Niveaubestimmende Aufgabezum Fachlehrplan Geschichte Gymnasium
Ein wissenschaftliches Poster anfertigen: „Das Ende des Alten Reiches“
(Schuljahrgänge 11/12)
Arbeitsstand: 13. Juli 2017
Niveaubestimmende Aufgaben sind Bestandteil des Lehrplankonzeptes für das Gymnasium und das Fachgymnasium. Die nachfolgende Aufgabe soll Grundlage unterrichtlicher Erprobung sein. Rückmeldungen, Hinweise, Anregungen und Vorschläge zur Weiterentwicklung der Aufgabe senden Sie bitte über die Eingabemaske (Bildungsserver) oder direkt an [email protected]!
An der Erarbeitung der niveaubestimmenden Aufgabe haben mitgewirkt:Dr. Both, Siegfried Halle (Leitung der Fachgruppe)Dr. Heinecke, Dirk NaumburgDr. Lagatz, Uwe WernigerodeDr. Schulze, Renate Dessau-RoßlauDr. Wendlik, Steffen Osterwieck
Herausgeber im Auftrag des Ministeriums für Bildung des Landes Sachsen-Anhalt:Landesinstitut für Schulqualität und Lehrerbildung Sachsen-AnhaltRiebeckplatz 0906110 Halle
Die vorliegende Publikation, mit Ausnahme der Quellen Dritter, ist unter der „Creative Commons“-Lizenz veröffentlicht.
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Aufgaben
Stellen Sie den Auflösungsprozess des Alten Reiches in einem wissenschaftlichen Poster als
Übergang zur Moderne dar.
Beachten Sie folgende Untersuchungsschwerpunkte:
– Ursachen, Bedingungen und Wirkungen von Veränderungen in Deutschland
– politische und gesellschaftliche Zäsuren innerhalb der deutschen Geschichte zwischen 1792
und 1815
– kontroverse Auffassungen zur Auflösung des Alten Reiches
– Einfluss der napoleonischen Politik in Bezug auf das Nebeneinander von europäischem
Hegemonialstreben und Modernisierungsmaßnahmen in Deutschland
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Darstellung 1: Der Historiker Thomas Nipperdey über das Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation (1993)
Thomas Nipperdey (1927-1992) war ein deutscher Historiker, dessen Publikationen zur deutschen
Geschichte des 19. und frühen 20. Jahrhunderts als Standardwerke gelten.
Rechtschreibung und Zeichensetzung im Textauszug entsprechen der Vorlage.
Französische Hegemonie, mittelstaatliche Souveränität und Auflösung des alten Reiches hingen
unlöslich zusammen. Die Rheinbundstaaten erklärten, das Reich bestehe in ihren Augen nicht
mehr und traten förmlich aus. Der Kaiser legte am 6. August 1806, zuletzt unter dem ultimativen
Druck Napoleons, die Krone des Reiches nieder und erklärte mit einer recht papierenen
Proklamation das Reich für beendet. Es war damit sang- und klanglos fast und ohne viel
Aufhebens auch formal untergegangen, der Totenschein war ausgestellt. Bekannt ist die
Bemerkung Goethes, ein Streit seines Postkutschers habe ihn mehr interessiert als diese
Nachricht.
Die fast tausendjährige Geschichte des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation war zu
Ende. Altmodisch, schwerfällig, ohne wirkliche Macht war es der Revolutionierung der
europäischen Verhältnisse nicht gewachsen; der ungeheure Machtdruck der französischen
Armeen der Revolution wie Napoleons, die Sprengkraft der inneren Gegensätze, des preußisch-
österreichischen Dualismus wie des Souveränitätsstrebens der Territorialfürsten, die Überlebtheit
der zersplitterten Herrschaftsorganisation von Reichskirche, Reichsadel und Reichsstädten – das
vernichtete seine Existenz. Es hatte bestehende Zustände stabilisiert, das Gleichgewicht in
Europa, die Koexistenz der Partikulargewalten in Deutschland, deren Konflikte es regelte oder
eindämmte, die feudale Herrschafts- und Gesellschaftsordnung. Damit war es nun vorbei. Das
Ende der bestehenden Ordnung, durchdringende Veränderungen, Neuordnung – das stand jetzt
auf der Tagesordnung. „Deutschland“ schien einstweilen zum geographischen Begriff
herabzusinken. Freilich, das politische Ende dieses alten Reiches hat auf die Dauer etwas höchst
Merkwürdiges bewirkt: es hat dieses Reich aus der Wirklichkeit in die Welt von Traum und Symbol
versetzt; der Traum vom „Reich“ hat seither in der Geschichte der Deutschen eine ungeheure
Dynamik entfaltet; gerade das Unwirkliche, das unwirklich Gewordene bewegte die Wirklichkeit.
Nipperdey, Thomas: Deutsche Geschichte 1800–1866: Bürgerwelt und starker Staat. München: Verlag C. H. Beck 61993, S. 14.
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Darstellung 2: Joachim Whaley zum Widerhall der französischen Revolution im Alten Reich (2014)
Der englische Historiker Joachim Whaley (geb. 1954) arbeitet an der Cambridge University als
Hochschullehrer. Er veröffentlichte zahlreiche Werke zur deutschen Geschichte der Neuzeit, die
zum Teil in die deutsche Sprache übersetzt wurden.
Rechtschreibung und Zeichensetzung im Textauszug entsprechen der Vorlage. Auf die
Wiedergabe der in der Vorlage enthaltenen Literaturverweise wurde verzichtet.
Als eine Kompanie französischer Soldaten im Sommer 1796 auf das Dorf Lauben im
südschwäbischen Unterallgäu vorrückte, lief ihr ein junger Mann zur Begrüßung entgegen. Der
Sohn des Pfarrers hatte seinen Sonntagsanzug angelegt und wollte die Soldaten mit einer
sorgfältig auf Französisch einstudierten Rede begrüßen, in der er sie als Befreier des Volkes pries,
die Krieg den Palästen und Friede den Hütten brächten. Man kannte ihn im Ort als jemanden, der
glaubte, die Franzosen seien »freiheitsliebende, aufopferungsfähige, aufgeklärte, tolerante Leute:
wenn die einmal nach Deutschland kommen, so müsse man sie als die Bahnbrecher einer neuen,
glorreichen Zeit mit Begeisterung empfangen«. Als er jedoch die »unaussprechliche Art ihrer
Bekleidung« sah, begann er anders über die Republikaner zu denken, und bevor er zu seiner
Rede ansetzen konnte, wurde er umzingelt; man raubte ihm seinen Sonntagsrock, Uhr,
Geldbeutel, Stiefel und Weste. Mit Glück entkam er in Unterwäsche und verfluchte die Spitzbuben,
die »den Namen der Freiheit zum Deckel ihrer Räubereien benutzten«.
Diese Geschichte sagt viel über die schreckliche Erfahrung des Kriegs und der französischen
Besatzung für viele Gemeinden im Reich. Plünderungen und Ausbeutung waren an der
Tagesordnung und trugen zu den immensen Kosten dieser Phase und zu der Verbitterung bei, die
solchen Erfahrungen entsprang. Die Notlage des Pfarrerssohnes steht jedoch auch symbolisch für
die gängige Sicht der Wirkung der Französischen Revolution auf Deutschland allgemein.
