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Page 1: Das Ornament im Rokoko

Akademie Mode und Design Düsseldorf

Wissenschaftliches Arbeiten WS 08/09

Dr.rer.pol. Alexandra Luig

Hausarbeit

 

Das   Ornament   im  Rokoko    

Tetyana  Repetya  27.02.2009  Mode-­‐  und  Designmanagement,  1.  Semester  Heinsbergstr.  14,  50674  Köln  Tel:  0221-­‐9920500  [email protected]  

Page 2: Das Ornament im Rokoko

Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis ......................................................................................... 3  

1.   Einleitung ...................................................................................................... 4  

2.   Eingrenzung der Epoche und Lebensstil im Rokoko .................................... 4  

2.1   Zeitliche Eingrenzung ............................................................................. 4  

2.2   Lebensstil im Rokoko ............................................................................. 4  

3.   Definition und Formen eines Ornaments ...................................................... 5  

4.   Die Rocaille ................................................................................................... 5  

5.   Verwendung der Rocaille .............................................................................. 7  

5.1   Ornamentgrafik ....................................................................................... 7  

5.2   Architektur und Innendekoration ............................................................. 7  

5.3   Kunstgewerbe ......................................................................................... 9  

6.   Schlussbetrachtung ..................................................................................... 12  

Anhang: Abbildungen ........................................................................................ 14  

Literaturverzeichnis ............................................................................................ 18  

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3

Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Palmettenornament ............................................................................... 14  

Abb. 2: Kreisornament ....................................................................................... 14  

Abb. 3: Muschelornament .................................................................................. 14  

Abb. 4: Blatt aus dem Livre d’ornemens ............................................................ 15  

Abb. 5: Hôtel de Soubise, Paris. Salon ovale .................................................... 15  

Abb. 6: Kommode in Vernis Martin mit vergoldeten Bronzebeschlägen ............ 16  

Abb. 7: Die Toilette der Venus ........................................................................... 17  

 

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1. Einleitung Ornamente spielen in der Kunst, Architektur, Malerei, Mode und Handwerk seit

jeher eine wichtige Rolle. Quer durch alle Kulturen finden sich unterschiedliche

Formen und Stile, die oft auch bestimmten Epochen zugeordnet werden

können. Besonders die Epoche des Rokoko, wird sehr eng mit seiner

Ornamentik in Verbindung gebracht.

Im Folgenden wird das Ornament im Rokoko genauer untersucht.

2. Eingrenzung der Epoche und Lebensstil im Rokoko

2.1 Zeitliche Eingrenzung In der Kunstgeschichte, wird das Rokoko häufig als Spätphase des Barock,

etwa zwischen 1720 und 1770, bezeichnet, in der auf der einen Seite die

Elemente des Barocks aufgegriffen und zu einem eigenen Stil weiterentwickelt

wurden, auf der anderen Seite aber auch den Übergang zum Klassizismus

vorbereitete.1

In neueren Forschungsergebnissen hat der Begriff Rokoko eine präzisere

Definition bekommen. Dort ist er keine Stilphase des Spätbarock, sondern eine

eigene Kunstströmung im 18. Jahrhundert. Er wird eng mit seinen spezifischen

Formen in Verbindung gebracht, die in öffentlichen Staatsgebäuden, Kirchen

und in deren Dekorationen auftauchen. Diese Beschränkung des Rokoko-

Begriffs auf die Form und die Dekoration, ist kein Widerspruch dazu, Rokoko

als eigenen Stil in der Kunstgeschichte zu betrachten.2

2.2 Lebensstil im Rokoko Brennpunkt des Rokoko war Frankreich und breitete sich von dort vor allem

nach Italien, Deutschland und Spanien aus.

Die Zeit des Barock war geprägt vom „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. Nicht nur die

öffentlich inszenierte, ausschweifende Lebensführung, sondern auch sein

unerhört pompöses Schloss Versailles und sein zur Schau gestellter Reichtum

wurde zum Inbegriff dieser Epoche. „Das Verlangen nach Fülle des Ausdrucks,

1 Vgl. Stadler (1987), S. 115 2 Vgl. Bauer, Sedlmayr (1992), S. 15

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nach Prunk und Schwulst lag im Geiste der Zeit […].“3, so formulierte es

Wilhelm Lübke.

