Der Mann, der nicht rechnen wollte
Konrad Zuse (* 22.06.1910, † 18.12.1995) deutscher Bauingenieur, Erfinder und Unternehmer
Geboren in Berlin (Wilmersdorf), Vater: Postbeamter im mittleren Dienst
Humanistisches Gymnasium Hosianum in Braunsberg (Ostpreußen), nach 9. Klasse Hoyerswerda, dort Abitur.Künstlerisch und technisch begabt.
Studium an Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg : Zunächst Maschinenbau, wechselte bald zuArchitektur und schließlichBauingenieurwesen (Diplom 1935)
Wer war Konrad Zuse?
Der Mann, der den Computer erfand, weil er zu faul zum Rechnen war Statiker bei den Henschel-Flugzeugwerken in Schönefeld bei Berlin
Motivation: „Ich war zu faul zum rechnen“
Kündigt nach wenigen Monaten und beginnt selbstständig am Bau eines programmierbaren Rechners zu arbeiten (Vorüberlegungen ab 1934)
Konrad Zuse – Rechner Z1
Bau: 1936 -1938
Die Z1 wird aus ca. 30.000 Blechen aufgebaut
Erster programmierbarer binärer Gleitkommarechner
Binäre boolesche Schaltungslogik
Speicher: 64 Worte a 22 Bits
Konrad Zuse – Rechner Z1
Warum binäre boolesche Schaltungslogik ?
Gottfried Wilhelm Leibniz (* 1646, † 1716)deutscher Philosoph und Wissenschaftler, Mathematiker, Diplomat, Physiker, Historiker, Politiker, Bibliothekar und Doktor des weltlichen und des Kirchenrechts
Mathematik:Dualsystem der Zahlen (urspr. Pingala)„Ohne Gott ist nichts“Untersuchung der Sprache: Aussagenkalkül (Logik) „Denken ein Rechenvorgang“Entwicklung einer logischen Symbolsprache: characteristica universalis
Konrad Zuse – Rechner Z1
Standard 1935: Dezimalsystem
Wichtigstes Rechenmaschinenproblem: Multiplikation
Zwei Lehrmeinungen:1. Wiederholte Addition -> Multiplikand wird entsprechend dem Multiplikator wiederholt in das Register der Maschine hinein addiert
Im binären Zahlensystem wird die Multiplikation auf vier einfache Formeln reduziert:
2. Einmaleins-Körperverfahren: Teilprodukte des kleinen Einmaleins (Produkte zweier Zahlen von 1 bis 10 ) sind systemintern abgelegt und werden dann direkt in das Register hinein addiert
· 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
1 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
2 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20
3 3 6 9 12 15 18 21 24 27 30
4 4 8 12 16 20 24 28 32 36 40
5 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50
6 6 12 18 24 30 36 42 48 54 60
7 7 14 21 28 35 42 49 56 63 70
8 8 16 24 32 40 48 56 64 72 80
9 9 18 27 36 45 54 63 72 81 90
10 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
0 X 0 = 00 X 1 = 01 X 0 = 01 X 1 = 1Der ganze Aufwand für die Einmalseins-Körper
wurde im binären Zahlensystem überflüssig
Konrad Zuse – Rechner Z1
Multiplikation
111 * 110 (7 * 6 = 42)
1 1 1 * 1 1 0 = 1 0 1 0 1 01 1 1
1 1 1 1 0 1 0 1
0 0 0 1 0 1 0 1 032 16 8 4 2 1
R1R2HRR2R1
Konrad Zuse – Rechner Z1
Binäres Aussagenkalkül: Dualitätsprinzip
„Es ist schönes Wetter“ (Prämisse A) UND „Ich habe frei“ (Prämisse B)
Sind Bedingung für die Konklusion „Ich mache einen Spaziergang“
„Es ist nicht schönes Wetter“ (Prämisse A) ODER „Ich habe nicht frei“ (Prämisse B)
A ^ B
A V B
Konrad Zuse – Rechner Z1
„Es ist schönes Wetter“ UND
„Ich habe frei“
A ^ B
Konrad Zuse – Rechner Z1
Erster Gleitkommarechner ?