Begeisterung gab es zweifellos, aber eher für die Idee der Revolution als für die Wirklichkeit.
Trotzdem geben solche Verallgemeinerungen die zahlreichen Auswirkungen der Revolution im
Reich und die Reaktion vieler Deutscher auf die Vorgänge in Frankreich nicht angemessen wieder.
Diese reichten von deutschen revolutionären Bewegungen ab 1789 über Reaktionen gegen die
französische Invasion und Besatzung während der 1790er Jahre bis hin zur Debatte über die
Revolution und ihre Auswirkungen, die in zahlreiche unterschiedliche intellektuelle und kulturelle
Strömungen der späten 1790er Jahre mündete.
Whaley, Joachim: Das Heilige Römische Reich deutscher Nation und seine Territorien. Band II Vom Westfälischen Frieden zur Auflösung des Reichs 1648–1806, aus dem Englischen von Michael Sailer, Darmstadt: Verlag Philipp von Zabern 2014, S. 670.
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Darstellung 3: Joachim Whaley über die Auflösung des Alten Reiches (2014)Rechtschreibung und Zeichensetzung im Textauszug entsprechen der Vorlage. Auf die
Wiedergabe der in der Vorlage enthaltenen Literaturverweise wurde verzichtet.
Für viele Teile Deutschlands waren die fünfundzwanzig Jahre [vor 1815] schlichtweg verheerend.
In den ersten Kriegsjahren nach 1792 war das Rheinland Hauptleidtragender der Kämpfe. Ab 1796
litt Süddeutschland grausam unter fast durchgehenden Gefechten und Besetzungen mit besonders
schlimmen Verlusten 1796, 1799, 1805, 1809 und 1813–1815. Nach 1806 waren auch andere
Gegenden in Mittel- und Norddeutschland betroffen. In ganz Europa kamen in den Kämpfen von
1792 bis 1915 etwa fünf Millionen Soldaten und eine Million Zivilisten ums Leben.
Wer überlebte, hatte noch lange an den Kosten zu tragen. Zahlungen an das Reich, für Truppen
und Selbstverteidigung in den Territorien, Quartiere, Bedarfsanforderungen und die Erhebung von
»Kontributionen« durch eigene und feindliche Armeen sowie schlichte, oft regelmäßige
Plünderungen und Brandschatzungen bürdeten Regierungen, Gemeinden und Einzelnen enorme
Belastungen auf. Die Kleinstadt Stockach im Hegau am Bodensee zum Beispiel musste bei gerade
880 Einwohnern zwischen 1792 und 1815 mehr als 1,1 Millionen Soldaten versorgen. Die dadurch
aufgelaufenen Schulden zahlte sie fast ein Jahrhundert lang ab. Zeitgenossen brauchten keine
Statistiken, um zu erkennen, dass dies ein Konflikt von einem seit dem Dreißigjährigen Krieg nicht
mehr erlebten Ausmaß war. Friedrich von Gentz (* 1764, † 1832) nannte ihn 1800 den »grau-
samsten Weltkrieg, der je die Gesellschaft erschütterte und auseinander riß«.
Inmitten dieser Wirren mag die Auflösung des Reichs am 6. August 1806 relativ irrelevant
erscheinen. Das Auftreten neuer souveräner Staaten und des reformierten, vergrößerten
Königreichs Preußen sowie die frühen Anfänge einer deutschnationalen Bewegung schienen
letztlich wichtiger, vor allem da sie offenbar zur Bildung des deutschen Nationalstaats von 1871
führten. Ab den 1850er Jahren war man sich weitgehend einig in dem Mythos, das Reich sei
einfach zusammengebrochen und sang- und klanglos untergegangen. Selbst heute noch meinen
viele Historiker, kaum ein Deutscher habe dem Reich eine Träne nachgeweint, man habe es mit
einem Schulterzucken hinter sich gelassen. Die Frage, wie die Menschen tatsächlich auf die
Auflösung des Reichs reagierten und mit seinem Erbe umgingen, wird uns noch beschäftigen. Im
gegenwärtigen Kontext ist eine andere Einschätzung über die Auflösung des Reichs 1806 von
Bedeutung: Man habe darauf nicht weiter reagiert, weil das Ende des Reichs unvermeidlich
gewesen sei.
Die Gründe für das Ende des Reichs sind umstritten. Selbst die deutschen Historiker, die im
letzten halben Jahrhundert am meisten darum bemüht waren, sein Ansehen wiederherzustellen,
haben die Bandbreite der Argumente nicht sonderlich erweitert. Die meisten meinen nach wie vor,
das Verschwinden des Reichs sei unvermeidlich gewesen, weil es der Entwicklung Deutschlands
zu einer modernen Nation (nach Ansicht von Treitschke und anderen seit den 1870er Jahren)
beziehungsweise einer modernen Gesellschaft (in der Sicht von Karl Otmar von Aretin und
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anderen seit den 1960er Jahren) im Weg stand. Eine andere Lehrmeinung aus dem
19. Jahrhundert, die sich bis heute hält, macht in erster Linie die Feindseligkeit und Konkurrenz
zwischen Österreich und Preußen ab etwa 1740 verantwortlich für den Zusammenbruch des
Reichs. Beide Argumentationslinien, die in vielen Werken verbunden sind, werfen Probleme auf,
vor allem, wenn sie auf die 1790er Jahre und die Zeit danach fokussieren.
Seit dem frühen 19. Jahrhundert ist die meistverwendete Bezeichnung für den Zustand des Reichs
in seiner letzten Phase »morsch«. Auch zeitgenössische Kritiker beschrieben das Reich allzu oft
als alt oder »gotisch«: Schiller schrieb bekanntlich 1802 von den »gotischen Ruinen einer alten
barbarischen Verfassung«. Dass es sich als unmöglich erwies, das Reich zu reformieren, ist
unbestreitbar, obwohl in den letzten fünfzehn Jahren seiner Existenz weiterhin viele Vorschläge
dazu vorgelegt wurden. Problematischer ist aus Sicht der Argumente, die den vermeintlich
endgültigen Niedergang des Reichs betonen, indes die Tatsache, dass das Reich und seine
Institutionen während der 1790er Jahre einen bemerkenswerten Aufschwung erlebten.
Vielversprechender scheint auf den ersten Blick eine andere Variante der These vom
todgeweihten Anachronismus. Wenn das Reich im Grunde eine überholte feudale Ordnung war,
die sich an die Tradition klammerte und ewig zurück-, aber nie nach vorn blickte, erscheint es
logisch, dass die Kräfte der Modernisierung, die sich nach 1789 aus Frankreich ausbreiteten, es
hinwegfegen mussten. So sei es dann zum Triumph des modernen Staats in Deutschland
gekommen. Österreich und Preußen hatten lange vor 1789 den Weg bereitet. Nach 1805 zogen
dann Württemberg, Baden, Bayern und die anderen nach, die zwischen 1806 und 1815 souverän
wurden und von der Neuverteilung der Gebiete der enteigneten kirchlichen und weniger
bedeutenden weltlichen Herrscher profitierten. Diese Entwicklungen waren jedoch eher Folgen der
Kriege als Auswirkungen irgendeines unaufhaltsamen Modernisierungsprozesses. Wie wir
gesehen haben, waren die kirchlichen und anderen Territorien, die zwischen 1803 und 1806
verschwanden, nicht per se funktionsunfähig. Zumindest anfangs war der Konflikt zwischen
Frankreich und dem Reich nicht einer zwischen einem modernen Staat und einem Relikt aus der
Vergangenheit. Tatsächlich war das Reich einige Zeit in der Lage, sich recht wirkungsvoll zu
verteidigen.
