Cybermobbing - Die Spitze des Eisbergs
Elektronische Medien als effiziente Elektronische Medien als effiziente Erweiterung des traditionellen
Mobbings
Prof. Dr. Françoise D. Alsaker
Universität Bern
Institut für Psychologie
Mobbing und Cybermobbing
• Mobbing und seine Formen
• Was an Cybermobbing speziell ist
• Befindlichkeit und Verletzbarkeiten
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© Marianne Kauer
Mobbing ist
1. Aggressives Verhalten, das sehr viele Formen annehmen kann
— Ein negatives, verletzendes, zielgerichtetes Verhalten— Ein negatives, verletzendes, zielgerichtetes Verhalten— Mit der Absicht zu verletzen
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Aggression - Mobbing - Konflikt?
Aggression
Mobbing
Konflikt
Streit
Mobbing
• Relativ ebenbürtige Auseinandersetzungen
• Es geht um eine Sache, nicht um die Schädigung
• Konflikte lösen lernen gehört zur sozialen Entwicklung
Negative, schädigende Verhaltensweisen
Formen von Mobbing
Direkte Formen- Konfrontation- Täterschaft offensichtlich
− Körperliche Handlungen − Unterschwellige Handlungen
Indirekte Formen- Keine klare Konfrontation- Täterschaft unklar
Typische Erscheinungsformen
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− Körperliche Handlungen
− Verbale Handlungen
− Drohungen & Erpressungen
− Zerstörung von Eigentum
− Beleidigende Gesten
− Unterschwellige Handlungen
− Nonverbale Handlungen
− Soziale Aggression
− Gerüchte
− Ausgrenzen - Ignorieren
Zusätzlich alle Handlungen, die umgedeutet werden können.
Von den Schule in den „Cyberspace“
> Das Internet und die Benutzung von Mobiltelefonen ist für die aller meisten Jugendlichen und viele Kinder Alltag
— Smartphones / Tablets und Minicomputer
— SMS und MMS - schnelle Kommunikation / „dabei sein“
— Informationssuche im Internet
— Soziale Netzwerke – Foren - Chatrooms
— Etc.
Elektronische Mediennutzung bei Jugendlichen
> JAMES-Studie 2012 mit ca.1‘000 CH Jugendlichen 12 bis19 J.
— 99% besitzen ein Handy
— 97% haben Internetzugang zu Hause— 97% haben Internetzugang zu Hause
— 56% haben einen eigenen Internetzugang
— «Handy nutzen» und «Internet nutzen» sind auf Platz 1 und 2 der liebsten Freizeitaktivitäten, MP3 hören ist Nr. 3
— Freunde treffen ist auf Platz 4
— Austausch in sozialen Netzwerken (z.B. Facebook, Twitter) ist die häufigste Form der Internetnutzung
(Willemse, Waller, Süss, Genner, & Huber, 2012)
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Elektronische Mediennutzung bei Jugendlichen
Wichtige Medien im Eine zusätzliche
Chancen und Risiken&
12.11.2013 8
Wichtige Medien im Dienste der Wissenserweiterung und sozialer Beziehungen:
• Interaktion mit bekannten Peers
• Knüpfung von neuen Kontakten(Gross, Juvonen, & Gabel, 2002)
Eine zusätzliche Möglichkeit, um negative Handlungen gegenüber Peers auszuüben oder Opfer solcher Handlungen zu werden:
• 20-40% aller Jugendlichen waren mind. einmal im Leben Opfer von negativen Handlungen im Cyberspace
(Review Tokunaga, 2010)
Formen von Mobbing
Direkte Formen- Konfrontation- Täterschaft offensichtlich
− Körperliche Handlungen − Unterschwellige Handlungen
Indirekte Formen- Keine klare Konfrontation- Täterschaft unklar
Typische Erscheinungsformen
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− Körperliche Handlungen
− Verbale Handlungen
− Drohungen & Erpressungen
− Zerstörung von Eigentum
− Beleidigende Gesten
− Unterschwellige Handlungen
− Nonverbale Handlungen
− Soziale Aggression
− Gerüchte
− Ausgrenzen - Ignorieren
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Die elektronischen Medien – Cybermobbing.
Cybermobbing in den Medien
Cybermobbing erregte in den letzten Jahren sowohl in den
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Aufmerksamkeit!
Medien als auch in der Wissenschaft weltweit grosse Aufmerksamkeit!