Nach seinem Tod im Jahre 1715 wandelte sich der Lebensstil. Man verhielt sich

kultivierter, feinsinniger und galanter. Größe und Pathos des Barock wichen

dem Gefälligen, Eleganten. Dies war der Beginn des Rokoko mit seinem

Nachfolger Ludwig XV. Auch im Dekorationsstil und der Ornamentik zeigte sich

dieser Bruch. Die schweren, manchmal pathetisch-pompösen Formen des

Barock wurden von zierlich-leichten, grazil und fast spielerisch anmutenden

Gestaltungen abgelöst.4 Die typischen Ornamente des Rokoko sind ein Spiegel

dieser veränderten Lebensweise.

3. Definition und Formen eines Ornaments „Ornament“, von lateinisch ornamentum, "Schmuck", "Verzierung", bezeichnet

ein einzelnes motivisches Schmuckwerk, das in allen Kunstgattungen auftritt

und besonders in der Baukunst und im Kunstgewerbe angewendet wird. Neben

der dekorativen Funktion, dienen Ornamente auch dazu, einen Gegenstand zu

gliedern und seine Teilelemente optisch voneinander abzusetzen.5

Die beiden Hauptformen ornamentaler Gestaltung, aus denen sich alle

Nebenformen entwickeln, sind geometrische Zierformen, wie

Dreiecksverzierungen, Kreisformen und Spiralen und Pflanzliche Zierformen,

wie beispielsweise Palmetten und Ranken. Auch Tierformen und gelegentlich

menschliche Formen, architektonische Elemente und Schriftzeichen sind

bekannt. Sogar Muschelformen und spiralförmige Voluten werden oft

verwendet.6 (vgl. Abb.1 u. 2)

4. Die Rocaille Der Begriff „Rokoko“, ist vom französischen Wort rocaille abgeleitet. Im 17.

Jahrhundert wurde dieser Ausdruck für das Muschelwerk in Grotten und

Gärten, wie sie in Schlossanlagen üblich waren, verwendet. Man dekorierte die

3 Lübke (1907), S. 3 4 Vgl. Blunt (1979), S. 17 5 Vgl. E. Lucie-Smith (1990), S. 233 6 Vgl. Ebd.

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Innenwände dieser Grotten mit natürlichen sowie mit künstlich hergestellten,

bizarren Muscheln. Die Rocaille war das Hauptdekorationselement im Rokoko.

Das Grundelement der Rocaille ist die Muschelform. Sie besteht aus C-förmig

geschwungenen Linien, mit Riefelungen. Sie war seit der Renaissance ein

immer wiederkehrendes Dekorationselement. Auch im Barock bediente man

sich in der Ornamentik der Muschelform. Sie gleicht dort meist der symmetrisch

ausgebildeten Kammmuschel. Zusammen mit Akanthusranken und anderen

geschwungenen Gebilden vereinten sie sich zu einem überladenen, schweren

Beiwerk in den symmetrischen Formen und Bauten des Barock.

Aus diesem Muschelstoff bediente man sich auch im Rokoko. Allerdings war die

Muschel nicht mehr ein glatt stilisiertes, symmetrisches und erkennbares

Gebilde, sondern krümmte sich form- und willenlos, fast launenhaft wie krauses,

knorpeliges Muschelwerk. Der Rocaillestil war ohne jegliche stoffliche

Gebundenheit, einzig der Kurvengedanke aus dem Muschelstoff war sein

Ursprung.7 (vgl. Abb. 3)

Nach Bauer, bezeichnet die Rocaille dabei nicht nur den blossen Muschelrand,

sondern sie ist ein Komplex, bei dem dieser Muschelrand nur ein Motiv unter

Motiven ist.8 Erschaffen wurde ein wirklich sinnlicher Eigenorganismus, der

keine Entsprechungen in der Natur hatte und nur auf dem Wege des

anschaulichen Denkens erfasst werden konnte. Die Grundform des

Muschelwerks konnte sich ohne Übergang in Geranke, blumigen Geflechten,

Wasserdarstellungen verflüchtigen. Sie konnte sich auch zu naturalistischen

Formen und konkreten Körpern, Tieren oder Architekturgebilden verdichten.

