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Die Chagall Fenster
Die Synagoge des Hadassah Krankenhauses wurde am 6. Februar 1962 während der Hadassah goldenen
Jubiläumsfeier eingeweiht. Die Fußböden und Innenwände sind aus Jerusalemstein und die Synagoge ist
durch eine hängende Lampe und durch das Sonnenlicht, welches durch die grandiosen Chagallfenster
strahlt, erleuchtet.
Chagall sagte über diese Fenster: „In diesen Fenstern wollte ich das Mysterium und die Spiritualität zum
Ausdruck bringen, die ich in Israel zutiefst empfinde. Auch nachdem ich dies zu erreichen suchte, habe ich
noch immer keine Theorie für meine Arbeitsweise. Ich habe nicht versucht, irgendeiner Theorie zu folgen.
Gott schuf den Menschen ohne eine Theorie, und Kunst wird am besten ohne eine Theorie hervorgebracht.
Das einzige, was in unserer Macht liegt, ist für die Kunst zu arbeiten. Das übrige erledigt Gott.“
Die Schöpfung dieser Fenster war eine Arbeit der Liebe für Chagall und für seinen Assistenten, den Glas-
künstlermeister Charles Marq, welche an diesem Projekt 2 Jahre kostenlos arbeiteten. Marq entwickelte eine
besonderes Verfahren für die Behandlung der Farbstoffe auf Glas, das Chagall die Möglichkeit gab, sogar 3
verschiedene Farben auf einer ununterbrochenen Glasfläche zu benutzen, anstatt nach traditioneller Technik
jede Farbglasfläche durch Bleistreifen abzusondern. Um sicher zu sein, dass jedes Fenster das richtige Licht
erhält, kam Marq nach Jerusalem und probierte aus, wo jedes Fenster aufgestellt werden sollte.
Die Fenster stellen die 12 Söhne des Patriarchen Jakobs (Genesis Kapitel 35, Verse 22-26) dar, der später
von Gott den Namen Israel erhielt, aus denen die zwölf Stämme Israels hervorgegangen sind. Die Chagall-
fenster sind mit Tieren, Fischen, fließenden Objekten und zahlreichen jüdischen Symbolen ausgestattet. Um
die Bedeutung der Fenster völlig zu verstehen, muss man Chagalls tiefe
Verbundenheit mit der jüdischen Geschichte, ihren Tragödien und ihren
Siegen verstehen, wie auch seine persönliche Erfahrung in Vitebsk, wo er
geboren und erzogen wurde. Chagall sagte: „Während der ganzen Zeit mei-
ner Tätigkeit fühlte ich, wie mir mein Vater und meine Mutter über die
Schultern schauten, und hinter ihnen standen Juden, Millionen vergangener
Juden von gestern und von vor tausend Jahren.“
Jedes Fenster ist 3,40 Meter hoch und 2,50 Meter breit. Die Motive der
Kunstwerke beziehen sich auf das 1. Mose, Kap. 49 (Segenssprüche Jakobs
für seine 12 Söhne) und das 5. Mose, Kap. 33 (Segnungen Moses für die
zwölf Stämme Israels). Die Glasfarben wählte Chagall nach den Anweisun-
gen Moses für die Priestergewänder: Blau, Rot, Grün und Gold oder Gelb
(2. Mose, Kap. 28).
©wikipedia
Aus dem tiefer gelegenen Innenraum erheben sich die Fenster in einem Quadrat, an jeder Seite mit drei
Fenstern, so wie sich die Stämme Israels auch um die Bundeslade gruppierten, und sind dann von außen
ebenerdig zu betrachten. Wer in die Synagoge eintritt, wird einige Stufen hinuntersteigen und dann in die
Krone der Fenster heraufschauen, denn es heißt „Aus der Tiefe rufe ich HERR zu Dir.“ Chagall hat einmal
gesagt: „Diese Synagoge soll eine Krone für die Königin der Juden sein, und die Fenster werden die Juwe-
len in dieser Krone sein …. In diesen Fenstern leuchtet das Licht des Himmels und die Anteilnahme des gu-
ten Herrn.“
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Nordseite: 1. Ruben, 2. Simeon, 3. Levi
1. Ruben (von Lea) ; hebr. „Seht ein Sohn“
Interpretation: Dominierende Farbe: blau: Ruben fuhr leichtfertig dahin
wie das Wasser = instabil wie Wasser
Gefühl der Macht und Schöpferkraft = Anfang der Familie Jakob
Sonne = Segen Jakobs eingeschrieben oder Sonnenaufgang = Erstgeborener
Ruben = Meine Macht und die erste Frucht meiner Kraft
Fisch ist das Symbol der Fruchtbarkeit
Roter Kopf und gelber Schnabel: seine Macht
Unter Wasser, weil er überschwoll
Re: unten rote Kinderblume = Alraune = Kraft + Heil
2. Simeon (von Lea); hebr. Erhöhung
Interpretation: Härteres blau: Seine Schwerter sind mörderische
Waffen. Simeon und Levi die Brüder, Geräte der Unbill ihre Karste! …
Fluch ihrem Zorn, dass er trotzt, ihrem Grimm, dass er so hart ist …“
Vernichtung der Erde und das Leben. Erdball in der Mitte bedroht untere
Häuser.
