibt in
einem Kapitel seines Buches "Thierärztliche Instrumenten- und Verbandlehre"
Akupunkturnadeln und ihre Anwendung (FORSTER, 1861).
Forster beschreibt die Anwendung der Akupunkturnadeln in folgender Weise: Die
Nadeln werden in die den erkrankten Partien zunächst gelegene Muskulatur
eingestochen, um reizend und demzufolge ableitend zu wirken. Die Nadeln besitzen
eine Länge von zwei bis vier Zoll (5,08-10,16cm), die Dicke einer mittelstarken
Stricknadel und sind mit einer sehr feinen Spitze versehen (Abb.12). An ihrem
stumpfen Ende tragen sie ein verschieden geformtes Köpfchen, entweder aus
36
demselben Material wie das der Nadel, oder auch aus einem anderen Material.
Dieses Köpfchen soll das leichte Einstechen der Nadel ermöglichen und ist entweder
schraubenförmig, zylindrisch, prismatisch oder knopfförmig, erstere Form soll
besonders dann zweckmäßig sein, wenn man die Nadel nicht durch einen raschen
Druck einstechen, sondern sie durch Drehen zwischen den Fingern einführen will.
Um zu verhindern dass die Nadeln herunterfallen und zu einer Verletzung des Tieres
führen können, sind sie an ihren Köpfchen durchbohrt, wodurch man sie mit einem
Faden verbinden kann. Laut Forster ist das zweckmäßigste Material zur Herstellung
von Akupunkturnadeln reiner Stahl, da bei anderen Materialien wie etwa Gold, Silber
oder Platin sehr dicke Nadeln verwendet werden müssten, damit sich diese beim
Einstechen nicht verbiegen, außerdem wären andere Materialien zu kostspielig.
Für den Fall, dass keine speziellen Akupunkturnadeln zur Verfügung stehen, gibt
Forster noch den Rat gewöhnliche Nähnadeln zu verwenden oder die damals häufig
angefertigten Nadeln mit Glasköpfchen zu verwenden.
Auch über die für die Elektroakupunktur zu verwendenden Nadeln gibt Forster
Auskunft: Man solle Nadeln verwenden, die anstatt der Köpfchen Ringe besitzen, in
welche die Leitungsdrähte von einer Stromquelle eingehängt werden können. Als
Stromquelle empfiehlt Forster entweder ältere elektrische Apparate wie die
Elektrisiermaschine (erzeugt Reibungselektrizität), die Leydner Flasche (die älteste
Form eines Kondensators) oder die Volta’sche Säule (ein Vorläufer der heutigen
Batterien). Als zweckmäßiger sieht er aber neuere elektromagnetische Apparate wie
z.B. die Electromotoren von Neef, Wagner und Anderen, oder die magneto-
elektrischen Rotationsmaschinen von Ettingshausen, Hessler, Romershausen und
Anderen an.
Zur Anwendung der Nadeln bemerkt Forster, dass man sie durch raschen Druck oder
durch Drehen zwischen den Fingern in der Muskulatur versenken kann. Da nach
seiner Ansicht diese beiden Methoden aber wegen der Dicke und Derbheit der Haut
mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sind und die Tiere wegen der langen
Dauer einer solchen Operation unruhig werden, empfiehlt er die Nadel mit der linken
Hand senkrecht auf die Haut zu setzen und sie durch einen leichten Schlag mit
einem glatten Holz oder einem Aderlaßschlägel durch die Haut in die Weichteile zu
treiben. Ebenso kann man einen zwei Zoll (5,08 cm) langen Holz- oder Beingriff mit
37
Metallhülse zur Aufnahme des Köpfchens der Nadel verwenden und mittels raschen
Druckes auf den Griff die Nadel einstoßen (FORSTER, 1861).
Obwohl sich im 19. Jahrhundert die Berichte über die Anwendung der Akupunktur
auch bei Tieren in Europa mehren, scheiterte auch dieser Annäherungsversuch der
westlichen Welt an diese Form der Behandlung.
Erst im Laufe des vergangenen Jahrhunderts konnte sich die Akupunktur außerhalb
des ostasiatischen Kulturkreises durchsetzen.
In der Mitte des 20. Jahrhunderts erwacht das Interesse an dieser Methode erneut.
Hergeleitet von Erfolgen beim Menschen, werden auch Untersuchungen am Tier
begonnen (KOTHBAUER u. MENG, 1983).
38
Abb. 11: Akupunkturnadel nach Vogel
(VOGEL, 1891)
Abb. 12: Akupunkturnadeln nach
Forster (FORSTER, 1861)
39
3.4. ENTWICKLUNG IM 20.JAHRHUNDERT – DER WEG NACH ÖSTERREICH
3.4.1. Georges Souliè de Morant (1887– 1955)
Der Erste, der eine umfassendere Abhandlung über die
Akupunktur verfasste, war der französische Diplomat und
Sinologe Georges Souliè de Morant (Abb. 13) (LOWN,
2007). Seine Arbeiten waren der bedeutungsvollste
Anstoß für die Entwicklung der Akupunktur im 20.
Jahrhundert in Europa.
Schon mit acht Jahren begann er von einem
jesuitischen Priester chinesisch zu lernen. Im Alter von 20 Jahren arbeitete er für
eine Bank und wurde 1899 nach China geschickt. Die nächsten zwei Jahrzehnte
arbeitete er für die französische diplomatische Abteilung in verschiedenen
chinesischen Städten.
Überzeugt von der Bedeutung der Akupunktur wurde er, als er die Effekte dieser
Behandlung während einer Choleraepidemie miterlebte. Er begann sich intensiv mit
der Lehre der Akupunktur zu beschäftigen (RAMEY u. BUELL, 2004), prägte das
Wort „Meridian“ und war der erste Europäer, der in China als Arzt der chinesischen
Medizin anerkannt wurde.
1917 kam er nach Frankreich zurück und begann dort, die Akupunktur in
verschiedenen Krankenhäusern einzusetzen (RUDOLPH, 2008).
Zusammen mit seinem Freund, dem homöopathisch tätigen Arzt Dr. Ferreyrolles,
befasste er sich ausführlich mit dieser Behandlungsmethode. Er publizierte darüber
1939 die ausführliche Abhandlung „L’Acupuncture Chinoise“ (RAMEY u. BUELL,
2004). Dieses Werk wird immer noch als eines der klassischen Werke über
Akupunktur betrachtet und wurde in verschiedene Sprachen übersetzt.
Morant behandelte und unterrichtete über 30 Jahre lang in verschiedenen
Krankenhäusern bis er, weil er kein Arzt war, der illegalen Ausübung der Heilkunde
angeklagt wurde.
Seine Werke und seine Schüler hatten einen enormen Einfluss auf die Akupunktur in
Europa (RUDOLPH, 2008).
Abb. 13: Georges Souliè de Morant
(WIKIPEDIA „ Georges Souliè de
Morant“, 2010)
40
3.4.2. Dr. Franz Hübotter (1881-1967)
Ungefähr zur gleichen Zeit wie Morant, verfasste der deutsche Arzt und Sinologe Dr.
Franz Hübotter ein umfangreiches Buch über chinesische Medizin: „Chinesische
Medizin zu Beginn des XX. Jahrhunderts und ihr historischer Entwicklungsgang“
(HÜBOTTER, 1929).
Durch seine Reisen nach China besaß auch er ein umfangreiches Wissen über
Akupunktur, fand aber zur damaligen Zeit in Deutschland noch wenig Gehör. Sogar
in den 50er Jahren, in denen das Buch noch im Handel erhältlich war und die
Akupunktur sich in Deutschland stürmisch zu entwickeln begann, gab es nur wenige
die es gelesen, geschweige denn verstanden hatten. Damals beherrschte vor allem
die französische Lehre die Akupunkturszene. Hübotter bezieht sich ausschließlich
auf chinesische Quellen, die ihm durch seine Arbeit als Sinologe zur Verfügung
standen.
Das Buch enthält neben anderen Übersetzungen auch eine vollständige deutsche
Übersetzung des Nan Jing, des „Klassikers der Problematik“ aus der Han-Dynastie.
3.4.3. Dr. Roger de la Fuye (1890-1961)
Dr. Roger de la Fuye wurde zu einem Schüler von Georges Souliè de Morant, sein
Interesse an der Akupunktur erwachte aber zunächst weit weg von Frankreich.
Der Neffe des legendären französischen Schriftstellers Jules Verne unternahm schon
als junger Mann Bildungs- und Forschungsreisen um die halbe Welt. Eine seiner
Reisen verschaffte ihm einen ungewöhnlichen und sehr interessanten ersten Kontakt
zur Akupunktur. Während einer Fahrt nach Nordamerika zu den nordkanadischen
Stoney-Indianern, stieß er auf eine interessante Spur. Die Medizinmänner dieses
Stammes, der nah mit den Eskimos verwandt war, behandelten seine Kranken mit
Einstichen von Steinnadeln und Extrakten aus Heilpflanzen. De la Fuye kannte
damals die Akupunktur bereits vom Hörensagen und vermutete auf ein Relikt der
steinzeitlichen Form der chinesischen Akupunktur gestoßen zu sein. Möglicherweise
hatte die amerikanische Urbevölkerung diese Behandlungstechnik während der
Steinzeit über die Behringstrasse aus Ostasien mitgebracht.
41
Daraufhin begann sich de la Fuye immer mehr mit der praktischen Anwendung von
Akupunktur zu befassen. Ihm zu Hilfe kam die Tatsache, dass sich Frankreich zu
dieser Zeit durch die Arbeit von Georges Souliè de Morant als erstes europäisches
Land intensiv mit der Akupunktur zu beschäftigen begann, und dieser Methode die
Tore öffnete.
Seine eigene Forschung setzte zu Beginn der dreißiger Jahre ein und machte ihn
zum überzeugten Akupunkteur (SEILER, 2002).
Er entwickelte die Homöosiniatrie, eine Lehre, die Akupunktur mit der klassischen
Homöopathie von Hahnemann verbindet. Bei homöosiniatrischen Verfahren werden
beispielsweise homöopathische Mittel an Akupunkturpunkten laut TCM gespritzt, was
zu Heilwirkungen führen soll, die über die jeweiligen Wirkungen von TCM und
Akupunktur im Sinne einer Synergie hinausgehen soll (WIKIPEDIA „Homöosiniatrie“,
2011).
1947 wird de la Fuyes Hauptwerk publiziert, das „Traité d’Acupuncture“ mit dem
Untertitel „La Synthèse de l’Acupuncture et de l’Homépathie“ (SEILER, 2002).
Während des 2. Weltkriegs wurde 1943 die französische Gesellschaft für Akupunktur
gegründet. Damit ist sie die älteste derartige Vereinigung der westlichen Welt. Paris
wurde deshalb für lange Jahre das Zentrum der westlichen Akupunktur
(KOTHBAUER, 1961).
1954 wurde an der Veterinärschule von Alfort die erste Dissertation über Akupunktur
verfasst:
Bernard J. 1954. Contribution a l’etude de l’acupuncture chez les carnivores. Doc.
Thesis, National Vet. Sch., Alfort, France. (SCHOEN, 2003).
Um 1950 begann sich der deutsche Arzt Gerhard Bachmann für Akupunktur zu
interessieren. Er erlernte die Anwendung dieser Behandlungsmethode in Frankreich
von de la Fuye. Er war der Wegbereiter der Akupunktur in Deutschland und gründete
1951 gemeinsam mit Heribert Schmidt, der ebenfalls ein Schüler von de la Fuye war,
und Erich Stiefvater die Deutsche Ärztegesellschaft für Akupunktur (POLLMANN,
2002).
42
3.5. ENTWICKLUNG IM 20.JAHRHUNDERT IN ÖSTERREICH
Einer der Schüler Bachmanns war der Wiener Johannes Bischko, er spielte in
weiterer Folge eine große Rolle bei der Entwicklung der Akupunktur in Österreich.
Zu dieser Zeit beginnt sich auch die Veterinärakupunktur rapide zu entwickeln. Eine
große Unterstützung bei der Einführung der Tierakupunktur in Österreich war die
Verbindung mit der Humanakupunktur durch Prof. Dr. J. Bischko, der sich zum
Vorteil beider Fachrichtungen sehr um eine Zusammenarbeit bemühte
(KOTHBAUER u. MENG, 1983).
3.5.1. Prof. Dr. J. Bischko (Abb. 14) (1922-2004)
Der Pionier der westlichen Akupunktur studierte in Wien Medizin
und legte die Prüfung zum Facharzt für Chirurgie ab. Anfang der
50er Jahre wurde er an der Chirurgischen Abteilung des Wiener St.
Rochus-Spitals zum Oberarzt ernannt und pflegte dort den Kontakt
zu anderen Ärzten, die durch ihre Erfahrungen auch aufgeschlossen
waren für Neuerungen in der Medizin.
Sie befassten sich deshalb neben ihrer chirurgischen Tätigkeit mit bis
dahin wenig bekannten und nicht anerkannten Therapiemethoden.
Zufällig ergab es sich zu dieser Zeit auch, dass Bischko eine italienische
Übersetzung von Souliè de Morant über die Akupunktur fand und sich damit
beschäftigte. Daraufhin unternahm er zahlreiche Reisen nach China, wo er sich
eingehend mit der Akupunktur beschäftigte. Bischko suchte nun auch Kontakt zu De
la Fuye in Paris und Bachmann in München, um sein Akupunkturwissen auf den
aktuellen Stand zu bringen.
Sein Zugang war aber nicht - wie damals üblich – der philosophische Hintergrund,
ihn interessierte viel mehr das „Warum“, „Wie“ und „Wodurch“
Er wurde somit zu einem wesentlichen Mitbegründer der wissenschaftlichen
Akupunktur: von Anfang an war er überzeugt, dass die Wirkung der Akupunktur mit
Abb. 14: Dr. J.
Bischko
(RICHART, 2010)
43
schulmedizinischen Methoden erforschbar und erlernbar sei. Es ist ihm gelungen, die
uralte chinesische Heilmethode auf eine fundierte wissenschaftliche Basis zu stellen.
Dadurch wurde es ermöglicht, die Akupunktur aus dem Dunstkreis der
Alternativmedizin herauszuführen und in die heutige Schulmedizin als anerkannte
Methode zu integrieren.
Die neuere Entwicklung der Akupunktur in Österreich verlief daher anders als in den
meisten Ländern Europas. Sie war von Anfang an darauf ausgerichtet, möglichst
engen Kontakt mit der offiziellen Medizin zu halten und in Lehre und
Umgangssprache deren Ausdrucksweise zu benützen. Dies bedeutete, dass man
Vieles vom Gedankengut der Klassik dann zurückstellen musste, wenn
wissenschaftliche Erkenntnisse die alten Überlieferungen erklären konnten. In
diesem Sinne haben Bischko und alle anderen Mitarbeiter der Österreichischen
Akupunkturgesellschaft sehr bald den Kontakt zu universitären Einrichtungen
gesucht und gefunden. In den folgenden Jahren wurden zahlreiche Erkenntnisse
erarbeitet, die auch entsprechend dokumentiert und veröffentlicht wurden (RICHART,
2010).
Johannes Bischko schuf durch die gezielte wissenschaftliche Aufarbeitung von
Befunden und Erfahrungen die dadurch geprägte Wiener Schule der Akupunktur.
Durch seine Bücher und Publikationen, sowie durch ausgedehnte Vortrags- und
Lehrtätigkeit erwarb er sich auch große Verdienste um die Aus- und Weiterbildung
von Studenten und Medizinern.
Neben seiner Lehr- und Forschungstätigkeit führte er ab 1958 eine
Akupunkturambulanz in der von ihm eröffneten HNO-Abteilung der Wiener Poliklinik.
Bekannt wurde er einem breiten Publikum, als 1972 eine Mandeloperation in der
Wiener Poliklinik mit Akupunktur als örtlicher Betäubung ohne weitere Narkose im
Fernsehen übertragen wurde.
Für seine Arbeiten bekam er zahlreiche nationale und internationale
Auszeichnungen, unter anderem war er Träger des Ehrenkreuzes für Wissenschaft
und Kunst 1. Klasse.
Ihm zu Ehren wird auch die Johannes-Bischko-Medaille vergeben.