Alles konnte ineinander verschmolzen sein.9

Es war das Bedürfnis nach Rückkehr zur Natürlichkeit, zum Geschmackvollen.

Im Barock war alles sinnfrei, überladen und pompös. Jetzt wollte man das

Natürliche betonen, statt überladen sollte alles filigraner und zerbrechlicher

wirken. Die Asymmetrie der Ornamentik sollte diese Natürlichkeit hervorheben.

7 Vgl. Sedlmaier (1917), S. 85 8 Vgl. Bauer (1962), S. 18 9 Vgl. Sedlmaier (1917), S. 86

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Allerdings vollzog sich diese Rückkehr zum Natürlichen mehr in Form einer

Darstellung des Unnatürlichen aus dem Reich der Phantasie.10

5. Verwendung der Rocaille

5.1 Ornamentgrafik Im 18. Jahrhundert erlangte die Ornamentgrafik eine aussergewöhnliche

Bedeutung. Viele ihrer Repräsentanten waren eher als Dekorateure tätig oder

entwarfen Vorlagen für das Kunsthandwerk. Selbst freie Maler gestalteten

Ornamente, die weniger Dekoration als eigenständige Bilderfindungen waren.

Besonders bei Juste-Aurèle Meissonnier, einer der wichtigsten Vertreter der

Ornamentgrafik-Kunst, erfährt das Rokoko-Ornament seine vollständige

Ausprägung. In seinem Livre d’ornemens von 1734, einer Sammlung von

Ornamentstichen, manifestiert sich in besonderer Weise das Wechselspiel

zwischen Architektur und Ornament. Das Ornament verwandelt sich in ein Motiv

innerhalb eines Bildes. Es ist nicht mehr blosse Dekoration am Rande, sondern

wird zum eigentlichen Bildgegenstand.11

In Abbildung 4 wird deutlich, wie jetzt der Muschelrand mit seinen C-Bogen zu

derartiger Quasi-Architektur geworden ist (vgl. Abb. 4). In der Mitte eine

Muschelschale, die Bildgegenstand geworden ist. Sie ergibt eine Art Stilleben

zusammen mit Schnecken und Korallen. Die Form Rocaille wird dargestellt als

ein malerisches Objekt. Aber gerade weil sie kein Objekt ist, prallen so Bildlogik

und Ornamentlogik zusammen. Alle Bildgegenstände scheinen zu einem

Ornament zusammengeflossen zu sein und bekommen einen irrealen

Charakter.12 Nach Bauer ist genau dies die Grundmodalität des Rokoko,

nämlich künstlich eine Spannung innerhalb der Realitätsgrade zu erzeugen.13

5.2 Architektur und Innendekoration Die Entwicklung des Architekturstils im Rokoko lässt sich als Reaktion auf den

pompösen, erhabenen Stil des Barock verstehen. Nach der repräsentativen,

würdevollen Grösse der Architektur des 17.Jahrhunderts sehnte man sich in der

10 Vgl. Sedlmaier (1917), S. 66 11 Vgl. Bauer, Sedlmayr (1992), S. 36 12 Vgl. Ebd., S. 38 13 Vgl. Bauer (1962), S. 21

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Baukunst des Rokoko nach mehr Intimität und Leichtigkeit. Sie sollte elegant,

bequem und besonders in der Innenausstattung komfortabel sein.

