Fachbeitrag
MikroFluidik April 201120
Diagnostika basierend auf AutoantikörpersignaturenAussagekräftige Biomarker als Zukunftstrend in der In-vitro-Diagnostik
Bild 1: Mit dem sciFLEXARRAYER werden Protagen-Slides mit Proteinen bedruckt.
Dr. Stefan Müllner*, Dr. Holger Eickhoff**, Almut Gebhard**, Katrin Welzel**)
__________ *) Protagen AG, Dortmund, [email protected], www.protagen.de.
**) Scienion AG, Berlin und Dortmund, [email protected], [email protected], [email protected], www.scienion.de.
Eine genaue Diagnose ist Voraus-setzung für die richtige Therapie-entscheidung. Und: Je früher und je präziser die Diagnose erfolgen kann, desto größer die Aussicht
auf den Therapieerfolg. Eindrück-liches Beispiel sind die Überle-bensraten von Krebspatienten,
die eindeutig mit dem Zeitpunkt der Erkennung des Krebsstadiums korrelieren. Der Bedarf an schnel-
leren und verlässlicheren diagnos-tischen Tests ist insbesondere im Hinblick auf die Entwicklungen in der Personalisierten Medizin sehr hoch. Der folgende Beitrag fokus-siert sich auf die Entwicklung und den Einsatz von Protein-Microar-rays, die in Zukunft Therapieaus-wahl und Patientenstratifikation
erleichtern werden – veranschau-licht an den Indikationen Prostata-
krebs und Multiple Sklerose.
Identifizierung und Einsatz von Biomar-kern charakterisieren einen zentralen
Zukunftstrend der medizinischen For-schung. Laut einer 2010 veröffentlichten Marktstudie von Business Insights Ltd. ist die Anzahl an klinischen Studien unter Einsatz von Biomarkern in den letzten Jah-ren um das Zehnfache gestiegen. Dabei unterscheidet man Stratifizierungsmarker (bessere Auswahl der Studienkohorte)
und Biomarker zum Therapiemonitoring. Die dynamisch wachsenden Erkenntnisse der Molekularbiologie haben in den ver-gangenen Jahren dazu geführt, dass eine Vielzahl DNA-basierter Tests entstanden ist und dieser Trend setzt sich weiter fort. Tatsächlich sind es aber die Proteine, welche die biologischen Funktionen im Körper ausüben, und ihre Vielfalt sowie Komplexität übersteigt die der Gene bei weitem. Im Folgenden soll daher eine neue Technologieplattform zur Auswahl und zum Einsatz von Protein-Biomarkern vorgestellt werden.
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Fachbeitrag
Die Technologieplattform
Die Protagen AG, Dortmund, nutzt die proprietäre UNIarray-Plattform, um indikationsspezifische Autoantikörper-Signaturen im Blut festzustellen und auf dieser Basis diagnostische Tests zu ent-wickeln. Autoantikörper sind nicht etwa ausschließlich pathogenen Ursprungs, sondern bilden einen elementaren Be-standteil des Immunsystems. Daher kön-nen sie im Blut eines jeden, d.h. sowohl bei Kranken als auch bei Gesunden, auf Grund ihrer relativ hohen Konzentration und Stabilität sehr leicht nachgewiesen werden. Allerdings unterscheiden sich je nach Krankheit und Krankheitsstadium die Sequenz und Anzahl der korrespondieren-den Antigene. Andererseits unterschei-den sich die Autoantikörper physikalisch praktisch nicht, so dass sich spezifische Signaturen mit herkömmlichen Technolo-gien nicht bestimmen lassen. Bietet man nun aber eine möglichst große Menge an unterschiedlichen humanen Protei-nen auf einer Oberfläche als „Köder“ an – UNIarray® nutzt hier circa 40 000 Bin-dungspartner – so lassen sich aus dem Blut die spezifischen Autoantikörper sehr einfach „herausfischen“. Indikationsspezi-fische Autoantikörper-Signaturen wurden bereits bei praktisch allen chronischen Er-krankungen nachgewiesen.
Die Nutzung des Nachweises von Au-toantikörpern in Serum/Plasma bzw. Ce-rebrospinal-Flüssigkeit (CSF, Liquor) hat außerdem gegenüber anderen Biomar-kern einige weitere Vorteile:• Nahezu unbegrenzte Haltbarkeit bei
richtiger Lagerung aufgrund spezi-fischer Struktur und Stabilität von An-tikörpern.
