Biomechanische Analyse des Telemark – Aufsprungs im
Skispringen
Diplomarbeit
zur Erlangung des Magistergrades
im Interfakultären Fachbereich für
Sport- und Bewegungswissenschaft/USI
der Universität Salzburg
eingereicht von
FLORIAN GREIMEL
Gutachter: Univ. Prof. Dr. Schwameder
Salzburg, den 05.11.2007
Vorwort
In dieser Arbeit werden die Ergebnisse zweier umfassenden Untersuchungen bezüglich der
Aufsprungphase im Skispringen dargestellt. Die Beschreibung und Analyse der
Aufsprungtechnik anhand von biomechanischen Methoden stellt das Bemühen vieler
Personen innerhalb dieses Projekts dar. Ohne die Unterstützung des Fachpersonals am Institut
für Sport- und Bewegungswissenschaft in Salzburg wäre eine Realisierung dieser Arbeit nicht
möglich gewesen. In diesem Sinne möchte ich mich recht herzlich bei allen direkt beteiligten
Personen des Instituts recht herzlich bedanken.
Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Hermann Schwameder, der die Anregung für diese
Arbeit und die Betreuung dieses Projekts übernommen hat. Seine Fachkompetenz konnte in
vielen Situationen dabei behilflich sein, die richtigen Entscheidungen zu treffen und die
Struktur dieser Arbeit in einer Linie zu halten. Bei Herrn Prof. Dr. Erich Müller bedanke ich
mich recht herzlich für die Ermöglichung dieser Untersuchungen und für ein offenes Ohr, das
mir bei meinen Anliegen in den persönlichen Gesprächen entgegebracht wurde.
Recht herzlich möchte ich mich bei Frau Mag. Ulrike Hemedinger bedanken, die mir auf
neuesten Wege der Kommunikation diese Arbeit auf Rechtschreibung hin korrigiert hat.
Besonders möchte ich mich bei meiner Familie Susanne Eva und Lena Marie Greimel
bedanken. Sie haben in den letzten Wochen und Monaten versucht, mich so gut wie möglich
zu unterstützen. Insbesondere in jenen Zeiten in denen der Schritt zum Schreibtisch sehr
mühsam und mit viel Aufwand verbunden war.
November 2007 Florian GREIMEL
Inhaltsverzeichnis
1. Historischer Abriss und aktueller Stand zur biomechanischen Forschung im
Skispringen 5
1.1. Untersuchungen zu Absprung und erster Flugphase 5
1.2. Untersuchungen zur gesamten Flugphase 11
1.3. Untersuchungen zur Landephase 32
1.4. Problemstellung und Hypothesenformulierung 38
2. Kinematische Analyse der Landephase von Weltklasse Springern 42
2.1. Problem und Aufgabenstellung 42
2.2. Methodik 43
2.2.1. Stichproben (Versuchsgruppe, Kontrollgruppe) 43
2.2.2. Testverfahren 44
2.2.3. Gütekriterien 49
2.2.3.1. Mehrfachdigitalisierung 50
2.2.3.2. Passpunktbestimmung 51
2.2.3.3. Segmentlängenbestimmung 51
2.2.4. Fehlerquellen 54
2.3. Ergebnisse 56
2.3.1. Beschreibung des Telemarks anhand der kinematischen Daten 56
2.3.1.1. Beschreibung des Telemarks anhand der Winkelverläufe 56
2.3.1.2. Beschreibung des Telemarks anhand der Abstandsdaten 62
2.3.2. Statistische Auswertung 65
2.3.2.1. Bedeutung des Telemarks 65
2.3.2.2. Einflussfaktoren auf die Kampfrichterbewertung 67
2.3.2.3. Taylorpolynomanalyse 71
2.3.2.4. T – Test 73
2.4. Interpretation 77
3. Dynamische und Elektromyographische Untersuchung von
sehr guten Skispringern 81
3.1. Problem und Aufgabenstellung 81
3.2. Methodik 81
3.2.1. EMG – System 81
3.2.2. Pedar – System 83
3.2.3. Vorbereitung der elektromyographischen und dynamischen Messungen 84
3.2.4. Stichproben (Versuchsgruppe, Kontrollgruppe) 88
3.2.5. Untersuchungsdurchführung 88
3.2.6. Auswertung der Messergebnisse 91
3.2.6.1. Auswertung der elektromyographischen Ergebnisse 91
3.2.6.2. Auswertung der dynamischen Ergebnisse 92
3.2.7. Gütekriterien 93
3.2.7.1. Reliabilität der elektromyographischen Daten zwischen den Probanden 93
3.2.7.2. Reliabilität der dynamischen Daten zwischen den Probanden 96
3.2.7.3. Vergleich der elektromyographischen Daten mit der Literatur 97
3.2.7.4. Vergleich der dynamischen Daten mit der Literatur 100
3.3. Ergebnisse 103
3.3.1. Ergebnis der elektromyographischen Daten 103
3.3.1.1. Beschreibung des Telemarks anhand von Proband B 103
3.3.1.2. Vergleich zwischen den Probanden 106
3.3.1.3. Vergleich zwischen Telemark-Landung und beidbeinigen Aufsprung 110
3.3.1.4. Verleich der Telemark-Landung bei Proband
B mit unterschiedlichen Bedingungen 114
3.3.2. Ergebnis der dynamischen Daten 117
3.3.2.1. Beschreibung des Telemarks und Vergleich der Probanden 117
3.3.2.2. Vergleich zwischen Telemark und beidbeinigem Aufsprung anhand der
dynamischen Daten 119
3.3.2.3. Vergleich des Telemarks bei Proband B zwischen
Bedingung 1 und Bedingung 2 123
3.4. Interpretation 126
4. Zusammenfassende Schlussfolgerung 130
5. Zusammenfassung 133
6. Literaturverzeichnis 135
1. Historischer Abriss und aktueller Stand zur biomechanischen Forschung
im Skispringen
1.1. Untersuchungen zu Absprung und erster Flugphase
Aufgrund der immanenten Technik entwicklung zu Beginn der 90er Jahre mit der Einführung
der V – Technik durch den Schweden Jan Boklöv konzentrieren sich die wissenschaftlichen
Untersuchungen verstärkt auf die Bereiche
- Absprung – Übergang in die erste Flugphase und
- gesamte Flugphase.
SCHWAMEDER (1994) untersucht in seiner Dissertation kinematische und dynamische
Merkmale des Absprungverhaltens und der ersten Flugphase bis 20 Meter nach dem
Schanzentisch. Die kinematischen Merkmale werden mit Hilfe einer dreidimensionalen
Videoanalyse mit Schwenk und neigbaren Kameras (50 Hz) und die dynamischen Merkmale
durch 2 mobile Kraftmesssohlen der Firma Novel (Pedar) gemessen. Der Autor korreliert
sowohl in der Absprung- als auch in der Übergangsphase die erhobenen Parameter mit der
Sprungweite und kann für jede Phase jeweils 4 Variablen herausfiltern. Die Variablen „Höhe
des Sprunggelenkpunktes nach 10 bzw. 20 Meter Flug“ und „Vertikalgeschwindigkeit nach
10 Metern Flug“ in der ersten Flugphase versteht der Autor als die Folge einer schnellen
Absprungstreckung in der Absprungphase. Differenzierter ist das vierte Merkmal „Projizierter
Winkel Körperachse-Ski nach 20 Metern Flug“ zu sehen. Eine kompakte Flughaltung, die
durch dieses Merkmal charakterisiert wird, resultiert aus einem entsprechend großen
Drehmoment während des Absprunges. Der Skispringer soll demnach nicht nur eine hohe
Vertikalkraft (Korrelation mit der Sprungweite) ,sondern auch ein optimales Drehmoment
während der Absprungphase realisieren, um sehr früh in eine kompakte Flughaltung zu
gelangen. Eine optimale Abstimmung dieser beiden Faktoren sieht der Autor als ein
bestimmendes Maß zum Erreichen einer maximalen Sprungweite an.
ARNDT et al. (1995) analysieren während der Olympischen Spiele 1994 in Lillehammer auf
der kleinen Schanze (K 90) mit Hilfe von 2 Videokameras (50 Hz) das Absprungverhalten
und die erste Flugphase. Zusätzlich wird der Absprung mit einer Highspeed-Kamera (200 Hz)
für eine zweidimensionale Analyse gefilmt. Die kinematischen Daten werden in der
5
Übergangsphase zum Zeitpunkt des Absprungs, 5, 10, 15 und 17 Meter nach dem Absprung
erhoben und mit der Sprungweite des Skispringers korreliert. Die Autoren stellen fest, dass 12
Meter nach dem Absprung sich das Flugsystem Springer–Ski stabilisiert hat. Weiters können
Korrelationen zwischen den Schwerpunktparametern und der Sprungweite in keiner Phase
gefunden werden.
Beim Zeitpunkt 17 Metern nach der Absprungkante können folgende Winkel herausgefiltert
Abbildung 1.01: Definition der untersuchten Winkeln (Arndt et. al; 1995)
werden:
• Gerade Hüfte–Knöchel zur x-Achse
• Rumpf–x-Achse
• Ski–x-Achse
• V–Winkel
• Bein Abduktion
Diese Winkelpositionen erklären 84 % (r² = 0,84) der Sprungweite. Die genannten Winkel
stellen somit ein wesentliches Maß der aerodynamischen Flugqualität dar. Nach Meinung der
6
Autoren kann man aufgrund qualitativer Beobachtung erkennen, dass manche Skispringer
gegen Ende der Flugphase bis zu 5 Meter an Sprungweite gewinnen können, wenn sie ihre
aerodynamische Position bis zur Landung beibehalten. Diese Erkenntnis stützt sich auf reine
Beobachtungen und sollte nach den Autoren Gegenstand von weiteren Untersuchungen sein.
Bei den Olympischen Spielen 2002 in Salt Lake City werden weitere umfassende
Untersuchungen zur Erfassung von leistungsbestimmenden Faktoren in der ersten Flugphase
auf der Großschanze (K120) durchgeführt. Unter Wettkampfbedingungen werden mit 2
schwenk-, neig- und zoombaren Kameras (50 Hz) die Springer in der Absprungphase und der
ersten Flugphase bis 20 Meter nach der Absprungkante aufgezeichnet. VIRMAVIRTA et al.
(2005) korrelieren die erhobenen Parameter mit der Sprungweite (n = 22) und unterteilen die
Stichprobe in 3 Gruppen, die untereinander mit dem Kruskal–Wallis Test analysiert werden.
Signifikante Korrelationen können in folgenden Winkeln und zu den bestimmten Zeitpunkten
beobachtet werden (Abbildung 1.02).
Abbildung 1.02: Signifikannte Unterschiede zwischen der Gruppe 1a und 1b (Virmavirta et al.; 2005)
Der Körper–Ski–Winkel stellt nach diesen Ergebnissen einen leistungsbestimmenden Faktor
in der ersten Flugphase dar. Je kleiner dieser Winkel von den Springern realisiert werden
kann, umso höher ist der Weitengewinn in diesem Wettkampf. Der Skiangriffswinkel bezogen
7
auf die Trajektion des Schwerpunktes kann überraschend als weiterer leistungsbestimmender
Parameter erkannt werden. Die signifikante positive Korrelation bedeutet, dass ein größerer
Ski–Angriffswinkel in der ersten Flugphase einen positiven Einfluss auf den Weitengewinn
hat. Die Autoren begründen diese Ergebnisse mit der ungewöhnlichen Höhenluft in Salt Lake
City (> 2000 m) und der damit verbundenen geringeren Luftdichte. Weiters stellen sie die
Bedeutung einer hohen vertikalen Absprunggeschwindigkeit als leistungsbestimmenden
Faktor in diesem Wettkampf in Frage.
„Negative correlation during the first phase indicates that at least some of the best jumpers are falling much
downwards immediately after the take-off. This way they are probably able to maintain the resultant velocity and
utilize it during the steady flight phase. The obviously do not obtain much lift by strong take-off but compensate
this loss by aerodynamic lift with high velocity. It seems that in this competition with low air density conditions
too upright body position usually caused by the strong take-off was especially disadvantageous.“ (Virmavirta et
al. 2005; S2161)
Zusammenfassend stellen die Autoren eine hohe horizontale Geschwindigkeit und das
sofortige Einnehmen einer kompakten Flugposition als wesentliche Merkmale eines weiten
Sprunges heraus. Die vertikale Absprunggeschwindigkeit, die in der Literatur (Schwameder
1994) als bestimmender Parameter der Absprungbewegung gilt, wird in dieser Untersuchung
als geringerer Einflussfaktor interpretiert und dürfte bei den Wettkämpfen auf der
Kleinschanze eine höhere Bedeutung haben.
SCHWAMEDER et al. (2004) präsentieren beim 3. Internationalen Kongress „Skiing and
Science“ in Aspen die erhobenen kinematischen Daten von den Olympischen Spielen in Salt
Lake City auf der Kleinschanze (K90). Der Wettkampf wird mit 3 synchronisierten schwenk-,
neig- und zoombaren Kameras (50 Hz) aufgenommen. Diese Aufnahmen dienen zum
Identifizieren von leistungsbestimmenden Merkmalen in der Absprung- und ersten Flugphase
bis 30 Meter nach der Absprungkante. Die Autoren können die Neigung des Flugweges und
der Körper–Ski Winkel als signifikant korrelierende Parameter bezüglich der Sprungweite
erkennen. Bei der Unterschiedsanalyse zwischen den besten und schlechtesten Springern
werden die Ergebnisse bestätigt. Beim Körper–Ski Winkel beträgt der Unterschied 3,1° und
beim Körper–Flugweg-Winkel konnte ein Unterschied von 3,4° errechnet werden. Beide
Winkelunterschiede werden als signifikant mit einem Niveau von p<0,003
Irrtumswahrscheinlichkeit bestätigt. Entgegengesetzt zur Untersuchung von VIRMAVIRTA
8
et al. (2005) können keine Zusammenhänge zwischen dem Ski - Angriffswinkel und der
Sprungweite beobachtet werden.
Zusammenfassung:
Für die Phase des Absprungs und der ersten Flugphase werden seit der Einführung der V –
Technik relativ wenige Forschungsprojekte publiziert. Die besprochenen Veröffentlichungen
werden unter verschiedenen Ausgangsbedingungen durchgeführt. Während SCHWAMEDER
(1994) Trainingssprünge auf der großen Mattenschanze in Stams (K 105) von der
österreichischen Nationalmannschaft und dem B–Kader untersucht, konzentrieren sich
ARNDT et al. (1995), VIRMAVIRTA et al. (2005) und SCHWAMEDER et al. (2004) auf
Wettkampfbedingungen bei den Olympischen Spielen 1994 in Lillehammer auf der
Kleinschanze (K 90) und in Salt Lake City 2002 auf der Klein- (K 90) und Großschanze (K
120). In allen Untersuchungen werden kinematische Parameter erhoben und mit der
Sprungweite korreliert. Eine frühzeitige und kompakte Flugposition scheint in allen
beschriebenen Veröffentlichungen ein wesentlicher Faktor in der ersten Flugphase zum
Erreichen einer hohen Sprungweite zu sein.
Ein weiteres Merkmal stellt der Winkel zwischen Körper und Ski dar. Bei der Untersuchung
von SCHWAMEDER (1994), VIRMAVIRTA et al. (2005) und SCHWAMEDER et al.
(2004) können signifikante Zusammenhänge mit der Sprungweite in der ersten Flugphase
beobachtet werden. SCHWAMEDER (1994) berechnet 20 Meter nach der Absprungkante
einen Winkel von 18° im Mittelwert. VIRMAVIRTA et al. (2005) berechnet für die beste
Gruppe einen Winkel von ca. 15° und für die schlechteste Gruppe (jeweils n=5) einen Winkel
von ca. 24°. Diese Winkelangaben beziehen sich auf einen Zeitpunkt 1,1 Sekunden nach der
Absprungkante in der ersten Flugphase. SCHWAMEDER et al. (2004) beziffert den
Unterschied zwischen der besten und der schlechtesten Gruppe (insgesamt n=29) mit 3,1° im
Mittelwert. Bei der Betrachtung der Ergebnisse erkennt man eine leichte Tendenz zur
Verringerung dieses Winkels in der ersten Flugphase. Die Unterschiede zwischen der besten
und schlechtesten Gruppe bei den Olympischen Spielen in Salt Lake City auf der Klein- und
Großschanze sind erheblich. Während VIRMAVIRTA et al. (2005) einen Unterschied von ca.
9° auf der Großschanze berechnet, können SCHWAMEDER et al. (2004) nur einen
Unterschied von 3,1° für den Körper–Skiwinkel erheben. Unter der Vorraussetzung, dass die
Messsysteme ähnlich geringe Fehlerwerte aufweisen, ergeben sich deutliche Unterschiede
9
zwischen Klein- und Großschanze. Dies ist ein Indiz dafür, dass auf der Kleinschanze eine
kleinere Variationsbreite für den Körper–Ski Winkel in der ersten Flugphase zu beobachten
ist. Dieser Unterschied kann folgendermaßen interpretiert werden:
• Unterschiedliche Stichprobengröße (Schwameder et al. n = 29; Virmavirta et al. n
= 10)
• Auf der Großschanze ist die Differenz zwischen geringster und höchster
Sprungweite bei 36 Metern im ersten Durchgang. Auf der Kleinschanze beträgt
dieser Unterschied nur 21,5 Meter. Die Variationsbreite ist auf der Großschanze
deutlich größer, ähnlich wie die Unterschiede im Körper–Ski–Winkel
• Nach SCHWAMEDER et al. (2004) spielt die vertikale Explosivkraft während der
Absprungbewegung auf Kleinschanzen eine größere Rolle, als dies auf der
Großschanze der Fall ist. Die Lösungsstrategien auf der Großschanze reichen
demnach aufgrund der höheren Geschwindigkeit und der geringen Luftdichte über
2000 Meter von Technikmerkmalen mit hohem Oberkörpereinsatz (große
Vertikalkraft am Absprung) bis zu Techniken mit sehr geringem
Oberkörpereinsatz und hoher horizontaler Geschwindigkeit beim Absprung. Diese
Absprungvariationen können die beschriebenen Veränderungen im Körper – Ski
Winkel bedingen.
Abgesehen von den Unterschieden zwischen Klein- und Großschanze bei den Olympischen
Spielen 2002 kann man die Tendenz erkennen, dass in den Technikleitbildern versucht wird,
den Körper–Ski–Winkel in der ersten Flugphase zu verkleinern. Dies scheint einem
Optimierungsprozess zu unterliegen. MAHNKE et al. (2002) berichten von negativen Folgen
der individuellen Sprungtechnik auf die Skisprungleistung in der Übergangsphase, wenn ein
zu hoher Drehimpuls vom Absprung und somit eine schnelle und große Körpervorlage mit
sehr geringen Skianstellwinkeln realisiert wird.
Somit scheint es, dass eine frühe und kompakte Flugposition in der Übergangsphase als
vorteilhaft gegenüber der Sprungweite gilt, diese jedoch nicht maximal schnell durchgeführt
werden sollte, weil somit ein negativer Effekt auf die Körpervorlage und die damit
verbundenen Skianstellwinkel gegeben ist. Es gilt eine individuelle Optimierung dieser
Faktoren in der ersten Flugphase zu entwickeln und umzusetzen.
ARNDT et al. (1995) stellen in ihren Ergebnissen heraus, dass 17 Meter nach der
Absprungkante die Kombination von 5 Winkelpositionen des Systems Springer–Ski mit der
10
Sprunglänge des Springers signifikant korrelieren (r = 0,92). Darunter befindet sich der
Skianstellwinkel den die Autoren mit dem Winkel zwischen den Skiern und der x–Achse
(Horizontalen) berechnen. Die einzelnen Korrelationen werden in der Publikation nicht
beschrieben. VIRMAVIRTA et al. (2005) errechnen in ihrer Publikation eine Korrelation von
r = 0,585 bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit von p ≤ 0,01 für den Skianstellwinkel, bezogen
auf die Sprungweite. Die Autoren verstehen im Gegensatz zu ARNDT et al. (1995) den
Skianstellwinkel als Winkel zwischen den Skiern und der Flugbahn des Schwerpunktes.
SCHWAMEDER et al. (2004) können keine Korrelationen zwischen den Skianstellwinkel
und der Sprungweite feststellen. Die Ergebnisse von VIRMAVIRTA et al (2005) sind
deswegen so überraschend, weil ein größerer Skianstellwinkel höhere Sprungweiten bedingt.
Die Autoren führen das auf die geringe Luftdichte bei über 2000 Metern Höhe über dem
Meeresspiegel zurück. SCHMÖLZER et al. (2005) haben den gleichen Wettkampf analysiert
und gehen in ihren Ausführungen auf individuelle Flugstile und die geringe Luftdichte näher
ein.
1.2. Untersuchungen zur gesamten Flugphase
MAHNKE/MROSS (1995) untersuchen die Entwicklung der Flugtechnik zwischen den
Jahren 1991 und den Olympischen Spielen in Lillehammer 1994. Zwischen 1991 und 1993
werden die Daten beim Sommergrand Prix in Hinterzarten erhoben. Das Analyseverfahren
besteht jeweils in starr installierten Videokameras (50 Hz), die die Absprungphase (6,5 m vor-
und 1,5 m nach Absprungkante), Teile der Übergangsphase (6 m bis 20 m nach
Absprungkante) und 4 Bereiche der Flugphase (42 m–50m, 61 m–68 m, 78 m–85 m und 102
m–109 m nach der Absprungkante) erfassen. Aus dem Videomaterial können 2–dimensionale
Bildanalysen durchgeführt werden. Die Anstellwinkel des Unter-, Oberkörpers und der Ski
werden jeweils auf die Flugbahn des Schwerpunktes Springer/Ski berechnet. Die Umstellung
von Klassischer Technik auf die V–Technik wird 1992 von allen Skispringern übernommen.
In der Entwicklung der Flugtechnik können die Autoren zwischen 1991 und 1994 folgende
kinematische Merkmale erkennen:
• Das Erzielen kleinerer Anstellwinkel des Unterkörper im mittleren Flugabschnitt
in Verbindung mit gestreckteren Flughaltungen mit extremer Körpervorlage
(nahezu horizontaler Lage in der 2. Flughälfte)
• Das schnellere Erreichen der Flughaltungen mit kleineren
Unterkörperanstellwinkeln
11
• Das Erzielen größerer Skianstellwinkel, insbesondere in der 2. Flughälfte
• Gesamt gesehen kann man sagen, dass die Leistungsentwicklung in diesem
Zeitraum sich darin widerspiegelt, dass leichte Vergrößerungen der Sprungweite
mit einer drastischen Verringerung der Anfahrtsgeschwindigkeiten einhergehen
(siehe Abbildung 1.03)
Abbildung 1.03: Entwicklung der Sprungweite und Anfahrtsgeschwindigkeit zwischen1991 und 1995 (Mahnke / Mross; 1995)
Die in Abbildung 1.03 verdeutlichten Ergebnisse lassen erkennen, dass in diesem Zeitraum
die Skisprungtechnik deutlich verbessert und verfeinert wird. Die Autoren begründen den
Rückgang in der fiktiven Sprungweite aufgrund der beschlossenen Regelungen bezüglich der
12
Vorderskilänge, die nach den Olympischen Spielen in Lillehammer auf 57 % der Skilänge
festgelegt wurde. Die Analyse der Videodateien (Großschanze in Lillehammer) bei den
Olympischen Spielen ergeben folgende Konsequenzen:
• Nach dem Absprung wird sehr schnell eine Flughaltung mit extrem großer Vorlage
realisiert
• Dies bedeutet, dass extrem kleine Unterkörperanstellwinkel schon nach 15 m Flug
erreicht werden können. Diese befinden sich bei Weißflog, Bredesen und
Goldberger bei Werten um 40° und teilweise darunter.
• Im nachfolgenden Bereich werden Unterkörperwinkel von 35° und zum Teil auch
darunter erreicht. Dieser Abschnitt befindet sich zwischen 35 m und 40 m nach der
Absprungkante.
• Gegen Ende des Flugabschnitts werden die Unterkörperwinkel deutlich größer. Sie
befinden sich zwischen 40° und 45°. Dies lässt auf eine allmähliche Vorbereitung
auf die Landephase schließen.
• Die Oberkörperanstellwinkel liegen zwischen 32° und 37° mit der Tendenz der
Vergrößerung im Verlaufe des Fluges
• Die Skianstellwinkel liegen im mittleren Flugabschnitt zwischen 30° und 34° mit
der Tendenz der Vergrößerung im Verlauf des Fluges.
Für die Autoren ist die Tatsache überraschend, dass die sehr kleinen Unterkörperanstellwinkel
extrem schnell realisiert werden können und dies eine deutliche Differenz zu den erwarteten
Ergebnissen darstellt.
Jin et al. (1995) untersuchen die aerodynamischen Eigenschaften von 3 Flugtechniken a)
Klassische Technik b) V–Technik c) flache V–Technik. Die flache V–Technik wird im
Gegensatz zur V–Technik mit einem deutlich kleineren Unterkörper–Ski–Winkel (γ = 5°
anstatt 30°) definiert. Anhand von Windkanaluntersuchungen mit einem starren 2:5 Modell
werden die aerodynamischen Kräfte mit Angriffswinkeln von 25° bis 65° durchgeführt. Die
Simulation gilt der 2. stabilen Flugphase. Anhand der Messung der aerodynamischen Kräfte
können in einer Computersimulation die Flugkurven und somit auch die Weiten für die oben
genannten Technik–Variationen berechnet werden. Die höchste Weite erreicht die flache V–
Technik mit einer Weite von 110 Metern. Die V–Technik erzielt mit 108,5 Metern nur eine
geringfügig kürzere Weite. Aus den Ergebnissen zeigt sich die Überlegenheit der V–Technik
gegenüber der klassischen Technik, die in dieser Untersuchung auf eine Weite von 98 Metern
13
kommt. In weiterer Folge werden verschiedene Flugkombinationen berechnet. Aufgrund der
Windkanaluntersuchungen haben die Autoren Unterschiede in der ersten Flugphase feststellen
können. Die Klassische und die flache V–Technik weisen in der Übergangsphase deutliche
Vorteile gegenüber der V–Technik auf, weil die Widerstandswerte in diesem Bereich bei den
genannten Techniken deutlich geringer sind. Die Autoren bestätigen die Auffassung, dass
hohe Widerstandskräfte in der ersten Flugphase negative Auswirkungen (vgl. Denoth et al.
1987) auf die Sprungweite haben.
Abbildung 1.04: Berechnung der Sprungweite bei unterschiedlichen Flugtechniken und deren Wechsel innerhalb der Flugphase. (Jin et al.; 1995)
Jin et al. (1995) untersuchen auch verschiedene Kombinationen zwischen den Sprungstilen –
so genannte „style transition models“. Diese werden für die Techniken i) Klassisch > V
Technik, ii) flache V-Technik > V-Technik und iii) Klassisch > flache V-Technik berechnet.
14
Die Computersimulation konnte für die jeweiligen Techniken den optimalen Wechselpunkt
zwischen den Techniken errechnen. Die Autoren finden die Kombination zwischen
Klassischer und V–Technik mit einer Weite von 112,5 Meter am effektivsten. In der
Simulation kann für den Wechsel von flacher V–Technik zur herkömmlichen V–Technik die
gleiche Weite errechnet werden. Den Autoren ist zu jenem Zeitpunkt die Durchführung dieser
Technik mit den damaligen Vorraussetzungen auf dem Materialsektor nicht vorstellbar. In
Abbildung 1.04 sind die effektivsten „style transition models“ noch einmal im Vergleich mit
der V – Technik dargestellt.
Abbildung 1.05: Berechnung der Sprungweite der verschiedenen Flugtechniken bei unterschiedlichen Drehmomenten. (Jin et al.; 1995)
In einem weiteren Abschnitt der Untersuchung analysieren die Autoren den Einfluss des
Drehmoments, das während der Absprungphase realisiert wird. Grundsätzlich wird die
Bedeutung eines hohen Drehmoments als ein positiver Faktor bezüglich der Sprungweite
verdeutlicht. Da bei der V–Technik nach diesen Untersuchungen höhere Widerstandskräfte
wirken, ist ein entsprechend hohes Drehmoment nötig, um diese Kräfte möglichst gering zu
halten (vgl. Denoth et al. 1987). In Abbildung 1.05 werden die drei Grundtechniken bezogen
auf die Sprungweite noch einmal aufgelistet. Die Autoren beschreiben diese Abbildung
folgendermaßen:
„Although the distances for V style are longer than those for flat V style where initial angular velocity is less
than -17°/s, we would like to conclude that flat V style is superior to V style. According to Kobayakawa and
Kondo (1985), the angular velocity fort he vast majority of ski jumpers on the border between Phase I and II,
which was the initial position in our simulations, was -15°/s. Thus it is impossible for us to assume that ski
jumpers can rotate with initial angular velocities over -17°/s.“ (Jin et al.; 1995; S472)
15
Jin et al. stellen dabei heraus, dass die flache V – Technik und die klassische Technik bezogen
auf das Drehmoment wesentlich weniger sensibel hinsichtlich der Sprungweite sind als das
für die V–Technik anhand dieser Untersuchung erscheint. Die bevorzugte Bewegungstechnik
während der Flugphase erscheint den Autoren die flache V–Technik zu sein. Zum Zeitpunkt
dieser Veröffentlichung ist aber die Durchführung einer solchen Flugtechnik noch nicht
realisierbar und gilt somit als Anhaltspunkt für Trainer und Athleten.
Müller et al. (1996) untersuchen die Flugphase mit Hilfe von drei Techniken. Als Grundlage
der Daten dienen Windkanalmessungen von österreichischen Spitzenspringern in der
Bundesversuchs- und Forschungsanstalt ARSENAL (BVFA) in Wien. Dabei werden bei
verschiedenen Winkeleinstellungen und Windgeschwindigkeiten die Auftriebs- und
Widerstandswerte der jeweiligen Springer gemessen.
Bei den 13. Skiflugweltmeisterschaften in Planica 1994 wird eine Felduntersuchung von den
Autoren durchgeführt. Dabei wird mit Hilfe von starren Kameras die Flugpositionen bei den
Längspunkten vom Schanzentisch ausgehend l = 0, 6, 12, 67, 115, 133, 146 und 178 m
erfasst.
Die Daten der Windkanaluntersuchungen und der
Feldstudie werden in ein Computer-
Simulationsprogramm eingegeben und fehlende
Daten interpoliert. Aufgrund der Simulationsdaten
können weitere wichtige Parameter errechnet
werden.
Ein wesentlicher Bestandteil der Untersuchung ist
das Errechnen von Momenten während der
Flugsituation. In Abbildung 1.06 kann man die
Momente, verursacht vom Windwiderstand, in
Bezug zum Öffnungswinkel V und den
Skianstellwinkel α erkennen. Die Autoren beurteilen
dieses Diagramm folgendermaßen:
Abbildung 1.06: Drehmomente in Abhängigkeit des Skiöffnungswinkels, des Skianstellwinkels und des Windwiderstandes (Müller et al.; 1996)
„A limitation of front ski to total ski length relation L1/L reduces the high torque on the skis caused by the
airstream and thus improves the athlete`s control of the pitching moment. This has also an influence on the flight
16
style: The athlete cannot lean forward in an extreme way such as shown in Fig. 1(d) and has to perform the take-
off rotation more gently.“ (Müller et al., 1996, S 1065)
Nach den Ergebnissen der drei Untersuchungen bedeuten größere Drehmomente bei einem
erhöhten Verhältnis zwischen Vorderskilänge und Skilänge die Gefahr des Nach-Vorne-
Kippens des Athleten in der Flugphase. Einerseits kann dieses Kippmoment durch eine
geringere Vorderskilänge vermindert werden und andererseits sind entsprechend gefährliche
Körpervorlagen während der Flugphase nur mehr bedingt möglich. Die FIS hat aufgrund der
Untersuchungen der Autoren die Vorderskilänge auf 57 % der Skilänge reglementiert. Dieses
Limit hat sich bewährt und ist noch immer gültig.
Müller et al. (1996) machen weiters darauf aufmerksam, dass sich mit dem moderneren
Material die Flugkurven deutlich verändert haben und Sprünge über den K-Punkt leichter
möglich sind. Die leichten Athleten sind eher in der Lage weite Sprünge ohne großes
Verletzungsrisikos zu stehen. Bei den etwas schwereren Springern ist dies nicht mehr der Fall.
Deshalb sollen nach Meinung der Autoren auf Basis von Computer-Simulationen idealere
Aufsprungflächen geschaffen werden, die sich der Flugkurve des Springers anpassen und
somit die Landekräfte reduzieren.
„A Ski length regulation which also considers the body weight would provide a tool to increase fairness and to
prevent intentionally induced anorexia. Such a regulation is urgently necessary. The trajectories and velocities
obtained for different masses give the scientific explanation for the intentionally induced anorexia of many
athletes of today“ (Müller et al.; 1996; S 1067)
Müller et al. haben aufgrund ihrer wissenschaftlichen Untersuchungen schon zu Mitte der
90er Jahre erkannt, dass das Gewicht der Springer im Reglement verankert werden sollte, um
gesundheitlich bedenkliche Tendenzen im Skisprung zu verhindern. Diese Forderung wird
erst 2004 von der FIS realisiert.
Schmölzer und Müller (1996) veröffentlichen mittels einer Posterpräsentation beim 1. ICSS
Kongress in St. Anton ihre Untersuchungsergebnisse der Auftriebs und Widerstandswerte in
der Flugphase. Als Grundlage dienen die soeben besprochenen Untersuchungen von Müller et
al. (1996). Aufgrund der Ergebnisse wird ein Referenzsprung in der Computer-Simulation
erstellt. Bei diesem Ausgangssprung werdem im 1., 2. und 3. Flugabschnitt jeweils die
Auftriebswerte und die Widerstandswerte um 5% erhöht und in einem weiteren Schritt die
17
Sprungweite errechnet. In einem dritten Rechenschritt werden sowohl die Auftriebs- als auch
die Widerstandswerte um 5% erhöht. Eine Vergrößerung beider Kräfte wirkt sich im 3.
Drittel am günstigsten aus. Während im ersten Drittel die Sprungweite um 1.3 Meter
abnimmt, erhöht sich die Sprungweite im dritten Drittel um 5 Meter. Der größte
Weitengewinn ergibt sich bei einer Erhöhung der Auftriebswerte im zweiten (+7.8 m) und
dritten Drittel (+8.4 m) der Flugphase (siehe Abb 1.07).
Abbildung 1.07: Berechnung der Sprungweite in Abhängigkeit der Auftriebs und Widerstandskräfte (Schmölzer/Müller; 1996)
Mahnke/Mroß (1997) untersuchen mit Hilfe von fünf bis sieben (Klein- und Großschanze)
starren Kameras die wichtigsten Flugparameter bei den Nordischen Skiweltmeisterschaften
1997 in Trondheim. In der Betrachtung der Endergebnisse, bezogen auf die Platzierung,
stellen die Autoren fest, dass eine größere Leistungsdichte vorhanden ist und geringfügige
Unterschiede in der Anfahrtsgeschwindigkeit und in der Landung zu deutlichen
Verschiebungen in der Platzierung führen. (Manke / Mroß; 1997; S 48) Am deutlichsten
unterscheiden sich die Athleten durch die besseren aerodynamischen Flugqualitäten.
„Die Mittelwerte der Flugpunkte der Gruppe 1. – 3. Platz sind jeweils am höchsten, und der
Korrelationskoeffizient (Korrelation zwischen Wettkampfplazierung und erzielten Flugpunkten) für die Gruppe
1. – 10. Platz ist mit Werten zwischen R = -0.3 und -0.53 auf der K 90 relativ hoch. Das spiegelt sich bei den
Spezialspringern beim Vergleich der Technikparameter darin wider, dass die Leistungsgruppen 1. – 3. Platz
jeweils auch größere Annäherungen an das Technikleitbild erzielen als die Gruppen 1. – 10. Platz.“ (Manke /
Mroß; 1997; S 48)
Die deutlichen Unterschiede zum Technikleitbild, das von Mahnke/Mroß 1994 mit Hilfe von
Computer-Simulationen und den Untersuchungen (siehen Mahnke/Mroß; 1994) im Zeitraum
18
von 1991 bis 1994 beschrieben worden ist, zeigen sich in der Flugphase in folgenden
Parametern:
• Die Drehung in die Flugposition erfolgt langsamer als dies im Technikleitbild
beschrieben ist.
• In der mittleren Flugphase erreichen die Springer Skianstellwinkel von ca. 40°.
Gegenüber dem Technikleitbild befinden sich diese Werte an der oberen Grenze.
Die Autoren erkennen damit eine Tendenz zu höheren Skianstellwinkeln in
Verbindung mit größeren Unterkörperanstellwinkeln. (im mittleren Flugabschnitt
bei ca. 50°)
Abschließend erkennen die Autoren, dass es in der Saison 1996/1997 wieder eine Tendenz
zur Verringerung der Leistungsreserven gibt. Nach den Olympischen Spielen 1994 ist eine
gewisse Stagnation der komplexen Gesamtleistung erkennbar. Die Leistungsreserven liegen
unter anderem auch in einer verbesserten Flugposition im Landeanflug. Durch eine
Verbesserung der Körperspannung, Verringerung der Körperwinkel und Vergrößerung des
Skianstellwinkels könneim Aufsprungbereich Leistungsreserven minimiert und somit die
Komplexleistung gesteigert werden.
Jost et al. (1997) haben bei den Skiflugweltmeisterschaften 1994 in Planica mit Hilfe von drei
Videokamera–Paaren eine 3D-Kinematik erstellt. Die ersten zwei Kameras filmen die letzten
10 Meter der Absprung–Plattform. Die ersten 10 Meter der Flugphase werden von den
Kameras drei und vier aufgezeichnet. Die Kameras fünf und sechs nehmen die Daten
zwischen den Metern 75 und 85 auf. Ziel der Untersuchung ist es, leistungsbestimmende
Faktoren für die Weite herauszufiltern. Die Autoren analysieren 28 Athleten, die sie in drei
Gruppen einteilen. (überdurchschnittlich n=7; durchschnittlich n=14; unterdurchschnittlich
n=7) Die Weite der Probanden wird mit den ermittelten Parametern korreliert. Die Autoren
können folgende leistungsbestimmende Faktoren ermitteln (Jost et al.; 1997; S 43):
• Die Maximierung der Bewegungsresultierenden des Schwerpunktes (VTT;
r=0.38*)
• Die Maximierung der horizontalen Komponente der Bewegungsresultierenden des
Schwerpunktes während des gesamten Fluges und insbesondere im 1. Flugteil
(VTTX; r=0.36*
19
• Die Minimierung des Winkels zwischen dem Gesamtkörper (Knöchel/Schulter)
und der Horizontalen insbesondere in der Mitte des Fluges (ASAS; r=-0.57*)
• Die Minimierung des Winkels zwischen der Körperlängsachse und den Skiern in
allen Teilen der Flugphase (ALF; r=-0.39*)
• Die Minimierung des Winkels zwischen der horizontalen Komponente des
Körperschwerpunktes und der Flugbahn des Körperschwerpunktes in der Mitte des
Fluges. Dieser Parameter war sowohl im ersten als auch im zweiten Durchgang
signifikant. (ALE; r =-0.72*, -0.78*)
• Die Optimierung des Winkels zwischen Oberkörper und den Skiern in der
Absprungphase. Während der Flugphase sollte dieser Winkel reduziert werden.