(Colanego, 2012)
Cybermobbing
Hintergrund.
Die Aufmerksamkeit auf Cybermobbing verdrängt die Problematik des traditionellem Mobbing in der Schule in den
Hintergrund.
Generelle Cyberspace-
Risiken
„Traditionelles“ Mobbing
(Schule -Schulweg)
Was Mobbing charakterisiert
1. Aggressives Verhalten, das viele Formen annehmen kann
2. Systematisch gegen eine Person gerichtet3. Mobbing ist ein Gruppengeschehen
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Mobbing: Die Rollen
Verstärker
Passive
Zuschauer
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Mobbende
Mitläufer
Helfer
Opfer
(nach Olweus & Limber, 1999; Salmivalli et al., 1996)
Erwachsene
Was Mobbing charakterisiert
1. Aggressives Verhalten, das viele Formen annehmen kann
2. Systematisch gegen eine Person gerichtet3. Mobbing ist ein Gruppengeschehen
Es kommt wiederholt und über Zeit vor4. Es kommt wiederholt und über Zeit vor5. Es ist geprägt von Ungleichgewicht
— Mehrere gegen ein Opfer – Eine Machtdemonstration— Das Opfer kann sich kaum wehren
6. Es geschieht oft verdeckt (indirekte Anwendung) / im Versteck (ausser Sichtweite für Erwachsene)
7. Das Muster von Handlungen macht Mobbing aus8. Es ist kein Konflikt, kein Kinderspiel, kein November 13 14
Merkmale – Folgen – Gefühle
> Erniedrigung & Demütigung in der Öffentlichkeit
> Schweigen von allen
> Das Opfer steht allein
Hilflosigkeit und Ausweglosigkeit der Opfer
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> Hilflosigkeit und Ausweglosigkeit der Opfer
> Mobbing handelt um Macht
> Zufriedenheit der Mobber
Mobbing ist cool !!!
Was am Cyber-Mobbing speziell ist
> Keine Beschränkung durch Zeit und Raum
> Potentiell grenzenloses Publikum
> Anonymität der Täter — Gefühl von Macht und Kontrolle— Gefühl von Macht und Kontrolle
— Wenig Angst vor Sanktionen
— Anonymität ist allerdings eine Täuschung !!
> Unsichtbarkeit des Opfers— Tiefere Hemmschwelle
> Starke und manipulierbare Medien: Videos, Bilder, Ton
Cyber-Mobbing – Rollenverteilung?
> Die Plattform ist eine ganz andere als in der Schule— Gruppendynamiken verbleiben wichtig: Anfeuern, zusammen
etwas auf Internet aufschalten, der enthemmende Einfluss der Gruppe, ....
— Helfer der Opfer? Vor allem Unterstützung, Trost, Strategie-Diskussion?
— Passive Zuschauer? Viele bekommen es evtl. mit. Was tun sie?
> Abwesenheit der Erwachsenen in unmittelbarer Nähe des Geschehens
Geläufige heutige Definition von Cybermobbing
Baut auf Definitionen von traditionellem Mobbing auf:
> Cybermobbing ist ein aggressives Verhalten, welches wiederholt und absichtlich auf ein wehrloses Opfer gerichtet wird und durch ein elektronisches Medium erfolgt— Cybermobbing = Traditionelles Mobbing + elektronisches Medium— Cybermobbing = Traditionelles Mobbing + elektronisches Medium
> Problematisch: die wenigsten Studien haben das Kriterium der Wiederholung verwendet. — D.h. dass auch einmalige negative Handlungen im Cyberspace als
Mobbing bezeichnet wurden => hohe Häufigkeiten von Betroffenen
— Es ist aber auch fraglich, ob es dieses Kriterium immer braucht
> Sehr unterschiedliche Instrumente und Kriterien— Studien sind nicht sehr gut vergleichbar.
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Cybermobbing: empirisches Wissen
> Cybermobbing ist eng verknüpft mit „traditionellem“ Mobbing in der Schule — Cyber-Mobbing ist aber deutlich seltener als traditionelles
Mobbing
— 1- 5 % sind regelmässig in Cybermobbing beteiligt— 1- 5 % sind regelmässig in Cybermobbing beteiligt
— Jugendliche, die online Mobbingopfer sind oder selber Mobbing ausüben, tun dies meistens auch offline(z.B. Machmutow, Perren, Sticca, & Alsaker, 2012)
� Cybermobbing ist meistens nur die Spitze des Eisbergs !
