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CUSTOMEREXPERIENCEFORUM8Das Magazin

CX-Forum 8, 15. /16. Mai 2013

 BaSlERVERSIChERUNgEN NIChTS IST laNgwEIlIgER alS EINE VERSIChERUNg!

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 STaNSERhORN-BahN BEgEISTERUNg IST aNSTECkENd, NEgaTIVISMUS aUCh 

 CSS & STIMMT dIE MaRkE zUM lEBEN ERwECkEN

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 VITRadIE ROllE dES gUTEN gaSTgEBERS

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CX-FORUM8 Sämtliche Präsentationen, Videos und

Impressionen vom CX-Forum 8 und früheren Foren sind auf unserer Web-site einsehbar: www.cx-forum.ch.

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EDITORIAL

Liebe CX-Experten

Zum achten Mal schon haben wir nun auf einem CX-Forum Beispiele für erfolg rei-ches Kundenerlebnis-Management kennengelernt. Natürlich macht es uns stolz, Teil dieser Bewegung zu sein und sie in gewissem Masse auch mit ange-stossen zu haben. Im November 2009 fühlten wir uns noch wie einsame Rufer in der Wüste, wenn wir nur Bestellvorgänge kundenfreundlicher gestalteten. Inzwi-schen glauben wir uns schon fast in der Mehrheit – insbesondere nach einem CX-Forum, an dem wir viele Gleichgesinnte getroffen haben. Es gibt schliesslich viele ermutigende Signale: CX wird inzwischen an den Hochschulen gelehrt. Und immer mehr Entscheider erkennen, dass es schlicht der gesunde Menschen-verstand gebietet, für gute Kundenerlebnisse zu sorgen. Man muss schliesslich «nur» die Sicht des Kunden einnehmen, um seine Bedürfnisse vorauszuahnen und zu erfüllen. Die CSS (Seite 8) oder ein Touristik-Unternehmen wie die Stanserhorn-Bahn (Seite 15) haben das vorbildlich geschafft.

Trotz solcher Erfolge sind noch nicht alle Herausforderungen für CX-Experten be-wältigt. Alle Mitarbeiter des Unternehmens müssen für ein umfassend gestaltetes Kundenerlebnis an einem Strang ziehen. Nur wenn sie überzeugt sind und die Überzeugungen im Alltag automatisch umsetzen, geht das Konzept auf. Die Basler Versicherungen, unser Gastgeber beim achten Forum, verwenden viel Mühe auf die interne Motivation. Stephan Ragg hat uns in seiner Keynote interessante Ein-blicke dazu erlaubt (Seite 4–5). Microsoft hat es geschafft, über die interne Zu-friedenheit auch die Kundenzufriedenheit zu steigern (Seite 16). Und die Swisscom beginnt mit der Erziehung der Mitarbeiter in Richtung Kundenorientierung be-reits beim Einstellungsprozess. Die Bewerber kommen selbst in den Genuss von bedeutungsvollen Erlebnissen (Seite 13).

Ein sehr aktuelles Thema hat das Forum diesmal mit der «Online Experience» aufgegriffen: Die Publisheria klärte uns darüber auf, wie man User in das Design einer App einbezieht (Seite 17). Die Zurich Insurance Group hat mit Unterstüt -zung von Stimmt erstmals eine Berufsvorsorgeversicherung auf den Markt gebracht, die sich online abschliessen lässt (Seite 18). Im Sinne der Kundenfreundlichkeit muss Komplexes einfacher werden. Das Internet hilft dabei, zwingt uns aber auch dazu.

Wer beim CX-Forum unserem Motto «share, engage, connect, experience» folgt, also sein Wissen teilt und sich engagiert, wird viel erfahren und viele Gleich-gesinnte kennenlernen. Vernetzen ist das Stichwort: Dieses Mal spannten wir das Netz einmal mehr über Ländergrenzen hinweg. Mit unserem Besuch bei Vitra in Weil am Rhein und bei den Basler Versicherungen sind wir nun im gesamten deutschsprachigen Gebiet aktiv. Nicht, dass das in der globalisierten Welt wirk -lich eine Rolle spielt. Aber schön ist es trotzdem.

INHALTSVERZEICHNIS

3 BLICKWECHSEL: VITRA CAMPUS

4 KEYNOTE NICHTS IST LANGWEILIGER ALS

EINE VERSICHERUNG!

7 FALLSTUDIE THE HUB ZÜRICH

8 FALLSTUDIE CSS VERSICHERUNG & STIMMT

9 FALLSTUDIE BAWAG P.S.K.

10 IMPRESSIONEN

12 FALLSTUDIE BASLER VERSICHERUNGEN

13 FALLSTUDIE SWISSCOM

15 FALLSTUDIE STANSERHORN-BAHN

16 FALLSTUDIE MICROSOFT

17 FALLSTUDIE BRING!

18 FALLSTUDIE ZURICH INSURANCE GROUP &

STIMMT

19 INITIANTEN & HOST

Helmut KazmaierStimmt

Tiziana MelettaSwisscom

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WECHSELBLICK-

WECHSEL

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BLICKWECHSEL: VITRA CAMPUSDas CX-Forum dient nicht nur dazu, Wissen durch Teilung zu vermehren. Es ist auch eine hervorragende Gelegenheit zum Vernetzen. Diese beiden Aspekte vereint die Rubrik «Blickwechsel» exemplarisch. Die Teilnehmer wechseln Blicke miteinander und tauschen sich über den Stand des CX-Managements in ihren Unternehmen aus. Alle wechseln aber auch die Blickrichtung, denn man trifft sich an ungewöhn - lichen, anregenden Orten. Bei seiner achten Ausgabe war das CX-Forum zu Gast bei Vitra in Weil am Rhein.

Die Rolle des guten Gastgebers

Vitra – das ist nicht einfach eine Möbelfabrik mit der Lizenz zum Herstellen von Design-Klassikern. Vitra ist ein Mekka für Design-Fans. Und das nicht erst, seit der «Campus» eröffnet wurde. Die Produktionsgebäude von weltberühmten Architekten und das Vitra Design Museum hätten schon früher 100 000 Besucher pro Jahr angezogen, sagt Kathrin Meyer, die Managerin des Vitra Campus. «Aber seit 2010 das VitraHaus eröffnet wurde, haben sich unsere Besucherzahlen verdrei-facht.» Der Möbelproduzent ist ganz nebenbei zum Touristenmagneten geworden und erweist sich mit rund 1 000 Veranstaltungen im Jahr auch als beliebte Event-Location. Ein angenehmer Nebeneffekt sei das für die Eigentümer, so Meyer.

Denn gedacht ist das VitraHaus als Flagship-Store und Kun-denbindungs-Instrument. «2007, als das Haus in Planung war, hatten wir in der Schweiz einen Bekanntheitsgrad von 0,5 Prozent. Er hat sich seit der Eröffnung verzehnfacht.» Dazu haben nicht nur die vielen Presseberichte beigetragen. Das spektakuläre Gebäude ermöglicht auf 3 000 Quadratmetern interaktives Erleben der Vitra-Möbel durch die Endkunden. «Zuvor hatten wir kaum Kontakt zu den Käufern. Sie werden ja von den Möbelhändlern betreut. Jetzt lernen wir täglich mehr über uns selbst, weil wir die Reaktionen der Kunden sehen.» Die Menschen bitten zum Beispiel um Spezifikationen be-stimmter Modelle, was Vitra zur Erweiterung der Produkt-palette anregt. Im Lounge Chair Atelier können sie der Montage ihres Eames-Sessels direkt zusehen. «Wer den Aufwand sieht, versteht, warum die Sessel ihren Preis wert sind», sagt Kathrin Meyer. Von «affektiven Erlebnissen» spricht sie in diesem Zusammenhang.

Kundenerlebnisse in der MöbelfabrikAuch wenn man seit 2010 als Endkunde im VitraHaus Möbel kaufen kann, brauchen sich die Fachhändler nicht vor Konkur-renz zu fürchten. Die Preise sind die gleichen wie beim Händ-ler vor Ort. Einziger Vorteil für die Kunden ist die Präsentation der Einrichtungsgegenstände. «Wir bieten sensorische Erleb-nisse – hier kann man Stühle ohne Hemmschwellen auspro-bieren. Hier kann man alle verfügbaren Bezugsstoffe anfassen. Hier stehen die Möbel in einer realistischen Wohnumgebung, sodass man sich leichter vorstellen kann, wie sie zu Hause wirken.» Bei der Konzeption der Ausstellung haben sich die Designer an Personas orientiert. Im Loft in der obersten Etage wohnt zum Beispiel ein wohlsituierter Weltenbummler. Reise-mitbringsel und Bücher sind um Sofas und Sessel arrangiert. «Viele Fachhändler schicken ihre Kunden zu uns, denn sie wissen, dass wir ihnen die Auftragsabwicklung überlassen.» Damit das reibungslos funktioniert, bekommt jeder Besucher eine Schlüsselkarte. Mit ihr kann er sich in der Ausstellung Informationen zu den jeweiligen Möbeln aus Computer-Termi-nals herauslesen. Die Preise, die dort auf dem Bildschirm erscheinen, können an das Herkunftsland des Besuchers an-gepasst werden. Niemand muss Euro in Franken umrechnen oder Mehrwertsteuersätze kennen. Auf dem persönlichen Wunschzettel stehen dann auch Details wie Modell, Farbe oder Bezugsstoff. «Mit Einverständnis des Kunden schicken wir den Lead dann an den Vertragspartner vor Ort.» Die Konversions-rate betrage fast 100 Prozent. «Wer sich hier so intensiv mit einem Produkt auseinandergesetzt hat, der kauft auch.»

Kognitive und soziale Erlebnisse erfährt der Besucher nicht nur im berühmten Vitra Design Museum, das aus der Stuhl-sammlung des Firmengründers hervorgegangen ist, sondern auch in der Verkaufsausstellung im VitraHaus. Man sieht die Klassiker, lernt, wie sie entworfen wurden, und man erlebt, dass auf dem Campus nicht nur Designaffi ne begeistert sind.

Den Mitarbeitern von Vitra kommt durch den Campus eine neue Rolle zu. Sie sind neben ihren eigentlichen Aufgaben in Beratung oder Event-Organisation immer auch Gastgeber. Entsprechend sollen sie dem Kunden gegenüber auftreten. Für gute verhaltensbezogene Kundenerlebnisse sollen die Mitar-beiter aufmerksam, aber nicht aufdringlich sein. Die Gastgeber achten auch auf Kleinigkeiten: Liegt Müll herum, braucht der Rasen einen Schnitt, blättert irgendwo die Farbe ab? Jeder, der auf dem Campus arbeiten will, muss diese Rolle als Gastgeber übernehmen wollen und ein Flair dafür haben. «Man muss es lieben», sagt Kathrin Meyer. «Und man muss sich mit Vitra identifi zieren können.» Das allerdings falle den meisten leicht. «Die Produkte haben einen hohen Kultwert. Und auch das Vi-tra Design Museum und die Kulturprojekte auf dem Campus sind identitätsstiftend.»