(ALO; r=-0.47*,-0.53*)
Die Autoren sehen diese Parameter als hypothetische Tendenz und stellen fest, dass weitere
Untersuchungen zur Sicherung dieser Daten und Zusammenhänge nötig sind.
Sasaki et al. (2000) untersuchen ebenfalls Auftriebs- und Widerstandswerte während des
Sommer-Grand-Prix der Skispringer in Hakuba 1998 und des Weltcupspringens in Okura
1999. Die Autoren verwenden zwei verschiedene Methoden zur Datengewinnung. Einerseits
werden mit einer High-Speed-Kamera im Bereich von 70 bis 90 Metern in Hakuba und im
Bereich von 80 bis 100 Metern in Okura die 10 besten Skispringer gefilmt. Anhand der
kinematischen Daten können die Auftriebs- und Widerstandswerte gemessen werden.
Andererseits werden mit Hilfe von Windkanalmessungen und der mathematischen
Modellierung die gleichen Daten errechnet. Das Ziel dieser Arbeit ist es, die externen
Einflüsse auf den Skispringer in der Flugphase zu quantifizieren. Mit Hilfe des
mathematischen Modells können die gemessenen Daten überprüft werden.
Die Autoren stellen fest, dass Auftriebs- und Widerstandswerte für jeden Springer sehr
individuell zu sein scheinen und über den gesamten Flug hinweg nicht konstant sind. In der
Phase vor dem P-Punkt ist die höchste Geschwindigkeit gegeben, und somit erhöhen sich die
Widerstandswerte in diesem Bereich am meisten. Wenn man die gemessenen Widerstände
mit der Skilänge korreliert, so erhalten die Autoren signifikante Werte sowohl beim
Sommerwettkampf in Hakuba (r = 0,729*) als auch im Winter auf den Schanzenanlagen in
Okura (r = 0,782*).
20
Mahnke et al. (2002) versuchen, ähnlich wie in den vorangegangenen Artikeln eine Analyse
der Flugqualität durchzuführen. Als grundlegende Methode werden starre Kameras bei der
ersten Station der Vierschanzentournee in Oberstdorf zwischen den Jahren 1998 bis 2001
verwendet. Aus den Videodateien können 2D-Kinematiken gewonnen und somit die
wichtigsten Parameter (Skianstellwinkel, Unterkörperwinkel und Oberkörperwinkel)
gemessen werden. In den bereits besprochenen Beiträgen der Autoren wird eine Tendenz der
Vergrößerung des Skianstellwinkels und des Unterkörperwinkels, bezogen auf die Skier,
festgestellt. Die größere Bandbreite an Technikvariationen führen die Autoren auf die
festgelegten Regeländerungen der FIS (Fédération International du Ski) zurück. In den
aktuellen Untersuchungen kann ein entgegengesetzter Trend festgestellt werden. Anhand des
Leistungsvergleichs von Martin Schmidt kann man die Verringerung des
Gesamtkörperwinkels von ca. 41° (1998) auf ca. 38° (2001) erkennen. Ähnlich verringert
wird auch der Unterkörperwinkel von ca. 50° (1998) auf ca. 47° (2001). Diese Veränderung
der Flugposition ist nicht nur beim damaligen Spitzenspringer Schmidt, sondern auch bei
weiteren Weltklassespringern erkennbar. Die Autoren erkennen diese Technikmerkmale als
einen wesentlichen Parameter zur Beurteilung der Flugqualität und somit auch der komplexen
Gesamtleistung:
„Für die anderen deutschen Springer gibt es im Flugabschnitt, insbesondere in der 2. Flughälfte, noch große
Reserven. Hier konnten die seit langem vorhandenen Rückstände zur Weltspitze bezüglich einer großen
Körpervorlage nicht entscheidend verringert werden. Eine wesentliche Ursache hierfür liegt darin, dass auch der
Abstand zwischen Unterkörper und Ski nicht entscheidend verringert werden konnte.“ (Mahnke et al.; 2002;
S67)
Mahnke et al. (2002) versuchen zusätzlich anhand von Windkanaluntersuchungen und
Computersimulationen einerseits Grenzen der Technikentwicklung abzuschätzen und
andererseits die Effektivität von unterschiedlich praktizierten Flugpositionen zu beurteilen.
Bei der Berechnung der Sprungweite, bezogen auf den Gesamtkörper- und
Unterkörperwinkel, können eindeutige Ergebnisse festgestellt werden. Je kleiner der
Gesamtkörperwinkel ist, umso größer ist die Weite, die der Springer erzielen kann. Dies
bedeutet, dass sich große Körpervorlagen günstig auf die Flugqualitäten auswirken. Ähnlich
verhält sich dies beim Unterkörperwinkel. Je kleiner der Unterkörperwinkel ist, umso größer
ist die Weite, die der Springer erzielen kann. Diese Tendenz bedeutet für das System
Springer–Ski, dass eine gestreckte gegenüber einer gebeugten Körperhaltung zu bevorzugen
21
ist. Bei diesem Aspekt muss man in Betracht ziehen, dass mit großer Körpervorlage und mit
kleinen Unterschenkelwinkeln ein optimal großer Skianstellwinkel realisiert werden sollte.
Die Autoren sehen in diesem Aspekt ein Leistungspotential für weitere Flughaltungen,
insbesondere in der zweiten Flughälfte, und stellen fest, dass die Erschließung dieser
Reserven an die Entwicklung des Materialsektors gebunden ist. In diesem Bereich liegen aber
kaum Untersuchungsergebnisse vor.
Schmölzer und Müller (2002) untersuchen die aerodynamischen Kräfte bezüglich des
Gewichtes der Skispringer. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, unterteilen Sie ihre
Untersuchung in drei Abschnitte. Als Grundlage werden in der Saison 1999/2000 drei
Weltcupspringen analysiert. Mit Hilfe von Videoaufzeichnungen und den daraus
resultierenden 2D-Kinematiken können bei den Springen in Villach (K90), Innsbruck (K110)
und am Kulm (K185) die wichtigsten Flugwinkelparameter gemessen werden. Weiters
werden Windkanalmessungen in Wien und das Einspeichern der Daten in ein Computer-
Modell durchgeführt. Um eine Simulationsstudie durchführen zu können, bei der
unterschiedliche Kräfte und Gewichte simuliert werden, wird ein Referenzsprung aufgrund
der empirischen Daten und der weiteren Untersuchungen erstellt. Dieser Sprung ist
stellvertretend für den derzeitigen Stand der Flugqualitäten innerhalb der Weltspitze zu sehen.
Die Autoren beschäftigen sich in einem ersten Schritt mit dem Optimierungsproblem
zwischen Auftrieb und Widerstand.
„It is important to point out, that the ratio L/D had a maximum at a low angle of attack α = 30°, while the
maximum L value was found at a high angle of attack α = 40°. It is not only the ratio L/D that determines the
performance during the flight, it also is the absolute value of L, which should be low, that influence the
performance effectively. The difficult optimisation problem associated with this has to be solved by the athlete in
real time.” (Schmölzer und Müller; 2002; S1067)
Ähnlich wie bei der Poster-Präsentation zum 1. ICSS Kongress „Skiing & Science“ in St.
Anton von denselben Autoren hat die Erhöhung des Auftriebes, auch bei gleichzeitiger
Steigerung der Widerstandswerte, einen positiven Effekt auf die Flugqualität des
Skispringers.
Anhand des Referenzsprunges können auch weitere Parameter errechnet werden. In
(Abbildung 1.08) kann man die Flugbahnen mit unterschiedlich eingegebenen Gewichten des
Skispringers erkennen. Die Abbildung 1.08(c) unterscheidet sich von der Abbildung 1.08(a)
durch das Miteinrechnen von 3 m/s Wind von vorne. Die Weite erhöht sich für den
22
Abbildung 1.08: Flugbahnen bei unterschiedlichen Massen der Athleten (Schmölzer / Müller; 2002)
leichtesten Springer augenscheinlich. Die Autoren weisen darauf hin, dass ein geringes
Gewicht des Skispringers nicht nur eine höhere Weite gewährleistet, sondern es dem Springer
auch ermöglicht, aufgrund des günstigeren Balance-Punktes eine größere Körpervorlage zu
realisieren und somit eine größere Weite zu springen. Schmölzer und Müller (2002) kommen
aufgrund ihrer Untersuchungen zu folgendem Schluss:
„The computer simulation shows that the jump length markedly increases with decreasing weigth.
Anthropometrical studies indicate that some of the athletes and their coaches go beyond the limits of reason
(Müller, 2002). Regulations that recompense heavier athlete´s ballistic disadvantages are urgently needed.
Several possibilities such as ski length or jumping suit regulations, that also consider body weight will be
discussed in the near future and the data presented here will form a reliable basis for the improvement of
regulations.” (Schmölzer und Müller; 2002; S 1068)
Diese Untersuchungen haben unter anderem auch dazu geführt, dass ein paar Jahre danach
das Reglement im Skispringen geändert wurde und das Körpergewicht in Form des Body
Mass Index in die Berechnung der Skilänge für den Skispringer berücksichtigt wird.
23
Abbildung 1.09: Das Flugimitationsgerät BEG mit einem Probanden (Kreibich; 2003)
Eine der wenigen veröffentlichten Untersuchungen in Hinsicht auf die Einstellung des
Materials während der Flugphase stellt der Artikel von Kreibich (2003) dar. Auf der
Grundlage der Untersuchungen von Mahnke et al. (2002) versucht Kreibich (2003) ein
Flugimitationsgerät (wird BEG genannt) zu entwickeln und verschiedene Flugpositionen und
Materialeinstellungen zu validieren. Mit Hilfe des BEG kann der Springer mit seiner
gesamten Sprungausrüstung eine flugnahe Position einnehmen. Durch ein Lastensystem, das
am Vorderski mit einer Umlenkrolle befestigt ist, können mit unterschiedlichen Gewichten
die verschiedenen Kräfte auf den Vorderski simuliert werden. In Abbildung 1.09 kann man
das BEG mit einem Probanden in Sprungadjustierung erkennen. Der Autor bearbeitet in
seiner Untersuchung zwei wesentliche Fragestellungen:
1. Bei welchen Laststufen werden auf dem BEG die Differenzwinkel von
Schanzensprüngen erreicht, und welche praxisrelevanten Laststufen können zur
Simulierung von Groß- bzw. Kleinschanzen für das BEG abgeleitet werden?
2. Wie gestaltet sich der Einfluss verschiedener Bindungs- und Materialeinstellungen
sowie einer bewusst maximalen Körperspannung auf den Differenzwinkel bei
Untersuchungen mit dem BEG?
Zur Lösung der ersten Fragestellung wird in einem ersten Schritt der Differenzwinkel
zwischen Unterkörper und Ski bei Schanzensprüngen auf einer K 120 ermittelt. Aufgrund
dieser Ergebnisse simulieren die 26 Probanden aus dem deutschen Spitzen- und
Nachwuchsbereich (A-, B- und C-Kader) auf dem BEG ihre individuellen Flughaltungen und
es wird jenes Gewicht (in kp) ermittelt, das dem Differenzwinkel der Schanzensprünge
24
entspricht. Beim zweiten Schritt wird dieses Gewicht von den fünf besten Probanden gemittelt
und als Maß für alle Probanden hergenommen. In der Abbildung 1.10 erkennt man alle
Probanden mit dem Differenzwinkel sowohl auf der Großschanze als auch auf dem BEG bei
3,0 kp. Nach dem Technikleitbild sollte der Differenzwinkel ca. 15° ausmachen. Aufgrund
der Differenzwinkel bei den Schanzensprüngen und auf dem BEG teilt der Autor die
Probanden in drei Gruppen und analysiert diese folgendermaßen:
Abbildung 1.10: Differenzwinkel auf der Grossschanze und beim BEG im Vergleich (Kreibich; 2003)
- Die Probanden der Gruppe 1 erreichen ihre Differenzwinkelwerte der erfassten
Schanzensprünge mit ähnlichen Differenzwinkelwerten bei 3,0 kp auf dem
BEG. Sie erreichen aber weder bei Schanzensprüngen noch auf dem BEG bei
normaler Körperspannung einen zweckmäßigen Differenzwinkel zwischen
Unterkörper und Ski von <15°. Die sehr großen und damit unzweckmäßigen
Differenzwinkelwerte bei den erfassten Schanzensprüngen und auf dem BEG
lassen auf eine noch nicht optimal gelungene Materialeinstellung schließen.
- Die Ergebnisse der Probanden aus der Gruppe 2 zeigen, dass bezüglich der
Differenzwinkel zwischen Unterkörper und Ski von Schanzensprüngen ebenso
unzweckmäßig große Winkelwerte erzielt werden. Auf dem BEG erreichen
jedoch die Probanden der Gruppe 2 deutlich kleinere Differenzwinkelwerte
gegenüber ihren erfassten Werten von Schanzensprüngen. Die kleineren
Differenzwinkelwerte auf dem BEG zeigen die Reserven der Probanden der
Gruppe 2 im Flug auf. Bei den meisten Probanden wären bei der Ausnutzung
25
der individuellen Material- und Leistungsvoraussetzungen keine
Materialanpassungen notwendig.
- In der Gruppe 3 sind Smi, Rit, Her, MeM und Bad mit dem technisch besten
Niveau (Diff UK-SK <20°) aller untersuchten Probanden eingeordnet.
Kreibich (2003) kann mit Hilfe des BEG Leistungsreserven innerhalb der Flugphase durch die
unterschiedlichen Differenzwinkel erkennen. Das Messen dieses Winkels bei
Schanzensprüngen ist dabei als Vergleichswert nötig. In einem weiteren Schritt kann das BEG
auch für die Sensibilisierung von Flugpositionen im Vergleich zu den Schanzensprüngen
herangezogen werden. Erkannte Leistungsreserven können somit darauf geschult und
sensibilisiert und bei guter Bewegungsvorstellung bei Sprüngen auf der Schanze umgesetzt
werden.
In einem weiteren Schritt werden auf dem BEG mit ausgewählten Probanden zusätzliche
Untersuchungen durchgeführt. Ziel ist dabei, die Auswirkungen von unterschiedlichen
Körperspannungen, Bindungsband, Schuhschnürung und Schuhmaterial bezogen auf den
Differenzwinkel zwischen Unterkörper und Ski festzustellen.
Dieser Parameter wird mit normaler und mit maximaler Körperspannung bei mehreren
Laststufen gemessen. Dabei kann man erkennen, dass der Ski mit maximaler Körperspannung
deutlich stärker angestellt und somit der Differenzwinkel verringert wird als mit normaler
Körperspannung.
Bei der Variation der Bindungsbandeinstellung scheint nach den Untersuchungen von
Kreibich (2003) eine Verlängerung des Bindungsbandes um 1 cm als sinnvoll, weil somit der
Winkel zwischen Unterkörper und Ski um 4° - 8° verringert werden kann.
Die Variation bezogen auf die Schuhschnürung erfolgte sehr individuell. Eine negative
Auswirkung auf den Differenzwinkel erfolgt beim Binden der Schnürsenkel um den
Schuhkeil herum. Dies sollte möglichst vermieden werden.
Im Bereich des Schuhmaterials werden drei Probanden mit verschiedenen Schuhen und in
mehreren Laststufen erfasst. Aus dieser Untersuchung wird klar, dass neues und noch nicht so
gut eingesprungenes Schuhmaterial Nachteile gegenüber dem elastischeren gebrauchten
Material bezogen auf den Differenzwinkel hat. Dies bedeutet, dass neues Schuhmaterial erst
nach einer gewissen Eingewöhnungsphase einen nach dem deutschen Technikleitbild
optimalen Unterkörper – Skiwinkel zulässt.
26
Schmölzer/Müller (2005) untersuchen die unterschiedlichen Flugtechniken bei den
Olympischen Spielen 2002 in Salt Lake City auf der Großschanze. Die Autoren verwenden
Kameras bei 0, 2, 6, 17, 28, 38, 54, 60, 72, 87 und 97 Metern nach dem Schanzentisch auf
Höhe der Flugbahn. Dadurch können kinematische Daten in 2D-Form gewonnen werden.
Ergänzend zu den empirischen Untersuchungen wird eine Computer-Simulation der
Flugbahnen durchgeführt. Die speziellen Rahmenbedingungen in Park City führen im
Gegensatz zu den Flugtechniken auf anderen Schanzen zu einer Adaptation des
Skianstellwinkels α und des Körper–Ski–Winkel β. Die um ca. 20 % geringere Luftdichte von
1.0 kg/m³ gegenüber herkömmlichen Schanzenanlagen bewirkt einerseits eine höhere
Anfahrtsgeschwindigkeit, andererseits treten in der Flugphase wesentlich geringere
aerodynamische Kräfte auf, die die Flugqualitäten des Skispringer negativ beeinflussen.
Somit konnten Schmölzer/Müller auf der Großschanze größere α- und β-Winkel beobachten.
Diese Winkelpositionen des Skispringers resultieren aus den geringeren Absolutwerten der
Auftrieb- und Widerstandskräfte. In einem weiteren Schritt haben die Autoren den Einfluss
des Gewichtes auf die Flugtechnik beobachtet und stellen fest:
„Additionally to the effect of reduced mass according to the equations of motion, the light athlete can lean
forward in a more extreme way without loosing stability and this also increases jump length. The athlete AS
(Amman Simon) leans forward in a very pronounced way (he used the lowest α + β-angle) which is only
possible with very low body weight, particularly at the thin air conditions of Park City. A disadvantage during
the flight phase cannot at all be compensated by a higher in-run velocity v0 associated with increased BMI.“
(Schmölzer / Müller; 2005; S1065)
Uhlar/Janura (2006) stellen beim Kongress in Vuokatti (FIN) ihre Untersuchungen über die
optimalen Flugpositionen vor. Ihre Methodik stützte sich dabei auf die Wind–Kanal
Untersuchungen von Schmölzer/Müller (2002). Mit Hilfe des „Pontryagin´s maximum
principle“, das 1984 von Remizov zum Errechnen einer optimalen Flugposition verwendet
wird, können die entscheidenden Flugparameter Skiangriffswinkel α, Körper–Ski–Winkel β,
Hüftwinkel γ und der Skiöffnungswinkel V errechnet und optimiert werden. Die Autoren
kommen dabei zu den Ergebnissen, dass die Winkel α, β und γ minimiert, während der
Skiöffnungswinkel V vor allem in der zweiten Hälfte der Flugphase vergrößert werden sollte.
Diese Ergebnisse decken sich teilweise mit den Untersuchungen von Mahnke und Mroß.
Auch sie forcieren einen geringeren Skiangriffswinkel und eine größere Körpervorlage in der
Flugphase zu realisieren. Die Minimierung des Hüftwinkels konnten die Untersuchungen von
Mahnke und Mroß nicht bestätigen. Sie plädieren in ihren Untersuchungen für eine
27
Vergrößerung des Hüftwinkels, um eine größere Körpervorlage mit gestreckter
Körperposition realisieren zu können. Für diesen Aspekt bedarf es weiterer Untersuchungen
der Flugposition und ihrer Entwicklungen in der näheren Zukunft.
Zusammenfassung:
Seit der Einführung der V-Technik im Skispringen durch Jan Boklöv stellen das
Flugverhalten des Systems Springer-Ski und die angewendeten Techniken einen wesentlichen
Forschungsgegenstand im Skispringen dar. Mahnke/Mroß (1995) sehen die Flugqualität
neben der Anfahrtsgeschwindigkeit und der vertikalen Abfluggeschwindigkeit am
Schanzentisch als zentralen Parameter. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass dieser
Bewegungstechnik in den 90ern und nach der Jahrtausendwende große Beachtung geschenkt
wird. Die Weiterentwicklung in diesem Bereich ist sehr beachtlich und wird auch durch die
große Anzahl an Regeländerungen durch die FIS dokumentiert. Im Großen und Ganzen
umfassen die Änderungen folgende Faktoren:
- Verringerung der Vorderskilänge auf 57% der Gesamtskilänge
- Minimierung der Stoffdicke der Sprunganzüge auf 3 mm
- Enger anliegende Sprunganzüge (höchstens 6 cm Abstand)
- Limitierung der Schnittführung des Sprunganzuges
- Reglementierung der Skilänge bezogen auf den Body Mass Index (BMI)
Die Forschungstätigkeit unter wissenschaftlicher und nicht wissenschaftlicher Mithilfe ist in
dieser Zeit sehr groß. Man kann dabei nicht genau sagen, wie viel Wissen innerhalb der
Nationen geblieben ist und inwieweit neue Erkenntnisse in Bezug auf Flugtechniken und
insbesondere in Hinsicht auf die Materialforschung publiziert werden. Die meisten
Publikationen bezüglich der Flugphase werden von zwei Forschungsgruppen eingereicht.
Die Forschungsgruppe um Schmölzer und Müller beschäftigt sich seit der Entwicklung der
V–Technik mit den biomechanischen Faktoren dieser Flugtechnik. Ihre Untersuchungen
basieren auf drei verschiedenen Methodiken. Bei den Feldmessungen werden mit starren
Kameras Videoaufzeichnungen aufgenommen. Aus diesen können 2D Kinematiken errechnet
werden. Durch Windkanaluntersuchungen und Computersimulationen können weitere
Parameter bestimmt werden. Diese Forschungsgruppe arbeitet sehr stark mit der FIS
28
zusammen und im Mittelpunkt der Forschungen stehen auch die materiellen Entwicklungen.
Müller, Platzer und Schmölzer (1996) schließen aus ihren Untersuchungen, dass eine
Limitierung des Vorderskis auf 57% es dem Athleten nicht mehr so leicht ermöglicht,
extreme Flugpositionen zu realisieren. Es kann somit eine sicherere Körperposition in der
Luftfahrt durchgeführt werden. Nach der Jahrtausendwende widmen sich die Autoren
insbesondere der Bedeutung des Köpergewichtes bezüglich der Flugphase. Schmölzer/Müller
(2002) erkennen, dass sich die Sprungweite mit geringerem Gewicht erhöht. Dies ist nicht nur
auf das Gewicht zurückzuführen, sondern auch auf eine bessere Realisierung von geringen
Körper–Ski–Winkeln. Die Autoren erkennen auch, dass bei den Luftkräften nicht nur das
Verhältnis zwischen Auftrieb und Widerstand eine bedeutende Rolle spielt, sondern auch die
Absolutwerte einen Einfluss auf die aerodynamischen Flugqualitäten des Springers haben.
Schmölzer/Müller (1996) erhöhen in einer Computersimulation sowohl die Auftriebs- als
auch die Widerstandswerte um jeweils 5%. Wenn diese Vergrößerung im dritten Sprungdrittel
auftritt, führt das zu einer größeren Weite von fünf Metern.
Schmölzer und Müller fordern in ihren Publikationen 2002 und 2005 eine Regelveränderung,
in der das Körpergewicht in einer Form mit einbezogen wird. Dies wird auch 2004 von der
FIS durchgeführt und auf Basis dieser Untersuchungen festgelegt. Schmölzer und Müller
(2005) untersuchen während der Olympischen Spiele in Salt Lake City die Flugqualitäten der
Athleten unter den gegebenen Rahmenbedingungen von ca. 2100 Metern Seehöhe. Die
Autoren stellen fest, dass die Anfahrtsgeschwindigkeit deutlich höher liegt, als dies bei
normalen Großschanzen der Fall ist, aber durch die geringeren Auftrieb- und
Widerstandskräfte ein höherer Skianstell- und Körper–Ski–Winkel beobachtbar waren. Auch
in diesem Fall waren die leichteren Springer im Vorteil, weil bei der geringen Luftdichte (ca.
20% weniger als im Normalfall) diese Athleten deutlich kleinere Körper–Ski–Winkel
realisieren können.
29
Abbildung 1.11: Definition der verschiedenen Winkelposition bezogen auf die Flugbahn
Die Forschungsgruppe von Mahnke/Mroß beschäftigt sich insbesondere mit den wichtigen
Winkelparametern Skianstellwinkel, Unterkörperwinkel, Oberkörperwinkel und Körper–Ski–
Winkel. Wichtig ist dabei hinzuweisen, dass bis auf den Körper–Ski–Winkel alle Parameter
auf die Flugbahn des Gesamtschwerpunktes des Skispringers bezogen sind. (siehe Abbildung
1.11) Die Parameter sind aufgrund von 2D-Kinematiken gemessen worden, die durch seitliche
starre Kameras erfasst werden. Bezogen auf den Skianstellwinkel kann man die Entwicklung,
gemessen von verschiedenen Autoren beobachten. Die sehr unterschiedlichen Anstellwinkel
drücken einerseits eine immer bessere Weiterentwicklung der Flugqualitäten der Springer und
andererseits die Rahmenbedingungen in Form von Reglementänderungen und
Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel die Luftdichte bei den Olympischen Spielen in Salt
Lake City, aus. Den kleinsten Skianstellwinkel kann man bei der Untersuchung von
Mahnke/Mroß (2002) erkennen. Die Daten basieren auf Untersuchungen in der Saison
1999/2000 und 2000/2001. Die kleinen Winkelparameter können damit begründet werden,
dass in diesem Zeitabschnitt die Tendenz zu geringerem Gewicht immer mehr zugenommen
hat. Somit können größere Körpervorlagen und aerodynamischere Flugpositionen realisiert
werden. In Abbildung 1.11 kann man sehr gut erkennen, dass die Skianstellwinkel durch die
Untersuchung von Schmölzer/Müller (2005) deutlich höher geworden sind, obwohl die Daten
auf den Olympischen Spielen 2002 basieren und in diesem Zeitraum keine bedeutende
Regeländerung vorgenommen werden. Wenn man auf die Messungen vertrauen darf, so kann
man die deutliche Veränderung des Skianstellwinkels auf die 20% geringere Luftdichte für
die Technikänderung verantwortlich machen. Uhlar/Janura (2006) errechnen auf Basis der
30
Skianstellwinkel
20
25
30
35
40
45
1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008
[Jahr]
[Win
kel]
Mahnke / Mroß 19952 D Kinematik
Mahnke / Mroß 19972 D Kinematik
Mahnke / Mroß 20022 D Kinematik
Schmölzer / Müller 20052 D KinematikComputer Simulation
Uhlar / Janura 2006WindkanalComputer SimulationOPTIMIERTER WINKEL
Abbildung 1.12: Skianstellwinkel bei verschiedenen Untersuchungen und mit unterschiedlichen Messmethoden
Windkanaluntersuchungen von Schmölzer/Müller (2005) errechnen einen optimalen
Anstellwinkel, der nur leicht geringer ist als jener, der bei der Untersuchung bei den
Olympischen Spielen gemessen wird. Seit dieser Publikation liegen keine bekannten
Ergebnisse von Untersuchungen vor, die sich mit diesen Winkelparametern nach der
Einbindung des BMIs zur Berechnung der Skilänge beschäftigen.
Die Forschungsgruppe um Mahnke beschäftigt sich auch intensiv mit der Entwicklung des
Unterkörperwinkels. Ähnlich wie beim Skianstellwinkel ist dieser Technikparameter von den
Regeländerungungen beeinflusst. Mahnke/Mroß sehen in der Minimierung des
Unterkörperwinkels eine bessere aerodynamische Flugqualität des Systems Springer-Ski. Je
kleiner der Unterkörperwinkel ist, umso gefährlicher ist das Risiko, in der Flugphase zu
stürzen. Aus diesem Grund werden die oben genannten Reglementänderungen auf Basis von
wissenschaftlichen Untersuchungen von Schmölzer/Müller entwickelt und in den letzten 15
Jahren durch die Skisprungpraxis bestätigt. Herauszuheben ist eine Untersuchung von
Kreibich (2003), die sich mit dem Imitieren der Flugposition mit Hilfe eines Gerätaufbaues
beschäftigt. Als Grundlage für dieses Experiment werden die Ergebnisse von Mahnke/Mroß
in den 90er Jahren herangezogen. Es werden zwar Vergleiche mit den Winkelpositionen bei
Schanzensprüngen hergestellt, eine Reliabilitäts- und Validitätsanalyse für das Imitationsgerät
fehlt aber in dieser Veröffentlichung. Insofern sind die Ergebnisse von Kreibich (2003) unter
31
diesem Aspekt zu betrachten. Trotzdem ist der Versuch, die Flugphase mit Hilfe eines
Imitationsgerätes aufzuarbeiten und die Sensibilität der Springer damit weiter zu schulen ein
sehr wichtiger Schritt, die Flugqualität der Athleten zu verbessern.
1.3. Untersuchungen zur Landephase
Im Gegensatz zur Flugphase gibt es nur wenige Veröffentlichungen, die sich mit dem
Aufsprung beschäftigen. Innerhalb des Rahmentraininigsplanes des Deutschen Skiverbandes
wird die Aufsprungphase in zwei Phasen eingeteilt. Dies sind der Landeanflug und die
Landung mit Ausfahrt. Der Landeanflug ist demnach wie folgt charakterisiert (Wolf, 1997):
- Abspreizen der Arme zur Einleitung eines rückwärtsdrehenden Momentes
- Verringerung der Körpervorlage unter Beibehaltung eines großen Skianstellwinkels
im 1. Teil des Landeanfluges
- Geringes Beugen der Knie und Einnahme einer leichten Schrittstellung erst am Ende
des Landeanfluges
- Verringerung der V-Skistellung bis zur parallelen Skiführung
- Verringerung des Skianstellwinkels bis zur Annäherung an die Neigung des
Aufsprunghanges erst unmittelbar vor der Landung durch Strecken des Fußgelenkes
Der Aufsprung wird von dem gleichen Autor folgendermaßen charakterisiert (Wolf, 1997):
- Das Aufsetzen beider Füße erfolgt gleichzeitig
- Die Landung ist in einer mittleren Ausfallstellung (Fußabstand eine
Unterschenkellänge) weich abzufangen
- Der Abstand zwischen den Ski soll schmal sein, nicht größer als zwei Skibreiten
32
- Der Unterschenkelwinkel des vorderen Beines soll annähernd senkrecht zum Ski
stehen; der Unterschenkel des hinteren Beines ist parallel zum Ski
- Der Oberkörper ist aufgerichtet, nahezu senkrecht zum Aufsprunghang
- Die Arme sind in Seithalteposition
Diese Richtlinien gelten als grundsätzliche Knotenpunkte einer guten und sicheren Telemark-
Landung. Sie basieren auf Beobachtungen der Aufsprungtechnik, unterliegen aber keiner
wissenschaftlichen Analyse. Der Aufsprung wird in der Sportart Skispringen aus
wissenschaftlicher Sicht eher gering geschätzt. Die Bedeutung des Aufsprungs einerseits
durch die Benotung der Kampfrichter und andererseits durch das sichere Stehen von weiten
Sprüngen stellt aber einen wesentlichen Faktor in der Gesamtnote des Skispringens dar.
Seo et al. (2001) haben sich in ihrer Untersuchung mit den Auftriebs- und Widerstandskräften
nahe des Aufsprunghanges beschäftigt. Die grundsätzliche Frage ist dabei, ob sich die
Auftriebswerte gegenüber dem freien Flug kurz vor der Telemarklandung verändern. Die
Untersuchung wird mit einem Modell in einem Windkanal von drei Metern Durchmesser
Abbildung 1.13: Untersuchung der Auftriebs und Widerstandswerte im Windkanal mit Bodenplatte (Seo et al.; 2001)
durchgeführt. Wie in Abbildung 1.12 ersichtlich, kann der Aufsprunghügel im Windkanal
durch eine Bodenplatte imitiert werden. Bei dem Experiment werden der Widerstand, der
Auftrieb (Summe von L1 und L2) und das Drehmoment bestimmt. Die Autoren können
höhere Auftriebswerte mit Bodenplatte messen als dies ohne Bodenplatte der Fall war. Bei
33
den Widerstandswerten kann kein Unterschied festgestellt werden. Somit hat sich auch das
Verhältnis Auftrieb zu Widerstand in Aufsprungnähe positiv verändert. Nach der Meinung
der Autoren kann dies bei gutem Ausnützen der Flugposition in der V-Technik einen
Weitenvorteil bis zu drei Metern ausmachen. Sie vermuten dass dieser Effekt deutlicher wird,
je größer das V in Bodennähe ausgeübt wird. Bei der parallelen Skiführung können keine
nennenswerten Unterschiede zwischen den Werten im freien Flug und mit Bodenplatte
gemessen werden.
Hochmuth (1999) beschäftigt sich in seiner Veröffentlichung mit der Landetechnik des
Telemark aus biomechanischer Sichtweise. Einerseits wurden in Oberhof 1998 die
erforderlichen kinematischen Untersuchungen und in einem zweiten Schritt die elastischen
Eigenschaften der Sprungski unter Laborbedingungen erforscht. Hochmuth (1999) erkennt
aus der kinematischen Analyse des Aufsprungs fünf charakteristische Körperpositionen:
- Position A: 0,1 Sekunden vor der ersten Bodenberührung mit den Skienden;
- Position B: erste Bodenberührung mit den Skienden;
- Position C: nach ca. der Hälfte des Bremsvorganges, den die elastische
Durchbiegung der Skienden bewirken;
- Position D: Landezeitpunkt (sog. „Landebild“ bei der Videoweitenmessung nach
Art. 432.1 der IWO)
- Position E: 0,1 Sekunden nach dem Landezeitpunkt.
Abbildung 1.14: Biegewinkel des Sprungskis bei unterschiedlichen Belastungen (Hochmuth; 1999)
34
Hochmuth (1999) beschäftigt sich in seiner Veröffentlichung intensiv mit den Bremskräften
während der Aufsprungbewegung. Bei der Laboruntersuchung wird ein Sprungski mit einer
Last (Abbildung 1.13) auf jenen Durchbiegungswinkel gebracht, der der Belastung während
des Aufsprungvorganges des Sprungskis entspricht. Während der Aufsprungbewegung
können durch die im Labor ausgetesteten elastischen Widerstandskräfte die Aufsprungkräfte
deutlich verringert werden. Der Autor vermutet je nach Landewinkel und
Landegeschwindigkeit einen Geschwindigkeitsbetrag von 2,5 bis 4 m/s zwischen der
Fluggeschwindigkeit und nach Aufsetzen des Athleten am Aufsprunghang. Dies entspricht
einer Niedersprunghöhe von 30 bis 80 cm. Einerseits werden die Aufsprungkräfte durch die
elastische Widerstandskräfte des Sprungskis gebremst und andererseits muss die Muskelkraft
des Athleten die restliche Aufsprungkraft abfedern. Aus biomechanischer Sichtweise sollte
dies so geschehen, dass keine zu großen Winkelpositionen in den Gelenken erreicht werden,
da ansonsten große Drehmomente auftreten, die durch die Muskelkraft wiederum
ausgeglichen werden müssen. Durch die Erkenntnisse der Laboruntersuchung kann folgende
Schlussfolgerung gezogen werden. Wie in Abbildung 1.14 ersichtlich ist der Skianstellwinkel
bei der Landebewegung ein bedeutender Indikator, wie viel Kraft mit Hilfe der Sprungski
abgefedert werden kann. Je größer dieser Winkel ist, umso mehr kann der Ski durchgebogen
und umso mehr Kraft kann bei der Aufsprungbewegung resorbiert werden. In der Abbildung
1.14 kann man einen weiteren Parameter erkennen. Durch einen größeren Skianstellwinkel
erhöht sich der Bremsweg beträchtlich, und somit hat dies den weiteren Vorteil, dass die
auftretenden Kräfte über einen längeren Zeitraum absorbiert und der Aufsprung weicher
durchgeführt werden kann. Die Beobachtungen anhand der Kinematik lassen darauf
schließen, dass die Aufsprungbewegung in Form eines Telemarks bei der Landebewegung
von Vorteil ist, da sich der Bremsweg gegenüber dem parallelen Aufsprung verlängert.
35
Abbildung 1.15: Anstellwinkel und Bremsstrecken bei unterschiedlichen Landetechniken (Hochmuth; 1999)
Betrachtet man die notwendige Muskelkraft zum Bewältigen einer entsprechenden
Aufsprungbewegung wird dies vom Autor wie folgt eingeschätzt.:
„Ein solcher Verlauf der Muskelarbeit, wie er beim Abbremsen des Landestosses notwendig ist, kann nicht
bewusst gesteuert oder gar korrigiert werden. Es handelt sich hierbei um reflektorisch ablaufende Prozesse, die
durch Training erlernt und gefestigt wurden und demzufolge auch nur durch entsprechendes Training weiter
vervollkommnet werden können. Durch Training muss vor allem auch erreicht werden, dass die
Muskelanspannung zum richtigen Zeitpunkt als aktive Handlung einsetzt und nicht verspätet lediglich als
passive Reaktion auf die angreifenden physikalischen Kräfte des elastischen Landestosses infolge der
Skidurchbiegung erfolgt. Der Springer soll die Landung sozusagen aktiv annehmen und sollte den Landestoss
nicht passiv auf sich wirken lassen.“ (Hochmuth; 1999; S137)
Der Autor sieht dabei den idealen Zustand einer guten Aufsprungbewegung in der
Voraktivierung der wichtigsten Muskelgruppen der unteren Extremitäten, des Rumpfes und
der Arme. Anhand der Untersuchungen im Feld als auch in der Laborsituation kann folgende
qualitative Beschreibung des Aufsprunges abgeleitet werden:
36
Einleitphase:
- Aus einer stabilen optimalen Flughaltung (gestreckte Körperhaltung mit optimaler
Vorlage, stabile Haltung der seitlich angelegten Arme und in breit gespreizter V-
Form optimal angestellte Ski)
o den Kopf und Oberkörper aufrichten,
o die Arme seitlich nach vorn/oben führen und
o die Ski in die Parallelstellung zurückdrehen.