Re und li oben kleinere Planeten: Simeon und Levi zerstreut.
Oben Pferd=Macht
Darunter Baum mildert die Macht ab
3. Levi (von Lea); hebr. Zuwendung, Leihgabe
Interpretation: Gelb= Wärme und Heiligkeit. Die Söhne waren die
Priester im Tempeldienst in Jerusalem
Gesetztafel ist die Segnung Levi aufgeschrieben
Goldene Sittenregel in goldenem Glas
Oben Davidstern wird von 2 Vögeln bewacht.
Links: Taube
Rechts: Vogel mit zwei winzige Hörnern - Symbol der Weisheit
Früchtekorb = Niederlegung der Früchte auf den Altar im AT
Gesetzestafeln als Licht, Heiligkeit des Schabbat
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Westseite: 4. Juda, 5. Sebulon, 6. Issachar
4. Juda (von Lea); hebr. Ich will den Herrn preisen/Lob
Interpretation: Das Haus Davids entsprang diesem Stamm. Der rote
Hintergrund des Fensters bezieht sich zweifellos auf den Wein in Ja-
kobs Segen. Aber es kann auch auf ein königliches Purpurkleid ge-
schlossen werden. Rot = loderndes Feuer, Zepter und Krone; Name
Juda auf der Krone eingezeichnet. Die Bedeutung der Krone in der
Spitze ist offensichtlich. So ist der Löwe an der Unterseite.
Die Hände erinnern uns an den Vers "Obwohl seine eigenen Hände
streben für ihn" und "Deine Hand wird auf dem Nacken deiner Feinde
sein." Gleichzeitig werden die beiden Hände in der Art und Weise des
priesterlichen Segens erhoben.
Hinter dem Löwen befindet sich die Stadt von Jerusalem.
Chagall unterzeichnete dieses Fenster in hebräisch.
5. Sebulon (von Lea); hebr. Wohnung
Interpretation: unten links purpurn und grün schimmerndes Schiff - seine Fahrt durch die rote See einer untergehenden purpurnen
Sonne entgegen. Sebulons kleines Boot führt Chagalls Vertrauen in das
Morgen mit sich. Nach Auslegung der Weisen wollte Jakob, dass Se-
bulon Handel treibe, um Issaschar, den künftigen Gelehrten der Fami-
lie, unterstützen zu können. Mitte: 2 große Fische = Fruchtbarkeit =
Fülle und das Gute im Land. Es segelt einer Zukunft des Friedens, der
Brüderlichkeit und Liebe, entgegen. Sebulons Nachkommen erlangten
Berühmtheit durch die Glasherstellung.
6. Issaschar (von Lea); hebr. Er gibt Lohn, Lohnarbeiter
Interpretation: Grün, da es einen Landwirtschaft treibenden Stamm
zeigt. Das ganze Fenster ist angefüllt mit den Schätzen des Feldes, mit
Früchten, Blumen und Weinreben, mit Weizen mit Gerste.
Unten: Lagernder Esel mit blauem Kopf und sanfte, beinahe weibliche
Augen. Auf seinem Rücken ein kleiner Vogel; über seinem Kopf wei-
den Schafe, dahinter ragt ein Hirtenstab auf.
Sich windende Schlangen = alte Symbole der Fruchtbarkeit und Weis-
heit. Volk der Gelehrten, die lieber doppelt Steuern zahlten als in den
Krieg zu ziehen.
2 segnende Hände (li. Farbe des Smaragds – re. scharlachrot) in einan-
der verschlungen und deuten auf den eingravierten Segen in dem wei-
ßen Zelt hin: "Issachar“, freue dich deiner Zelte.
Hier: unten im blauem Fenster Einschußloch vom 6-Tage-Krieg.