Im Jahr 1952 wurde die deutsche Gesellschaft für Akupunktur gegründet und im Jahr
1954 die österreichische Gesellschaft für Akupunktur. Der erste Präsident der
österreichischen Gesellschaft für Akupunktur war Bischko, er hatte diese
44
verantwortungsvolle Position bis zum Jahre 1989 inne und war danach
Ehrenpräsident.
Im Jahr 2001 wurde im Kaiserin-Elisabeth-Spital das Ludwig-Boltzmann-Institut für
Akupunktur ins Leben gerufen, das 2005 auf Johannes-Bischko-Institut umbenannt
wurde und das von Bischko selbst bis zuletzt geleitet wurde.
Prof. Dr. med. Johannes Bischko hat sich auch stets für die Förderung der
Veterinärakupunktur eingesetzt. Durch seine Unterstützung wurde den Tierärzten
wertvolle Literatur zugänglich gemacht und wertvolle Kontakte vor allem mit
ausländischen Kontakten und Instituten ermöglicht. Die Basis für diese
Zusammenarbeit war ein jahrelanges freundschaftliches Verhältnis zwischen Bischko
und Prof. Dr. med. vet. Oswald Kothbauer. Diese Verbindung erwies sich als
maßgeblich für die Entwicklung der Veterinärakupunktur in Österreich (KOTHBAUER
u. MENG, 1983).
Ehe näher auf die Verdienste von Oswald Kothbauer um die Förderung der
Veterinärakupunktur in Österreich einzugehen sein wird, soll das Bild dieser
außergewöhnlichen Persönlichkeit mit den Worten von Johannes Bischko umrissen
werden (zit. nach KOTHBAUER u. MENG, 1983):
„Mein Freund Kothbauer war immer ein kritischer Geist, der sich mit dem ihm
eigenen listigen Lächeln alles anhörte (wir kennen uns in der Akupunktur seit gut 25
Jahren), genau bei seinen Tierpatienten zu Hause überprüfte und erst dann ja oder
nein dazu sagte.
Dies hat seine Begründung in seiner viel zu großen persönlichen Bescheidenheit.
Schließlich war er es, der als erster, sicher gegen viele Widerstände und ohne jedes
Salär dafür, nicht nur in unserem Land die Basisuntersuchungen für die
Veterinärakupunktur schuf. Heute zitiert er seine Schüler in extenso und in oben
genannter Bescheidenheit.
Schließlich war er es, der als erster im Westen, nach viel Vorarbeit und manchen
Schwierigkeiten, die Venia legendi im Bereich Akupunktur an der
Veterinärmedizinischen Universität Wien erhielt, ein Unikat, das im Bereiche der
Humanmedizin etwa von noch niemand erreicht wurde.
45
Ein vir clarissimus reinsten Wassers, wie die verehrlichen Leser sich das nicht
vorstellen könne, auch nicht, wenn sie das Glück haben, bei und mit ihm zu arbeiten,
ein Pionier der ersten Stunde, ein Name, der in keinem Literaturverzeichnis je mehr
fehlen wird“.
Ich hatte das Glück Prof. Dr. med. vet. Oswald Kothbauer interviewen zu dürfen und
werde einiges davon in den nächsten Kapiteln wiedergeben.
3.5.2. Prof. Dr. med. vet. Oswald Kothbauer (geb.1926)
Oswald Kothbauer (Abb. 15) wurde in Wien geboren und ist in
Niederösterreich aufgewachsen. Sein Vater, der schon im
ersten Weltkrieg Militärtierarzt war, hatte in Großmugl in
Niederösterreich eine Tierarztpraxis. Später bekam er einen
Posten in der niederösterreichischen Landesregierung in
Matzen im Marchfeld. Diesen Posten hatte er einige Jahre lang
inne und Oswald Kothbauer verbrachte dort mit seinem Bruder
seine Kindheit.
1938 wurde der Vater nach Deutschland berufen, um dort auf die deutschen
Veterinärgesetze umgeschult zu werden. Die Jahre 1940 bis 1943 verbrachte die
Familie im Rheinland, wo Kothbauer auch das Gymnasium besuchte. Weil der Vater
aber immer nach Österreich zurück wollte, nahm er mit Kriegsende eine Stelle als
Amtstierarzt in Grieskirchen an. Durch seinen Vater waren für Kothbauer die Vor-
und Nachteile des Tierarztberufes bekannt und so war die Berufsentscheidung zum
Teil vorgegeben.
Nachdem Kothbauer in Ried im Innkreis die Matura abgelegt hatte, begann er das
Studium an der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Während des Studiums
verbrachte er die Ferien in Grieskirchen und begleitete seinen Vater. So bekam er
einen guten Einblick in das Leben der Menschen und konnte die gute Beziehung
seines Vaters zu den Bauern miterleben. Schon damals bemerkte er, dass es noch
sehr schwierig war beim Tier konkrete Diagnosen zu stellen, man versuchte in erster
Abb. 15:
Dr. O. Kothbauer
(persönlich von Dr.
Kothbauer zur Verfügung
gestellt)
46
Linie über die Befragung der Bauern (Anamnese) auf die Ursache der Erkrankung zu
schließen.
Nach seiner Promotion zum Doktor der Veterinärmedizin im Jahr 1952 nahm er seine
eigene tierärztliche Tätigkeit in Grieskirchen auf. Bald stellte sich der Wunsch ein, auf
die Fragen der Bauern und Tierbesitzer bessere Antworten geben zu können. Dieser
Wunsch stellte für Kothbauer den inneren Motivatonsschritt zum Interesse an der
Akupunktur und ihrer späteren Anwendung dar.
Zu dieser Zeit kam ihm zu Kenntnis, dass schon 1885 der englische Neurologe Sir
Henry Head (1861-1940) eine Beziehung zwischen der Haut und inneren Organen
gefunden hatte. Diese wurden später nach ihrem Entdecker Head’sche Zonen
genannt. Bei Erkrankungen der inneren Organe werden die Schmerzen über den
entsprechenden Spinalnerven übertragen, vom Großhirn aber (fälschlicherweise)
Hautgebieten, die vom gleichen Spinalnerv versorgt werden, zugeordnet. Wenn eine
Zuordnung der Hautnerven zu den Innenorganen bekannt ist, kann man laut Head
anhand der Lokalisation schmerzhafter Hautstellen angeben, welches innere Organ
erkrankt ist. Nach intensiver Befassung mit dieser Thematik reifte in Kothbauer der
Wunsch, diese Beziehung auch bei Tieren zu suchen.
Die Diagnose druckschmerzempfindlicher Hautpartien beim Tier stellte sich als
deutlich schwieriger heraus als beim Menschen, da die Kommunikation des
Schmerzempfindens vom Tier an den Untersucher naturgemäß sehr schwer zu
deuten ist. Trotzdem machte sich Kothbauer auf die Suche nach derartigen
druckschmerzhaften Punkten. Er begann bei Kühen, die für die Schlachtung
bestimmt waren, nach Symptomen zu suchen. Auf der Basis einer gründlichen
Allgemeindiagnose konnte er die ersten Verbindungen zwischen bestimmten
Hautarealen und erkrankten inneren Organen herstellen.
Der erste direkte Kontakt zur Akupunktur ergab sich anlässlich einer Visite bei einem
Bauern. Beim Betreten der Stube sah Kothbauer die Bäuerin auf einem Sessel
sitzen, an verschiedenen Körperstellen befanden sich Nadeln. Der Humanmediziner
Fritz Doppler erklärte Kothbauer, dass es sich hierbei um eine chinesische Methode
handelte, mit der man auch Heilungen erzielen könne.
47
Dieses Erlebnis brachte Kothbauer auf die Idee, diese Methode auch bei Tieren
anzuwenden, was er seit 1956 in seiner Praxis dann auch umsetzte. Der Zufall wollte
es, dass sich zu dieser Zeit sein ehemaliger Anatomielehrer Prof. J. Schreiber, mit
dem er auch nach Abschluss seines Studiums in Kontakt verblieb, gerade mit der
Erforschung des Nervensystems bei Rindern unter besonderer Berücksichtigung der
Headschen Zonen befasste. Er beauftragte einen seiner Assistenten, den späteren
langjährigen Vorstand der Wiener Veterinäranatomie Prof. DDr. Oskar Schaller,
damit, das Hautnervensystem bei Rindern zu untersuchen. Nachdem die Haut
abpräpariert worden war, sodass man die Nerven sehen konnte, erkannte Kothbauer
eine Reihe von Punkten wieder, die er schon in seiner eigenen Forschung in der
Praxis als wichtig erkannt hat. Erkrankte Rinder hatten bei Berührung dieser Punkte
immer wieder eine gewisse Empfindlichkeit gezeigt. Diese wesentlichen Punkte
benannte er später als Schmerzpunkte.
Mangels geeigneter Unterlagen und Literaturangaben für einen gezielten Einsatz der
Akupunktur beim Tier gestaltete sich die gezielte Suche nach den wirksamen
Punkten zunächst äußerst schwierig. Besonders was die Therapie mit Akupunktur
betraf, war man auf die eigenen Erfahrungen am Tierpatienten angewiesen. Zudem
war eine Erforschung nach streng wissenschaftlich kontrollierten Kriterien noch nicht
möglich, weil die Suche nach Punkten vor allem in der Praxis ausgeübt wurde, ohne
die Möglichkeit, den Nachweis für das Wirken der Behandlung durch exakte
Nachuntersuchungen erbringen zu können. Außerdem waren die Interessen und
auch Möglichkeiten offizieller Forschungsstätten damals zu gering, um in eine
konsequente Forschung einzusteigen. Dennoch konnten wesentliche Ergebnisse in
der Praxis durch die Untersuchung der Patienten vor Ort dadurch erzielt werden,
dass klar definierte Akupunkturpunkte, die auf mechanischen Druck oder elektrische
Reizung mit Überempfindlichkeit und Schmerz reagieren, dokumentiert werden
konnten.
Dr. Kothbauer hat hunderte Krankengeschichten gesammelt. In Verbindung mit
schulmedizinischer Diagnostik konnte er feststellen, dass bei gleichen Erkrankungen
immer wieder auch die gleichen Punkte druckschmerzhaft waren. Er verglich diese
Punkte mit Akupunkturtafeln aus der Humanmedizin, da es zur damaligen Zeit für
Tiere noch nichts Vergleichbares gab.
48
Um zu verifizieren ob die angenommene Haut-Organ Verbindung tatsächlich
bestand, wandte Kothbauer folgende Methode an: Wenn er bei einem
druckschmerzhaften Punkt den Verdacht hatte, dass die Erkrankung eines
bestimmten Organs die Ursache dafür war, wandte er eine konkrete
schulmedizinische Behandlung für dieses Organ an. Wenn daraufhin die Heilung
eintrat, konnte die Beziehung als bestätigt angesehen werden.
Zwei oder drei Jahre lang wandte er die „Kothbauerschen Punkte“ zu rein
diagnostischen Zwecken an, was den Schlüssel zu seiner späteren Tätigkeit
darstellte. 1959 begann er damit, seine Erkenntnisse zu veröffentlichen und zog
damit die Aufmerksamkeit von Kollegen auf seine Arbeit (Abb.16).
In seinem ersten Artikel (KOTHBAUER, 1959) beschreibt er die von ihm gefundenen
kutanen Druckpunkte auch in Zusammenhang mit der Homöopathie. Der Ansatz für
seine Theorie war, in bestimmte Akupunkturpunkte Homöopathika zu injizieren um
dadurch die Wirksamkeit der Akupunktur zu erhöhen. Auf diese Weise könne man
nicht nur im Sinne der Neuraltherapie arbeiten, also das im Reflexbogen liegende
Organ entstören, sondern auch eine Wirkung auf den ganzen Organismus erzielen.
Zwei Jahre später beschreibt Kothbauer seine Druckpunktdiagnose noch genauer
(KOTHBAUER, 1961). Sein Ziel ist es, damit einen größeren Kreis von Kollegen für
diese Methode zu interessieren, die für ihn nach einer 4-jährigen
Beobachtungsperiode zu einem sehr genauen und hilfreichen Verfahren geworden
ist. Nach einer kurzen Einleitung erklärt er die theoretischen Grundlagen seines
Verfahrens. Er geht dabei auf die Head’schen und Mackenzie’schen Zonen ein und
erklärt den viscero-kutanen Reflex.
Danach beschreibt er die genaue Lage der Punkte bei Störungen der Ovarien und
des Uterus, beim Euterödem, bei Störungen des Magens, des Herzens, der Lunge,
der Leber und der Nieren.
Auch andere Tierärzte begannen sich immer mehr mit den von Kothbauer
gefundenen Punkten zu befassen.
Nach Ansicht von WOLTHER (1959) konnte die Richtigkeit der Ausführungen von
Kothbauer über seine diagnostischen Punkte bestätigt werden. Damit wäre der
Veterinärmedizin ein neuer diagnostischer Weg eröffnet worden, durch den über
49
einen therapeutischen Schematismus hinweg eine individuell angepasste Therapie
betrieben werden könne.
Auch GREIFF (1975) befasst sich in einem Artikel über die Neuraltherapie mit den
Kothbauerschen Punkten.
Nach diesen Erfolgen würdigte auch Kothbauers ehemaliger Anatomieprofessor Dr.
Schreiber seine Arbeit mit folgenden Worten: „Es ist interessant, dass Wiener
Fachärzte in den letzten Tagen in der Tratschpresse („Bunte Illustrierte“) erzählen,
Sie hätten eine neue Therapie, die Segmenttherapie, eingeführt! Ich freue mich, dass
Sie, lieber Herr Kollege, die Idee der „Kothbauerschen Schmerzpunkte“ weiter
bearbeitet haben. Sie wird mit Ihnen auch eine Leistung der Wiener Schule werden.“
Inzwischen hatten sich auch Kothbauer und Prof. Dr. Johannes Bischko kennen
gelernt und eine bald von Freundschaft geprägte Zusammenarbeit entwickelt.
Bischko sprach darüber, dass Humanmedizinern immer wieder vorgeworfen werde,
dass die Wirkung der Akupunktur nur auf Einbildung oder Hypnose beruhe. Wenn
diese Methode aber auch bei Tieren funktioniere, dann könne man doch davon
ausgehen, dass durch Akupunktur tatsächlich Wirkungen erzielt werden.
In weiterer Folge führte Kothbauer dann eine Reihe klar abgegrenzter Versuche an
Tieren durch um die Akupunktur weiter zu entwickeln und zu erforschen. Zum
Beispiel setzte er einen Reiz an einem inneren Organ beim Rind, etwa am Uterus,
und konnte dann feststellen, dass in kürzester Zeit der zugehörige Punkt auf der
Haut auf Druck schmerzhaft wurde (KOTHBAUER, 1966). Da von diesem Zeitpunkt
an vom positiven Nachweis der Wirkung des viscero-cutanen Reflexes ausgegangen
werden konnte, wurden die Versuche systematisch fortgesetzt und die Ergebnisse
weiterhin publiziert.
Anlässlich einer Studienreise in die Volksrepublik China, 1975, erfolgte ein
Erfahrungsaustausch mit chinesischen Tierärzten, der weiteren Gewinn brachte. An
dieser Reise nahmen neben 18 Humanmedizinern auch noch der Kleintiermediziner
Dr. Ferdinand Brunner und Dr. Alexander Meng teil. Letzterer übersetzte mehrere
Werke der chinesischen Primärliteratur ins Deutsche.
50
In China konnte Kothbauer auch beobachten, dass Operationen an Tieren unter
reiner Akupunkturanalgesie durchgeführt wurden. Daraufhin brachte er die dafür
benötigten Elektroakupunkturgeräte für Großtiere nach Österreich mit, Dr. Ferdinand
Brunner erwarb die entsprechenden Geräte für den Kleintierbereich.
Kothbauer war der erste westliche Tierarzt, der unter ausschließlicher Verwendung
von Akupunktur zur Schmerzkontrolle (Abb. 17, Abb. 18) Operationen wie
Zitzenamputationen und Kaiserschnitte bei Kühen durchführte. Somit konnte er
belegen, dass durch Akupunktur im behandelten Bereich eine auch für große
chirurgische Eingriffe ausreichende Hypalgesie zu erzielen war (KOTHBAUER, 1973
u. KOTHBAUER, 1975).