- Unmittelbar vor der Bodenberührung mit den Skienden
o eine leichte Schrittstellung einnehmen und
o in den Kniegelenken leicht einbeugen.
Bremsphase:
- Nach der Bodenberührung mit den Skienden das Abbremsen des Landeimpulses durch
die elastischen Widerstandskräfte der sich durchbiegenden Skihinterteile durch
Muskelkrafteinsatz aktiv unterstützen.
- Dabei gleichzeitig
o die Schrittstellung weiter vergrößern und mit dem hinteren Bein entsprechend
tiefer einbeugen (Telemark-Beinstellung) sowie
o bei schmaler Skiführung den Landedruck gleichmäßig auf beide Seiten
verteilen und
o zur Stabilisierung des Gleichgewichtes die Arme waagrecht nach vorn/seitlich
strecken.
Ausfahren:
- Nach dem Abbremsen des Landeimpulses in der Schritt- und Beugestellung
(Telemark-Beinstellung) kurze Zeit verbleiben und dabei den Oberkörper allmählich
aufrichten.
- Danach bei beliebiger Beinstellung und beliebiger Armhaltung, mit schmaler und
sauberer Skiführung sowie bei vollem Gleichgewicht standsicher bis über die
Sturzgrenze ausfahren.
Die Erkenntnisse von Hochmuth (1999) werden in die Internationalen Wettkampfordnung
(IWO) übernommen. Die veränderten Materialvoraussetzungen wie zum Beispiel das
wesentlich straffere Führen des Bandes am Hinterbacken der Skisprungbindung haben eine
Veränderung der IWO nötig gemacht. Die Forderung von Wolf (1997), dass der Abstand
37
zwischen dem vorderen und hinteren Bein bei der Telemarklandung eine Unterschenkellänge
ausmachen und dass der Unterschenkel des hinteren Beines parallel zum Sprungski geführt
werden sollte, werden schon zwei Jahre später von Hochmuth (1999) in Frage gestellt und in
der IWO auch dementsprechend geändert.
1.4. Problemstellung und Hypothesenformulierung
Die Ergebnisse von Hochmuth (1999) und Seo et al. (2001) bezogen auf Vorbereitungsphase
der Landung und der Aufsprungbewegung als solche können gegensätzlich interpretiert
werden. Hochmuth (1999) fordert in der Vorbereitung der Aufsprungphase einen großen
Skianstellwinkel, um die Aufsprungkräfte mit Hilfe der elastischen Widerstandskräfte der
Sprungski reduzieren zu können. Diese Vorbereitung verlangt vom System Springer-Ski, dass
das rückwärtsdrehende Drehmoment in der letzten Flugphase größer wird und das
vorwärtsdrehende Moment, das dem Springer von der Absprungbewegung mitgegeben wird,
aufhebt. Seo et al. (2001) kann in seinen Untersuchungen feststellen, dass bezüglich der
Auftriebs- und Widerstandswerte die gleiche Flugposition in Bodennähe Vergrößerungen des
Auftriebes gewährleisten. Bei größeren Abständen zum Aufsprunghang ist das nicht der Fall.
Die Widerstandswerte bleiben bei beiden Bedingungen gleich. Somit verändert sich auch das
Verhältnis Auftrieb zu Widerstand zugunsten des Skispringers. Seo et al. (2001) errechnen
einen Weitenvorteil bis zu drei Metern bei einer Beibehaltung der Flugposition in Bodennähe.
Um eine solche Flugposition auch gegen Ende des Sprunges beibehalten zu können, ist ein
entsprechendes vorwärtsdrehendes Moment nötig. Dies steht im Gegensatz zu der Forderung
Hochmuths (1999) nach einem größeren Skianstellwinkel zu Beginn der Landephase. Der
Skispringer muss sich demnach bei seinem Sprung entscheiden, ob er möglichst lange in
seiner Flugposition verharren sollte, um eine große Sprungweite zu erzielen oder ob er eine
aerodynamisch ungünstigere Position wählen sollte, aber durch eine sichere und ästhetische
Landung eine gute Benotung durch die Sprungrichter erhält.
Aufgrund der kinematischen Daten der Untersuchung von Hochmuth (1999) kann eine
qualitative Beschreibung des Telemark-Aufsprungs innerhalb seiner Veröffentlichung
durchgeführt werden. Der Autor teilt dabei die Aufsprungbewegung in drei Abschnitte ein
(Einleitephase; Bremsphase und Ausfahrphase). In der bekannten Literatur über die
Skisprungtechnik wird die Landephase wissenschaftlich kaum erforscht. Die folgende
38
empirische Arbeit soll die kommenden Fragestellungen und Forschungsdefizite näher
beleuchten:
- Die Beschreibung der Aufsprungtechnik anhand von quantitativen Daten. Die
bisherigen Untersuchungen basieren hauptsächlich auf kinematischen 2D
Untersuchungen. Die folgende Untersuchung basiert auf der Methode der
kinematischen 3D-Analyse, der Kraftableitung der Muskulatur durch
elektromyographische Ableitungen und der Erfassung von Kräften durch
Kraftmesssohlen innerhalb der Sprungschuhe.
- Die Erfassung der Aufsprunganalyse wurde bisher anhand von Trainingssprüngen
erfasst. Die kinematische 3D-Analyse basiert auf Daten, die bei dem olympischen
Wettkampf in Turin 2006 auf der Kleinschanze für die Spezialspringer bei Flutlicht
durchgeführt wurde.
- Anhand der Unterschiedsanalyse der kinematischen 3D-Daten zwischen den besten
und schlechtesten Skispringern während der Olympischen Spiele in Turin 2006 sollte
aufgezeigt werden, ob es Unterschiede in der Landetechnik bezogen auf das
Leistungsniveau der Skispringer gibt.
- Innerhalb der IWO ist beschrieben, welche technischen Bewegungsmerkmale in der
Flugphase und während der Aufsprungbewegung von den Kampfrichtern benotet
werden sollten. Im analytischen Teil sollte herausgefiltert werden, welche
Bewegungsparameter am höchsten mit der Kampfrichternote korrelieren und somit
innerhalb der Bewegungstechnik für die Kampfrichter am wichtigsten sind.
- Um herauszufinden, welche Bedeutung der Telemark-Aufsprung innerhalb der
Gesamtnote im Skispringen während des Wettkampfes hat, soll eine
Korrelationsanalyse zwischen Punktebewertungen und Weitenbewertung darüber
Aufschluss geben.
39
- Hochmuth (1999) schließt anhand seiner Analyse auf die Resorption der Bremskräfte
durch das muskuläre System. Die folgende Arbeit sollte Aufschluss über die inneren
Kräfte der Muskulatur vor und während der Aufsprungbewegung durch die
elektromyographische Ableitung geben.
- Mit der kinematischen 2D-Analyse konnten bisher nur Vermutungen über die
Aufsprungkräfte gegeben werden. Durch die Erfassung der Bodenreaktionskräfte
anhand der Kraftmesssohlen können Unterschiede von vorderen, hinteren, medialen
und lateralen Belastungen der Füße während der Aufsprungphase bestimmt werden.
• Hypothesenformulierung
Die Hypothesenformulierung basiert auf der 3D-kinematischen Untersuchung der
Olympischen Spiele in Turin 2006. In einem ersten Schritt wird hinterfragt, welche
Bedeutung die Kampfrichternote bezüglich der Gesamtnote hat. Die Kampfrichternote wird
auf Weltcupniveau zu einem hohen Anteil von der Telemarklandung bestimmt. In der
folgenden Hypotheses wird untersucht, inwieweit die Kampfrichternote und die Gesamtnote
miteinander korrelieren. Dies wird in der H1 zum Ausdruck gebracht:
H1: Es besteht ein Zusammenhang zwischen der Gesamtnote und der
Kampfrichternote eines Wettkampfsprunges im Skispringen
Aufgrund der kinematischen Analyse der Olympischen Spiele werden die Winkel- und
Abstandsparameter aller gemessenen Springer mit der im Wettkampf erzielten
Kampfrichternote korreliert. Die Variablen werden zum Zeitpunkt des Aufsprungpunktes
bestimmt. Verlaufsdaten finden in dieser Hypothese keine Berücksichtigung. Die folgende
Hypothese soll die Frage behandeln, welche Faktoren die Kampfrichternote am meisten
beeinflusst.
H2: Es besteht ein Zusammenhang zwischen den gemessenen Parametern
und der Kampfrichternote.
40
Bei den Olympischen Spielen werden die besten (Gruppe 1; Platz 1 – 10) und schlechtesten
(Gruppe 2; Platz 36 – 38) Springer des ersten Durchganges im Olympischen Wettbewerb auf
der Kleinschanze miteinander verglichen. Anhand der Taylorpolynomanalyse ist es möglich,
nicht nur zu gewissen Zeitpunkten die beiden Gruppen zu analysieren, sondern über die
gesamte Phase der Aufsprungbewegung unterschiedliche Bewegungsmuster zu identifizieren.
Diese Untersuchung wurde bei allen erhobenen Parametern durchgeführt. Die dazugehörige
Hypothese lautet folgendermaßen:
H3: Es besteht ein Unterschied zwischen der Gruppe 1 und der Gruppe 2 bei
den gemessenen Winkelparametern bezüglich des
Korrelationskoeffizienten der Taylorpolynomanalyse.
Die H3 bezieht sich auf eine Verlaufsanalyse zwischen den beiden definierten Gruppen. In der
H4 werden 5 verschiedene Zeitpunkte (t1=-0,76: t2=-0,56; t3=-0,36; t4=-0,16; t5=0,0) innerhalb
der Landephase überprüft. Dabei werden die Mittelwerte der beiden Gruppen miteinander
verglichen und auf signifikante Unterschiede analysiert. Die ausformulierte Hypothese lautet
somit folgendermaßen:
H4: Es besteht ein Unterschied zwischen der Gruppe 1 und der Gruppe 2
bezüglich der erhobenen Parameter zu den Zeitpunkten T1, T2, T3, T4
und T5
41
2. Kinematische Analyse der Landephase von Weltklasse Springern
2.1. Problem und Aufgabenstellung
Aufgrund der in Kapitel 1 dargestellten Forschungsdefizite wird in Kapitel 2. versucht,
einerseits eine kinematische Beschreibung der Landephase durchzuführen und andererseits
statistische Unterschiede zwischen den besten und schlechtesten Skispringern des ersten
Durchgangs bei den Olympischen Spielen in Turin aufzuzeigen. In den bisherigen
Untersuchungen bezogen auf die Aufsprungphase wurden keine Daten innerhalb einer
Wettkampfsituation beschrieben. Ziel dieser Untersuchung ist eine quantitative Beschreibung
des Telemark Aufsprungs in einer Wettkampfsituation zu analysieren und die erhobenen
Parameter mit der Kampfrichternote zu korrelieren. Weiters wird der Fragestellung
nachgegangen welche Konsequenzen sich aus dieser Untersuchung ableiten lassen.
Die erste Untersuchung wird am 12.02.2006 bei den Olympischen Spielen in Turin
durchgeführt. Ein Forschungsteam der Universität Salzburg hat die Erlaubnis, während des
olympischen Wettkampfes auf der Kleinschanze der Spezialspringer von zwei Positionen aus
Videoaufzeichnungen durchzuführen. Mit Hilfe der Videodaten ist es möglich, 3D
kinematische Analysen durchzuführen. Ziel dieser Untersuchung ist es, aufgrund von 3D
kinematischer Daten die Telemark-Technik zu beschreiben und etwaige Unterschiede in der
Telemark–Landetechnik herauszufiltern. Diese Untersuchung findet während des
Wettkampfes bei den Olympischen Spielen statt. Man kann also annehmen, dass alle Springer
versucht waren, eine möglichst gute und sichere Telemark–Landung durchzuführen. Dieser
Bewerb wurde ab 18.00 Abend bei Flutlicht durchgeführt.
42
2.2. Methodik
2.2.1. Stichproben (Versuchsgruppe, Kontrollgruppe)
Zur Auswertung wird der erste Durchgang des Olympischen Skisprungbewerbes auf der
Kleinschanze herangezogen. Dieser wird deshalb analysiert, weil die Bandbreite der Qualität
der Skispringer größer ist als dies beim zweiten Durchgang der Fall wäre, und etwaige
Unterschiede zwischen den besten und schlechtesten Springern besser zur Geltung kommen.
Für die Beschreibung des Telemark-Aufsprungs werden die besten 10 Springer des ersten
Durchganges herangezogen. Bei der Extremwertanalyse werden die 10 besten Springer den
Springern mit der Platzierung 36–48 gegenübergestellt und verglichen. Zu Beginn der
Datenaufnahme im ersten Durchgang konnten nicht alle Springer gefilmt und aufgezeichnet
werden. Deshalb sind die letzten 10 analysierten Springer auf den Plätzen 36 – 48 des ersten
Durchganges platziert. In der Tabelle 2.01 kann man Nationalität und die Platzierung
innerhalb des Bewerbs nachlesen.
Name Nation Platzierung Proband 1 Vassiliev Dimitry RUS Platz 1 Proband 2 Ahonen Janne FIN Platz 2 Proband 3 Morgenstern Thomas AUT Platz 3 Proband 4 Kuettel Andreas SUI Platz 4 Proband 5 Ljoekelsoey Roar NOR Platz 5 Proband 6 Hautamaeki Matti FIN Platz 6 Proband 7 Bystoel Lars NOR Platz 7 Proband 8 Malysz Adam POL Platz 8 Proband 9 Neumayer Michael GER Platz 9 Proband 10 Uhrmann Michael GER Platz 10 Proband 11 Morassi Andrea ITA Platz 36 Proband 12 Mazoch Jan CZE Platz 36 Proband 13 Amman Simon SUI Platz 38 Proband 14 Sedlak Borek CZE Platz 38 Proband 15 Alborn Alan USA Platz 40 Proband 16 Kranjec Robert SLO Platz 41 Proband 17 Read Stefan CAN Platz 42 Proband 18 Kim Hyun – Ki KOR Platz 43 Proband 19 Karaulov Ivan KAZ Platz 46 Proband 20 Landert Guido SUI Platz 48 Tabelle 2.01: Beschreibung der Probanden bei der Untersuchung
43
2.2.2. Testverfahren
Das Salzburger Forschungsteam, bestehend aus Prof. Dr. Schwameder, Mag. Kösters und
Mag. Wagner, hat im Vorfeld der Messung einige Vorarbeiten zu erledigen.
- In einem ersten Schritt wird der Aufsprunghang, die direkte Umgebung und der
Schanzenmittelpunkt mit einem Theodoliten vermessen. Dies ist nötig, um einen
Raum zu erstellen, in dem man in der Auswertephase die Springer einordnen kann.
Die markantesten Punkte des Raumes, die durch die Kameraeinstellungen im
Hintergrund sichtbar sind, werden mit diesem Verfahren vermessen. Die Punkte
werden in ein Koordinatensystem (siehe Abbildung 2.01) in drei Ebenen eingeordnet.
Der Ursprung befindet sich im Theodoliten. Neben den so genannten Passpunkten
(vermessene Punkte im Hintergrund) werden auch die Kamera–Positionen vermessen.
Von den zwei Kamera-Punkten werden bei der Datenaufnahme die Skispringer
gefilmt.
Abbildung 2.01: Ausrichtung des Koordinatensystems in allen Ebenen; Vermessung der Passpunkte durch den Theodoliten
- Vor der Datenaufnahme werden die beiden Kameras synchronisiert. Dies ist bei der
Datenaufbereichtung anhand eines Time–Codes sichtbar, der an der linken oberen
Ecke der Daten erkennbar ist. Anhand dieses Codes kann man die Zeitpunkte der
beiden Kameras identifizieren. Dies bildet die Basis für eine entsprechende
Digitalisierung mit dem Auswerteprogramm.
44
- Die endgültige Datenaufnahme wird durch zwei analoge Kameras (50 Hz)
durchgeführt. Durch das Schwenken, Neigen und Zoomen der Kameras ist es den
Testleitern möglich, den Skispringer in einer möglichst idealen Position während des
gesamten Fluges zu filmen.
Die Testdurchführung findet am Abend bei Flutlicht statt. Dies hat keinerlei Einfluss auf die
Qualität der Datenaufnahme. Nach Beendigung der Datenaufnahme können die Arbeiten im
Labor durchgeführt werden. Die Laborarbeiten werden in folgende Schritte eingeteilt:
- Einspielen der Kameraaufnahmen:
Das Einspielen der Kameraaufnahmen erfolgt durch das Programm Pinnacle Studio. Die
analogen Videodaten können dadurch in AVI–Files umgewandelt werden. Das
Auswerteprogramm SIMI–Motion kann nur die digitalisierten AVI–Files lesen und
einspielen. Durch die Umwandlung der Videodaten kann die gesamte Datenmenge reduziert
werden, da während der Datenaufnahme die Videokameras weiterlaufen. Beim Einspielen der
Kamera 2 treten Probleme auf. Wahrscheinlich wegen eines Problems in der Synchronisation
sind die Videodateien mit Querstreifen (Abbildung 2.02) versehen. Die Querstreifen bleiben
bei einem wiederholten Abspielen der Files nicht konstant auf der gleichen Stelle, sondern
wandern von oben nach unten. Es gibt immer wieder Passagen, in denen keine Streifen
vorhanden sind. Die Kunst bei der Digitalisierung der Kameraaufnahmen liegt darin, jene
Aufnahmen herauszufiltern, bei denen der gewünschte Flug- und Aufsprungabschnitt ohne
Abbildung 2.02: Querstriche innerhalb des Bildbereiches der Kamera Slave
45
Querstreifen einwandfrei zu identifizieren ist. Dies erfordert große Geduld seitens des
Auswerters, da bis zu 20 Versuche nötig sind, um ein einwandfreies AVI–File zu bekommen.
Letztendlich können alle im Vorhinein geplanten Sprünge in AVI-Files umgewandelt werden
und im Auswerteprogramm SIMI–Motion weiterverarbeitet werden.
- Ausrichten des Koordinatensystems:
Bei der Betrachtung der Koordinaten in x- und y- Richtung (Abbildung 2.03) kann man
festellen, dass die Passpunkte nicht genau in der Vertikalen ausgerichtet sind. Um einen
Fehler innerhalb dieser Passpunkte zu vermeiden, werden die aufgenommenen Datenpunkte
soweit korrigiert, dass die Koordinaten der Schanzenmittelpunkte in der Vertikalen
ausgerichtet werden. Dies ist deswegen möglich, weil bei der Datenaufnahme mit den
Theodoliten die in Abbildung 2.03 gekennzeichneten Schanzenmittelpunkte in der Vertikalen
liegen müssen. Die geänderten Datenpunkte sowohl von den Pass- als auch von den
Kamerapunkten können in ein anderes Format umgewandelt und in das Auswerteprogramm
eingespielt werden.
Abbildung 2.03: noch nicht ausgerichtete Koordinatenpunkte des Schanzenbereiches
46
- Reihenbilder:
Um im Auswerteprogramm die Passpunkte identifizieren zu können, ist es nötig, die
Passpunkte in Form von ausgedruckten Reihenbildern zu numerieren und innerhalb der Bilder
einzuzeichnen. Diese Reihenbilder erlangt man, wenn man von den Standbildaufnahmen der
Video–Files Screenshots erstellt, diese ausdruckt und aneinanderreiht. Die Reihenbilder
dienen als Grundlage für das Digitalisieren des Springers in den Videoaufnahmen. Darin
werden die Passpunkte eingezeichnet und mit dem Nummerncode versehen. Dieser Code
kennzeichnet die Passpunkte, sowohl bei den Reihenbildern als auch innerhalb des
Auswerteprogrammes.
- Kalibrierung:
Die Kalibrierung der beiden Kameras erfolgt über die Passpunkte und über das
Auswerteprogramm Simi–Motion. Bei jeder Kamera muss durch die Passpunkte ein
möglichst großer Raum erschlossen werden. In jedem Bereich des Bildes sollten mehrere
Passpunkte für eine gute Orientierung garantieren. Dieser Vorgang wird an verschiedenen
Stellen der Kameraführung durchgeführt. Die Überprüfung der Qualität der Bildpunkte erfolgt
über ein eigenes Tool des Auswerteprogramms. Die verwendete Kalibrierung beider Kameras
kann man in Tabelle 2.02 ablesen. Alle schwarzen Werte gelten als sehr gut.
Kamera Master Kamera Slave a15 1.56 71 0.81 a17 0.76 72 1.77 a20 0.79 73 0.73 a22 0.72 a11 0.68 38 2.98 a12 0.7 14 1.35 a13 1.89 15 1.78 a14 1.77
23 0.71
24 0.77 25 0.88 26 0.67
Mittelwert 1.42 Mittelwert 1.04 Standardabweichung 0.75 Standardabweichung 0.48
Tabelle 2.02: Qualität der Kalibrierung beider Kameras
47
- Digitalisieren:
Das Digitalisieren der Bilder erfolgt durch das Auswerteprogramm SIMI Motion. Im Vorfeld
werden, die aufgelisteten Digitalisierungspunkte des Skispringers festgelegt. In jedem Bild
müssen die Punkte des Springers angeklickt werden, sowie zumindest drei Passpunkte. Durch
das Anklicken der Passpunkte kann das Programm den Springer innerhalb des Raumes
einordnen. Die Passpunkte müssen beim gleichen Zeitpunkt (bestimmbar über den Time–
Code) bei beiden Kameras nicht übereinstimmen. Die Digitalisierungspunkte müssen zum
gleichen Zeitpunkt bei beiden Kameras vorhanden sein. Nur auf diese Weise ist das
Berechnen von 3D-Koordinaten möglich. Wenn weniger als drei Passpunkte innerhalb des
Bildes ersichtlich sind, muss man versuchen, durch errechnete Passpunkte, die in beiden
Kameraeinstellungen ersichtlich waren, auf die Gesamtzahl zu kommen. Dies war bei den 20
digitalisierten Athleten nur einmal der Fall. Beim Sprung von Vassiliev mussten die letzten
drei Bilder mit errechneten Passpunkten ergänzt werden, da keine Passpunkte mehr ersichtlich
sind.
Während der Flugphase wird jedes zweite Bild digitalisiert. Das Auswerteprogramm kann die
dazwischenliegenden Daten errechnen. Durch die Tatsache, dass während der Flugphase
keine dynamischen Bewegungen durchgeführt werden, sondern bis auf die
Ausgleichsbewegungen mancher Springer mit den Armen hauptsächlich statische
Muskelarbeit geleistet wird, ist das Errechnen dieser Daten zulässig. Zu Beginn der
Aufsprungphase wird wiederum jedes Bild digitalisiert, sodass in dieser Methode keine
Fehlerquelle liegt. Nach dem Digitalisieren der jeweiligen Video–Files werden die
errechneten Punkte des Athleten und die Passpunkte erneut kontrolliert und wenn nötig
korrigiert. Dies ist vor allem bei den Passpunkten des öfteren der Fall. Das Digitalisieren der
Daten beginnt im Juni 2006 und kann im Jänner 2007 abgeschlossen werden. Insgesamt
wurden die Sprünge des ersten Durchganges von 20 Athleten errechnet. Dies bedeutet, dass in
diesem Zeitraum ca. 100 000 Bildpunkte angeklickt werden.
48
- Filtern der Daten:
Das Filter der Daten erfolgt letztendlich über das Glättungsverfahren der Auswertesoftware
Simi Motion. Bei der Filterung der Daten werden verschiedene Varianten ausprobiert. Die
durchgeführte Glättung wird mit einer Butterworth Filterung über das Programm Ike – Master
verglichen. Dabei können nur sehr geringe Unterschiede in der Filterung festgestellt werden.
Sowohl bei der Filterung durch den Butterworth Filter als auch bei der Glättung der Daten
durch Simi Motion werden gegen Ende der Aufsprungbewegung eine hohe Fehlerkomponente
auf Grund der Filterung ersichtlich. In den Daten der Koordinaten ist das nicht so sehr
ersichtlich. Bei der Betrachtung der Winkelparameter können Abweichungen durch das
Filterungsverfahrung um bis zu 15° deutlich werden. Diese Art der Filterung ist in dieser
Form nicht tragbar. Aufgrund dieser Erkenntnis werden die letzten Bewegungssequenzen des
Aufsprunges (ca. 0,3 Sekunden vor dem Aufsprungpunkt) von allen untersuchten Probanden
noch einmal auf ihre Genauigkeit überprüft und nicht gefiltert. Der Bereich vor dieser
Zeitspanne wird durch das Auswerteprogramm Simi Motion geglättet.
2.2.3. Gütekriterien
Von den drei Hauptgütekriterien Objektivität, Validität und Reliabilität wird ausschließlich
das Gütekriterium der Reliabilität geprüft. Bei den Methoden zur Prüfung der Reliabilität wird
nach der Vorgehensweise von Schwameder (1994) Verfahren. Dieser teilt die
Reliabilitätsprüfung seiner Untersuchung in drei Bereiche ein.:
- Mehrfachdigitalisierung
- Passpunktbestimmung
- Segmentlängenbestimmung
Diese Methoden wird auch für diese Untersuchung zur Anwendung gebracht und in den
folgenden Kapiteln ausführlich behandelt.
49
2.2.3.1. Mehrfachdigitalisierung
Durch die Methode der Mehrfachdigitalisierung kann Aufschluss darüber gegeben werden,
wie genau der Testauswerter arbeitet. Der gleiche Springer wird dabei zweimal hintereinander
digitalisiert. Bei der Auswahl der Passpunkte und der digitalisierten Zeitspanne wird versucht,
möglichst gleiche und identische Punkte herzunehmen, um einen etwaigen Fehler von
unterschiedlichen Punkten ausschließen zu können. Der Fehler, der so festgestellt werden
kann, bezieht sich somit ausschließlich auf die Genauigkeit des Testauswerters bei der
Digitalisierung der Daten. Für diese Untersuchung werden die letzten 0,8 Sekunden der
Aufsprungbewegung bis zum Aufkommen beider Skier herangezogen. Innerhalb dieser
Zeitspanne wird die Vorbereitung und Durchführung des Telemark-Aufsprungs vom Springer
vorgenommen.
Für den Vergleich der digitalisierten Daten werden die 3D-Koordinaten x, y und z von jedem
der 19 Punkte innerhalb dieser Zeitspanne errechnet. Die jeweiligen Koordinaten von beiden
Auswertungen werden dabei gegenübergestellt und verglichen. Über den Zeitraum der
Aufsprungbewegung werden die einzelnen Koordinaten zuerst voneinander subtrahiert, um
die Differenz bilden zu können. Danach wird die Differenz quadriert und davon wiederum die
Wurzel gezogen. Diese Vorgangsweise hat den Vorteil, dass sowohl Veränderungen in
positive und negative Richtung gleichgerichtet werden und sich nicht gegenseitig aufheben.
Danach wird die absolute Differenz über den Zeitraum der 0,8 Sekunden gemittelt. Die
Darstellung der einzelnen Differenzen kann man in Tabelle 2.03 erkennen. Diese werden mit
Farben hinterlegt, um die Unterschiede deutlicher erkennbar zu machen. Die linke Seite des
digitalisierten Springers wird mit einem Fehler von 0,02 m in allen drei Koordinaten
digitalisiert. Eine Ausnahme sowohl auf der rechten als auch auf der linken Seite besteht bei
den Sprungskiern. Durch die Lichtverhältnisse am Abend (Flutlicht) kann man beim
Anklicken der Skispitzen und Skienden die genauen Punkte nicht gut erkennen. Daraus
resultiert der relativ hohe Digitalisierungsfehler bis zu 0,06 m. Vor allem während der
Aufsprungbewegung ist dies der Fall. In der Tabelle 2.03 wird deutlich, dass bei den
Körperpunkten Ellbogen und Handgelenk auf der rechten Seite die Differenzen höher als bei
den gleichen Punkten auf der linken Seite sind. Dies liegt daran, dass die rechte Seite bei der
Aufsprungbewegung durch die zweiten Kamera nicht deutlich erkennbar ist. Betrachtet man
die drei Koordinaten im Mittelwertsvergleich, so erkennt man einen niedrigeren Fehler in der
y- und z- Koordinate. Die x-Koordinate stellt den Verlauf der Punkte in Bewegungsrichtung
dar. Aufgrund dessen besteht in dieser Bewegungsrichtung der größte Fehler.
50
Koordinaten [m]
x y z Mittelwerte Kopf 0.02 0.02 0.02 0.02 Schulter links 0.03 0.02 0.02 0.02 Ellbogen links 0.02 0.02 0.02 0.02 Handgelenk links 0.02 0.02 0.02 0.02 Hüfte links 0.02 0.02 0.02 0.02 Kniegelenk links 0.03 0.02 0.02 0.02 Sehr gut Knöchel links 0.02 0.02 0.02 0.02 Gut Fussspitze links 0.02 0.02 0.02 0.02 Befriedigend Skispitze links 0.06 0.03 0.04 0.04 Skiende links 0.04 0.03 0.02 0.03 Schulter rechts 0.03 0.02 0.02 0.02 Ellbogen rechts 0.03 0.03 0.03 0.03 Handgelenk rechts 0.03 0.03 0.03 0.03 Hüfte rechts 0.02 0.02 0.02 0.02 Kniegelenk rechts 0.03 0.02 0.02 0.02 Knöchel rechts 0.02 0.02 0.02 0.02 Fussspitze rechts 0.02 0.02 0.02 0.02 Skispitze rechts 0.06 0.04 0.04 0.04 Skiende rechts 0.04 0.03 0.03 0.03 Mittelwerte 0.03 0.02 0.02
Tabelle 2.03: Differenzen der einzelnen Koordinaten bei der Mehrfachdigitalisierung
2.2.3.2. Passpunktbestimmung
Bei der Passpunktbestimmung handelt es sich um einen Vergleich zwischen den gemessenen
Punkten und den durch das Digitalisieren errechneten Punkten. Die gemessenen Passpunkte
werden durch den Theodoliten bestimmt, während die digitalisierten Punkte durch das
Auswerteprogramm SIMI MOTION errechnet werden. Um eine Passpunktbestimmung
durchführen zu können ist es notwendig, dass von beiden Kameras die zu bestimmenden
Punkte zum gleichen Zeitpunkt eingefangen werden. Dabei ist es von Vorteil, wenn diese
Punkte in der Mitte des Video Bildes sind und um diese Punkte mehrere Passpunkte diesen zu
bestimmenden Punkt einschließen. Beide Forderungen können bei dieser Überprüfung nicht
eingehalten werden. Aufgrund dieser Komponenten kann bei dieser Untersuchung eine
Passpunktbestimmung nicht durchgeführt werden.
2.2.3.3. Segmentlängenbestimmung
Durch die Segmentlängenbestimmung versucht man die Reliabilität der Daten, bezogen auf
ein gemessenes Maß, zu bestimmen. Im Normalfall wird vor der Untersuchung die
Segmentlänge zwischen zwei bestimmten Punkten (zum Beispiel Ellbogen und Handgelenk
rechts) gemessen. Durch die digitalisierten Koordinaten kann man auf die Segmentlänge
51
schließen. Als Grundlage dafür dient die Vektorenrechnung. Zuerst wird anhand der
Koordinaten des rechten Ellbogens (E) und Handgelenkes (H) der Verbindungsvektor duch
die Formel (1) berechnet:
→ EH = (ex − hx, ey − hy, ez − hz) (1)
Die Segmentlänge zwischen dem rechten Ellbogen und dem Handgelenk ist nun in
Vektorform beschrieben. Um nun auf die Länge des Untersarms (a) schließen zu
können, muss der Betrag des Vektors durch den Satz des Pythagoras errechnet werden.
Dies ist in Formel (2) ersichtlich:
→a
(2) |a | = (ax2 + ay2 + az2)1/2
Mit dieser Methode kann man anhand der digitalisierten Koordinaten auf die Segmentlänge
schließen. In diesem Beispiel wird die Länge [m] des rechten Unterarms errechnet. Da bei den
Olympischen Spielen eine genaue Abmessung von Körperteilen nicht möglich ist, ist ein
Vergleich von gemessenen und errechneten Segmentdaten nicht möglich. Eine Beurteilung
der Segmentdaten ist aber sehr wohl möglich, da bei einer korrekten Digitalisierung die
Segmentlänge über den errechneten Zeitraum gleich sein sollte. Wenn sehr große
Unterschiede bei diesen Daten auftreten, kann man davon ausgehen, dass ein gewisser Fehler
vorhanden ist. Das Problem besteht aber darin, dass man nicht darauf schließen kann, ob der
Unterschenkel links [m] Unterschenkel rechts [m] Arm links [m] Arm rechts [m]
Mittel-werte
Standard-abweichung
Mittel-werte
Standard-abweichung
Mittel-werte
Standard-abweichung
Mittel-werte
Standard-abweichung
Proband 1 0.46 0.03 0.45 0.02 0.31 0.02 0.33 0.04 Proband 3 0.47 0.04 0.46 0.03 0.30 0.05 0.34 0.03 Proband 5 0.54 0.05 0.54 0.04 0.28 0.02 0.29 0.02 Proband 7 0.54 0.03 0.52 0.03 0.33 0.02 0.31 0.02 Proband 9 0.47 0.03 0.46 0.03 0.31 0.02 0.35 0.03
Proband 11 0.48 0.02 0.43 0.03 0.30 0.01 0.33 0.03 Proband 13 0.50 0.04 0.48 0.02 0.29 0.01 0.32 0.01 Proband 15 0.50 0.02 0.49 0.02 0.31 0.02 0.35 0.01 Proband 17 0.50 0.04 0.46 0.02 0.30 0.01 0.30 0.02 Proband 19 0.48 0.04 0.47 0.04 0.30 0.01 0.31 0.01 Mittelwerte 0.49 0.03 0.48 0.03 0.30 0.02 0.32 0.02
Tabelle 2.03: Mittelwerte und Standardabweichungen bei der Segmentlängenstabilität bis zumAufsprungpunkt
52
Fehler durch eine schlechte Digitalisierung, Kalibrierung oder durch ein fehlerhaftes
Vermessen des Raumes entstanden ist. Für die Segmentlängenbestimmung wird die Hälfte der
Probanden stellvertretend herangezogen. Die Auswahl wird aufgrund der Ergebnisliste
getroffen. Jeder zweite Proband wird ausgewählt. Bei den untersuchten Athleten werden
jeweils der Unterschenkel und der Oberarm auf beiden Seiten errechnet. Der Mittelwert wird
über die letzten 0,8 Sekunden der digitalisierten Daten (Also der Aufsprungbewegung des
Telemarks) genommen. Die Ergebnisse sind in der Tabelle 2.04 dargestellt. Im Gegensatz zur
Reliabilitätsuntersuchung bezüglich der Mehrfachdigitalisierung sind keine Unterschiede
zwischen der rechten und linken Seite zu erkennen. Höhere Standardabweichungen treten
vermehrt beim Unterschenkel, sowohl auf der rechten als auch auf der linken Seite, auf. Bei
den errechneten Daten des Oberarms kann man leicht geringere Standardabweichungen
bezüglich der Beständigkeit der Segmentlänge über die Aufsprungbewegung hinweg
erkennen. Deutliche Unterschiede ergeben sich bei dem Vergleich zwischen den ersten
Springern und den letzten 10 Springern. Wenn man alle Standardabweichungen der ersten und
letzten 5 Athleten miteinander vergleicht, erhält man eine gemittelte Differenz von 0,01 m.
Dieser Unterschied lässt sich durch die schlechteren Video Daten der zweiten Kamera von
den ersten 10 Springern begründen.
Segmentlänge Proband 5 / Proband 13
0.2
0.25
0.3
0.35
0.4
0.45
0.5
0.55
0.6
0.65
0.7
-0.76
-0.72
-0.68
-0.64 -0.
6-0.
56-0.
52-0.
48-0.
44 -0.4
-0.36
-0.32
-0.28
-0.24 -0.
2-0.
16-0.
12-0.
08-0.
04 0
Zeit
Läng
e [m
]
Oberarm rechts Proband 13MittelwertStandardabweichung ObenStandardabweichung UntenUnterschenkel links Proband 5MittelwertStandardabweichung ObenStandardabweichung Unten
Abbildung 2.04: Segmentlängen von Proband 5 und Proband 13
53
Die Abbildung 2.04 soll den Unterschied zwischen den verschiedenen Standardabweichungen
verdeutlichen. Gegenübergestellt sind dabei der Längenverlauf des linken Unterschenkels von
Proband 5 und der Verlauf des rechten Oberarms von Proband 13. In der Standardabweichung
beträgt der Unterschied zwischen diesen beiden Verläufen 0,04 m. Betrachtet man aber die
Längenverläufe, so kann man einen deutlichen Unterschied zwischen den beiden Datensätzen
erkennen. In dieser Betrachtungsweise ist eine Differenz von 0,01 m zwischen den ersten und
letzten 10 Probanden durchaus bedeutend und ausschlaggebend.
Alle Videodaten werden gleich kalibriert. Der Digitalisierungsfehler wird in Kap 2.2.3.1.
beschrieben. Die Ursache dieser Unterschiede liegt in der schlechteren Aufbereichtung der
Videodaten. Besonders die Kamera 2 wird bei den bestplatzierten Probanden mit der
Zoomeinstellung sehr weit gestellt. Ein genaues Bestimmen der Körper- und Passpunkte ist
dabei nicht mehr möglich. Die relativ großen Standardabweichungen, die in Abbildung 2.04
deutlich sichtbar sind, lassen sich auf diese Komponente zurückführen.
2.2.4. Fehlerquellen
Die größten Einflussfaktoren sind bereits bei der Datenaufnahme und Auswertung
beschrieben. Dieses Kapitel dient dabei als Zusammenfassung möglicher Fehlerquellen, die
negative Auswirkungen auf die Untersuchungsergebnisse haben können.
Aufgrund des Synchronisationsproblems bei der Datenaufnahme können bei der Kamera 2
Querstreifen festgestellt werden. Eine Auswahl der Videodaten ohne Querstreifen ist nur
durch oftmaliges Wiederholen des Überspielprozesses der analogen in digitalen Daten
möglich. Dieser Vorgang wird bis zu fünfzehn Mal durchgeführt. Letzendlich kann das
Datenmaterial digitalisiert werden, ohne dass Querstreifen sichtbar sind.