> Cybermobbing ist eng verknüpft mit „traditionellem“ Mobbing in der Schule
> Cybermobbing zeigt eine gewisse Stabilität über die Zeit(z.B. Fanti, Demetriou, & Hawa, 2012)
Cybermobbing: empirisches Wissen
> Häufigkeit der Online-Kommunikation ist ein Risiko— Online-Opfer nutzen das Internet häufiger als andere.
— Besonders die Kommunikation per Chat, Blog oder Webcam erhöht das Risiko für Cybermobbing (z.B. Juvonen & Gross, 2008).
> Keine klaren Geschlechtsunterschiede
Cybermobbing in der Schweiz Forschungsprojekt «netTEEN»
> Längsschnitt: Nov. 2010 – Mai 2012
> Ab Mitte 7. Klasse, in halbjährlichem Abstand 4x befragt
Elektronische Fragebögen im Klassenverband
Projektleitung: Perren & Alsaker
Wie netT sind TEENs im Internet?
> Elektronische Fragebögen im Klassenverband
Stichprobe
> 43 Schulklassen aus 3 Kantonen: Wallis, Thurgau und Tessin
> 960 Schüler und Schülerinnen
> Alter bei Ersterhebung: 13.2 J. (SD = 0.64); 49% Mädchen12.11.2013 21
Erfassung von aktivem Cybermobbing
(Entsprechende Items für die „Erfahrung von CM“)
privat
Hast Du die folgenden Dinge seit den Sommerferien gemacht?
halb-
öffentlich
öffentlich
Prävalenzen verschiedener Mobbingformen
0%
2%
3%
20%
CM: öffentlich
Cybermobbing
Prävalenzen von Mobbingopfern (Mittelwert: t1-t4)
oft (mind. 1x Woche) manchmal
7%
2%
1%
53%
12%
12%
3%
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%
Traditionelles Mobbing
CM: privat
CM: halb-öffentlich
CM: öffentlich
Analysen und Grafik: Fabio Sticca
Die Befindlichkeit der
involvierten Kinderinvolvierten Kinder
Bekannte Folgen von Mobbing
Für die Opfer> Angst vor der Schule
> Körperliche Beschwerden
Für die Mobbenden> Weiter aggressiv
> Einschränkung des VerhaltensBeschwerden
—Bauch/Kopfschmerzen
—Schlafprobleme
—Müdigkeit, etc.
> Tiefer Selbstwert
> Depression
> Extremfall: Selbstmord
Verhaltens
> Suchen aggressive Gleichaltrige
> Später Gesetzesbrüche
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Befinden der Cyberopfer
Aktueller Forschungsstand
>Depressive Symptome— Cybermobbing scheint noch stärker mit depressiven
Symptomen assoziiert zu sein als traditionelles Mobbing (z.B. Machmutow et al., 2012). Machmutow et al., 2012).
>Schlechtes Selbstwertgefühl— Querschnittstudien zeigen negative Zusammenhänge zwischen
Cybermobbing und globalem Selbstwertgefühl (z.B. Kovalski & Limber, 2013).
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Ist Cybermobbing schlimmer als traditionelles Mobbing?
Öffentlichkeit Anonymität
Analysen und Grafik: Fabio Sticca; w = omega – Effektgrösse
Ist Cybermobbing schlimmer als traditionelles Mobbing?
> Das Medium (online oder offline) ist nicht primär relevant für die Einschätzung des Schweregrads
> Öffentlichkeit und Anonymität sind bedeutsamer für die Einschätzung des SchweregradsEinschätzung des Schweregrads
> Das Medium per se wird kaum als angsteinflössend wahrgenommen, sondern eher dessen Potential anonyme Angriffe zu erlauben und weite Kreise zu erreichen. (Sticca & Perren, 2013)
Schlussfolgerung
> Die Problematik von Cybermobbing ist ernst zu nehmen
> Prävention und Interventionen gegen Cybermobbing müssen traditionelles Mobbing mit einbeziehen! — Keine technischen (Pseudo)Lösungen
— „Das Internet“ ist nicht schuld an Cybermobbing
> Cybermobbing betrifft die Schule und das Elternhaus gleichermassen
VERLETZBARKEITEN
Verchiedenheit der involvierten Kinder
Verletzbarkeiten I
� Mobbing ist ein Gruppengeschehen
� Jedes Kind oder Jugendliche kann Opfer von Mobbing werden und somit von Cybermobbing!