Sogar eine Laparatomie bei einer Labmagenverlagerung konnte Kothbauer unter
ausschließlicher Akupunkturanalgesie durchführen (KOTHBAUER u. ZOHMANN,
1990).
Durch die gute Beziehung die Kothbauer zu den Bauern und Tierbesitzern hatte,
konnte er seine Erkenntnisse auch ausführlich in der Praxis testen. Auf die Frage, ob
er eine neue Technik, die sie bis jetzt noch nicht gesehen hätten anwenden solle,
meinten die meisten Bauern dass „er ausprobieren kann was er will, solange es die
Kühe nicht umbringt.“
Bald darauf konnten die Bauern aber die positive Wirkung der Akupunktur selbst
erleben, was Kothbauer eine weitere Verbesserung seines Verhältnisses zu ihnen
einbrachte.
51
Abb. 17: Durchführung einer Zitzenoperation unter Akupunkturanalgesie
(persönlich von Dr. Kothbauer zur Verfügung gestellt)
Abb. 16: Druckpunkte der linken Körperhälfte (KOTHBAUER, 1961)
52
Abb. 18: Durchführung eines Kaiserschnitts unter Akupunkturanalgesie
(persönlich von Dr. Kothbauer zur Verfügung gestellt)
Abb.19: Anwendung eines Punktsuchgerätes (persönlich von Dr. Kothbauer zur Verfügung gestellt)
53
Ein weiterer wichtiger Schritt für die Veterinärakupunktur war das erste Gerät zur
Auffindung von Akupunkturpunkten. Es wurde um 1970 von Ing. W. Kothbauer, dem
Bruder von Prof. O. Kothbauer entwickelt. Obwohl Kothbauer betont, dass es nach
einiger Übung des Untersuchers nicht mehr nötig ist ein solches Gerät zu
verwenden, kann es vor allem in den Anfängen des Studiums der Akupunktur sehr
hilfreich sein. Dieser „Schmerzpunktdetektor“ (Abb. 19) stellt ein elektrisches
Untersuchungsgerät zur Auffindung von kutanen Schmerzpunkten dar. Die
Wirkweise beruhte auf folgenden Grundsätzen: Normalerweise setzt die Haut dem
elektrischen Strom einen Widerstand von bestimmter Größe entgegen. An den
hyperalgetischen Punkten ist dieser Hautwiderstand herabgesetzt. Mit diesem Gerät
wird eine elektrische Spannung an der Haut angesetzt, die an unbeeinflussten
Hautstellen noch nicht bemerkt wird, an einer hyperalgetischen Hautstelle dagegen
bereits als elektrischer Reiz empfunden wird. Das Tier beantwortet diesen Reiz mit
einer typischen Schmerzreaktion und in Form einer Abwehrbewegung.
Die heute verwendeten Punktsuchgeräte arbeiten ebenfalls nach dem Grundprinzip
der Feststellung von veränderten Hautwiderständen an Akupunkturpunkten. Im
Unterschied zu dem von W. Kothbauer entwickelten Gerät wird der veränderte
Hautwiderstand aber von den modernen Geräten gemessen und mit einer
Signallampe oder einem Ton angezeigt.
Der damalige Rektor der Veterinärmedizinischen Universität Wien, Dr. Rudolf
Supperer, regte Kothbauer dazu an, alle seine Erkenntnisse und Beobachtungen
niederzuschreiben. Die Zusammenfassung der Untersuchungen und gewonnenen
Erkenntnisse mit Akupunktur und Neuraltherapie bei Rindern mit Fertilitätsproblemen
zu einem Buch stellten auch die Grundlage für die spätere Habilitation von Kothbauer
dar.
Gegen einige Widerstände seitens der Universität konnte sich Kothbauer dennoch
mit Hilfe von Dr. K. Arbeiter, dem damaligen Vorstand der Klinik für Geburtshilfe,
Gynäkologie und Andrologie, durchsetzen. Mit seiner Habilitationsschrift „Die
Sterilität des Rindes: besondere Methoden ihrer Behandlung; Akupunktur und
Neuraltherapie zur Sterilitätsbehandlung beim Rind“, erhielt er 1978 die Venia
legendi für Akupunktur und Neuraltherapie in der Geburtshilfe, Gynäkologie und
Andrologie an der VUW.
54
Daraus resultiert seit 1980 ein offizieller Lehrauftrag an dieser Universität, über den
Kothbauer seinen Studenten die Grundlagen der Akupunktur und Neuraltherapie
beim Rind vermittelt. 1992 wurde ihm ein zusätzlicher offizieller Lehrauftrag erteilt
und die praktische Ausbildung in Veterinärakupunktur für die Studenten übertragen.
1983 wurde ein weiteres Buch über die Akupunktur beim Rind und Schwein, mit
Beiträgen zum Pferd, veröffentlicht (KOTHBAUER u. MENG, 1983). Dieses Werk
liegt seit 1990 in zweiter Ausgabe vor und wurde auch ins Englische übersetzt.
Professor Kothbauer veröffentlichte mehr als 30 einschlägige wissenschaftliche
Arbeiten. Noch heute hält er seine Schüler dazu an ihre Erkenntnisse
niederzuschreiben und anderen davon zu erzählen. Auch wenn man seine
Beobachtungen noch nicht beweisen kann, sollte man doch andere daran teilhaben
lassen. Durch seine eigenen zahlreichen Publikationen gelangten seine Erkenntnisse
mit der Zeit bis nach Amerika. Er wurde nach Philadelphia eingeladen, um die von
ihm gefundenen Punkte und Zusammenhänge zu zeigen. Die anfängliche Skepsis
überwand er mit einer Demonstration, bei der er mit seiner Punktediagnostik an einer
Kuh die erkrankten Organe vor dem Publikum korrekt diagnostizierte.
In weiterer Folge hielt Kothbauer Vorträge in vielen Ländern und konnte sein Wissen
an sehr viele Menschen weitergeben (Abb. 20, Abb. 21).
Seine Vortragstätigkeit erstreckte sich besonders auf folgende Länder: Österreich,
Deutschland, Schweiz, Italien, Jugoslawien, Frankreich, Belgien, Dänemark, Holland,
Schweden, USA, Mexiko, Tschechoslowakei, Ungarn, Norwegen, China (Taiwan),
Australien und Brasilien.
Damit ist er zu einer internationalen Kapazität geworden und hat entscheidend zur
Bereicherung der Tiermedizin beigetragen.
.
55
Abb. 20: Einladung zu einem Akupunkturseminar an der neuen Veterinäruniversität in Assiut, Ägypten, 1998 (persönlich von Dr. Kothbauer zur Verfügung gestellt)
Abb. 21: Über Einladung von Karl-Heinz Böhm - „Menschen für Menschen“ - wurde
im Anschluss an die Vorträge in Ägypten, 1998 ein Veterinärakupunktur-seminar in
Awassa am Awassasee, Äthiopien, für Tierärzte organisiert. (persönlich von Dr.
Kothbauer zur Verfügung gestellt)
56
Im Jahr 1968 wurde Kothbauer die „Josef-Bayer-Medaille“ der Vet. Med. Universität
Wien für besondere wissenschaftliche Leistungen verliehen.
Mit Beschluss des Vorstandes der Landeskammer der Tierärzte Oberösterreichs vom
1. März 1984 erhielt er die Ehrennadel der Landeskammer der Tierärzte
Oberösterreichs.
Mit Beschluss der Oberösterreichischen Landesregierung vom 19. Oktober 1992
erfolgte seine Ernennung zum Konsulenten für Wissenschaft.
Im März 1995 verlieh ihm die Internationale Gesellschaft für Neuraltherapie nach
Huneke die „Huneke Medaille“, in Anerkennung der Verdienste um die
Grundlagenforschung und Verbreitung der Neuraltherapie nach Huneke.
1998 beschloss das Executive Committee der Internationalen Veterinärakupunktur-
Gesellschaft IVAS (International Veterinary Acupuncture Society) Dr. Kothbauer
aufgrund seiner hervorragenden Verdienste um die Veterinärakupunktur wie auch die
IVAS die Ehrenmitgliedschaft auf Lebenszeit zu verleihen.
Am 23.3.2007 wurde die Johannes Bischko Medaille für die Verdienste um die
Akupunktur an Professor Kothbauer verliehen.
Kothbauer war von 1986-1987 Präsident der Internationalen Gesellschaft für
Veterinärakupunktur (I.V.A.S.).
3.5.3. Prof. Dr. Josef Schreiber
Wie schon erwähnt hat auch Prof. Dr. Schreiber (Abb. 22) eine
wesentliche Rolle bei der Weiterentwicklung der
Veterinärakupunktur in Österreich gespielt.
Er wurde als Sohn eines Beamten in Wien geboren und begann
im Jahr 1908 mit dem Studium der Veterinärmedizin in Wien. Er
erhielt 1913 das Diplom eines Tierarztes und wurde noch im
selben Jahr summa cum laude zum Doctor medicinae veterinariae
promoviert.
Nach vielfältigen beruflichen und privaten Herausforderungen wurde Schreiber im
Jahr 1945 mit der Abhaltung der Vorlesungen, Übungen und Prüfungen aus
Systematischer und Topographischer Anatomie an der Tierärztlichen Hochschule in
Wien betraut.
Abb. 22:
Dr. Josef Schreiber
(SCHALLER, 1960)
57
Nun folgte ein rascher Aufstieg in seiner wissenschaftlichen und akademischen
Laufbahn. Am 1.Februar 1951 wurde er zum ordentlichen Hochschulprofessor
ernannt. In den folgenden Jahren hatte er folgende hohe Funktionen inne:
Stipendienreferent, Rector magnificus, Prorektor und war seitdem Promotor der
Tierärztlichen Hochschule in Wien.
Er bewältigte schließlich die schwere Aufgabe, die keineswegs idealen Verhältnisse
nach dem zweiten Weltkrieg zu ordnen, und brachte die Hochschule wieder auf einen
hohen Stand.
Neben seiner Tätigkeit als Lehrer, in der er sich großer Beliebtheit erfreute, hat
Schreiber mit seinen wissenschaftlichen Arbeiten wesentliche Beiträge auf vielen
Gebieten der Veterinäranatomie geleistet. Seine besondere Aufmerksamkeit wandte
er aber der Neuroanatomie zu. Da zu dieser Zeit für die Anatomie des Rindes noch
viele offene Fragen bestanden, stellte er in seinen eigenen Arbeiten wie auch in
denen seiner Mitarbeiter die Erforschung der anatomischen Besonderheiten dieser
Tierart in den Vordergrund. Insbesondere sind es eingehende und umfassende
Arbeiten über das periphere und das autonome Nervensystem des Rindes, zu deren
Erforschung sein Institut viel beigetragen hat (SCHALLER, 1960).
Zufällig ergab es sich, dass Schreiber 1954 einem Vortrag von seinem Kollegen Dr.
H.G. Kalchschmidt beiwohnte.
Schon im Jahr 1948 hatte Dr. H. G. Kalchschmidt über die sogenannte
Fremdkörperzone, eine Head’sche Zone beim Rind, berichtet.
Unter Head’schen Zonen versteht man Hautareale, in denen bei Erkrankung von
inneren Organen Hyperästhesie und Hyperalgesie (als viszerokutane Reflexe)
auftreten können und die in ihrer Ausdehnung dem Dermatom entsprechen, das aus
demselben spinalen Segment innerviert wird wie das erkrankte Organ. Ein Dermatom
ist das von einer Spinalnervenwurzel versorgte Hautsegment.
Zu dieser Zeit wurde in der Humanmedizin schon mehrfach das Auftreten von
Head’schen Zonen bei verschiedenen inneren Krankheiten beobachtet und
beschrieben. Sie wurden damals auch schon als diagnostische Hilfsmittel benutzt.
Die Beschreibung der Fremdkörperzone des Rindes als Head’sche Zone durch
Kalchschmidt, war die erste Beschreibung einer derartigen Struktur in der
Veterinärmedizin (KALCHSCHMIDT, 1948)
58
Innerhalb dieser Head´schen Zone, die sich am kaudalen Ende des Widerristes
befindet und in verschiedenen Größen auftreten kann, liegen Akupunkturpunkte, die
in Verbindung mit der Vormagentätigkeit des Rindes stehen. Diese können bei der
häufig auftretenden Fremdkörpererkrankung des Rindes, bei der mit dem Futter
aufgenommene Fremdkörper Schäden im Netzmagen anrichten, als hyperalgetische
Punkte in Erscheinung treten (KOTHBAUER u. MENG, 1983).
Im Jahr 1954 erschien ein weiterer Artikel von Kalchschmidt, in dem er die
Bedeutung der von ihm beschriebenen Fremdkörperzone als diagnostisches
Hilfsmittel herausstreicht. Er geht darin davon aus, dass die von ihm beschriebene
Fremdkörperzone auf manuellen Reiz durch Berührung oder auch durch Aufheben
einer Hautfalte bei Erkrankung des Rindes deutlich schmerzhafter ist als beim
gesunden Tier. Er gibt an, dass die Beweisführung auf diesem Gebiet sehr schwierig
war und dass er erst nach mehrjährigen Untersuchungen an 2300 Rindern und
Überprüfungen durch die Fremdkörperoperation seine Behauptungen aufstellte.
Nach seinen Untersuchungen trifft er eine Einteilung in große Zonen bei frischen
Erkrankungen, mittlere Zonen bei Erkrankungen die schon einige Tage dauern und
kleine Zonen bei chronischen Erkrankungen (KALCHSCHMIDT, 1954).
Die Reaktionen der damaligen Tierarztkollegen waren gespalten, einige kritisierten
seine Methode (KALCHSCHMIDT, 1954). Dennoch ist der Test als „Probe nach
Kalchschmidt“ bekannt geworden und wird bis heute jedem Studenten an der
Veterinärmedizinischen Universität Wien gelehrt.
Der Vortrag von Dr. Kalchschmidt mit dem Titel „Eine Head’sche Zone als
diagnostisches Hilfsmittel bei der Fremdkörpererkrankung des Rindes“, gehalten am
1. Internationalen Fortbildungskurs der Wiener Tierärztlichen Hochschule (1954), rief
bei Prof. Dr. Schreiber großes Interesse hervor (KOTHBAUER u. MENG, 1983).
Die Frage nach den Prinzipien, auf welchen eine Beziehung von inneren Organen
zur Haut beruhte, interessierte ihn als Anatomen naturgemäß ebenfalls.
In der auf den Vortrag von Dr. Kalchschmidt folgenden Diskussion berichtete Prof.
Dr. Schreiber, damals Ordinarius am Anatomischen Institut der Tierärztlichen
Hochschule in Wien, über die Arbeit an seinem Institut. Dort wurden schon seit
mehreren Jahren Untersuchungen über das Nervensystem des Rindes in
Zusammenhang mit der Dermatomeinteilung zu den Head’schen Zonen und den
Mackenzie’schen Zonen durchgeführt. Die Mackenzie’schen Zonen umfassen
59
bestimmte Muskelgruppen in die bei Erkrankung von bestimmten Organen die vom
selben spinalen Segment innerviert werden Schmerzen projiziert werden.
Zum damaligen Zeitpunkt lagen also nur wenige Informationen über Tierakupunktur
vor, wohl aber über die Head’schen Zonen bei Mensch und Tier. Es wurde erkannt,
dass zwischen Körperorganen und sensiblen Zonen auf der Hautoberfläche ein
Zusammenhang besteht und sie in reflektorischer Verbindung zu krankhaft
veränderten oder anderweitig belasteten Innenorganen stehen können. Durch die
Arbeiten von Prof. Schreiber und seinen Schülern wurden in weiterer Sicht wichtige
Vorarbeiten für die topographische Bestimmung vieler Akupunkturpunkte, v.a. beim
Rind, geleistet. Die innerhalb der Head’schen Zonen liegenden Maximalpunkte mit
erhöhter Druckempfindlichkeit erwiesen sich als Akupunkturpunkte, die später als
SHU – Punkte (Zustimmungspunkte) und als MU-oder MO-Punkte (Alarmpunkte) bei
Tieren identifiziert werden konnten (KOTHBAUER u. MENG, 1983).