Der Konflikt steht auch nicht für den Zusammenprall einer dynamischen, sich modernisierenden
kapitalistischen Gesellschaft und einer rückwärtsgewandten Feudalordnung. Einige Gegenden des
Reichs waren, was die Produktion angeht, wirtschaftlich ebenso dynamisch wie die dynamischsten
Regionen Frankreichs. In Sachsen, Böhmen, Berg und anderen Teilen des Niederrheins sowie
Südwestdeutschlands waren gegen Ende des 18. Jahrhunderts die Fundamente für eine
industrielle Revolution bereits gelegt. In großen Teilen Norddeutschlands erwies sich die feudale
Ordnung als bemerkenswert empfänglich für die internationalen Getreidemärkte und ländliche
Produzenten anderswo im Reich scheinen ebenfalls in höherem Maß marktorientiert und
kommerziell eingestellt gewesen zu sein, als traditionelle Darstellungen der alten Ordnung
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nahelegen. Der Fortbestand eines starken Rahmens herrschaftlicher Regulierung war vor dem
Hintergrund des Kriegs nicht unbedingt eine Quelle der Schwäche, sondern erleichterte vielmehr
die Mobilisierung von Ressourcen. In den meisten Belangen ähnelte das Reich dem Rest von
Zentraleuropa und teilte seine letztliche Machtlosigkeit gegenüber der französischen Militärmacht
mit den Niederlanden, der Schweiz, Italien, Spanien und selbstverständlich Österreich und
Preußen.
Auch die Rolle von Österreich und Preußen ist alles andere als eindeutig. Zweifellos hatte ihre
Feindschaft die Politik des Reichs seit der Thronbesteigung Friedrichs des Großen 1740 geprägt.
Der Kampf um Schlesien beschäftigte sie mehr als zwanzig Jahre bis 1763. Danach wandelte sich
die gegenseitige Feindseligkeit zwischen Österreich und Preußen in einen Wettstreit um Einfluss
im Reich. Preußen setzte alle Hebel in Bewegung, um seine Hegemonie in Norddeutschland
durchzusetzen und zugleich jeden Anlauf Josephs II. zu blockieren, die kaiserliche Macht über das
Reich und seine Institutionen wiederherzustellen und die habsburgischen Territorien durch die
Aneignung von Bayern zu erweitern. Aber das Gleichgewicht der Kräfte im Reich war wohl recht
stabil. […] Tatsächlich sorgte die Uneinigkeit der beiden über eine Intervention zur
Wiederherstellung der Ordnung in Lüttich 1789, wobei die Preußen Wien ausmanövrierten und
damit die österreichische Macht in Belgien zu untergraben drohten, erneut für eine Krise. Das
Ergebnis war jedoch, dass Wien und Berlin vor einem offenen Konflikt zurückschreckten und im
Juli 1790 die Reichenbacher Konvention schlossen.
War die österreichisch-preußische Wiederannäherung 1790 eher eine Bedrohung für das Reich als
ihre Feindschaft? Viele deutsche Fürsten dachten sicherlich so. Unter den Bedingungen der
Konvention gaben Wien und Berlin ihre Pläne für eine Expansion im Osten auf, die der eigentliche
Grund der wachsenden Spannungen gewesen waren. Es war jedoch nur eine Frage der Zeit, dass
diese Pläne wieder aufgegriffen würden. Im Osten war dann ein neuer Konflikt unvermeidlich,
wobei beide versuchen würden, Russland auf ihre Seite zu bringen. Wenn die Pläne im Osten
scheiterten, war absehbar, dass sie sich nach Westen richten würden, wodurch das Reich bedroht
gewesen wäre. Schließlich hatten beide Mächte unerfüllte Ambitionen im Reich: Österreich
schielte auf Bayern, Preußen auf Jülich sowie die Säkularisierung kirchlicher Territorien.
Ab 1792 veränderte der Krieg all diese Optionen. Wien und Berlin arbeiteten Pläne aus, sich für
die Kosten des Krieges schadlos zu halten. Zugleich blieb Preußen entschlossen, sich neue
Gebiete in Polen zu sichern, wenn sich die Möglichkeit ergab. Das erneute Eingreifen von
Russland dort zwang Preußen 1793 zum Handeln. Der Ausschluss Österreichs von der zweiten
Teilung verstärkte Wiens Misstrauen gegenüber Berlin und die Entschlossenheit von Franz II. und
seinen Beratern, nicht wieder den Kürzeren zu ziehen. Österreichs Beteiligung an der
Niederschlagung des Kosciuszko-Aufstands 1794 sicherte seine Einbeziehung in die dritte und
letzte Teilung 1795. Das Problem im Osten war damit gelöst, was die teilenden Mächte betraf,
indem Polen für mehr als ein Jahrhundert von der Landkarte verschwand.
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Das hatte für das Reich mehrere Folgen. Karl Otmar von Aretins Deutung besagt, dass Wien und
Berlin nach dem Tod Leopolds II. von schwachen, inkompetenten Monarchen regiert wurden, die
den Ernst der Lage nicht begriffen, sich nicht um Deutschland und das Reich scherten und nur an
territorialen Zugewinnen interessiert waren. Beide Mächte verwandten signifikante Ressourcen auf
Polen. Vor allem Preußen war so überlastet, dass es bereits 1793 versuchte, sich seinen
Verteidigungspflichten im Reich zu entziehen. 1795 hatte sich Berlin völlig aus dem Krieg gegen
Frankreich zurückgezogen und nach dem Frieden von Basel blieben Preußen und ein Großteil des
nördlichen Reichs ein Jahrzehnt lang neutral.
Österreich trug die Hauptlast des Kriegs gegen Frankreich und lud sich damit enorme Kosten auf.
Anders als Preußen beharrte es auf dem Krieg, obwohl im Reich wiederholt Stimmen für einen
Frieden mit Frankreich laut wurden. Was waren die Motive? Aretin meint – und viele folgten dieser
These –, Österreichs Kriegführung habe mit dem Reich nichts zu tun gehabt und sich in mancher
Hinsicht sogar gegen das Reich gerichtet. Das Reich, argumentiert er, sei ab 1763 kaum mehr als
ein Mittel zum Zweck im Machtkampf zwischen Österreich und Preußen gewesen. Joseph II. sei
mit guten Vorsätzen angetreten, habe letztlich eine Politik betrieben, die auf irrationalen Annahmen
beruhte. Leopold II. habe es gut gemeint, sei jedoch zu früh gestorben. Sein Nachfolger, der
vierundzwanzigjährige Franz II., sei unfähig und am Reich nicht interessiert gewesen, habe den
alten Kaunitz beiseitegeschoben und auf Berater vertraut, die dem Reich feindlich gesinnt waren.
Insbesondere Franz Maria von Thugut (* 1736, † 1818), von März 1793 bis 1801 für Österreichs
auswärtige Angelegenheiten zuständig, »sah in der Vergrößerung Österreichs das eigentliche Ziel
seiner Politik«. Unter der mal verzagten, mal ungestümen Führung von Franz II. und Thugut habe
Österreich das Reich nicht nur aufgegeben, sondern in Wirklichkeit zerstört.