Grund für diese neue Sichtweise war die Kritik am bisherigen Verhältnis

zwischen Aussenbau und Innenbau. Die Innendekoration hielt nicht was der

Aussenbau versprach. Oft war die Bestimmung des Gebäudes nicht eindeutig

zu erkennen, da jeder Bau die gleiche Grösse und die gleiche

Repräsentationskraft besass. Der Begriff der Angemessenheit, convenence,

tauchte in diesem Zusammenhang zum ersten Mal 1702 auf. Sie verlangte eine

stärkere Differenzierung der Grösse und Gestalt sowohl der verschiedenen

Bauten nach ihrer Zweckmässigkeit, als auch der verschiedenen Räume nach

ihrer Bestimmung. Es wäre nicht angemessen, Räume mit unterschiedlicher

Bestimmung gleichwertig zu dekorieren. Aus der besonderen Bestimmung

jedes Raumes soll seine Form, Grösse, Proportion und besonders auch der

Charakter und das Mass seiner Dekoration abgeleitet werden.14 Dass der

Aussenbau und der Innenraum sich im Rokoko so stark unterscheiden, folgt

aus diesem Prinzip. „Eine Schönheit ausserhalb der Angemessenheit gibt es

nicht.“15

Auf Grund der Anpassung der Funktionalität an das Gesamtbauwerk wurden

die Ausmasse und Proportionen nun zierlicher, die Aufteilung der

Architekturelemente folgte nun neuen Gesetzen und wurde leichter. Die

Aufmerksamkeit richtete sich nicht nur auf die Wirkung des Gesamtbaus,

sondern nun auch auf einzelne Details und auf die Dekoration. Die Rocaille, als

ornamentales Schmuckwerk konnte so in der Architektur ihren Siegeszug

einleiten. In Frankreich waren Ornamente im Aussenbau allerdings nur sehr

sparsam zugelassen.16 Daher konnte die Rocaille nur als Innendekoration zur

Verwendung kommen. So kam es im Rokoko zu einer herausragenden

Beachtung des Interieurs, wobei die einzelnen Künste, wie Bildhauerei, Malerei

und Kunsthandwerk zu einem regelrechten Gesamtkunstwerk beitrugen.

14 Vgl. Bauer, Sedlmayr (1992), S. 40 15 Bauer, Sedlmayr (1992), S. 40 16 Vgl. Bauer, Sedlmayr (1992), S. 19

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„Die wesentlichen Innovationen finden nun wirklich im Innenraum statt; der

Aussenbau bringt kaum mehr Neues.“17

Der Hochadel in Frankreich, versuchte sich in seinen pariser Stadtwohnungen

gegenseitig in künstlerischer Raffinesse zu übertreffen. Die Innenräume wurden

nach eigenem Geschmack so gestaltet, dass sie ein intimes und komfortables

Wohnen möglich machten. Im Gegensatz zum repräsentativen Barock, trennte

man im Rokoko den privaten Bereich der Wohnung von einem Öffentlichen. Die

Fassadengestaltung war eher zurückhaltend dekoriert, in der

Innenraumgestaltung gab es dagegen keine Grenzen. Alle Möglichkeiten an

Farbe und Ornamentik wurden ausgereizt. Den Innenraum bis in alle Details

hinein heiter und wohnlich auszugestalten, das waren die eigentlichen

Aufgaben des neuen Stils. Die Rocaille mit ihren unbegrenzten Möglichkeiten

der Darstellung war dafür das ideale Instrument. Sie tritt am häufigsten an

Übergängen auf, am Ansatz der Decke, so dass Raumgrenzen und in den

Räumen befindliche Ecken aufgelöst werden. Durch diese rankende und

züngelnde Ornamentik wird ein tänzelnder, schwingender Charakter des

Gesamtwerks erreicht. S-Kurven und C-Schwünge mit ihrer extremen

Leichtigkeit und Ungezwungenheit bestimmten die Raumoptik. Das Ornament

ist zum Selbstzweck geworden und wird zum zentralen Bestandteil des

Raumes. Teilweise wurden noch Spiegel zwischen den großzügigen

Rocailleornamenten angebracht, um den Eindruck der Vielfältigkeit und des

Reichtums noch zu verstärken.18 (vgl. Abb. 5)