1234,25 € = 123425 Cent
X = 0,0000000000001230000022Y = 1234555660000777,2345678000000000000000
Komma mit fester Position = Festkommazahlen
1234,25 € = 1234,2500 €
X = 0000000000000000,0000000000001230000022Y = 1234555660000777,2345678000000000000000
Bsp: Wärmeausdehnungskoeffizient e = 0,000012Elastizitätsmodul E = 210000 N/mm²
Konrad Zuse – Rechner Z1
Erster Gleitkommarechner
Zwei getrennte Rechenwerke:1.Mantisse2.Exponent
Beispiel:1234,5678
1,2345678 * 10³
Mantisse³Basis
Konrad Zuse – Rechner Z1
Erster Gleitkommarechner
1234567 100
123456,7 101
12345,67 102
1234,567 103
123,4567 104
12,34567 105
1,234567 106(normalisiert)
1,234567 100 (normalisiert)
12,34567 10-1
123,4567 10-2
1234,567 10-3
12345,67 10-4
123456,7 10-5
1234567 10-6
Konrad Zuse – Rechner Z1
Erster Gleitkommarechner
1101110,0001100 20
110111,00001100 21
11011,100001100 22
1101,1100001100 23
110,11100001100 24
11,011100001100 25
1,1011100001100 26 (normalisiert)
Konrad Zuse – Rechner Z1
30.000 Bleche
Der Schaltstift kann im Festblech zwei Positionen einnehmenLinks: Die binäre 0Rechts: Die binäre 1
„Steuerblech“ und „Bewegendes Blech“ bewegen den Schaltstift
Konrad Zuse – Rechner Z3
Im Jahr 1941: Erster zuverlässig funktionierender programmgesteuerter Gleitkomma-Binärrechner der Welt
Elektrische Relaisschaltungen
1943 bei einem Bombenangriff in Berlin zerstört
Konrad Zuse – Speicher Z3
Speicherwerk:32 Speicherstellen zu je 22 bits
Wählwerk
Konrad Zuse – Wählwerk Z3
Wählwerk:dient dazu, aus einer 6 Bitkombination auf dem Lochstreifen die 64 Adressen im Speicher ansteuern zu können (zwei Speicherschränke zu 32 Adressen)
Eine Binärzahl zu 22 bits auf Adresse 2
Konrad Zuse – Rechner Z3
Wortlänge 22 bitExponent 7 bitMantisse 15 bit
1. bit Vorzeichen1. bit Vorzeichen
Zahlenraum: 14 bit Zahlenraum: 6 bit
11111111111111 11111116383 63
63 unendlich
2 63 = 9.223.372.036.854.780.000
62
151.106.504.079.792.000.000.000
Konrad Zuse – Rechner Z3
Negative Zahlen: Zweierkomplement
binären Stellen werden negiert und zu dem Ergebnis wird der Wert 1 addiert
Erstes bit: 0 positiv1 negativ
1248163264Wert Dezimal
0101100
1010011
Bitfolge = 26
Bitfolge = - 2601
- 64
Konrad Zuse – Rechner Z3
Wortlänge 22 bit
Mantisse: 14 bit Exponent: 6 bit
11111111111111 111111
von -16383 bis 16383 von 2 -62 bis 2 62
Konrad Zuse – Rechner Z3
Exponent Sonderwerte
unendlich 63 0111111
- unendlich -63 1111111
0 -64 1000000
2 63 = 9.223.372.036.854.780.000 151.106.504.079.792.000.000.000
Konrad Zuse – Rechenwerk Z3
600 RelaisAddition 0,8 sMultiplikation 3s
9 SchrittschalterTaktfrequenz: 5,3 Hertz
Ein Addierer für Mantisse, einer für ExponentenAlle Rechenoperationen werden durch wiederholte Addition durchgeführt
Konrad Zuse – Ein- und Ausgabeeinheit Z3
Eingabe dezimaler Gleitkommazahlen
Ausgabe dezimaler Gleitkommazahlen und Anzeige über Lampen
12. Mai 1941: Methfesselstraße 7
Präsentation vor Mitarbeitern der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt
Konrad Zuse – Programmsteuerung Z3
Gesteuert mit Lochstreifen 35 mm Kinofilm
Sinnvolle Befehle werden durch Lochkombinationen eingestanztBeispiel:e = - (a x b + d) : cb, c, d in den Speicheradressen 2, 6, 10
Konrad Zuse – Rechner Z3 - Architektur
Rechenwerk getrennt für(Mantisse und Exponent)
Register R1 Register R2
Steuerwerk
SpeicherEingabeeinheit
Ausgabeeinheit
Lochstreifen-leser
Konrad Zuse – Plankalkül
Datenstrukturtypen:- binären Baum - Array (Feld) - Liste, Liste von Wertepaaren (Darstellung von beliebigen Relationen) . (Aufbau dynamischer geometrischer Strukturen)
Erste höhere Programmiersprache in der Geschichte der Menschheit
Musterbeispiel eines kombinatorischen Problems: Schachspiel44 Seiten des PK
Ebenso für die Behandlung von numerischen wie von logischen (kombinatorischen) Anwendungen konzipiert => künstliche Intelligenz
Listenoperationen für - Bedingte Erzeugung von Unterlisten- Abfrage der Anzahl der Listenelemente - Lesen des ersten oder letzten Elements - Suche nach dem kleinsten oder größten Element - Anfügen eines Elements am Anfang oder Ende der Liste - Konkatenation (Zusammenführen) von zwei Listen unter Beibeh. der Ordnung
Konrad Zuse – Plankalkül
“Lots of Irritating Superfluous Parentheses”
LISP:Entwickelt am Massachusetts Institute of Technologymarktreif 1959Sprache der künstlichen Intelligenz
(setq XDATA (cdr (assoc 1000 (cdr (car (cdr (assoc -3 (entget EL (list „OVERLAY")))))))))
Plankalkül (und LISP) => sehr viel höherer Abstraktionsgrad, als ihn die üblichen höheren Programmiersprachen haben, die nur die Fähigkeit der "von-Neumann-Maschine" abbilden:Mit jedem Rechenschritt den Inhalt eines einzelnen Speicherplatzes zu transformieren anstatt einer ganzen Datenstruktur.