In einem 1954 von Dr. Schreiber verfassten Artikel, in dem er auf den Vortrag von
Kalchschmidt eingeht, wurde zum ersten Mal im 20.Jahrhundert das Wort
Akupunktur in Zusammenhang mit Veterinärmedizin verwendet.
Er beschreibt in seinem Artikel sehr anschaulich mit welchen Methoden damals die
Verbindungen der Nervenaustrittsstellen vom Rückenmark bis zu den Dermatomen
erforscht wurden.
Im Kleintierbereich wurde zum Beispiel die Sherringtonmethode durchgeführt: Dabei
wurden die Nervenwurzeln von drei Segmenten cranial und caudal des zu
untersuchenden Segmentes durchtrennt und danach die Sensibilität des mutmaßlich
zugehörigen Dermatoms überprüft.
Bei der Methode der Strychninvergiftung wurden einzelne Wurzeleintrittszonen mit
Strychnin injiziert und anschließend die Hyperalgesie in den entsprechenden
Dermatomen festgehalten.
Andere durchtrennten bestimmte Dorsalwurzeln, reizten anschließend den
peripheren Stumpf und beobachteten die Vasodilatation im entsprechenden
Hautinnervationsgebiet.
Diese Methoden konnten allerdings unter anderem aus pekuniären Gründen, wie
Schreiber angibt, beim Rind nicht angewandt werden. Er und seine Schüler wählten
60
deshalb den mühsamen Weg der Feinpräparation jedes Neurotoms bis in die letzten
noch sichtbaren Verzweigungen in der Haut.
Der zweite Teil seiner Arbeit befasste sich mit der anatomischen Erforschung der
vegetativen Innervation der Eingeweide. Für diesen Teil der Forschung musste
wegen der zahlreich vorkommenden Variationen eine große Zahl von Rindern und
Kälbern untersucht werden.
Der dritte Arbeitsbereich gehörte der physiologischen Forschung. Ziel war, den
Einfluss des Viszerotoms (innere Organe) auf die Haut (Dermatom), die Gefäße
(Angiotom), Muskeln (Myotom), die Knochen (Slerotom) und die Nerven (Neurotom)
zu definieren.
Auf Grund dieser Zusammenhänge kann zum Beispiel durch viscerokutane und
kutiviscerale Reflexbögen die Erkrankung eines Organes (Viscerotom) über das
Rückenmark (Neurotom) zur Verspannung der zugehörigen Muskulatur (Myotom)
führen. Diese Verspannung kann über die Muskelansätze zu einem verstärkten Zug
am Periost (Sklerotom) mit Schmerzen und einem Gefäßspasmus (Angiotom) führen.
Durch die schlechte Blutversorgung kann es weiters zu Veränderungen an der Haut
(Dermatom) kommen.
Ein weiterer sehr interessanter Aspekt des Artikels betrifft die Entstehung der Idee
eines Punktsuchgerätes. Als Auslöser gibt Schreiber die Erkenntnis an, dass ein
Tierarzt ohne Aussage seiner Patienten zurechtkommen, und sich deswegen
objektiverer Methoden bedienen müsse. Schon damals glaubte er, dass dazu auch
die Beeinflussung der „sekundär elektromotorischen Erscheinungen der Haut“, also
die Änderung des Hautpotentials durch physische und psychische Erregung des
Körpers und einzelner seiner Organe geeignet ist. Mit Hilfe eines sogenannten
Dermatometers (ein empfindliches elektrisches Hautthermometer) konnte das
elektrische Potential an Hunden, Kaninchen und Kälbern festgestellt werden.
Schreiber regt an, dass in breit angelegten Studien zunächst die vegetative Tages-
Rhythmik dieses Potentials geklärt werden sollte, danach dann der Einfluss der
inneren Organe auf das elektrische Potential der Haut, wodurch die Vorgänge des
viscerokutanen Reflexes geklärt werden sollten.
Im Zusammenhang mit der Erforschung dieser Zusammenhänge machte sich
Schreiber auch Gedanken über den kutiviszeralen Reflex, also die Beeinflussung von
inneren Organen durch die Haut.
61
Dazu Dr. Schreiber wörtlich zitiert: „Die praktische Anwendung dieser Phänomene
erfolgt in einer Form, die wir heutzutage bewusst als „Segmenttherapie“ bezeichnen
und die die Menschheit empirisch seit Jahrhunderten, ja seit Jahrtausenden betreibt.
Denn von der Akupunktur des neolithischen Menschen angefangen, über die
Brennkrautverwendung und das Glüheisen, über trockene und feuchte, warme und
kalte Kompressen, Einreibungen, Reizbehandlungen, Massagen bis zu zonal
ausgeführten, subkutanen Novocain- und Acetylcholininjektionen und
Luftinsufflationen, immer geschieht die dabei beabsichtigte Einwirkung auf die
erkrankten Innenorgane durch Erregung der metameren Innervation. So ist das
Studium der hyperalgetischen Zonen an unseren Haustieren sowohl als Diagnostik
als auch für die Therapie von großer Bedeutung“. (SCHREIBER, 1954).
Weitere Publikationen von Dr. Schreiber in den nächsten Jahren belegen seine
umfangreiche Forschungsarbeit auf diesem Gebiet, beispielsweise publizierte er eine
Arbeit über die Lageentwicklung der Extremitätendermatome des Rindes
(SCHREIBER, 1954), eine andere über die anatomischen Grundlagen der
Leitungsanästhesie beim Rind an Kopf-, Rumpf und Extremitätennerven.
Weil sich Schreiber bewusst war, wie wichtig die Erkenntnisse der anatomischen
Forschung für die Praxis der Akupunktur ist, leitete er einige seiner Schüler dazu an,
diese Gedanken weiter zu verfolgen.
Die Publikationen von Dr. Schreiber und die Dissertationen seiner Schüler an der
Vet. Med. Universität Wien bilden eine breite Datenbasis für die Lokalisation und
Bedeutung von Akupunkturpunkten beim Rind:
DAMBÖCK, A. (1955): Die Hautinnervation der Extremitäten des Rindes.
GIROLLA, W. (1955): Der Nervus phrenicus des Rindes. Seine Morphologie, Topik,
Innervations- und Funktionsaufgabe.
SCHALLER, O. (1956): Die periphere sensible Innervation der Haut am Rumpf des
Rindes.
62
FREWEIN, J. (1963): Der Anteil des Sympathicus an der autonomen Innervation des
Rindermagens.
Die Untersuchungen von SCHALLER (1956) erweisen sich für die Praxis der
Akupunktur als besonders wertvoll. Die von ihm dargestellten Durchbruchstellen der
sensiblen Hautnerven unter die Haut haben sich später als sehr wirksame
Akupunkturpunkte, sowohl für die Therapie als auch für die Diagnostik erwiesen.
DAMBÖCK (1955) erwähnt, dass in neuester Zeit die Autonomfelder der Hautnerven
vermehrtes Interesse bei der Diagnose der Erkrankungen der Eingeweide gefunden
haben. Deshalb sei das Studium des viszerokutanen Reflexes, aber auch – zu
therapeutischen Zwecken – die Feststellung der kutiviszeralen Beziehungen von
zunehmender Bedeutung.
Auch die Untersuchungen von FREWEIN (1963) und GIROLLA (1955) trugen viel zur
Verifizierung von Akupunkturpunkten beim Rind bei
Etwa zur gleichen Zeit wie Prof. Dr. Kothbauer, der sich in erster Linie mit Nutztieren
beschäftigte, begann Dr. Ferdinand Brunner, sich neben seiner Kleintierordination in
Wien mit der Akupunktur bei diesen Tieren zu befassen.
3.5.4. Dr. Ferdinand Brunner (geb. 1928)
Nach dem Besuch des Realgymnasiums in St. Pölten und der
Absolvierung der Matura 1946, begann Dr. Brunner (Abb. 23) sein
Studium an der Tierärztlichen Hochschule in Wien im
Wintersemester 46/47. Wegen seines damals schon vorhandenen
Interesses an der Verhaltensforschung studierte er in den ersten 3
Semestern zusätzlich Philosophie mit dem Hauptfach Psychologie
als außerordentlicher Hörer an der Universität Wien.
Nach mehreren Unterbrechungen des Studiums aus finanziellen Nöten und
Tätigkeiten verschiedenster Art erreichte Brunner sein Tierärztliches Diplom 1957.
Parallel zu Assistenztätigkeiten und Urlaubsvertretungen in verschiedenen
tierärztlichen Praxen, verfasste er seine Dissertation zum Thema: „ Das Verhalten
des Hundes im Großstadtverkehr – eine verhaltenspsychologische Studie“ und
promovierte damit im Jahr 1958 zum Dr.med.vet.
Abb. 23:
Dr. Ferdinand Brunner
(BRUNNER, 1981)
63
Im gleichen Jahr gründete Brunner eine eigene Kleintierpraxis in Wien, gleichzeitig
gründete er eine tierpsychologische Beratungsstelle und war bei der Fa. Asid in der
pharmazeutischen Entwicklungsabteilung beschäftigt.
Zu dieser Zeit erkrankte Dr. Brunner an einer Grippe, von der eine schwere Ischialgie
zurückblieb. Gegen die nahezu unerträglichen Schmerzen zeigten die damals
potentesten Schmerzmittel kaum eine Wirkung. Damals sah Dr. Brunner sich selbst
noch als eingefleischten Schulmediziner nach dem Motto: „was nicht evidenzbasiert
ist, gilt nicht“. Nachdem aber sowohl die Schulmedizin als auch die Homöopathie ihm
nicht helfen konnten, war er bereit, alles auszuprobieren was eventuell Linderung
versprach.
Damals wandte Dr. Bischko gerade in der Poliklinik Akupunkturbehandlungen und
Akupunkturanalgesie an und Dr. Brunner begab sich zu ihm in Behandlung. Nach der
vierten Sitzung zeigte sich ein durchschlagender Erfolg, die Schmerzen waren wie
weggeblasen und rezidivierten auch nicht. Nach dieser eigenen Erfahrung kam dem
Tierarzt Dr. Brunner natürlich der Gedanke, dass dieses Fachgebiet die
Veterinärmedizin bereichern könnte.
Er besuchte daraufhin etliche humanmedizinische Kurse und Dr. Bischko wurde sein
langjähriger Lehrer. Dr. Brunner begann allmählich die Akupunktur in die eigene
Praxis zu integrieren.
Ab diesem Zeitpunkt begann Dr. Brunner auch Literatur zu sammeln, unter anderem
bei einer Reise nach China, bei der Dr. Meng, ein Mitarbeiter von Dr. Bischko,
wertvolle Arbeit leistete indem er vom Chinesischen ins Deutsche übersetzte. Von
dieser Reise brachte Dr. Brunner auch ein Gerät zur Elektroakupunktur mit, das er
lange Zeit in der eigenen Praxis verwendete (Abb. 24).
Durch seinen kritischen Geist und sein Bemühen um evidenzbasierte Medizin
machte Dr. Brunner auf der einen Seite immer wieder Placeboversuche um
festzustellen ob die Akupunktur tatsächlich Erfolge brachte, auf der anderen Seite
befasste er sich auch mit den naturwissenschaftlichen Grundlagen der Akupunktur.
Nach seinen eigenen Worten ist das Interesse der naturwissenschaftlich orientierten
klinischen Forschung an der Akupunktur erst durch die Erkenntnis möglich
geworden, dass ohne mystisches Beiwerk in Methode und Begründung für den
therapeutischen Effekt der Akupunktur in erster Linie der Reizort das Wichtigste zu
sein scheint. Es sei vornehmlich der Verdienst österreichischer Forscher sowie
64
einiger Franzosen die sich um naturwissenschaftliche Grundlagen bemüht haben, in
einer Zeit, in der diese Lehre noch nicht als „schulmedizinisch hoffähig“ angesehen
wurde.
Haupteinsatzbereich in der eigenen Praxis waren zu Beginn neurologische Fälle, weil
bei diesen Fällen die Besitzer auch bereit waren, ihre Tiere öfter und über längere
Zeit behandeln zu lassen.
Bei etwa der Hälfte von Hunden mit Querschnittlähmungen und Wurzelneuritiden, die
von der Universität als aussichtslos aufgegeben wurden, erzielte Dr. Brunner Erfolge.
Um sicher zu sein, dass die Heilung tatsächlich auf die Behandlung zurückzuführen
war, nadelte Dr. Brunner immer wieder auch nur Placebopunkte. Er wies seine
Schüler häufig darauf hin, dass bei Hunden zwar der Suggestiveffekt kaum
vorhanden ist, man sich durch Autosuggestion aber durchaus selbst einen
Behandlungserfolg vortäuschen kann.
Durch diese kritische Haltung trug Dr. Brunner beträchtlich dazu bei, die Akupunktur
bei Tieren zu einem ernstzunehmenden Teil der Veterinärmedizin zu machen.
Gleich von Beginn an setzte Dr. Brunner die Akupunktur aber auch ein, um durch
Steigerung der Atemfrequenz die Aufwachphase nach Narkosen zu verkürzen, um in
der Geburtshilfe die Wehentätigkeit anzuregen oder auch um bei Schildkröten
Verstopfungen und Durchfall zu behandeln.
In weiterer Folge veröffentlichte Dr. Brunner eine Vielzahl von eigenen
Forschungsergebnissen in Fachzeitschriften, unter anderem Folgende:
BRUNNER, F. (1963): Die Behandlung schmerzhafter Wirbelsäulen-Erkrankungen
mit Akupunktur und Aurikulo-Therapie. D. prakt. Tierarzt 60, 1100.
BRUNNER, F. (1963): Praxisberichte über Procaintherapie in der Tierheilkunde.
Asis-Mitteilg.f. Tierärzte.
BRUNNER, F. (1975): Die Anwendung der Akupunktur zur Analgesie in der
chinesischen Veterinärchirurgie. Wien Tierärztl Monat – Vet Med Austria 62, 392-
394.
BRUNNER, F. (1976a): Akupunktur in der Hundeklinik. Kleint.-Prax. 21, 182.
BRUNNER, F. (1976b): Akupunkturanalgesie in der Veterinärmedizin. Tierärztl. Prax.
4, 387.
BRUNNER, F. (1978): Akupunktur bei Kleintieren. Wien Tierärztl Monat – Vet Med
Austria 65, 334.
65
BRUNNER, F. (1980a): Akupunktur und Aurikulotherapie als Alternative zu bisher
üblichen Behandlungsmethoden in der Kleintierpraxis. Wien Tierärztl Monat – Vet
Med Austria 67, 236.
Zu Beginn seines Interesses an der Akupunktur stellte Dr. Brunner fest, dass die
Informationen, die den tierärztlichen Sektor betrafen sehr verstreut und schwer
zugänglich sind. Es war sehr schwierig, mit einem sinnvollen Zeitaufwand zu einem
praktisch verwertbaren Überblick zu kommen.
Um diesem Mangel abzuhelfen und interessierten Kollegen den Einstieg in dieses
fesselnde und zukunftsträchtige Gebiet zu ermöglichen, schrieb er, durch Dr.
Kothbauer ermutigt, ein Buch mit dem Titel: Akupunktur für Tierärzte-Akupunktur der
Kleintiere (BRUNNER, 1980b).
In diesem Buch erklärt er im allgemeinen Teil die wichtigsten, in der Akupunktur
üblichen Fachausdrücke, erläutert die Wirkungsbasis der Akupunktur und informiert
allgemein über Hilfsmittel und Anwendungstechnik.
Im speziellen Teil folgen dann genaue Beschreibungen der Punktlokalisationen und
der Punktauswahl nach klinischen Indikationen.
Unterstützt durch die anatomische Zeichnerin Frau B. Bammer fertigte er auch
genaue Zeichnungen mit Angabe der Punkte an (Abb. 25).
In diesem Buch geht Dr. Brunner speziell auf die Belange bei Kleintieren inklusive
Geflügel ein und weist darauf hin dass die Kollegen Westermayer im Pferdebereich
und Kothbauer im Bereich der Nutztiere an umfangreichen Werken arbeiten.
Dr. Brunner wurde Fachtierarzt für Kleintiere und Fachtierarzt für Akupunktur und
Neuraltherapie und wirkte in diesem Bereich auch als Mitglied der
Fachtierarztprüfungskomission.