5.3 Kunstgewerbe Besonders das Kunstgewerbe fand zur Zeit des Rokoko seine Blüte. Von

dekorativen, nicht von architektonischen Gedanken ist die Kunstbewegung des

Rokoko ursprünglich ausgegangen. Es war eine Stilentwicklung auf

kunstgewerblicher Grundlage. Daher verwundert es nicht, dass aufgrund der

zusätzlich aufkommenden Neigung zum Privaten und Intimen, sich die

17 Bauer, Sedlmayr (1992), S. 61 18 Vgl. Lübke (1907), S. 353

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künstlerischen Akzente vorwiegend auf die Gestaltung der Innenräume und des

darin befindlichen Mobiliars verlagerten.19

In allen Gebieten des Rokoko wandte man sich von der barocken Schwere ab,

um eine Leichtigkeit in Dekorationselementen und Möbeln zu erzielen. Zur

Innenausstattung gehörten zudem verschiedene kostbare Materialien, wie

Parkett, Seide und Stickereien, Silber und Gold, Perlmutt und Perlen sowie

Lack und Porzellan. Auch die mit dem architektonischen Ensemble fest

verbundenen Geräte, vor allem Kamine, Kaminbögen und Kaminzangen

dienten als Dekorationselemente. Alles sollte nun Linien von freien Biegungen

und Schwingungen annehmen, die in Schnörkeln, in Blumengewinden, in

Muscheln und Gitterwerk auslaufen.20

Von grossem Einfluss waren dabei die Vorlagen der Ornamentstichserien,

besonders jene Meissonniers. Innerhalb der Gesamtdekoration trugen die

Möbel und die Kamine die stärksten Kurven. Kaminzangen waren oft ganz aus

Rocailleschnörkeln in Eisen oder Bronze geformt.

Kommoden, Tischchen, Fauteuils und Chaiselongues sind die typischen

Rokokomöbel, aber auch Bibliotheken, die in künstlerischer Weise gestaltet

sind, waren zeitgemäß. Die Körper der Kommoden, die Lehnen und Beine der

Sessel und Stühle zeigen die typischen Windungen.21 (vgl. Abb. 6)

Das Prinzip der convenence galt auch hier. Die Grösse der Möbel und ihr

Aufwand hingen von der Bestimmung des betreffenden Raumes ab.22

Schon der Geschmack Lous XIV hatte die gebogenen Linien gekannt, aber sie

traten damals breiter, gedrungener auf. Jetzt stehen die Möbel auf zarten,

schlanken Füssen, wirken nicht mehr massiv. Nicht mehr die Schwere, die

protzende Erscheinung ist massgebend, sondern die Bequemlichkeit. Die

Schwingungen dienen nicht nur einem dekorativen Sinn, sondern einem

Praktischen, sie versuchen sich der menschlichen Gestalt anzuschmiegen,

wollen zugleich wohlgefällig sein und jeder lässigen Stellung folgen. Die Möbel

19 Vgl. Osborn (1929), S. 111 20 Vgl. Ebd. 21 Vgl. Bauer, Sedlmayr (1992), S. 45 22 Vgl. Ebd., S. 44

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haben zwar an Protz verloren, aber an Bequemlichkeit und Wohlgefälligkeit

gewonnen. Dazu tragen auch die Polsterungen mit ihren Gobelin-, Stickerei-

oder Stoffüberzügen bei.23 Nach ähnlichen Prinzipien wurden die Kommoden

gebaut, die jetzt allgemein in Mode kamen, eine bequeme Mittelform zwischen

Schrank und Truhe.

Die gesamte Möbelkunst erreichte zur Zeit des Rokoko ihre volle Entfaltung und

somit wurde Frankreich, das Ausgangsland der Bewegung, auf dem Gebiet der

Möbelkunst führend.

Auch in der Porzellankunst bediente man sich der neuen Formen. Das

Phänomen des Rokoko und seiner Ornamentik fand im Porzellan das

charakteristische und am besten geeignete Material, um zu formulieren, was

beabsichtigt war. Importe aus Ostasien waren bisher nötig, um die Vorliebe für

kleine Skulpturen und Tischgeschirr aus diesem Material zu befriedigen. 24

Die gesamte Epoche des Rokoko ist nicht vorstellbar ohne die feinen Schüsseln

und Schalen, Teller, Vasen und Figürchen aus diesem zerbrechlichen

Material.25 Mit Rocaille-Ornamentik bemalt waren sie ein weiteres Element in

der Gesamtdekoration. Bezeichnenderweise, setzte sich die Mode des Rokoko

in Porzellanfiguren und Imitationen bis in unser Jahrhundert ohne grosse

Unterbrechung fort.26 (vgl. Abb. 7)

Vor allem Deutschland erlangte grossen Ruhm in dieser Epoche. Der Stil in der

Porzellankunst wurde unzweifelhaft zuerst in Deutschland geschaffen. 1711

wurde in Meißen die Manufaktur errichtet, die in dieser neuen Kunstgattung zu

einer Grösse durch das ganze Jahrhundert hindurch werden sollte. Meißner

Porzellan eroberte so das gesamte Abendland.