Die CX-Pioniere des Forums konnten sich bei einer Führung zu den architektonischen Highlights des Campus von den Gast-geberqualitäten des Möbelproduzenten überzeugen. Beeindruckt von den Gebäuden von Herzog & de Meuron, Ando, Hadid, Gehry oder SANAA waren viele: «Meine Erwartungen sind mehr als übertroffen», sagte einer. Ihren kritischen Verstand schalteten sie trotzdem nicht aus: «Nach den Regeln des Human Centered Design wurde hier aber nicht gebaut», so ein anderer. «Es gibt hübsche Effekte, aber wenig Rücksicht auf menschliche Bedürfnisse.» Im VitraHaus selbst verstummte solche Kritik. Der Apéro im Loft und das Dinner im Restaurant waren perfekt auf die Bedürfnisse der Community ausgerichtet.

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4KEYNOTE: NICHTS IST LANGWEILIGER ALS EINE VERSICHERUNG!

STEPHAN RAGG, MITGLIED DER GESCHÄFTSLEITUNG

Nichts ist langweiliger als eine Versicherung!

Vor drei Jahren haben die Basler Versicherungen begonnen, das Kunden-erlebnis zu einer von drei strategischen Säulen zu machen. Das Touch-point Management optimiert systematisch alle Kundenkontaktpunkte. Den Stein ins Rollen gebracht hat ein Team von vier Client Experience Managern. Inzwischen sind die vier dabei, das ganze Unternehmen mit ihrer Begeisterung anzustecken.

STEPHAN RAGG Mitglied der Geschäftsleitung, Leiter Schaden,

Basler Versicherungen

Am liebsten wäre es Stephan Ragg, wenn die Kunden Schlange stehen würden für ihre neue Hausratsversi-cherung, wenn sie jubelten, sobald sie ihre Police in Händen halten. Doch seine Produkte sind selten mit so starken Emotionen verbunden. «Es geht bei einer Ver-sicherung vor allem ums Geld», gibt er unumwunden zu. «Aber so wie der Lebenszweck eines Menschen nicht darin besteht, Sauerstoff zu atmen, besteht die Existenzberechtigung einer Versicherung auch nicht allein im Geldverdienen. Wir möchten bei der Basler unsere Kunden sicherer machen und sind für sie da, bevor ein Schadenfall passiert.» Aus der Überzeugung heraus, dass eine höhere Kundenzufriedenheit automa-tisch einen grösseren wirtschaftlichen Erfolg mit sich bringt, hat die Geschäftsleitung der Basler beschlossen, mittels Touchpoint Management an den Kundenkon-taktpunkten gezielt für Begeisterung zu sorgen.

«Hier gibt es nun einen doppelten Kausalzusammenhang», führt der Leiter der Schadenabteilung aus. «Wir brauchen be-geisterte Mitarbeiter, denn sie begeistern die Kunden. Und die Kunden bringen dann den Ertrag.» Und was begeistert die Mitarbeiter? «Der Lohn gehört nicht zu den wichtigsten Ele-menten», verrät der Manager. «Es sind die Kollegen, das Umfeld, die Werte und die wahrgenommene Kundenzufriedenheit!» Zufriedene Kunden machen also Mitarbeiter zufrieden und zufriedene Mitarbeiter sorgen für Kundenzufriedenheit – das Perpetuum mobile ist erfunden. Leider funktioniert es auch in die andere Richtung. Wenn Mitarbeiter im Callcenter den ganzen Tag Beschwerden entgegennehmen müssen, verlieren sie die gute Laune. Dementsprechend können sie auch die Kunden nicht begeistern. Unabdingbar also ist eine Organisa-tion, die reibungslos funktioniert und somit wenig Anlass zu

Beschwerden gibt. «Vor zwei Jahren gab es ein Unwetter, das unsere Kapazitätsgrenze gesprengt hat. Wir kamen mit der Bearbeitung der Schadenfälle kaum nach – natürlich hat das die Werte der Kunden- und der Mitarbeiterzufriedenheit negativ beeinfl usst.» Inzwischen sei die Schadenabteilung aber geradezu eine Vertriebshilfe geworden. Neben der Zufrie-denheit, die eine Zahlung auslöst, schickt die Abteilung eine Mail an den jeweiligen Kundenbetreuer, sobald eine Forderung reguliert wurde. Das gibt dem Aussendienstmitarbeiter einen Anlass, mit dem Kunden in Kontakt zu treten, und kann eine Chance zum Mehrverkauf eröffnen.

Der Weg der BaslerIn der Theorie ist die Idee der Kundenorientierung logisch – in der Praxis gibt es Stolpersteine. «Wir sind ja selbst alle Kunden, nur vergessen wir es mitunter», sagt Stephan Ragg. «Stellen Sie sich mal vor, ein Kunde ruft bei uns an, um zu melden, dass eine Fensterscheibe zerbrochen ist. Der Mitarbeiter fragt nach, wie das passiert sei, und der Kunde erzählt, sein Hund habe eine Katze jagen wollen und sei mit voller Wucht gegen die Scheibe gesprungen: Der Hund sei tot, die Scheibe kaputt.» Nun könne der Mitarbeiter auf dreierlei Weise reagieren. Er könnte lachen, weil die Geschichte so absurd ist. Er könnte sich nach den Massen der Scheibe erkundigen. Und er könnte dem Kunden sein Beileid aussprechen. «Es fällt manchen Mitarbei-tern tatsächlich schwer, die richtige Antwort zu fi nden.» Die Basler Versicherungen seien immer noch am Anfang der Reise.

Um anfänglich den Weg zum kundenorientierten Unternehmen zu fi nden, hatten die CX-Pioniere bei der Basler einen Workshop mit der Geschäftsleitung und 40 Mitarbeitern organisiert. «Wir wollten herausfi nden, welche Werttreiber unsere emotionale Signatur ausmachen, und ein Statement zum Kundenerlebnis

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Die Kundenwahrnehmung wird durch die Erlebnisse an verschiedene Touchpoints geprägt

Client Experience Agents verbreiten CX als Multiplikatoren im Unternehmen

erstellen.» Aus dem Workshop entstand das Akronym «SAFE» als Destillat. Jeder Mitarbeiter sollte sich fragen, ob er Kunden, Geschädigten, Aussendienstlern oder Brokern gegenüber simpel/unkompliziert, aufmerksam, freundlich und enthusias-tisch gewesen ist. Diese Idee wird vom Touchpoint Manage-ment und angeschlossenen Client Experience Agents im Unternehmen verbreitet. «Die Agents kommen als Freiwillige aus allen Abteilungen», sagt Stephan Ragg. «Anfangs wurden sie noch belächelt und brauchten etwas Mut, sich zu exponie-ren. Inzwischen sind sie bei 60 Prozent akzeptiert und werden von 20 Prozent der Belegschaft begeistert empfangen. Aber noch immer kämpfen wir mit den 20 Prozent, die mit unserer Philosophie nichts anfangen können.» Die Idee des CX verbrei-te sich wie ein Virus. Leider dauere es eine Weile, bis jeder infi ziert sei. Als Überzeugungsmittel hat sich die «Kundenreise» als sehr hilfreich herausgestellt. Mitarbeiter treten als Kunden auf und merken, wie man sich fühlt, wenn man Kunde bei der Basler ist. Dennoch übernimmt nicht jeder Mitarbeiter die neue Einstellung zur Kundenfreundlichkeit. «Es gibt bei uns Men-schen, die bringen sehr viel Herz mit, bei denen stimmt aber die Performance noch nicht. Mit denen können wir arbeiten. Umgekehrt gibt es auch solche, die fachlich perfekt arbeiten, aber die Kunden regelmässig enttäuschen. Sie müssen sich schnell anpassen.» Schon bei der Neueinstellung wird darauf geachtet, ob der Bewerber in ausreichendem Mass das «Gen» für die Kundenbegeisterung mitbringt.

Langfristige Mentalisierung und schnelle ErfolgeNeben dem Change-Prozess zur Implementierung oder Mental-isierung der Touchpoint-Philosophie läuft in der Basler ein Touchpoint-Redesign mit zum Teil aufwendigen IT-Massnahmen. Um Neuerungen auf ihre Kundenfreundlichkeit zu testen, können die Projektteams unter anderem auch auf den neuen

Kundenbeirat zurückgreifen. Dort stellen sich Kunden aus allen Geschäftsbereichen zur Verfügung, um die Basler besser zu machen. Eklatante Fortschritte hat die Versicherung zum Beispiel bei den Online-Formularen gemacht, mit denen Kun-den Schadenfälle melden können. Nach Usabilitytestings, bei denen Freiwillige sich durch die Fragebögen geklickt haben, ist die Abbruchrate von vorher 70 Prozent markant gesunken. Erfolge gibt es auch bei den Bewertungen der Kundenzufrie-denheit. Jede Abteilung hat diesbezüglich Ziele. Ob sie erreicht wurden oder nicht, zeigen Kundenbefragungen. Es sei zum Teil harte Arbeit, die Prozesse zu verändern, so Stephan Ragg. «Manchmal freuen wir uns aber auch über Quick Wins.» Sie werden gezielt über das Service Champion Programm gefördert. Seit März 2012 haben Mitarbeiter aus allen Abteilungen 59 Ideen eingereicht, mit denen das Erleben der Kunden ein klein wenig verbessert werden kann. 18 davon sind bereits realisiert, 10 sind in Arbeit. Anders als im konventionellen Vorschlagswesen müssen und dürfen hier die Ideengeber selbst die Umsetzung ihrer Idee verantworten. So wurden Computer-Autostart-Prozesse optimiert oder Anrufbeantwortersprüche verbessert. Auch hier gibt es einen doppelten Effekt: Die Kunden erleben einen Störfaktor weniger, und die Mitarbeiter merken, dass sie etwas bewegen können. «Die interne Messung der Mitarbeiterzufriedenheit ergibt sehr gute Werte», freut sich Stephan Ragg. Gleichzeitig gibt es wirtschaftliche Erfolge. «Zufriedene Kunden kündigen seltener, schliessen weitere Policen ab und empfehlen uns weiter.»

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THE HUB ZÜRICH

FALLSTUDIE: THE HUB ZÜRICH

NIELS ROT & MICHAEL BORGENSTEN

«Wir wollen, wir müssen nicht!»

Die Organisation HUB stellt in 35 Städten auf der ganzen Welt Räumlichkeiten für soziale Innovatoren zur Verfügung. Gleichzeitig bietet sie ein Austauschforum für Personen und Unternehmen, die sich auf wirtschaftlicher Basis für eine nachhaltige Gesellschaft einsetzen. Über «Community Building» referierten Niels Rot und Michael Borgensten vom HUB Zürich.

The HUB ist ein Sammelbecken unternehmerischer Ideen, die umgesetzt werden können, «um eine neue Gesellschaft zu kreieren», so Niels Rot. «Unsere Auf-gabe ist es, soziale und ökologische Probleme zu lösen. Wir stehen dabei nicht nur für Zürich, sondern für ein internationales Netzwerk. Über 40 offene HUBs gibt es schon, mindestens 50 weitere auf fünf Kontinenten sind in der Entstehung.»