Franz II. und Thugut sind seit dem 19. Jahrhundert umstritten. Treitschke beschrieb den Kaiser als
schwachen Charakter, der »mit der ganzen Starrheit eines gedankenleeren Kopfes« an »das
althabsburgische AEIOU«1 glaubte. Viele Zeitgenossen beneideten und verachteten Thugut und
hielten ihn für einen zweitklassigen Emporkömmling. […]
Gelehrte des 19. Jahrhunderts verurteilten sie auf moralischer Grundlage als Verräter der
deutschen Sache. Moderne Gelehrte brandmarken sie als bürokratisch, inkompetent,
desorganisiert, kurzsichtig, starrköpfig und chronisch unentschlossen.
Beide Fälle sind weniger eindeutig, als ihre Kritiker behaupten. Wie seine beiden Vorgänger aus
dem Haus Habsburg-Lothringen, Joseph II. und Leopold II., begriff Franz möglicherweise sehr
genau, wo Österreichs letztliche Interessen lagen. Seine Erziehung und Bildung hatten ihn jedoch
auf die Kaiserkrone und die Verantwortung für das Reich vorbereitet. […]
Franz II. und Thugut waren in ihrer Haltung zum Reich wesentlich mehrdeutiger, als viele, die
Österreich und das Reich als Optionen betrachten, die sich gegen seitig ausschlossen, nahelegen. 1 „AEIOU“: Abkürzung für den habsburgischen Wahlspruch, den Kaiser Friedrich III. (1415–1493) auf Wappen, Geschirr, Bauwerken u. Ä. anbringen ließ. Seine Bedeutung ist nicht eindeutig überliefert. Vorgeschlagen wird z. B. „Austria erit in orbe ulitma“ (Österreich wird bestehen bis ans Ende der Welt).
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Im August 1796 schrieb Franz II. an seinen Bruder Joseph, den ungarischen Palatin: »Ein gutes
und ehrbares Ende dieses Kriegs« hänge »von der Herstellung der Dinge im Reich« ab.
Wiederholt allerdings vereitelten französische Siege ein erfolgreiches Ende. Nach der erneuten
Niederlage seiner Armeen bei Hohenlinden im Dezember 1800 notierte Franz erschöpft: »Wir sind
zweifellos verpflichtet, uns den Umständen zu beugen.«
Jenseits aller politischen Fehler und ungeschickter Kommunikation mit den Verbündeten im Reich
führte letztlich die Verbindung zweier Faktoren zum Untergang des Reichs. Erstens schuf die
französische Konfiszierung deutscher Rechte und Besitztümer im Elsass 1789 und 1790 einen
neuen, instabilen Rahmen, zumal zunehmend klar wurde, dass der Verlust endgültig war und
Entschädigung nur aus dem Reich selbst kommen konnte. Zweitens schwächte mehr als ein
Jahrzehnt der militärischen Konfrontation mit Frankreich die Mehrheit der deutschen Territorien,
darunter Preußen und sogar Österreich, derart, dass sie gegen die Zerstörung des Reichs durch
Frankreich letztlich machtlos waren.
Whaley, Joachim: Das Heilige Römische Reich deutscher Nation und seine Territorien. Band II Vom Westfälischen Frieden zur Auflösung des Reichs 1648–1806, aus dem Englischen von Michael Sailer, Darmstadt: Verlag Philipp von Zabern 2014, S. 640-646.
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Darstellung 4: Heinrich August Winkler über die zeitgenössische Aufnahme der Auflösung des Alten Reiches (2000)
Der deutsche Historiker Heinrich August Winkler (geb. 1938) forscht und publiziert insbesondere
zur Neueren und Neusten Geschichte. Rechtschreibung und Zeichensetzung im Textauszug
entsprechen der Vorlage. Auf die Wiedergabe der in der Vorlage enthaltenen Literaturverweise
wurde verzichtet.
Während Schiller dem Untergang des Reiches mit Gleichmut entgegensah, hielt Hegel es für
möglich, daß Deutschland sich von neuem zu einem Staat organisieren werde. Die Einigung werde
aber nicht etwa durch Preußen kommen, das als «eigener, souveräner, mächtiger Staat» nicht
mehr fähig sei, «gleiche Bedingungen mit anderen Ständen in einer Assoziation aufzunehmen»,
sondern durch das Zusammenwirken von Reichsstädten und Landständen mit dem Kaiser und
seinen Erblanden, die anders als Preußen, selbst ein Staat seien, der sich auf Repräsentation
gründe und worin das Volk Rechte habe. Nur vom Kaiser also sei die «Unterstützung desjenigen,
was die Welt jetzt unter deutscher Freiheit versteht, zu erwarten».
Hegels Hoffnung war unbegründet, und nur wenige teilten sie: Kaiser Franz II., der seit 1792
regierte, hatte sich nie um das Reich gekümmert, und als er die Krone niederlegte, war von Trauer
und Bestürzung in Deutschland wenig zu spüren. Die Auflösung des Heiligen Reiches wirkte wie
die notarielle Beurkundung eines Ablebens, das sich allzu lang hingezogen hatte. Spätestens seit
Preußen sich im Siebenjährigen Krieg als Großmacht behauptet hatte, war das Reich nur noch ein
Schemen.
Winkler, Heinrich August: Der lange Weg nach Westen. Band 1: Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reiches bis zum Untergang der Weimarer Republik, München: Verlag C. H. Beck 2000, S. 50 f.
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Darstellung 5: Der Historiker Wolfgang Burgdorf über die zeitgenössische Wahrnehmung der Auflösung des Reiches (2009)
Der Historiker Wolfgang Burgdorf (geb. 1962) lehrt Neuere Geschichte in München. Schwerpunkt
seiner Forschungstätigkeit ist u. a. die Rechts- und Verfassungsgeschichte des Heiligen
Römischen Reiches Deutscher Nation
Rechtschreibung und Zeichensetzung im Textauszug entsprechen der Vorlage. Auf die
Wiedergabe der in der Vorlage enthaltenen Literaturverweise wurde weitgehend verzichtet.
Im Gegensatz zu dem von der historischen Forschung immer wieder bemühten Klischee vom
Desinteresse der Deutschen am Untergang des Reiches drückte sich große Sympathie und
emotionale Bindung für und an das Reich in dem von den Zeitgenossen mehrfach verwendeten
Bild der Trauer um einen verstorbenen Freund aus. Dies war der Ausklang eines
Reichspatriotismus, der nicht chauvinistisch und aggressiv war, sondern sich auf eine insgesamt
defensive Rechtsschutzgemeinschaft bezog.
Briefe und Tagebücher der Zeit dokumentieren, dass der Zusammenbruch des Reiches für viele
Menschen in Deutschland zu einer umfassenden Kontingenzerfahrung wurde. Ein dramatischer
Höhepunkt in einer Zeit beschleunigter Transformation. Nicht nur die immer gewesene politische
Ordnung und das tägliche Kirchengebet, sondern die ganze Welt hatte sich als unbeständig
erwiesen.
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Im Klassischen Weimar, das sich angeblich schon längst vom politischen Reich abgewandt hatte,
um ein Gegenreich der Kultur zu gründen, bildete das Ende des Reiches über Wochen das
Hauptthema seiner prominentesten Vertreter. [...]