Auch in der Goldschmiedekunst und im Metallhandwerk äussert sich der ganze

Übermut und die bizarre Laune des Rokoko-Stils. Kandelaber, Leuchterarme,

Kaminböcke werden in unsymmetrischen Kurven, durchsetzt mit Blatt- und

Muschelwerk gebildet, winden und drehen sich um die eigene Achse oder

23 Vgl. Dreger (1907), S. 146 24 Vgl. Bauer, Sedlmayr (1992), S. 73 25 Vgl. Osborn (1929), S. 117 26 Vgl. Bauer, Sedlmayr (1992), S. 74

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stellen ihrem ganzen Körper nach einen einzigen Schnörkel dar, dem

Blumengirlanden, Figürchen und dergleichen angefügt sind. Ein für die

Formenwelt des Rokoko besonders geeignetes Material war das getriebene

Silberblech der für ganze Toilettenausrüstungen verwendet wurde.27

Oft wurden als Dekorationselement auch Wandteppiche verwendet. Auch dort

manifestieren sich die Rocaillemuster. Gerade die phantastischen Elemente

des Stils, das Muschelwerk, die naturalistischen Formen und die Unsymmetrie

bringen dem Innenraum den Charakter des Geschmeidigen, Schmeichlerischen

und Eleganten.28

6. Schlussbetrachtung In ihrer Bildgegenständlichkeit und ihrer inhaltlichen Bedeutung ist die Rocaille

ein Grenzfall innerhalb der Kategorie des Ornaments. Gleichzeitig ist sie reines

Ornament. Die Objektivierung des Ornament als Bildgegenstand führte zu

seiner Auflösung. Ein Dekorationsprinzip ist nicht mehr Realität wenn es selbst

zum Bildmotiv geworden ist. So kam es zum Verschwinden der Dekoration an

sich. Nach dem Rokoko gab es keine eigenständige Dekoration mehr. Sie hat

sich in diesen Aspekten des Rokoko aufgelöst, als sie selbst Objekt der

Darstellung geworden ist.29

Die Vertreter der klassizistischen Richtung übten starke Kritik am Rokoko und

seiner Ornamentik. Für sie war es der Inbegriff des schlechten Geschmacks

und distanzierten sich davon. Die Wilden unnatürlichen Gestalten, ihre

unwahrscheinliche und unmögliche Verbindung, die willkürliche und regellose

Zusammenfügung des Natürlichen mit dem Unnatürlichen sahen sie als eine

Schande für die Kunst.

Die besondere Ästhetik des Rokoko bestand darin, das Künstliche im

Kunstwerk bewusst zu machen. Aber die Genüsse sind von kurzer Dauer, sie

sind vergänglich. Gerade dieses steigert aber den Reiz des Schönen.30

27 Vgl. Lübke (1907), S. 364 28 Vgl.Osborn (1929), S. 113 29 Vgl. Bauer, Sedlmayr (1992), S. 39 30 Vgl. Ebd., S. 137

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In einem Rokokoraum glaubt man nur für einen kurzen, glückhaften Augenblick

Zeuge einer Improvisation der Schönheit zu sein. Dies ist das grosse Stilmittel

des Rokoko. Die Intensivierung des ästhetischen Genusses, dadurch dass alles

vergänglich und flüchtig erscheint.31

Dieses Spiel mit der Vergänglichkeit, das Natürliche und sich Verwandelnde,

war gleichzeitig die Schwäche des Rokoko, die es zum Verschwinden brachte.