• Nutzung sehr robuster und gut repro-duzierbarer Technologien zum Nach-weis und zur Quantifizierung, da Anti-körper in ausreichender Konzentration in Serum/Plasma und CSF enthalten sind.
• Eine Anreicherung oder komplizierte Probenvorbereitung ist nicht notwen-dig aufgrund ihrer spezifischen und hochaffinen Bindungsmöglichkeit an ihr korrespondierendes Autoantigen. Die Anreicherung erfolgt quasi wäh-rend der Analyse durch Bindung an das korrespondierende Autoantigen.
• Die Probennahme ist unabhängig von Tageszeit, Nahrungsaufnahme etc., da die Antikörperproduktion der B-Zellen keinem circardianen Rhythmus unter-liegt.
• Die Nutzung von Autoantikörpern in der Diagnostik hat das Potential zur Entwicklung von prognostischen Tests. Studien in den USA mit an Sys-temischem Lupus erythematodes erkrankten Patienten haben kürzlich
nachgewiesen, dass bestimmte Auto-antikörper schon 10 Jahre vor Krank-heitsausbruch nachweisbar sind.Die unter dem Begriff UNIarray zu-
sammengefasste Technologieplattform von Protagen erlaubt nun sowohl die systematische Identifizierung und Vali-dierung von indikationsspezifischen Bi-omarkern als auch die Herstellung und Nutzung von diagnostischen Produkten in Form von Protein-Microarrays. Protagen besitzt fünf gewebsspezifische Expressi-onsbibliotheken, welche in etwa 200 000 Klonen mehr als 40 000 Expressionspro-dukte von circa 10 000 humanen Genen repräsentieren. Mit diesen putativen Au-toantigenen kann die Interaktion von Im-munglobulinen aus Patientenserum sehr schnell und sicher nachgewiesen wer-den. Zusammen mit akademischen Part-nern wurden von Protagen bereits Prote-in-Biomarker für zahlreiche Indikationen, so etwa Multiple Sklerose, Rheumatoide Arthritis, Prostatakarzinom, Morbus Par-kinson, Alzheimer, Systemischer Lupus, Alopecia areata und Dilatative Cardiomy-opathie identifiziert und zum Patent an-gemeldet. Derzeit sind bei Protagen die Entwicklungsprogramme für die Indikati-onen Prostatakrebs und Multiple Sklero-se am weitesten fortgeschritten.
Prostatakrebs-Diagnostik
Prostatakrebs ist mit 26 % mittlerweile die häufigste Krebserkrankung bei Män-nern und verursacht 10 % der Krebsster-befälle in Deutschland. Nach einer Schät-zung des Robert-Koch-Instituts werden ab 2010 pro Jahr mehr als 64 300 neue Fälle diagnostiziert. Neben dem gesetz-lichen Früherkennungsprogramm, das ab dem 45. Lebensjahr jährlich die Un-tersuchung der Geschlechtsorgane und eine Untersuchung der Prostata durch Tastbefund beinhaltet, ist der PSA-Test, eine immunologische Quantifizierung des „Prostata-spezifischen Antigens“ im Blut, sehr bekannt und verbreitet. Auf-grund der unzureichenden Sensitivität und Spezifität wird der PSA-Test jedoch nicht für die generelle Früherkennung in Deutschland empfohlen und daher die Kosten von den gesetzlichen Kranken-kassen nicht erstattet. In den USA wird der PSA-Test ab dem Alter von 50 Jahren empfohlen. Wobei ein erhöhter PSA-Wert allerdings nicht mit einer Krebsdiag-nose gleichzusetzen ist. Vielmehr gibt er einen Hinweis darauf, wann eine Biopsie angezeigt ist. Aber auch mit der Biopsie lässt sich Krebs nicht immer mit Sicher-heit feststellen. Tragischer Weise kann dies erst nach der operativen Entfernung der Prostata festgestellt werden. Dies hat erhebliche Konsequenzen für die be-
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Fachbeitrag
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troffenen Patienten. Daher ist der Bedarf nach einem sicheren diagnostischen Test für Früherkennung, Verlaufskontrolle und Nachsorge sehr hoch.
Das Ziel von Protagen ist gegenwärtig, das bereits identifizierte und verifizierte Panel von derzeit 408 Protein-Biomarkern auf seine Eignung zur Differenzierung zwischen gutartiger Prostata-Vergröße-rung und Prostatakrebs im Rahmen einer klinischen Validierungsstudie mit 1000 Patientenproben zu überprüfen. Hierfür wurden internationale Partner aus den USA (Johns Hopkins University, Baltimo-re), Österreich (Medizinische Universität Innsbruck) und Deutschland (Universität Münster) gewonnen.