Auch die Korrespondenz der Romantiker im Hoch- und Spätsommer 1806 dreht sich nicht um die
Renaissance der mittelalterlichen, sondern um das Ende des tatsächlichen Reiches. In den
Ausdrücken der Erschütterung und des Entsetzens, auch der Überraschung, dass das oft
Angekündigte tatsächlich passiert war, unterscheiden sie sich nicht von der Mehrzahl der
Deutschen, deren Reaktionen überliefert sind.
Selbst in Berlin und Preußen war, entgegen oft wiederholten Behauptungen, das durch den
Zusammensturz des Reiches hervorgerufene Echo deutlich vernehmbar. Sogar hier, wo die
Fürbitten für Kaiser und Reich schon seit hundert Jahren nicht mehr Bestandteil des täglichen
Gottesdienstes waren, wo man sich innerhalb Deutschlands offensichtlich mental am weitesten
vom Reich entfernt hatte, gab es vielfältige Bekundungen der Erschütterung. [...]
Allerdings finden sich 1806 auch Äußerungen, die ihr Desinteresse am Geschehen bekunden, es
damit aber immerhin auch thematisieren. Verschiedene Berichterstatter aus München berichten
sogar von Freude in der bayerischen Hauptstadt. Das atmosphärische Gesamtbild wird jedoch
bestimmt durch Äußerungen der Empörung, der Wut, des Entsetzens, der Trauer und Bestürzung.
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Ein Mittel, um das Ende des Reiches zu fassen, war auch der Gegensatz des Ordnungsprinzips
von Kaiser und Reich und dem extremen Einbruch von Diskontingenz, Chaos, Vergewaltigung.
Kaiser und Reich treten dabei deutlich als immer noch lebendige Gemütswerte hervor. Bei der
Lektüre der zeitgenössischen Briefe und Tagebucheintragungen wird die Erfahrung des Umbruchs
wieder lebendig und auf eindrucksvolle Wiese nachvollziehbar. [...]
Erstaunlich sind rückblickend die sehr vielen Bekundungen des Überraschtseins anlässlich der
Auflösung des Reiches. Wie konnten die Menschen überrascht sein, da sich doch seit 1795 und
seit dem Preßburger Frieden 1805 geradezu inflationär Äußerungen häuften, die den
bevorstehenden Untergang des Reiches prophezeiten? Eine Erklärung ist, dass die Rede vom
bevorstehenden Reichsuntergang seit dem Dreißigjährigen Krieg topisch geworden war. Sie wurde
immer, besonders in Krisenzeiten, wiederholt, ohne dass er jemals eingetreten wäre. Wichtiger
erscheint jedoch auch hier das mentale Verharren. Schließlich ist es nur allzu menschlich, nicht
glauben zu wollen, dass das Schlimmste eintritt, bis es zu spät ist.
[...]
Der Blick auf die unmittelbaren zeitgenössischen Äußerungen zeigt eine tiefe Divergenz zu den
retrospektiven Äußerungen der folgenden 200 Jahre. Betrachtet man die Wochen des August und
September 1806 als politischen Status confessionis2 der Deutschen, so überwiegt eindeutig das
Bekenntnis zum gerade verlorenen Reich. Dies war nicht ohne eine gewisse Tragik. denn
gleichzeitig näherten sich viele dieser Bekenntnisse dem Charakter von Abschiedsbriefen an die
gemeinsame Vergangenheit und Zukunft der Nation.
Besonders Seume und Wieland versuchten die komplexen Ursachen des Unterganges und auch
die deutsche Mitschuld zu benennen. In der Regel wurde jedoch simplifiziert oder allein der
entscheidende Anstoß benannt: die Franzosen, Napoleon, die Vorsehung. Oft scheint die
Vorsehung ein Pseudonym für Napoleon gewesen zu sein. [...] Die Personifizierung des Wandels
in der Person Napoleons diente der Reduzierung der Gegenwartserfahrung, des Übermaßes des
Wandels, war der Versuch, sie auf den Begriff zu bringen [...]
Seumes Wut erscheint [...] fast wie eine Brücke zum Verständnis der wütenden jungen Männer der
Befreiungskriege, die Rache an Frankreich schworen. Stellvertretend sei auf Ernst Moritz Arndt
und Karl Theodor Körner verwiesen. Auffallend dabei ist, dass sich die Äußerungen der Wut
zwischen 1806 und 1813 simplifizierten. Selbstanklagen oder die Benennung einer deutschen
Mitschuld wurden weitgehend durch frankophobe Agitation ersetzt.
Gleichwohl verdeutlicht auch die Publizistik der Befreiungskriege, die Ereignisse vom August 1806
eingebettet in die Umbrüche von 1803 und 1815 waren die Urkatastrophe Deutschlands am Be-
ginn des 19. Jahrhunderts. In ihnen verdichtete sich eine umfassende Umbruchserfahrung; [...]
2 Status confessionis: theologischer Begriff der evangelischen Kirche, der einen außergewöhnlichen Bekenntnisfall beschreibt
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Im Angesicht der zeitgenössischen Reaktionen von 1806 lässt sich ein Satz wie: Als Kaiser
Franz II. die „Krone niederlegte, war von Trauer und Bestürzung in Deutschland wenig zu spüren“,
nicht mehr vertreten.3 Genau das Gegenteil ist richtig.
Mit dem Ende des Reiches war auch die mentale Verfassung großer Teile der schreibenden
Deutschen aus den Fugen geraten. Ein Amalgam von Endzeiterfahrung, Desorientiertheit,
Hilflosigkeit und Zukunftsangst dominierte. Der Untergang des Reiches wurde als das schlimmste
Glied einer Kette von Unheilserfahrungen wahrgenommen. In Unkenntnis der Zukunft empfand
sich ein Großteil der Deutschen nach den Augustereignissen auf der Höhe des Schlimmst-
möglichen. Von Hamburg bis Wien, von Stuttgart bis Berlin Erschütterung; die Deutschen zeigten
sich angesichts des Unterganges des Reiches verfassungs- und fassungslos.
Burgdorf, Wolfgang: Ein Weltbild verliert seine Welt: Der Untergang des Alten Reiches und die Generation
1806. (= Bibliothek Altes Reich, Bd. 2), München: R. Oldenbourg Verlag2 2009, S. 220-224.
3 Winkler, Heinrich August: Der lange Weg nach Westen. Band 1: Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reiches bis zum Untergang der Weimarer Republik, München: Verlag C. H. Beck 2000, S. 51.
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Darstellung 6: Hans-Ulrich Wehler über Säkularisierung und Mediatisierung sowie das Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation (1996)
Der Historiker Hans-Ulrich Wehler (1931-2014) zählt zu den einflussreichsten deutschen Historikern der Nachkriegszeit. Seine fünfbändige „Deutsche Gesellschaftsgeschichte“, aus der der nachfolgende Text entnommen wurde, gilt als Standardwerk der deutschen Geschichtsschreibung.Rechtschreibung und Zeichensetzung im Textauszug entsprechen der Vorlage. Auf die Wiedergabe der in der Vorlage enthaltenen Literaturverweise wurde verzichtet.