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Ostseite: 7. Dan, 8. Gad, 9. Asser
7. Dan (von Rahel Magd), hebr. „Gott hat Recht verschafft“
Interpretation: Gelber Fleck wirkt wie ein Fenster im Fenster. Harmonie in
der Vielfalt, an der wir uns erfreuen (= Kunst Chagalls).
In hebräisch von oben nach unten geschrieben: Dan dient um Recht seinem
Volk, wie nur einer von Israels Zweigen.
Unten auf der linken Seite in Hebräisch: Israel
Schlange: „eine Schlange … die beißt die Fersen des Rosses und rückwärts
stürzt sein Reiter.“ Schlange scheint vor der Gefahr des gezückten Schwer-
tes und der Pferde beschützen zu wollen (re unten).
Beide Vögel ganz oben scheinen Gut und Böse, Licht und Dunkelheit, Tag
und Nacht zu symbolisieren.
8. Gad (von Leas Magd Silpha), hebr. „mein Glück kehrt zurück“
Interpretation: Es stürmen Pferde und Waffen türmen sich durcheinander
– ein Fenster des Krieges. Der dunkelgrüne Hintergrund ist vom Rot des
blutigen Schlachtgetümmels zerrissen.
Wie ein Traum, der zum Albtraum wird.
Die meisten Tiere sind in Bewegung, als fliehen sie vor einer Gefahr.
Friedenstaube oben rechts liegt tot auf dem Rücken.
Mitte und unten: Krieg und Zerstörung
Oben: wird der Kriege zu einem siegreichem Ende geführt. Jakob hat vor-
hergesagt, dass sein Sohn Gad zuletzt siegen werde. Sollten auch Feinde
über ihn herfallen, er würde Niederlage in Sieg umwandeln.
9. Asser (von Leas Magd Silpha), hebr. „glücklich, froh“ Das Fenster in sanftem Grün trotzt vor üppigem Wuchs der Weinreben und
Olivenbäume und von der Fruchtbarkeit des Bodens. Neben Früchten im
Überfluss enthält es den Ölkrug mit Vogelkopf mit einem menschlichen
Auge.
Oben: Roter Vogel: im Schnabel Olivenzweig = Botschaft des Friedens
und des Wohlstands.
Mitte: Farbenprächtiger, königlicher Vogel, dessen Kopf eine Krone ziert.
Ihn umgeben die dem König bereiteten Leckereien. Darunter in hebräisch:
Seine Nahrung ist Fettigkeit, Königsleckereien gibt er her.
Unten: Mitte: Öl speist die Flammen eines brennenden Leuchters, der sei-
ne Strahlen des Lichts und der Hoffnung allen jenen sendet, die auf die
Botschaft des Friedens hören.
Asser lebte in einem Teil des Heiligen Landes, der für seine Olivenbäume
und das Öl seiner Oliven bekannt war. Öl war in biblischer Zeit etwas sehr
Wertvolles. Es diente zur Beleuchtung, zum Kochen und zur Bereitung der
Speise.
Verspielte Tiere erinnern daran, dass auch Chagall in dieser Welt beheimatet ist – einer Welt voll versteck-
ten Humors und voller Liebe selbst zu den kleinsten der Geschöpfe Gottes.
Durch das bunte Glas tönt der Gesang Chagalls: „Halleluja! Lasset uns preisen den Herrn.“
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Südseite: 10. Naphtali, 11 Joseph, 12 Benjamin
10. Naphtali, von Rahels Magd Bilha, hebr. Kämpfe
Naphtali war es, der zu seinem Vater Jakob eilte und ihm mitteilte,
dass Joseph lebte und ein Fürst in Ägypten war. Naphtali, der
„Wohllaut-sprüche“ seinem Vater Jakob brachte, war es auch, der
die Kunst der Rede seinen Söhnen und wieder deren Söhnen wei-
tergab. Die Redekunst des Stammes Naphtali war weithin be-
kannt.
Jakobs schöne, schlichte Segensworte finden in dem schönen,
schlichten, herrlich gelben Fenster ihren Wiederhall, in dem wir
das goldene Leuchten eines Sonnenuntergangs über Jerusalem vor
uns sehen.
Nur zwei Tiere sind darin dargestellt: die unter dem mit Edelstei-
nen übersäten Baum ruhende Hindin und der Adler darüber. Die-
ses Fenster erfüllt uns mit dem Verlangen, zu schweigen und auf-
zugehen in der Wärme und Schönheit der Natur. Noch einmal
klingen die Erinnerungen von den kleinen schiefen Häusern hinter
dem Kopf der lagernden Hindin. Obgleich die vorherrschende
Farbe der Hindin rot ist, wirkt es so gedämpft, dass es uns in eine
ruhevolle Stimmung zu versetzten vermag
Der Adler unterscheidet sich wesentlich von der Hindin. Er ist beispielhaft für die die innige Verbindung
von Bleiführung und Bild. Dieses Bild ist eine Stimme, die sich zu einem Loblied des Dankes erhebt.
