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CHORTAGE HANNOVER –
Das Collegium Vocale Hannover (Ltg. Florian Lohmann) eröff nete die CHORTAGE HANNOVER 2019 mit einem herausragenden Auftritt.
Die CHORTAGE HANNOVER wachsen sich zunehmend zu einem chormusikalischen Leuchtturm aus, um den die City of Music und
niedersächsische Landeshauptstadt Hannover von anderen deutschen Großstädten beneidet wird. Bei der 11. Aufl age vom 22. bis 29. Juni
2019 wurden erneut Highlights geboten, die in der nationalen wie auch internationalen Chorszene ihresgleichen suchen. Bereits das grandiose
Auftaktkonzert in der Christuskirche Hannover sorgte für einen „Knalleff ekt“ – wer es nicht besser wusste, hätte glauben mögen, hier den
Abschluss mitzuerleben. Indes war dies die Eröff nung der diesjährigen CHORTAGE HANNOVER, die ein dickes, fettes Ausrufezeichen setzte, und
dem staunenden Publikum den Mund wässrig machte auf das, was die weiteren Konzertveranstaltungen bieten würden. Auch der Präsident des
Deutschen Chorverbandes und Bundespräsident a.D. Christian Wulff ließ es sich nicht nehmen, diesem Konzert beizuwohnen, und nicht nur er
war äußerst beeindruckt von der gesanglichen Qualität der drei Teilnehmerchöre.
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– ganz große Chormusik
I vocalisti (Ltg. Joachim Lustig) aus Lübeck
molto cantabile (Ltg. Andreas Felber) aus Luzern (Schweiz)
Mit dem Collegium Vocale Hanno-
ver (Ltg. Florian Lohmann) sowie
den Spitzenensembles I vocalis-
ti (Ltg. Joachim Lustig) aus Lübeck und
molto cantabile (Ltg. Andreas Felber) aus
dem schweizerischen Luzern war das Auf-
taktkonzert hochkarätig besetzt. In An-
wesenheit von Bundespräsident a.D. und
DCV-Präsident Christian Wulff , der ge-
meinsam mit dem Intendanten Wolfgang
Schröfel die CHORTAGE HANNOVER
2019 eröff nete und ein kurzes Grußwort
sprach, konnte das Publikum ein gran-
dioses Konzert miterleben, welches fast
durchgängig aus Werken zeitgenössischer
Komponisten bestand. Die anspruchsvol-
le Literatur wurde von den drei Top-Chö-
ren scheinbar mühelos gemeistert – das
war ganz große Gesangskunst!
Einen der Chöre qualitativ hervorzuhe-
ben, wäre nicht gerecht, alle drei bewegen
sich auf allerhöchstem Niveau. Trotzdem
fi el das Lübecker Ensemble I vocalisti et-
was mehr auf, weil es zum einen vier Wer-
ke mit identischem Titel sang: Cantate
Domino (von Chris Artley, Josu Elberdin,
Franco Prinsloo sowie Ugis Praulins), da-
von zwei Urauff ührungen. Zum anderen
brachten die Lübecker eine überaus inte-
ressante Solistin mit – die Obertonsänge-
rin Anna-Maria Hefele aus Garching bei
München, die die Christuskirche mit fas-
zinierenden sphärischen Klängen füllte.
Zum Abschluss dieses Konzertes sangen
die drei Chöre gemeinsam das Abendlied
von Josef Rheinberger.
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Nach dem grandiosen Auftakt folg-
te tags darauf das selten aufgeführte
Oratorium „Samson“ von Georg Fried-
rich Händel als MitSing-Konzert im
Großen Sendesaal des NDR. Der ge-
mischte, rund 100 Personen zählende
Sonderchor („MitSing-Chor“) aus Mit-
gliedern hannoverscher Chöre sang
zusammen mit dem Norddeutschen
Figuralchor die Chor-Partien, die von
Jörg Straube einstudiert worden waren.