So einschneidend auch die Besitzverschiebungen gewesen sind, so wenig haben sie offenbar die gesellschaftlichen Verhältnisse beeinflußt. Auf dem Land fand im allgemeinen nur ein Wechsel des Grundherrn und Obereigentums statt, die Abgaben jedoch blieben erhalten. Die Zahl der auf längere Sicht erfolgreichen Spekulanten und Unternehmer, der vom Säkularisationsboom empor-getragenen Aufsteiger ist gering. Der ökonomische Vorteil der Gewinner wirkte sich auf die tradi-tionalen Sozialstrukturen nachweislich nur begrenzt aus. Der katholischen Kirche als Hauptge-schädigtem wurde, wie der evangelischen, durch staatliche Ausgleichszahlungen geholfen. Der Verlust an irdischem Besitz und politischer Herrschaftsgewalt hat sie seither auf ihre ureigensten, die seelsorgerlichen Aufgaben zurückgelenkt.Das französische Beispiel und die massiven Forderungen Napoleons, insbesondere aber der Souveränitätsegoismus und die Ausdehnung der Staatsfunktionen, die in den neuen Monarchien und Fürstentümern wahrgenommen werden mußten, haben dahin gewirkt, daß die Entschei-dungen von 1803 bis 1806 bald als irreversibel galten. Auch der Wiener Kongreß hat sie nicht rückgängig gemacht. Sie stellen die eigentliche napoleonische Revolution auf deutschem Boden dar. Das Alte Reich hat diesen Umsturz nicht überlebt. Als die Rheinbundstaaten ihrer Verpflichtung, aus dem Reichsverband auszuscheren, pünktlich Folge leisteten, obwohl das Reich kein Sezessionsrecht seiner Mitglieder kannte, und als dazu noch ein französisches Ultimatum Franz II. zur Niederlegung der Kaiserkrone aufforderte, dankte der Habsburger ab und hob zugleich alle Pflichten gegenüber dem Reich auf. Nach den Normen des Reichsrechts fehlte ihm allerdings jede Kompetenz, selbsttätig die Auflösung des Reiches als einer ewigen Föderation seiner Mitglieder herbeizuführen. Eine Ermächtigung des Reichstages, der aufgrund seiner Stellung als Repräsentationsorgan aller Reichsstände die Nullifikation als einziger hätte beschließen können, lag nicht vor; er war nicht einmal konsultiert worden. Streng verfassungsrechtlich war daher die Aktion Franz II. «null und nichtig». Auf dem Papier bestand das Reich weiter. Aber die stillschweigende Zustimmung aller Reichsstände, der Verzicht auf jeden politischen Rettungsversuch und schließlich die politische Neuordnung von 1815 als «ein Akt freier Entscheidung» besiegelten die Auflösung. Der überlebte Lehnsstaat des Heiligen Römischen Reiches endete nach tausendundsechs Jahren durch Rechtsbruch. In einem tieferen Sinn jedoch zerfiel sein anachronistisches Gehäuse unter dem Anprall der Französischen Revolution und des Selbständigkeitswillens der souveränen deutschen Einzelstaaten.
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Wehler, Hans-Ulrich: Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Erster Band, Vom Feudalismus des Alten Reiches bis zur Defensiven Modernisierung der Reformära 1700-1815. München: Verlag C. H. Beck 31996, S. 367 f.Darstellung 7: Der Rechtshistoriker Benjamin Lahusen über die Wirksamkeit des „Code
civil“ (2015) Der Jurist Benjamin Lahusen (geb. 1979) konzentriert sich in seiner wissenschaftlichen Arbeit auf Rechtsgeschichte und Rechtstheorie der Neuzeit. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin.Rechtschreibung Zeichensetzung und Hervorhebungen im Textauszug entsprechen der Vorlage.
Der Titel ist so schmucklos und nüchtern, wie man es von einem Gesetzbuch erwartet. Als Code civil des Français tritt am 21. März 1804 das erste der insgesamt fünf napoleonischen Gesetzbücher in Kraft. Doch der lakonische Titel täuscht in jeder Hinsicht: Der Code civil revolutionierte von Frankreich ausgehend das Recht so gründlich, dass man es vielerorts einfach nicht hinnahm, als der Wiener Kongress nach Napoleons Niederlage auch die napoleonische Rechtsordnung revidieren wollte. Was aber machte das Gesetzbuch so attraktiv?»Tout Français jouira des droits civils« – »Alle Franzosen genießen bürgerliche Rechte«, heißt es gleich zu Beginn, ein Paukenschlag im alten Europa, in dem die Diskriminierung von Juden zu diesem Zeitpunkt unhinterfragte Selbstverständlichkeit ist und überhaupt die Kirche in Rechtsfragen ein gehöriges Stück mitzureden hat.Und so geht es weiter: Das Eigentum wird zur absoluten Verfügungsmacht über das eigene Hab und Gut erhoben. Im Vertragsrecht regiert weithin die Autonomie der Bürger. Die Ehe wird säkularisiert und zum prinzipiell kündbaren Vertrag erklärt. Aus dem Erbrecht verschwinden die bislang üblichen Vorrechte des Erstgeborenen. Feudale Privilegien werden nicht länger akzeptiert. Der Code civil ist ein Palladium bürgerlicher Rechte, in dem sich immer wieder die Losung der Revolution manifestiert: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit.Dass die revolutionäre Trias auf diese Weise juristisch abgesichert wird, ist Napoleons Verdienst. Völlig frei erschaffen hat er den Code allerdings nicht. An vielen Stellen ist er ein Kompromiss aus revolutionären und vorrevolutionärem Gewohnheitsrecht (droit coutumir) und dem südfranzösischen, römisch geprägten Gelehrtenrecht (droit écrit).[…] Napoleons unmittelbarer Einfluss [auf das Gesetzwerk] ist nicht in allen Fällen segensreich: Wer Brüderlichkeit predigt, hat Schwesterlichkeit nicht unbedingt im Sinn. Berüchtigt ist Napoleons Ausspruch, die Frau sein von Natur aus die Sklavin des Mannes. Vor allem im Familienrecht erweist sich der Code deshalb als rückständig. Dem Mann werden über Frau und Kinder geradezu diktatorische Vollmachten eingeräumt, die Frauen in ihren Befugnissen stark eingeschränkt und im Scheidungsrecht benachteiligt[…] Aber selbst dort, wo der Code weit unter seinen Möglichkeiten bleibt, fällt er kaum hinter den Standard im übrigen Europa zurück. Und den patriarchalischen Missgriffen zum Trotz ist es oft genug gerade Napoleons unjuristischer Elan, der dem Gesetzbuch zum Erfolg verhilft – »die Ordnungskraft und das monumentale Selbstgefühl des großen Regenten« wie ein deutsches Standardwerk der Rechtsgeschichte noch 1967 anmerkt.