Bei dieser Felduntersuchung liegt die Problematik vor, einen geeigneten Zoomfaktor für die
Datenaufnahme zu erreichen. Bei der Datenaufnahme der Kamera 1 sind die Körperpunkte
der Probanden deutlich erkennbar und genau lokalisierbar. Dabei tritt die Problematik auf,
dass der Zoomfaktor so hoch gewählt wird, dass kaum Passpunkte sichtbar sind. Bei Proband
1 können aufgrund der hohen Weite keine Passpunkte digitalisiert werden. Dieses Problem
wird dadurch gelöst, dass in diesem Bereich sichtbare und eindeutig erkennbare Stellen (Ast
im Aufsprunghang) als 3D-Koordinate digitalisiert werden. Bei der Digitalisierung der Daten
von Proband 1 werden diese Stellen als Passpunkte genommen. Diese Daten sind deshalb
54
fehlerbehaftet, weil sie errechnet werden und keine Kontrolle durch Messungen zugrunde
liegen.
Das Gegenteil ist bei der Kamera 2 der Fall. Insbesondere bei den besseren Probanden wird
während der Aufsprungbewegung sehr weit weg gezoomt. Das hat den Vorteil, dass sehr viele
Passpunkte erkennbar sind, aber auch den Nachteil, dass die Körper- und Passpunkte nicht
mehr genau bestimmbar sind. Bei den Körperpunkten ist somit ein gewisser
Digitalisierungsfehler deutlich erkennbar (siehe Abbildung 2.05).
Skilänge Proband 2
2
2.2
2.4
2.6
2.8
3
3.2
3.4
3.6
3.8
1 7 13 19 25 31 37 43 49 55 61 67 73 79 85 91 97 103
109
115
Zeit (Frequenz)
Läng
e [m
]
Ski linksSki rechts
Aufsprungbewegung
Abbildung 2.05: Fehler bei der Segmentlänge des Sprungskis
Der Wettkampf wird am Abend bei Flutlicht durchgeführt. Aufgrund der Lichtverhältnisse
kann der Skispitzenpunkt sowohl links als auch rechts nicht eindeutig festgestellt werden.
Dies ist vor allem im Bereich des Aufsprungs der Fall. In Abbildung 2.05 sind die
Segmentlängen beider Skier von Proband 2 über den gesamten Flug und der Aufsprungphase
dargestellt. Während der Aufsprungbewegung ist eine deutliche Verringerung der Skilänge
erkennbar. Diese Veränderung gründet sich auf die Beobachtungen von Hochmuth (1999), der
die Biegung der Skier während der Aufsprungbewegung als Bremsbewegung von der
Luftfahrt in die Aufsprungfahrt interpretiert. Aufgrund der Durchbiegung der Sprungski
verringert sich die Distanz zwischen Skispitze und Skiende deutlich. Im letzten Bereich der
Aufsprungphase vergrößert sich die Segmentlänge der Sprungski von ca. 2,70 m auf ca. 3,60
m. Dieser Fehler liegt, aufgrund der nicht eindeutig erkennbaren Punkte der Skispitzen,
sowohl in Kamera 1 als auch in Kamera 2 vor.
55
2.3. Ergebnisse
2.3.1. Beschreibung des Telemarks anhand der kinematischen Daten
2.3.1.1.Beschreibung des Telemarks anhand der Winkelverläufe
In diesem Kapitel wird der Telemark Aufsprung anhand der kinematischen Daten aus der
Untersuchung bei den Olympischen Spielen analysiert. Durch die Datenaufnahme in einer
Wettkampfsituation kann man davon ausgehen, dass der Aufsprung von den Probanden
möglichst genau und gut durchgeführt wird. Für die Winkelbeschreibungen des Telemark–
Aufsprungs werden die Winkelverläufe der ersten 10 Springer nach dem ersten Durchgang
herangezogen. Alle Springer landen in der Telemark–Technik. Bei der Analyse der Gelenke
wird zuerst in vorderes und hinteres Bein unterschieden. Das meint jeweils das vordere Bein
beim Telemark Aufsprung.
Winkel untere Extremität hinteres Bein
20
40
60
80
100
120
140
160
180
200
-0.76 -0.66 -0.56 -0.46 -0.36 -0.26 -0.16 -0.06
Zeit [s]
Win
kel [
°]
Sprunggelenk hinten
Stabw.
Stabw.
Kniegelenk hinten
Stabw.
Stabw.
Hüftgelenk hinten
Stabw.
Stabw.
Abbildung 2.06: Winkelverläufe und Standardabweichungen der unteren Extremität des hinteren Beines
In der ersten Abbildung 2.06 erkennt man die Winkelverläufe des Sprung-, des Knie und des
Hüftgelenkes. In den durchgehenden Linien sind die jeweiligen Mittelwerte und in den
strichlierten Linien die dazugehörigen Standardabweichungen dargestellt. Der letzte Punkt der
jeweiligen Winkeldarstellung bezeichnet den Aufsprungpunkt. In den letzten 8
Zehntelsekunden erkennt man die gesamte Vorbereitungsphase auf den Telemark Aufsprung.
Betrachtet man den Winkelverlauf des hinteren Sprunggelenkes, so kann man erkennen, dass
56
in der Vorbereitungsphase der Winkel sich bei 52° einpendelt. Ca. eine Zehntel Sekunde vor
dem Aufsprungpunkt erkennt man einen leichten Anstieg in dem Winkelbereich. Dieser
Anstieg erreicht seinen Höhepunkt bei ca. 67° im Mittelwert. Auffällig ist dabei, dass die
Standardabweichungen direkt vor der Aufsprungpunkt zwischen 10° und 15° betragen. Das ist
ein Hinweis darauf, dass die Winkelpositionen des hinteren Sprunggelenkes sehr individuell
zu sehen sind.
Bei der Betrachtung des Kniewinkel kann man beobachten, dass in der Vorbereitungsphase
der Kniewinkel relativ stabil ist. In diesem Bereich ist die Winkelposition im Mittelwert bei
ca. 175° und und die Standardabweichung bei ca. 4°. Bei ca. 0,5 Sekunden vor dem
Aufsprungpunkt verringert sich der Kniewinkel stetig bis auf 116° beim Aufsprungpunkt.
Diese Winkelverringerung geht ziemlich stabil voran. Kurz vor dem Aufsprungpunkt ist eine
deutlicheres Absenken des Winkel beobachtbar. Zu Beginn der Verringerung des Kniewinkels
sind die Standardabweichungen relativ hoch bei bis zu 15°. Das ist ein Hinweis darauf, dass
der Beginn der Vorbereitungsphase sehr individuell eingeleitet wird. Bis zum Aufsprungpunkt
verringert sich die Standardabweichung auf 12°.
Der Hüftwinkel des hintere Bein beträgt in der letzten Flugphase vor Beginn der
Vorbereitungsphase ca 160°. Die Verringerung dieses Winkels wird deutlich früher als beim
Kniewinkel eingeleitet. Ähnlich wie beim Kniewinkel tritt eine Verringerung dieses Winkel
ein. Die Knie und Hüftwinkel haben in der Darstellung einen sehr ähnlichen Verlauf. Erst ca
0,2 Sekunden vor dem Aufsprungpunkt nähern sie sich an und erreichen beim
Aufsprungpunkt beinahe die gleiche Winkelposition.
In der Abbildung 2.07 sind die Winkel der gleichen Gelenke wie in vorherigen Darstellung
nur vom vorderen Bein abgebildet. Im letzten Teil der Flugphase wird von den Springern ein
Sprunggelenkswinkel von ca. 56° realisiert. Dieser Winkel wird vor der Aufsprungphase noch
auf ca. 51° verringert. Ca. 0,2 Sekunden vor dem Aufsprungpunkt wird der vordere
Sprunggelenkswinkel immer stärker vergrössert, bis er bei einem Endpunkt von ca 91° im
Mittelwert den Aufsprungpunkt erreicht. Die Standardabweichungen liegen im Durchschnitt
etwas höher als beim hinteren Sprunggelenk. Wiederum treten ca. 0,5 Sekunden vor dem
Aufsprungpunkt die grössten Standardabweichungen auf. In dieser Phase treten somit die
höchsten individuellen Unterschiede auf.
57
Winkel untere Extremität vorderes Bein
20
40
60
80
100
120
140
160
180
200
-0.76 -0.66 -0.56 -0.46 -0.36 -0.26 -0.16 -0.06
Zeit [s]
Win
kel [
°]
Sprunggelenk vorneStabw.Stabw.Kniegelenk vorneStabw.Stabw.Hüftgelenk vorneStabw.Stabw.
Abbildung 2.07: Winkelverläufe und Standardabweichungen der unteren Extremität des vorderen Beines
Die Knie- und Hüftgelenkswinkel verlaufen wie beim hinteren Bein sehr lange parallel
zueinander. Der Kniegelenkswinkel hat in der letzten Flugphase eine Ausprägung von ca.
170°. Ca. 0,5 Sekunden vor dem Aufsprungpunkt verringert sich dieser Winkel stetig bis er
bei ca. 140° und -0,15 Sekunden auf den gleichen Niveau bleibt. Zum Aufsprung hin
verringert er sich deutlich bis auf 132°. In den letzten 0,15 Sekunden sind die
Standardabweichungen mit bis zu 14° relativ hoch. Das bedeutet dass in dieser Phase vor dem
Aufsprung der Kniewinkel sehr individuell unterschiedlich realisiert wird. Am Ende der
Kniebeugung sowohl beim vorderen als auch beim hinteren Bein wird noch einmal eine
deutliche Verringerung des Kniewinkels sichtbar. Das deutet auf die Vorbereitung der
Landung hin und sollte ein möglichst gutes Abfedern über die Oberschenkelmuskulatur
gewährleisten. Die Winkelpositionen beider Kniegelenke beim Aufsprung enden beim
hinteren Bein bei ca. 116° und beim vorderen Bein bei ca. 132°. Dies entspricht einer relativ
gestreckten Position in den Kniegelenken. In der IWO fordern die Kampfrichter eine deutlich
tiefere Beugestellung des hinteren Beines gegenüber dem Vorderen (IWO; 2004). Wenn man
die relativ hohen Standardabweichungen in dieser letzten Phase in Betracht zieht, kann diese
unterschidliche Beugestellung individuell sehr gering aber auch ausgeprägt sein. Betrachtet
man die Kniewinkelposition aus Sicht der Biomechanik, so können bei diesen Positionen sehr
hohe Muskelkräfte realisiert werden, und zwar höhere als bei Winkelpositionen unter 100°.
Die Hüftbeugung bleibt nur bis ca. 0,6 Sekunden vor dem Aufsprungpunkt bei ca 157° sehr
konstant. Ab den genannte Zeitpunkt verringert sich dieser Winkel beständig bis zum
58
Aufsprungpunkt bei ca. 104°. Die Einleitung der Hüftbeugung wird beim vorderen Bein leicht
früher als beim hinteren Bein durchgeführt. Sowohl beim vorderen als auch beim hinteren
Bein wird die Hüftbeugung sehr konstant und langsam durchgeführt. Das ist ein Hinweis auf
eine harmonische Überleitung von der Flugphase in die Vorbereitungphase der Landung.
Schultergelenke
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
-0.76 -0.66 -0.56 -0.46 -0.36 -0.26 -0.16 -0.06
Zeit [s]
Win
kel [
°]
Schulter linksStabw.Stabw.Schulter rechtsStabw.Stabw.
Abbildung 2.08: Winkelverläufe und Standardabweichungen beider Schultergelenke
Die Winkelpositionen der Arme wurden im Gegensatz zu den anderen Bezeichnungen in
rechts und links eingeteil. Das gründet auf die Annahme, dass die Bewegung der Arme bei
den Springern nicht auf die Beinbewegung zurückzuführen ist und somit die
unterschiedlichen Beintechniken keinen Einfluss auf das nach oben und vorne Führen der
Arme während der Aufsprungphase haben. In Abbildung 2.08 sind die Winkelpositionen des
linken und rechten Arms eingezeichnet. In der dargestellten Graphik erkennt man kaum
Unterschiede zwischen den rechten und linken Arm der Probanden. Bis ca. 0,4 Sekunden vor
dem Aufsprungpunkt bleiben die Arme im Mittewert bei einer Beugung von ca. 18° (rechter
Arm) und 21° (linker Arm). Ab diesem Zeitpunkt kommt es zu einer verstärkten Streckung in
beiden Armbereichen. Der zeitliche Winkelverlauf der beiden Arme ist dabei bis ca. 0,15
Sekunden vor dem Aufsprungpunkt sehr ähnlich. Ab diesem Zeitpunkt kommt es beim
rechten Arm zu einer stärkeren Streckung, währendessen der linke Arm bei ca. 65° bis zur
Endposition bleibt. Der rechte Schulterwinkel setzt seine Streckung weiter fort und endet bei
ca. 73°. Die sehr hohen Standardabweichungen, die beim linken Arm bis ca. 20° und beim
rechten Arm bis ca. 23° reichen, deuten auf eine hohe individuelle Durchführung der
Armstreckung hin.
59
In den folgenden Darstellungen werden die Skiwinkel zu der Horizontalen und der Verlauf
des Winkels Körper – Ski näher betrachtet. In der Abbildung 2.09 ist der Winkel zwischen
dem Sprungski und der Horizontalen vom vorderen und hinteren Bein eingezeichnet. Für den
Winkel zwischen diesen beiden Komponenten wurde die Verbindung zwischen Skispitze und
Skiende verwendet. Bei der Betrachtung der Winkelverläufe erkennt man einen sehr
ähnlichen Verlauf zwischen dem vorderen und hinteren Bein. Erst ca. 0,1 Sekunden vor dem
Aufsprungpunkt ergeben sich deutliche Unterschiede in den Mittelwerten. Die
Standardabweichungen sind bei beiden Winkelverläufen in der Vorbereitung zur
Aufsprungbewegung mit 2° (hinteres Bein) und 4° (vorderes Bein) sehr gering. Diese werden
aber im Verlauf der Aufsprungbewegung immer grösser und erreichen beim Zeitpunkt von –
0,16s vor dem Aufsprungpunkt eine Abweichung von ca. 7°. Bis zum Aufsprungpunkt wird
die Standardabweichung geringer und endet im Aufsprungpunkt bei ca. 2°. Die Unterschiede,
die zwischen dem vordern und hinteren Bein auftreten, müssen unter dem Gesichtspunkt der
hohen Stadardabweichung von 7° in diesem Bereich gesehen werden.
Winkel Sprungski - Horizontale
-35
-30
-25
-20
-15
-10
-5
0
5
10
-0.76 -0.66 -0.56 -0.46 -0.36 -0.26 -0.16 -0.06
Zeit [s]
Win
kel [
°]
Ski - Horizontale hinteres BeinStabw.Stabw.Ski - Horizontale vorderes BeinStabw.Stabw.
Abbildung 2.09: Winkelverläufe und Standardabweichungen beider Sprungski bezogen auf die Horizontale
In der nächsten Darstellung sind der Winkel zwischen der Körperlängsachse und dem Ski auf
beiden Seiten und der V–Winkel dargestellt. Die Körperlängsachse wird als die Verbindung
zwischen Knöchelpunkt und Schulterpunkt auf der jeweiligen Seite definiert. Der V – Winkel
der in der Literatur auch als Skiöffnungswinkel bezeichnet wird ist jener Winkel, den die
beiden Sprungskier einschließen. Der V–Winkel liegt bei ca. 0,8 Sekunden vor dem
Aufsprung bei ca. 30°. Dieser Winkel verringert sich bis zum Aufsprungpunkt stetig und
60
gleichmässig. Ein abruptes Schließen der V–Stellung kann dabei nicht beobachtet werden.
Die Durchführung der V Position im letzten Flugteil ist sehr individuell zu sehen. Die
Standardabweichung liegt in dieser Phase bei ca. 11° und verringert sich bis zum
Aufsprungpunkt auf 2°. Beim Aufsprungpunkt beträgt der Skiöffnungswinkel im
Durchschnitt nur mehr 3°.
V - Winkel Verbindung Ski - Körper
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
-0.76 -0.66 -0.56 -0.46 -0.36 -0.26 -0.16 -0.06
Zeit [s]
Win
kel [
°]
v - winkelStabw.Stabw.Ski - Körper hintenStabw.Stabw.Ski - Körper vorneStabw.Stabw.
Abbildung 2.10: Winkelverläufe und Standardabweichungen des V – Winkels und der Winkel zwischen Körperlängsachse und Ski
Bei der Betrachtung des Winkels zwischen der Körperlängsachse und des Sprungskis sind die
Winkelverläufe zwischen vorderen, und hinteren Bein sehr ähnlich. Bis ca. 0,3 Sekunden vor
dem Aufsprungpunkt sind die Mittelwerte und Standardabweichungen der beiden Winkeln
fast deckungsgleich. Ab dem Zeitpunkt bei ca. 0,3 Sekunden wird der Körper – Ski Winkel
des vorderen Beines deutlich grösser. Dieser Unterschied erhöht sich bis zum
Aufsprungpunkt. Es ist interessant zu beobachten, dass zum Aufsprungpunkt hin dieser
Winkel immer geringere Standardabweichungen mit ca. 6° bei beiden Beinen aufzuweisen
hat. Diese Bewegungsdurchführung scheint nicht so grossen individuellen Einflüssen zu
unterliegen wie das bei anderen besprochenen Winkelpositionen der Fall ist. Die letzte
Winkelposition des vorderen Beines beträgt im Durchschnitt ca 86°. Derselbe Winkel in der
Aufsprungposition bezogen auf das hintere Bein beträgt 67°. Der Unterschied beläuft sich
somit auf fast 20°. Es ist überraschend, dass der Winkel zwischen dem vorderen Bein geringer
als 90° ist. In Abbildung 2.11 kann man diesen Winkel bei einem Springer der 2.
Untersuchung im Juni 2007 erkennen. Auch wenn keine kinematischen Untersuchungen
61
gemacht werden, sieht man deutlich, dass dieser Winkel mehr als 90° ausmacht. Verringert
sich dieser Winkel unter die 90° Grenze so bedeutet das für den Aufsprungpunkt, dass
entweder der Sprunggelenkspunkt des vordern Beines in der Telemark Bewegung nach hinten
gezogen oder der Oberkörper in der gleichen Phase nach vorne gebracht wird. In der
vorliegenenden Untersuchung wird davon ausgegangen, dass dieser Winkel durch eine
verstärkte Hüftbeugung verursacht wird. Betrachtet man noch einmal die Winkeldaten des
vorderen Hüftgelenks, so kommt es kurz vor dem Aufsprung zu einer Beugung in der Hüfte.
Diese Bewegung ist beim vorderen Bein sehr deutlich zu sehen. Der gleiche Winkel des
hinteren Beines bleibt in dieser Phase in der gleichen Position. Eine verstärkte Hüftbeugung
ist dabei nicht zu erkennen. Somit erscheint die Winkelposition zwischen der
Körperlängsachse und des vorderen Sprungskies durch die Hüftbeugung bei der vorderen
Hüfte begründet zu sein.
Abbildung 2.11: Winkel zwischen Körperlängsachse und Ski
2.3.1.2. Beschreibung des Telemarks anhand der Abstandsdaten
Für die folgenden Wegbeschreibungen werden jeweils die Koordinaten für den Knöchelpunkt
auf beiden Seiten herangezogen. Im Blickpunkt des Interesses steht dabei der Abstand in der
Frontalebene und somit in der Y–Achse und der Abstand der Knöchelpunkte im Raum. Der
erste Abstand ist nötig um die Spurbreite und somit die Landebreite einschätzen zu können.
Bei der Analyse dieses Punktes werden nur die Y Koordinaten verwendet. Diese geben am
meisten Informationen über die Spurbreite in der Aufsprungphase. Der zweite Abstand soll
62
Informationen über die Länge des Telemarks geben. Eine einfache Berechnung über die
Sagittalebene und somit die X–Achse kann nicht durchgeführt werden, weil der Telemark–
Aufsprung in der Hangneigung realisiert wird. Somit spielt die Z–Achse für diese Berechnung
eine wichtige Rolle. Letztenlich werden die X und Z Koordinaten verwendet.
In der Abbildung 2.12 sind beide erwähnten Abstände aufgezeichnet. Beim Längenabstand
erkennt man deutlich, dass dieser Abstand sehr lange in der Aufsprungphase beibehalten wird.
Abstände der Knöchelpunkte
0
0.1
0.2
0.3
0.4
0.5
0.6
0.7
-0.76 -0.66 -0.56 -0.46 -0.36 -0.26 -0.16 -0.06
Zeit [S]
Met
er [m
]
Abstand x - z EbeneStabw.Stabw.Abstand in Y - RichtungStabw.Stabw.
Abbildung 2.12: Abstände der Knöchelpunkte
Erst bei ca. 0,2 Sekunden vor dem Aufsprungpunkt werden die Knöchelpunkte
auseinandergebracht und erreichen beim Aufsprungpunkt im Durchschnitt ca. 40 cm. Zu
jenem Zeitpunkt, zu dem die Abstandsänderung durchgeführt wird, kann man sehr hohe
Standardabweichungen erkennen. Das ist wiederum ein Indiz für einen individuellen Beginn
der Schrittvergrösserung.
Im Gegensatz dazu ist der Abstand der Knöchel in der Y–Achse zu Beginn sehr hoch. In dem
aufgeführten Bereich scheint die Verringerung der Spurbreite schon früher zu beginnen, da
eine Stabilität dieses Abstandes nicht erkennbar ist. Das V wird somit schon in der
Vorbereitung auf die Landephase ständig verkleinert. Diese Verringerung des Abstandes wird
sehr konstant bis ca. 0,1 Sekunden vor dem Aufsprungpunkt vollzogen. Zu diesem Zeitpunkt
erreicht der Abstand bei ca. 20 cm seinen niedrigsten Punkt und steigt bis auf ca. 25 cm am
Aufsprungpunkt. Die Standardabweichungen bei diesem Abstand sind in Vorbereitung auf die
63
Landephase mit ca. 10 cm relativ hoch. Das ist durch die unterschiedlichen Flugstile der
Probanden erklärbar. In der IWO heist es zur Beurteilung des Telemarks folgendermassen:
„Voll augeprägte Telemark – Beinstellung am Ende der Bremsphase, d.h., mittlere Schrittstellung (Abstand von
der Ferse des Vorderschuhese bis zur Spitze des Hinterschuhes annähernd eine Schuhlänge, zumindest die Spitze
des Hinterrschuhes noch hinter der Ferse des Vorderschuhes) und deutlich tiefere Beugestellung des hinteren
Beins. Schmale und saubere Skiführung (Abstand zwischen den Ski nicht größer als zwei Skibreiten sowie
parallel geführt und vollflächig aufgestzt.)“ (IWO; S62)
Die Forderung der IWO für die Durchführung des Telemarks kann durch die Ergebnisse
bestätigt werden. Bei der Annahme, dass der Sprungschuh ca. 33 cm lang ist, entspricht der
Abstand zwischen den beiden Knöcheln in der X–Z Ebene mit 40 cm im Durchschnitt den
verlangten Vorgaben. Betrachtet man die Standardabweichungen so kann man erkennen, dass
der untere Verlauf der Standardabweichung nicht den geforderten Normen mit einen Abstand
von ca. 30 cm entspricht. Insgesamt kann man annehmen, dass der Großteil der Springer den
Forderungen der IWO hinsichtlich des Abstands zwischen den beiden Beinen gerecht wird.
Bei der Betrachtung der Spurbreite im Aufsprungpunkt werden die Forderungen der IWO im
Mittelwert sehr genau erfüllt. Nimmt man an, dass eine Skibreite ca. 11 cm beträgt und die
Knöchelpunkte nicht an der Innenseite sondern in der Skimitte digitalisiert werden,
entsprechen sowohl der Mittelwert von 25 cm Abstand und die obere Standardabweichung
mit 31 cm den Forderungen der IWO. Die Springer haben dabei eine Gratwanderung zu
vollziehen, einerseits einen nicht zu kleinen Winkel auszuführen, da ansonsten die Stabilität
des Telemarks schwerer zu gewährleisten ist, und andererseits die Spurbreite nicht zu groß
durchzuführen.
64
2.3.2. Statistische Auswertung
2.3.2.1. Bedeutung des Telemarks
Der Telemark Aufsprung ist ein wesentlicher Teil in der komplexen Situation des
Skispringens. Neben der Beurteilung der Weite mit Hilfe der Video–Weitenmessung ist die
Beurteilung des Fluges und des Aufsprungs durch den Kampfrichter eines von zwei
entscheidenden Parametern. Der Punktwert wird durch fünf Kamprichter, die die Flug- und
Aufsprungphase zu beurteilen haben, errechnet. Pro Richter können jeweils bis zu 20 Punkten
vergeben werden. Die beste und schlechteste Wertung wird herausgenommen. Der maximale
Punktewert, der erreicht werden kann, beläuft sich somit auf 60 Punkte. In der Saison
2005/2006 werden die wichtigsten Wettkämpfe auf die Verteilung zwischen Weiten– und
Kampfrichternoten und die Veränderung der Platzierung in Abhängigkeit der
Kampfrichternoten untersucht. Die dafür erforderlichen Daten werden aus den offiziellen
Ergebnislisten der FIS genommen. Für diese Basisuntersuchung werden alle Bewerbe der
Vierschanzentournee und den Kleinschanzenbewerb der Olympischen Spiele in Turin
herangezogen.
In Tabelle 2.04 kann man die prozentuelle Bedeutung der Kampfrichterwertung gegenüber
der Weitennote erkennen. Die Unterteilung wird auch in Abhängigkeit der Platzierungen
durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen eine immer höher werdende Bedeutung des Telemarks,
je geringer die Weite des Springers wird. Bei den Platzierungen von Rang 1. bis Rang 10.
erkennt man sehr konstante Werte auf allen verschiedenen Schanzen. Insgesamt kann man
daraus ableiten, dass die Kampfrichternote gegenüber der Weitennote zwischen 43% und 50%
je nach erzielter Weite ausmacht.
Oberstdorf Garmisch Innsbruck Bischofshofen Pragelato
1. – 10. 43,6 % 44,7 % 43,9 % 42,2 % 43,1 %
11. – 20. 45,9 % 47,1 % 44,8 % 44,2 % 44,8 %
21. – 30. 48,9 % 49,9 % 47,6 % 46,7 % 46,9 %
Tabelle 2.04: Prozentuelle Bedeutung der Kamprichterwertung gegenüber der Weitennote
65
In der statistischen Untersuchung wird zuerst die Hypothese H1 untersucht.
H1: Es besteht ein Zusammenhang zwischen der Gesamtnote und der
Kampfrichternote eines Wettkampfes im Skispringen
Für die Basisdaten zur Überprüfung dieser Hypothese werden die erwähnten Datensätze der
wichtigsten Wettkämpfe in der Saison 2005/2006 verwendet. Dabei werden von jedem
Wettkampfsprung die Kampfrichter- und Gesamtnoten der ersten 30 Springer hergenommen.
Für diese Zusammenhangshypothese wird der Spearman Korrelationkoeffizient verwendet.
Die Gesamtnote ist definiert als die Summe von Weitennote und Kampfrichternote. In diesem
Fall wird der Spearman Korrelationkoeffizient verwendet, da die zugrunde liegenden
Kampfrichterdaten als Ordnialdaten eingestuft werden. Im Kampfrichterwesen gibt es zwar
einen Normenkatalog, nachdem die möglichen Fehler in der Flug- und Landephase aufgezählt
sind, die Intervalle zwischen den
vergebenen Punkten können aber nicht
mit Sicherheit als gleichwertig bestimmt
werden. Somit können die Daten nicht
als intervallskalierte Daten interpretiert
werden.
Betrachtet man die in Tabelle 2.05
aufgelisteten Ergebnisse, so kann man
erkennen, dass die Kampfrichternote und
die Gesamtnote bei jedem analysierten
Wettbewerb einen sehr hohen
Korrelationskoeffizienten ergeben
(>0,81) und dieser jeweils als hoch
signifikant eingestuft wird. Das
Bestimmtheitsmaß gibt weiters darüber
Auskunft, dass die Gesamtleistung zu
über 65% von der Kampfrichternote abhängig ist. Aufgrund dieser Ergebnisse kann die H1
bestätigt werden. Betrachtet man noch einmal die Tabelle 2.05 so fällt auf, dass bei der vier
Schanzen Tournee in der Saison 2005/2006 die Kampfrichternote einen Einfluss von ca. 65%
auf die Gesamtnote hat. Nur bei der 3. Station in Innsbruck liegt das Bestimmtheitsmaß
deutlich darüber. Aufgrund von nicht näher bestimmbaren Faktoren liegt bei diesem
DurchführungsortKorrelations-
koeffizient
Bestimmt-
heismaß
Oberstdorf 0.811** 65.8%
Garmisch 0.815** 66.4%
Innsbruck 0.909** 82.6%
Bischofshofen 0.815** 66.4%
Pragelatto HS
106 0.859** 73.8%
Tabelle 2.05: Signifikante Unterschiede zwischen der Weitennote und der Gesamtnote
66
Wettkampf der statistische Zusammenhang zwischen Kampfrichternote und Gesamtnote
deutlich höher. Dieser Wettkampf kann somit als statistischer Ausreisser interpretiert werden.
Betrachtet man die weiteren Daten, so kann man davon ausgehen, dass im Durchschnitt auf
Kleinschanzen die Benotung durch die Kampfrichter bedeutender ist, als auf Großschanzen.
Das kann man anhand des Bestimmtheitsmaß bei den Olympischen Spielen in Pragelatto mit
74% erkennen.
2.3.2.2. Einflussfaktoren auf die Kampfrichterbewertung
Die Hypothese 2 bezieht sich auf den Zusammenhang zwischen den gemessenen Parametern
bei der Untesuchung 1 und der Kampfrichternote. Die dafür notwendige Hypothese lautet
folgendermassen:
H2: Es besteht ein Zusammenhang zwischen den gemessenen Parametern
und der Kampfrichternote.
Parameter Abkürzung Parameter Abkürzung
Weitennote WEITE Schultergelenk rechts SCHU_RE
Kamprichternote KNOTE Schultergelenk links SCHU_LI
Sprunggelenk vorderes Bein SPL_VO Öffnungswinkel zwischen beiden
Skiern V_WIN
Sprunggelenk hinteres Bein SPL_HI Winkel zwischen Ski und Körper
beim vorderen Bein S_K_VO
Kniegelenk vorderes Bein KN_VO Winkel zwischen Ski und Körper
beim hinteren Bein S_K_HI
Kniegelenk hinteres Bein KN_HI Winkel zwischen Ski und der
Horizontalen beim vorderen Bein S_HO_VO
Hüftgelenk vorderes Bein HÜ_VO Winkel zwischen Ski und der
Horizontalen beim hinteren Bein S_HO_HI
Hüftgelenk hinteres Bein HÜ_HI Abstand zwischen den
Knöchelpunkten in der Frontalebene AB_FRO
Abstand zwischen den
Knöchelpunkten in der X – Z Ebene AB_X_Z
Tabelle 2.06: Beschreibung der Abkürzungen
67
Für die Überprüfung dieser Hypothese werden alle gemessenen Winkel- und
Abstandparameter mit der Kampfrichternote korreliert. Die Daten werden dabei von den in
Tabelle 2.06 aufgelisteten Springern verwendet. Bei den Winkel- und Abstandsdaten wird
jener Wert herangezogen, der zum Zeitpunkt des Aufsprungpunktes ermittelt wird. Zusätzlich
zu den gemessenen Parametern wird die Kampfrichternote und die Weitennote zu den Daten
hinzugefügt. Für die Untersuchung der Zusammenhangshypothese wird der
Korrelationskoeffizient nach Spearman verwendet. Dieser ist nötig, da aus den schon
beschriebenen Gründen die Kampfrichternoten als ordinalskalierte Daten einzuordnen sind.
Die Abkürzungen und Beschreibung der berechneten Parameter kann man in Tabelle 2.06
erkennen.
Korrelation zwischen der KNOTE und folgenden Parametern:
Parameter Korrelationskoeffizient Signifikanzniveau Bestimmtheitsmaß [%]
WEIT 0,745** 0,000 55,50 % SPL_HI -0,562** 0,010 31,60 %
SCHU_RE 0,611** 0,004 37,30 % SCHU_LI 0,499* 0,025 24,90 % S_HO_VO 0,584** 0,007 34,10 % S_HO_HI 0,614** 0,004 37,70 %
Tabelle 2.07: Korrelationen zwischen der Kampfrichternote und den Parametern
Das Ergebnis der statistischen Korrelationsuntersuchung kann man in Tabelle 2.07
erkennen.Anhand der Ergebnisse kann man erkennen, dass ein Parameter signifikant und
weitere fünf Variablen hoch signifikant mit der KNOTE korrelieren. Überraschender Weise
scheint den größten Einfluss auf die Kampfrichter nicht die technischen Merkmale eines
Skisprungs zu haben, sondern die erzielte Sprungweite. Mit einem Korrelationskoeffizienten
von 0,745** ist dieser Wert hoch signifikant. Betrachtet man das Bestimmtheitsmaß, so kann
man erkennen, dass zu 55,5% die Kampfrichternote von der Weite abhängig ist. Dies ist umso
erstaunlicher, da in der Internationalen Wettkampfordnung, die für die Kriterien der
Kampfrichterbewertung verantwortlich ist, die Sprungweite nicht als Kriterium erwähnt wird.
Betrachtet man das Scatterdiagramm in Abbildung 2.13 wird deutlich, warum eine hohe
Korrelation sichtbar ist. Da für die Untersuchung nur die besten und schlechtesten Springer
des ersten Durchganges verwendet werden, besteht eine Lücke in der X–Achse zwischen 53
und 56 Punkten und in der Y–Achse zwischen 94 und 100 Metern. Würde man die Plätze
zwischen den genannten Probanden ausfüllen, würde zwar immer noch eine signifikante
68
Korrelation hervorgehen, diese würde aber geringer ausfallen als das hier der Fall ist. Bei
allen weiteren Variablen zeigt sich die beschriebene Lücke nur in den Kampfrichterpunkten.
Das bedeutet, dass die Korrelationen stärker zu Geltung kommen, wenn die Abstände der
Platzierungen weiter auseinander liegt. Die Regressionsgerade im Scatterdiagramm
bezeichnet die durchschnittliche Richtung, die die Punktwolke aufgrund ihrer Darstellung
vorgibt.
Korrelation Sprungweit - Kampfrichternote
88
90
92
94
96
98
100
102
104
106
47 49 51 53 55 57 59
Kampfrichternote [Pkt.]
Spru
ngw
eite
[m]
Abbildung 2.13: Scatterdiagramm Korrelation zwischen Sprungweite und Kampfrichternote
Die Variablen SPL_HI und SCHU_RE weisen ebenfalls eine hoch signifikannte Korrelation
mit der KNOTE auf. Beide Variablen erklären jeweils zu 31,6% und 37,3% die KNOTE.
Diese beiden Variablen scheinen eine maßgebliche Bedeutung hinsichtlich der Telemark
Benotung zu haben. Dieses Ergebnis erscheint plausibel, da je kleiner die Variable SPL_HI
ist, umso deutlicher wird die Telemarkposition sichtbar. Die Analyse der Parameter
SCHU_RE und SCHU_LI (signifikant mit 0,025) entspricht den Anforderungen des
Telemark–Aufsprungs, der in der Internationalen Wettkampfordnung beschrieben ist. Die
Variablen S_HO_HI und S_HO_VO weisen ebenfalls eine hoch signifikante Korrelation mit
der KNOTE auf. Mit einem Bestimmtheitsmaß von 34,1% und 37,7% erklären sie in etwa zu
einem Drittel die Beurteilung des Telemark–Aufsprungs. Diese beiden Variablen scheinen im
direkten Zusammenhang mit der WEITE zu sein. Der Korrelationskoeffizient zwischen diesen
Variablen ergeben 0,634** und 0,666** und sind hoch signifikant. Der Einfluss dieser beiden
Winkelparameter auf die Kamprichternote scheint somit indirekt über die Weite gegeben zu
sein. Betrachtet man die Abbildung 2.14, so erkennt man, dass diese Variable als negativer
69
Winkel dargestellt ist. Je näher sich der Parameter der Horizontalen annähert, umso weiter im
Verbindungsradius zwischen Aufsprunghang und Auslauf kommt der Proband auf. Das ist die
Erklärung für die hohe Korrelation zwischen der Weite und den besprochenen
Winkelparametern.
Korrelation Kampfrichternote - Ski horizontale hinten
-36
-35
-34
-33
-32
-31
-30
-29
-2846 48 50 52 54 56 58 60
Kampfrichterpunkte [Pkt.]
Win
kel s
ki h
or h
inte
n [°
]
Abbildung 2.14: Scatterdiagramm Korrelation zwischen Kampfrichternote und dem Winkel zwischen Ski und
der Horizontalen des hinteren Beines
Für die in Tabelle 2.07 aufgelisteten Variablen kann somit die Hypothese 2 angenommen
werden. Für alle anderen Parameter muss die Hypothese verworfen werden.
2.3.2.3. Unterschiede zwischen den ersten 10 platzierten und den Plätzen 36 – 48
Für diese Untersuchung werden die Probanden in zwei Gruppen eingeteilt. Die erste Gruppe
umfasst die Probanden 1 bis 10 und die 2. Gruppe beinhaltet die Probanden 11 bis 21. In der
Tabelle 2.01 sind die jeweiligen Platzierungen der Probanden aufgelistet. Für die
Unterschiedsuntersuchung zwischen den beiden Gruppen wurden zwei Methoden verwendet.