Konrad Zuse – Plankalkül
Beispiel: Relationale DatenspeicherungDie Strukturobjekte des PK können jede beliebige Semantik annehmen. Zuse nennt beispielhaft:- Personen - Alter - Geschlecht - Ehestand - andere Personaldaten - die Felder des Schachbretts- die Schachfiguren, einschließlich der Definition ihrer Zugmöglichkeiten - die Kanten eines Graphen oder was immer sonst die Anwendung erfordert
Konrad Zuse – Plankalkül
Alle Operationen auf benutzerdefinierten Typen sind Ausdrücke der Aussagenlogik oder der Prädikatenlogik
Aussagenlogik: „Heute ist schönes Wetter und ich habe frei.“
Elementaraussagen:1. „Heute ist schönes Wetter“ =>wahr/falsch2. „Ich habe frei.“ =>wahr/falsch
Prädikatenlogik: „……ist schönes Wetter.“„……habe frei“
Zuordnung eines Objekts zum Prädikat:„Jeden Tag ist schönes Wetter.“ =>wahr/falsch „Strafgefangene habe(n) frei“ =>wahr/falsch
Konrad Zuse – Zuse KGZ5: 1952 Auftrag von Ernst Leitz, Berechnung optischer SystemeRelaistechnik, 1500 R. Rechenwerk, 700 R. Speicher, 50 Hz.
Z22: 1957 50 Stück, HochschulenRöhrentechnik, Magnettrommelspeicher,140 HzZ64 (Graphomat): 1961, 98 Stück, Zeichengenauigkeit 1/20 mm, zwei Planetengetriebe: digitale Signale => analoge x- und y-Bewegungen.
Z25: 1963, Transistortechnik Größere PanneSpezielle Löttechnik erforderlich 8 Wochen Produktionsstopp, Nachbesserungen, Millionenverluste
Z31: 1963 Transistortechnik „Kleiner Tischrechner“ für KaufleuteÜberfrachtet mit Funktionen, zu teuer, nur 6 Stück werden verkauft
Z11: erster Serienrechner 48 Stück, Vermessungsämter, Opt. IndustrieRelaistechnik, 1111 R. Rechenwerk, 654 R. Speicher, 10-20Hz
Z23: 1961, 56 Stück Transistortechnik, Magnettrommelspeicher,140 Hz,Kunden: Hochschulen
Konrad Zuse – Rechnender Raum
Heinz Zemanek: Idee 1945 in Hinterstein:Kosmos als gigantische Rechenmaschine
1969: Theoretische Arbeit „Rechnender Raum“Theorie des Kosmos als zellulären Automaten Physikalische Kleinstteile sind Bits, die sich durch den Raum rechnen => Digitalisierung des Weltalls
Kosmos: 1041 Elementarlängen (10-13 cm) => 10 000 000 000 Lichtjahre 10123 ElementarkubenJe Elementarkubus 1 bit Informationsgehalt 210123 Zustände Zahl der Zeittakte = räumliche Ausdehnung = 1041 => 21082 verschiedene unabhängige Abläufe sind möglich
Heinz Zemanek: „Geschichten der Informatik“ Der Physiker reagiert darauf mit seinem umfassenden Wissen von den Elementarteilchen. Aber seine Architektur der Elementarteilchen ist weder elegant noch überzeugend.
Heinz Zemanek: „Ich glaube, dass Konrad Zuses Rechnender Raum eines Tages als Pionierwerk betrachtet werden wird“.
Die Konrad Zuse-Forschung
88.000 SeitenManuskripte, Typoskripte und NotizenÜberwiegend Stenogramme
Verschiedene Überlegungen zur Rechnerentwicklung, zu den Rechenplänen und zu den Beschreibungen der Rechenmaschinen.Stichpunkte zu arithmetischen Operationen, zu Gleichungen höheren Grades, zur Schaltalgebra und zur Schaltgliedtechnik.Vorarbeiten zum Plankalkül.
Die Konrad Zuse-Forschung
2500 Schaltpläne und Zeichnungen in den Formaten DIN A1 und DIN A 0
Die Konrad Zuse-Forschung
Künstlerischer Nachlass:Insgesamt rund 500 Ölgemälde.Davon rund 250 Gemälde, Zeichnungen und Graphiken nach München, die der Staatlichen Graphischen Sammlung in München übergeben wurden.
Die Konrad Zuse-Forschung
Erschließung (Transkriptionen der Stenogramme) und Digitalisierung des gesamten Nachlasses, sowie Bereitstellung im Internet.Projekt unter Raul Rojas und Wilhelm Füßl