Cornelia Lengfeld
S k u l p t u r e n
80er Jahre
…Der Torso ist ja im Grunde nichts als die Akzentuierung des Akts, des nackten menschlichen
Körpers. In der freiwilligen Konzentration auf ein Bruchstück liegt so etwas wie ein Programm,
etwa das Gegenteil dessen, was zur Zeit in der Akademie der Künste im Rahmen der
Bücherverbrennungsausstellungen an Plastik als „Skulptur und Macht“ zu sehen ist. Der Torso
zeigt den Menschen eher in seiner Ohnmacht. Cornelia Lengfeld, dessen Torsi meist von den
Schultern bis zu den Knien oder Waden reichen, reduziert ihn auf das Hochragendes einer Statue.
Der Mensch, Mann und Frau, sieht aus wie eine Stele, die nach oben drängt. Formal reduziert
scheint ein Element, vor dem die meisten Bildhauer noch bis vor kurzen eine merkwürdige Scheu
besaßen, das körperlicher Schönheit. Es ist hier deutlich vorhanden. Wenn es trotzdem nicht allzu
sehr in den Vordergrunde tritt, sondern gleichsam im Hintergrund bleibt, so liegt das wahrscheinlich
an der Methode, mit der die junge Künstlerin modelliert. Sie trägt Gipsmasse – übrigens meist leicht
gefärbte – auf ein Eisengerüst und schlägt das Nichtgewünschte mit dem Beil aus der erstarrten
Substanz. Das gibt der Skulptur etwas sehr Dichtes, Komprimiertes, kompakte skulpturale Volumen,
indes die Oberfläche schrundig bleibt, in sich zerrissen, von unzähligen Verletzungsspuren überzogen.
Die gewisse Schrundigkeit der Oberfläche wird noch gesteigert durch eine – freilich sehr verhaltene –
Farbigkeit, auch verwischte Graphit- und Kohlespuren, die der plastischen Haut zusätzlich Kontur
verleihen. Archaische Vorbilder liegen ebenso nahe wie Lehmbruck oder Giacometti, fern sind Kolbe,
Scheibe, Marcks, obwohl von ihnen wieder etwas Gelassenes, Schönes, Lyrisches eindringt…
(Auszug aus: „Akt der Gerechtigkeit“, Cornelia Lengfeld in der Galerie Kulmer Straße, Heinz Ohff,
Der Tagesspiegel,17.06.1983)
Mann auf Sockel, 1981/1982
Gips, Stahl, Pigment, Graphit, Höhe 190 cm
Figur, 1981/1982
Gips, Stahl, Pigment, Graphit, Höhe 190 cm
Großer stehender Mann,1981/1982
Gips, Stahl, Pigment, Graphit, Höhe 199 cm (2 Ansichten)
…Ihre langgestreckten Figuren besetzen überzeugend den Raum, beziehen
ihn nicht nur mit ein, sondern werden aus sich heraus in ihm aktiv,
kommunizieren in einer eigenen Ausdruckssprache mit ihm. Diese Statuen
sind in ihrer Energie vergleichbar mit den lebhaften Idolen aus etruskischer Zeit
ebenso wie mit den hageren Plastiken Alberto Giacomettis, bei denen der
menschliche Körper eher Vorwand für die Darstellung ist und im Grunde
einer geistigen Haltung Ausdruck gibt...
(Auszug aus einem Text von Jürgen Schilling in dem Katalog Cornelia Lengfeld,
Künstlerstätte Schloss Bleckede, 1981/82)
Weibliche Figur stehend,1982
Gips, Stahl, Pigment, Graphit, Höhe 150 cm
Weibliche Figur stehend,1982
Gips, Stahl, Pigment, Graphit, Höhe 150 cm, (Detail)
Leopardenbraut, 1983
Gips, Stahl, Pigment, Höhe 80 cm
Gestürzte Tänzerin, 1984/1990,
Gips, Pigment, Länge 155 cm
Großer Männerkopf, 1986
Gips, Pigment, Graphit, Höhe 48 cm
Stehender Mann, 1987,
Gips, Stahl, Graphit, Höhe 180 cm
Akt und Torso, Figur und Zeichen sind vier für die Plastiken Cornelia
Lengfelds charakteristische Begriffe; aber sie geben nur eine Richtung
bildhauerischer Arbeit an, nicht die Summe inhaltlicher und formaler
Beziehungen, die sich in den schlanken Gestaltung versammelt haben.
Tatsächlich stehen diese in einem Schnittpunkt von Körperlichkeit und
Geschichte oder von Tradition und Leben. Viele von den großen Figuren lassen
sich auf reale Modelle zurückführen. Diese entsprechen Ideen, die die
Künstlerin lange hat reifen lassen, ehe über die Realisierung durch das Modell
die Plastik Form angenommen hat. Sie ist damit zum ersten eine Konkretisierung
der Idee: doch im Arbeitsprozess abstrahiert Cornelia Lengfeld zum anderen die
körperlichen Formen zu einem betont formalen Gefüge, das wie in Anlehnung
an archaische Körpervorstellungen an jene Grenze herangeführt wird, an der die
Abstraktion das anfänglich Individuelle auflöst und ein allgemeines Zeichen
daraus werden lässt… Konsequent umfasst der bildhauerische Kanon von Cornelia
Lengfelds Plastiken unterschiedliche Abstraktionsgrade; die Arbeiten folgen einander
als kleine Schritte einer Entwicklung, bei der die Grenze zwischen Abstraktion
und Zeichen untersucht wird, der sie mal näherkommt, mal ferner bleibt.