Die Gesamtleitung hatte Händel-Spe-
zialist Nicholas McGegan, der die NDR
Radiophilharmonie, die beiden Chöre
sowie die Top-Solisten Sherezade Pant-
haki (Sopran), Franziska Gottwald (Alt),
Thomas Cooley (Tenor), David Szigetva-
ri (Tenor), William Berger (Bariton) und
Händels „Samson“ zum Mitsingen auf der großen BühneDouglas Williams (Bass) scheinbar mü-
helos zu einer perfekten musikalischen
Einheit zusammenfügte. Insgesamt
war es ein großartiger Konzertabend
– mit besonderem Chorklang. Dabei
wurde Händels „Samson“ bereits zwei
Tage zuvor in der Galerie Herrenhau-
sen begeistert gefeiert, im Rahmen des
NDR-Konzertzyklus „Ring Barock“, da-
Jazz - & Pop-Night und beliebten Songs und Arrangements
aus der Pop- und Jazzmusik – die Band-
breite reichte von J.S. Bach bis George
Gershwin, von den Beatles bis Phil Col-
lins, von John Miles bis Malene Rigtrup,
von Oliver Gies bis Morten Kjaer …
Der 2012 gegründete Jazzchor Hanno-
ver (Ltg. Christin Strittmatter) überzeug-
te mit plain sound ohne elektroakustische
Hilfsmittel wie Mikros oder Beatbox –
eine Seltenheit im vokalen Jazz. Ihr Auf-
tritt endete mit der Chor-Coverversion
von „Hymn of Acxiom“ (Vienna Teng)
Nach dem Auft akt in der Christuskirche,
dem MitSing-Konzert im Großen Sende-
saal des NDR und dem Open-Air-Sin-
gen in der Herrenhäuser Allee eröff nete
die seit vielen Jahren bei Publikum und
Chören beliebte Jazz- & Pop-Night die
abschließende Sequenz von drei Doppel-
konzerten in der Galerie Herrenhausen.
13 Chöre und Ensembles unterhielten ihr
Publikum bei sommerlichen Temperatu-
ren rund fünf Stunden lang mit aktuellen
Das Besondere an den CHORTAGEN
HANNOVER ist seit jeher, dass jeder
Chor und jedes Vokalensemble die
Möglichkeit hat mitzumachen.
Es muss natürlich schon eine
gewisse Qualität vorhanden sein,
aber grundsätzlich kann sich jede
Vokalgruppe bewerben.
Wolfgang Schröfel, Intendant*
CHORTAGE HANNOVER 2019
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Vielköpfi g | Mit der NDR Radiophilharmonie, dem Norddeutschen Figuralchor, dem MitSing-Chor und den Gesangssolisten standen nahezu 200 Personen auf der Bühne im Großen Sendesaal des NDR – für das Publikum ein großartiges Klangerlebnis.
Eine feste Größe im Chortage-Pro-
gramm ist auch das „Singen in der
Allee“ in Verbindung mit der „Langen
Tafel des Generationendialogs“, mit-
tags im Georgengarten. Bereits zum
achten Mal fand es statt und erfreut
sich großer Beliebtheit, besonders bei
älteren und pfl egebedürftigen Men-
schen. Aber auch jüngere Zuhörer sind
dabei – ein entspanntes, freundliches
Zusammentreff en der Generationen
(unterstützt durch die Stadt und das
Studentenwerk). Zu Beginn sang der
Hannoversche Singkreis („Cantate Do-
minum“, „Tanzen und springen“ …),
danach unterhielt Hage (Jan Hagerodt:
Gesang/Akustikgitarre) locker mit eng-
lischsprachigen Coverhits, und zum
Abschluss sang der im Oktober 2018
gegründete, gemischte Obdachlosen-
Chor ChorWerkHannover („Von der
Straße auf die Bühne“ – Ein innovati-
ves Musikprojekt
des Niedersäch-
sischen Chor-
verbandes). Der
brachte die Zu-
hörer sogar zum
Mitsingen, so bei
„Die Gedanken
sind frei“, und
erntete Jubel.
Christian Seibt
bei allerdings ohne Sonderchor. Dass
man diesen Konzerthöhepunkt noch
einmal, dann mit dem Sonderchor,
erleben konnte, belegt die bewährte
Kooperation zwischen dem NDR und
den CHORTAGEN.
Christian Seibt
Singen in der Sommerfrische
Innovativ | ChorWerkHannover
Foto
: W. S
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Foto
: W. S
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Gefi el | Hannoverscher Singkreis
Foto
: W. S
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– ein Dauerbrenner in den letzten Jah-
ren, aber immer wieder gern gehört, weil
besser als das Original! Das Vokalensem-
ble date@eight wagte einen recht großen
stilistischen Spagat: Von J.S. Bach über
George Gershwin bis hin zu Stevie Won-
der und Kirby Shaw reichten die Beiträge
– recht ambitioniert, aber gekonnt.