� Manche Kinder können aber verletzlicher sein� Manche Kinder können aber verletzlicher sein- In gewissen Situationen
- Verhaltensmerkmale/ Eigenschaften
� Aber jede Eigenschaft, jedes Merkmal, kann als (Schein)Grund für Mobbing dienen
Verletzbarkeiten – Cybermobbing
Wer trägt ein höheres Risiko Opfer von Cybermobbing zu werden?
> Wer Opfer im traditionellen Sinn ist – in der Schule
> Wer bereits Opfer von CM zu einem früheren Zeitpunkt war> Wer bereits Opfer von CM zu einem früheren Zeitpunkt war
> Wer viel online kommuniziert (Juvonen & Gross, 2008)
— Internet und elektronische Medien ermöglichen die negativenErfahrungen
> Internetzugang im eigenen Zimmer eller über Smartphones— D.h. in Abwesenheit von Erwachsenen
(Law, Shapka, & Olson, 2010)
Wer wird zum Cybermobber?
> Die stärksten Risikofaktoren für aktives Cybermobbing sind:— Traditionelles Mobbingverhalten
— Anderes normverletzendes Verhalten — Anderes normverletzendes Verhalten
– z.B. Rauchen, stehlen, schwarz fahren
> Häufige Online-Kommunikation (z.B., Erdur-Baker, 2010)— Wie beim Risiko für Opfer: Es geht um Möglichkeiten!
> Mobber haben generell wenig Mitgefühl für ihre Opfer— Dies wird durch die Unsichtbarkeit des Opfers noch verstärkt
Moralische Defizite und Mobbing
Cybermobber und traditionelle Mobber zeigen problematische moralische Defizite
— Mobber haben die Tendenz, sich von ihren unmoralischen — Mobber haben die Tendenz, sich von ihren unmoralischen Taten zu distanzieren – Moral Disengagement / moralisches Distanzieren
– Handlung ist normal, Bagatellisierung der Konsequenzen, Opfer ist selber Schuld.
— Sie bewerten moralische Werte wie „ehrlich und echt sein“ oder „loyal sein“ als weniger wichtig für ihr Leben als andere Jugendliche
— Sie haben weniger schnell ein „schlechtes Gewissen“(Perren & Gutzwiller, 2012)
Verletzbarkeiten II
� Mobbing ist nicht ein Problem von einzelnen Kindern, sondern ist im gesamten Beziehungsgefüge zu verstehen
> Eigenschaften der Gruppe (Klasse, Nachbarschaft)— Gruppendynamik: Ablehnung, Ausgrenzung, Umgang miteinander— Gruppendynamik: Ablehnung, Ausgrenzung, Umgang miteinander
— Hat es Mobber (und Mitläufer) in der Klasse oder im Umfeld?
— Opfer hat wenig oder keine Freunde
> Eigenschaften des weiteren Umfelds— Pro-Mobbing Einstellungen von Lehrpersonen, Eltern...
— Wegschauen und Mobbing verharmlosen
— Im Falle von Cybermobbing: Umgang mit Medien – Zugang zu Medien,...
Prävention von MobbingUmgang mit Mobbing
Prävention von Cybermobbing?
„Traditionelles“ Mobbing
(Schule)
CYBERMOBBING
Generelle Online-Risiken
(Schule) MOBBING
Mobbingprävention in der Schule
Förderung von
MedienkompetenzenSensibilisierung
Realistische Aufklärung - keine Übersensibilisierun
g!
Opferperspektive: durch
Cybersafetykann man sich eher nicht vor
Mobbing schützen
Einbettung in einen
kontinuierlichen und integrativen
Präventionsansatz
Cybermobbing: Was sind erfolgreiche Präventions- und Bewältigungsstrategien?
> Systematische Literaturübersicht durch eine europäische Arbeitsgruppehttp://sites.google.com/site/costis0801/
> Ernüchternde Bilanz> Ernüchternde Bilanz— Es gibt (noch) keine klaren empirischen Belege zur Wirksamkeit von
Empfehlungen und Annahmen betr. Cybermobbing
> Dafür weiss man, dass man Mobbing generell gut vorbeugen und stoppen kann.
> Programme gegen Mobbing generell zeigen Wirkung gegen Cybermobbing — Erste Ergebnisse: Kiva-Studie von Salmivalli in Finnland
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