Seit sieben Jahren ist der HUB aktiv, hat 250 Gründer (Foun-ders) und 6 000 Kunden (Members). Ihre Buchungen sorgen für einen jährlichen Ertrag von 7,5 Millionen Franken. Wichtig ist dem HUB-Gründer Rot klarzustellen, dass der HUB ein Unter-nehmen sei mit verschiedenen Ablegern, allerdings ohne traditionelle Unternehmensstruktur. «Wir haben eine Netzwerk-struktur. Jeder HUB ist eine lokale unabhängige Organisation und Teil eines internationalen gemeinnützigen Vereins und kann mitentscheiden. So können wir auch schnell wachsen.» Mit anderen Worten: Jeder HUB gehört sich selber. Lokale HUB-Mitglieder sind auch Teilhaber an der HUB Association und Mitbesitzer. Den Zürcher HUB gibt es seit 2010 im Viadukt-Komplex. Er wächst und gedeiht: Die Mitarbeiterzahl ist schon von vier auf sieben gestiegen. Die Räumlichkeiten (400 Quad-ratmeter) besitzen die notwendige Infrastruktur – mit Arbeits-plätzen, Meeting-Räumen, Internetanschluss, Drucker oder Kaffeemaschine. Man kann sie stunden- oder monatsweise mieten. Start-up-Unternehmer fi nden hier den Ort, sich auszu-tauschen und ihre Vorhaben umzusetzen. Die gute Sache wird gefördert: Zu den Partnern gehören Organisationen wie die AVINA Foundation, AXA Winterthur, Credit Suisse, Swisscom und der WWF. Externe Organisationen, die ebenfalls die Räum-lichkeiten mieten können, organisieren regelmässig Tagungen und grössere Events im HUB, um von der ungezwungenen und unternehmerischen Atmosphäre zu profi tieren.

Members, Events und ProgramsDas HUB-Angebot basiert auf drei Standbeinen: Members, Events und Programme. Members – das sind Unternehmer, die im HUB arbeiten und ihre Projekte entwickeln. Es können auch Freelancer oder Webdesigner sein, die in dieser Welt etwas ändern möchten und dafür eine Community mit ähnlichen Wertvorstellungen suchen. So entstehe ein Ökosystem, in dem

sich die Personen auf ähnlicher Wertebasis austauschten und eine Kultur der Zusammenarbeit herrsche, so Rot. Dieser Teil der HUB-Aktivität macht 50 Prozent des Umsatzes aus. Die zweite Säule betrifft das Eventgeschäft. Das heisst: Der HUB organi -siert Veranstaltungen zu den Themen Nachhaltigkeit, Innovati-on und Unternehmertum. Der HUB vermietet dabei Räumlich-keiten nicht nur an Mitglieder, sondern auch an externe Interessenten. Dies bringt 20 bis 40 Prozent der Einnahmen beim HUB. Die dritte Säule, das Programmgeschäft, das mit Partnern umgesetzt wird, erwirtschaftet auch ungefähr 20 Prozent. Etwas Positives zur Gesellschaft beitragenIm HUB gibt es nicht nur eine gute Customer Experience. Hier geht man weiter: Die Kunden sind Mitbesitzer – es gibt eine «Customer Ownership». Die Menschen, die die HUB-Struktur nutzen, packen selber an. Das geht nur, weil sie eine gemein-same Vision haben: «Wir wollen eine Zukunft, in der die Menschen zusammenarbeiten, um die Welt zu verbessern», so Niels Rot. «Unser Beitrag dazu sind Räume, die inspirieren, die Menschen verbinden und es ihnen ermöglichen, ihre Pro-jekte zur Nachhaltigkeit umzusetzen.» Gemeinsame Werte bilden die Basis. «Beim HUB sind das Vertrauen, Mut und Zusammenarbeit. In jeder Gemeinschaft ist ein gewisses Vertrauen unabdingbar. Man muss etwas wagen, eine neue Sache versuchen. Und am Ende entsteht Zusammenarbeit statt Konkurrenz. Das bedeutet geteilte Erfahrungen.»

«Sexy Salad» fördert ZusammenhaltViel Wert legt der HUB auf sogenanntes «Hosting as a Shared Practise», auf eine gepfl egte Atmosphäre. Man stellt sich vor, geht aufeinander zu, damit ein kommunikatives Verhältnis entsteht. Dazu dienen auch gemeinsame Aktivitäten. «Bei uns in Zürich organisieren wir beispielsweise mittwochs Sexy Salad. Unsere Members bringen Reste aus dem Kühlschrank mit, und wir machen daraus einen sexy Salat. Das fördert den Zusammenhalt», erzählt Niels Rot. «Wir versuchen, durch solche und andere Programme die Kommunikationskultur zu pfl egen und zu stärken.» Das Rezept kommt an: In Zürich gibt es mehr als 300 loyale Members, die über Mundpropaganda immer wieder auch neue Interessenten anziehen. Und sie kommen nicht etwa, weil sie keine Bürofl ächen für sich allein fänden, sondern nach dem Motto: «Wir wollen, wir müssen nicht!»

ERKENNTNISSE

Wenn die richtigen Partner mit ähnlichen Wertvorstel-lungen sich finden, werden Kräfte gebündelt.

Räume mit offener Struktur fördern Kommunikation und Verwirklichung.

Ein gut strukturierter, ver-netzter Vermittlungsort für Innovation und Austausch ist Basis für ungewöhnliche Projekte.

NIELS ROT, Program Director, Co-Founder, The HUB Zürich MICHAEL BORGENSTEN, Booking and Event Manager, The HUB Zürich

Über 40 HUBs auf der ganzen Welt gibt es bereits und das internationale Netzwerk wächst weiter

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CSS & STIMMT

FALLSTUDIE: CSS VERSICHERUNG & STIMMT

ADRIAN ZEMP & LUKAS KARRER

Die Marke zum Leben erwecken – «Ganz persönlich» bei der CSS Versicherung

Die CSS Versicherung muss sich im hochregulierten Krankenversicherungsmarkt differenzieren. Sie will «Ganz persönlich» sein. Was aber braucht es, um eine Marke in der breiten Welt der Krankenversicherungen so zu positionieren, dass der Wert «persönlich» für den Kunden greifbar wird? Die CSS hat es jedenfalls geschafft - mit Pragmatismus, Methodik und Kundenorientierung.

Auf welche Kriterien schaut man bei der Wahl einer Krankenversicherung? Für manche Menschen zählt die Qualität, für andere die Sicherheit und für Dritte soll sie preisgünstig sein. Unter dem Motto: «Vom Brand Promise zum Brand Touchpoint – Ganzheitliche Marken- und Kundenerlebnisse bei der CSS Versicherung» erzählen Adrian Zemp, Leiter analytisches Marketing & Markenpositionierung, und Lukas Karrer, CX-Pionier und Partner der Stimmt AG, wie die CSS ihre Reise von der Markenpositionierung zur Gestaltung von Kunden-interaktionen bis hin zur Verankerung der Philosophie im Unternehmen erfolgreich gemeistert hat.

Die CSS hat rund 1,7 Millionen Kunden und einen Marktanteil von 15,5 Prozent. Sie ist nicht die günstigste unter den Versi-cherungen, aber eine der kundenorientiertesten. «Vielen Neu-kunden ist es wichtig, dass sie ihre Versicherung gemäss ihren Bedürfnissen selber zusammenstellen können und dass die Versicherungsprämie preislich attraktiv ist», so Adrian Zemp. Bei bestehenden Kunden steht eher das Preis-Leistungs-Verhältnis im Vordergrund, sodass die Behandlung im Krank-heitsfall unkompliziert abgerechnet wird. Was braucht es nun, um eine Marke so zu positionieren, dass sie für alle Kunden greifbar wird?

Von der Planung zur UmsetzungVor zwei Jahren wurden als Erstes drei mögliche Positionie-rungsrouten erarbeitet und anschliessend das Markenverspre-chen defi niert. Das Ziel der CSS ist, «Ganz persönlich» zu sein und individuell auf jeden Kunden einzugehen. «Das war ein erster wichtiger Schritt, jedoch mussten weitere Massnahmen zur Aktivierung umgesetzt werden», so Zemp. Auch wurde ein auf dem Markenversprechen basierender TV-Spot erstellt, der zeigt, dass die CSS sich nicht für den Durchschnitt inter-essiert, sondern für jeden einzelnen, und viel Empathie für individuelle Lösungen aufbringt. Messungen ergaben, dass nach dem Betrachten des Spots rund 45 Prozent der Zuschau-er mehr Informationen zur CSS erhalten wollten. Auch intern wurden Mitarbeiter aufgeklärt, wie die CSS sich positionieren möchte. «Die Mitarbeitenden müssen sich mit der Marke iden-tifi zieren können», so Zemp weiter. Doch um das Markenver-sprechen bei jedem Kundenkontakt zu gestalten, braucht es mehr Kunden-Insights. Stimmt befragte 24 Kunden qualitativ, um eine Customer Journey mit Fokus auf positive und negative Erlebnisse zu generieren. Lukas Karrer erklärt: «Man weckt bei

ERKENNTNISSE

Definiere eine Marken iden -tität, die sich von Mitbewerbern differenziert. Erarbeite be-gleitende Massnahmen zum Schliessen allfälliger Lücken zwischen dem Ist- und gewünschten Soll-Zustand.

Erarbeite ein Markenver-sprechen und halte dieses für jeden Kundenkontakt auf einem Kundenerlebnispfad fest. Die Mitarbeiter müssen das Markenversprechen verstehen und für ihren Arbeitsbereich übersetzen können.

Überprüfe die Marken-wahrnehmung: Die Sicher-stellung ist ein stetiger Prozess, welcher auf allen Ebenen gemessen und angepasst werden muss.

ADRIAN ZEMP Leiter analytisches Marketing &

Markenpositionierung, CSS Versicherung

LUKAS KARRER Partner, Stimmt

Kunden in der Werbung Erwartungen. Aber wie schafft man nun, das Versprechen wahr zu machen?» Oft sind es Kleinig-keiten, die Emotionen auslösen. Ein positiver Zufriedenheits-faktor könne entstehen, wenn das Zimmer, in dem ein Bera-tungsgespräch stattfi ndet, mit frischen Blumen geschmückt ist. Ein negativer Zufriedenheitsfaktor kann entstehen, wenn ein Anrufer im Beratungszentrum Gelächter hört. Er könnte den Eindruck bekommen, jemand lache über seine Probleme. Ist nicht aber die Gewissheit, auch im Krankheitsfall richtig versichert zu sein, wichtiger als die frischen Blumen im Ver-kaufsgespräch? Mit einer quantitativen Befragung von über tausend Kunden und Nichtkunden wurde eben diese Wichtig-keit der Zufriedenheitsfaktoren validiert. In Abstimmung mit der Markenpositionierung ergab sich schliesslich der Kunde-nerlebnispfad der CSS.