Er betreute auch andere Tierärzte während ihrer Dissertation, von denen einer Dr.
Andreas Zohmann war, der sich in seiner Arbeit mit der Ohrakupunktur befasste.
Gemeinsam mit Prof. Dr. H. E. König und Dr. Artmeier entwarfen Brunner und
Zohmann eine Ohrkarte für die Ohrakupunkturpunkte bei Hunden. Um bei ihren
66
Vorträgen den Hörern zeigen zu können, wo sich die Punkte tatsächlich befinden,
fertigten sie selbst Abdrücke von Hundeohren an und markierten die Punkte.
In den letzten 12 Jahren beschäftigte sich Dr. Brunner mit der Magnetfeldtherapie,
ein Gebiet der Medizin, das vielleicht heute so unterschätzt wird wie die Akupunktur
zu Beginn der beruflichen Tätigkeit von Dr. Brunner.
67
Abb. 25: Akupunkturpunkte des Hundes (BRUNNER, 1980b)
Abb. 24: Schaltbild eines chinesischen Elektroakupunkturgerätes
(BRUNNER, 1980b)
68
3.5.5. Dr. Andreas Zohmann
Den ersten Kontakt zur Akupunktur hatte Zohmann schon während seines
Veterinärmedizinstudiums. Bei einem Abendessen mit einem Bekannten, der als
Geologe oft in China unterwegs war, kam zufällig das Gespräch auf die medizinische
Behandlung in China. Dort hatte dieser Geologe die Akupunktur am Menschen
beobachten können und stellte nun die Frage, ob man Akupunktur nicht auch
am Tier anwenden könne und dass das ja ein interessantes Dissertationsthema
wäre.
Ein weiteres Ereignis, das trotz seiner Trivialität in Zohmanns Erinnerung einen
wichtigen Platz einnimmt, ereignete sich während seines Studiums im ersten
Semester. Während einer Fahrt mit der Straßenbahn las ein Freund in einer
Tageszeitung einen Artikel über einen Tierarzt namens Kothbauer, der Akupunktur
an Tieren durchführen sollte. Damals amüsierten sich beide über den ihrer Meinung
nach recht witzigen Namen, ohne zu ahnen, welche Rolle Prof. Kothbauer und Dr.
Zohmann einmal für die Akupunktur spielen sollten.
Nach seiner Heirat und der Übersiedlung seiner Familie nach Wien, entschloss sich
Zohmann als Demonstrator am Institut für Anatomie zu arbeiten. Bei der ersten
Institutskonferenz wurden von Prof. Schaller einige Dissertationsthemen vergeben,
eines davon wurde von Dr. Ferdinand Brunner vorgeschlagen und handelte von
Ohrakupunktur und deren Funktionsmechanismen. Dieses Gebiet der Akupunktur
war noch sehr jung, zum ersten Mal wies der Franzose Nogier im Jahr 1956 bei
einem Vortrag auf einem Kongress auf die Beziehungen verschiedener Körperzonen
zur Ohrmuschel hin und prägte den Begriff der „Auriculotherapie“.
Zohmann erinnerte sich zu diesem Zeitpunkt wieder an sein Gespräch mit dem
befreundeten Geologen, bekundete Interesse an diesem Thema und begann 1978
an seiner Dissertation über die Funktionsmechanismen der Ohrakupunktur zu
arbeiten.
Bis zu seiner Sponsion 1984 war Zohmann als freier Mitarbeiter am Institut für
Anatomie beschäftigt und hielt dort unter anderem Intensivkurse über die Anatomie
des Zentralen Nervensystems ab. Während dieser Zeit arbeitete er schon intensiv an
dem Thema Ohrakupunktur:
1985 wurde Dr. Zohmann bei der Fa. Gebro (ein pharmazeutischer Betrieb in
Fieberbrunn/Tirol) wissenschaftlicher Betreuer der Fachgebiete Neuraltherapie,
69
Lokalanästhesie, medikamentöse Schmerztherapie, Osteoporose, präoperative
Hautdesinfektion, Ein- und Durchschlafstörungen. In diesen Bereichen wirkte er bei
der Erstellung von wissenschaftlichen Unterlagen, Schulungen des Außendienstes
und bei Vorträgen für Ärzte und Apotheker mit.
1987 wurde von R. Pellegrini, H. Schmitz und A. Zohmann als verantwortlichem
Autor das Buch „Schmerzbehandlung mit Xyloneural®“ veröffentlicht. Xyloneural ist
ein Lidocain Präparat das in der Neuraltherapie verwendet wird (PELLEGRINI et al.,
1996).
Zu dieser Zeit begann Zohmann auch bei den Vorlesungen von Prof. Dr. Kothbauer
an der VUW als freiwilliger Mitarbeiter mitzuwirken.
1989 promovierte er mit seiner Arbeit „Die Blockade des Ganglion cervicothoracicum
(stellatum) beim Hund zur Untersuchung der Beteiligung des sympathischen
Nervensystems an der Projektion eines gereizten Organes in die Ohrmuschel“ zum
Dr.med.vet. (ZOHMANN, 1989).
Zohmann hatte erkannt, dass der Umstand des hohen Alters der Akupunktur, ihrer
Einfachheit und der Umstand, dass ihre Dokumentation lange Zeit zur Gänze auf
Erfahrungsberichten basierte, diese Therapieform mit dem Fluidum der Mystik und
Unseriosität umgaben. Diagnostische und therapeutische Methoden müssen, um
heute anerkannt zu werden, mittels anerkannter wissenschaftlicher Verfahren
untersucht und erklärbar oder wenigstens interpretierbar sein.
In diesem Zusammenhang stellte er sich zur Aufgabe, die Projektion eines
experimentell gereizten Organs in die Ohrmuschel zu verifizieren. Anschließend
wurde untersucht, ob die reversible Unterbrechung einer Sympathicus-Schaltstelle
(Blockade) zwischen Reiz- und Projektionsort Hinweise auf eine etwaige Beteiligung
des Vegetativums an somatotopisch wirkenden Informationsmechanismen geben
kann.
Aufbauend auf die verifizierte Tatsache, dass die Reizung einer Region (Ellenbogen)
eine umschriebene Erniedrigung des Hautwiederstandes an einer bestimmten Stelle
der Ohrmuschel („Ellenbogenpunkt“) nach sich zieht, etablierte er also folgende
Arbeitshypothese: Bei einer Beteiligung des sympathischen Nervensystems an den
Projektionsmechanismen der Ohrakupunktur müsste eine Unterbrechung der
Verbindung des Sympathikus zwischen einem gereizten Organ (Ellenbogen) und der
70
Ohrmuschel einen Einfluss auf dieses Phänomen („Ellenbogenpunkt“ Abb. 26)
haben.
Seit 1978 gab es die unterschiedlichsten Darstellungen von Ohrmuscheln mit
markierten Projektionspunkten innerer Organe sowie des Bewegungsapparates.
Teilweise fielen diese Darstellungen sehr dürftig aus, oft fehlte sogar die
Beschreibung, auf welche Tierart sich die Kartographien bezogen. Aufgrund der
Angaben dieser Darstellungen wurde der Ellbogenpunkt ausgewählt, da er als
Ausnahme relativ frei von benachbarten Punkten im oberen Teil der Innenseite der
Ohrmuschel liegt und in den verschiedenen Zeichnungen übereinstimmend
dargestellt wurde.
In dieser Studie wurde bei Beagles eine Hautfalte am linken Ellenbogen mittels einer
subkutan gesetzten Nadel gereizt, die für 10 Stunden an Ort und Stelle verblieb.
Nach dem Setzen der Nadel wurde in bestimmten Zeitabständen die linke
Ohrmuschel mit einem Punktdetektor auf Veränderungen des Hautwiederstandes
untersucht.
Im zweiten Teil der Studie wurde vor der Reizung der Hautfalte am linken Ellenbogen
das Ganglion stellatum (cervicothoracicum) der ipsilateralen Seite mittels eines
Lokalanästhetikums (Xyloneural®) blockiert. Überprüft wurde die erfolgreiche
Blockade anhand Eintreten der Horner’schen Trias (Abb. 27) und durch Messung des
Anstiegs der Hauttemperatur am Zehenrücken der ipsilateralen Brustgliedmaße.
Unter der Horner’schen Trias (=Horner Syndrom) versteht man einen
Symptomenkomplex, für den drei Merkmale typisch sind: Pupillenverengung (Miosis),
Herabhängen des oberen Augenlids (Ptosis) und ein scheinbar eingesunkener
Augapfel (Pseudoenophthalmus).
Danach wurde erneut die Ohrmuschel mit einem Punktdetektor auf Veränderungen
des Hautwiederstandes untersucht. In den Ergebnissen wird deutlich, dass durch die
Blockade des Ganglion stellatum nach Reizung der Haut am Ellenbogen eine
Verminderung des Hautwiderstandes am Ellenbogenpunkt verhindert wird. Der
Ellenbogenpunkt konnte also nicht mehr geortet werden. Anhand dieser Experimente
konnte zum einen die Projektion gereizter Organe an topographisch bestimmbare
Punkte der Ohrmuschel verifiziert werden. Außerdem konnte auch die Beteiligung
des sympathischen Nervensystems an den Projektionsmechanismen aurikulärer
Somatotopien nachgewiesen werden.
71
Abb. 26: Ellenbogenpunkt
(ZOHMANN, 1989)
Abb. 27: Horner’sche Trias
(ZOHMANN, 1989)
72
1989 gründete Dr. Zohmann die Sektion Akupunktur, Neuraltherapie und
Homöopathie der Österreichischen Gesellschaft der Tierärzte, und war bis 1999
Vorsitzender der Sektion.
1990 gründete er eine private Forschungsstelle für Akupunktur und Neuraltherapie in
Fieberbrunn.
In diesem Jahr begann die neu gegründete Sektion der ÖGT mit regelmäßigen
Curricula über Akupunktur und Neuraltherapie, die die Basis der Ausbildung von
vielen auf diesem Gebiet tätigen Tierärzten darstellen.
1991 legte Zohmann die Prüfung der Österreichischen Medizinischen Gesellschaft
für Neuraltherapie und Regulationsforschung ab.
Im Jahr darauf wurde seine private Forschungsstelle in die Ludwig Boltzmann –
Gesellschaft (Leitung Prof. Dr. Johannes Bischko) aufgenommen und Zohmann
wurde zum Leiter der Außenstelle Veterinär des Ludwig Boltzmann Institutes für
Akupunktur.
Seitdem bis 2002 war Zohmann auch Universitätslektor für Akupunktur und
Neuraltherapie an der Veterinärmedizinischen Universität Wien (Chirurgie, Interne 1).
1994 beendete Zohmann gemeinsam mit Dr. Markus Kasper seine Arbeit an dem
Buch „Neuraltherapie in der Veterinärmedizin. Grundlagen – Diagnose – Therapie“.
(ZOHMANN u. KASPER, 1994). Für dieses Buch wurde ihnen der „Bank Austria
Förderungspreis der Bundeskammer der Tierärzte Österreichs“ verliehen.
Im gleichen Jahr wurde, angetrieben von Dr. Zohmann, in Österreich der Fachtierarzt
für Akupunktur und Neuraltherapie geschaffen. Erste Träger dieses Titels waren Dr.
Zohmann und Professor Dr. Kothbauer.
1995 erschien das Buch „Akupunktur bei Hund und Katze“ verfasst von Dr. D.
Draempaehl und Dr. Zohmann. Gemeinsam mit Prof. Dr. Kothbauer wurde ihm die
Huneke-Medaille der Inernationalen Gesellschaft für Neuraltherapie und
Regulationsforschung verliehen.
1997 erschien das Video „Einführung in die Veterinär-Neuraltherapie“.
1998 beendete Dr. Zohmann seine Tätigkeit bei der Firma Gebro und erhielt den
„Pischinger Preis“ der Österreichischen Gesellschaft für Akupunktur und
Neuraltherapie für die Studie „Diagnostische und therapeutische Nutzbarkeit eines
druckempfindlichen Punktes am Oberschenkel des Hundes und seine Beziehung
zum Hüftgelenk“ (ZOHMANN, 1998).
73
Von 1998 bis 1999 war Dr. Zohmann Universitätsassistent an der Vet. Med. Univ.
Wien. In dieser Zeit erfolgte der Aufbau der Regulationsambulanz an der I. Med.
Univ. Klinik (Akupunktur, Neuraltherapie, Physikalische Medizin, Schmerztherapie),
die Dr. Zohmann auch leitete.
1999 eröffnete Dr. Zohmann in Fieberbrunn eine Spezialpraxis für Akupunktur,
Neuraltherapie, Schmerztherapie und Physikalische Medizin für Klein- und Großtiere
und wurde leitender Tierarzt des „Vierbeiner Reha-Zentrums“ in Bad Wildungen in
Hessen, D, mit dem Spezialgebiet Physikalische Medizin/Physiotherapie für
Kleintiere und Pferde.
2000 beendete Zohmann seine tierärztliche Tätigkeit in Fieberbrunn und widmet sich
seither ausschließlich der tierärztlichen Leitung des Vierbeiner Reha-Zentrums in
Bad Wildungen und erhält auch die Zusatzbezeichnung „Akupunktur“.
Von 2002 bis 2005 war Zohmann Lehrbeauftragter an der Justus Liebig-Universität
Giessen (Kleintierchirurgie) und hielt die Vorlesungsreihe „Physikalische Medizin und
postoperative Rehabilitation beim Pferd“ für Studenten der Veterinärmedizin des 7.
und 9. Semesters und die Vorlesungsreihe „Physikalische Medizin in der
Kleintierorthopädie und –neurologie“ für Studenten der Veterinärmedizin des 6. und
8. Semesters.
Von 2006 bis 2009 leitete Zohmann auch die Zweigstelle des Vierbeiner Reha-
Zentrums in Piding an der bayrisch-salzburgischen Grenze.
2007 erschien Zohmanns Buch „Ganzheitliche Schmerztherapie für Hund und
Katze“.
2008 begann Zohmann mit dem Institut für Zytobiologie der Naturwissenschaftlichen
Fakultät der Universität Salzburg zusammenzuarbeiten, um Grundlagenforschung
zur Goldimplantation zu betreiben.
2009 wurde Dr. Zohmann zum Ehrenmitglied der Österreichischen Medizinischen
Gesellschaft für Neuraltherapie und Regulationsforschung ernannt.
Zusätzlich zu den vielen oben genannten Leistungen trug Dr. Zohmann mit einer
Vielzahl von Vorträgen, Seminaren und Kursen für Tierärzte, Ärzte und Laien sowie
mit über 30 Publikationen in Fachzeitschriften und als Buchbeiträge sowie mit zwei
Lehrvideos umfangreich zur Weiterentwicklung der Veterinärakupunktur in Österreich
bei.
74
3.5.6. Dipl.Tzt. Dr.Karl Grohmann
Fachtierarzt für Akupunktur und Neuraltherapie, Fachtierarzt für Kleintiere,
Universitätslektor für Veterinärakupunktur. Das Interesse von Dr. Karl Grohmann an
der Akupunktur war schon während seines Studiums an der Veterinärmedizinischen
Universität Wien vorhanden. Die ersten Kontakte zu diesem Gebiet hatte er während
seiner Assistenzzeit am Institut für Anatomie.
Nach seiner Dissertation 1986 und seinem zweiten Assistenzjahr am Institut für
Anatomie gründete er in Klosterneuburg eine eigene Praxis und begann sich
intensiver mit dem Thema Akupunktur zu befassen.
Frühzeitig spezialisierte er sich auf die traditionelle Chinesische Medizin und auf die
orthopädische Neuraltherapie. In der Schulmedizin liegt der Schwerpunkt von Dr.
Grohmann auf der Inneren Medizin und der Chirurgie.
Das Interesse an der Akupunktur begründete sich für Grohmann darin, dass oft
Lösungsangebote für Probleme geboten werden, die in der Schulmedizin als
austherapiert gelten oder die nur symptomatisch behandelt werden.