Diagnostik der Multiplen Sklerose
Multiple Sklerose (MS) ist eine Autoim-munerkrankung, die mit einer Prävalenz von 1 : 1000 und einer Inzidenz von 7 : 100 000 in Mitteleuropa eine der häu-figsten neurologischen Erkrankungen ist. Die Erstmanifestation liegt über-
wiegend im jungen Erwachsenenalter. Allein in Deutschland sind ca. 130 000 Patienten, etwa 2/3 Frauen, von dieser Krankheit betroffen. Jährlich werden ca. 2500 Menschen neu mit MS diagnosti-ziert. MS ist zwar nicht heilbar, jedoch sind zahlreiche Therapiemöglichkeiten verfügbar, welche darauf abzielen, die größtmögliche Lebensqualität zu ge-währleisten.
Die meisten der bekannten Anfangs-beschwerden können eventuell auch andere Ursachen haben. Es dauert des-halb oft Monate, zuweilen auch Jahre, bis die Diagnose eindeutig feststeht. Daher ist eine sichere Frühdiagnose entscheidend für Therapieauswahl und -beginn.
In Kooperation mit dem Klinikum Lüdenscheid, dem Karolinska Institut Stockholm, der TU München und dem Accelerated Cure Project, Waltham, USA, führt Protagen derzeit auch für diese Indikation eine klinische Validie-rungsstudie mit 1000 Patientenproben durch. Ziel ist es hier, durch intelligentes Studiendesign eine finale Auswahl von relevanten Markerproteinen für den ersten Serum-basierten diagnostischen Test für MS zu treffen. Das validierte Marker-Panel wird dann zu einem Test-kit weiterentwickelt.
Diagnostische Protein-Microarrays
Im Unterschied zur Herstellung der längst etablierten DNA-Arrays erweist sich die Produktion von Protein-Arrays als diffiziler, denn Proteine umfassen eine heterogene Gruppe von Molekülen. Um eine mög-lichst uneingeschränkte Funktionsfähig-
Bild 2: Die Hybridisierungsstationen für die UNIchips ermöglichen einen Tages-durchsatz von 48 Antikörper-Analysen.
Bild 3: Die Qualität der Proteine wird bei Protagen routinemäßig mittels Massenspek-trometrie überprüft.
MikroFluidik April 2011 23Fachbeitrag
Bild 4: Dispensierung von harnstoffhaltigen Lösungen mit piezoaktuierten Dispen-sierdüsen aus Glas. Das grüne Rechteck repräsentiert die „region of interest“ für die Tropfenanalyse, das rote Rechteck ist eine Softwarefunktion zur Identifikation der Düsenfrontplattengüte. Links ist eine unbeschichtete Düse abgebildet, an der einige Harnstoffablagerungen an der Dispensierspitze leicht zu erkennen sind. Rechts ist eine Düse gleichen Typs abgebildet, die mit einer speziellen Beschichtung versehen ist, die die Anhaftung von Materialien erschwert. Hier sind keine Ablagerungen zu erkennen. Gezeigt sind Stroboskopaufnahmen von dispensierten Tropfen. Bei gleichen Einstel-lungen ist klar ersichtlich, dass der Tropfen in der verkrusteten Düse eine wesentlich langsamere Tropfengeschwindigkeit und eine größere Ablenkung aufweist.
Dispensiersystem sciFLEXARRAYER �� 19
Scienion, Berlin, Tel. 030/6392-1700, Fax 6392-1701, www.scienion.de
keit der Proteine auf einem Microarray zu erhalten, müssen zahlreiche Parame-ter wie Markierung, Pufferauswahl oder Waschprozeduren individuell angepasst werden. Neben der notwendigen Proto-kolletablierung und Laborautomatisierung sind schließlich für die angestrebte Zulas-sung eines diagnostischen Tests Präzision, Reproduzierbarkeit und Qualitätskontrolle entscheidende Kriterien, um eine gleich-bleibend hohe statistische Sicherheit der diagnostischen Aussage zu gewährleisten. Die Scienion AG hat sich als Experte in die-sem Bereich etabliert und bietet ein Tech-nologieportfolio, das über ein Jahrzehnt konsequent ausgebaut wurde.