Diese sind die:
- Taylorpolynomanalyse
- Statistische Unterschiede aufgrund des T–Tests
70
2.3.2.4. Taylorpolynomanalyse
Die Taylorpolynomanalyse ist ein statistisches Mittel zum Erstellen eines
Korrelationskoeffizienten. Gegenüber anderen Methoden hat man hier den Vorteil, dass
Verlaufsdaten miteinander verglichen werden. Bei einem normalen T-Test, so wie sie im
folgenden Kapitel beschrieben wird, wählt man gewisse Zeitpunkte aus, und versucht anhand
der Daten dieser Zeitpunkte eine Unterschiedsuntersuchung durchzuführen. Bei der
Taylorpolynomanalyse hat man die Möglichkeit Verlaufsdaten über einen bestimmten
Zeitraum miteinander zu vergleichen. Für diese Methode braucht man ein Referenz–File auf
dem der Korrelationskoeffizient gemessen wird. Die 9 Taylorpolynome, die in Abbildung
2.15 dargestellt sind, werden zwischen dem Referenz–File und dem zu bestimmenden
Datensatz verglichen. Das Ergebnis wird in Form eines Korrelationskoeffizienten
ausgedrückt, der den statistischen Zusammenhang der individuellen Aufsprungsform mit dem
Referenz–File zum Ausdruck bringt. Diese Methode hat den Vorteil, dass man auf die
Qualität einer Bewegungsform statistisch schließen kann, indem der Verlauf eines Merkmals
und nicht der Zeitpunkt analysiert wird. Durch dieses Mittel ist es auch möglich, verschiedene
Arten von Bewegungstechniken miteinander zu vergleichen. Mit Hilfe des Programmes
T0
- 0 . 2 5
- 0 . 15
- 0 . 0 5
0 . 0 5
0 . 15
0 . 2 5
-1.0 -0.8 -0.6 -0.4 -0.2 0.0
T1
- 0 . 2 5
- 0 . 1 5
- 0 . 0 5
0 . 0 5
0 . 1 5
0 . 2 5
-1.0 -0.8 -0.6 -0.4 -0.2 0.0
T2
- 0 . 2 5
- 0 . 1 5
- 0 . 0 5
0 . 0 5
0 . 1 5
0 . 2 5
-1.0 -0.8 -0.6 -0.4 -0.2 0.0
T3
- 0 . 2 5
- 0 . 1 5
- 0 . 0 5
0 . 0 5
0 . 1 5
0 . 2 5
-1.0 -0.8 -0.6 -0.4 -0.2 0.0
T4
- 0 . 2 5
- 0 . 1 5
- 0 . 0 5
0 . 0 5
0 . 1 5
0 . 2 5
-1.0 -0.8 -0.6 -0.4 -0.2 0.0
T5
- 0 . 2 5
- 0 . 1 5
- 0 . 0 5
0 . 0 5
0 . 1 5
0 . 2 5
-1.0 -0.8 -0.6 -0.4 -0.2 0.0
T7
- 0 . 2 5
- 0 . 1 5
- 0 . 0 5
0 . 0 5
0 . 1 5
0 . 2 5
-1.0 -0.8 -0.6 -0.4 -0.2 0.0
T8
- 0 . 2 5
- 0 . 1 5
- 0 . 0 5
0 . 0 5
0 . 1 5
0 . 2 5
-1.0 -0.8 -0.6 -0.4 -0.2 0.0
T9
- 0 . 2 5
- 0 . 1 5
- 0 . 0 5
0 . 0 5
0 . 1 5
0 . 2 5
-1.0 -0.8 -0.6 -0.4 -0.2 0.0
Abbildung 2.15: Die 9 verschiedenen Taylorpolynome
71
MATLAB 7.0.1 („taylorpolynome.m“, „correlation.m“ und „similarcosinus.m“) werden die
Winkel–Zeit Verläufe der beschriebenen Variablen zwischen den 2 Gruppen analysiert. Die
dazugehörige Hypothese wird folgendermaßen beschrieben:
H3: Es besteht ein Unterschied zwischen der Gruppe 1 und der Gruppe 2 bei
den gemessenen Winkelparametern bezüglich des
Korrelationskoeffizienten der Taylorpolynomanalyse.
Für die vorliegende Analyse werden nur die Winkel–Zeit Verläufe statistisch untersucht. Die
Winkel–Zeit Verläufe der Probanden werden auf den Olympiasieger dieses Wettkampfes
bezogen. Der resultierende Korrelationskoeffizient wird jeweils in den beiden Gruppen auf
Normalverteilung überprüft. Die Variablen KN_VO (der Gruppe 1) und SL (der Gruppe 2)
werden durch den Kolmogorov–Smirnov–Test als nicht normalverteilt angesehen. Für diese
Variablen wird der Mann–Whitney–U–Test verwendet. Für alle weiteren Parameter kann der
T–Test für unabhängige Stichproben angewendet werden. Bei allen Variablen werden keine
signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen festgestellt. Der Grund, warum bei
dieser Untersuchung keinerlei Unterschiede zwischen den Gruppen erkennbar sind, kann in
der Art der Analysetechnik liegen. Hingegen bei der Unterschiedsprüfung zu den
verschiedenen Zeitpunkten können sehr wohl statistisch signifikante Unterschiede festgestellt
werden.
Sprunggelenk vorne - ersten drei Probanden
0
20
40
60
80
100
120
-0.76
-0.72
-0.68
-0.64 -0.
6-0.
56-0.
52-0.
48-0.
44 -0.4
-0.36
-0.32
-0.28
-0.24 -0.
2-0.
16-0.
12-0.
08-0.
04 0
Zeit [s]
Win
kel [
°]
Referenz File Pr. 2
Proband 3
Proband 6
Abbildung 2.16: Einflussfaktoren auf den Korrelationskoeffizienten der Taylorpolynomanalyse
72
Die Taylorpolynomanalyse bezieht sich auf einen unterschiedlichen Verlauf zwischen den
einzelnen Winkel–Zeit Kurven. In Abbildung 2.16 erkennt man in der Vorbereitungsphase
zwischen –0,76s und –0,2s bei allen 3 Probanden unterschiedliche Kurvenverläufe. Wenn
diese Verläufe zum gleichen Zeitpunkt gegensätzlich sind, so verringert sich der
Korrelationskoeffizient, der anhand der Taylorpolynome erstellt wird, deutlich. Sehr gut kann
man das in diesem Diagramm zwischen Probanden 3 und den anderern Probanden erkennen.
Proband 3 hat bezüglich der letzten 0,3 Sekunden vor dem Aufsprungpunkt deutliche
Abweichungen im Kurvenverlauf gegenüber den Proband 2. Dies drückt sich auch mit einem
unterschiedlichen Korrelationskoeffizienten von 0,73 bezogen auf das Referenz–File von
Proband 2 aus. Bei Proband 6 zeigen sich diese Unterschiede noch wesentlich deutlicher.
Gegenüber dem Referenz–File errechnet man bei diesem Athleten einen
Korrelationskoeffizienten von –0,26. Solche Unterschiede in den Korrelationskoeffizienten
könnten auch ein Resultat der problematischen Datenaufnahme sein. Die Analyse der
Taylorpolynome scheint gegenüber der Unterschiedsprüfung aufgrund der verschiedenen
Zeitpunkte sensibler auf Fehler zu reagieren.
2.3.2.5. T – Test
Die Hypothese 4 untersucht den Unteschied zwischen den Gruppen 1 und 2. Im Gegensatz zur
Taylorpolynomanalyse kann man bei dieser Untersuchungsweise nur bei gewissen
Zeitpunkten die beiden Gruppen gegenüberstellen und vergleichen. Die dazugehörige
Hypothese lautet folendermaßen:
H4: Es besteht ein Unterschied zwischen der Gruppe 1 und der Gruppe 2
bezüglich der erhobenen Parameter zu den Zeitpunkten T1, T2, T3, T4
und T5
73
Die angeführten Zeitpunkte sind definiert als die Zeitpunkte 0,76s, 0,56s, 0,36s, 0,16s und
0,0s vor dem Aufsprungpunkt. Für diese Untersuchung werden bis auf die WEITE und
KNOTE alle in Tabelle 2.08 aufgeführten Variablen analysiert. Als Vorraussetzung für die
Verwendung des T–Test müssen alle Datensätze mindestens intervallskaliert und
normalverteilt sein. Alle Datensätze werden durch den Kologmorov–Smirnov–Test auf ihre
Normalverteilung überprüft. Alle Parameter können als normalverteilt festgestellt werden. In
der Tabelle 2.08 sind die herausgefilterten Ergebnisse der statistischen Untersuchung
aufgelistet. Die Zahlen neben den Bezeichnungen der Variablen beschreiben den Index des
Zeitpunktes. Betrachtet man diese Tabelle so fällt auf, dass sehr viele Variablen hauptsächlich
zum Zeitpunkgt T4 signifikante Unterschiede zwischen den beiden Gruppen ergeben. Nur der
Parameter KN_HI1 zum Zeitpunkt T1 kann als fast signifikant bezeichnet werden. Zum
Zeitpunkt T2 ergeben sich keine Unterschiede in den besprochenen Parametern. Sehr hohe
signifikante Unterschiede kann man bei den Variablen S_HO_VO und S_HO_HI zu den
Zeitpunkten T3, T4 und T5 erkennen. In der Abbildung 2.17 ist die Variable S_HO_VO der
Gruppen 1 und 2 mit den dazugehörigen Standardabweichungen eingezeichnet. Durch die
grünen Striche sind die letzten 3 Zeitpunkte der Unterschiedsprüfung eingezeichnet. Dabei
kann man sehr gut erkennen, dass die Unterschiede in den Zeitpunkten nicht nur statistisch,
sondern auch grafisch sehr deutlich sind. Die Gruppe 1 ist in der Lage, die Sprungski sehr
lange in einer Position zu halten, die der Horizontalen sehr ähnlich ist. Erst in den letzten 0,06
Sekunden der Aufsprungbewegung wird der Sprungski in die Endposition beim
T1 T2 T3 T4 T5
SPL_Vo4 0.027* SPL_Hi4 0.070(*) KN_HI1 0.086(*) SPL_HI5 0.080(*)
SCHU_RE4 0.016* SCHU_RE5 0.008** SCHU_LI4 0.018* S_K_VO4 0.065(*) S_K_HI4 0.092(*)
S_HO_VO3 0.021* S_HO_VO4 0.002** S_HO_VO5 0.003** S_HO_HI3 0.071(*) S_HO_HI4 0.001** S_HO_HI5 0,004**
Tabelle 2.08: signifikante Parameter aufgrund des T - Tests
74
Aufsprungpunkt gebracht. Die Probanden der Gruppe 2 verringern diesen Winkel bis zum
Aufsprung deutliche früher und konstanter. Die Flugposition wird somit viel früher als bei der
Gruppe 1 aufgegeben. Für die Variabel S_HO_HI erkennt man einen sehr ähnlichen
Kurvenverlauf.
Winkel zwischen Ski - Horizontalen vorderes Bein der Gruppe 1 und 2
-40
-35
-30
-25
-20
-15
-10
-5
0
5
10
-0.76
-0.72
-0.68
-0.64 -0.
6-0.
56-0.
52-0.
48-0.
44 -0.4
-0.36
-0.32
-0.28
-0.24 -0.
2-0.
16-0.
12-0.
08-0.
04 0
Zeit [s]
Win
kel [
°]
S_HO_VO Gruppe 1Stabw.Stabw.S_HO_VO Gruppe 2Stabw.Stabw. T3 T4 T5
Abbildung 2.17: Winkel zwischen Ski – Horizontalen vorderes Bein der Gruppe 1 und 2
Bei den Parameter SPL_VO4, SCHU_RE4 und SCHU_LI4 erkennt man zum Zeitpunkt T4
signifikante Unterschiede zwischen den beiden Gruppen. Insbesondere in der Vorbereitung
auf den Aufsprungpunkt kann man deutliche Unterschiede zwischen den besten und den
schlechtesten 10 Athleten erkennen. Die Bedeutung der letzten 0,2 Sekunden vor dem
Aufsprung sind bei der Betrachtung der Daten sehr wichtig für das Gelingen eines Telemark–
Aufsprungs. Die Variablen SPL_HI4, S_KÖ_VO4 und S_KÖ_HI4 unterscheiden sich
zwischen den Gruppen fast signifikant. Zum Zeitpunkt T5 erkennt man neben den
besprochenen Parametern die Variable SPL_HI5 als fast signifikant und die SCHU_RE5 als
hoch signifikant.
Alle wichtigen Parameter, die bei der Korrelationsüberprüfung als bedeutend für die
Bewertung des Telemarks herausgefiltert werden, erscheinen in der Unterschiedsprüfung
zwischen der Gruppe 1 und Gruppe 2 zumindest als fast signifikant auf. Diese Verbindung
kann aber auch statistisch begründet werden. Für einen hohen Korrelationskoeffizienten
75
zwischen 2 Variablen ist ein Datensatz, der eine große Bandbreite in beiden
Ausprägungsrichtungen aufweist, nötig. Jene Variablen, die in hoher Korrelation mit der
KNOTE stehen, weisen zumindest eine erhöhte Bandbreite zum Aufsprungzeitpunkt auf. Bei
einer hohen Bandbreite, die durch die Analyse von beiden Gruppen zustandekommt, ist die
Wahrscheinlichkeit höher, dass bei einer Unterschiedsprüfung eine Signifikanz ersichtlich ist
als dies bei einer geringeren Bandbreite der Fall wäre. Das wäre eine mögliche Erklärung für
die hohen Signifikanzen im Zeitpunkt T5. Da aber auch im Zeitunkt T4 sehr hohe
Unterschiede zwischen den verschiedenen Variablen herausgefunden wurden, lässt sich diese
Argumentation nur bedingt für den Zeitpunkt T5 erklären. Man muss hinzufügen, dass von
den anderen Zeitpunkten keine Korrelationen zur KNOTE berechnet wurden.
Die Hypothese H4 kann somit für die beschriebenen Parameter angenommen werden. Für alle
weiteren Parameter muss diese Hypothese verworfen werden.
76
2.4. Interpretation
Die kinematischen Ergebnisse und die Beschreibung des Telemarks anhand der
kinematischen Daten von den Olympischen Spielen 2006 in Turin werden im Kapitel 2.3.
ausführlich beschrieben. In der Literaturanalyse können zwei bedeutende Untersuchungen
bezogen auf die Landephase beschrieben werden. SEO et al (2001) kann aufgrund seiner
Untersuchung von Windkanalkräften und den Einfluss einer Bodenplatte ähnliche
Verhältnisse wie vor der Aufsprungsituation simulieren. Aufgrund seiner Daten vermuten die
Autoren einen Weitengewinn in der Nähe des Aufsprunghanges von bis zu 3 Metern, wenn
der Athlet es versteht, seine Flugposition beibehalten zu können. Entgegengesetzt dazu
verweist Hochmuth (1999) in seiner Publikation über die Analyse von Aufsprungkräften auf
die Bedeutung der Skidurchbiegung. Durch eine relativ lange Aufsprungphase, in der der
Sprungski sehr stark durchgebogen wird, können die höheren Fluggeschwindigkeit der
Landegeschwindigkeit angepasst werden. Die Sprungski erfüllen durch ihre Biegung eine
gewisse Resorption der elastischen Kräfte. Die restliche Aufsprungkraft muss hauptsächlich
durch die Beinkraft abgefangen werden. Je länger der Aufsprung dauert, desto größer ist der
zurückgelegte Weg und um so weicher kann der Aufsprung gestaltet werden. Das ist die
Annahme, die Hochmuth (1999) durch seine Untersuchungen belegt.
Die Forderung beider Publikationen können während der Aufsprungphase nicht realisiert
werden. Der Athlet hat somit einen Kompromiss zwischen einer sicheren Landung und einem
weiten Sprung einzugehen. In der kinematischen Untersuchung werden die Parameter
S_HO_VO und S_HO_HI analysiert. Diese Parameter drücken den Winkel der Sprungski
gegenüber der Horizontalen jeweils auf dem vorderen und hinteren Bein aus. Mit Hilfe dieser
Variablen ist man in der Lage, eine Einschätzung der Aufsprungtechnik bezogen auf die
publizierten Untersuchungen abzugeben. Beide Variablen stellen in der Korrelationsanalyse
einen signifikanten Wert gegenüber der Kampfrichternote dar. Das bedeutet, dass beide
Variablen eine hohe Bedeutung in der Beurteilung der Aufsprungphase zu haben scheinen. In
der Abbildung 2.17 sieht man die Variable S_HO_VO der beiden Gruppen aufgelistet.
Auffällig ist dabei, dass die Gruppe 1 durchschnittlich bemüht ist, den Winkel zwischen der
Horizontalen und den Sprungski möglichst gering zu halten. Erst kurz vor dem Aufsprung
(0,04 Sekunden) werden die Sprungski in einer relativ schnellen Bewegung auf den
Aufsprunghang aufgesetzt. Bei der Gruppe 2 ist ein langsamer Verlauf dieser
Winkelbeschreibung sichtbar. In der Vorbereitung der Aufsprungphase ergeben sich somit
77
deutliche Unterschiede, die auch durch den T–Test als hoch signifikant eingestuft worden
sind. Die besten Springer sind in der Lage, länger in der Flugposition als die schlechteren
Springer zu verbleiben. Das zeigt sich auch anhand der Sprunggelenkswinkel des vorderen
und hinteren Beines. Zum Zeitpunkt T4 können signifikante Unterschiede zwischen den
beiden Gruppen bezogen auf das vordere Sprunggelenk erkannt werden. Diese Unterschiede
werden durch eine erhöhte Sprunggelenksspannung der besten 10 Springer in der
Vorbereitung auf die Landung erklärt. Die beiden Winkelverläufe, zwischen dem
Sprunggelenkwinkel und des Winkels Ski–Horizontale jeweils des vorderen Beines haben
einen sehr ähnlichen Verlauf. Das klingt plausibel, da ein niedriger Sprunggelenkswinkel die
Vorraussetzung für ein Führen der Sprungski an der Horizontalen vorraussetzt. Diese
Ergebnisse unterstützen die Annahme von Seo et al. (2001).
Dadurch, dass bis kurz vor dem Aufsprungpunkt beide Sprungski von den besten Springern
sehr nahe an der Horizontalen geführt werden und somit im Gegensatz zu der Gruppe 2 sehr
geringe Winkelpositionen aufweist, unterliegt der Sprungski in der Aufsprungbewegung einer
relativ starken Biegung. Die ist bei den besten Springern deutlich ausgeprägter, als bei den
schwächeren. In der Aufsprungphase von sehr guten Telemark–Aufsprüngen wird über die
Sprungski eine höhere Resorption der Aufsprungkräfte abgefangen als bei schlechten
Aufsprüngen. Die Daten der kinematischen Untersuchung unterstützen die Annahme
Hochmuths (1999), dass durch eine starke Biegung der Sprungski ein großer Anteil der
auftretenden Kräfte absorbiert werden und die Muskulatur geringere Kräfte aufwenden muss.
Eine Verlängerung der Aufsprungphase bis zu 0,2 Sekunden, die durch das erste Auftreffen
der Sprungenden bis zum Auftreffen der Skispitzen charakterisiert ist, konnte nur bei den
schlechteren Athleten beobachtet werden. Die besten Springer versuchen die Sprungski in
einer kurzen (unter 0,1 Sekunden) peitschenartigen Bewegung in der Telemark Landung
aufzusetzen. Der zu beurteilende Parameter für diese Annahme ist der Winkel zwischen der
Horizontalen und dem Sprungski. Teilweise können somit die Ergebnisse von Hochmuth
(2001) bezogen auf die Durchbiegung der Sprungski unterstützt werden. Bezüglich der Länge
des Skiaufsetzen entsprechen die Daten von Turin 2006 nicht den Annahmen dieses Autors.
Die analytische Betrachtung der Daten von Turin 2006 kann einige interessante Ergebnisse
hervorbringen. Die Bedeutung des Telemarks in der Gesamtbetrachtung eines
78
Skisprungwettkampfes wird durch die Untersuchung der Hypothese 1 belegt. Für die
wichtigsten Wettkämpfe in der Saison 2005/2006 wurde eine Zusammenhangsüberprüfung
zwischen der Kampfrichter- und der Gesamtnote durchgeführt. Die Kampfrichternote
beeinflusst das Gesamtergebnis zu einem hohen prozentuellen Wert. Das Bestimmtheitsmaß
liegt dabei je nach Wettkampf zwischen 66% und 83%. Dieses Ergebnis drückt somit die
Bedeutung der Kampfrichternoten im Gesamtgefüge des Skisprungwettkampfes aus. Die
Kampfrichternote wird nach der Vorschrift der IWO in drei verschiedene Bereiche eingeteilt:
Der Flug, die Landung und die Ausfahrt. Die Bewertung der Ausfahrt ist direkt von der
Landung beeinflusst, da durch eine sichere und stabile Landung auch ein stabiles Ausfahren
garantiert. Der einzige Bereich, der unabhängig von der Landung durch die Kampfrichter
beurteilt werden kann, ist die Flugphase. Für diesen Teil des Sprunges werden auf höchster
Ebene bei den Weltcupbewerben zwischen 0,5 und 1 Punkt abgezogen. Die restlichen Abzüge
werden aufgrund der Bewertung der Landung und der Ausfahrt durchgeführt. In der
Hypothese 2 werden die erhobenen Parameter in Korrelation mit der Kampfrichternote
gebracht. Überraschenderweise korrelieren keine Abstände sowohl zwischen den beiden
Beinen in der Sagittalebene und in der Frontalebene mit der Kampfrichternote. In der IWO
sind beide Abstände definiert und als Bewertungs–Kriterium der Aufsprungbewegung
festgehalten. Die Bedeutung der Schrittlänge und der Spurbreite bei der Telemark–Landung
scheint somit eine große Bedeutung für die Stabilität des Aufsprungs in der
Bewegungsqualität zu haben, die Bedeutung zur Beurteilung des Telemarks duch die
Kampfrichter scheint dabei nicht gegeben zu sein. Ein weiteres interessantes Detail stellt der
Einfluss der Sprungweite bei der Kampfrichterbenotung dar. In der IWO ist die Sprungweite
mit keinem Wort als Bewertungs–Kriterium erwähnt. Bei der Betrachtung der
Einflussfaktoren der berechneten Variablen korreliert die Sprungweite der einzelnen Athleten
hoch signifikant mit den Kampfrichterpunkten. Betrachtet man das Bestimmtheitsmaß so ist
dieses mit 56% gegenüber den anderern Einflussfaktoren ebenfalls am höchsten. Die Weite
scheint somit ein entscheidender Einflussfaktor auf die Kampfrichternote zu sein. Die
weiteren zumindest signifikanten Variablen sind das Sprunggelenk hinten (SPL_HI), die
Schulter Rechts (SCHU_RE) und die Schulter Links (SCHU_LI). Diese Variablen sind
Kennzeichen der Telemark Landung und fügen sich sehr gut in das Bild des Telemark
Aufsprunges ein. Die Variablen S_HO_VO und S_HO_HI stellen den Winkel zwischen dem
Ski und der Horizontalen des vorderen und hinteren Beines dar. Es überrascht, dass diese
Winkel eine hoch signifikante Korrelation mit der Kampfrichternote hat. Das kann man über
die Weite erklären. Je weiter der Springer in den Radius hinein landet, umso geringer wird der
79
Winkel zwischen der Horizontalen und dem Sprungski. Das erklärt indirekt über die Weite
den Bezug der beiden Variablen zur Kampfrichternote. Die Statistik stützt diese Vermutung
indem der Korrelationskoeffizient zwischen Weite und den beiden Variablen 0,634**
(S_HO_HI) und 0,666**(S_HO_VO) beträgt.
Ein großer Bereich im analytischen Teil ist der Vergleich zwischen den Gruppen 1 und 2.
Diese Analyse wird mit Hilfe von zwei verschiedenen Methoden durchgeführt. Einerseits
durch die Taylorpolynomanalyse und andererseits durch den Vergleich der Gruppen zu
verschiedenen Zeitpunkten. Bei der Unterschiedsüberprüfung der Tayorpolynome konnten
keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen erkannt werden.
Die Überprüfung der Unterschiedshypothese 4 wurde bei 5 ausgewählten Zeitpunkten durch
den T–Test für unabhängige Stichproben ermittelt. Aufgrund der Korrelationsanalyse
zwischen den erhobenen Parametern und der Kampfrichternote konnte vermutet werden, dass
zum Zeitpunkt T5 die oben besprochenen Parametern zumindest als leicht signifikant
eingestuft werden kann. Dies kann sich bei den meisten Parametern bestätigen. Der Winkel
Schulter links ist die einzige Variable, die in dieser Analyse nicht signifikant ist. Interessanter
als die Betrachtung des Aufsprungpunktes ist die Analyse des Zeitpunktes T4. Zusätzlich zu
den besprochenen Variablen konnten bei diesem Zeitpunkt das Sprunggelenk vorne
(SPL_VO) und die Winkel zwischen dem Ski und der Körperlängsachse des vorderen und
hinteren Beines als zumindest leicht signifikant berechnet werden. Das bedeutet, dass vor
allem kurz vor der Telemark Landung die Unterschiede zwischen den Besten und den
schlechteren Springern am Deutlichsten sind. In der Abbildung 2.17 sind die Winkelverläufe
zwischen den besten und schlechtesten Springern des ersten Durchganges bezogen auf den
Winkel zwischen der Horizontalen und dem Sprungski des vorderen Beines aufgezeichnet.
Dabei kann man erkennen, dass die besten Springer in der Lage sind die Flugposition länger
beizubehalten. Das wird zu Beginn dieses Kapitel im Vergleich zur Literatur näher betrachtet.
Die Vorbereitungsphase scheint somit eine sehr sensible Phase in der Landephase zu sein
deren Aufmerksamkeit auch in den Trainingsabläufen Rechnung getragen werden sollte. Das
beweisen die Unterschiede zwischen den besten und schlechteren Skispringern.
80
3. Dynamische und Elektromyographische Untersuchung von sehr guten
Skispringern
3.1. Problem und Aufgabenstellung
In diesem Abschnitt dieser Arbeit wird die Telemark-Technik aus elektromyographischer-
und dynamischer Sichtweise analysiert. Dabei steht die Beschreibung der Muskelaktivitäten
und die Druckverteilung im Aufsprungpunkt im Vordergrund. Weiters soll diese Arbeit
Aufschluss darüber geben, welche Unterschiede zwischen den Aufsprungtechniken (Telemark
und beidbeiniger Aufsprung) bestehen. In einer dritten Fragestellung wird darauf
eingegangen, ob sich die Telemark-Technik verändert, wenn die Athleten Weiten über den K-
Punkt in dieser Technik stehen können.
Als Ergänzung zur kinematischen Untersuchung wird am 08.06.2007 eine weitere
Untersuchung bezüglich des Aufsprungs durchgeführt. Im Gegensatz zu den Olympischen
Spielen findet die Studie unter Trainingsbedingungen statt. Eine Untersuchung der
gemessenen Parameter unter Wettkampfbedingungen ist aufgrund des großen technischen
Aufwandes und der eventuellen Beeinflussung während des Sprunges durch das Mitführen
der Speichergeräte nicht möglich. Das Hauptaugenmerk liegt bei dieser Untersuchung beim
Bestimmen von dynamischen Parametern durch Kraftmesssohlen und dem Aufzeichnen von
Muskelinnervationen durch die Methode der elektromyographischen Ableitung. Diese
Parameter ergänzen die Untersuchung von den Olympischen Spielen, die auf kinematische
Daten aufgebaut ist. Ein weiterer Unterschied besteht in der Jahreszeit, in der diese Studie
durchgeführt wurde. Die elektromyographische und dynamische Untersuchung findet auf
Keramik-Anlauf und Matten-Aufsprung statt.
3.2. Methodik
3.2.1. EMG – System
Das Elektromyographisch system besteht aus folgenden Komponenten:
- Datenlogger Ipaq 3
- Inputbox groß (16 Kanäle)
- PCMCIA NI DAQ 6024 (AD Wandler)
81
Messsensoren:
- EMG – Kabel
- Beschleunigungsaufnehmer
- Verstärker
Abbildung 3.01: Messinstrumente und Speichereinheiten direkt am Probanden
Dieses System misst mit Hilfe von Oberflächenelektroden den Spannungsunterschied der
Muskulatur, der an die Hautoberfläche weitergegeben wird. Für die Bestimmung der Null-
Elektrode ist das Positionieren einer Oberflächenelektrode auf einem Knochen nötig. Für die
gesamte Messung eines Probanden ist eine Nullelektrode ausreichend. Bei dieser
Untersuchung wird diese Elektrode am Schienbein der Probanden angebracht. Die weiteren
Elektroden werden möglichst auf den Muskelbauch der untersuchten Muskulatur quer der
verlaufenden Muskelfasern platziert. Dabei müssen zwei Elektroden nebeneinander
angebracht werden. Von jedem Muskel kann das Signal von einem Verstärker erhöht oder
verringert werden. In der Input–Box werden alle Verbindungskabel von den verschiedenen
Muskeln gesammelt und angeschlossen. Von dort aus werden über ein Verbindungskabel die
Signale an die Speichereinheit Ipaq 3 weitergeleitet. Sowohl die Input–Box als auch das
Speichergerät werden im Rucksack des Probanden untergebracht. Die Daten können über die
Speichereinheit und einer Schnittstelle in den Computer eingegeben werden. Dort werden sie
über das an der Universität übliche Auswerteprogramm IKE Master gespeichert und
weiterverarbeitet. Die EMG–Daten werden mit einer Aufnahmefrequenz von 1000 Hz
82
gemessen. Durch den Beschleunigungsaufnehmer, der auf der Spitze des rechten
Sprungschuhes angebracht wird, kann eine Synchronisation zwischen den EMG und
dynamischen Daten erfolgen.
3.2.2. Pedar – System
Durch das Pedar-System können die
dynamischen Daten mit Hilfe von
Kraftmesssohlen innerhalb des
Sprungschuhes erhoben werden. Eine
Sohle besteht aus 99 viereckigen
Sensoren. Die Anordnung dieser
Sensoren ist in Abbildung 3.02
abgebildet. Im Nachhinein wird die
Messsohle in vier Sektoren unterteilt.
Diese sind mit Vorfuß, Ferse, Außen
und Innen benannt. Dies macht eine
Analyse der auftretenden Kräfte und
deren Unterteilungen in Teilkräfte
möglich. Der Umgang mit den
Messsohlen muß sehr vorsichtig
durchgeführt werden, da ein Knicken
der Sohlen eine Beschädigung der
Messsensoren nach sich gezogen hätte. Das Pedar-System besteht aus folgenden
Komponenten:
Abbildung 3.02: Pedar Messinstrumen; Unterteilung in die verschiedenen Sohlenabschnitten
- Pedar Messohlen für verschiedene Schuhgrößen
- Verbindungskabel zwischen den Messsohlen und der Speichereinheit
- Pedar–Speichereinheit (Speichern der aufgenommenen Datensätze)
- Pedar– Akku (Stromversorgung für Felduntersuchungen)
- Pedar–Computer und Software
Das Pedar–System hat eine Aufnahmefrequenz von 100 Hz. Die dynamischen Daten werden
in der Speichereinheit aufgenommen und können in einem weiteren Schritt über die Pedar-
Software in entsprechende Files umgewandelt werden. Das Ausgabeformat für die Software
83
sind SOL Files. Diese müssen in ASC und FGT Files umgewandelt werden. Die ASC Files
sind nötig, um im Programm Ike Master die Kraftdaten weiterverarbeiten zu können. Die FGT
Files beinhalteten Informationen über den Kraftangriffspunkt auf der entsprechenden
Messsohle.
3.2.3. Vorbereitung der elektromyographischen und dynamischen Messungen
Da bei dieser Untersuchung sowohl dynamische Parameter als auch elektromyographische
Parameter erhoben werden, bedarf die Vorbereitung für die tatsächliche Untersuchung einiger
Zeit. In einem ersten Schritt wird der Proband an jenen Stellen rasiert und desinfiziert, auf
denen die Oberflächenelektroden letztendlich platziert werden. Danach werden die Elektroden
auf den entsprechenden Muskelgruppen angebracht und mit Leukotape fixiert. Die Elektroden
werden entlang des Muskelbauches und nebeneinander angebracht, um möglichst gute
Spannungsunterschiede messen zu können. Dieser Vorgang wird bei allen zu bestimmenden
Muskeln durchgeführt.
In einem zweiten Schritt werden die nummerierten Kabelsätze den verschiedenen
Muskelgruppen zugeordnet und schriftlich im Protokoll festgehalten. Die Kabelsätze dienen
als Verbindung zwischen den Ableitungen der Elektroden und dem Speichergerät. Die Kabel
müssen wiederum mit Leukotape an der Haut der Probanden fixiert werden. Dabei ist darauf
zu achten, dass die maximale Bewegungsfreiheit in Knie- und Hüftgelenk gegeben ist. Die
Kabelsätze führen von den Muskelgruppen der unteren Extremität bis in den Bereich der
Taille hinauf. Die Nummerierung der Kabelsätze und ihre Zuordnung zu den jeweiligen
Muskelgruppen wird bei allen drei Probanden beibehalten. Das bringt bei den anderen
Probanden eine erhebliche Zeitersparnis.
Als dritter Schritt werden zwei Kabel jeweils lateral der jeweiligen Extremität für die
Kraftmesssohlen verlegt.
In einem vierten Schritt wird der Sprunganzug vorsichtig über die Elektroden und Kabeln des
Probanden angezogen. Dieser Vorgang wird sehr langsam und vorsichtig durchgeführt, da
laut Reglement der Sprunganzug höchstens 6 cm weit vom Körper abstehen darf. Dadurch
sind die Sprunganzüge in der Norm relativ eng anliegend. Im hinteren Bereich des
Sprunganzugs wird dieser auf Höhe des dritten Lendenwirbels bei der vorhandenen Naht
84
aufgeschnitten. Dies ist nötig, um die verlegten Kabel an den Speichereinheiten der
verschiedenen Messsysteme anzuschließen. Nach diesem Vorgang werden die Kabel für die
elektromyographische Messung an der Input–Box angeschlossen und zugeordnet.
Nun folgt im fünften Schritt eine Überprüfung der Messaufnahmen der verschiedenen
Muskelgruppen. Die Probanden haben gegen einen Widerstand statische Muskelarbeit zu
verrichten. Dadurch kann der Ausschlag der jeweiligen Muskulatur auf dem Speichergerät
festgestellt und kontrolliert werden. Dieser Vorgang wird bei jedem einzelnen Muskel
durchgeführt. Gegebenenfalls muß der Verstärker das Signal erhöhen oder verringern. Die
Veränderungen und die Einstellungen des Verstärkers werden in das Protokoll eingetragen.
Im nächsten Schritt werden die Kraftmesssohlen vorsichtig in die Sprungschuhe eingepasst.
Das ist ein sehr heikler Vorgang, da die Messsohle nicht geknickt werden dürfen und mit der
gebotenen Vorsicht behandelt werden müssen. Nach dem Einpassen der Sohle wird das
herausstehende Ende der Sohle mit den entsprechenden lateralen Kabelsatz verbunden und
dieser Übergangsbereich durch das Leukotape noch einmal fixiert.
Die Speichergeräte sind in einem eigenen Rucksack, der für solche Anwendung mit
Schaumstoff präpariert wird, sicher verstaut. Dieser Rucksack muß außerhalb des
Sprunganzuges angezogen werden. Alle abstehenden Bänder werden mit Leukotape fixiert
damit möglichst wenig Widerstand in der Flugphase durch die Anbringung der Speichergeräte
innerhalb des Rucksacks gegeben war.
Dieser Vorgang der Vorbereitung dauert beim ersten Probanden ca 2 Stunden. Bei den
weiteren zwei Probanden kann die Vorbereitungszeit verkürzt werden, da das Anbringen der
Oberflächenelektroden des nächsten Probanden schon während der laufenden Messung
durchgeführt wird und der Kabelsatz als Ganzes von einem auf den nächsten Probanden
übertragen wird.
Direkt vor jedem Sprung wird durch den Testleiter 1 die Nullmessung für das Pedar–System
durchgeführt. Dieser Vorgang wird von der Speichereinheit zwingend vorgeschrieben. Der
Proband sitzt dabei schon auf dem Zitterbalken und muß nacheinander das linke und rechte
Bein anheben. Durch die Druckentlastung der Messsohlen kann die Nullmessung
durchgeführt werden.
85
Der Proband muß während der gesamten Messung den Sprunganzug anbehalten und kann
nicht einmal den Oberteil in den Pausen ausziehen (das ist in Springerkreisen üblich).
Dadurch schwitzt der Springer während der Untersuchung sehr stark. Das ist ein möglicher
Grund, warum in weiterer Folge manche Verbindungen zwischen den gemessenen Elektroden
und den Verbindungskabeln gestört werden und somit manche Muskelgruppen kein EMG–
Signal liefern. Um den Strömungsabriss durch den Rucksack möglichst gering zu halten, wird
ab dem Proband B der Rucksack mit einer Startnummer an den Probanden besser fixiert. Dies
hatt den Vorteil, dass das Fluggefühl des Probanden deutlich verbessert wird. In dieser
Untersuchung wird der Rucksack verwendet, weil dieser gegenüber dem Hüftgurt eine
verbesserte Beweglichkeit in der Anfahrts- und in der Landeposition gewährleistet. Die
Startnummer wird erst ab dem zweiten Probanden verwendet.
Die vier Testleiter hatten verschiedene Aufgaben zu erfüllen, die im Folgenden beschrieben
sind:
Testleiter 1:
Der Testleiter 1 ist am Anlauf vor dem Sprung platziert. Er kontrolliert vor dem Sprung die
Funktionstüchtigkeit der verwendeten Geräte und dokumentiert die Namen der gespeicherten
Files, um diese im Nachhinein zuordnen zu können. Weiters wird durch diesen Testleiter die
Zeit notiert, zu der der Proband der Sprung durchführt. Bei eventuellen Problemen kann er
versuchen, vor Ort die Ursachen zu erkennen und den Fehler zu korrigieren. Dem Testleiter 1
wird auch die Aufgabe zugeordnet, die Wahl der Einstiegsluken durchzuführen und zu
dokumentieren. Die Entscheidung, von welcher Luke aus der Proband fahren darf, wird vom
Gesamtleiter in Absprache mit dem anwesenden Trainer beschlossen. Vor jedem Sprung wird
die Nullmessung durch diesen Testleiter am Zitterbalken durchgeführt. Danach kann das
Aufzeichnen der Daten beginnen.
86
Kamera 2
Kamera 1
Testleiter 3
Testleiter 2
Testleiter 1
Abbildung 3.03: Sprungschanze Ramsau am Dachstein mit denverschiedenen Testleitern
Testleiter 2:
Der Testleiter 2 wird auf dem Trainerturm platziert. Er muss freie Sicht auf die
Geschwindigkeitsanzeige haben, um die Geschwindigkeit zu dokumentieren. Weiters muss er
mit der digitalen Kamera 1 Videoaufzeichnungen vom gesamten Sprung machen, um die
Qualität des Sprunges durch den Trainer einschätzen zu können.
Testleiter 3:
Der Testleiter 3 hatt die Aufgabe, vom Auslauf aus mit der analogen Kamera 2 den Sprung zu
filmen, um im Nachhinein die Sprungweite ablesen zu können. Weiters ist er zuständig für
das Ausschalten der Geräte und die Meldung von eventuellen Speicherproblematiken.