Kundenzufriedenheit erhöhen und Mitarbeiter sensibilisierenAls nächsten Schritt definierte die CSS Personas. «Stefan Schnell» steht beispielsweise für jene Kunden, die grossen Wert auf Einfachheit legen. Was braucht es aber, dass die Versiche-rung auch einfach funktioniert? Für jeden Kundenkontakt wurden drei Markenattribute defi niert mit dem Ziel, die Kun-denzufriedenheit hoch zu halten oder Erwartungen zu über-treffen. Es gibt je Phase ein Soll-Erlebnis aus Kundensicht. Das Ziel ist, dass aufgrund dieser Soll-Erlebnisse Mitarbeiter entsprechend geschult werden. Bei ausgewählten Phasen wird das Redesign von Prozessen und Produkten initiiert.

Die Sensibilisierung der Mitarbeiter spielte eine besondere Rolle. «Gemeinsam müssen wir den Fokus auf die Kunden-bedürfnisse verinnerlichen», sagt Zemp. In drei Schritten soll dies erreicht werden. Zunächst werden Mitarbeiter infor-miert: Sie lernen die Inhalte des Markenversprechens kennen und verstehen die Bedeutung für das Unternehmen. Danach folgt die Phase des Verstehens; dazu werden Schulungen ge-macht, in denen ihnen die Soll-Erlebnisse näher gebracht werden und ein mögliches Verhalten im Kundenkontakt erar-beitet wird. Dies mit dem Ziel, dass sie die Kernbestandteile des Markenversprechens für ihren Arbeitsbereich übersetzen können. Schliesslich kommt die Anwendung: Mitarbeiter leben Inhalte in bekannten und neuen Situationen. Dadurch profi lieren sie die CSS nachhaltig. «In der Praxis erweist sich diese dritte Phase als riesige Herausforderung, wir sind rund 2 600 Mitarbeitende», sagt Zemp. Diese Sensibilisierung stufengerecht umzusetzen benötigt ein hohes Commitment auf allen Führungsebenen.

Überprüfung der TouchpointsDie Mühe hat sich gelohnt. Das Image der CSS aus Kunden-sicht hat sich positiv entwickelt. Damit das so bleibt, werden Kunden täglich zu ihrer Kundenzufriedenheit befragt. Zudem werden die defi nierten Soll-Erlebnisse gemessen. Erfüllen wir die Erwartungen der Kunden? Wächst oder schrumpft der Net Promoter Score? Wer gibt uns welches Feedback? Die Resultate fl iessen in einen kontinuierlichen Verbesserungs-prozess ein. Auch sonst ist der Prozess hin zum kundenorien-tierten Unternehmen nie abgeschlossen, er erfolgt laufend auf drei Ebenen: die Überprüfung des Erfüllungsgrads der Marke. Es wird justiert, was die Marke CSS künftig auszeichnet und wie sie wahrgenommen werden soll. Danach folgen das «Internal Engagement» (Was müssen wir intern weiter umset-zen, um die richtige Aussenwirkung zu erzielen?) und das Kundenerlebnis-Management (Wie machen wir die Marke für bestehende und potenzielle Kunden noch besser erlebbar?). Erst die ständige Überprüfung dieser drei Ebenen stellt sicher, dass die CSS tatsächlich als «Ganz persönlich» erlebt wird.

Vom Brand Promise zur Brand Experience bei der CSS

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BAWAG P.S.K.

Thomas Vajay erzählt eine geradezu klassische Ge-schichte. Der BAWAG P.S.K., entstanden aus der Fusi-on der Bank für Arbeit und Wirtschaft und der öster-reichischen Postsparkasse, fehlte es an einer klaren gemeinsamen Identität. Es gab zwei historisch grosse Marken mit zwei Vertriebskanälen, hoher Bekanntheit, aber niedriger Attraktivität. Das änderte sich 2010. Die Marken wurden zusammengeführt und eine klare Identität und Positionierung ausgearbeitet. Wer als Unternehmen attraktiv und differenzierend sein will, kommt nicht darum herum, den Kunden in den Mittel-punkt seiner Überlegungen und Entwicklungen zu stellen. Reine Kosmetik wollte man bewusst vermeiden, daher wurde im Zuge der Markenimplementierung das Innovation Lab ins Leben gerufen.

«Das iLAB soll Design Thinking in die Bank bringen», sagt Thomas Vajay. «Hier sitzen die Enabler für quergedachte Ideen von Mitarbeitern. Hier wird die Kundensicht in die Praxis ge-tragen.» Das klingt nach beneidenswerten Arbeitsbedingun-gen. Doch ganz ohne Herausforderungen ist das Leben der CX-Pioniere nicht. Die Rahmenbedingungen im Bankensektor machen genug Arbeit und fördern eher «Inside-the-Box»-Denken: Regulierungen werden immer wieder verschärft, das makroökonomische Umfeld ist schwierig, der Kapitalbedarf wächst und gleichzeitig kommen neue Mitbewerber ins Spiel. Nicht jedes Institut wird den Verdrängungswettbewerb über-leben. Die Angestellten stehen also unter Druck. «Den Kunden sind solche Überlegungen weitgehend egal», so Thomas Vajay. «Sie haben andere Sorgen; zudem haben sie wenig Mitgefühl mit Banken, da sie dem Sektor die Schuld an der Finanzkrise geben.» Diverse Trends hat der Experte auf Kundenseite aus-gemacht: Banken sollen einfach sein, nachhaltig und transpa-rent. Sie sollen Vertrauen erwecken, mit den Kunden über alle Kanäle kommunizieren, ihnen Mitsprache erlauben. Die ideale Bank ist lokal verankert, geht auf neuartige, nicht lineare Bio-grafi en ein und fi ndet Antworten auf die sozialen Herausforde-rungen von morgen. Ausserdem geht es natürlich auch den Kunden ums Geld: Gratisdienstleistungen werden zunehmend gefordert; bezahlt wird für Mehrwert, nicht für Austauschbares. Kurz gesagt: Banken sollen für die Menschen da sein, nicht fürs Geld.

Mutige Vordenker im iLABUm diese Kundensicht den Mitarbeitern zu vermitteln, braucht es gewisse Ressourcen. Es muss Räume geben, in denen man ausserhalb des Geschäftsalltags querdenken darf. Es muss Know-how über Design-Thinking-Methoden geben. Und es braucht Menschen aus allen Geschäftsbereichen, die mitma-chen. «Um zu starten, ist es massgeblich, innerhalb der Orga-nisation Freigeister zu fi nden, die sich ganz auf die Entwicklung und Vermittlung von Design Thinking konzentrieren können – also keine zusätzliche Linienverantwortung haben.» Querden-ken können und wollen reicht allerdings nicht. «Wer im iLAB arbeiten will, darf keine Angst haben, sich lächerlich zu machen. Nicht jeder Mitarbeiter ist zu überzeugen. Frus trationstoleranz ist also unabdingbar.» Auch ein langer Atem könne nicht scha-den. Und eine gewisse Lust an der Provokation sei hilfreich. Das iLAB verbreitet die Philosophie des Design Thinkings viral. «Jeder Überzeugte zählt», so der Programm-Manager. «Sie müssen von innen nach aussen denken und arbeiten.» Dieses Vorgehen koste einen Bruchteil von gross inszenierten Change-Programmen und sei nachhaltiger, weil die Mitarbeiter die Philosophie erlebten und nicht nur davon hörten.

Modellhaftes VorgehenDie Arbeit der Design Thinker beginnt mit Beobachten und Lernen. «Wir machen zum Beispiel Laufweg-Analysen in ein-zelnen Filialen, erstellen eine Customer Journey oder arbeiten mit Personas.» Mit unterschiedlichsten Methoden entstehen dann Ideen zur Optimierung des Kundenerlebnisses. Die bes-ten Vorschläge werden visualisiert, als Prototyp erstellt und getestet. «Wir bauen auch mal ein Modell aus Lego, was oft belächelt wird, aber sehr viel bringt», sagt Thomas Vajay. «Damit kann man innerhalb von zwei Minuten ein Feedback vom Kunden abholen. Eine PowerPoint-Präsentation stösst auf mehr Widerstand.» Die so generierten Ideen werden wiederum den Mitarbeitern vorgestellt. «Wir haben dafür einen extra ‹Feier-Abend› organisiert, an dem wir in lockerer Atmosphäre Verständnis für die Kundensicht geweckt haben.» Das sorgt schon für Inspiration und eine gewisse Nachdenklichkeit. Bei einem solchen Anlass markiert das iLAB auch Präsenz und macht Werbung in eigener Sache. Inzwischen gibt es direkte und spontane Anfragen aus der Linie. «Wir helfen konkret beim Redesign von Produkten.» Die Anstrengungen der Pioniere haben sich gelohnt. Die Akzeptanz für die Arbeit des iLAB steigt, die Basis ist gelegt, das Rad beginnt sich zu drehen!

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THOMAS VAJAY Retail Innovation, Strategie & Planung, BAWAG P.S.K.

Das Arbeiten mit Prototypen ermöglicht schnelles Feedback von Kunden einzuholen

Mut zur Lächerlichkeit

FALLSTUDIE: BAWAG P.S.K.

THOMAS VAJAY

In Banken wird in Krisenzeiten über viele Probleme nachgedacht – Kundenorientierung steht dabei nicht immer an vorderster Stelle. Sehr zu Unrecht, wie Thomas Vajay vom iLAB der BAWAG P.S.K. meint. Er hilft, seinen Kollegen das «Outside-the-Box»-Denken beizubringen, und singt dabei ein Loblied auf Viren.

ERKENNTNISSE

Im Schatten eines Change-Programms segeln hilft ungemein.

Pioniere brauchen Mut zur Lächerlichkeit.

CX kann klein anfangen und geduldig wachsen.

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SCHNAPPSCHÜSSE

VOM CX-FORUM

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CX-FORUM: IMPRESSIONEN

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STEFAN SCHNEIDER,Client Experience Manager, Basler Versicherungen

SERGIO GANSSER,Leiter Leistungscenter Sach/Transport,Basler Versicherungen

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BASLER VERSICHE-RUNGEN

FALLSTUDIE: BASLER VERSICHERUNGEN

SERGIO GANSSER & STEFAN SCHNEIDER

Nicht für die Schublade messen

In vielen Unternehmen wird die Kundenzufriedenheit mit dem Net Promoter Score gemessen. Wer eine Firma mit grösster Wahr-scheinlichkeit weiterempfehlen wird, dürfte ja auch nicht un-zufrieden sein. Die Basler Versicherungen aber waren unzufrieden. Das NPS-Tracking wanderte regelmässig in die Schublade und änderte nichts am Verhalten der Mitarbeiter.

«Gute NPS-Werte wurden bei uns als Aufforderung zur Beibehaltung des Status quo interpretiert», sagt Sergio Gansser aus dem Leitungsteam der Schaden-abteilung. «Und für schlechtere Werte gab es immer eine gute Ausrede.» Bewirkt hätten die Erhebungen kaum etwas. Die Mitarbeiter mit persönlichem Kunden-kontakt vor Ort, die Schadeninspektoren, sind eben von Berufs wegen mit Selbstsicherheit ausgestattet. Sie haben die Fachkompetenz und die Entscheidungs-befugnis. Wenn man ihr Verhalten ändern will, muss man Konkreteres vorweisen können als nur eine Zahl.