Protein-Arrays, insbesondere Hoch-dichte-Protein-Arrays, werden in der Re-gel mit „Kontaktverfahren“ produziert. Dabei taucht ein Stahlstift, der entweder massiv ausgeformt ist („solid pin“) oder als geschlitzter und nach dem Prinzip einer Füllerspitze arbeitender Stift („split pin“ oder „quill pin“) in die zu übertragende Lösung ein, und durch Adhäsion oder Ka-pillarkraft wird ein schlecht definiertes Volumen am Stift gehalten, was dann mit einem Nadeldruck auf die Oberfläche der Wahl übertragen wird (Eickhoff H, Konthur Z, Lueking A, Lehrach H, Walter G, Nord-hoff E, Nyarsik L, Büssow K: Protein array technology: the tool to bridge genomics and proteomics. Adv Biochem Eng Bio-technol; 2002;77:103-12). Bei den hier beschriebenen und verwendeten, rekom-binant hergestellten Proteinen wird in einem 4...8 M Harnstoffpuffer gearbeitet, der in der Routineproduktion von Arrays einige Schwierigkeiten bereiten kann. Da sehr schnell kristallisierend, können sich bei den verwendeten Nadeldruckverfah-ren während des Druckvorgangs Kristalle an den Nadelspitzen anlagern und so für ein unschönes Druckbild sorgen, was den Produktionsprozess und die Ausbeuten an Microarrays massiv beeinträchtigen kann.
Diese Kristallisationseffekte sind bei kontaktfreien Druckverfahren genauso präsent, können aber wesentlich besser kontrolliert werden. Dies ist durch zwei wesentliche Faktoren bedingt: So sind die radialen Öffnungen der Dispenserdü-sen zwischen 50 und 100 µm klein, was bedeutet, dass die für eine Kristallisation notwendige Verdunstung nur in einem sehr marginalen Maße eintreten kann. Und zweitens: Kommt es trotzdem zu Ablagerungen, beispielsweise nach ei-ner Probenaufnahme an der Außenseite der Dispenser, kann dies durch spezielle Beschichtungen an den Dispensern mas-siv eingeschränkt bis ausgeschlossen werden. Speziell zu diesem Zweck hat Scienion spezifische Beschichtungen ent-wickelt, die eine Ablagerung der Kristal-le an der Dispenseroberfläche aus Glas erschweren bzw. unmöglich machen und
somit die Grundlage für eine Produktion von diagnostischen Arrays auch in Fließ-bandverfahren schaffen.
Für die hier beschriebene Anwendung wurde ein Dispensiersystem der sci- FLEXARRAYER-Produktfamilie verwendet, die mittlerweile weltweit führend bei der Produktion von planaren Multipara-
meter-Tests ist. Je nach Anwendung und Durchsatz stehen sechs Größenversionen mit diversen Optionen zur Auswahl. Allen Geräten liegt dieselbe Technologie – das kontaktfreie und hochpräzise Dispen-sieren von Volumina im Piko- bis Nano-liter-Bereich – zu Grunde, wodurch ein schneller und einfacher Transfer von der Entwicklung in die Produktion garantiert ist. Mit den Systemen können biologische Substanzen, z.B. DNA, Oligonukleotide, Peptide, Proteine, Antikörper oder Gly-kane auf alle Formate von Glasträgern, Filterpads, Biosensoren, Siliziumwafern, Polymeren, MALDI-Targets bis zu Mikro-titerplatten gespottet werden. Die Abga-be der zu dispensierenden Substanzen erfolgt als einzelner Tropfen oder als Summe von Tropfen in Millisekunden von höchster Präzision und weist einen online gemessenen Dispensierfehler von weni-ger als 2,5 % auf. Die hochentwickelten
optischen Systeme für die Tropfen- und Target-Erkennung ermöglichen eine Kon-trolle der produzierten Arrays und garan-tieren damit eine gleichbleibend hohe reproduzierbare Qualität, die sich unter anderem durch hohe Sensitivität und ex-zellente Morphologie der Spots messen lässt.
Für die Durchführung der oben er-wähnten multizentrischen Validierungs-studien von Protagen stellt Scienion Protein Microarray Batches mit jeweils über 3500 Einzelproteinen ISO-9001-2008-konform her. Höchste Qualität und Reproduzierbarkeit zeichnen die Microar-ray-Chargen in Stückzahlen von jeweils mehr als 1000 Arrays aus. Durch Nutzung der sciFLEXARRAYER-Technologie lässt sich die notwendige Konstanz in Qualität und Eigenschaften in drei Stufen realisie-ren: von Spot zu Spot, von Array zu Array und von Batch zu Batch.