Die zur damaligen Zeit von Prof. Kothbauer und Dr. Zohmann gehaltenen
Vorlesungen an der Universität über die Grundlagen der Akupunktur waren in erster
Linie westlich-wissenschaftlich orientiert. Das Interesse von Dr. Grohmann richtete
sich aber schon früh auf die traditionell chinesische Lehre. Dazu gab es zur
damaligen Zeit in Österreich noch keine Kurse oder Ausbildungen, der Kurs der IVAS
(International Veterinary Acupuncture Association) wurde damals nur in den USA
angeboten. Aus diesem Grund bildete sich Grohmann vor allem in Deutschland über
die ATF (Akademie für tierärztliche Fortbildung) und in der Schweiz weiter. In diesen
Ländern gehörten die Tierärzte, die sich erfolgreich mit Akupunktur befassten, zwar
auch noch einer handverlesenen Gruppe an, jedoch war dieser Teil der Medizin
schon deutlich stabiler etabliert als in Österreich.
Nach den anfänglichen Schwierigkeiten, sich von der Schulmedizin auf ein komplett
anderes System mit einer anderen Diktion umzustellen, wurde genau diese andere
Herangehensweise an ein Problem für Dr. Grohmann sehr spannend. Durch die
Erkenntnis dass ein sehr großer theoretischer Wissensstand nötig ist um ein
Krankheitsbild komplett zu erfassen, bedurfte es 2-3 Jahre intensiver
Auseinandersetzung mit der Materie, bis Selbstvertrauen und Kenntnisse groß genug
75
waren für die Anwendung der Akupunktur in der Praxis. Nach dem Beginn der
Anwendung der Akupunktur Mitte der 90er Jahre stellten sich dann bald die ersten
Erfolge ein.
Im Jahr 1999 folgte Dr. Grohmann Dr. Zohmann als Leiter der Sektion Akupunktur,
Neuraltherapie und Homöopathie der Österreichischen Gesellschaft der Tierärzte. Er
war auch für fünf Jahre Leiter der Außenstelle Veterinärakupunktur der Ludwig
Boltzmanngesellschaft.
Unter seiner Leitung wurden von der ÖGT-Sektion immer mehr Seminare und Kurse
zur Akupunktur veranstaltet, zu denen auch Gastreferenten aus dem Ausland
eingeladen wurden. Neben anderen Referenten wurde v.a. Dr. Barbara Bachmann
immer wieder eingeladen. Die Schweizer Tierärztin zählt zu den Pionieren der
Veterinärakupunktur in der Schweiz und bildete sich vor allem in China und den USA
weiter. Sie verfasste 1988 an der Universität Zürich ihre Dissertation zum Thema
Akupunktur: „Untersuchungen zur Akupunktur: Elektrische Hautwiderstandsmessung
zur Lokalisation von Akupunkturpunkten bei Kühen.
Im Jahr 2000 begann Dr. Grohmann anstelle von Dr. Zohmann an der
Veterinärmedizinischen Universität Wien die Vorlesung: „ Einführung in Akupunktur
und Neuraltherapie“ zu halten. Bis jetzt wird dieser Kurs von den Studierenden sehr
gut angenommen und hat jährlich in etwa 100 Hörer.
Im gleichen Jahr organisierte Grohmann gemeinsam mit Dr. Kurt Ganzberger den
jährlichen IVAS Kongress in Wien.
Zu dieser Zeit begann Grohmann auch für verschiedenste Einrichtungen Seminare
und Vorträge zu halten, unter anderem für die VÖK (Vereinigung Österreichischer
Kleintiermediziner), für die ÖGT (Österreichische Gesellschaft der Tierärzte), für die
Veterinärmedizinische Universität Wien aber auch in privatem Bereich für
interessiertes Laienpublikum.
76
3.5.7. Entwicklung bis heute
In etwa zeitgleich mit Dr. Grohmann begannen sich einige österreichische Tierärzte
näher mit der chinesischen Lehre der Akupunktur zu befassen. Obwohl der westlich-
wissenschaftliche Zugang außerordentlich bedeutsam war für die Anerkennung und
Verbreitung dieser Form der Diagnostik und Therapie, ist die chinesische Lehre in
anderen Teilen der Welt schon über eine weitaus längere Zeit praktiziert und erprobt
worden.
Einer der Tierärzte, die erkannten, dass die chinesische Lehre eine große
Bereicherung für die Akupunktur in Österreich darstellen könnte, war Dr. Kurt
Ganzberger, der während seiner Tätigkeit am Institut für Anatomie über Dr. Zohmann
erste Kontakte zur Akupunktur knüpfte. Weil es damals in Österreich im Bereich der
Veterinärmedizin nur Kurse zum Thema Neuraltherapie gab, nutzte Dr. Ganzberger
die Gelegenheit, mit einigen Kollegen zu einem IVAS Kurs nach Belgien zu fahren. In
einem einjährigen, von zahlreichen Fahrten nach Belgien geprägten Lehrgang
lernten sie dort die Grundlagen der traditionellen chinesischen Medizin und der
Akupunkturlehre kennen. Nach Beendigung dieses Kurses wurde gemeinsam mit Dr.
Zohmann begonnen, einen Teil der chinesischen Lehre in die österreichischen
westlich-wissenschaftlich orientierten Kurse einzubringen, was wiederum einen
großen Fortschritt für die Entwicklung dieses Teiles der Veterinärmedizin in
Österreich brachte.
Zum heutigen Zeitpunkt wird beim jährlich angebotenen Curriculum der ÖGT Sektion
Ganzheitsmedizin sowohl die Neuraltherapie als auch die TCM gelehrt.
Einen großen Stellenwert für die Weiterentwicklung und Anerkennung der
Akupunktur in der Veterinärmedizin hat auch die Ambulanz für Physikalische Medizin
und Rehabilitation der Veterinärmedizinischen Universität Wien seit 14 Jahren. Im
Jahr 1998 als Regulationsambulanz von Dr. Zohmann gegründet, entwickelte sich
diese Einrichtung unter der Leitung von Dr. Barbara Bockstahler ab 1999 zu einem
fixen Bestandteil der universitären Einrichtungen für die Kleintiermedizin. Seit 2001
wird diese Einrichtung durch die IVAS zertifizierte Veterinärakupunkteurin Dr. Marion
Müller unterstützt. Neben der Arbeit mit den mittlerweile sehr zahlreich gewordenen
Akupunkturpatienten, ist es ein Anliegen dieser Einrichtung als universitäre
Einrichtung Beiträge dazu zu leisten, diesen Teil der Medizin auf eine
evidenzbasierte Basis zu stellen. 2010 wurde eine Studie publiziert die überprüfen
77
soll, ob man bestimmte Teile der TCM Diagnostik mit westlicher Diagnostik
vergleichen kann. Dabei stellt sich heraus dass bei manchen Organsystemen die
Übereinstimmung sehr hoch ist (Herz/Perikard; 87,5%), bei anderen Organsystemen
jedoch eher niedrig (Milz/Pankreas 50%) (MUELLER et al., 2010).
Das von Müller herausgebrachte und von Müller und Bockstahler verfasste
Fachbuch: „Checkliste Akupunktur für Kleintiere“, (MUELLER, 2011) erfüllt den
Anspruch an eine hohe Praxisrelevanz, verbunden mit einer übersichtlichen
Darstellung der Grundlagen. Über Indikationen oder über den traditionell
chinesischen Weg kann zu Behandlungskonzepten gefunden werden.
Die Mitarbeiter der Ambulanz für Physikalische Medizin und Rehabilitation bemühen
sich auch die Lehre und Erforschung der Akupunktur zu unterstützen, indem sie
Diplomarbeiten und Dissertationen zu diesem Thema fördern. Zurzeit befinden sich
folgende Themen in Arbeit, betreut durch Prof. Thalhammer von der Klinischen
Abteilung für Interne Medizin Kleintiere:
SCHMITT, A.M.: Einfluss der Nadelung der Akupunkturpunkte Perikardium 6 und
Herz 7 auf die Herzfrequenzvariabilität.
MERGL, A.: Klinische prospektive Grundlagenstudie über den Effekt der Nadelung
der Akupunkturpunkte Lu11 und LG26 auf Atemparameter.
WURZBERGER, S.: Korrelation zwischen orthopädischer und röntgenologischer
Diagnostik und Diagnosestellung anhand von Akupunkturpunkten (SHU- und
Triggerpunkten).
Im Laufe der Zeit an der Veterinärmedizinischen Universität Wien erschienene
Dissertationen, die die Erforschung der Akupunktur vorangetrieben haben
DAMBÖCK, A. (1955): Die Hautinnervation der Extremitäten des Rindes.
Beschrieben unter 6.3.
GIROLLA, W. (1955): Der Nervus phrenicus des Rindes. Seine Morphologie, Topik,
Innervations- und Funktionsaufgabe.
Beschrieben unter 6.3.
78
SCHALLER, O. (1956): Die periphere sensible Innervation der Haut am Rumpf des
Rindes.
Beschrieben unter 6.3.
FREWEIN, J. (1963): Der Anteil des Sympathicus an der autonomen Innervation des
Rindermagens.
Beschrieben unter 6.3.
FAFFELBERGER, C. (1981): Ein Beitrag zur Anwendung der Akupunkturanalgesie
bei Zitzenoperationen an Kühen.
Angeregt durch Berichte von Dr. Kothbauer über Akupunkturanalgesie bei Kühen,
setzte sich Faffelberger zum Ziel die Wirksamkeit und Verwendbarkeit der
Akupunkturanalgesie bei Zitzenoperationen im Vergleich zur Infiltrationsanästhesie
an zwölf Kühen zu überprüfen. Lediglich zwei von den geplanten zwölf Operationen
konnten aufgrund von Abwehrreaktionen unter Verwendung der
Akupunkturanalgesie durchgeführt werden, wobei mittels Infiltrationsanästhesie alle
geplanten zwölf Operationen ohne Probleme durchgeführt werden konnten.
Faffelberger gibt an, dass in weiteren Untersuchungen ermittelt werden sollte, ob
durch Verbesserung der Geräte, durch weitere Punktkombinationen bzw. durch eine
abgeänderte elektrische Stimulation ein hypalgetischer Effekt verstärkt bzw. eine für
Operationszwecke ausreichende Analgesie erzielt werden kann.
KANIS, A. (1981): Ein Beitrag zur Anwendung der Akupunkturanalgesie bei
Laparotomien an Kühen.
Angeregt von Berichten von Dr. Kothbauer über die Durchführung von
Kaiserschnitten unter Akupunkturanalgesie, setzte sich Kanis zum Ziel die
Wirksamkeit und Verwendbarkeit der Akupunkturanalgesie bei Laparotomien an
zwölf Rindern zu überprüfen. Sechs Versuche mussten abgebrochen werden. Sechs
Operationen konnten trotz heftiger Abwehr und trotz Zwischenfällen, die darin
bestanden dass die Tiere niedergingen und umfielen, bis zum Ende durchgeführt
werden. Bei der Infiltrationsanästhesie konnte bei allen Kontrolloperationen eine
79
ausreichende Analgesie erzielt werden und alle Operationen konnten ohne
Zwischenfälle durchgeführt werden. Auch Kanis stellt sich die Frage ob
möglicherweise durch eine andere Punktkombination bzw. durch eine andere
elektrische Stimulation ein hypalgetischer Effekt verstärkt werden könnte.
RUMPF, R. (1985): Physikalische Verfahren (Scheidendusche, Klitorismassage und
Akupunktur) zur Ovulationsbeeinflussung beim Rind.
In seinen Untersuchungen konnte Rumpf durch Akupunktur die Follikelreifung um 13
Stunden und die Ovulation um 21 Stunden gegenüber der Kontrollgruppe
beschleunigen.
ZOHMANN, A. (1989): Die Blockade des Ganglion cervicothoracicum (stellatum)
beim Hund zur Untersuchung der Beteiligung des sympathischen Nervensystems an
der Projektion eines gereizten Organes in die Ohrmuschel.
Beschrieben unter 6.5.
CHAN, W.W. (1991): Effect of electroacupuncture in boars on spermatological
parameters and seminal noradrenaline concentration.
Chan untersuchte den Einfluss von Elektroakupunktur auf die Samenqualität und die
Konzentration von Noradrenalin in der Samenflüssigkeit von Wildschweinen. Die
Beweglichkeit der Spermien erhöhte sich, es wird aber vermutet dass die Ursache
dafür die signifikant angestiegene Konzentration von Noradrenalin nach der
Akupunkturbehandlung war.
EGERBACHER, M. (1991): Anatomische und histologische Untersuchungen zur
Morphologie ausgewählter Akupunkturpunkte am Rumpf bei Rind und Hund .
Durch ihre Dissertation an der Veterinärmedizinischen Universität Wien, hat
Egerbacher weiter dazu beigetragen, die Akupunkturlehre aus dem Bereich der
paramedizinischen Heilmethoden herauszuheben und sie auf eine wissenschaftliche
Basis zu stellen. Sie geht in ihrer Arbeit davon aus, dass nicht in erster Linie die
Reizart - verschiedenste Formen der Hautreiztherapie sind seit langem auch bei uns
80
bekannt - das entscheidende Kriterium für die Wirksamkeit der Akupunktur darstellt,
sondern vor allem der Reizort. Um festzustellen ob es am Akupunkturpunkt ein
morphologisch fassbares Substrat gibt, hat sie an Rind und Hund die Struktur der
Punkteareale durch mikroanatomische Untersuchungen noch weiter aufgeklärt und
die Arbeiten von HEINE (1987, 1988, 1990) und KOTHBAUER (1961, 1984, 1990)
dadurch ergänzt. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde noch keine einheitliche spezifische
Struktur gefunden, die den Akupunkturreiz aufnimmt und verarbeitet bzw. weiterleitet.
Die wichtigste Gemeinsamkeit der an Akupunkturpunkten gefundenen Strukturen ist
die Anwesenheit von Nerven, sei es als größeres Nervenbündel, als freie
Nervenendigungen oder auch nur als perivaskulärer Plexus.
LAYROUTZ, A. (1994): Ohrakupunkturpunkte des Hundes und ihre Morphologie.
LAYROUTZ findet ähnliche Durchbruchstellen von Nerven im Ohr des Hundes.
Nach Layroutz ist es anzustreben, die letzten „weißen Flecken“ dieser diagnostisch
und therapeutisch zu nutzenden Behandlungsmethode zu erforschen, um den
wenigen noch vorhandenen Skeptikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Einer
der zentralen Fragen der Akupunkturwirkung seien die funktionell-anatomischen
Eigenschaften der Akupunkturpunkte. Dies betrifft aber nicht nur die traditionelle
chinesische Körperakupunktur, sondern auch die verhältnismäßig junge
Auriculotherapie, als deren Entdecker man den französischen Arzt Dr. Paul Nogier
bezeichnen kann. Einen Beitrag dazu soll die Arbeit von Layroutz leisten. Sie stellte
dabei von 19 Hunden verschiedener Rassen die Ohrknorpel dar und stellte dabei
eine Übereinstimmung zwischen perforierenden Gefäß-Nervenbündeln und
Projektionszonen verschiedener Ohrkarten von 70-80 % fest.
JANEZIC, E. (1996): Untersuchungen über die Beziehung zwischen Körperkontakten
während des Mutter-Kalb-Verhaltens post partum und Akupunkturpunkten.
Schon Dr. Kothbauer ist im Jahr 1990 bei der Betrachtung der am häufigsten
beleckten Stellen des Rinderkörpers in einer Abbildung von SAMBRAUS (1978) ein
Zusammenhang mit Akupunkturpunktlokalisationen aufgefallen. Außerdem erkannte
er schon, dass das soziale Lecken vor allem in der Zeit nach dem Grasen stattfindet,
und es sich bei den am meisten beleckten Stellen um Akupunkturpunkte handelt, die
der Verbesserung des Stoffwechsels und der Verdauung dienen.
81
Janezic untersucht in ihrer Arbeit das Leckverhalten der Mutterkuh nach der Geburt
und das Eutersuchverhalten des Kalbes post partum. Es wird bestätigt, dass die
Mutterkuh beim neugeborenen Kalb bevorzugt an Körperteilen leckt, an denen sich
die so genannten Notfallpunkte befinden, und dass das Kalb bei der ersten Suche
nach dem Euter, bei dem es immer wieder den Körper der Kuh berührt, jene
Lokalisationen wählt, an denen euterwirksame und die Milchejektion verbessernde
Akupunkturpunkte liegen.