«Wir haben deshalb die NPS-Erhebung mit zwölf offenen Fragen ergänzt», so Stefan Schneider, der als Marktforscher im Touch-point Management arbeitet. «Damit bewahren wir die Einfach-heit des NPS und erhalten gleichzeitig konkrete Hinweise auf Verbesserungsmöglichkeiten.» Da ein Drittel aller Versiche-rungsabschlüsse tatsächlich auf Empfehlungen zurückgeht, wäre es auch falsch gewesen, ganz auf die NPS-Zahlen zu verzichten. Nach der Erledigung eines Schadens wird nun also ein Kunde angerufen und – wenn er nicht hochzufrieden ist – unter anderem gefragt, was besser hätte laufen können. Die so erhobenen Werte und Kommentare waren für einige Mitarbei-ter ein echter Schock. Schlechte Werte werden rot unterlegt, gelb steht für einen Mittelwert, grün heisst «alles okay». Bei der ersten Befragung im Sommer 2011 waren rot, rosa und gelb vorherrschend. Schlimmer aber waren die Kommentare. Die Marktforscher hatten die Rückmeldungen nach Versiche-rungsarten (wie Sach-, Haftpfl icht- oder Lebensversicherung) und nach Regionen aufgeschlüsselt. Nun bekam ein junges Team plötzlich bessere Feedbacks als erfahrene Kollegen. Das Eigenbild und das Fremdbild divergierten offenkundig erheb-lich. «Die neue Messmethode nach dem TPM-Score hat den Mitarbeitern die Augen geöffnet», so Stefan Schneider. Ver-ständlich, denn es kamen Kommentare wie «Der Mitarbeiter war nicht sehr sympathisch» oder «Mein Ansprechpartner hatte wenig Einfühlungsvermögen». Die Anmerkungen waren zwar nicht eindeutig auf einzelne Mitarbeiter zurückzuführen, aber immerhin doch auf ein einzelnes Team, sodass sich dort schon jemand persönlich angesprochen fühlen konnte.

Aktion und Reaktion«Aufgrund der Rückmeldungen identifi zierten wir drei Elemente, in die wir Zeit investieren mussten», berichtet Sergio Gansser. «Wir mussten mit Schulungen für mehr Fachkompetenz sorgen. Wir mussten die Triage aus Kundensicht optimieren, um die Bearbeitungsgeschwindigkeit zu erhöhen. Und wir haben mit jedem Schadeninspektor ein Persönlichkeitsprofil erstellt.» Es wurde ein allgemeiner Dreijahresplan für Schulungen und Persönlichkeitsentwicklung erstellt. Dabei soll selbstverständ-lich nicht der Charakter eines Mitarbeiters verändert werden. Solche Ängste habe man schnell abbauen können, so Gansser. «Wir wollten sensibilisieren. Die Inspektoren sollen sich fragen: Wer sind meine Zielkunden und wie wirkt meine Persönlichkeit auf sie? Kann ich mich vielleicht in stressigen Situationen etwas mehr zurücknehmen?»

Im grünen BereichSchon die zweite Messung nach dem TPM-Score zeigte, dass die Massnahmen einen Schritt in die richtige Richtung ausge-löst hatten. Nach einem Jahr haben sich die Werte in der Schadenabteilung signifi kant verbessert. Grün ist die vorherr-schende Farbe: Aktive Promotoren sind eindeutig in der Überzahl! Nun räumen die CX-Profi s ein, dass es viele Ein-fl ussfaktoren für dieses Ergebnis gibt. Bei einem Unwetter oder einer chaotischen Versicherungsorganisation sorgt auch der sympathischste Inspektor nicht für gute Laune beim Kunden. Trotzdem schlägt die Verhaltensänderung in der Schadenabteilung schon auf die Gesamtmarke durch. Auch hier gibt es eine positive Entwicklung.

Wenn die Werte in der Schadenabteilung weiterhin so stabil sind, kann sich das Touchpoint Management die nächste Baustelle vornehmen und die neue Messmethode dort an-wenden. «Wir haben bei der Basler viel Potenzial», so Stefan Schneider. «Noch haben wir bei Weitem nicht alle Touchpoints erreicht.»

ERKENNTNISSE

Der Net Promoter Score kann aufgewertet werden.

Ziel ist es, nicht einfach nur zu messen, sondern anhand der Messung geeignete und effektive Massnahmen abzu-leiten und umzusetzen.

Es lohnt sich, in die Persön-lichkeitsentwicklung von Mitarbeitern zu investieren.

Selbst- und Fremdbild unterscheiden sich oft stark – konkrete Daten helfen, die selbe Sprache zu sprechen

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SWISSCOMSWISSCOMSWISSCOM

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Die Emotion Curve zeigt auf, welchen Prozess der Bewerber durchlebt und wie er sich bei den einzelnen Schritten fühlt

FALLSTUDIE: SWISSCOM

NATALIE BREITSCHMID

Da will ich arbeiten!

Hochqualifi zierte Fachkräfte mit Potenzial zu fi nden ist heutzutage schwieriger denn je. Wie kann ein Unter-nehmen in Zeiten des demografi schen Wandels und gesellschaftlicher Veränderungen die am besten geeig-neten Talente anziehen und für sich gewinnen? Aus der Perspektive eines Bewerbers macht es manchmal keinen grossen Unterschied, ob er sich nun auf ein Stelleninserat bei der Swisscom oder einem anderen Grossunternehmen bewirbt. Das wollte die Swisscom ändern. «Schon Leute, die für einen Job infrage kom-men, sollten die spezielle Unternehmenskultur spüren», erzählt Natalie Breitschmid, Co-Creator im Next-Level-Recruiting-Projekt der Swisscom. Sie gehört zu dem Team, das sich der Herausforderung stellte, aus einer Bewerbung bei der Swisscom ein Erlebnis zu machen.

Die Gruppe machte sich zuerst Gedanken über den Bewer-bungsablauf. Was erlebt jemand während der gesamten Reise, vom Aufmerksamwerden auf die Swisscom als Arbeitgeberin bis hin zum erfolgreichen Einbringen seiner Fähigkeiten in das Unternehmen? Wie fühlt er sich wann? Die Erkenntnisse wur-den in eine «Emotion Curve» eingezeichnet und analysiert. Nicht überall sorgte die Swisscom für angenehme Bewerber-erlebnisse. Hans Werner, CPO der Swisscom, hatte die Vision, dass jeder Bewerber – auch wenn er nicht das Rennen macht – immer noch ein zufriedener Swisscom-Kunde bleibt oder sogar gerade wegen des einzigartigen Bewerbungserlebnisses in Zukunft einer wird. Im Hinblick auf die erarbeitete Soll-Erlebniskette wusste man nun, wo Handlungsbedarf besteht. Ein Tiefpunkt schien die Phase des tatsächlichen Einreichens der Bewerbung zu sein. Nachdem das Unternehmen die Auf-merksamkeit potenzieller Bewerber erregt hatte, verloren diese mitunter das Interesse. Deshalb entstand die Idee, dem Su-chenden einen ersten Einblick zu geben, ihm per Video aufzu-zeigen, wie sein neuer Vorgesetzter, die Umgebung und die Geschäftskameraden aussehen könnten. Ausserdem wollte sich die Swisscom in der persönlichen Ansprache der Interessenten verbessern. Sie sollten sich persönlich umworben fühlen.

Wo bleiben die Bewerber?Zwar entstanden zahlreiche wirklich gute Ideen, wie das Be-werbungserlebnis in seiner Ganzheit gestaltet werden könnte, dennoch geriet das Projekt ins Stocken. Das Team hatte bisher die gewünschte Zielgruppe ausser Acht gelassen. Die Situati-on wurde analysiert. Man nahm in erster Linie die bestehende Segmentierung unter die Lupe und fragte sich, wen man denn eigentlich genau erreichen wolle. Das Strategic-Workforce-Management wurde einbezogen und lieferte die Antwort. Schnell wurde klar, dass besonderes Augenmerk auf Profi le von ICT-Architekten und Technical Customer Consultants gelegt werden konnte, die die Swisscom in Zukunft braucht. Das Projekt wurde neu ausgerichtet und aufgesetzt. Nun konnten

Natalie Breitschmid und ihr Team sich konkret Gedanken machen: Wofür interessieren sich ICT-Architekten und Berater, die den Kunden telefonisch bei technischen Problemen mit Swisscom-Produkten helfen? Wie sehen die Aufgaben, Inhalte und Haupttätigkeiten dieser Mitarbeiter aus? Worauf haben diese Zielgruppen Lust, und wann stellt sich bei ihnen Frust ein? Was macht die Swisscom einzigartig für diese Menschen? Breitschmid und ihr Team studierten intensiv solche Fragen, führten Creative Sessions durch, sprachen mit internen und externen ICT-Architekten und Kundenberatern. Es wurden subjektiv wahrgenommene Vor- und Nachteile der Jobs aus Sicht der Zielgruppen aufgelistet, Bedürfnisse in Erfahrung gebracht und Personas erstellt. Man lud interne und externe Rollenträger zu einer Diskussion ein. Später entstanden in Design-Workshops mit den Rollenträgern zusammen weiter-führende Ideen. Auch fanden Anregungen von Recruitern ihren Platz in der Erlebnisgestaltung. So wurde beispielsweise ein Blog für ICT-Fachspezialisten ins Leben gerufen. In diesem Blog auf http://ict.swisscom.ch können sich Insider austau-schen. Die Swisscom lernte dabei, wie man die Zielgruppe besser anspricht.

Vom Irrgarten zur LösungObwohl man der Vision näher kam, schien es nach wie vor ein Irrgarten zu sein. Aus Ideen wurden zahlreiche Prototypen in der Erlebniskette entwickelt, darunter unter anderem auch ein Rollenspiel für Entwicklungsgespräche bei Absagen. Auch für das Jobvideo wurde ein Prototyp nach dem anderen gefertigt. Mit kleinstem Aufwand und einer einfachen Handycam wurde Natalie Breitschmid von einem anderen Projektteammitglied gefi lmt. Es entstand ein Portrait über sie, ihre Funktion im Unternehmen, ihre Arbeitsumgebung sowie ihre Tätigkeit. Dieser Prototyp war gedacht für Bewerber, die mit der automa-tischen Eingangsbestätigung ihrer Unterlagen gleich ein paar Informationen serviert bekommen sollten. Ein einfacher Link zu YouTube machte möglich, dass sehr rasch Feedback bei den anderen Projektteammitgliedern eingeholt werden konnte. Aus diesem ersten Video lernte das Team so viel, dass schnell ein nächster Prototyp mit dem Ziel entstand, den Job des Techni-cal Customer Consultants bei den Zielgruppen bekannter zu machen. Auch Stellen in den Shops wurden so porträtiert. Die Videos wurden immer professioneller, inhaltlich wie auch technisch. Die Arbeitsumgebung wurde für den Interessierten klar ersichtlich und Teamkollegen in den jeweiligen Porträt kamen zu Wort. «Wir hatten Feedbacks bei internen und externen Kundenberatern eingeholt und dabei sehr viele Erkenntnisse gewonnen», so Breitschmid weiter. «Die Videos verbesserten sich von Mal zu Mal.» Die Filme seien immer noch in einer Entwicklungsphase: «Das perfekte Video ist noch nicht geboren.»