Erst seit 2014 besteht der Groovechor
Hannover (Ltg. Toby Lüer); mit seinem
diesjährigen Auft ritt bewies der Chor
– wie auch schon im letzten Jahr – ein-
drucksvoll seine Fortentwicklung und
signalisierte den „Platzhirschen“ der han-
noverschen Pop- und Jazzchorszene wie
Vivid Voices (dieses Mal nicht am Start),
clazz und Hannover Jazz Singers, dass
da eine echte Konkurrenz heranwächst!
Der erstmals teilnehmende Gospelchor
Hannover (Ltg. Jan Meyer) erweiterte
das chormusikalische Spektrum dieser
Veranstaltung um ein zusätzliches Gen-
re (Gospel & Spirituals) und wusste auf
Anhieb zu gefallen. clazz (Ltg. Martin Jor-
dan) präsentiert zum Abschuss des ersten
Konzertes mit „Music“ von John Miles
Es ist immer eine Art Klassentreff en,
bei dem man viele Menschen triff t,
mit denen man zusammen studiert
hat, viele Chorleiterinnen und Chorleiter,
die man kennt, die man schätzt,
denen man gerne zuhört, auch viele
Chorsängerinnen und Chorsänger,
die in andern Chören singen …
Florian Lohmann, Chorleiter*
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(Arr. Oliver Gies) einen Klassiker sowie
ein witziges Medley aus Songs, die über
die Jahre beim Eurovision Song Contest
(ESC) jeweils die ersten Plätze belegten
– „Ein bisschen Liebe“ von Nicole nahm
dabei verständlicherweise eine recht pro-
minente Position ein …
Den Auft akt des zweiten Konzertes der
Jazz- & Pop-Night bestritt der Jazzchor
Aft er six (Ltg. Anja Ritterbusch), danach
begeisterte mixed voices (Ltg. Annika Völ-
lering) mit sehr lebhaft en Beiträgen, u.a.
mit dem Superhit „Bohemian Rhapsody“
Ausdrucksstark | Groovechor Hannover, Gospelchor Hannover, After Six (von oben)
von Queen im Arrangement von Oliver
Gies. Den Abschluss bildeten die Hanno-
ver Jazz Singers (Ltg. Claudia Burghard),
die ein stilistisch recht weit gefasstes
Programm (von Lennon/McCartney
über Stevie Wonder und Kurt Weill bis
zu Pentatonix) vorstellten, sowie die bei-
den Vokalensembles Sub 5 und HörBänd,
die neben Coverversionen bekannter
Pophits (Penny Lane/Beatles, Happy
Together/Th e Turtles) auch eine Reihe
Eigenkompositionen/-arrangements im
Programm hatten.
Nacht der Chöre
Es ist mir wichtig, bei den CHORTAGEN
ein möglichst großes Spektrum der
Chorszene abzubilden. Darum lege
ich keinen Wert darauf, irgendein
Konzertthema vorzugeben, sondern
die Chöre sollen ihr Repertoire singen.
Das ist dann so vielfältig und so
interessant, dass es für die Stadt und
für die Chorszene in Hannover ein
enormer Gewinn ist.
Wolfgang Schröfel*
CHORTAGE HANNOVER 2019
Es ist immer wieder schön anzusehen, mit
welcher Freude die Chöre, Vokalgruppen
und Vokalensembles bei den Chortagen
Hannover singen. Und ganz besonders
ergreifend ist es, wenn die Kinder- und
Jugendchöre mit leuchtenden Gesichtern
und großem Engagement auft reten. Zu
erleben war dies beim ersten Konzert der
Nacht der Chöre am frühen Abend in der
Galerie Herrenhausen.
Den Anfang machte der Kinder- und
Jugendchor der Musikschule Hannover mit
fröhlichen Kinderliedern („Brundibár“-
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Lieder). Dann folgten der KiKoBa (Kin-
derchor Badenstedt), der Kinder- und
Jugendchor an der Marktkirche, Voice ’n‘
Performance (Ricarda-Huch-Schule), der
Schaumburger Jugendchor, der Juven-
tis Jugendchor Celle und der Junge Chor
Hannover. Beeindruckend, mit Verve
und Gefühl, sangen sie sakrale Werke,
Pop, Volkslieder wie auch lustige Lieder
– oft auch mit choreografi schen Einlagen,
Klatschen und Body-Percussion.
Die Chorszene in Hannover profi tiert
von vielen sehr positiven Faktoren,
die das Ganze befruchten. Gute
Profi chöre und viele Laienchöre sind hier
zuhause, und es gibt einen sehr guten
Mädchenchor Hannover, es gibt einen
sehr guten Knabenchor Hannover, und
es gibt eine Hochschule für Musik, die
sowohl was den Chorgesang als auch die
Chorleitung anbelangt, in den letzten
Jahren sehr viele Impulse in der
Ausbildung gesetzt hat.