11. Josef (von Rahel), hebr. Gott fügt hinzu, Gott möge hinzu-fügen
Interpretation: hier der ganze Reichtum der Erde ausgebreitet.
Goldener Weizen wie der Weizen in Pharaos Traum und weidende
Schafe in allen Farben des Spektrums, in gelbem, blauem, grünen
und bronzenem Glas bezaubern die Sinne. Ein Hauch von Zärt-
lichkeit, Schönheit und Farbe liegt auf den satten goldenen Farben
der Sonne.
Unten li: Der seltsame Weinstock li. Unten: Mit verschiedenfarbi-
gen Zweigen ist der poetische Ausdruck für all die vielfarbigen
Früchte der Erde. Er erinnert auch an den bunten Rock, den Jakob
seinem geliebten Sohn übergab.
Li Mitte: fürstlicher Vogel und Pfeil und Bogen, weil Joseph Fürst
in Ägypten war.
Oben: 2 Hände halten Schofar = Instrument aus dem Horn eines
Widders. Zweck: Aufruf der Gläubigen zum Gebet, sondern auch
Versammlung zur Botschaft eines Königs. Heute Schofar um Frei-
tag abends den Schabbat anzukündigen. Pharao hat Schofar blasen
lassen, um Joseph als Herr über Ägypten kundzutun.
Oben links: Kreis mit Namen Joseph = Joseph stand einsam über seinen Brüdern.
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12 Benjamin (von Rahel) , hebr. Sohn des Glücks / Sohn der rechten Hand
Interpretation: Das Fenster des jüngsten der Brüder, Benjamins,
erstrahlt in allen Farben des Regenbogens über dem himmeltiefen
Blau des Anfangs der Welt. In diesem einen Fenster kehren alle Fens-
ter, alle Söhne, alle Stämme wieder! In ihm ist Chagall und sein gan-
zer kindlicher Glaube gefangen.
Hier zeigen sich die Bewohner der Erde: der dicke lavendelfarbene
Wolf mit seinem blau-rosa Katzengesicht, das kleine, wollene Lamm
ihm zu Füssen, der Fisch der Fruchtbarkeit und die blauen Frieden-
stauben, die sich in dem lila Busch eingenistet haben. Oben fliegt ein
blau-grüner Vogel vorbei; er scheint zu einem Gedankenverlorenen
blauen Esel zu sprechen, dessen Gesicht dem Esel im Fenster Issach-
ars gleicht.
Die goldene Stadt mit ihren Dächern und Türmen hinter dem Wolf
und die schiefen Häuschen vor ihm könnten überall in der Welt sein
und nicht nur der Familie Jakob, sondern der ganzen Völkerfamilie
Schutz bieten.
Links oben steht in lichtem Blau ein Baum - der Baum des Lebens und der Weisheit!
Der Stamm Benjamin, „ein Wolf, der zerreißt“, war in biblischer Zeit wegen seiner tapferen Krieger be-
kannt. Die großen Helden Saul und Jonathan stammen von ihm ab.
Der Name Benjamin ist in hebräischen Buchstaben geschrieben, die auf dem Fenster so verteilt sind, dass
rechts und links des Schildes je drei Buchstaben stehen, nach den Worten der Bibel: „Am Abend verteilt er
schon Beute.“ Wie Benjamins Name geteilt ist, so war auch sein Landbesitz aufgeteilt durch das Land seines
Bruders, das zwischen dem seinen lag.
Mittelpunkt des Fensters ist ein Kreis von wirbelnden kosmischen Welten. Damit spricht Chagall auf seine
Weise aus, dass der Mensch durch den Baum der Erkenntnis die Geheimnisse der Welt erfahren hat. Die
Geschichte der Söhne Jakobs ist zugleich die Geschichte aller Menschenkinder.
Bildnachweis: alle Chagallfenster fotografiert von: the.misspiggy - Flickr.com
Textquellen: Buch: DIE SÖHNE JAKOBS von Freund/Chagall
Weitere Hintergrundinformationen:
http://www.hadassah-med.com/about/art-at-hadassah/chagall-windows/the-windows.aspx
http://www.hadassah-med.com/about/art-at-hadassah/chagall-windows/the-windows.aspx