ERKENNTNISSE

Segmentieren lohnt sich: Die richtige Zielgruppe vertieft kennenlernen ist essenziell. Dann kann man auf die jeweiligen Bedürf-nisse eingehen.

Zahlreiche Ideen entwickeln, damit daraus genügend materialisiert werden kann. Anschliessend rasch Proto-typen schaffen – unter Einbezug der Zielgruppen.

Sich vom Hin- und Her-wandeln im Irrgarten nicht irritieren lassen, sondern mit dem nicht linearen Vor-gehen bewusst spielen.

Was muss ein Unternehmen tun, um geeignete Talente aufmerksam zu machen und von sich zu überzeugen? Die Swisscom zeigt auf, welches visionäre Vorgehen für das Gestalten von bedeutungsvollen Bewerbererlebnissen erforderlich ist und wie dies entlang ganz kon-kreter Schritte in die Praxis umgesetzt werden kann.

BASLER VERSICHE-RUNGEN

NATALIE BREITSCHMID,Head of Human Centered Design HR, Swisscom

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STANSERHORN-BAHN

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FALLSTUDIE: STANSERHORN-BAHN

JÜRG BALSIGER

Begeisterung ist ansteckend, Negativismus auch

Ideen muss man haben, dazu Energie, Durchsetzungsvermögen und den Glauben an eine Sache. So haben die Verantwortlichen der Stanserhorn-Bahn nicht nur eine sensationelle Cabrio-Bahn auf die Beine beziehungsweise auf Seile gestellt, sondern auch eine Gast-freundschaftskultur geschaffen, die sehr positiv zu Buche schlägt.

Die Stanserhorn-Bahn in Nidwalden stand vor einer Herausforderung, die auf manches Unternehmen zu-kommt: Ein altes Modell läuft aus, muss saniert oder ersetzt werden. Das Unternehmen besteht seit 120 Jahren, und die alte Bahn hatte einige Jahrzehnte seit 1975 auf dem Buckel. Die Betriebsbewilligung lief aus. Die Luft-seilbahn, die auf 1 900 Meter Höhe führt, musste erneu-ert werden. Was tun?

Standseilbahn, die in die Luft gehtJürg Balsiger, Bähnler von Beruf und Berufener der Stanserhorn-Bahn, entwickelte zusammen mit einem Ingenieur-Freund die Idee einer neuartigen Bahn, die Passagiere wie in einem Cabrio aufs Stanserhorn schweben lässt und dabei rund 1 140 Höhen-meter überbrücken soll. Unmöglich, urteilten die Fachleute. Doch die Nidwaldner gaben nicht auf und nahmen sich ein Wort von Hermann Hesse zu Herzen: «Damit das Mögliche entsteht, muss immer wieder das Unmögliche versucht wer-den.» Sie schufen also die CabriO-Bahn, eine Standseilbahn, die tatsächlich in die Luft geht. «Alle sagten, es geht nicht. Bis einer kam, der das nicht wusste – und es tat.»

30 der maximal 60 Passagiere können über eine Wendeltreppe aufs Deck der Gondel steigen und von dieser Luftterrasse die Aussicht geniessen – auf zehn Seen und die majestätische Bergwelt mit Eiger, Mönch und Jungfrau und anderen Gipfeln mehr. «Der Weg auf den Berg wird so zum Erlebnis», schildert Balsiger seine Erfahrung. Die Weltneuheit hat seit der Inbe-triebnahme im Sommer 2012 Aufmerksamkeit weit über die Zentralschweiz hinaus erregt. Fernsehteams aus aller Welt sind inzwischen auf dem Stanserhorn gewesen und haben berichtet. Über 500 Zeitungsartikel widmeten sich diesem spektakulären Transportmittel, in das 29,4 Millionen Franken investiert wurden. Da kann man mit Fug und Recht behaupten: Diese Neuentwicklung, getragen von Begeisterung, zeitigt wahrhaft Nachhaltigkeit. Das hat sich in Umsatz- und Passa-gierzahlen niedergeschlagen. Früher hätten sie 120 000 Gäste jährlich gezählt. «Im letzten, verkürzten Jahr kamen ab 29. Juni bereits 135 000 Besucher», berichtete Balsiger. Man rechne nun mit 150 000 Besuchern pro Jahr.

«Die Sprache ist die Kleidung der Gedanken»Diese Gäste liegen dem Manager am Herzen, das spürt man aus jedem Satz, aus jeder Geste. Er nennt das «Management by Heart» und meint eben auch, dass Begeisterung ansteckend sei. Das illustriert der bewegte Mann vom Stanserhorn mit zahlreichen Beispielen. So sollte es eben in einem Gespräch mit Kunden nicht «Wir danken für Ihr Verständnis» heissen, sondern «Wir bitten um Ihr Verständnis». Es sind Nuancen, die Empathie zeigen. «Die Sprache ist die Kleidung der Gedanken», ist Jürg Balsiger überzeugt. Man stuft beispielsweise Be-schwerden nicht als negative Reaktionen ein, sondern als Gästerückmeldungen, als Chance, sich zu verbessern. Man könnte sagen, die Stanserhorn-Bahn habe das Problem einer geringen Förderleistung. Man sagt aber: «Wir haben die Chance, unsere Gäste persönlich zu betreuen.» Das Gebot heisst: Posi-tiv denken, sich entsprechend äussern und mitteilen. «Unsere Stanserhorn-Ranger sind wandelnde Informationssäulen. Sie machen auf Adler und anderes aufmerksam. Das wissen die Besucher zu schätzen.» Das gesamte Personal ist auf Gast-freundschaft geeicht. Ein wichtiger Grundsatz lautet entspre-chend: «Unser Beruf heisst Gastgeber. Der Gast und Kunde ist nicht Störung bei der Arbeit, er ist deren Sinn.»

Und wie hält man ein solches Gastgeberniveau, pfl egt solche Betriebskultur? «Wir beschäftigen viele Jungsenioren zwischen 55 und 70 Jahren, die bereit sind, Lehrlinge zu sein und sich einzubringen», antwortet der beseelte Bergbähnler. Die Mehr-heit der Gäste sei 50 plus und 85 Prozent von ihnen kämen aus der Schweiz. Seniorentickets dürfen sie aber nicht erwar-ten. Dem engagierten Manager ist klar: «Wir können nicht billiger werden, nur besser. Wer überleben will, muss mehr tun und mehr bieten.» Die relativ kleine Bergbahn bei Luzern be-hauptet sich in einem starken Konkurrenzumfeld (Pilatus, Rigi, Titlis) dank Innovation, Motivation und hoher Gastgeberkultur. Und das mit Bravour und Zuwachs.

ERKENNTNISSE

Man muss das Unmögliche versuchen, um das Mög-liche machbar zu machen.

Management by Heart: Der Gast ist nicht Störung bei der Arbeit, sondern deren Sinn.

Wer überleben will, muss mehr tun und mehr bieten.

JÜRG BALSIGER, Direktor, Stanserhorn-Bahn Das Unmögliche wurde wahr gemacht: von

der Luftterrasse der CabriO-Bahn können Gäste die Aussicht geniessen

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MICROSOFT

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FALLSTUDIE: MICROSOFT

SIMONE RUPPERTZ-RAUSCH

Freiräume für Produktivität

Die neue Arbeitswelt erfordert Anpassungen und bietet Chancen für Verbesserungen. Microsoft Schweiz beschloss bereits 2008, neue Wege zu gehen – bezüglich Arbeitsplatz, Förderung der Kommunikation und des Austauschs zwischen Kunden und Partnern. Ziel war eine ge hobene Arbeitsatmosphäre und höhere Produktivität.

Microsoft beschäftigt weltweit rund 98 000 Mitarbeiter, davon rund 570 in der Schweiz, mit einem Durch-schnittsalter von 40 Jahren. Um demografi schen, pro-duktiven wie auch kommunikativen Herausforderun-gen und Anforderungen gerecht zu werden, hatte Microsoft Schweiz 2008 beschlossen, einen ganzheitli-chen Ansatz zu entwickeln und zu realisieren. Die Losung hiess: entlang der Dimensionen Mensch, Ort und Technik eine Kultur zu etablieren und zu unter-stützen, die auf Eigenverantwortung und Vertrauen basiert. Als Markttreiber und Einfl ussfaktoren taxiert Microsoft-Refe-rentin Simone Ruppertz-Rausch Demografi e, Globalisierung, Mobilität und Technologie rund um das Thema Wissensarbeit. Sie alle beeinfl ussen und fordern die Menschen in der Arbeits-welt. Die entscheidenden Fragen lauten: Wie arbeiten wir, wann, mit wem, wo und mit was? Ebenso wichtig: Wie kommt der Mensch in diesem Umfeld klar, wie kann man ihn unter-stützen? Aus Perspektive des Unternehmens betrachtet: Wie können intellektuelles Kapital eingesetzt und Innovation geför-dert werden? Wie können Talente gewonnen und gehalten werden? Schlussendlich, wie kann Wachstum erzielt und Kundenzufriedenheit gesteigert werden?

Microsoft formuliert die Ziele des Arbeitens wie folgt: Die Arbeitskultur sollte auf Eigenverantwortung und Vertrauen basieren. Das bedeutet: Weg von der reinen Anwesenheits-kultur, hin zu vereinbarten und messbaren Zielen. Es kommt nicht auf Büropräsenz, sondern auf Ergebnisse an! Die neue Arbeitswelt passt sich den Veränderungen in der Welt der Kunden an: Heute ist jeder Mensch ein IT-Entscheider, hat also Wahlfreiheit, gewisse Vorlieben, Eigenarten und Bedürf-nisse. «Die Kunden wollen Technik, die Spass macht, und kaufen häufiger Service-Dienstleistungen als einzelne Pro-dukte», so Simone Ruppertz-Rausch. «Im neuen Lebensstil verschmelzen Arbeits- und Privatleben digital.» Das gilt auch für die Mitarbeiter von Microsoft. «Wir streben eine optimale Mischung aus individueller und kooperativer Arbeit an.»

Dementsprechend darf jeder Mitarbeiter fl exibel sein, auch seinen Arbeitsplatz betreffend. Man arbeitet nicht länger an seinem eigenen Schreibtisch, sondern teilt sich die Infrastruk-tur oder arbeitet dank der mobilen Technik auch im Home-Offi ce – je nach den Erfordernissen. Das Unternehmen muss im Gegenzug Räume bereitstellen, in denen man gerne arbei-tet und zusammenkommt. Microsoft musste also Arbeits- und Sitzmöglichkeiten optimieren, um eine bessere Zusammenar-beit zu unterstützen, und entschloss sich, zusätzliche Konzen-trationsräume und öffentlich zugängliche Räume zu schaffen.

