Der therapeutische Prozess (I):Therapieverfahren der Psychiatrie
PD Dr. med. Jürgen Zielasek
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Heinrich-Heine-Universität
- Rheinische Kliniken Düsseldorf -
Bergische Landstr. 2
D-40629 Düsseldorf
Propädeutik der Psychiatrie
• Einführung in die Psychiatrie
• Der diagnostische Prozess(I) Diagnosesysteme, Explorationsverfahren(II) Psychopathologie(III) Zusatzdiagnostik
• Der therapeutische Prozess (I) Therapieverfahren in der Psychiatrie
(II) Psychotherapieverfahren(III) Versorgungsstrukturen(IV) Suizidalität und Notfälle(V) Rechtliche Aspekte
Historische Meilensteine der Entwicklung heute gebräuchlicher Therapieverfahren
1929 Progressive Muskelrelaxation n. Jacobson1938 Elektroheilkrampftherapie (Cerletti und Bini)1950 Verhaltenstherapie (Skinner und Eysenck)1952 Chlorpromazin (Delay und Deniker)1959 Haloperidol (Janssen)1960 Antidepressiva (Amitryptilin)1971 Schlafentzug (Schulze, Tölle)1972 Clozapin1980 Lichttherapie1990 atypische Neuroleptika1995 Azetylcholinesteraseinhibitoren
Kassenärztlich zugelassene Professionen bei der Behandlung erwachsener psychisch Kranker
•Allgemeinärzte und Fachärzte verschiedener Disziplinen (mit Zusatztitel Psychotherapie)
•Fachärzte (ggf. mit Zusatztitel Psychotherapie/ Psychoanalyse) für
•Psychiatrie (und Psychotherapie)
•Neurologie
•Nervenheilkunde
•Psychotherapeutische Medizin
•Diplompsychologen
•Psychologische Psychotherapeuten
Wie wirksam sind Schmerzmittel?
NNT
Sumatriptan bei Migräne 2,6
Ibuprofen bei post-OP-Schmerz 2
Paracetamol bei post-OP-Schmerz 4
Wie wirksam sind somatische Therapieverfahren?
NNTMS-Prophylaxe mit IFN-1ß 4Streptokinase+Aspirin bei MI 20 (Tod 5 W.)CABG bei li. Hauptstammstenose 6 (Tod 2 J.)Antihypertensiva (1 Tod,Stroke,MI) 15ASS bei gesundem Arzt 500 (Tod, MI
1 Jahr)Metformin bei Adipositas + DM 10Ticlopidin (1 Stroke/Jahr) 15ASS 300mg (1 Stroke/Jahr) 38Grippeschutzimpfung 12Antibiotika bei Otitis media 8 (Symptome n. 4 T.)AT-Strümpfe 9Frakturprophylaxe Vit D + Calcium 15 (3 Jahre)
Ist antidepressive Therapie wirksam?
Eine Zusammenfassung von Cochrane-Reviews
NNTImipramin 4,7Hypericum-Extrakt 3Antidepressiva nach 4,2 (NNH 9,8)körperlichen ErkrankungenCBT 4,4SSRI atypische Depression 3,6Phasenprophylaxe 3,8ECT 4
Ist neuroleptische Therapie wirksam?
NNT
Neuroleptika 3-8Depot-Neuroleptika 2Atypika vs. Typika 17
ECT 6Clozapin bei Therapieresistenz 5
CBT bei Therapieresistenz 5
Case Management (Kontaktrate) 15
Andere Therapieverfahren?NNT
Nichtraucherprogramm+ Nikotinspray 6+ Nikotinpflaster 10+ Nikotinkaugummi 13
Einrichtung eines CL-Dienstes 11(Depressionen bei KHK, 1 Jahr)
CBT bei Flugangst 2Sertralin bei PTSD 5
Lorazepam bei C2 + Anfall 5 (1 Rezidiv,6 h)
Psychische Erkrankung
BiologischeFaktoren
PsychischeFaktoren
Soziale Faktoren
„PILLE“ - UND ANDERE SOMATISCHE THERAPIEVERFAHREN
Somatotherapie
Pharmakotherapie Antidepressiva Neuroleptika Antidementiva Sedativa Mood Stabilizer
Schlafentzugsbehandlung
Elektrokrampftherapie (EKT)
Lichttherapie
Internistisch-neurologische Begleitbehandlung
Pharmakotherapie ist auch nicht nur Pillenverordnung!!!
Neue Aspekte der Somatotherapie
• Droge Arzt: Plazebo-Effekte Pharmakotherapie ist immer auch schon Psychotherapie
• Weg von der Transmittertherapie, hin zu einer an den Krankheitsursachen orientierten Therapie
– Impfung mit Amyloid-Peptiden bei M.Alzheimer
„COUCH“ – UND ANDERE PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERFAHREN
Tiefenpsychologische Verfahren
Psychoanalyse
Kognitive Therapie Verhaltenstherapie
Interpersonelle Therapie
Familientherapie Gestalttherapie Psychologische Trainingsprogramme
Training lebenspraktischer Kompetenz
Autogenes Training Progressive Muskelrelaxation
Psychotherapie
JENSEITS DER „COUCH“ – SOZIOTHERAPIE UND REHABILITATION
Sozio- und Rehabilitationstherapie
Wiedereingliederung am Arbeitsplatz
Training der Aktivitäten des täglichen Lebens
Wohnungssicherung
Ergotherapie
Beratung und Hilfen in Fragen der sozialen Hilfen und Wieder- eingliederungsmaßnahmen
Somatotherapie Psychotherapie Soziotherapie u.a.