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Napoleons Reformprogramm könnte umfassender kaum sein: Nach dem Code civil folgt 1806 die Zivilprozessordnung, 1807 mit dem Code de commerce eines der ersten Handelsgesetzbücher der Welt, 1808 die Strafprozessordnung. Das Strafgesetzbuch von 1810 komplettiert die fünf Gesetzbücher, die cinq codes. […]Auch die Sprache der Codes ist unerhört. Denn für Napoleon, selbst kein Jurist, ist die Zugänglichkeit für den Laien auch dort maßgeblich, wo sie nur um den Preis juristischer Unschärfe zu haben ist. Das fällt noch stärker auf, wenn man den Code civil mit dem preußischen Landrecht von 1794 vergleicht: Im Code regeln ganze fünf Artikel den Schadensersatz, für den man in Preußen 27 Paragrafen benötigt.[…]Der Code civil ist deshalb, recht besehen, nicht bloß civil und nicht bloß ein code. Er ist ein Kulturprodukt, die Verfassung einer neuen Zeit, in der auch das Privatrecht von der Revolution durchdrungen wird. Und da für die Ideale dieser Revolution Landesgrenzen keine Rolle spielen, weist die Napoleonische Gesetzgebung von Beginn an weit über Frankreich hinaus: Als Napoleon im April 1814 seine Abdankung unterzeichnet, hat er neben dem militärischen auch ein juristisches Imperium errichtet, in dem französisches Recht von Lissabon bis Warschau, von der Nordsee bis zur Adria gilt.Selbst das Lager der frankophoben Reaktion kommt nicht umhin, den gewaltigen Modernisierungsschub anzuerkennen, den das neue Recht in den wenigen Jahren seiner Geltung gebracht hat. Vor allem im Rheinland ist das augenfällig. Die linksrheinischen Gebiete sind seit dem Frieden von Lunéville 1801 französisch. Die cinq codes treffen dort auf eine weithin traditional orientierte Gesellschaft, in der die Renovierung des Rechts rasch zu einem Kampf an vielen Fronten wird: Die Patrimonialgerichte, eines der wesentlichen Merkmale der alten Feudalgesellschaft, werden zurückgedrängt. Die Gewerbefreiheit wird eingeführt, der Zunftzwang aufgehoben – und so das Ende der ständischen Gesellschaft besiegelt. Ferner werden die ordentlichen Gerichte grundlegend umgekrempelt. An die Stelle des schwerfälligen und intransparenten deutschen Gerichtsverfahrens treten nun die Prinzipien von Mündlichkeit und Öffentlichkeit. Der Richter muss die Parteien selbst vernehmen und coram publico begründen, warum er so und nicht anders entscheidet. Vor allem im Strafrecht, wo das alte System eher Akten als Menschen in den Mittelpunkt gerückt hatte, wirkt das wie ein Befreiungsschlag, der den Ruch von Willkür langsam aus den Gerichtssälen vertreibt. Die französische Erfindung der Staatsanwaltschaft trennt überdies Ermittlung und Beurteilung eines Sachverhalts voneinander und macht damit – zumindest der Theorie nach – eine unparteiische Wahrheit zur Grundlage der juristischen Entscheidung.Schließlich gibt es auch im Wirtschaftsrecht bedeutende Fortschritte: Die Einführung von Arbeits- und Handelsgerichten – ebenfalls eine französische Pioniertat – verschafft den Gepflogenheiten von Handel und Gewerbe stärkere Berücksichtigung. Das sorgt nicht nur für eine wirtschaftsfreundliche Differenzierung der Rechtsprechung. Weil hier planmäßig auch Laien an der Urteilsfindung mitwirken, markiert es zugleich die Anfänge einer demokratischen Justiz.Durch all diese Veränderungen gelingt es dem französischen Recht, das wirtschaftlich unterentwickelte, politisch rückständige und rechtlich heillos zersplitterte Rheinland in wenigen
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Jahren zu einer Einheit zu verschmelzen und Schritt für Schritt zu modernisieren. Vor allem das aufstrebende Bürgertum profitiert von den neuen Freiheiten, von größeren Wirtschaftsräumen und überregionalem Handel. Es entsteht hier im Lauf des 19. Jahrhunderts ein mächtiges Industrie- und Wirtschaftszentrum, das Deutschland bis heute prägt.Dazu hinterlässt der Code ein Gefühl des nationalen Zusammenhalts, das die Gesellschaft für ihre Institutionen eintreten lässt. So kommt es, dass nach 1814 das französische Recht im Rheinland vehement verteidigt wird. Als die linksrheinischen gebiete Preußen zufallen und ein Rückfall ins verzopfte Landrecht droht.Nur vordergründig geht es dabei um einzelne Gesetze. Tatsächlich geht es um Grundsätze. Dies verleiht den öffentlichen Stellungnahmen eine Wucht, wie sie juristische Detailfragen kaum erzeugen könnten. […]Am Ende kann das französische Recht dank einer geschickten Strategie überdauern: Obwohl als Besatzungsinstrument einer feindlichen Macht ins Land gekommen, wird der Code civil von seinen Befürwortern aus seinem nationalen Ursprung herausgelöst und zu einem universell gültigen Bestandteil der Aufklärung erhoben. […] Da man allerdings bezweifelt, ob der Kosmopolitismus der Vernunft den gesamten preußischen Beamtenapparat überzeugen könne, wird der Code civil des Français rhetorisch geschickt eingemeindet: Fortan spricht man vom »rheinischen Recht«. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts gilt es für fast ein Fünftel der deutschen Bevölkerung.Außerhalb Deutschlands hat es die napoleonische Rechtsordnung etwas leichter. In Belgien und in Polen etwa behält man den Code auch nach den Befreiungskriegen ohne größere Diskussionen. Und wer immer im 19. Jahrhundert ein bürgerliches Gesetzbuch neu zu schreiben hat, orientiert sich am französischen Vorbild: Es dient als Grundlage für Kodifikationen in Rumänien und Ägypten, Haiti und Bolivien, Argentinien und Paraguay, Chile und Mexiko.Zu einem Bruch mit dem Code civil kommt es am 1. Januar 1900 im deutschen Kaiserreich. An diesem Tag tritt das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) in Kraft, das den Code civil als weltweites Vorbild mehr und mehr ersetzt und auch das rheinische Recht in Deutschland zurückdrängt. Als freilich vier Jahre später in Paris der 100. Geburtstag des Code civil pompös begangen wird, gesteht man sogar in Deutschland mit einer gewissen Gelassenheit ein, dass man seine Jurisprudenz nicht zuletzt der französischen Rechtskultur verdanke.
Lahusen, Benjamin: Das Recht bleibt. In: Napoleons Ende: Waterloo und der Wiener Kongress. . (= Zeit Geschichte: Epochen, Menschen, Ideen. 2/2015), S. 64-68.
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Zur Gestaltung wissenschaftlicher Poster
Abbildung 1: Muster für ein wissenschaftliches Poster
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Abbildung 2: Muster für ein wissenschaftliches Poster
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Hinweise zur Erstellung eines wissenschaftlichen Posters in der gymnasialen Oberstufe
– Ein gutes Poster
• vermittelt ein mitteilenswertes Ergebnis durch eine Kernaussage („Botschaft“);
• animiert den Betrachter, diese „Botschaft“ lesen und verstehen zu wollen;
• regt zur anschließenden Diskussion an.
– Der Titel sollte
• auf den Hauptinhalt des Posters aufmerksam machen und
• das Ergebnis widerspiegeln oder als Frage formuliert sein.
– Inhalte und Aussagen werden
• so ausgewählt, dass damit historische Ereignisse, Prozesse oder Strukturen und das
darauf bezogene Handeln von Menschen erklärt werden können;
• mithilfe aktueller wissenschaftlicher oder publizistischer Beiträge erklärt;
• plausibel ausgewählt und schlüssig miteinander verbunden und müssen
• sich auf das Wesentliche beschränken.
– Textgestaltung sollten
• kurz und aussagekräftig sein (einfache Formulierungen und Schlüsselbegriffe, Stichworte)
und
• nicht mehr als 50 % des Posters bedecken (Je kürzer man die Informationen darstellen
kann, desto besser).