WEISSENSTEINER, J. (1996): Chemische Aspekte des Akupunkturpunktes.
Laut Weissensteiner sind Akupunkturpunkte aufgrund histochemischer Befunde
durch neuronale Innervation charakterisiert. In Gewebeproben und Mikrodialysaten
von 28 Hunden, 2 Kaninchen und einem Rind wurden Konzentrationen der
Transmittersubstanzen Noradrenalin, Adrenalin und Dopamin mit
Hochdruckflüssigkeitschromatographie und elektrochemischer Detektion in
Akupunkturpunkten bestimmt.
LICKA, T. (1996): Bewegungsbild von Pferden mit Rückenschmerzen. Einfluss der
Akupunktur- Therapie auf den Bewegungsablauf.
Zum Zeitpunkt dieser Arbeit war in der Veterinärmedizin die Behandlung von
chronischen Schmerzzuständen und chronisch degenerativen Erkrankungen noch
nicht lange etabliert. Die Akupunktur hatte sich in diesem Bereich gerade in der
Humanmedizin einen Platz geschaffen, da dort die traditionellen
Behandlungsmethoden häufig wenig zufrieden stellende Ergebnisse erzielten. Da die
wirtschaftlichen Faktoren in der Pferdehaltung immer mehr an Bedeutung verloren
und die Pferdehaltung aus Liebhaberei und Freizeitbeschäftigung immer wichtiger
wurde, ist für die Veterinärmedizin ein neuer Anwendungssektor entstanden.
Die Frage die dieser Studie zugrunde liegt, lautet: Lässt sich mittels
wissenschaftlicher Methoden die Wirksamkeit der Akupunktur als Therapie für einen
spezifischen Symptomenkomplex verifizieren?
Damit fügt sich diese Studie als ein weiterer Mosaikstein in das Spannungsfeld
zwischen die Akupunktur und die westliche Schulmedizin ein.
Die therapeutische Wirksamkeit eines Akupunktur-Therapie Schemas bei
Rückenschmerzen des Pferdes wurde in 10 Fällen überprüft.
82
Die Druckschmerzhaftigkeit der untersuchten und genadelten Akupunkturpunkte
nahm bei 9 von 10 Pferden ab. Die klinische Erfassung der Rückenschmerzen ergab
eine Verbesserung bei 5 Pferden und ein Gleichbleiben bei 5 Pferden.
HABACHER, G. (2005): Systematic review of the effectiveness of acupuncture in
veterinary medicine .
Das Ziel dieser Arbeit war, anhand einer systematischen Literaturrecherche die
Wirksamkeit von Akupunktur in der Veterinärmedizin wiederzugeben und zukünftige
Forschungsfelder aufzuzeigen.
14 randomisierte klinische Studien und 17 nicht randomisierte klinische Studien
wurden in die Untersuchungen miteinbezogen.
Laut dieser Arbeit gibt es keine überzeugenden Hinweise darauf, dass Akupunktur
effektiver ist als keine Behandlung oder als konventionelle Therapieformen.
CHVALA, S. (2002): Untersuchungen über den Einsatz des "Meridiantests" aus dem
Bereich der Akupunktur zur Diagnose von Equinen Herpesvirus Typ-1 (EHV-1) -
Infektionen bei Problempferden.
Chvala setzte sich zum Ziel, herauszufinden, ob man durch palpatorische Prüfung
der Sensitivität von Akupunkturpunkten auf Meridianverläufen („Meridiantest“) die
Diagnose stellen kann, dass ein Pferd mit „poor performance syndrom“
(„Problempferd“) an einer akuten bzw. reaktivierten EHV-1 Infektion leidet.
Zwanzig Pferde mit Leistungsabfall und/oder Widersätzlichkeit bzw. auch mit
Verhaltensänderungen, wurden über den palpatorischen Nachweis bestimmter
sensitiv reagierender Akupunkturpunkte ("Herpespunkte") als "Herpes-verdächtig"
diagnostiziert. Diese und 20 weitere Pferde, die als Kontrollgruppe dienten (sie
reagierten nicht auf die "Herpespunkte") wurden einer "westlich" schulmedizinischen
Untersuchung unterzogen.
Eine eindeutige Beziehung zu einer Herpesinfektion konnte nicht bewiesen werden,
obwohl eine gewisse Tendenz dazu zu erkennen war.
83
3.6. AUSBILDUNG
Im Gegensatz zu Deutschland und in der Schweiz ist die Ausübung von Akupunktur
an Tieren in Österreich nur den Tierärzten vorbehalten. Obwohl für die Erlaubnis der
Ausübung keine weitere Qualifikation als das veterinärmedizinische Studium
Voraussetzung ist, kann das dafür nötige Wissen nur zu einem kleinen Teil an der
Universität erworben werden.
Die Akupunkturausbildung kann während des Studiums in den Vorlesungen von Prof.
Dr. Oswald Kothbauer und Dr. Karl Grohmann an der Veterinärmedizinischen
Universität Wien begonnen werden.
Die ÖGT (Österreichische Gesellschaft der Tierärzte - Sektion Ganzheitsmedizin-
Vorsitz: Dr. Harald Pothmann) bietet intensive Praxiskurse für Akupunktur und
Neuraltherapie an. Zur internationalen Anerkennung dient die Weiterbildung bei der
IVAS (International Veterinary Acupuncture Society). Man muss also nicht mehr nach
China reisen.
3.6.1. Vorlesungen an der Veterinärmedizinischen Universität Wien
Zunehmendes Interesse an der Veterinärakupunktur durch praktizierende Tierärzte,
wie auch Bemühungen seitens des Lehrkörpers und auch der Studenten an der
Veterinärmedizinischen Universität in Wien, haben dazu geführt, dass im Jahre 1980
ein Lehrauftrag: "Akupunktur und Neuraltherapie in der Gynäkologie und Geburtshilfe
des Rindes - spezielle Akupunkturlehre" geschaffen wurde. Mit den Vorlesungen
wurde Doz. Dr. Oswald Kothbauer beauftragt. Ab dem Jahr 1987 beteiligte sich Dr.
Zohmann als freier Mitarbeiter an den Vorlesungen von Dr. Kothbauer. Die
Vorlesungen wurden an der Klinik für Geburtshilfe, Gynäkologie und Andrologie an
der Veterinärmedizinischen Universität Wien abgehalten. Auf allgemeinen Wunsch
wurde mit Beginn des Studienjahres 92/93, ein weiterer Lehrauftrag für einschlägige
Übungen am Lehr- und Forschungsgut Merkenstein in Niederösterreich eingerichtet.
Im Jahr 2000 hat Dr. Grohmann begonnen die Vorlesung: „ Einführung in Akupunktur
und Neuraltherapie“ zu halten.
84
Vorlesungen an der Veterinärmedizinischen Universität zum heutigen Zeitpunkt
(2012):
Einführung in die Akupunktur und Neuraltherapie. Dr. Karl Grohmann und Dr. Marion
Müller. Klinische Abteilung für Interne Medizin Kleintiere.
3.6.2. Kurse für Tierärzte
3.6.2.1. ÖGT
Die Sektion Ganzheitsmedizin der ÖGT (Österreichische Gesellschaft der Tierärzte)
bietet ein Curriculum in Traditionell Chinesischer Veterinär-Akupunktur (TCVM) und
Neuraltherapie (NT) an.
Dieser Kurs ist für Tierärzte und für Studenten im letzten Studienjahr zugelassen.
Durch die stark gestiegene Dichte an Informationen und Erfahrungen wurde der
Lehrgang im letzten Jahr auf sieben Kurse erweitert, die folgende Themen
beinhalten:
Einführung in die Veterinärakupunktur nach Traditionell Chinesischer Medizin (TCM)
und Neuraltherapie (NT)
Grundlagen der Neuraltherapie und Laser(aku)punktur in Theorie und Praxis
Kulturgeschichte der TCM
Chinesisches und westliches Denken
Yin und Yang, die fünf Elemente
Die vitalen Substanzen
Die inneren Organe
Krankheitsursachen
Substanzmuster
Die acht Leitprinzipien
Akupunkturpunkte (Auswahl, Stichtechniken)
Meridiane
Energieflüsse
Praktikum am Kleintier (Hund), Pferd und Rind
Ausblick auf verwandte Techniken (Moxa, Ohr-Akupunktur, Goldimplantate,
Kräutermedizin, manuelle Medizin)
85
Diese Kurse sind inhaltlich den Anforderungen der I.V.A.S. (International Veterinary
Acupuncture Society) angepasst und entsprechen den internationalen Standards. Ein
Unterschied besteht aber darin, dass die Akupunkturkurse mit Neuraltherapie und mit
der westlich-wissenschaftlichen Akupunktur verbunden werden. Das soll den
praktisch umsetzbaren Wert erhöhen und das Verständnis für die pathologischen,
diagnostischen und therapeutischen Abläufe erleichtern.
3.6.2.2. I.V.A.S.
Auch für die Kurse der I.V.A.S. (International Veterinary Acupuncture Society) sind
nur Tierärzte und Studenten der Veterinärmedizin im letzten Studienjahr zugelassen.
Zurzeit findet in den USA einmal pro Jahr ein Basiskurs statt, der aus 120 Stunden in
konzentrierten theoretischen Einheiten und 4-5 Wochenenden mit praktischen
Übungen innerhalb eines Jahres besteht. Nach einem dreistündigen Abschlusstest
und der Präsentation von 5 detaillierten Fallberichten, werden die Absolventen als
befähigt angesehen, Veterinärakupunktur auszuüben.
Darauf aufbauend können sowohl Akupunkturkurse für Fortgeschrittene, als auch
Kurse, die die chinesische Kräuterlehre behandeln, besucht werden.
Auch in Europa gibt es eine der IVAS angeschlossene Organisation, die GERVAS
(German Veterinary Acupuncture Society) in Deutschland. Nach abgeschlossenem
GERVAS Basiskurs erhält man die Bezeichnung „IVAS Certified Veterinary
Acupuncturist“.
3.6.3. Fachtierarzt für Akupunktur und Neuraltherapie
Da nach Ansicht der österreichischen Tierärztekammer die Akupunktur und
Neuraltherapie in der Veterinärmedizin in Österreich ein Niveau erreicht hat, das
zumindest europaweit als führend bezeichnet werden muss, wurde im Jahr 1994 die
Möglichkeit zum Erwerb des Titels Fachtierarzt für Akupunktur und Neuraltherapie
eingeführt. Der wachsenden Bedeutung in der Praxis und der führenden Tätigkeit
von österreichischen Tierärzten auf diesem Fachgebiet sollte mit der Schaffung
dieses Titels Rechnung getragen werden.
Erste Träger dieses Titels waren Dr. Zohmann und Professor Dr. Kothbauer.
86
Voraussetzung für den Antritt zur Prüfung ist neben dem abgeschlossenen Studium
der Veterinärmedizin und der mindestens 5 jährigen tierärztlichen Tätigkeit, die
fachspezifische praktische und theoretische Weiterbildung. Dazu empfiehlt die
Tierärztekammer dem Prüfungssenat, die Vorlesungen an der VUW und an anderen
Universitäten in Deutschland und der Schweiz anzuerkennen. Weiters muss der
Besuch von einschlägigen Seminaren, Kursen, Tagungen oder postgraduaten
Lehrgängen in der Dauer von mindestens 50 Stunden pro Jahr über wenigstens 3
Jahre nachgewiesen werden. Die Tierärztekammer empfiehlt dem Senat auch die
Veranstaltungen der Österreichischen Gesellschaft der Tierärzte, Sektion
Ganzheitsmedizin, anzuerkennen.
Zusätzlich müssen zwei einschlägige wissenschaftliche Arbeiten und ein
einschlägiger wissenschaftlicher Vortrag im Rahmen einer Tagung, eines Kurses,
eines Seminars oder einer Lehrveranstaltung nachgewiesen werden.
3.7. FACHLICHE VERTRETUNG
3.7.1. Die Sektion Ganzheitsmedizin der Österreichischen Gesellschaft der Tierärzte
3.7.1.1. Entstehung
1989 wurde von Dr. Andreas Zohmann bei der Vollversammlung der
Österreichischen Gesellschaft der Tierärzte ein Antrag zur Gründung der Sektion
Akupunktur, Neuraltherapie und Homöopathie eingebracht. Zum Anlass für diesen
Antrag nahm er eine von ihm österreichweit durchgeführte Befragung von tierärztlich
tätigen Klinikern und Praktikern, Assistenten und Professoren der
Veterinärmedizinischen Universität Wien, sowie von humanmedizinischen
Wissenschaftlern. Dieser Antrag wurde mit nur einer Gegenstimme angenommen.
Neun Jahre später war diese Sektion mit 235 Mitgliedern die mitgliederstärkste der
Österreichischen Gesellschaft für Tierärzte und gilt seit ihrer Gründung auch als
aktivste.
Die Grundintention der Sektion ist, praktikable und wirksame Methoden (teilweise
aus dem Dunstkreis der sogenannten „Alternativmedizin“) in den allgemeinen
Praxisalltag von Tierärzten zu integrieren. Nach Dr. Zohmann gelingt das nicht durch
puritanisches Festhalten an Prinzipien aus den Anfangszeiten der Akupunktur in
87
Österreich, sondern durch Forschung, Lehre und Praxis auf Basis des heutigen
Wissenschaftstandes.
Auf diesen Hintergrund bauend wurden ab 1991 von der Sektion die ersten Kurse
für Akupunktur und Neuraltherapie durchgeführt.
Seit 1980 hält Prof. Dr. Kothbauer Vorlesungen über die Akupunktur, heute verfügt
die Sektion über zwei Lehraufträge zur Akupunktur, sowie auch für Homöopathie und
Phytotherapie an der Veterinärmedizinischen Universität Wien.
Im Jahr 2000 wurde von der Sektion in Wien der jährliche IVAS – Kongress
durchgeführt (ZOHMANN ,1998).
Seit 1989 hat die Sektion den Titel „Akupunktur, Neuraltherapie, Homöopathie“ inne.
Später hat sich das Institut für Angewandte Botanik der Sektion angeschlossen und
den Fachbereich „Phytotherapie“ eingebracht. Daraus hat sich eine Diskussion um
die Namensgebung der Sektion entwickelt, da eine Aufzählung der einzelnen
Disziplinen zu einem ,,Wortmonster" geführt hätte.
Sowohl den bereits bestehenden und universitär gelehrten Sparten, wie auch den
Außenseitern (Bioresonanz, Bachblüten etc.) sollte Raum geboten werden. Jenen
Außenseitern nämlich, bei denen sich durch den Erkenntnisstand in Zukunft eine
Aufnahme in die Sektion anbieten kann.
Aus diesen Überlegungen heraus wurde die Sektion umbenannt, zunächst in Sektion
für Komplementäre Veterinärmedizin, und heißt heute Sektion Ganzheitsmedizin
(KASPER,1998).
3.7.1.2. Definition
Die Sektion und vor allem seine gewählte Vertretung sehen sich als Bindeglied, zum
einen zwischen den veterinärmedizinischen Universitäten und den praktizierenden
TierärztInnen und Studenten, zum anderen zwischen der westlich-wissenschaftlichen
Tiermedizin und der Ganzheitsmedizin bzw. der Naturheilkunde.
Die Kernaufgabe liegt in der Erforschung von ganzheitlichen Phänomenen, sowohl
was die Entstehung von Erkrankungen angeht, als auch die Diagnostik und Therapie
dieser Erkrankungen. Diese Forschungstätigkeiten sollen angeregt, in Gang gehalten
und veröffentlicht werden.
88
Das Augenmerk der Sektion wird zum einen auf die Grundlagenforschung in den
traditionellen Methoden wie Akupunktur, Neuraltherapie und Homöopathie gelenkt.
Auf der anderen Seite soll die Sektion aber auch ein offenes Forum zur Darstellung
und Diskussion für neue Methoden sein, die sich einer wissenschaftlichen
Beurteilung bislang entziehen.
Um das vorhandene Wissen über diese Methoden auch praktizierenden Tierärzten
und Studenten zugänglich zu machen, werden Lehrveranstaltungen und Seminare
abgehalten.