Antidepressivum Entspannungsverfahren Tagesplan Einzelgespräche Krankengymnastik Psychoedukation Wiedereingliederung am Arbeitsplatz
Therapiealltag: Individueller Therapieplan mit Bausteinen aus allen Säulen der Therapie
QUALITÄTSANFORDERUNGEN THERAPEUTISCHER MASSNAHMEN IN DER PSYCHIATRIE
• rasche Wirkung• ausreichend starke Wirkung• Wirkung auf Symptomatik, soziale
Funktionsfähigkeit, Lebensqualität• keine Nebenwirkungen• international einsetzbar, „manualisierbar“• beruht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen• Kosten-Nutzen-Bewertung
Einflussfaktoren auf Therapieentscheidungen in der Psychiatrie
Patientenfaktoren BehandlungseinwilligungVerträglichkeit von MedikamentenCompliance
Arztfaktoren KenntnisseErfahrungenökonomische Überlegungen
institutionelle Verfügbarkeit von Therapieverfahren Faktoren Verfügbarkeit von Behandlungsplätzen(z.B. EKT)
Krankheitsfaktoren Evidenz-basierte Behandlungsleitlinien
Wegweiser im Therapiedschungel• Cochrane Database
(elektronische UB der HHU)
• Evidenz-basierte Leitlinien seit 1995
• www.dgppn.de
• www.uni-duesseldorf.de/WWW/AWMF/ll
• Kompetenznetze(www.kompetenznetz-schizophrenie.de)
• Disease Management Programme
• Praktische Umsetzung Evidenz-basierter Therapieverfahren
• Asthma, Diabetes, KHK
• zukünftig Schizophrenie, Depression, Demenz, Sucht beantragt
BEHANDLUNGSPHASEN
Normal- zustand
Symptome
Syndrom
BehandlungsphasenAkut
(6-12 Wochen)
Erhaltungs-therapie
(4-9 Monate)
Rezidivpro-phylaxe (1 od. mehr Jahre)
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Remission Genesung
Response
Rückfall
RückfallWiederer-krankung
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Zeit
Adaptiert nach Kupfer (1991)
Hierarchie der Therapieziele und Inhalte bei Abhängigkeitserkrankungen
Therapieziele Inhalte
Überlebens- Vermittlung positiver Erfahrungen mitsicherung Abstinenz und Therapie; Gelegenheit
zur Reflexion der eigenen Situation
Schadens- Motivation zur Aufnahme weiterführender minderung therapeutischer Maßnahmen
Verlängerung von Analyse und Bearbeitung von RückfallsituationenAbstinenzphasen
Dauerhafte Psychotherapie suchterhaltender Abstinenz psychischer Strukturen und Konflikte
Spezifische Phobie
wahlweise: Verhaltenstherapie
- Systematische Desensibilisierung- Exposition- Modell-Lernen- Angewandte Entspannung
Für pharmakologische Behandlungen liegen keine Wirknachweise vor
Angststörungen und Behandlungsmöglichkeiten
PILLE oder COUCH? Auf der Suche nach geeigneten Therapien
Zukunftsperspektiven ...
... wie geht es weiter?
NEUROBIOLOGISCHE WIRKFAKTOREN DER THERAPIE MIT ANTIDEPRESSIVA
Therapie- Tage Wochen – Monate (Jahre ?)beginn
Vermehrte Verfügbarkeit Neurotrophe Neurogenese?von Neurotransmittern Funktion Neuroregeneration?im synaptischen Spalt
WOHIN ENTWICKELN SICH SOMATO- UND PSYCHOTHERAPIE?
• Selektive Beeinflussung gestörter Schaltkreise auf
genetischer, zellulärer oder Netzwerkebene
• Neuropsychoanalyse• Neuropsychotherapie• Störungs- statt Schulen-
Spezifität
Harrison und Weinberger, Mol Psychiatry 2005; 10: 40-68
NEUE DIAGNOSTISCHE TECHNOLOGIEN IN DER PSYCHIATRIE
• Pharmakogenetik
• Funktionelle Bildgebung– Therapieevaluation– Therapieprognose
NEUE SOMATOTHERAPEUTISCHE TECHNOLOGIEN IN DER PSYCHIATRIE
• Vagusnerv-Stimulation• Repetitive transkranielle Magnetstimulation• Psychochirugie• Tiefenhirnstimulation
Zukünftige Therapie psychischer Störungen
• Tiefenhirnstimulation (Depression, Zwangserkrankungen)
• transkranielle Magnetstimulation(Depression, Halluzinationen)
• Immuntherapie bei M. Alzheimer (Impfung Aß(1-42))
• Stammzelltherapie bei degenerativenErkrankungen
• pharmakogenetisch und fMRI-geleitete Therapie
Zusammenfassung: Therapie psychischer Störungen
• psychische Erkrankungen sind behandelbar
• Verfahren der Somatotherapie, Psychotherapie und der Soziotherapie kommen im Rahmen eines Gesamtbehandlungsplans individual- und krankheitsphasen-spezifisch zum Einsatz
der Dualismus „Pille oder Couch“ ist überwunden
• Evidenz-basierte Behandlungs-Leitlinien liegen für die meisten psychischen Störungen vor