Testleiter 4:
Der Testleiter 4 ist vor allem bei der Beklebung der Probanden im Vorfeld der Untersuchung
notwendig. Während der Untersuchung kann er schon den nächsten Probanden vorbereiten,
um die Pause zwischen den Untersuchungen möglichst gering zuhalten.
87
3.2.4. Stichproben (Versuchsgruppe, Kontrollgruppe)
Name Kaderzugehörigkeit
Proband A Kaltenböck Bastian A – Kader
Proband B Thurnbichler Stefan A – Kader
Proband C Strolz Andreas B – Kader
Tabelle 3.01: Probanden und Kaderzugehörigkeit
In der Tabelle 3.01 sind die Namen und die Kaderzugehörigkeit der Probanden dargestellt.
Am 08.06.2007 stellen sich drei Probanden der Trainingsgruppe III unter der Leitung von
Werner Rathmayer für diese Untersuchung zur Verfügung. Der A–Kader entspricht der
zweithöchsten Kaderstufe im System des ÖSV. Die Probanden verfügen über ausreichend
Sprungerfahrung, um den Anforderungen dieser Untersuchung gerecht zu werden. Die
Probanden werden auf keine weiteren Parameter untersucht.
3.2.5. Untersuchungsdurchführung
Mit dieser Untersuchung sollen zwei Fragestellungen beantwortet werden. Zum einen dient
diese Untersuchung als Ergänzung zur Beschreibung der Telemark–Technik. Zusätzlich zu
den kinematischen Untersuchungsergebnissen von den Olympischen Spielen in Turin sollen
die EMG–Parameter und die Kraftmesssohlen einen weiteren Einblick in die
Aufsprungtechnik geben. In einer zweiten Fragestellung soll beantwortet werden, welchen
Einfluss der Aufsprunghang in der Durchführung der Telemark-Bewegung spielt. Dieser
Fragestellung sollte Rechnung getragen werden, indem sowohl Sprünge in der Mitte des
Aufsprunghanges als auch Sprünge über den K–Punkt bei 90 Metern gestanden werden. Das
Untersuchungsdesign wurde somit folgendermaßen festgelegt.:
o Der Proband hat 2 Probesprünge, um sich auf die Sprungsituation mit dem
Messsystem einzustellen und sich an das Springen mit Rucksack zu gewöhnen.
o Der Proband sollte alle seine Sprünge mit Telemarklandung stehen.
o Bedingung 1:
88
Der 3. und 4. Sprung des Probanden soll von einer Luke gewählt werden, von
der aus Sprünge von 80 bis 85 Meter möglich sind (nicht über 90 Meter!).
o Bedingung 2:
Der 5. und 6. Sprung des Probanden soll mindestens vier Luken höher
(Absprache mit dem Trainer) durchgeführt werden, um Weiten über 90 Meter
mit Telemarklandung zu garantieren
Innerhalb einer Voruntersuchung wird deutlich, dass das Fluggefühl mit dem Rucksack vom
normalen Fluggefühl abweicht und keine großen Weiten zulässt. Die Probeuntersuchung wird
in Berchtesgaden auf der K-60 Meter-Schanze durchgeführt. Aufgrund der geringeren
Schanzengröße und des geringen Niveaus des Probanden können keine genauen Vorhersagen
getroffen werden, wie sich das Springen mit dem Rucksack auf einer K-90 Meter-Schanze
auswirkt. Es wird dabei aber deutlich, dass die Probanden bei der Hauptuntersuchung zwei
Sprünge benötigen werden, um sich an die veränderten Rahmenbedingungen anpassen zu
können. Das wird im Untersuchungsdesign so festgelegt und stellt eine Veränderung
zwischen der Probe- und der Hauptuntersuchung dar.
Es ist sehr schwierig, im Vorhinein festzustellen, wie viel Luken die Probanden benötigen
werden, um über den K–Punkt von 90 Metern zu gelangen. Das entscheidende Kriterium ist
die Sprungweite und nicht die Anfahrtgeschwindigkeit. Somit kann während einer Bedingung
ohne Probleme die Lukenwahl verändert werden.
Nach der Untersuchungsdurchführung:
In der Tabelle 3.02 sind die Daten der Springer bei der Durchführung der Untersuchung
aufgelistet. Darauf erkennt man, dass die Vorgabe an die Probanden, jeden Sprung mit einer
Telemark-Landung zu stehen, nicht erfüllt worden sind. Nur Proband B kann die Vorgaben,
sowohl Sprünge unter der Bedingung 1 als auch unter der Bedingung 2 mit einer Telemark–
Position zu landen, erfüllen. Dieser Proband kann am besten mit den veränderten
Bedingungen (Rucksack) umgehen und sich auf die Aufgaben einstellen. Die ursprüngliche
Fragestellung, ob es Unterschiede in der Telemarklandung in Abhängigkeit der Sprungweite
gibt, kann nur anhand eines Einzelbeispiels durch Proband B aufgezeigt werden. Da alle
Probanden sowohl Sprünge mit beidbeinigen Landungen und der Telemark–Technik
durchgeführt haben, wird die ursprüngliche Fragestellung umgeändert. Hauptaugenmerk liegt
in dieser Untersuchung auf den Unterschied zwischen der beidbeinigen und der Telemark-
Landung, ohne die Geschwindigkeit und Weite als Parameter zu berücksichtigen.
89
Bei der Betrachtung der Daten in Tabelle 3.02 ist zu berücksichtigen, dass die Untersuchung
von Proband A am Vormittag stattgefunden hat. Bei diesem Probanden gibt es während der
Durchführung wechselnde Windverhältnisse. Insbesondere bei den letzten Sprüngen ist der
Faktor Wind nicht mehr unter Kontrolle zu bringen. Proband B kann am frühen Nachmittag
bei relativ stabilen Windbedingungen (fast Windstille) das Untersuchungsdesign durchführen,
während Proband C bei stark drehendem Wind die Sprünge für die Untersuchung absolvieren
muß. Unter diesem Gesichtspunkt muß man die großen Unterschiede in der Lukenwahl
betrachten. Es ist für Skispringer sehr ungewöhnlich, dass innerhalb einer Einheit die Luke
um dreizehn Balken verlängert wird. Normalerweise sind Balkenunterschiede von zwei bis
drei Luken entscheidend, um eine größere Weite springen zu können. Unter diesem
Gesichtspunkt muss die psychische Komponente mit berücksichtigt werden.
Proband Aufsprung Beding. Sprung [Nr] Weite [m] EMGPedar [Nr]
Geschwindigkeit [km/h] Luke EMG Fehler
kein Telemark 1 1 2 ------- 85.91 22 kein Telemark 1 2 3 3 86.22 22 Telemark 1 3 79.5 4 12 84.51 18 Telemark 1 4 81.0 5 13 ------- 18 Telemark 1 5 80.0 6 14 86.84 24 vastus lat. re./bizeps fem re kein Telemark 1 6 7 15 87.78 27 vastus lat. re./bizeps fem re
Proband A
kein Telemark 1 7 8 ------- 87.78 27 vastus lat. re./bizeps fem re kein Telemark 1 1 2 3 86.48 20 Telemark 1 2 86.5 3 4 86.24 20 Telemark 1 3 89.0 4 5 87.49 23 Telemark 2 4 90.5 5 6 87.96 24 bizeps fem re
Proband B
Telemark 2 5 94.0 6 ------- 88.01 24 bizeps fem re kein Telemark 1 1 2 22 84.51 20 kein Telemark 1 2 3 23 84.61 22 bizeps fem re Telemark 1 3 73.5 4 24 87.25 25 bizeps fem re Telemark 1 4 86.0 6 26 89.14 30 bizeps fem re
Proband C
Telemark 1 5 85.5 7 ------- 89.91 33 bizeps fem re
Tabelle 3.02: Aufzeichnung der Aufsprungsweise, der Weite, der Geschwindigkeit, der Luke und der EMG- und Pedar Nummer
In der letzten Spalte der Tabelle 3.02 sind jene Muskel aufgezählt, die während der
Untersuchung ein fehlerhaftes EMG-Signal abgegeben haben. Daran kann man erkennen,
dass vor allem der Bizeps Femoris rechts bei allen Probanden fehleranfällig ist. Der Grund
dafür scheint ein Fehler im Verbindungskabel oder die den zugehörigen Verbindungsteckern
gewesen zu sein.
90
3.2.6. Auswertung der Messergebnisse
3.2.6.1. Auswertung der elektromyographischen Ergebnisse
Die Auswertung sowohl der elektromyographischen als auch der dynamischen Ergebnisse
erfolgt über das Auswerteprogramm Ike Master 1.38a. Für die Weiterverarbeitung in Ike
Master werden die EMG-Daten in Ike-Master-Files konvertiert. In der Kanalbox des
Auswerteprogrammes sind alle gemessenen Kanäle aufgelistet. Auf der Diagrammebene
können die Daten dargestellt werden. Für die Auswertung werden in einem ersten Schritt die
EMG-Daten mit den dynamischen Daten synchronisiert. Dies wird über einen
Beschleunigungsaufnehmer an der Schuhspitze des Sprungschuhes gewährleistet. Als
Synchronisationspunkt wird der Aufsprungpunkt hergenommen. Dieser ist sowohl auf dem
rechten als auch auf dem linken Bein nahezu ident, obwohl ein Teil der Landungen mit einem
Telemark-Aufsprung vollzogen wird. Die elektromyographischen Daten werden mit einem
digitalen Bandpassfilter (Butterworth) in der Frequenz 10/300 Hz gefiltert. Weiters werden
alle Datensätze gleichgerichtet. Für die deskriptive Statistik werden die EMG-Daten noch
einmal mit einem digitalen Tiefpassfilter (Butterworth) mit einer Frequenz von 10 Hz
gefiltert. Für die Berechnungen werden diese Daten nicht herangezogen.
Bei der Auswertung werden 3 Marker verwendet. Die Marker haben jeweils eine Zeitdauer
von 0,5 Sekunden. Der erste Marker wird während der Absprungbewegung platziert. Das
Ende dieser Markierung findet den Abschluss mit dem deutlichen Abfall der Kraftwerte. Das
ist die Information für das Verlassen des Schanzentisches durch den Probanden. Die zweite
und dritte Markierung wird jeweils 0,5 Sekunden vor und nach dem Aufsprung platziert.
Dadurch kann die Voraktivierung und die Stabilisierung der Landung durch die EMG-
Signale beurteilt werden. Der Marker während der Absprungbewegung wird für 2
Auswertungen verwendet. In der Reliabilitätsprüfung werden die Absprungwerte miteinander
verglichen, da die Absprungbewegung eine sehr hohe Konstanz in der
Bewegungsdurchführung von Spitzenspringern hat. Das kann in vorherigen Untersuchungen
(Schwameder 1994) bewiesen werden.
Die EMG-Daten der Voraktivierung und der Stabilisierung werden für die Auswertung auf
die Daten des Absprunges relativiert. Dieser Vorgang hat den Vorteil, dass somit eine
Einschätzung der Daten durch ein Bezugsmaß möglich gemacht wird. Die reinen Rohwerte
kann man hingegen in ihrer Ausprägung ohne Bezugsmaß nicht einschätzen und beurteilen.
91
Als Testkriterium wird sowohl für die elektromyographischen als auch für die dynamischen
Daten das Integral über den beschriebenen Zeitraum (0,5 Sekunden) verwendet. Die Auswahl
der analysierten EMG-Daten wird in Kapitel 3.2.7.1. näher beschrieben.
3.2.6.2. Auswertung der dynamischen Ergebnisse
Die Kraftdaten werden durch das Pedar–System aufgezeichnet und weiterverarbeitet. Für die
Weiterverarbeitung der Rohdaten werden die aufgenommenen Daten in Ike–Master–Files
umgewandelt. Die Synchronisation zwischen den elektromyographischen und dynamischen
Daten ist im vorherigen Kapitel beschrieben worden. Der Synchronisationsfehler liegt dabei
unter 0,01 Sekunden, da die dynamischen mit 100 Hz und die elektromyographischen Daten
mit 1000 Hz aufgezeichnet werden. Eine Synchronisation durch Videofiles ist dabei nicht
nötig. Für die Darstellung der Kraftkurven werden die Rohdaten im Ike-Master verwendet.
Für die statistische Analyse werden die im vorigen Kapitel beschriebenen Marker benutzt. Für
die Reliabilitätsprüfung werden die Absprungdaten herangezogen. Durch die Relativierung
der Aufsprungdaten (Zeitfenster vor und nach dem Aufsprung) mit den Absprungwerten
werden die dynamischen Werte weiterverarbeitet. Als Kriterium wird wiederum das Integral
über die Zeitspanne des Marker 0,5 Sekunden verwendet.
Bestimmung der Teilkräfte in den Fußzonen.
Kenn Fk Fußzonen Kenn Fk Fußzonen
LI Fli Links RE Fre Rechts
VFL Fvfl Vorfuß links VFR Fvfr Vorfuß rechts
FL Ffl Ferse links FR Ffr Ferse rechts
AFL Fafl Außenfuß links AFR Fafr Außenfuß rechts
IFL Fifl Innenfuß links IFR Fifr Innenfuß rechts
Tabelle 3.03: Kennzeichnung der einzelnen Messzonen
Im Kapitel 3.2.2. werden bereits die Messsohlen dargestellt. Die farbigen Markierungen der
Abbildung 3.02 teilen die Fusssohle in verschieden Bereiche. In der Tabelle 3.03 sind die
Einzelzonen und ihre Kennung noch einmal zusammengefasst.
Die prozentulle Kraftverteilung wird in der folgenden Tabelle definiert:
92
Fli Pli = F
* 100
FrePre =F
* 100
Fvfl Pvfl = Fli
* 100
FvfrPvfr =Fre
* 100
Ffl Pfl = Fli
* 100
FfrPfr = Fre
* 100
Fafl Pafl = Fli
* 100
FafrPafr = Fre
* 100
Fifl Pifl = Fli
* 100
FifrPifr = Fre
* 100
Abbildung 3.04: Formel für die Berechnung der prozentuellen Teile
3.2.7. Gütekriterien
Die Validität und die Objektivität können bei dieser Untersuchung nicht gemessen werden.
Die Einschätzung der Reliabilität erscheint bei der Anzahl der Daten als schwierig. Die
Zuverlässigkeit der gemessenen Daten wird in dieser Arbeit auf zwei verschiedene Arten
überprüft. In einem ersten Schritt werden die elektromyographischen und dynamischen Daten
der einzelnen Probanden von zwei verschiedenen Sprüngen analysiert. In einem zweiten
Schritt werden die erhobenen Daten mit der in der Literatur bereits gemessenen und
veröffentlichten Datensätzen verglichen und überprüft.
3.2.7.1. Reliabilität der elektromyographischen Daten zwischen den Probanden
Für den Vergleich der elektromyographischen Daten werden von jedem Probanden zwei
Schanzensprünge herangezogen. Als entscheidender Parameter wird das integrierte Intervall
gewählt. Gegenüber den Maximaldaten hat dieser Faktor den Vorteil, dass er über einen
gewissen Zeitraum überprüft werden kann. Schwameder (1994) stellt in seiner
biomechanischen Analyse fest, dass die individuellen Unterschiede der Absprungbewegung
auf höchstem Niveau sehr gering sind und einer hohen Konstanz unterliegen. Aufgrund dieser
Feststellung werden für die Reliabilitätsüberprüfung die letzten 0,5 Sekunden herangezogen
und von zwei verschiedenen Sprüngen des gleichen Probanden verglichen. Für diese
93
Überprüfung werden die Sprünge drei und vier der Probanden A und C beziehungsweise die
Sprünge zwei und drei von Proband B verwendet. Die Auswertung erfolgt durch das an der
Universität übliche Auswerteprogramm Ike-Master. Das Zeitfenster von 0,5 Sekunden wird
durch die dynamischen Daten der Kraftmesssohlen festgelegt. Beim Verlassen des
Schanzentisches fallen die Gesamtkräfte der Druckmesssohlen deutlich ab. Dieser
signifikante Kräfteabfall wird als Ende der Absprungbewegung interpretiert und ist der
Anhaltspunkt für das Ende des Zeitfensters der 0,5 Sekunden.
Die elektromyographischen Daten werden aufgrund eines Beschleunigungsaufnehmers mit
den dynamischen Daten der Kraftmesssohlen synchronisiert. Der Punkt, auf dem diese
Synchronisation stattfindet, ist der Aufsprungpunkt. Sowohl beim Beschleunigungsaufnehmer
als auch bei den Kraftmessdaten kann man eine deutliche Spitze erkennen. Dies war die
Grundlage für die Synchronisation. Alle elektromyographischen Daten werden mit einem
Bandpassfilter bei einer Frequenz zwischen 10 und 300 Hz gefiltert. Dies entspricht der
Standardfilterung bei elektromyographischen Daten. Danach werden die Daten
gleichgerichtet. Für die deskriptive Aufbereitung bei allen beschriebenen Diagrammen wird
eine weitere Tiefpassfilterung (Butterworth) mit 10 Hz durchgeführt. Die errechneten Daten
werden aber vor dieser Filterung weiterverarbeitet.
Für die Reliabilitätsprüfung wird das integrierte Intervall der verarbeiteten Daten (gefiltert
und gleichgerichtet) in einem Zeitfenster von 0,5 Sekunden herangezogen. Vor dem Vergleich
der beiden Sprünge pro Proband werden die gemessenen Muskelgruppen einer
Plausibilitätsüberprüfung unterzogen. Diese Überprüfung wird folgendermaßen durchgeführt:
Bei einem Integral über das Zeitfenster von 0,5 Sekunden sollte der Wert von 0,050 Millivolt
erreicht oder überschritten werden. Wenn dies bei der Absprungbewegung nicht der Fall ist,
wird bei dieser Muskelgruppe zusätzlich die Aufsprungbewegung kontrolliert. Bei dieser
Überprüfung werden die 0,5 Sekunden sowohl vor als auch nach der Landung herangezogen.
Ist bei den weiteren zwei Zeitfenstern keine Überschreitung der 0,050-Millivolt-Grenze
beobachtbar, wird diese Muskelgruppe nicht zur Überprüfung der Reliabilität verwendet. Dies
bedeutet, dass bei allen sechs Sprüngen der drei Probanden alle untersuchten Muskelgruppen
über diese Grenze kommen müssen. Wenn dieser Wert nicht erreicht wird, kann man davon
ausgehen, dass eine der möglichen Fehlerquellen vorliegt:
94
- Schlechte Beklebung der Oberflächenelektroden auf der Haut (z.B.: wenig
Muskelbauch; hoher Hautwiderstand; Fettgewebe)
- Problematik in der Weiterleitung der Daten an die Speichereinheit (kaputtes Kabel).
- Schlechte Einstellung des Verstärkers. Die Daten werden zu wenig verstärkt, somit ist
eine Beurteilung der Daten nicht möglich
Jene Muskelgruppen, die diesen Kriterien bei allen sechs Sprüngen entsprechen können, sind
in der Abbildung 3.05 aufgelistet. Für die Weiterverarbeitung werden die absoluten
Differenzen zwischen den beiden Sprüngen pro Proband errechnet. Diese werden prozentuell
dem Mittelwert der beiden Sprünge gegenübergestellt. Je geringer der prozentuelle
Unterschied zwischen den beiden Sprüngen ist, um so höher ist die Zuverlässigkeit und somit
die Reliabilität der Daten einzuschätzen. Liegen die prozentuellen Differenzen bei allen drei
Probanden unter oder um einen Wert von 10 %, ist davon auszugehen, dass die
Zuverlässigkeit der Daten gegeben ist. In der folgenden Abbildung ist dies nur beim Rectus
Femuris rechts und links der Fall. Alle abgebildeten Muskelgruppen fallen zumindest bei
einem der Probanden unter die 10%-Marke. Das kann man deutlich beim Probanden B
beobachten. Dieser Springer hat beim Glutaeus links und rechts geringe Differenzen
aufzuweisen. Gegenüber den anderen Probanden liegt dieser Unterschied zwischen 30% und
Vergleich der EMG - Signale beim Absprung
0.00%
10.00%
20.00%
30.00%
40.00%
50.00%
60.00%
70.00%
80.00%
90.00%
Pro A Pro B Pro C
Probanden
Diff
eren
zen
in P
roze
nt [%
]
Rectus femoris rechtsglutaeus rechtsvastus lateralis linksrectus femoris linksbiceps femoris linksglutaeus links
Abbildung 3.05: Wiederholbarkeit der EMG – Signale während der Absprungbewegung
95
70%. Man kann davon ausgehen, dass die Messungen des Glutaeus rechts und links bei dem
Proband B zuverlässig sind bei den anderen Probanden ein großer Fehler vorhanden ist.
3.2.7.2. Reliabilität der dynamischen Daten zwischen den Probanden
Die Kraftdaten werden auf die gleiche Art und Weise überprüft, wie das bei den
elektromyographischen Daten der Fall ist. Im Gegensatz zum vorherigen Kapitel liegt bei der
Betrachtung dieser Daten keine Problematik mit zu geringen Ausschlägen von der
Kraftmesssohle vor. Dies vereinfacht die Überprüfung der Reliabilität deutlich. Bei dieser
Kontrolle wird das gleiche Zeitfenster auf derselben Position während der
Absprungbewegung wie bei den EMG-Daten verwendet. Die Analyse kann man in Abbildung
3.06 betrachten. Ähnlich wie bei der vorangegangenen Abbildung sind die Differenzen bei
Proband B am wenigsten augeprägt.
Vergleich der Kraft Daten beim Absprung
0.00%
5.00%
10.00%
15.00%
20.00%
25.00%
30.00%
Pro A Pro B Pro C
Probanden
Diff
eren
z in
Pro
zent
[%]
Gesamt LinksGesamt RechtsVorne LinksVorne RechtsHinten LinksHinten RechtsMedial LinksMedial RechtsLateral LinksLateral Rechts
Abbildung 3.06: Wiederholbarkeit der dynamischen Daten während der Absprungbewegung
Das lässt darauf schließen, dass dieser Springer in der Konstanz seiner Sprünge den anderen
Probanden voraus ist. Keiner der gemessenen Parameter kommt bei dieser Überprüfung von
Proband B über die 10% Marke. Bei den anderen Probanden überschreiten jeweils die
Parameter vorne und hinten links diese Marke zum Teil beträchtlich. Die gesamte Kraft auf
der linken Kraftmesssohle ist hingegen deutlich unter der 10%-Linie. Das bedeutet, dass man
96
bis auf die erwähnten Parameter von einer guten Reliabilität bei den Kraftmesssohlen
ausgehen kann. Insgesamt sind die Ausschläge bei dieser Überprüfung deutlich geringer als
bei den EMG-Daten.
3.2.7.3. Vergleich der elektromyographischen Daten mit der Literatur
Elektromyographische Untersuchungen werden in der Skisprung–Literatur sehr selten
durchgeführt. Die ersten Aufzeichnungen dieser Art stammen aus den Jahren 1981 und 1982.
Dabei wurden EMG–Parameter von Simulations- und Schanzensprüngen durchgeführt
(Schwameder 2008; in Druck) In den Arbeiten von Sasaki et al. (1995), Virmavirta und Komi
(1991) und Virmavirta (1999) beschäftigen sich die Autoren hauptsächlich mit den
Muskelaktivierungen während der Absprungphase und den daraus resultierenden Absprung–
Mustern. Für den Vergleich der EMG-Muster zwischen dieser Untersuchung und der Literatur
werden die Ausführungen von Virmavirta und Komi (2001) herangezogen.
Abbildung 3.07: Die linke Graphik ist aus Virmavirta und Komi (2001) und die rechte ist aus meiner zweiten Untersuchung. TA = Tibialis Anterior; GA = Gastrocnemius; VL = vastus lateralis; RE = rectus femoris; GL = glutaeus maximus
Ein statistischer Vergleich zwischen den Datensätzen ist dabei nicht möglich, da die
Datensätze der Autoren nicht veröffentlicht werden. Der Vergleich kann somit nur auf einer
deskriptiven Ebene geschehen. Betrachtet man die Abbildung 3.07, so sieht man die
Ergebnisse der elektromyographischen Untersuchung von Virmavirta/Komi (2001) und dieser
Untersuchung gegenübergestellt. In der rechten Graphik sind die wichtigsten Phasen des
Schanzensprunges farblich hinterlegt dargestellt. Die weiße Phase ist das Durchfahren des
Springers durch den Radius bis zum Ende des Schanzentisches. Der rote Abschnitt markiert
die Flugphase, während die gelbe und grüne Markierung jeweils die 0,5 Sekunden vor und
nach dem Landepunkt darstellen.
97
Die Graphik von Virmavirta/Komi (2001) haben den Sprung ähnlich eingeteilt, wobei das
Hauptaugenmerk vermehrt auf die Anlauf- und Absprungphase gelegt und der Landebereich
nur bis zum Landepunkt beschrieben wird. Die jeweiligen Großbuchstaben auf dem rechten
Rand der Graphiken stehen für die Namen der einzelnen Muskelgruppen. Da bei dieser
Untersuchung der Vastus Lateralis einen sehr geringen Ausschlag der Oberflächenelektrode
hervorgerufen hat, wird statt diesem Muskel der Rectus Femoris verglichen. Diese
Gegenüberstelltung ist bedingt zu interpretieren, da der Rectus Femoris gegenüber dem
Vastus Lateralis ein zweigelenkiger Muskel ist und somit in der Funktion deutlich
unterschiedliche Bedeutung aufweist. Betrachtet man die Ausschläge des Tibialis Anterior, so
kann man ein sehr ähnliches Koordinationsmuster erkennen. Dieser Muskel ist bei beiden
Untersuchungen von Beginn der Radiuseinfahrt bis zur Landephase und darüber hinaus
deutlich aktiv. Das Signal des Gastrocnemius ist in dieser Untersuchung relativ schwach
gegenüber den Vergleichsdaten von Virmavirta und Komi (2001). Eine Interpretation ist für
diese Muskelgruppe daher nicht zulässig. Deutliche Unterschiede kann man für den
Quadrizeps zwischen den beiden Untersuchungen erkennen. Während der Vastus Lateralis
über die gesamte Flugphase aktiv ist, sieht man beim Rectus Femoris der rechten Graphik ein
deutliches Einbrechen dieses Muskels während der Flugphase. Kurz vor und während der
Landephase ist der RE wieder deutlich aktiv. Dieses Koordinationsmuser zeigt sich nicht nur
bei diesem einen Sprung des Probanden B, sondern ist bei allen Probanden und deren
untersuchten Sprüngen sichtbar. In der Radiusposition und bis zum Schanzentisch sind die
Signale des Quadrizeps sehr ähnlich, wenn auch deutlich erkennbar ist, dass die Aktivität des
RE seinen Höhepunkt nach dem Verlassen des Schanzentisches hat, im Gegensatz zum VL
der Untersuchung der Autoren. Die Differenzen, die bei diesen Untersuchungen auftreten
können durch die leicht unterschiedliche Funktionsweisen der beiden zu vergleichenden
Anteile des Quadrizeps interpretiert werden. Ähnlich ist dies bei der Betrachtung des Glutaeus
Maximus. Die Kraftspitzen erkennt man bei beiden Untersuchungen eindeutig in der
Absprungphase und während des Landevorganges. Innerhalb der Flugphase zeigen die
Elektroden kaum Ausschläge einer Muskelaktivität. Diese tritt erst wieder während der
Landephase auf.
Zusammenfassung Reliabilität Elektromyographie:
Elektromyographische Signale unterliegen dem Einfluss von sehr vielen Parametern. Das
Anbringen der Elektroden, das Untergewebe des Probanden, die Beschaffenheit der
Hautoberfläche, die Weiterleitung der Signale und die unterschiedliche Belastung der
98
Muskulatur können das EMG–Signal deutlich verändern. Herauszufiltern, aufgrund welcher
Einflussfaktoren das vorliegende EMG–Muster beeinflusst wurde, ist sehr schwer. Bei dieser
Untersuchung ist versucht worden, den dynamischsten, aber auch den konstantesten Teil der
Gesamtbewegung zu analysieren, nämlich die Absprungbewegung. Wenn das EMG–Signal in
einem Intervall von 0,5 Sekunden vor dem Verlassen des Schanzentisches nicht mindestens
0.050 Millivolt beträgt, wird diese Parameter in der Überprüfung nicht berücksichtigt. Die
höchsten Signale betragen im gleichen Bewegungs- und Zeitabschnitt ca 0.400 Millivolt. Die
weitere Vorgangsweise wird im vorigen Kapitel ausführlich beschrieben. Die
Reliabilitätsüberprüfung zeigt große Unterschiede in den jeweiligen Muskelgruppen auf. Am
besten einzuschätzen scheint dabei der Rectus Femoris für beide Seiten zu sein. Bei allen
anderen Muskelgruppen gibt es zwischen den Probanden sehr große Unterschiede. Für die
Beschreibung der Telemark-Landung werden nur jene Muskelgruppen herangezogen, die
unter der 10%-Marke der Reliabilitätsprüfung geblieben sind. Diese sind in der Tabelle 3.04
aufgelistet. Die Überprüfung von Proband B hat sehr gute Reliabilitätsergebnisse deutlich
gemacht.
Proband A Proband B: Proband C Tibialis ant rechts gastro med rechts vastus lat rechts rectus rechts biceps rechts glutaeus rechts tibialis ant links gastro med links vastus lat links rectus fem links glutaeus links Biceps links Tabelle 3.04: EMG Signale der einzelnen Probanden
Jene Muskelgruppen, die bei Proband B herausgenommen werden, können von Proband A
und C ergänzt werden. Durch den Einsatz des Rucksackes für das Aufbewahren der
Speichereinheiten wird die Bewegungstechnik des Springers verändert. Die Athleten finden
den Unterschied während der Luftphase am deutlichsten.
99
3.2.7.4. Vergleich der dynamischen Daten mit der Literatur
In der Literatur gibt es viele Untersuchungen, bei denen Kräfte während der Absprungphase
überprüft werden. Hauptsächlich werden in den meisten Studien feste Kraftmessplatten
eingesetzt. Mobile Druckmesssohlen, die den plantaren Druck des Fußes messen, werden nur
von Schwameder (1994; 1995) und Virmavirta (1999; 2001) verwendet. Die Untersuchung
der Inversen Dynamik von Kaps et al. (1997) baut auf den Untersuchungen von Schwameder
(1994) auf. Die in diesem Kapitel verwendeten Vergleichsdaten stammen aus der Dissertation
von Schwameder (1994). Bei dieser Studie werden in Stams auf der K-105-Meter Schanze
dynamische und kinematische Daten erhoben. In der Abbildung 3.08 sieht man die Ergebnisse
aus den dynamischen Untersuchungen für das linke Bein. Die Daten werden dabei auf das
Körpergewicht relativiert. Die untere Graphik stammt aus dieser Untersuchung, die am
08.06.2007 in der Ramsau auf einer K-90-Meter Schanze durchgeführt wird. In der Grafik ist
der Reaktionskraft des linken Beines in absoluten Zahlen dargestellt. Die Charakteristik des
Kurvenverlaufes wird durch die Relativierung der Daten nicht verändert. Diese Darstellung
hat den Vorteil, dass verschiedene Probanden besser miteinander vergleichbar sind. In der
unteren Grafik werden drei Sprünge des linken Beines von Proband B gemittelt und jeweils
die Standardabweichungen eingezeichnet. Betrachtet man die Zeitstruktur des Sprunges,
weisen beide Darstellungen eine hohe Übereinstimmung auf, obwohl die Studien auf
verschiedenen Sprungschanzen durchgeführt wird. Beim Zeitpunkt t=-2 tritt bei beiden
Schanzensprüngen eine vermehrte Kraft auf. Dieser erste Anstieg ist die Phase, in der der
Athlet in den Radius der Schanze einfährt und den erhöhten Kräften (insbesondere der
Zentrifugalkraft) widerstehen muss. Bis zum Verlassen des Schanzentisches steigt die Kraft
deutlich an. Bei dieser Untersuchung ist der letzte Kraftanstieg vor dem Verlassen des
Schanzentisches wesentlich geringer, als dies bei der Untersuchung von Schwameder (1994)
der Fall ist. Betrachtet man die Ergebnisse von Haim (2004), der in seiner Untersuchung
Schanzensprünge mit Imitationssprüngen vergleicht, so kann man ebenfalls einen geringeren
Anstieg der Kraftlinie bis hin zum Schanzentisch beobachten. Dies könnte ein Hinweis für
eine Anpassung in der Skisprungtechnik sein, die aber im Folgenden nicht weiter diskutiert
wird.
100
Proband B Kraft links
0
500
1000
1500
2000
2500
-4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 5
Zeit [s]
F [N
ewto
n]
Mittewertx+sx-s
Abbildung 3.08: Die obere Abbildung ist aus Schwameder 1994; die untere Abbildung ist aus der elektromyographischen und dynamischen Untersuchung
Der Abfall der Kraftkurve nach dem Schanzentisch ist in dieser Untersuchung deutlich
geringer zu sehen. Von der zeitlichen Struktur kommt es bei beiden Studien zum Aufsprung
der Probanden ca. 3,2 Sekunden nach dem Verlassen des Schanzentisches. Die drei
verschiedenen Kraftmaxima bei der Aufsprungbewegung kommen durch die Mittelung der
Daten zustande, da die Probanden jeweils eine unterschiedliche Weite erzielen. Die
Charakteristika der Daten stimmen bei beiden Untersuchungen in den wesentlichen Punkten
überein. Dies wird als ein Hinweis für eine hohe Zuverlässigkeit der dynamischen Daten
interpretiert.
101
Zusammenfassung Reliabilität dynamische Daten:
Vergleicht man die Reliabilitätsprüfung zwischen den elektromyographischen und
dynamischen Daten, so kann man davon ausgehen, dass die dynamischen Parameter eine
wesentlich höhere Zuverlässigkeit erzielen, als dies bei der Elektromyographie der Fall ist.
Dies verdeutlicht der Vergleich der Kraftdaten von der Kraftmesssohle während der
Absprungbewegung. Beim Probanden B liegen die Differenzen zwischen den gemessenen
Sprüngen unter 10%, bezogen auf den jeweiligen Wert. Die geringen Differenzen deuten
dabei auf eine normale Variabilität der Bewegungsausführung hin. Bei den Parametern Vorne
und Hinten links wurde die 10% - Grenze bei den Probanden A und C überschritten. Das ist
ein Hinweis darauf, dass diese Parameter mit Vorsicht zu interpretieren sind. Die Gesamtkraft
links ergibt bei allen drei Probanden wiederum eine sehr geringen Differenz.
Die höhere Zuverlässigkeit wird beim Vergleich der dynamischen Daten mit der Literatur
unterstützt. Betrachtet man die Ergebnisse von Schwameder (1994), so ergeben sich in der
Charakteristik der Datensätze sehr hohe Übereinstimmungen. Schlussendlich ist zu sagen,
dass die Reliabilität im Sinne einer analytischen Vorgehensweise mit einem
Korrelationskoeffizienten nicht erfasst werden kann. Eine Abschätzung der Messfehler und
somit der Zuverlässigkeit der Daten auf deskriptive Weise wird in diesem Kapitel
vorgenommen.
102
3.3. Ergebnisse
3.3.1. Ergebnis der elektromyographischen Daten
3.3.1.1. Beschreibung des Telemarks anhand von Proband B
Für die Beschreibung des Telemarks anhand der elektromyographischen und dynamischen
Daten wird der Proband B ausgewählt, da er bei der Reliabilitätsüberprüfung am besten
abgeschnitten hat. In den Diagrammen werden die 0,5 Sekunden vor und nach dem
Aufsprungpunkt ausgewählt. Die Y–Achse schneidet dabei die X–Achse in diesem Punkt, um
eine Unterteilung leichter möglich zu machen. Die Einteilung der unteren Extremität wird in
vorderes und hinteres Bein unterteilt. Diese Bezeichnung meint jeweils das vordere Bein in
der Aufsprungbewegung. Um einen Vergleich der Probanden untereinander möglich zu
machen, wird diese Nomenklatur verwendet. In den Grafiken sind die Absolutwerte der
Untersuchung dargestellt. Diese werden nach der Standard – Filterung und Gleichrichtung mit
einem weiteren Tiefpassfilter von 10 Hz gefiltert. Bei beiden Beinen des Probanden B werden
jeweils 6 Muskel abgeleitet. Es werden beim hinteren Bein der Bizeps Femoris und beim
vorderen Bein der Gastrocnemius aus der Darstellung genommen. Diese Muskeln werden
beim Vergleich mit den anderen Probanden ausführlich diskutiert. Für die Einschätzung der
dargestellten Daten wird das Integral für die 0,5 Sekunden jeweils vor und nach dem
Aufsprung mit dem Absprung gegenübergestellt und prozentuell errechnet. Der hier
dargestellte Aufsprung des Probanden B entspricht einem Standard–Telemark im
Mittelbereich (zwischen 80 und 90 Metern) des Aufsprunghanges.
Bei der Betrachtung der elektromyographischen Daten des hinteren Beines in Abbildung 3.09
fällt auf, dass bei allen 5 Muskelgruppen kaum Voraktivierung vorhanden ist. Die größte
Aktivität ist beim Tibialis Anterior und Rectus Femoris zu beobachten. Betrachtet man die
prozentuelle Verteilung, so entspricht der Tibialis Anterior 95% der Absprungbewegung.
Beim Rectus Femoris beträgt der gleiche Parameter 38%. Während beim Rectus die Aktvität
relativ gering ist, entspricht sie beim Tibialis in etwa der Absprungstärke. Diese beiden
Muskelgruppen sind während der Stabilisierungsphase (bis 0,5 Sekunden nach dem
Aufsprung) des hinteren Beines am aktivsten. Beim Tibialis entspricht das 205% und beim
Rectus 267% beide Muskelgruppen sind in der Stabilisierungphase sehr stark im Einsatz.
103
EMG Daten hinteres Bein
-0.5
0
0.5
1
1.5
2
2.5
-0.5 -0.4 -0.3 -0.2 -0.1 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5
Zeit [s]
Mill
ivol
t [m
v]
Tibialis AnteriorGastro MedialisVastus LateralisRectus femorisGlutäus Maximus
Abbildung 3.09: EMG Daten des hinteren Beines von Proband B
Im Unterschied zum Rectus ist der Vastus Laterlis in der Stabilisierungsphase nur zu 53%
aktiv. Das kann mit den unterschiedlichen Funktionsweisen der Muskelanteile erklärt werden.