Es war eine Übertreibung der Ausdrucksform in der Kunst und in der

Dekoration. Und wie jede Übertreibung verkehrte auch diese sich ins sein

Gegenteil. Das Dekorationsprinzip und das Ornamentale hatten im

darauffolgenden Klassizismus keine Bedeutung mehr.

31 Vgl. Bauer (1962), S. 77

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Anhang: Abbildungen

Abb. 1: Palmettenornament

(Quelle: http://www.classicaljournal.com/images/Palmette,%20antefix.png)

Abb. 2: Kreisornament

(Quelle:http://69.90.174.248/photos/display_pic_with_logo/59156/59156,1175270985,1.jpg)

Abb. 3: Muschelornament

(Quelle: http://www.kunreuth-evangelisch.de/geschichtliches/Bilder/muschel.jpg)

Page 15: Das Ornament im Rokoko

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Abb. 4: Blatt aus dem Livre d’ornemens, 1734, Juste-Aurèle Meissonnier

(Quelle: Bauer (1992), Tafel 7)

Abb. 5: Hôtel de Soubise, Paris. Salon ovale, 1738-40

(Quelle: Bauer, Sedlmayr (1992), S. 63)

Page 16: Das Ornament im Rokoko

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Abb. 6: Kommode in Vernis Martin mit vergoldeten Bronzebeschlägen

(Quelle: Dreger M., (1907), S. 143)

Page 17: Das Ornament im Rokoko

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Abb. 7: Die Toilette der Venus, Johann Wilhelm Lanz, um 1760

(Quelle: Bauer, Sedlmayr (1992), S. 74)

Page 18: Das Ornament im Rokoko

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Literaturverzeichnis Bauer, H. (1962). Rocaille. Zur Herkunft und zum Wesen eines Ornament-

Motivs. In: Neue Münchner Beiträge zur Kunstgeschichte (Bd. 4). Berlin: Walter

de Gruyter & Co.

Bauer, H., & Sedlmayr, H. (1992). Rokoko. Struktur und Wesen einer

europäischen Epoche. Köln: DuMont Buchverlag.

Blunt, A. (1979). Kunst und Kultur des Barock und Rokoko. Freiburg im

Breisgau: Verlag Herder.

Dreger, M. (1907). Das Kunstgewerbe in Barock, Rokoko, Louis-XVI, Empire

und Neuester Zeit, im Gebiete des Islams und in Ostasien. In: E. W. Braun,

et al., Illustrierte Geschichte des Kunstgewerbes (Bd. 2). Berlin: Verlag von

Martin Oldenbourg.

Lucie-Smith, E. (1990). "Ornament". In: DuMont's Lexikon der Bildenden Kunst.

angewandte Kunst, Architektur, Fotografie, Grafik, Malerei, Plastik;

Stilrichtungen, Schulen, Medien, Materialien, Techniken. Köln: DuMont Buch-

Verlag.

Lübke, W. (1907). Die Kunst der Barockzeit und des Rokoko. In: Grundriss der

Kunstgeschichte (13. Ausg., Bd. IV). Esslingen a.N.: Paul Neff Verlag.

Osborn, M. (1929). Die Kunst des Rokoko. In: Die Propyläen-Kunstgeschichte

(Bd. XIII). Berlin: Propyläen Verlag GmbH.

Richard, S. (1917). Grundlagen der Rokoko-Ornamentik in Frankreich. In: Zur

Kunstgeschichte des Auslandes (Heft 116). Strassburg: J. H. Ed. Heitz (Heitz &

Mündel).

Stadler, W. (2006). "Rokoko". In: Lexikon der Kunst (Bd. 10). Eggolsheim:

Edition Dörfler im Nebel Verlag GmbH.

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Erklärung

Ich erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig und ohne

Benutzung anderer als der angegebenen Hilfsmittel angefertigt habe; die aus

fremden Werken wörtlich oder sinngemäß übernommenen Gedanken sind unter

Angabe der Quellen gekennzeichnet.

Ich versichere, dass ich bisher keine Prüfungsarbeit mit gleichem oder

ähnlichen Thema bei einer Prüfungsbehörde oder anderen Hochschule

vorgelegt habe.

.................................................................................................

Ort, Datum Unterschrift


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