Florian Lohmann*
Konzentrierte Spannung | (von oben) Voice ’n‘ Performance, Zariatxo abesbatza (Baskenland), FrauenChor Hannover
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Eine Besonderheit war der Gastchor
Zariatxo abesbatza (Chorschule Zaria
Koru Eskol/Spanien) aus San Sebastian
im Baskenland (Leitung: Imanol Elizasu
Lasa), der mit Chorwerken in ihrer bas-
kischen Sprache aus der Heimat („Ave
Maria“...) und dem japanischen „Volks-
lied aus Fukushima“ („Aizu badai san“,
über die Natur- und Nuklearunfall-Kata-
strophe 2011) das Publikum zum Jubeln
brachte.
Nach der Pause dann der zweite
Konzert reigen mit den Erwachsenen-
Chören. So sang die Messiaskantorei das
moderne „Stabat Mater“ von Knut Nys-
tedt. Es folgten der Quilisma Jugendchor
Springe (junge Erwachsene), der Kam-
merchor Herrenhausen, der Norddeutsche
Synagogalchor mit synagogaler Musik,
der KonzertChor Kleefeld, der Vocalumen.
Frauenkammerchor, das Vokal ensemble
O-Ton, Vocal Temptation, der Universi-
tätschor Clausthal, der FrauenChor Han-
nover und die Capella St. Crucis. Sie alle
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CHORTAGE HANNOVER 2019
Tutti | Zum Abschluss der Nacht der Chöre sangen alle Anwesenden unter der Leitung von Biljana Wittstock das Abendlied („Der Mond ist aufgegangen“, Text: Matthias Claudius, Melodie: Johann Abraham Peter Schulz).
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sangen hauptsächlich sakrale, klassische
und moderne Chorwerke, aber auch Pop
und Volkslieder gab es. Schöne und inte-
ressante Versionen, die sehr gut dargebo-
ten und vom Publikum mit starkem Ap-
plaus gewürdigt wurden.
Am Ende der wahrlich langen Nacht
der Chöre sangen alle Anwesenden zu-
sammen das „Abendlied“ (Text: Matthias
Claudius, Musik: Johann Abraham Peter
Schulz).
Text: Christian Seibt
Ergänzungen & Redaktion: vc
*Zitate aus einem NDR-Radiointerview
vom 22.06.2019 auf NDR Kultur
A cappella – oder nicht?Den Abschluss der diesjährigen Chorta-
ge, das mit „A cappella“ betitelte dritte
Doppelkonzert, bestritten sechs hoch-
karätige hannoversche Chöre (Chor der
Leibniz Universität, Camerata Vocale,
Johannes-Brahms-Chor, Kammerchor
Hannover, Hannoverscher Oratorienchor,
Mädchenchor Hannover) und als weiterer
internationaler Gastchor der Pittsburgh
Girls Choir aus der zweitgrößten Stadt
des US-Bundesstaates Pennsylvania im
Osten der USA. Ein wenig irritierend war
der Konzerttitel „A cappella“, denn außer
dem Oratorienchor sangen alle anderen
Chöre mit Instrumentalbegleitung. Dem
überaus hohen Qualitätsniveau der bei-
den Konzerte tat dies jedoch keinen Ab-
bruch – das Publikum erlebte bei beiden
Konzerten Chorgesang auf höchstem Ni-
veau. Insbesondere der Pittsburgh Girls
Choir beeindruckte u.a. mit zwei Stücken
mit Texten von Anne Frank.
Die 11. CHORTAGE HANNOVER
waren wieder ein schöner Erfolg. 46 teil-
nehmende Chöre mit insgesamt 1.500
Sängerinnen und Sängern, ein begeister-
tes Publikum und freudige Gesichter bei
allen Akteuren. Insgesamt kamen 3.600
Besucher zu den fünf Konzerten in der
Christuskirche, im NDR Sendesaal und
der Galerie Herrenhausen – und das trotz
der hochsommerlichen Bedingungen!
Intendant Wolfgang Schrö fel zieht nach
dem letzten Konzert ein erstes Resumée:
„Wir sind sehr zufrieden und freuen uns
schon auf die Veranstaltungen im nächs-
ten Jahr!“ Die 12. CHORTAGE HANNO
VER 2020 werden vom 11. bis 20. Juni
stattfi nden.
�
Mit Freude | Chor der Leibniz Universität, Mädchenchor Hannover, Pittsburgh Girls Choir (von oben)