Der Rectus Femoris ist ein zweigelenkiger Muskel und ist neben der Kniestreckung auch an
der Hüftbeugung beteiligt während der Vastus Lateralis nur bei der Kniestreckung aktiv ist.
Obwohl der Gastrocnemius in der Stabilisierungsphase in der Abbildung 3.09 sehr wenig
Aktivität zeigt, entspricht das in der prozentuellen Betrachtung 179%. Dieser Wert übersteigt
die Absprungaktivität um mehr als das 1,5 fache und scheint somit in der Stabilisierungsphase
keine unwesentliche Rolle zu spielen. Der Glutaeus Maximus zeigt sowohl in der
Voraktivierungs- als auch in der Stabilisierungsphase kaum Aktivität. Das bestätigt sich auch
im prozentuellen Vergleich mit 4% und 9% während der Stabilisierung.
Bei der Betrachtung des vorderen Beines erkennt man in der Stabilisierungsphase wesentlich
mehr Aktivität als beim hinteren Bein. Auch in dieser Darstellung ist die Voraktivierung
anhand der absoluten Zahlen als sehr gering einzuschätzen. Dies entspricht auch der
prozentuellen Auswertung, bis auf eine Ausnahme. Der Tibialis entspricht ähnlich dem
hinteren Bein in der Voraktivierungsphase 108% der Absprungbewegung. Alle weiteren
prozentuellen Einschätzungen der dargestellten Muskeln bewegen sich zwischen ca. 11%
(Vastus Lateralis) und ca. 45% (Rectus Femoris). Diese geringe Voraktivierung überrascht, da
104
auch in der Literatur (Mahnke/Mross 1997) die Bedeutung einer aktiven Landevorbereitung
betont wird. In der Stabilisierungsphase erscheint das Aktivierungsmuster der Muskelgruppen
wesentlich höher zu sein.
EMG Daten vorderes Bein
-0.5
0
0.5
1
1.5
2
2.5
-0.5 -0.4 -0.3 -0.2 -0.1 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5
Zeit [s]
Mill
ivol
t [m
v]
Tibialis AnteriorVastus LateralisRectus femorisBizeps FemorisGlutäus Maximus
Abbildung 3.10: EMG Daten des vorderen Beines von Proband B
Der Vastus Lateralis zeigt in der Abbildung 3.10 den höchsten Ausschlag. Prozentuell
gesehen ist diese Aktivierung mit 88% nicht ganz der Absprungbewegung gleichzusetzen.
Dieses Muster kann bei fast allen Muskelgruppen beobachtet werden. Die prozentuellen
Verteilungen liegen dabei zwischen ca. 72% (Biceps Femoris) und 111% (Rectus Femoris).
Eine Ausnahme stellt wiederum der Tibialis Anterior dar. Er erreicht in der
Stabilisierungsphase einen Prozentsatz von 219%. Ähnlich wie beim hinteren Bein ist somit
der Tibialis Anterior sowohl in der Voraktivierungs- als auch in der Stabilisierungsphase einer
der aktivsten Muskelgruppen. Im Gegensatz zum hinteren Bein erreicht der Glutaeus
Maximus nach der Landung eine deutlich höhere Aktivierung von 82%. Somit spielt diese
Muskelgruppe beim Probanden B bei diesem Sprung vor allem in der Stabilisierungsphase
des vorderen Beines eine Rolle.
105
3.3.1.2. Vergleich zwischen den Probanden
Für den Vergleich zwischen den Probanden werden nur jene Parameter herangezogen, die in
der Reliabilitätsüberprüfung unter den 10% geblieben sind. Das bedeutet, dass in diesen
Kapiteln nicht immer ein Vergleich zwischen den Probanden stattfinden kann. Die
analysierten Sprünge bei allen Probanden werden aus der Mitte der Trainingseinheit
genommen, und die Landung erfolgte jeweils im oder vor dem Mittelteil des
Aufsprunghanges. Proband A verwendet im Gegensatz zu Proband B und C das linke Bein als
vorderen Fuß während der Telemark–Landung. Die Y-Achse in der Abbildung 3.11
kennzeichnet jeweils den Aufsprungpunkt.
Vastus Lateralis
-0.2
0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
-0.5 -0.4 -0.3 -0.2 -0.1 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5
Zeit [s]
Mill
ivol
t [m
v] Proband AProband B
Rectus Femoris
-0.5
0
0.5
1
1.5
-0.5 -0.4 -0.3 -0.2 -0.1 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5
Zeit [s]
Mill
ivol
t [m
v]
Proband AProband BProband C
Glutaeus Maximus
0
0.1
0.2
0.3
0.4
0.5
-0.5 -0.4 -0.3 -0.2 -0.1 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5Zeit [s]
Mill
ivol
t [m
v] Proband AProband B
Tibialis Anterior
0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
1.2
-0.5 -0.4 -0.3 -0.2 -0.1 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5
Zeit [s]
Mill
ivol
t [m
v] Proband BProband C
Abbildung 3.11: Die Muskelgruppen Vastus Lateralis, Rectus Femoris, Glutaeus Maximus und Tibialis Anterior
innerhalb der Aufsprungbewegung des hinteren Beines im Vergleich zwischen den Probanden.
Bei den Muskelgruppen Vastus Lateralis und Glutaeus Maximus erkennt man deutliche
Unterschiede in der Voraktivierungs- und Stabilisierungphase der Aufsprungbewegung.
Proband A aktiviert die erwähnten Muskelgruppen kurz vor dem Aufsprungpunkt sehr stark
während man bei Proband B sehr wenig Aktivität erkennen kann. Das drückt sich auch bei
den relativierten Zahlen aus. Die Voraktivierung vor dem Aufsprungpunkt befindet sich bei
Proband A bei 33% (Vastus Lateralis) und 35% (Glutaeus Maximus). Proband B weist bei
106
den erwähnten Muskelgruppen nur in der Stabilisierungphase des Vastus Lateralis leichte
Aktivität auf. Der relative Wert für diese Muskelgruppe beträgt 53%.
Der Rectus Femoris ist bei allen drei Probanden während der Aufsprungbewegung sehr aktiv.
Während bei Proband A und C diese Muskelgruppe schon in der Voraktivierungsphase
deutliche Aktivität zeigt, spielt bei Proband B der Rectus Femoris vor allem in der
Stabilisierungsphase nach dem Aufsprungpunkt eine wesentliche Rolle. Diese Bedeutung
stellt sich auch in der Betrachtung der relativen Zahlen mit 267% bezogen auf die
Aufsprungdaten heraus. Bei den anderen Probanden ist das nicht in dieser Form zu
beobachten. Die vorhandene Voraktivierung des Rectus Femoris bei den Probanden A und C
bestätigen sind bei den relativen Zahlen mit Werten von 82% (Proband A) und 33% (Proband
C).
Der Tibialis Anterior kann nur zwischen den Probanden B und C verglichen werden. Die
Kurvenverläufe dieser Muskulatur sind in ihren Charakteristiken sehr ähnlich. Beide
Probanden aktivieren den Tibialis Anterior schon in der Vorbereitungsphase vor dem
Aufsprung. Das wird durch die relativen Zahlen von 95% (Proband B) und 30% (Proband C)
bestätigt. In der Stabilierungsphase wird die Bedeutung des Tibialis Anterior noch wesentlich
deutlicher. Bezogen auf das hintere Bein während des Telemark-Aufsprungs scheint diese
Muskulatur einen großen Anteil für eine gelungene Aufsprungtechnik zu haben. Das drückt
sich durch die relativen Zahlen von 205% (Proband B) und 157% (Proband C) bezogen auf
die Absprungdaten aus.
In der Abbildung 3.12 sind die Muskelgruppen des vorderen Beines bei allen Probanden
abgebildet. Betrachtet man den Vastus Lateralis, so kann man erkennen, dass kurz vor dem
Aufsprungpunkt diese Muskelgruppe aktiv wird. In der Stabilisierungphase kann man bei
allen Probanden eine deutliche Aktivität erkennen. Der hohe Ausschlag von Proband B in der
Stabilisierungphase lässt eine erhöhte Anspannung gegenüber den anderen Probanden
vermuten. Das kann anhand der relativen Daten nicht bestätigt werden. Diese Muskelgruppe
ist zwar mit 88% in der Stabilisierungphase gegenüber den anderen am höchsten, mit 70% bei
Proband A und 28% bei Proband C sind die Unterschiede aber nicht so sehr gegeben, wie die
Abbildung vermuten lässt. Bei allen Probanden erfüllt der Vastus Lateralis eine
stabilisierende Funktion während und nach dem Aufsprungpunkt.
Betrachtet man den Rectus Femoris, so kann man erkennen, dass diese Muskulatur während
der Stabilisierungphase bei allen Probanden sehr aktiv ist. Das zeigt sich auch eindeutig bei
den relativen Werten (105% - Pr. A; 112% - Pr. B; 71% - Pr. C). In der Vorbereitungsphase
107
ergeben sich deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Probanden. Während bei
Proband C in dieser Phase kaum Aktivität vorhanden ist zeigt sich die Vorspannung bei den
anderen Probanden deutlich höher. Betrachtet man Proband A, so kann man erkennen, dass
dieser Athlet eine sehr ausgeglichene Aktivierung des Rectus Femoris sowohl in der
Vorbereitungs- als auch in der Stabilisierungphase realisieren kann. Das zeigt sich anhand der
relativen Werte mit 101% in der Vorbereitungs- und 105% in der Stabilisierungphase. Eine
ausgeglichene Aktivierung dieser Muskelgruppe scheint einen qualitativ hochwertigen
Telemark-Aufsprung zu begünstigen.
Vastus Lateralis
-0.5
0
0.5
1
1.5
2
2.5
-0.5 -0.4 -0.3 -0.2 -0.1 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5
Zeit [s]
Mill
ivol
t [m
v]
Proband AProband BProband C
Rectus Femoris
0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
1.2
-0.5 -0.4 -0.3 -0.2 -0.1 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5Zeit [s]
Mill
ivol
t [m
v]
Proband AProband BProband C
Glutaeus Maximus
-0.5
0
0.5
1
1.5
-0.5 -0.4 -0.3 -0.2 -0.1 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5
Zeit [s]
Mill
ivol
t [m
v]
Proband AProband BProband C
Gastrocnemius
0
0.3
0.6
0.9
-0.5 -0.4 -0.3 -0.2 -0.1 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5
Zeit [s]
Mill
ivol
t [m
v]
Proband AProband C
Tibialis Anterior
0
0.3
0.6
0.9
-0.5 -0.4 -0.3 -0.2 -0.1 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5
Zeit [s]
Mill
ivol
t [m
v] Proband B
Proband C
Abbildung 3.12: Die Muskelgruppen Vastus Lateralis, Rectus Femoris,Glutaeus Maximus, Gastrocnemius und
Tibialis Anterior innerhalb der Aufsprungbewegung des vorderen Beines im Vergleich zwischen den Probanden.
108
Der Glutaeus Maximus kann bei allen Probanden gemessen werden. Bei der Betrachtung des
Kurvenverlaufs sind die Aktivitäten bei allen Probanden sehr ähnlich. Kurz vor dem
Aufsprungpunkt erkennt man einen hohen Peak bei allen Probanden. Das bedeutet, dass in der
Vorbereitungsphase der Glutaeus Maximus mit seiner Funktion der Hüftstreckung dazu
beiträgt, die Hüfte gleichzeitig mit dem Rectus Femoris zu stabilisieren. Bis auf diese kurze
Aktivität spielt diese Muskulatur in der Vorbereitung- und Stabilisierungphase eine
untergeordnete Rolle.
Der Gastrocnemius konnte bei dieser Untersuchung des vorderen Beines nur bei zwei
Probanden aufgezeichnet werden. Bei Proband A und C spielt diese Muskelgruppe eine große
Rolle. Gegenüber den anderen Muskelgruppen erkennt man die meiste Aktivität in der
Vorbereitungsphase auf den Aufsprung. Die relativen Werte erscheinen mit 447% (Proband
A) und 234% (Proband C) sehr hoch. Diese Daten muss man relativieren, da innerhalb der
Absprungbewegung der M. Gastrocnemium kaum Aktivität aufweist und somit der
Bezugspunkt der relativen Werte sehr gering ist. Trotzdem erkennt man bei beiden Probanden
in der Vorbereitungphase höhere Werte als in der Stabilisierungphase nach dem
Aufsprungpunkt.
Der M. Tibialis Anterior ist einer der aktivsten Muskelgruppen während der Aufsprungphase.
Das zeigt sich bei dieser Untersuchung bei den Probanden B und C. Sowohl in der
Vorbereitungs- als auch in der Stabilisierungsphase ist diese Muskelgruppe aktiv.
Insbesondere in der Stabilisierungphase des vorderern Beines kommt dieser Muskulatur eine
besondere Bedeutung zu. Das drückt sich auch durch die relativen Werte mit 219% bei
Proband B und 70% bei Proband C aus. Der größte Unterschied zwischen den beiden
Probanden erkennt man in der Vorbereitungphase. In diesem Abschnitt weist Proband C
deutlich geringere Aktivitäten auf. Das zeigt sich auch bei der Betrachtung der relativen
Werte. Gegenüber Proband B, der mit 108% eine hohe Aktivität aufweist, fällt diese
Anspannung bei Proband C mit 15% relativ gering aus. Der Tibialis Anterior ist für die
Dorsalextension und für das aktive Beugen im Sprunggelenk verantwortlich. In der
Stabilisierungphase während der Aufsprungbewegung stabilisiert er das Sprunggelenk.
109
3.3.1.3. Vergleich zwischen Telemark-Landung und beidbeinigen Aufsprung
Für den Vergleich zwischen der Telemark-Landung und dem beidbeinigen Aufsprung wird
der Proband C hergenommen. Dieser Sportler setzt den Telemark-Aufsprung mit dem rechten
Bein nach vorne. Bei dieser Untersuchung konnten bei beiden Bewegungstechniken 3
Muskelgruppen für das linke Bein herausgefiltert werden. Dies sind der Tibialis Anterior, der
Rectus Femoris und der Bizeps Femoris. Betrachtet man die Abbildung 3.13 sind die
Differenzen zwischen Telemark - und beidbeiniger Landung deutlich zu erkennen.
Tibialis Anterior
0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
1.2
-0.5 -0.4 -0.3 -0.2 -0.1 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5
Zeit [s]
Mill
ivol
t [m
v]
Telemarkbeidbeiniger Aufsprung
Rectus Femoris
0
0.1
0.2
0.3
0.4
0.5
0.6
0.7
-0.5 -0.4 -0.3 -0.2 -0.1 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5
Zeit [s]
Mill
ivol
t [m
v]
Telemark
beidbeiniger Aufsprung
Bizeps Femoris
-0.1
0
0.1
0.2
0.3
0.4
-0.5 -0.4 -0.3 -0.2 -0.1 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5
Zeit [s]
Mill
ivol
t [m
v]
Telemark
beidbeiniger Aufsprung
Abbildung 3.13: Vergleich zwischen der Telemark Landung und beidbeinigen Aufsprung des linken Beines von Proband C
Bei den drei erwähnten Muskelgruppen fällt beim beidbeinigen Aufsprung auf, dass sie kurz
nach dem Landepunkt eine hohe Muskelaktivität aufweisen. Die Einschaltung der Muskeln
erfolgt dabei nahezu gleichzeitig. Der Beginn der Muskelaktivität bei der Telemark-Technik
ist deutlich früher. Beim Tibialis Anterior setzt der Beginn der Muskelspannung um ca. 0,2
110
Sekunden früher ein als beim gleichen Muskel in der beidbeinigen Landeposition. Somit
ergeben sich bei der Betrachtung der Kurvencharakteristika eine stärkere Vorspannung der
Muskelgruppen in der Vorbereitungsphase des Aufsprungs. Dieser Unterschied zeigt sich
auch in den relativen Werten. Zwischen 5% und 15% ist bei der Telemark-Landung die
Aktivität der besprochenen Muskelgruppen in der Vorbereitungsphase höher als bei der
beidbeinigen Landeposition. In der Stabilisierungphase erscheint die Muskelaktivität des
Rectus Femoris bei der Telemark-Technik deutlich geringer. Das ist auch mit den
unterschiedlichen Zeitpunkten der Landeaktivität bei den beiden Techniken zu erklären. Der
Rectus Femoris zeigt bei der beidbeinigen Landung auch in den relativen Werten mit 72%
deutlich höhere Aktivitäten als beim Telemark-Aufsprung. Das ist zu erwarten, da beim
beidbeinigen Aufsprung beide Beine gleich belastet werden und somit mehr Muskelaktivität
im Oberschenkel gefordert ist als beim hinteren Bein der Telemark-Technik. Anders verhält
es sich bei der Betrachtung des Tibialis Anterior. Dieser Muskel hat in der
Stabilisierungphase bei der beidbeinigen Landetechnik deutlich geringere Aktivitäten mit
111% als bei der Telemark-Landung mit einem relativen Wert von 157%. Dieser Unterschied
ergibt sich ausschließlich durch die Betrachtung der relativen Daten. Betrachtet man diesen
Muskel in der Abbildung 3.13, kann man daraus kaum Unterschiede in der
Stabilisierungsphase erkennen. Die Aktivität des Biceps Femoris ist bei der relativen
Betrachtung eher gering. Sowohl in der Vorbereitungs- als auch in der Stabilisierungphase
überschreiten die Werte bei beiden Techniken die 50%-Marke nicht. Ausschließlich der
Zeitpunkt der Aktivierung unterscheidet die beiden Bewegungstechniken. Bei der Telemark-
Technik wird der Biceps Femors um ca. 0,1 Sekunden früher aktiviert als beim beidbeinigen
Aufsprung. Da die Kurvencharakteristik dieses Muskels sehr ähnlich dem Verlauf des Rectus
Femoris ist, besteht die Annahme, dass die beiden Muskelgruppen während der
Aufsprungbewegung bei beiden Landetechniken sehr stark kokontrahieren und somit das
Kniegelenk stabilisieren.
111
Tibialis Anterior
0
0.3
0.6
0.9
-0.5 -0.4 -0.3 -0.2 -0.1 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5
Zeit [s]
Mill
ivol
t [m
v]
Telemark
beidbeiniger Aufsprung
Gastrocnemius
0
0.3
0.6
0.9
-0.5 -0.4 -0.3 -0.2 -0.1 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5
Zeit [s]
Mill
ivol
t [m
v]
Telemark
beidbeiniger Aufsprung
Vastus Lateralis
-0.2
0
0.2
0.4
0.6
0.8
-0.5 -0.4 -0.3 -0.2 -0.1 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5
Zeit [s]
Mill
ivol
t [m
v]
Telemark
beidbeinigerAufsprung
Rectus Femoris
0
0.1
0.2
0.3
0.4
-0.5 -0.4 -0.3 -0.2 -0.1 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5
Zeit [s]
Mill
ivol
t [m
v]
Telemark
beidbeinigerAufsprung
Glutaeus Maximus
0
0.5
1
1.5
-0.5 -0.4 -0.3 -0.2 -0.1 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5
Zeit [s]
Mill
ivol
t [m
v]
Telemark
beidbeiniger Aufsprung
Abbildung 3.14: Vergleich zwischen der Telemark Landung und beidbeinigen Aufsprung des rechten Beines von Proband C
Beim rechten Bein des Probanden C konnte eine sehr umfangreiche Untersuchung der
Muskelgruppen durchgeführt werden. Bei beiden Landetechniken konnten der Tibialis
Anterior, der Gastrocnemius, der Vastus Lateralis, der Rectus Femoris und der Glutaeus
Maximus abgeleitet werden. Die Darstellung der beschriebenen Muskelgruppen sind in
112
Abbildung 3.14 aufgezeichnet. Beim Tibialis Anterior und beim Gastrocnemius sind bei
beiden Landetechniken die geringsten Unterschiede zu beobachten. Die Einschaltzeiten des
Tibialis sind kurz nach dem Aufsprungpunkt. In der Voraktivierung ist sowohl in der
graphischen Darstellung als auch bei den relativen Werten nur sehr geringe Aktivität zu
erkennen. Der Gastrocnemius erreicht bei beiden Landetechniken in der Vorbereitungsphase
seine höchsten Spannungsaktivitäten. Dies äußert sich auch bei den relativen Werten mit
307% beim beidbeinigen Aufsprung und 234% bei der Telemark-Landung. Deutlich mehr
Unterschiede kann man bei den restlichen Muskelgruppen erkennen. Ähnlich wie beim
hinteren Bein erreichen der Vastus Lateralis und der Glutaeus Maximus ihre Aktivierungen
während der Aufsprungbewegung deutlich früher. Der Zeitabstand beträgt dabei ca. 0,1
Sekunden. Wiederum ist erkennbar, dass die beschriebenen Muskelgruppen somit eine
erhöhte Voraktivität bei der Telemark-Technik direkt vor dem Aufsprungpunkt aufweisen.
Bei der Betrachtung der relativen Werte äußert sich das am meisten beim Glutaeus, der mit
39% Aktivierung in der Vorbereitungsphase einen deutlich höheren Wert (5% beim
beidbeinigen Aufsprung) erreicht. Weiters ist zu erkennen, dass die Einschaltzeitpunkte der
Muskelgruppen beim Telemark-Aufsprung einem Koordinationsmuster gleichen. Der
Gastrocnemius ist bei beiden Landetechniken in der Voraktivierung deutlich angespannt. Vor
dem Aufsprungpunkt werden der Glutaeus und der Vastus gleichzeitig aktiv. Ca. 0,1
Sekunden danach erreichen der Tibialis und der Rectus ihre ersten Spannungshöhepunkte fast
gleichzeitig. In ähnlicher Art und Weise kann man das auch bei Proband A erkennen. Bei der
beidbeinigen Landung ist dieses Koordinieren der Einschaltzeitpunkte der Muskulatur nicht
zu beobachten. Dabei erreicht zwar der Gastrognemius wie beim Telemark in der
Vorbereitungsphase seine höchsten Spannungsausschläge, die Aktivierung der restlichen
Muskelgruppen erscheint kurz nach dem Aufsprungpunkt gleichzeitig zu sein. Der deutlichste
Unterschied in den Bewegungstechniken besteht höchstwahrscheinlich in der Voraktivierung
der Muskulatur bei der Telemark-Technik.
113
3.3.1.4. Verleich der Telemark-Landung bei Proband B mit unterschiedlichen
Bedingungen
Für den Vergleich der 2 unterschiedlichen Bedingungen werden die Sprünge 2 und 4 des
Probanden B herangezogen. Für die elektromyographische Analyse werden jene Muskeln
ausgewählt, die in der Reliabilitätsuntersuchung innerhalb des Zeitraums von 0,5 Sekunden
das Intervall von 0,100 Millivolt überschritten haben. Beide Sprünge werden mit einer
Telemark–Landung gestanden, wobei jeweils das rechte Bein nach vorne gezogen wurde. Der
Unterschied in der Bedingung 2 besteht darin, dass der Aufsprung bei einer Weite über den
K-Punkt hinaus gestanden wird. Das bedeutet, dass der Springer innerhalb des Radius landet
und somit deutlich größere Kräfte bei der Landung auf den Athleten wirken. Aus diesem
Grund wird für die Bedingung 2 erwartet, dass die Muskelgruppen höhere Kräfte realisieren
werden.
Tibialis Anterior
0
0.4
0.8
1.2
1.6
-0.5 -0.4 -0.3 -0.2 -0.1 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5
Zeit [s]
Mill
ivol
t [m
v] Bedingung 1Bedingung 2
Gastrocnemius
0
0.1
0.2
0.3
0.4
-0.5 -0.4 -0.3 -0.2 -0.1 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5
Zeit [s]
Mill
ivol
t [m
v] Bedingung 1Bedingung 2
Vastus Lateralis
0
0.1
0.2
0.3
0.4
-0.5 -0.4 -0.3 -0.2 -0.1 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5
Zeit [s]
Mill
ivol
t [m
v]
Bedingung 1Bedingung 2
Rectus Femoris
-0.5
0
0.5
1
1.5
2
2.5
-0.5 -0.4 -0.3 -0.2 -0.1 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5
Zeit [s]
Mill
ivol
t [m
v]
Bedingung 1Bedingung 2
Abbildung 3.15: Vergleich zwischen den Telemark Aufsprung bei beiden Bedingungen des hinteren Beines
114
Bei dieser Analyse werden für das hintere Bein der Tibialis Anterior, der Gastrocnemius, der
Vastus Lateralis und der Rectus Femoris berechnet. Betrachtet man die Zeitpunkte der
Aktivität der soeben genannten Muskeln, ergeben sich kaum Unterschiede zwischen den
beiden Bedingungen. Die Aktivität des Gastrognemius ist bei beiden Bedingungen in der
Vorbereitungsphase des Telemark-Aufsprungs relativ gering. Bei der Betrachtung des
Gastrocnemius beim vorderen Bein der Probanden A und C ist in dieser Phase ein sehr hoher
Ausschlag erkennbar. Der geringe Ausschlag kann einerseits ein Charakteristikum des
Probanden B mit dem hinteren Bein sein, andererseits ist aufgrund des insgesamt relativ
geringen Ausschlages die Fehlerwahrscheinlichkeit deutlich höher als bei den anderen
Muskelgruppen. Bei der Betrachtung der relativen Daten kann man eine deutlich höhere
Aktivität in der Stabilisierungsphase beim Tibialis Anterior (351% gegenüber 205% bei Bed.
1) und Rectus Femoris (366% gegenüber 267% bei Bed. 1) in der Bedingung 2 erkennen. Das
erscheint plausibel, da die höheren Aufsprungkräfte eine stärkere Aktivität der Muskulatur
erfordern.
Bei der Betrachtung des vorderen Beines können mehr Muskeln für beide Bedingungen
abgeleitet werden. Dies sind der Tibialis Anterior, der Vastus Lateralis, der Rectus Femoris,
der Biceps Femoris und der Glutaeus Maximus. Auffällig ist, dass trotz der veränderten
Bedingungen der Proband B weiterhin in der Voraktivierungsphase kaum Aktivitäten in den
gemessenen Muskelgruppen zeigt. Betrachtet man die Zeitpunkte der eingeschalteten
Muskeln, fällt auf, dass insbesondere der Glutaeus Maximus eine deutlich höhere Aktivitäten
in der Stabilisationsphase der Bedingung 2 zeigt. Dieser Muskel ist in der Bedingung 1 nur
sehr gering angespannt. Dies zeigt sich auch in den relativen Daten, die die 100%-Marke in
beiden Phasen nicht erreichen. Anders stellt sich die Situation in der Bedingung 2 dar. Nicht
nur das erste Maximum des Glutaues, sondern auch die Aktivität während der
Stabilisierungphase können deutlich beobachtet werden. Das äußert sich das mit einem Wert
von 407% in der Stabilisierungphase.
115
Tibialis Anterior
0
0.3
0.6
0.9
-0.5 -0.4 -0.3 -0.2 -0.1 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5
Zeit [s]
Mill
ivol
t [m
v]
Bedingung 1
Bedingung 2
Vastus Lateralis
0
0.5
1
1.5
2
2.5
-0.5 -0.4 -0.3 -0.2 -0.1 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5
Zeit [s]
Mill
ivol
t [m
v]
Bedingung 1Bedingung 2
Rectus Femoris
0
0.5
1
1.5
2
-0.5 -0.4 -0.3 -0.2 -0.1 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5
Zeit [s]
Mill
ivol
t [m
v]
Bedingung 1
Bedingung 2
Biceps Femoris
0
0.3
0.6
0.9
1.2
1.5
-0.5 -0.4 -0.3 -0.2 -0.1 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5
Zeit [s]
Mill
ivol
t [m
v]
Bedingung 1
Bedingung 2
Glutaeus Maximus
-0.5
0
0.5
1
1.5
2
-0.5 -0.4 -0.3 -0.2 -0.1 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5
Zeit [s]
Mill
ivol
t [m
v]
Bedingung 1
Bedingung 2
Abbildung 3.16: Vergleich zwischen den Telemark Aufsprung bei beiden Bedingungen des vorderen Beines
Beim Biceps Femoris erkennt man in der Bedingung 2 eine Linksverschiebung der
Muskelaktivität um ca. 0,1 Sekunden. Der Aktivitätseinsatz des Biceps erfolgt somit
gleichzeitig mit dem Glutaeus. Ähnlich verhält sich der Einschaltzeitpunkt beim Rectus
Femoris. Dieser Muskel wird bei der Bedingung 2 nicht ganz um 0,1 Sekunden früher
aktiviert. Bei der Betrachtung der Kurvencharakteristik kann man erkennen, dass der Großteil
der Muskelgruppen in der Bedingung 2 deutlich höhere Muskelausschläge realisieren. Das
bestätigt sich bei der Betrachtung der relativen Daten der Stabilisierungphase. Der Tibialis ist
mit 352% (gegenüber 219%), der Vastus mit 117% (gegenüber 88%), der Rectus mit 223%
(gegenüber 112%), der Biceps mit 136% (gegenüber 72%) und der Glutaeus mit den schon
erwähnten 407% (gegenüber 82%) Muskelspannung aktiv.
116
3.3.2. Ergebnis der dynamischen Daten
3.3.2.1. Beschreibung des Telemarks und Vergleich der Probanden
Die dynamischen Daten werden in der Weiterverarbeitung der Rohdaten anders als die
elektromyographischen Daten behandelt. Da in der Vorbereitungsphase und
Stabilisierungsphase Veränderungen zu erkennen und hauptsächlich der Aufsprungmoment
und die unterschiedlichen Belastungen der einzelnen Springer in dieser Phase
ausschlaggebend sind, wird der Aufsprungpunkt des jeweiligen Beines und Probanden mit
dem Gesamtmaximum ermittelt. Zu diesem Zeitpunkt werden die absoluten Werte der
einzelnen Fußzonen ermittelt. Schwameder (1994) kann nur geringe Aussagen über die
Aufsprungbewegung tätigen. Nicht zuletzt auch deswegen, weil diese Untersuchung mit einer
Frequenz von 40 Hz durchgeführt wird. Da die vorliegende Studie bei den Kraftmessdaten
mit einer Frequenz von 100 Hz durchgeführt wird, ist eine detailliertere Beschreibung der
Aufsprungkräfte möglich. Zu dem beschriebenen Aufsprungzeitpunkt wird die prozentuelle
Verteilung vorgenommen. Diese Ausführung wird in Kapitel 3.2.6.2. beschrieben. Die
Fußzonen werden in der Frontalebene zwischen Medial und Lateral und in der Saggitalebene
zwischen Vorfuß und Ferse unterschieden. Als Grundlage für die Darstellung werden jene
Sprünge weiterverarbeitet, die auch durch die eletromyographischen Daten analysiert werden.
Dies waren der Sprung 3 von Proband A, der Sprung 2 von Proband B und der Sprung 3 von
Proband C. In den folgenden Darstellungen sind die prozentuellen Verteilungen zwischen
vorderem und hinterem Bein, der Frontalebene und der Saggitaleben aufgeführt.
In der Abbildung 3.17 sind alle Variablen des hinteren Fußes prozentuell dargestellt.
Deutliche Unterschiede gibt es bei der ersten Variable, der Kraftverteilung zwischen
vorderem und hinterem Bein. Grundsätzlich sollte die Druckverteilung zwischen den beiden
Beinen gleichmäßig erfolgen. Bei der Untersuchung ist das nur bei Proband A der Fall. Alle
weiteren Probanden haben beim hinteren Bein geringere Gesamtkräfte als beim vorderen Bein
zu verzeichnen. Während sich der Unterschied bei Proband C mit 44% noch in Grenzen hält,
belastet Proband B das hintere Bein nur mit 32%, also weniger als ein Drittel der Gesamtkraft.
Dieses Ergebnis ist deshalb zu erwarten, weil der Proband B in der Außenansicht den
qualitätiv schlechtesten Telemark durchgeführt hat.
117
Prozentuelle Verteilung hinteres Bein
54%
38%
62%
40%42%
59%
44%
63% 64%60%
58%
32%
41%
37% 36%
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
P hinteres Bein P Vorfuss P Ferse P Medial P Lateral
Variablen
Proz
ent [
%]
Proband AProband BProband C
Abbildung 3.17: Prozentuelle Verteilung der dynamischen Daten beim hinteren Bein
Bei der Betrachtung der Saggitalebene sind die Unterschiede zwischen den Probanden nur
sehr gering. Alle Probanden belasten den Fersenabschnitt deutlich mehr als den
Vorfußbereich. Das Verhältnis ist dabei ca. 2/3 Fersenbelastung zu 1/3 Vorfußbelastung.
Proband B hat im Gegensatz zu den anderen Probanden eine höhere Vorfußbelastung (42%).
Dieses Ergebnis scheint eine Folge der geringen Gesamtkraftbelastung des hinteren Beines zu
sein. Bei gleichmäßigeren Belastungen wie bei Proband A und C wird das vorher
beschriebene Verhältnis deutlich.
Bei der Betrachtung der Daten in der Frontalebene wird das Verhältnis zu Lasten der lateralen
Seite deutlich. Alle Probanden belasten die mediale Seite mehr als die laterale. Das steht in
einem Verhältnis von ca. 60:40. Diese Aufsprungposition in der Frontalen birgt die Gefahr,
dass durch eine zu hohe mediale Belastung der hintere Sprungski aufzukippen beginnt und
verschneidet. Diese Gefahr verstärkt sich, wenn das hintere Bein wesentlich geringer belastet
wird als das vordere. In dieser Untersuchung ist dies vor allem bei Proband B der Fall.
In der Abbildung 3.18 zeigt sich in der Variablen Gesamtkraft vorderes Bein das Gegenteil
zur vorherigen Graphik. Proband B belastet den vorderen Fuß zu über 67%. Bei den anderen
Probanden ist dieses Verhältnis deutlich ausgeglichener.
118
Prozentuelle Verteilung vorderes Bein
46%
59%
41%
52%48%
68%
53%58%
65%
51%47%
42%
56%
35%
49%
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
P vorderes Bein P Vorfuss P Ferse P Medial P Lateral
Variablen
Proz
ent [
%]
Proband AProband BProband C
Abbildung 3.18: Prozentuelle Verteilung der dynamischen Daten beim vorderen Bein
In der Saggitalebene treten beim vorderen Bein große Unterschiede in der Belastung zwischen
Vorfuß und Ferse auf. Bei einem guten Telemark ist zu erwarten, dass die Belastung
zwischen Vorfuß und Ferse ausgewogen ist. Dies ist nur bei Proband B der Fall. Bei Proband
A wird der Vorfuß fast mit 60% der gesamten Kraft des vorderen Beines belastet. Bei
Proband C ist das Umgekehrte der Fall. Er belastet den Vorfuß nur zu 35% und hat somit den
Großteil seiner Belastung im Fersenbereich.
Bei der Betrachtung der Frontalebene sind die Daten zwischen den Probanden und zwischen
Medial und Lateral ausgeglichener. Proband A und C belasten sowohl die mediale als auch
die laterale Seite des vorderen Beines ca. gleich stark. Proband B hat wie auch beim hinteren
Fuß die Tendenz, die mediale Seite mit ca. 58% deutlich stärker zu belasten.
3.3.2.2. Vergleich zwischen Telemark und beidbeinigem Aufsprung anhand der
dynamischen Daten
Für den Vergleich zwischen Telemark-Aufsprung und beidbeiniger Landung werden die
gleichen Sprünge wie bei den elektromyographischen Daten verwendet. Um einen Vergleich
herstellen zu können, werden die Beine nicht in rechts und links, sondern in vorderes und
hinteres Bein entsprechend den Telemark–Bezeichnungen eingeteilt. Die dargestellten Daten
werden nach demselben Muster wie in Kapitel 3.2.6.2. bearbeitet.
119
Prozentuelle Verteilung beidbeiniger Aufsprung hinteres Bein
55% 57%
43% 45%
74%
57%
30%
61%
55%
47%
26%
43%49%
70%
39%
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
P hinteres Bein P Vorfuss P Ferse P Medial P Lateral
Variablen
Proz
ent [
%]
Proband AProband BProband C
Abbildung 3.19: Prozentuelle Verteilung der dynamischen Daten beim beidbeinigen Aufsprung des hinteren Beines
Betrachtet man die Gesamtverteilung zwischen vorderem und hinterem Fuß in den folgenden
Abbildungen, kann man kaum Unterschiede zwischen den Probanden erkennen. Somit ist
beim beidbeinigen Aufsprung die Belastung auf beiden Beinen besser verteilt als beim
Telemark-Aufsprung. Relativ große Unterschiede ergeben sich bei der Betrachtung der
Sagittalebene. Beim beidbeinigen Aufsprung haben Proband B und C die größte Belastung im
Fersenbereich. Bei Proband A stellt sich die Situation anders dar. Dieser Athlet hat mit 57%
deutlich mehr Belastung auf den Vorfuß als auf den Rückfuß. Aufgrund der dargestellten
Daten kann man annehmen, dass die hauptsächliche Druckbelastung beim beidbeinigen
Aufsprung des hinteren Beines im Fersenbereich abgefangen wird. Dies bestätigen die Daten
von Proband B und C. Betrachtet man den Telemark-Aufsprung, so erkennt man beim
hinteren Bein bei allen 3 Probanden eine größere Druckverteilung zu Gunsten des
Fersenanteils. Bei Proband B und C ist die Fersenbelastung des hinteren Beines beim
beidbeinigen Aufsprung mit bis zu 74% deutlich höher als beim Telemarkaufsprung (bis 63%
Fersenbelastung). Bei der Druckbelastung in frontaler Ebene ergeben sich einerseits kaum
Unterschiede unter den Probanden, aber auch nicht zwischen den verschiedenen
Aufsprungtechniken. Bei allen Probanden wird sowohl beim Telemark- als auch bei der
beidbeinigen Landung der mediale Anteil leicht mehr belastet als der laterale. Das Verhältnis
ist bei beiden Aufsprungtechniken ähnlich einzuschätzen.