Des Weiteren ist es ein Anliegen der Sektion, diese Methoden durch fundierte
Argumentation gesellschaftlich zu verankern und sie so einem breiteren Publikum
bekannt zu machen.
3.7.1.3. Ziele
Die Sektion Ganzheitsmedizin der ÖGT hat sich zum Ziel gesetzt die
Wirkmechanismen verschiedenster Phänomene zu erforschen und zu verifizieren.
Das soll zum Teil in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit humanmedizinischen
Vereinigungen bzw. Instituten geschehen. Als Beispiele wären hier das Ludwig
Boltzmann-Institut für Akupunktur oder die Gesellschaft für Matrixforschung zu
nennen.
3.7.2. IVAS - International Veterinary Acupuncture Society
Der erste Zusammenschluss von Akupunkteuren zu einer Gruppe im westlichen
Kulturkreis erfolgte im Jahr 1974 in Kalifornien. Eine Gruppe von Tierärzten gründete
die „National Association of Veterinary Acupuncture (NAVA). Die Tierärzte wurden
damals vom kalifornischen Veterinary Medical Board unter Druck gesetzt, ihre
Akupunktur-Anwendung zu legitimieren. Die Organisation hatte nur vier bis fünf Jahre
Bestand (SCHOEN, 2003).
Etwas später im selben Jahr (1974) wurde die einzige heute bestehende
internationale Organisation für Veterinärakupunktur in Georgia gegründet. Die
Gründungsmitglieder waren Marvin Cain, David Jaggar und Grady Young.
Ihre Mitglieder und Kontakte erstrecken sich über 38 Länder.
89
Ihre Ziele sind die volle Integration der Veterinärakupunktur in die
Veterinärwissenschaften und die internationale Standardisierung der Ausbildung.
Dazu werden in Ländern, die daran interessiert sind, von der IVAS Basiskurse
angeboten.
90
4. DISKUSSION
Obwohl die Akupunktur mittlerweile einen hohen Stellenwert in der kurativen Medizin
einnimmt und durch die klinisch-morphologischen Untersuchungen der Struktur-
Wirkungsbeziehungen auch ein wissenschaftlich anerkanntes Forschungsfeld
darstellt, herrscht gegenüber dieser Behandlungsmethode oft noch große Skepsis.
Diese reservierte Haltung könnte ihre Ursache in der Entwicklungsgeschichte der
modernen Veterinärakupunktur haben, genauer gesagt in dem Zusammenspiel
zwischen der Rezeption traditioneller chinesischer Medizin und dem Einfluss westlich
orientierter, wissenschaftlicher Forschung.
Es ist eine Tatsache, dass heutzutage auch auf dem Gebiet der Veterinärmedizin
medizinische Behandlungsmethoden gefordert werden, die auf der Grundlage von
empirisch nachgewiesener Wirksamkeit ausgewählt wurden. Aus der
Entwicklungsgeschichte der Veterinärakupunktur in Europa, lässt sich ableiten, dass
erst die Bemühungen die Lehre der Akupunktur auf eine wissenschaftlich fundierte
Basis zu stellen, zur Anerkennung derselben beitragen.
Nachdem die ersten gesicherten Informationen über Akupunktur, die auch zur
Anwendung dieser Methode führten im 17.Jahrhundert aus China nach Europa
kamen, kam es immer wieder zu einem Aufflackern des Interesses an diesem Teil
der Medizin. Bis zum 20. Jahrhundert konnte sich die Akupunktur in Europa aber
nicht etablieren. Gründe dafür könnten sein, dass die wissenschaftliche Forschung in
Europa noch nicht in der Lage war, Erklärungen oder Anleitungen zur Anwendung
der Akupunktur zu geben, und auch die chinesische Lehre nur bruchstückhaft zu den
Anwendern durchgedrungen war.
Wahrscheinlich wurde auch schon vor dem 20.Jahrhundert versucht in
wissenschaftlicher Art und Weise an die Thematik heranzugehen. SCHIPPERS
(1993) ist der Meinung, dass sich in Anton Haynes Arbeit aus dem 19. Jahrhundert
durchaus Hinweise darauf finden, dass er sich intensiv mit der Technik und den
Grundlagen der Akupunktur auseinandergesetzt hat. SCHIPPERS (1993) ist der
Meinung, dass die Veterinärmedizin einen großen Anteil daran hat, dass in Europa
die Akupunkturgeschichte eingeleitet wurde. Er weist darauf hin, dass französische
91
Tierärzte schon im 19.Jahrhundert die Arbeit ihrer humanmedizinischen Kollegen als
unqualifiziert erkannten und sich bemühten ihre eigene Arbeit im Rahmen ihrer
damaligen Möglichkeiten wissenschaftlich abzusichern.
Laut SCHOEN (2003) ist die Entfaltung der Veterinärakupunktur im Westen drei
europäischen Tierärzten zu verdanken, nämlich dem Deutschen Dr. Erwin
Westermayer, Dr. Milin aus Frankreich und Dr. Oswald Kothbauer aus Österreich.
Alle drei begannen in den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts unabhängig
voneinander auf diesem Gebiet zu arbeiten.
SCHOEN (2003) gibt an, dass auch Dr. Kothbauer vor allem deswegen erfolgreich
war, weil er sich zunächst mit der Neuraltherapie eine wissenschaftliche Grundlage
erarbeitete und erst später die Beschäftigung mit der Akupunktur aufnahm. Dr.
Kothbauer erforschte in erster Linie an Rindern in empirischer Arbeit
Akupunkturpunkte, die in Bezug zu inneren Organen stehen. Erst nachdem er seine
Erkenntnisse schon lange erfolgreich in der tierärztlichen Praxis eingesetzt hatte,
konnte er durch eine Reise nach China die chinesische Lehre aus eigener Erfahrung
kennenlernen. Durch ihre wissenschaftliche Erforschung der morphologischen
Grundlagen und Wirkungsmodalitäten der Akupunktur leisteten Dr. Kothbauer und
seine Kollegen einen wesentlichen Beitrag zur Anerkennung der Akupunktur in
Österreich.
Nicht zu vergessen ist die Rolle, die das Institut für Anatomie der
Veterinärmedizinischen Universität in der Auseinandersetzung mit den
morphologischen Aspekten der Akupunktur spielte. Prof. Schreiber und seine Schüler
lieferten durch ihren neuroanatomischen Forschungsschwerpunkt schon für Dr.
Kothbauer wesentliche Erkenntnisgrundlagen und auch die jüngeren Protagonisten
der österreichischen Akupunktur wie Zohmann, Grohmann, Ganzberger und Kasper
stammen in ihren akademischen Anfängen durchwegs aus dem Umfeld der Wiener
Veterinäranatomie. Auch die mikroskopische Morphologie von Akupunkturpunkten in
der Veterinärmedizin konnte von der österreichischen Histologin Monika Egerbacher
in wesentlichen Punkten geklärt werden (EGERBACHER, 1991).
Durch die vielen Studien die im 20.Jahrhundert durchgeführt wurden, konnte eine
gute Basis gelegt werden, damit die Akupunktur als Teil der modernen Medizin
akzeptiert wird.
92
Für die weitere Entwicklung müssen aber noch weitere wichtige Schritte getan
werden.
Durch die Forderung nach Behandlungsmethoden, die auf der Grundlage von
empirisch nachgewiesener Wirksamkeit ausgewählt wurden, rücken natürlich auch
die Methoden mit denen diese Studien durchgeführt werden in den Blickpunkt von
Kritikern.
Ein immer wieder genannter Kritikpunkt von Gegnern dieser Methode ist, dass die
Qualität vorhandener Studien, die deren Wirksamkeit belegen sollen, in
Metaanaylsen und Reviews oft massiv bemängelt wird.
NICKEL (2005) kommt sogar zu dem Schluss, dass eine hohe Studienqualität
negativ mit der Effektivität der untersuchten Maßnahme korreliert.
HABACHER (2005) kommt in ihrer Dissertation „Systematic review of the
effectiveness of acupuncture in veterinary medicine” zu dem Schluss, dass die
Qualität der überprüften Studien sehr niedrig war. Auch konnte die Wirksamkeit der
Akupunktur nicht belegt werden.
Die Kritik der mangelnden Qualität betrifft auch die vom deutschen Cochrane
Zentrum zur Verfügung gestellten Arbeiten (MOLSBERGER et al., 2002).
Das Cochrane Zentrum möchte Arbeiten zu Themen aus allen Gebieten der Medizin
zur Verfügung stellen und will am Gesundheitswesen beteiligten Personen eine
wissenschaftlich fundierte Informationsgrundlage bieten. Das Ziel soll sein den
aktuellen Stand der klinischen Forschung objektiv beurteilen zu können.
Wegen der massiven Kritik an bis jetzt durchgeführten Studien wurde Anfang 2002
in Deutschland begonnen, die GERAC-Studien zur Akupunktur (German
Acupuncture Trials) durchzuführen. Damit wollten die deutschen Krankenkassen
feststellen, ob und in welchen Bereichen die Akupunktur tatsächlich wirkt. Verglichen
wurde dabei chinesische Akupunktur mit Sham-Akupunktur als Kontrollgruppe
(stechen an Nicht-Akupunkturpunkten) und mit etablierten Standardtherapien
(MOLSBERGER et al., 2002).
In den Ergebnissen zeigte sich die Akupunktur den Standardtherapien überlegen,
sowohl bei Migränepatienten (ENDRES et al., 2007a) als auch bei orthopädischen
Indikationen (ENDRES et al., 2007b), allerdings konnte nicht zwischen chinesischer
93
Akupunktur an Standardakupunkturpunkten und Sham-Akupunktur unterschieden
werden.
Diese Ergebnisse lassen weiterhin viel Diskussionsspielraum sowohl für die Gegner
als auch für die Befürworter der Akupunktur offen und zeigen, dass das
Grundproblem, ein traditionelles auf Erfahrungswerte basierendes Therapieverfahren
auf das Konzept der westlichen evidenzbasierten Medizin zu übertragen, bis jetzt
noch nicht ganz gelöst werden konnte.
Diesen Schwierigkeiten zum Trotz bleibt es eine Tatsache, dass es für die weitere
Entwicklung und Akzeptanz der Akupunktur unumgänglich ist, die Forschung auf
einen evidenzbasierten Level zu bringen. Placebokontrollierte, doppeltverblindete
Studien mit entsprechenden Patientenzahlen unter Verwendung von objektiven
Messmethoden sind für zukünftige Studien daher anzustreben.
94
5. ZUSAMMENFASSUNG
Die Akupunktur ist eine sehr alte Methode und hat schon früh Spuren hinterlassen.
Die älteste ist eine ca. 5000 Jahre alte Gletschermumie aus Tirol – Ötzi, aber auch
aus Ägypten, China und Südamerika sind frühe Zeugnisse von Akupunktur erhalten.
Die Verbreitung der Akupunktur in die ganze Welt begann aber in China im 19. Jhd.
Vor dem 17. Jh. finden sich in Europa nur sehr wenige Hinweise auf die Akupunktur,
diese mehren sich im 17. Jh., es kommt jedoch noch nicht verbreitet zur Anwendung.
Im 19. Jh. wird die Akupunktur, ausgehend von Frankreich, wieder bekannt und wird
auch in Europa auf die Veterinärmedizin übertragen. Die ersten Veröffentlichungen
zu diesem Thema erscheinen auch in Österreich, jedoch kann sich diese Methode
erneut nicht durchsetzen.
Erst im 20.Jh. kann sich die Akupunktur endlich etablieren und in der Medizin als
diagnostische und therapeutische Methode durchsetzen. Von Frankreich ausgehend
über Deutschland erreicht die Lehre Österreich. Währenddessen hat aber schon
unabhängig von chinesischer und französischer Lehre ein österreichischer Tierarzt
damit begonnen in mühseliger Kleinarbeit und aus eigener Kraft die Akupunktur für
Tiere neu zu entdecken: Dr. O. Kothbauer – er wird zu einer maßgeblichen Figur für
die Entwicklung der Akupunktur in Österreich. In Zusammenarbeit mit Prof. J.
Schreiber, der das Nervensystem des Rindes erforschte, hat Kothbauer die Basis für
die Akupunktur beim Rind geschaffen. Fast zur gleichen Zeit beschäftigt sich Dr. F.
Brunner mit der Akupunktur bei Kleintieren und schreibt ein Buch zu diesem Thema
das lange Zeit als Standardwerk gilt. Dr. A. Zohmann beschäftigt sich mit der
Ohrakupunktur und war unter anderem maßgeblich daran beteiligt die heutige
Sektion Ganzheitsmedizin der ÖGT zu gründen, den Fachtierarzt für Akupunktur und
Neuraltherapie zu schaffen und auf der Universität eine Regulationsambulanz zu
gründen. Andere österreichische Tierärzte, die heute noch selbst aktiv und in der
Lehre tätig sind, konnten sowohl die chinesische Lehre in die österreichische Lehre
der Akupunktur einbringen, als auch dazu beitragen diesen Teil der Medizin weiter zu
etablieren.
95
6. EXTENDED SUMMARY
Acupuncture is an ancient technique which traces back to the early times. The first
trace is a 5000 year old mummy from a Tyrolean glacier. Known as Ötzi the Iceman,
Similaun Man and Man from Hauslabjoch, this well preserved mummy was found in
1991 on the border between Italy and Austria. Ötzi had several carbon tattoos around
both ankles, behind the right knee and on both sides of the lumbar spine. It has been
speculated that the use of these tattoos was pain relief, their function similar to
acupuncture. The previously known earliest use of acupuncture in China is at least
2000 years later.
However, an early trace of acupuncture also was found in Egypt. A veterinarian
papyrus that contains evidence of acupuncture was found by Flinders Petrie in El-
Lahun as a part of a 3800 years old collection of papyri.
For sure, China is widely known as the country of origin for acupuncture but only has
a recorded history of about 2000 years. But it seems to be safe to assume that
acupuncture was used in China for at least 4000 years.
The actual spreading of acupuncture to the entire world originated definitely in China
in the 19th century. Up until the 17th century only very few signs of acupuncture can
be found in Europe. These traces increase in the course of the 17th century; even so,
there is not yet wide spread application. A still very well known illustration from this
period is the “Lassrösslein”.
Based in France, Acupuncture becomes more apparent again in the 19th century and
starts to get used in Veterinary Medicine. Also in Austria the first publications appear,
the first written mention of acupuncture was published by Anton Hayne in 1833.
However, acupuncture does not gain stable recognition in European medicine again.
Not earlier than in the 20th century acupuncture becomes a well accepted part of
medicine for diagnostic and therapy. Originating in France, scientific acupuncture
reaches Germany and then Austria.
After World War II, independent of the French and Chinese traditions, an Austrian
veterinarian starts to discover the principles of acupuncture on his own: Dr. Oswald
Kothbauer – one of the most important persons for the development of acupuncture
in Austria. In cooperation with Dr. J. Schreiber, who delves into the nervous system
of cattle, Kothbauer provides basic empiric evidence for the acupuncture of cattle. He
96
taught acupuncture in the University of Veterinary Medicine in Vienna to a great
number of students and gave lectures all over the world.
Almost at the same time, Dr. F. Brunner deals with the acupunctural treatment of
small animals and publishes a book about small animal acupuncture that becomes
the standard reference for a long time.
Dr. A. Zohmann deals with auriculotherapy and makes significant contributions in
founding the compartment of holistic medicine in the Austrian Association of
Veterinarians and in creating the title „Specialist in Acupuncture and neural therapy“
for Veterinarians who passed a special examination. He also founds the department
of „Regulationsmedizin“at the University of Veterinary Medicine in Vienna.
Other Austrian veterinarians, who are still active in treating animals and also in
teaching, were able to bring in the Chinese science of acupuncture and to improve
the establishment of this part of medicine in Austria. The basic acupuncture course of
the section Ganzheitsmedizin of the Austrian Veterinary Society has become an
inherent part of the course offers for veterinarians in Austria.
Another step in the right direction is the demand for evidence based medicine.
Current Studies, e.g. published by the Institute of Physiotherapy and Rehabilitation of
the University of Veterinary Medicine in Vienna, stay abreast of these changes.
Keywords: acupuncture, veterinary, Austria, history
97
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