Zufriedenheit beidseitigMicrosoft baute im 2011 um: Renovierte Arbeitsräume in Wallisellen konnten bezogen werden. Das Raumkonzept wurde von einem Vierklang geprägt: «Think – Meet – Call – Work». Das bedeutet: passende Räume für jede Tätigkeit und Aufgabe. Menschliche Prinzipien spielten dabei eine wesentliche Rolle; die Räume sollten den Leitsatz «teilen und mitteilen» unter-stützen, aber auch der spontanen, fl exiblen, kreativen und persönlichen Arbeit dienlich sein. Es gibt das Motto: «Gemein-sam erleben, zusammen arbeiten.» Allerdings ändert sich die Arbeitsweise der Mitarbeiter nicht automatisch mit der neuen Einrichtung. «Ein Change-Programm für alle Hierarchieebenen ist unerlässlich und unterstützt Akzeptanz und Begeisterung», sagt Ruppertz-Rausch.

Die neuen Räumlichkeiten haben Microsoft Schweiz messbare Erfolge gebracht: Die Mitarbeiter pendelten weniger (minus 20 Prozent), sparten also Reisezeit. Es fi elen weniger Facility- und Wartungskosten an (minus 15 Prozent). Microsoft Schweiz liegt 30 Prozent unter dem Schweizer Durchschnitt von Abwe-senheitstagen und verringerte den CO

2-Footprint um 30 Pro-

zent. Die Produktivität wurde um 10 Prozent gesteigert. Diese positiven Ergebnisse fussen unter anderem auf der gesteiger-ten Zufriedenheit der Mitarbeiter mit dem Arbeitsplatz und den Arbeitsverhältnissen. Und die wiederum schlugen sich in der Zufriedenheit der Kunden nieder, die in der Zeit von 2011 bis 2013 um 32 Punkte gesteigert wurde. Im Ranking «Great Place to Work» rangierte Microsoft 2012 auf dem zweiten Platz.

ERKENNTNISSE

Eine optimale Mischung aus Anwesenheit und virtueller Arbeit entspricht modernen Erfordernissen und der neuen Welt des Arbeitens.

Gutes Arbeitsklima, gute Raum verhältnisse und die Be reitstellung von Tech-nologie, welche zeit- und ortsunabhängige Kollabo ra-tion unterstützt, fördern die Motivation der Mitarbeiter.

Motivierte Mitarbeiter stecken an und beeinflussen Kunden ebenfalls positiv.

In Wallisellen wurden nach menschlichen Prinzipien passende Räume für jede Tätigkeit und Aufgabe geschaffen

Die neuen Räumlichkeiten haben Microsoft Schweiz messbare Erfolge gebracht

DR. SIMONE RUPPERTZ-RAUSCH Customer & Partner Experience Lead Switzerland, Microsoft

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BRING!«Bring!» heisst das Baby der beiden Start-up-Unterneh-mer. Anfang 2012 hatten sie die Idee, endlich eine interaktive Einkaufsliste zu schaffen, die einfach funk-tioniert. Beide waren damals als Software Consultants fest in andere Projekte eingebunden und betrieben ihr Projekt in der Freizeit. Doch bis Ende des Jahres war es geschafft: Sie konnten ihre App aufschalten. Die Mühe scheint sich gelohnt zu haben. «Die Anwender lieben Bring!», sagt Marco Cerqui. CX hat diesen Erfolg möglich gemacht.

«Bring! ist für Leute, die in einem gemeinsamen Haushalt leben und es leid sind, Einkaufslisten zu schreiben und sich abzu-sprechen», beschreibt Sandro Strebel. Trotzdem spielten die guten alten Zettel eine entscheidende Rolle bei der Entwick-lung der App. Ihre Einfachheit sollte «nur» für mehrere Personen gleichzeitig nutzbar gemacht werden. Zu dem Zweck haben die beiden CX-Fans das «User First Principle» in den Vorder-grund gestellt. Sie haben also anhand von halb strukturierten Interviews und der Analyse alter Einkaufszettel die Bedürfnis-se der späteren Nutzer erhoben. Eine Erkenntnis: «Niemand schreibt die Marke auf, wenn er Milch braucht. Kaum jemand notiert Mengenangaben.» Daraus entstanden logische Anfor-derungen an die App, das Backlog. Das ist nichts anderes als eine Excel-Liste, die priorisiert ist und Anforderungen aus Benutzersicht enthält. Eine Persona half, sich in die Nutzer hineinzuversetzen. «Unser imaginärer Kunde ‹Lars› ist inzwi-schen geradezu ein Familienmitglied», witzelt Marco Cerqui. «Sein Portrait hängt im Büro und wir wünschen ihm immer einen guten Morgen.» Für Lars dachten sich die CX-Profis Szenarios aus. Wann und wie würde er die App nutzen? In welcher Situation bräuchte er welche Zusatzfunktion? Langsam wurde die Planung konkret: Es gab einen Papier-Prototyp, mit dem man – sehr kostengünstig – die Brauchbarkeit der Ideen überprüfen konnte. «Wer früh testet, gibt wenig Geld für Fehl-entwicklungen aus», so Sandro Strebel. Die beiden hatten auch relativ früh eine interaktive Version für das Smartphone. Mit dieser abgespeckten App-Version führten sie einen Feldtest durch: Wie gross müssen die Kacheln sein, damit man sie auch dann mit dem Finger trifft, wenn man im Laden herumläuft und einen Einkaufskorb trägt? Solche Details machen Kunden-freundlichkeit oder eben User Experience aus. Nach dem Test gab es im Büro der Entwickler Wände voller Post-its mit Feed-backs, die es abzuarbeiten galt.

User Centered Design und Agile DevelopmentDie vier Schritte Analyse, Konzipieren, Visualisieren und Evaluieren werden im User Centered Design immer wieder durchlaufen. Nach jedem Test eines Prototyps entscheidet man, ob man seine CX-Ziele erreicht hat. Wenn nicht, führt man nochmals einen Lifecycle durch. Man sammelt per Interview Daten, erstellt Modelle, formuliert neue Anforderungen, macht einen weiteren Prototyp (zunächst auf Papier, dann interaktiv auf dem Smartphone) und testet erneut. Die Erkenntnisse, die man hier gewinnt, arbeitet man Stück für Stück ab. «Agile Development mit Scrum» ist dafür die Methode der Wahl von Marco Cerqui und Sandro Strebel. «Wir wollten viel Feedback

einarbeiten, die komplexe Planung in fassbare Stücke aufteilen und iterative Verbesserungen unseres Produkts erreichen.» Alle 2 bis 6 Wochen testeten sie in einem Sprint ein neues Teilprodukt. «Die Anordnung der Kacheln wollten wir eigentlich in Sprint 6 erledigt haben, aber das Ergebnis war immer noch nicht gut genug. Also haben wir Sprint 7 und 8 auch noch genutzt, um zum Optimum zu kommen.» Überprüft werden die Entwicklungsschritte durch eine breite Masse an Beta-Testern, die alle ungefähr «Lars» entsprechen. Die beiden Entwickler haben 70 User über Twitter und Facebook gesucht, damit sie nicht nur die Meinung ihrer Freunde abholen.

«User Centered Design und Agile Development haben Bring! zu dem gemacht, was es heute ist», sagt Sandro Strebel.

Am Ball bleibenNach dem Erscheinen im Dezember machten im Januar diverse Medien auf die App aufmerksam. Es gab gute Kritiken. Im Februar erhielten die Entwickler sogar den Swiss App Award. Und die Verkaufszahlen stimmen auch: Die App für zwei Fran-ken ist durchaus begehrt. Damit das so bleibt, wird sie immer weiter verbessert. Bring! 2.0 ist in Arbeit. Bis zur überarbeite-ten Vollversion gibt es hilfreiche Updates wie zum Beispiel die Übersetzungshilfe für Deutsche. Gipfeli und Rahm sind dann auch als Croissants und Sahne zu posten. 17

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Freiräume für Produktivität CX im App-Business

FALLSTUDIE: BRING!

MARCO CERQUI & SANDRO STREBEL

Es geht nicht ohne: Jeder muss heute Apps für sein Smartphone haben. Das Angebot ist dementsprechend riesengross. Allein für die Anwen-dung als Einkaufsliste gibt es über tausend der Miniprogramme. Doch mithilfe konsequenter Kundenorientierung haben es Marco Cerqui und Sandro Strebel geschafft, eine App zu designen, die sich abhebt.

ERKENNTNISSE

Personas eignen sich sehr gut, um sich den idealen Kunden vorzustellen.

Durch Agile Development hat man früh ein lauffähiges Produkt für User-Feedbacks; das hilft teure Fehlentwick-lungen zu sparen.

Komplexe Planungen lassen sich per Agile Development aufsplitten.

MARCO CERQUI Co-Founder, Bring! SANDRO STREBEL Co-Founder, Bring!

Die vier Schritte Analyse, Konzipieren, Visualisieren und Evaluieren werden im User Centered Design immer wieder durchlaufen

Beim Agile Development wird in iterativen, sogenannten Sprints gearbeitet

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ZURICH INSURANCE GROUP & STIMMT

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FALLSTUDIE: ZURICH INSURANCE GROUP & STIMMT

EDI RISCH, RENATE ENDERLI & GLENN OBERHOLZER

Komplexes geht auch einfach – als erste Versicherung online berufl iche Vorsorge anbieten

«Komplexe Versicherungen können nicht online verkauft werden», heisst es häufi g in der Versicherungsbranche. Die Zurich Insurance Group und Stimmt beweisen das Gegenteil, und zwar mit einem spannenden Online-Angebot für die berufl iche Vorsorge, das ganz ein -fach und unkompliziert per Mausklick abgeschlossen werden kann.

Edi Risch und Renate Enderli von der Zurich Insurance Group erzählen zusammen mit CX-Pionier Glenn Ober-holzer, wie sie mit einem kleinen Team innert fünf Monaten das Tool erstellt haben. Als erste Versicherung in der Schweiz ist es ihnen gelungen, den Kunden Reaktionen wie «Ich dachte immer, Versicherungen sind komplex, aber das ist ja kinderleicht» zu entlocken. Die Experten standen vor zwei Herausforderungen: Sie wollten nicht nur ein innovatives Online-Tool entwi-ckeln, sondern mussten auch durch Hart näckigkeit und Engagement ihr Management vom Unmöglichen über-zeugen.

«Die berufliche Vorsorge (BVG) ist wie eine Überquerung des Ärmelkanals», sagt Edi Risch. Als Vergleich nimmt er Louis Blériot, dem es gelungen ist, 1909 mit dem Flugzeug als erster Mensch den Ärmelkanal zu überqueren. Sein Flug von Calais nach Dover dauerte 37 Minuten bei einer durchschnitt-lichen Flughöhe von 100 Metern. «Die Fliegerei und das BVG haben viel miteinander zu tun», so Risch weiter. Berufl iche Vorsorge sei etwa so kompliziert wie die Funktionsweise eines Flugzeugs. «Macht BVG einfach!» sei deshalb die Devise gewesen.