Die Entdeckung, dass durch eine Lageveränderung, durch Liegen statt
Stehen oder Sitzen, bei einer Figur eine stärker formstrenge Komposition in
den Vordergrund tritt, bestimmt die jüngsten Arbeiten auf dem Erdboden. Hier
kommt der Charakter der Architektur der Gestalt, etwa die Parallelität der
Glieder, die Kurven des Körpers, zu einem autonomen Recht, ohne dass
dabei die menschenbezogene Körperlichkeit ganz verlorengeht. Im
Gegenteil, die scheinbar erstarrte Form besitzt eine eigentümlich spröde
Aggressivität…
(Auszug aus einem Text von Jürgen Weichardt in dem Katalog zur
Ausstellung Raumwechsel, Cornelia Lengfeld, Georg-Kolbe-Museum, Berlin, 1991)
König liegend, 1989/1990
Gips, Pigment, Höhe 140 cm
Hockende Göttin, 1985
Gips, Stahl, Pigment, Höhe 78 cm
Die neue Tänzerin, 1988
Gips, Stahl, Pigment, Höhe 173 cm
Muttertier, 1990/1995
Gips, Pigment, Länge 180 cm (Detail)
Cornelia Lengfeld
1954 geboren in Wolfenbüttel1974 - 80 Studium an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig
bei Siegfried Neuenhausen und Emil Cimiotti, Meisterschülerin1981 Niedersächsisches Arbeitsstipendium für die Künstlerstätte Schloss Bleckedeseit 1982 in Berlin, Ausstellungen und Projekte1984 Arbeitsstipendium des Landkreises Helmstedt1985 Nachwuchsstipendium des Landes Niedersachsen1988 Arbeitstipendium des Senators für Kulturelle Angelegenheiten, Berlin1988 Gedenkzeichen am Ort der zerstörten Synagoge Fraenkelufer, Berlin1991 Ausstellungsprojekt "Raumwechsel", Georg-Kolbe-Museum, Berlin
(zusammen mit Susanne Bayer, Erika Klagge und Carola Scheil)seit 1994 kunstvermittelnde Projekte zu Skulptur und Erinnerungskultur
Ausstellungen
1980 Städtische Galerie Wolfsburg, Braunschweiger Künstlerpreis1982 Museum Lüneburg, Stipendiaten der Künstlerstätte Schloss Bleckede1983 Galerie Kulmerstraße, Berlin (einzeln)1984 Kunstverein Hannover, Bewerber um das Villa Massimo-Stipendium1984 Kreuzgang von St. Marienberg, Helmstedt (einzelausstellung) 1987 Mönchehaus, Museum für Moderne Kunst, Goslar, „Profile, Impulse 3“1988 Berlinische Galerie, Berlin, „Gedenken und Denkmal1989 Kubus Hannover, Stipendiaten des Landkreises Helmstedt1991 Kunstverein Wilhelmshaven, „Herzsprung“
Bibliografie
Kunst im Landtag, Hannover, 1980
Cornelia Lengfeld, Künstlerstätte Schloss Bleckede, 1981/1982
Akt der Gerechtigkeit, Heinz Ohff, Der Tagesspiegel, Berlin, 1983
Künstlerinnen-Handbuch weiblich, Caroline Müller, Ladengalerie, Berlin, 1983
Schwarze Maria (zusammen mit Bettina Niedt und Heike Ruschmeyer), 1983
Villa Massimo-Bewerber, Kunstverein Hannover, 1984
Stipendiaten des Landkreises Helmstedt, 1986
Profile, Impuls 3, Niedersächsische Künstlerstipendiaten, Hannover, 1985-1987
Bildhauer-Symposium, Hameln, 1986
Kreuzberger Gedenktafelprogramm, Berlin, 1984-1988
Columbiahaus, Bezirksamt Tempelhof, Berlin, 1990
Raumwechsel, MuseumsJournal, Berlin, April 1991
Raumwechsel, Cornelia Lengfeld, Georg Kolbe Museum, 1991
Bildhauersymposium, Linthe, 1996
Künstler für Menschenrechte, Das Goethenaum, 1999
Das jüdische Berlin, Bill Rebiger, Berlin, 2000/2010
Wege zur Erinnerung, Stefanie Endlich, Berlin, 2006
Kunst im öffentlichen Raum
„Adam“, Hameln, 1986
Gedenkzeichen am Ort der zerstörten Synagoge Fraenkelufer, Berlin-Kreuzberg, 1988
„Haus“, Brück/Brandenburg, 2010
Werke in öffentlichen Sammlungen
Ministerium für Wissenschaft und Kunst Niedersachsen
Sammlung Christliche Kunst e. V., Helmstedt
Stadt Lüneburg
Mönchehaus, Museum für Moderne Kunst, Goslar
Liegender Kopf, 1989
Gips, Pigment, Höhe 52 cm
© Cornelia Lengfeld 2015