120
Prozentuelle Verteilung beidbeiniger Aufsprung - vorderes Bein
45%
68%
32%
53%
47%
55%
45%
74%
48%52%53%
26%
51%
44%
56%
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
P vorderes Bein P Vorfuss P Ferse P Medial P Lateral
Variablen
Proz
ent [
%]
Proband AProband BProband C
Abbildung 3.20: Prozentuelle Verteilung der dynamischen Daten beim beidbeinigen Aufsprung des vorderen Beines
Bei der Betrachtung der Druckverteilung zwischen vorderem und hinterem Bein sind nur sehr
geringe Unterschiede zu erkennen. Die Druckbelastung beim beidbeinigen Aufsprung ist im
Gegensatz zur Telemark-Technik besser ausgeglichen. Betrachtet man die Belastung in der
Sagittalebene, sind eher überraschende Ergebnisse erkennbar. Proband C hat die
Hauptbelastung beim vorderen Bein sehr stark auf der Ferse. Dies entspricht den gemessenen
Daten des hinteren Beines. Beide Beine werden beim Aufsprung im Fersenbereich deutlich
mehr belastet als im Vorfußbereich. Bei diesen Probanden kann man kaum Unterschiede
zwischen den Bewegungetechniken des Telemarks und des beidbeinigen Aufsprungs
erkennen. Die Fersenbelastung ist immer eindeutig stärker gegeben. Anders verhält sich das
bei Proband B. Während man beim hinteren Bein des beidbeinigen Aufsprungs die
Hauptbelastung zu über 70% im Fersenteil beobachten kann, ist das beim vorderen Bein nicht
zu beobachten. Der vordere Fuß wird zu 53% vom Vorfuß belastet und steht somit
entgegengesetzt zum hinteren Bein. Dieses Ergebnis ist überraschend, da beim beidbeinigen
Aufsprung die Annahme besteht, dass beim Aufsprungpunkt in der Sagittalebene das vordere
und das hintere Bein ähnlich belastet werden. Dies ist bei diesem Probanden nicht der Fall.
Betrachtet man die Daten von Proband A in der Sagittalebene, so kann man erkennen, dass
sowohl beim hinteren als auch beim vorderen Bein der Vorfuß mehr belastet wird als der
Fersenbereich. Die Unterschiede innerhalb des beidbeinigen Aufsprungs halten sich mit ca.
10% in Grenzen. Deutlich wird, dass beim vorderen Bein der Vorfuß prozentuell mehr
beansprucht wird als beim hinteren Bein. Vergleicht man die Daten der beiden
121
Aufsprungtechniken bei Proband A, so kann man erkennen, dass vor allem beim hinteren
Bein in der Telemarkposition der Fersenbereich prozentuell mit 62% deutlich mehr belastet
wird. Diese verstärkte Fersenbelastung zeigt sich bei diesem Probanden nur in der
Telemarkstellung des hinteren Beines. Aufgrund der sehr unterschiedlichen Ergebnisse in der
Sagittalebene lassen sich keine Aussagen verallgemeinern. Die Druckverteilung in diesem
Bereich unterliegt den individuellen Voraussetzungen und Bewegungsformen der einzelnen
Probanden. Die Daten von Proband B lassen aber dennoch darauf schließen, dass bei diesem
beidbeinigen Aufsprung entweder eine Verzögerung eines Beines in der beidbeinigen
Aufsprungtechnik oder eine geringe Schrittstellung vorhanden ist.
Die Betrachtung der Druckverhältnisse in der Frontalebene ergeben wiederum sehr
einheitliche Ergebnisse. Sowohl beim hinteren als auch beim vorderen Bein wird der mediale
Bereich leicht mehr beansprucht als der laterale Druckbereich. Dies zeigt sich nicht nur in der
beidbeinigen Aufsprungtechnik sondern auch bei der Telemark–Landung. Beim Vergleich der
beiden Bewegungstechniken ist auffällig, dass beim hinteren Bein des Telemark–Aufsprungs
der mediale Anteil mit Abstand bei allen drei Probanden am meisten beansprucht wird. Dies
ist beim beidbeinigen Aufsprung in diesem Ausmaß nicht der Fall. Die relativ einheitlichen
Ergebnisse in der Frontalebene äussern sich auch in einer geringen Standardabweichung.
Diese beträgt im schlechtesten Fall 4% und tritt in der Telemarktechnik beim vorderen Bein
auf.
Vorderes Bein [N] Hinteres Bein [N]
Beidbeinig Telemark Beidbeinig Telemark
Proband A 1656 1540 2051 1776
Proband B 2196 3169 1933 1496
Proband C 2093 2276 1999 1792
Tabelle 3.05: Absolute Aufsprungkräfte des vorderen und hinteren Beines im Aufsprungpunkt
In der Tabelle 3.05 sind die absoluten Daten von allen Probanden bei beiden Landetechniken
eingetragen. Für diese Tabelle und auch für die Grundlage der relativen Berechnungen
werden die Maximaldaten während der Aufsprungbewegung herausgefiltert. Die größten
Unterschiede kann man dabei bei Proband B erkennen. Diese Veränderungen entsprechen
auch den relativen Werten. Proband B hat bei dem relativen Vergleich zwischen vorderem
und hinterem Bein mit ca. 67% eine höhere Belastung auf dem vorderen Bein. Der
122
Unterschied zwischen der Belastung des vorderen Beines beim Telemark und beibeinigen
Aufsprung beträgt 973 N. Das ist ein sehr hoher Wert und beträgt ca. 1/3 der Gesamtbelastung
des vorderen Beines beim Telemarkaufsprung. Bei den anderen Probanden hält sich der
absolute Unterschied bei den Gesamtkräften in Grenzen.
3.3.2.3. Vergleich des Telemarks bei Proband B zwischen Bedingung 1 und Bedingung 2
In diesem Kapitel werden die Unterschiede zwischen der Bedingung 1 und Bedingung 2 bei
Proband B untersucht. Die Bedingung 2 steht für gestandene Sprünge bei einem Telemark-
Aufsprung, die über den K-Punkt von 90 Metern gestanden werden. Der K-Punkt ist jener
Punkt im Aufsprunghang, an dem der Radius beginnt. Die Aufsprungkräfte werden somit
grösser und es ist schwieriger die Sprünge über den K-Punkt mit einem Telemark-Aufsprung
zu stehen. Veränderungen in den Druckbelastungen werden in der Bedingung erwartet. Die
Bedingung 1 steht für Telemark-Landungen unterhalb des K-Punktes. Alle weiteren
Probanden können die Bedingung 2 bei ihren Sprüngen nicht erfüllen und werden somit nicht
verglichen. Gleich wie bei den elektromyographischen Daten werden für diese Untersuchung
der 2. und 4. Sprung des Probanden B hergenommen. Die relativen Daten sind in Abbildung
3.21 dargestellt.
Bei der Belastung der beiden Beine kann man erkennen, dass das hintere Bein in der
Bedingung 2 gleichmäßiger belastet wird, als dies in der Bedingung 1 der Fall ist. Das
Verhältnis verändert sich von 32%:68% (Bedingung 1) auf das Verhältnis 40% : 60%
(Bedingung 2). Der Telemark-Aufsprung wird somit nach dem kritischen Punkt
gleichmäßiger von beiden Beinen abgefangen als vor dem kritischen Punkt.
Bei der Betrachtung der Sagittalebene treten nur geringe Unterschiede zwischen den beiden
Bedingungen auf. Interessanterweise wird der Telemark–Aufsprung unter der Bedingung 2
gleichmäßiger bezogen auf den Vorfuß und die Ferse, durchgeführt. Diese Verhältnis drückt
sich mit 46%:54% bei der Bedingung 2 auch in Zahlen aus. Gegenüber der Bedingung 1 tritt
in dieser Betrachtungsweise eine Verbesserung der Belastung des hinteren Beines auf.
123
Relativer Vergleich zwischen 2 Bedingungen - hinteres Bein
32%
42%
58% 59%
41%40%
46%
54%
64%
36%
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
Phinteres Bein Pvorfuss Pferse Pmedial Plateral
Variablen
Proz
ent [
%]
Bedingung 1Bedingung 2
Abbildung 3.21: Relativer Vergleich zwischen den beiden Bedingungen des hinteren Beines
Die Belastungen in der Frontalebene kann man gegenteilig interpretieren. Obwohl wiederum
die Unterschiede zwischen den beiden Versuchen nicht sehr groß sind, entspricht die
Entwicklungstendenz einem negativen Trend. Der Proband B hat unter der Bedingung 1 eine
deutlich höhere Belastung auf den medialen Anteil als auf der lateralen Seite. Dieses
Ungleichgewicht wird unter der Bedingung 2 noch verstärkt. Es liegt die Vermutung nahe,
dass bei größerer Weite der Proband mit dem hinteren Bein stärker medial belastet. Das kann
man auch deswegen so interpretieren, weil beim letzten Versuch des Probanden B, der auf 94
Meter mit einer Telemark–Landung gestanden wurde, große Korrekturen des Telemark in der
Stabilisierungphase nötig waren. Nach dem Videoanalyse scheinen diese Korrekturen den
Ursprung in der ungleichmäßigen Belastung zwischen vorderem und hinterm Bein und der
ungleichmäßigen Belastung zwischen Medial und Lateral beim hinteren Bein zu liegen.
Dieser Sprung kann leider nicht mit den Pedar-Files analysiert werden, da aufgrund von
technischen Problemen keine Aufzeichnung vorhanden sind.
In der Abbildung 5.22 sind die bekannten Variablen des vorderen Beines dargestellt. Die
Verteilung zwischen vorderem und hinterem Bein wird bereits vor einigen Zeilen
angesprochen. Die Unterschiede sowohl in der Sagittal- als auch in der Frontalebene sind
ähnlich gering wie bei den Daten des hinteren Beines. Bei beiden Ebenen kommt es bei der
Bedingung 2 zu einem gewissen Ausgleich zwischen Vorfuß und Ferse beziehungsweise
Medial und Lateral. Die Unterschiede sind in der saggitalen Ebene mit ca. 5% leicht höher als
in der Frontalen mit ca. 2%.
124
Beim vorderen Bein ergeben sich aufgrund der Daten sehr geringe Unterschiede zu
Bedingung 1. Die Tendenzen der Unterschiede gehen in eine gleichmäßigere Verteilung der
Belastungen sowohl in der Sagittal- als auch in der Frontalebene. Dies kann auch aus der
verstärkten Konzentration auf das vordere Bein resultieren. Da der Proband B in der
Bedingung 2 das hintere Bein deutlich mehr medial belastet, muss das hintere Bein versuchen,
besser zu stabilisieren. Das könnte eine mögliche Begründung für die gemessenen Daten beim
Vergleich der beiden Bedingungen sein.
Relativer Vergleich zwischen den 2 Bedingungen - vorderes Bein
68%
47%
53%58%
42%
60%
42%
58%56%
44%
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
Pvorderes Bein Pvorfuss Pferse Pmedial Plateral
Variablen
Proz
ent [
%]
Bedingung 1Bedingung 2
Abbildung 5.22: Relativer Vergleich zwischen den beiden Bedingungen des vorderen Beines
125
3.4. Interpretation
Die Interpretation der elektromyographischen und dynamischen Untersuchung bezieht sich
auf die Daten, die im Frühjahr 2007 erhoben werden. Aufgrund der Interpretation der Daten
von den Olympischen Spielen in Turin 2006 kann angenommen werden, dass bei der
Aufsprungbewegung insbesondere die Vorbereitungsphase auf die Landung eine sehr große
Rolle spielt. Diese Annahme wird aufgrund der elektromyographischen Daten nicht bestätigt.
In den letzten 0,5 Sekunden vor dem Aufsprungpunkt kann bei Proband A und Proband C ein
hoher Ausschlag des M. Gastrocnemius jeweils des vorderen Beines beobachtet werden.
Diese Muskelgruppe ist die einzige Muskulatur, die zu Beginn der Vorbereitungsphase schon
hohe Ausschläge aufweisen kann. Alle weiteren Muskelgruppen werden kurz vor oder kurz
nach dem Aufsprungpunkt aktiv. Diese Aktivität kann vor allem beim vorderen Bein
beobachtet werden. Beim hinteren Bein der Probanden kann eine Abschätzung dieser
Muskelgruppe nicht erfolgen, da die jeweiligen Signale zu gering für eine Interpretation sind.
Der M. Gastrocnemius ist für die Plantarflexion im Sprunggelenk zuständig. Betrachtet man
diese Aktivität in Bezug auf die kinematischen Daten des vorderen Sprunggelenkes, so wird
deutlich, dass kurz vor dem Aufsprungpunkt die Dorsalextension von ca. 60° in der
Vorbereitungsphase auf ca. 90° beim Aufsprungpunkt vergrößert wird. Diese Vergrößerung
des Sprunggelenkswinkels ist nur beim vorderen Sprunggelenk in dieser Deutlichkeit sichtbar.
Beim hinteren Sprunggelenk ist nur eine geringe Vergrößerung sichtbar. Somit kann man
vermuten, dass die hohe Voraktivierung des Gastrocnemius eine Besonderheit des vorderen
Beines in der Telemarkposition ist. Beim hinteren Bein ist die Vermutung groß, dass die
Voraktivierung bei der Telemark–Landung nur im geringen Maße durchgeführt wird.
Sowohl beim hinteren als auch beim vorderen Bein kann man bei der Betrachtung der
elektromyographischen Daten ein gewisses Koordinationsmuster erkennen. Sowohl bei
Proband B als auch bei Proband C kann während der Aufsprungbewegung eine abwechselnde
Aktivität des M. Tibialis Anterior und des M. Rectus Femoris beobachtet werden. Vor dem
Aufsprungpunkt wird jeweils der M. Tibialis Anterior aktiv. Diese Aktivierung wird
wiederum geringer, wenn der M. rectus femoris seine höchste Innervation hat. Kurz nach
diesem Maximum wird der M. Rectus Femoris wieder geringer und der M. Tibialis Anterior
übernimmt wieder sehr viel Aktivität. Das Zusammenspiel dieser beiden Muskelgruppen
scheint ein wichtiges Koordinationsmuster in der Aufsprungbewegung des Telemarks beim
hinteren Bein zu sein.
126
Beim vorderen Bein ist bei allen drei Probanden eine gleichzeitige Aktivität des M. Glutaeus
maximus und des Vastus Lateralis zu beobachten. Diese Aktivitäten kurz vor und während
dem Aufsprungpunkt scheinen das vordere Bein während der Aufsprungbewegung zu
stabilisieren. Betrachtet man die Funktionsweisen der Muskulatur, so sollte man vermuten,
dass vor allem der M. Rectus Femoris gleichzeitig mit dem M. Glutaeus Maximus kontrahiert
werden sollte. Das würde eine Kokantraktion im Hüftgelenk ergeben und somit die Hüfte in
der Aufsprungbewegung zusätzlich stabilisieren. Interessanterweise ist das kaum der Fall.
Vielmehr schaltet sich der M. Vastus Lateralis mit dem M. Glutaeus Maximus gleich. Diese
Muskelgruppe ist vor allem für die Knieextension und Hüftextension verantwortlich. Der M.
Rectus Femoris schaltet sich im Koordinationsmuster zumeist etwas später ein. Dieses Muster
kann in unterschiedlicher Ausprägungsform bei allen Probanden beobachtet werden. Um eine
weitere Bestätigung für diese Einschaltung des Muskulaturen zu erhalten sind weitere
Untersuchungen nötig.
Bei der Beschreibung des Telemark Aufsprungs durch die dynamischen Daten werden vor
allem die prozentuelle Verteilung der Kräfte im Aufsprungpunkt betrachtet. Auffällig ist
dabei, dass beim Telemark Aufsprung Proband B deutlich mehr Kraft auf das vordere Bein als
auf das hintere Bein legt. Die restlichen Probanden können eine ausgewogene Belastung beim
Aufsprungpunkt zwischen vorderen und hinteren Bein erreichen.
Nach dem Technikleitbild (Wolf 1997) sollten beide Beine gleichzeitig aufgesetzt werden.
Anhand der Daten der Kraftmesssohle kann bei allen Probanden ein gleichzeitiges Aufsetzen
bei der Telemark-Landung beobachtet werden. Durch die Veränderungen im Materialsektor
wird das Band, das des Sprungschuh mit dem Sprungschi verbindet, immer kürzer gehalten.
Mahnke/Mroß (1997) haben diese Entwicklung sehr kritisch betrachtet, da die geforderten
Anstellwinkel und Körperpositionen in der Luftfahrt dadurch schwerer realisierbar werden.
Einen deutlichen Effekt hat die Verkürzung des Bandes für den Telemark-Aufsprung. Im
Rahmentrainingsplan von Wolf (1997) wird das Technikleitbild folgendermaßen beschrieben:
„Der Unterschenkelwinkel des vorderen Beines soll annähernd senkrecht zum Ski stehen; der Unterschenkel des
hinteren Beines ist parallel zum Ski.“ (Wolf; 1997; S33)
Diese Technikbeschreibung, die auch in der IWO festgeschrieben wird, hat zu Folge, dass die
Belastungen des Telemarks zum Grossteil mit den vorderen Bein abgefangen werden, da das
hintere Bein parallel zum Sprungski zu sein hat. Durch das Verkürzen des Bandes wird diese
127
Forderung nicht mehr möglich. In der IWO wird die Technikveränderung folgendermassen
umgeschrieben:
„Der Springer soll dabei gleichzeitig die Schrittstellung weiter vergrössern und mit dem hinteren Bein
entsprechend tiefer einbeugen (Telemark – Beinstellung) sowie bei schmaler Skiführung den Landedruck
gleichmässig auf beide Seiten verteilen und zur Stabilisierung des Gleichgewichts die Arme waagrecht nach
vorn/oben strecken.“(IWO; S61)
In dieser Ausführung des Wettkampfbestimmungen wird auf die parallele
Unterschenkelführung verzichtet und darauf hingewiesen, dass die Druckverteilung zwischen
vorderem und hinterem Bein gleichmässig stattfindet. Diese Forderung der IWO kann durch
die Messungen der Kraftmesssohle für einen guten Telemark–Aufsprung bestätigt werden.
Eindeutige Aussagen ergeben die Untersuchung der Kraftmessbereiche in der sagittalen und
frontalen Ebene. Bei allen 3 Probanden wird der Fersenbereich deutlich mehr beansprucht als
der Vorfußbereich. Das Verhältnis entspricht in etwa 2/3 Belastung im Fersenbereich zu 1/3
Belastung im Vorfußbereich. Dieses Ergebnis ist überraschend, da man vermuten sollte, dass
das Hauptgewicht beim hinteren Bein eher im Vorfußbereich sein sollte. Dieses Ergebnis
könnte eine Folge der verwendeten Messmethode sein. Durch das Zusatzgewicht im
Rückenbereich ist es möglich, dass der Schwerpunkt des Gesamtkörpersystems weiter nach
hinten gezogen wird und somit beim hinteren Bein die Fersenbelastung deutlich höher ausfällt
als die Vorfußbelastung. Um diesen Faktor weiters zu beleuchten. ist für mögliche weitere
Untersuchungen eine Verfeinerung der Messmethode nötig.
Bezogen auf die Frontalebene kann ebenfalls eine eindeutige Aussage getroffen werden. Der
mediale Bereich wird gegenüber dem lateralen Bereich deutlich mehr belastet. Das Verhältnis
ist ähnlich wie in der Sagittalebene und liegt bei ca. 60:40%. Die einseitige Beanspruchung
des medialen Sohlenbereichs lässt eine Valgusposition des Kniegelenks vermuten. Wenn das
hintere Bein im Aufsprungpunkt mehr medial belastet wird und deutlich weniger Kraft als auf
dem vorderen Bein wirkt, so kann das zu einer sehr instabilen Telemark–Landung führen. Das
kann man qualitativ bei Proband B erkennen. Dieser Athlet hat vor allem bei höheren Weiten
Probleme, die Stabilität des Telemark–Aufsprungs zu halten. Die erhobenen Daten können
diese Problematik quantitativ unterstützen. Eine ausgewogene Belastung zwischen dem
medialen und lateralen Bereich des hinteren Beines sollte Ziel einer guten Telemark-Landung
sein.
128
Betrachtet man die erwähnten Ebenen des vorderen Beines, so kann kein einheitlicher Schluß
gezogen werden. Bei der Verteilung in der Sagittalebene belastet Proband A deutlich mehr
den Vorfuß. Proband B erreicht eine sehr ausgewogene Verteilung zwischen Vorfuß und
Ferse und Proband C belastet den Fersenbereich deutlich mehr als den Vorfuß. Diese
Ergebnisse können wiederum durch das zusätzliche Gewicht der Messgeräte bedingt sein.
Andererseits ist es auch möglich, dass die Belastung in der Sagittalebene sehr individuell
erfolgt. Bei der Kraftverteilung in der Frontalebene werden die mediale und laterale Seite
sehr ausgewogen belastet. Das entspricht einer sehr guten Belastungsverteilung.
129
4. Zusammenfassende Schlussfolgerung
Aufgrund der dargestellten und beschriebenen Untersuchungen können abschließend folgende
Schlussfolgerungen für den weiteren wissenschaftlichen Diskurs und für die Praxis gezogen
werden:
• Bei der Korrelationsanalyse zwischen den erhobenen Parametern aus der
kinematischen Analyse und der Benotung durch die Kampfrichter können
folgende Parameter als signifikant herausgefiltert werden:
Sprungweite
Sprunggelenk hinten
Schulter rechts
Schulter links
Winkel zwischen der Horizontalen und dem Ski des vorderen Beines
Winkel zwischen der Horizontalen und dem Ski des hinteren Beines
Die Sprungweite ist in diesem Zusammenhang als eine der wesentlichsten
Einflußfaktoren zu sehen. Weiters sollte der Springer bei der Telemark-
Landung darauf achten, dass er die Arme deutlich und mit großer
Körperspannung in die Seithalteposition führt und das hintere Sprunggelenk so
stark wie möglich (abhängig von der Bandlänge) beugt. Statistisch gesehen
sind diese Parameter jene Faktoren, die die Kampfrichter am stärksten
beurteilen.
• Bei der Unterschiedsanalyse der kinematischen Daten konnten fünf Parameter
herausgefiltert werden, die zum Zeitpunkt t4 signifikante Unterschiede
zwischen den besten und schlechtesten Springern des ersten Durchgangs der
Olympischen Spiele auf der Kleinschanze aufweisen.:
Sprunggelenk vorne*
Schulter rechts*
Schulter links*
Winkel zwischen der Horizontalen und dem Ski des vorderen Beines**
Winkel zwischen der Horizontalen und dem Ski des hinteren Beines**
Die hoch signifikanten Winkelparameter zwischen der Horizontalen und dem
Sprungski lassen darauf schließen, dass die besten Skispringer in der Lage
sind, ihre Flugposition bis kurz vor dem Aufsprungpunkt so lange wie möglich
130
zu halten, und trotzdem einen sehr guten Telemark Aufsprung durchzuführen.
Diese Flugposition zum Zeitpunkt t4 ist wahrscheinlich aufgrund eines
größeren rückwärtsdrehenden Drehmoments realisierbar. Die
Vorbereitungsphase vor dem Aufsprungpunkt scheint aufgrund dieser Analyse
eine sehr sensible Phase für das Gelingen eines guten Telemark-Aufsprungs zu
sein.
• Bei der Analyse der elektromyographischen Daten ist auffällig, dass bei den
Probanden relativ geringe Aktivitäten in der Vorbereitungsphase (0,5
Sekunden vor dem Aufsprungpunkt) bei fast allen Muskelgruppen beobachtbar
sind. Eine Ausnahme stellt dabei der M. Gastrocnemius dar. Diese
Muskelgruppe ist in der Vorbereitungsphase deutlich aktiver als in der
darauffolgenden Stabilisierungsphase. Für einen sicheren Telemark-Aufsprung
ist es nötig, in der Vorbereitung auf den Aufsprungpunkt die Muskulatur
stärker zu aktivieren und den kommenden Kräften entgegenzuwirken. Es gilt
zu beachten, dass diese Untersuchung nicht mit Weltklasse-Springern
durchgeführt wurde und somit eine generelle Aussage über die Voraktivierung
nicht möglich ist. Diesem Punkt sollte in weiterführenden Untersuchungen
mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden.
• Bei geringer Aktivität der Muskelgruppen der unteren Extremität des hinteren
Beines während der Telemark-Landung besteht die Gefahr, das Hüft- und
Kniegelenk ungenügend zu stabilisieren. Das hat zur Folge, dass auf dem
hinteren Bein weniger Kraft realisiert werden kann und somit der mediale
Bereich der Fusssohle stärker beansprucht wird als der laterale. Das führt
während der Telemark-Landung zu einem Ungleichgewicht sowohl in der
frontalen- als auch in der sagittalen Ebene. Das konnte aufgrund der
elektromyographischen und dynamischen Untersuchung bei Proband B
mehrmals festgestellt werden. Das Gelingen eines guten Telemark-Aufsprungs
ist somit abhängig von einer gleichmäßigen Kraftverteilung sowohl zwischen
vorderen und hinteren Bein als auch zwischen medial und lateral auf beiden
Beinen. Diese Vermutung konnte anhand der erhobenen Daten bestätigt
werden.
131
• Die Unterschiede zwischen Telemark-Landung und dem beidbeinigen
Aufsprung können folgendermaßen zusammengefasst werden:
Bei der elektromyographischen Ableitung kommt es beim Telemark
Aufsprung bei einem Großteil der Muskelgruppen zu einer früheren
Aktivierung als beim beidbeinigen Aufsprung.
Die Aktivierungscharakteristika während der Aufsprungphase sind bei
den untersuchten Muskelgruppen sehr ähnlich. Die einzige Ausnahme
bei dieser Untersuchung besteht im Rectus Femoris des hinteren Beines
während des Telemark-Aufsprungs.
Aufgrund der dynamischen Daten kann man feststellen, dass bei der
Telemark-Technik der mediale Anteil des hinteren Beines bei allen
Probanden deutlich mehr beansprucht wird als der latere. Beim
beidbeinigen Aufsprung stellt sich das Kräfteverhältnis zwischen
medialen und lateralen Anteil deutlich ausgeglichener dar.
Die früheren Aktivitäten der untersuchten Muskelgruppen während des
Telemark-Aufsprungs lassen auf eine Bevorzugung dieser Technik für einen
sicheren Aufsprung schließen. Dieser kann aber nur gewährleistet werden,
wenn der Springer in der Lage ist, sowohl in sagittaler als auch in frontaler
Ebene beide Beine gleich zu beanspruchen. Die Daten der vorliegenden
Untersuchung weisen darauf hin, dass insbesondere in sagittaler Ebene diese
Vorraussetzung nicht gegeben ist. In weiteren Untersuchungen sollte näher auf
Unterschiede zwischen der Telemark-Technik und dem beidbeinigen
Aufsprung eingegangen werden. Diese Thematik ist vor allem bei
Sprungweiten über den K-Punkt interessant und noch weitgehend unerforscht.
• Bei einem Probanden wird in dieser Untersuchung auf den Unterschied
zwischen dem Telemark-Aufsprung in der Mitte des Aufsprunghanges und bei
Sprungweiten über den K-Punkt eingegangen. Bei den elektromyographischen
Ableitungen zeigen sich sowohl absolut als auch relativ (bezogen auf den
Absprung) deutlich erhöhte Aktivierungsmuster aller Muskelgruppen der
unteren Extremität. Aufgrund der dynamischen Daten kann bei diesem
Probanden eine deutlich höhere Belastung des medialen Anteils des hinteren
Beines beobachtet werden. Das hat dazu geführt, dass der Springer bei dieser
Telemark-Landung Probleme hat, den Sprung zu stehen. Das unterstreicht die
bereits besprochene Vermutung, dass die gleichmäßige Belastung des hinteren
132
Beines in der sagittalen Ebene ein wichtiger Bestandteil einer sicheren
Telemark-Landung darstellt.
• Die Messmethodik der dynamischen und elektromyographischen Daten muss
bei dieser Untersuchung als problematisch eingeschätzt werden. Für weitere
Untersuchungen in diesem Bereich ist eine Weiterentwicklung der
Messmethodik nötig um, reliablere Daten zu erhalten.
5. Zusammenfassung
In dieser Arbeit wird der Telemark-Aufsprung anhand von biomechanischen Methoden
analysiert. Im ersten Teil wird eine umfassende Analyse der bisherigen Literatur bezogen auf
die Flug- und Aufsprungphase gegeben. Zwei wissenschaftliche Beiträge stehen dabei im
Vordergrund. Hochmuth (1999) analysiert aufgrund von Labor- und 2D-kinematischen
Untersuchungen die Kräfte während der Aufsprungphase und kommt zu dem Schluss, dass
ein steileres Führen der Sprungski kurz vor dem Aufsprungpunkt eine Verlängerung der
Aufsprungphase mit sich zieht und die auftretenden Kräfte verringert werden können. Seo et
al.(2001) führt Untersuchungen im Windkanal mit einer Bodenplatte durch und findet unter
Laborbedingungen heraus, dass bei Beibehalten der Flugposition in Bodennähe eine höhere
Weite um bis zu drei Metern realisierbar ist. Die vorliegende Arbeit soll einerseits eine
Beschreibung der Telemark-Technik aufgrund von biomechanischen Daten ermöglichen und
andererseits Leistungsunterschiede zwischen besseren und schlechteren Springern aufzeigen.
Die erste Untersuchung wird am 12.02.2006 bei den Olympischen Spielen in Turin während
dem ersten Durchgang auf der Kleinschanze durchgeführt. Dabei werden die Springer in der
Flug- und Landephase von zwei synchronisierten analogen Videokameras aufgenommen. Mit
Hilfe des Auswerteprogramms SIMI MOTION können 3D-Kinematiken und somit Winkel-
und Abstandsberechnungen vorgenommen werden. Durch die Korrelationsanalyse der
erhobenen Parameter mit der Kampfrichternote und eine Unterschiedsprüfung zwischen den
besten und schlechtesten Athleten dieses Durchgangs können Rückschlüsse auf die
Einflussfaktoren der Kampfrichterbewertung und Leistungsreserven in der Vorbereitung auf
den Aufsprungpunkt erkannt werden.
133
Die zweite Untersuchung findet am 08.06.2007 unter Trainingsbedingungen auf der
Kleinschanze in der Ramsau am Dachstein statt. Bei dieser Studie werden
elektromyographische und dynamische Daten während des gesamten Sprungs aufgenommen
und insbesondere vor und während der Landephase analysiert. Die Athleten mussten dabei
mit einem Rucksack springen, da die Speichergeräte am Körper geführt werden sollten. Diese
Untersuchung gibt Aufschlüsse über die Aktivitätsmuster der Muskelgruppen der unteren
Extremität vor, während und nach dem Aufsprungpunkt. Weiters kann man anhand der
dynamischen Daten Rückschlüsse auf die verteilten Belastungen im Aufsprungpunkt geben.
Eine Einschätzung über die Vorzüge und Nachteile der Telemark-Technik gegenüber dem
beidbeinigen Aufsprung wird somit möglich.
134
6. Literaturverzeichnis
1. ARNDT A.; BRÜGGEMANN G.-P.; VIRMAVIRTA M.; KOMI P. (1995).
Techniques used by olympic ski jumpers in the transition from take-off to early flight.
Journal of applied biomechanics; 11 (1995); 224-237
2. BRÜGGEMANN G.-P.; ARNDT A.; VIRMAVIRTA M.; KOMI P. (2001).
Transition from take-off to early flight: Lillehammer experience. In: Current issues on
biomechanics of ski jumping : abstract book ; January 7, 2001, University of Salzburg,
Austria; 18-19
3. DROSTE P.; STROTMANN R. (2003). Telemark skiing. Oxford: Meyer und Meyer
4. FIS (2004). Internationale Wettkampfordnung. Oberhofen; 2004
5. HAIM H. (2004). Strukturanalyse von Imitations- und Schanzensprüngen anhand
biomechanischer Kenngrößen; Diplomarbeit; - 164
6. HILDEBRAND F.; MAHNKE R. (2003). Erkenntnisse aus der Modellierung des
Skisprungs. Zeitschrift für angewandte Trainingswissenschaft, 2 (2003), 113-131
7. JIN H.; SHIMIZU S.; WATANUKI T.; KUBOTA H.; KABAYASHI K.(1995).
Desirable gliding styles and techniques in Ski jumping. Journal of applied
biomechanics; 11 (1995) 460-474
8. JOST B.; KUGOVNIK O.; STROJNIK V.; COLIJA I. (1997). Analysis of kinematic
variables and their relation to the performance of ski jumpers at the world
championship in ski flights at Planica in 1994. Kinesiology 29 (1997) 1: 35-44
9. KAPS P.; SCHWAMEDER H.; ENGSTLER C. (1997). Inverse dynamic analysis of
take-off in ski jumping. In: Science and skiing : [first International Congress on Skiing
and Science, St. Christoph a. Arlberg, Austria, January 7 - 13, 1996];72-87
10. KOMI P. V.; VIRMAVIRTA M (1997). Ski-Jumping take-off performance:
determining factors and methodological advances. In: Science and skiing : [first
International Congress on Skiing and Science, St. Christoph a. Arlberg, Austria,
January 7 - 13, 1996]; 3-26
11. KREIBICH S. (2003). Untersuchungen zur Optimierung der Bindungseinstellung und
Materialanpassung im Skispringen. Zeitschrift für angewandte Trainingswissenschaft,
2, (2003);111-126
12. MAHNKE R.; MROSS H. (1995). Analyse zur sportlichen Technik im Skispringen
bei den Olympischen Spielen 1994 in Lillehammer und deren Entwicklung im
135
Zeitraum von 1991 bis 1994. Zeitschrift für angewandte Trainingswissenschaft, 3
(1995) 8-28
13. MAHNKE R.; MROSS H. (1997). Biomechanischer Punktwert und Punktwert
Flugqualität – Möglichkeiten zur Einschätzung der Skisprungleistung. Zeitschrift für
angewandte Trainingswissenschaft, 1 (1997), 26-41
14. MAHNKE R.; MROSS H. (1997). Ergebnisse von Technik- und Leistungsanalysen
im Skispringen bei den Nordischen Skiweltmeisterschaften 1997 in Trondheim.
Zeitschrift für angewandte Trainingswissenschaft, 1 (1997), 42-69
15. MAHNKE R.; MROSS H.; MÜLLER S. (2002) Entwicklungstendenzen im
Skispringen im Olympiazyklus 1998-2002. Zeitschrift für angewandte
Trainingswissenschaft, 1 (2002), 58-77
16. MÜLLER E.; SCHWAMEDER H. (2003). Biomechanical aspects of new techniques
in alpine skiing and ski-jumping. Journal of Sports Sciences; 21 (2003); 679-692
17. MÜLLER W. (1997). Biomechanics of ski-jumping – scientific jumping hill design.
In: Science and skiing : [first International Congress on Skiing and Science, St.
Christoph a. Arlberg, Austria, January 7 - 13, 1996]; 36-48
18. MÜLLER W.; PLATZER D.; SCHMÖLZER B. (1996). Dynamics of human flight on
skis: Improvements in Safety and Fairness in Ski Jumping. Journal of Biomechanics;
29 (1996); 1061-1068
19. SASAKI T.; TSUNODA K.; KOIKE T. (2004). Kinetic analysis of ski jumping in the
period of transition area. In: 3rd International Congress on Skiing and Science : March
28 - April 3, 2004, Snowmass at Aspen, CO USA ; abstract book; 18-19
20. SASAKI T.; TSUNODA K.; HOSHINO H.; MINOUCHI Y.; MIYAKE S.; ONO M.
(2006). Behavior of acceleration at the transition area in ski jumping. In: Congress
proceedings / International Congress on Science and Nordic Skiing : June 18. - 20.
2006, Vuokatti, Finnland; (2006); 39
21. SASAKI T.; TSUNODA K.; HOSHINO H.; ONO M. (2000). Aerodynamic force
during flight phase in ski jumping. In: Science and skiing II : [Tagungsband,
Universität Salzburg ; 2nd International Congress on Science and Skiing ; St.
Christoph a. Arlberg, Austria, January 9 - 15, 2000] / Erich Müller (Hrsg.). –
Hamburg; 115-118
22. SCHMÖLZER B.; MÜLLER W. (1996). The influence of lift and drag on the jump
length in ski jumping. In: Abstracts / 1st International Congress on Skiing and
Science : January 7 - 13, 1996 St. Christoph a. Arlberg, Austria; 274-277
136
137
23. SCHMÖLZER B.; MÜLLER W. (2002). The importance of being light: aerodynamic
forces and weight in ski jumping. Journal of Biomechanics 35 (2002); 1059-1069
24. SCHMÖLZER B.; MÜLLER W. (2005). Individual flight styles in ski jumping:
results obtained during Olympic Games competitions. Journal of Biomechanics; 38
(2005) 1055-1065
25. SCHWAMEDER H. (1994). Biokinematische und biodynamische Analyse der V-
Technik im Skispringen. Dissertation;- 255
26. SCHWAMEDER H.; MÜLLER E.; DE MONTE G.; POTTHAST W.;
BRÜGGEMANN G.-P.; VIRMAVIRTA M.; ISOLEHTO J.; KOMI P. (2004).
Kinematic characteristics of the early flight phase in ski-jumping. In: 3rd International
Congress on Skiing and Science : March 28 - April 3, 2004, Snowmass at Aspen, CO
USA ; abstract book; 15-16
27. SCHWAMEDER H.; RASCHNER C.; MÜLLER E. (1994). Dreidimensionale
biokinematische Analyse der Absprung- und ersten Flugphase im Skispringen. In:
Sportliche Leistung und Training. 1. gemeinsames Symposium der dvs-Sektionen
Biomechanik, Sportmotorik und Trainingswissenschaft vom 28. -30. 9. 1994 in
Leipzig; 199-204
28. SEO K.; WATANABE I.; IGARASHI M.; KIMURA S.; MURAKAMI M.; (2001).
Aerodynamic study for the ground effect of ski jumping. In: Proceedings of oral
sessions : XIX International Symposium on Biomechanics in Sports, June 20 - 26,
2001; 128-130
29. UHLAR R.; JANURA M.; (2006). Ski Jump flight as an optimization Task. In:
Congress Proceedings; International Congress on Science and Nordic Skiing; S70
30. VIRMAVIRTA M.; ISOLEHTO J.; KOMI P.; BRÜGGEMANN G.; MÜLLER E.;
SCHWAMEDER H. (2005). Characteristics of the early flight phase in the Olympic
ski jumping competition. Journal of Biomechanics 38 (2005); 2157-2163
31. VIRMAVIRTA M.; KOMI P. (2000). Plantar pressures during Ski jumping Take off.
Journal of applied biomechanics; 16; 320-326
32. VIRMAVIRTA M.; PERTTUNEN J.; KOMI P. (2001). EMG activities and plantar
pressures during ski jumping take-off on three different sized hills. Journal of
Electromyography and Kinesiology; 11 (2001); 141-147
33. WOLF J. (1997). Rahmentrainingsplan Skisprung und Nordische Kombination; Hrsg.:
DSV-Trainerschule. - 1. Aufl.; Planegg: Interski, 1997. - 137 S