Vom iPad ins InternetZunächst stellten sich die Entwickler die Aufgabe, es den Kundenberatern zu ermöglichen, BVG-Verträge für Firmenneu-gründungen schnell und einfach auf dem iPad zu erstellen. Damit konnten die Berater Kunden besuchen und ihnen klar verschiedene Möglichkeiten aufzeigen. Das fand grossen An-klang: Heute wird das iPad von vielen Verkaufsberatern ge-schätzt und im täglichen Kundenkontakt genutzt. Die Anzahl der Offerten stieg beachtlich. Man dachte sich: Was auf dem

iPad für die Agenturen funktioniert, könnte auch im Internet für den Endkunden gehen, und damit war die Idee geboren. Mit viel Mut zum Risiko gab es zum ersten Mal BVG online. «Der erste Versuch scheiterte kläglich», sagt Risch. Erst mit der Erstellung von Personas erlebte das Projekt einen Aufschwung. «Wen wollen wir ansprechen?» sei die entscheidende Frage gewesen.

Vier verschiedene Typen von Personas wurden zusammen mit Stimmt erarbeitet. Man wusste, dass sich Firmengründer weder für Versicherungen interessieren noch wissen, wie Ver-sicherungen wirklich funktionieren. Dementsprechend musste nicht nur der Abschlussprozess möglichst einfach sein, sondern auch durch einfach formulierte Erklärungen dem Kunden die nötige Sicherheit gegeben werden. Eine der vier Persona-Typen war eine Architektin, die sich selbstständig macht. Sie kon-zentriert sich auf administrative und organisatorische Frage-stellungen wie zum Beispiel die Einrichtung ihres Büros. Dass sie als Selbstständigerwerbende nun eine Versicherung benö-tigt, ist ihr eigentlich egal. Mit solchen Vorstellungen erstellten die CX-Profi s zunächst eine Skizze und dann einen Prototyp, der noch «quick & dirty» programmiert wurde. «Acht Kunden testeten dieses Tool und waren begeistert», so Renate Enderli. Besonders die einfache Handhabung wurde von den Testern gelobt. Schon nach zwei Monaten und diversen Anpassungen konnte das Projekt durch die MSG Systems AG umgesetzt werden. Das Team hatte einen engen Zeitrahmen und musste sich während der gesamten Entwicklungszeit sputen: Vom Kick-off Mitte Januar bis Ostern waren es knappe zweieinhalb Monate, in denen das Tool live gehen musste.

Funktionalität und viele Freiheiten

ERKENNTNISSE

Risikoorientierung geht auch in Grossunternehmen.

Ein kleines, motiviertes Team kann Berge bewegen.

Mit Kunden früh testen bringt Qualität und Selbst-vertrauen.

EDI RISCH,Project Manager Corporate Life & Pensions, Zurich Insurance Group

GLENN OBERHOLZER,Partner, Stimmt

RENATE ENDERLI Project Manager

Corporate Life & Pensions, Zurich Insurance Group

Durch das Arbeiten mit Prototypen schneller zum Ziel

Die intuitive Benutzerführung leitet den Kunden in nur vier Schritten und wenigen Minuten zu seinem BVG-Vorschlag. Das Ziel sei, dass der Kunde, der keine Beratung wünscht, selbst-ständig durch das Tool zu einem Vertragsabschluss gelangt. Und wie ist es für den Kunden, der zusätzlich eine Beratung möchte? «Natürlich stehen die Zurich-Berater bei Bedarf auch persönlich zur Verfügung», antwortet Projektleiter Risch. Und ergänzt: «Auch nach dem Abschluss kann der Kunde den gleichen exzellenten Service durch Zurich erwarten wie Kunden, die über den traditionellen Vertriebskanal abschliessen.»

Nach zehn Tagen hatte Zurich den ersten online abgewickelten Versicherungsabschluss in der Tasche. «Wir haben das Glück, dass unser Chef uns viele Freiheiten lässt», so Risch. Das Pro-jekt wurde nur gerade dreimal dem Management vorgeführt. Das Team ist überzeugt, dass dieses Projekt so erfolgreich ist, weil es einerseits das Vertrauen des Managements gewinnen konnte und andererseits die richtigen Leute daran mitge arbeitet haben. Es gab Vertreter aus Sales, Marketing, Kundendienst und Product Management.

Wo steht das Projekt heute? Seit rund fünf Wochen ist das Online-Angebot live. «Wir wissen, dass unser Tool immer noch Verbesserungspotenzial hat, aber es läuft sauber und die Be-sucherzahlen und Hit-Ratios sind vielversprechend», so die Verantwortlichen. Usability Testings haben gezeigt, dass es Sinn mache, das Tool per Internet laufen zu lassen. «Die Kunden schliessen Verträge ab, auch wenn das System weiter optimiert werden kann.»

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INITIANTEN HOST

INITIANTEN & HOST CX-FORUM 8

Stimmt & Swisscom – die Initianten

Der Host des CX-Forums 8: die Basler Versicherungen

«Wissen vermehrt sich, wenn man es teilt.» Das ist der Wahlspruch der Initianten des CX-Forums. Um dem Motto gerecht zu werden, hatte die Zürcher Unterneh-mensberatung Stimmt 2009 eine Minikonferenz zu Customer Experience organisiert. 16 Enthusiasten trafen sich zum Erfahrungsaustausch – und alle gingen schlauer, als sie gekommen waren. Sowohl Stimmt als auch die Teilnehmerin Swisscom wollten das wieder-holen: Das CX-Forum war geboren.

Stimmt macht Unternehmen profi tabler durch Kundenorien-tierung. Dies gelingt, indem Stimmt Strategien, Produkte, Dienstleistungen und Prozesse entwickelt und dabei konse-quent Management, Projektmitarbeiter und Endkunden einbezieht. Die Balance aus Kunden- und Unternehmenspers-pektive führt zu einer Win-win-Situation: ein besseres Kunden-erlebnis sowie ein besseres Unternehmensergebnis. Das Customer Experience Forum ist für die Berater von Stimmt eine Herzensangelegenheit: Das Forum bietet eine einmalige Plattform für Gleichgesinnte aus verschiedenen Branchen, in denen hoher Preis- und Innovationsdruck herrscht, um von-einander zu lernen und sich weiterzuentwickeln. Stimmt ist überzeugt, dass von kundenorientierter Entwicklung Unter-nehmen, deren Mitarbeiter und Kunden profitieren. Als Pionier der ersten Stunde ebnet Stimmt mit dem CX-Forum den Weg dafür.

Die Swisscom ist als Anwenderin zum Thema Customer Experience gestossen. Das Unternehmen ist überzeugt, dass es nicht mehr reicht, das beste Netz und den besten Service zu bieten. Das beste Erlebnis ist der Schlüssel zur langfristigen Differenzierung am Markt. Human Centered Design hilft dabei, den Kundenbedürfnissen zunächst auf die Spur zu kommen und dann in der Produkt- und Serviceentwicklung gerecht zu werden. Doch um Human Centered Design im Konzern zu verankern, braucht man Ideen, Anstösse von aussen und immer neue Motivation. Dafür ist das CX-Forum die ideale Plattform.

Seit 2012 geht das CX-Forum auf Reisen. Das Früh-jahrstreffen fi ndet jeweils an einem anderen Ort statt, das Herbsttreffen richtet wie in den Anfangstagen die Swisscom in Bern aus. Für das achte Forum hatten sich die Basler Versicherungen als Gastgeber zur Verfügung gestellt. Katharina Büeler, die Leiterin des Touchpoint Managements, erklärt, wie es dazu kam:

Wir selbst durften bereits am CX-Forum dabei sein, als es noch in den Kinderschuhen steckte. Seit dem zweiten CX-Forum konnten wir uns inspirieren lassen. Als sich dann ganz konkret die Frage stellte, ob wir für ein Forum Gastgeber sein wollen, haben wir uns im Team zusammengesetzt und diskutiert, ob wir uns bewerben möchten.

Dass wir vom CX-Forum begeistert sind, steht ausser Frage. Aber können wir das Forum überhaupt bei uns durchführen? Haben wir genug Platz? Stehen wir mit unseren Räumlich-keiten nicht ein wenig im Schatten der Swisscom, die uns jedes Mal wieder mit dem wundervollen BrainGym beein-druckt? Ist das nicht zu viel Aufwand? Das waren die Fragen, die wir uns gestellt haben. Wir konnten alle Zweifel besei tigen und mit dem Support unseres CEOs waren wir im Team schlussendlich einstimmig dafür, uns für die Gastgeber -rolle zu bewerben. Ein wichtiger Motivator lag für uns in der Gelegenheit, mehrere Mitarbeiter der Basler den Spirit der CX-Community spüren zu lassen. Bisher waren es vor allem wir Client Experience Manager, die beim Forum die Gelegen-heit zum Austausch nutzen konnten. Doch Kunden zu begeis-tern, ist die Aufgabe jedes einzelnen Mitarbeiters. Als Host konnten wir diese Philosophie nun breiter im Unternehmen streuen. Nach den Feedbacks unserer Baloise-Kollegen und

-Kolleginnen ist das auch sehr gut gelungen. Zudem schätzen wir das Forum sehr und freuen uns jedes Mal wieder darauf. Wir konnten schon oft von den Gesprächen mit anderen CX-Begeisterten profi tieren, und so war es für uns praktisch eine Ehrensache, der Community als Host etwas zurück-zugeben.

Wir freuen uns bereits aufs nächste CX-Forum, an welchem wir hoffentlich – diesmal wieder als ganz «normale» Teilnehmer – dabei sind.

INITIANTEN INITIANTEN INITIANTEN INITIANTEN HELMUT KAZMAIER CX-Forum Initiant

Partner, Stimmt

KATHARINA BÜELER Projektleiterin Touchpoint Management,

Basler Versicherungen

TIZIANA MELETTA CX-Forum Initiant

Human Centered Design Expert, Swisscom

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TEILNEHMER

Das nächste Datum steht bereits fest:

DAS CX-FORUM 9 FINDET AM 6. & 7. NOVEMBER 2013

IM SWISSCOM BRAINGYM IN BERN STATT.

Interesse an einer Teilnahme?*

Wir freuen uns auf die Kontaktaufnahme:

[email protected]

* Teilnahmebedingungen für Swisscom-Mitarbeiter: Die Teilnehmer werden fi rmenintern nominiert.

IMPRESSUM

HERAUSGEBERCX-Forum www.cx-forum.ch

KONZEPT UND REDAKTIONTiziana Meletta, Swisscom www.swisscom.ch

Helmut Kazmaier, StimmtFrederike Braitinger, Stimmt www.stimmt.ch

Inka Grabowsky,Customer Competencies www.customer-competencies.ch

TEXTRolf Breiner, Inka Grabowsky, Hanna Lauer

FOTOGRAFIEFabian Unternährer www.fu-photo.ch

CX-Forum Team

GESTALTUNG UND REALISATIONEclat, Erlenbach ZH www.eclat.ch

TEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMERTEILNEHMER


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