– Struktur und Layout
• sollen die gewollte Leserichtung unterstützen (von links nach rechts bzw. von oben nach
unten);
• müssen die darzustellenden Aspekte leicht erkennbar machen (durch Rahmen voneinander
abgesetzte Kästen und Textfelder).
Erarbeitet auf der Grundlage von: Universität Flensburg, Institut für Erziehungswissenschaft. Hinweise zur Erstellung eines wissenschaftlichen Posters. Fundstelle: https://www.uni-flensburg.de/fileadmin/content/abteilungen/schulpaedagogik/ dokumente/hinweise-zum-wiss-arbeiten/hinweise-zur-erstellung-eines-wissenschaftlichen-posters.pdf. (aufgerufen am 10.1.2016)undKlaus Pommerening: Ein Poster ist kein Plakat (Vortrag vom 10.11.2009)Fundstelle: www.staff.uni-mainz.de/pommeren/Vortraege/Gutes_ Poster .pdf (aufgerufen am 10.1.2016)
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Einordnung in den Fachlehrplan Gymnasium
Kompetenzschwerpunkt(e) bzw. Kompetenzbereiche:
Den Übergang zur Moderne am Ende des Alten Reiches beurteilen
zu entwickelnde Kompetenzen:
kursbezogen
– Ursachen, Bedingungen und Wirkungen von Veränderungen in Deutschland darstellen
– Erklärungen für Ursachen, Bedingungen und Wirkungen von Veränderungen im
Zusammenhang mit dem Ende des Alten Reiches erörtern4
kursübergreifend:
– Die Schülerinnen und Schüler erörtern fachwissenschaftliche und publizistische Beiträge zur
Geschichte. Sie können die dort getroffenen Aussagen analysieren, bei der Erklärung
historischer Sachverhalte heranziehen und deren Erklärungskraft abwägend prüfen5
– Die Schülerinnen und Schüler gewinnen, verarbeiten, bewerten und präsentieren
Informationen, tauschen diese aus und nutzen sie für eigenständiges Lernen […] Zur
Unterstützung nutzen sie verschiedene Medien, auch digitale Werkzeuge und Endgeräte.6
Bezug zu grundlegenden Wissensbeständen:
– politische und rechtliche Situation im Reich um 1800
– Ursachen und Folgen der Umbrüche im Reich: französische Besetzung, Säkularisierung und
Mediatisierung, Umgestaltung der Staatsverwaltungen
– aktuelle Erklärungen in Wissenschaft oder Publizistik für Ursachen, Bedingungen und
Wirkungen von Veränderungen im Zusammenhang mit dem Ende des Alten Reiches
4 Bildungsministerium Sachsen-Anhalt (Hrsg.): Fachlehrplan Gymnasium Geschichte. Magdeburg 2017, S. 405 Bildungsministerium Sachsen-Anhalt (Hrsg.): Fachlehrplan Gymnasium Geschichte. Magdeburg 2017, S. 86 Kultusministerium Sachsen-Anhalt (Hrsg.): Lehrplan Gymnasium/Fachgymnasium. Kompetenzentwicklung und Unterrichtsqualität (Grundsatzband), Magdeburg2015, S. 10
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Anregungen und Hinweise zum unterrichtlichen Einsatz
Die Gestaltung eines wissenschaftlichen Posters zum Ende des Alten Reiches soll zur
selbstständigen Erarbeitung von Kompetenzen erfolgen. Voraussetzung zur Bewältigung der mit
der Postergestaltung verbundenen Arbeitsschritte sind die Erarbeitung der grundlegenden
Wissensbestände im Rahmen einer von der Lerngruppe selbst organisierten Unterrichtsphase,
Fähigkeiten zum selbstständigen Recherchieren (Literatur- bzw. Internetrecherche), Fähigkeiten
zur kritischen Reflektion von Autorenauffassungen und Fähigkeiten zur digitalen Visualisierung von
Aussagen müssen hinreichend gefestigt sein.
Die Überführung erworbener Wissensbestände und herausgearbeiteter Autorenauffassungen in
möglichst anschauliche, nachvollziehbare und originelle Kernaussagen eines Posters sollte
während der Erarbeitungsphase des Posters gegebenenfalls durch die unterrichtende Lehrkraft
beratend begleitet werden.
Bei den vorgelegten Textauszügen handelt es sich um beispielhafte niveaubestimmende
Vorschläge, die alternativ durch anderweitig recherchierte Texte auf adäquatem Niveau ergänzt
bzw. ausgetauscht werden können. Aus ihnen sollte ausgewählt werden.
Zur Entwicklung der Fähigkeiten zur grafischen Umsetzung ist die Recherchetätigkeit
gegebenenfalls auf das Thema „ein wissenschaftliches Poster gestalten“ auszurichten. In
Abhängigkeit des Entwicklungsstandes der Lerngruppe ist vorab zu entscheiden, ob als Produkt
der Arbeitsphase ein selbsterklärendes Poster oder eine Grafik als Grundlage eines Kurzreferats
erarbeitet werden soll.
Es sollten sechs Unterrichtsstunden zur Umsetzung der Aufgabe und eine zur Auswertung
eingeplant werden.
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Erwarteter Stand der Kompetenzentwicklung
Erwartete Schülerleistung prozent. Anteil
Die Schülerinnen und Schüler können
– verschiedene Erklärungsansätze zum Ende des Alten Reiches und zur Bedeutung
der napoleonischen Fremdherrschaft für Veränderungen im Zusammenhang mit
dem Ende des Alten Reiches anwenden;
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– den historischen Wandel so darstellen, dass das Sinnbildungsmuster
„Epochenumbruch“ deutlich wird;
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– die von ihnen entwickelten Aussagen in einem wissenschaftlichen Poster
anschaulich, nachvollziehbar herausarbeiten;
– kontroverse Positionen entsprechend dem Format eines Posters im Rahmen von
Kernaussagen verdeutlichen;
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– die Abfolge historischer Sachverhalte in einem zeitlich und räumlich richtig
verortetet Rahmen einordnen (Ende des Alten Reiches);
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– sich mit kontroversen Erklärungen auseinandersetzen und dabei eine eigene
Deutung entwickeln.
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Literatur:
– Nipperdey, Thomas: Deutsche Geschichte 1800-1866: Bürgerwelt und starker Staat. München: Verlag C. H. Beck 61993
– Wehler, Hans-Ulrich: Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Erster Band, Vom Feudalismus des Alten Reiches bis zur Defensiven Modernisierung der Reformära 1700–1815. München: Verlag C. H. Beck 31996
– Winkler, Heinrich August: Der lange Weg nach Westen. Band 1: Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reiches bis zum Untergang der Weimarer Republik, München: Verlag C. H. Beck 2000
– Whaley, Joachim: Das Heilige Römische Reich deutscher Nation und seine Territorien. Band II Vom Westfälischen Frieden zur Auflösung des Reichs 1648–1806, aus dem Englischen von Michael Sailer, Darmstadt: Verlag Philipp von Zabern 2014
– Burgdorf, Wolfgang: Ein Weltbild verliert seine Welt: Der Untergang des Alten Reiches und die Generation 1806. (= Bibliothek Altes Reich, Bd. 2), München: R. Oldenbourg Verlag 22009
– Kultusministerium Sachsen-Anhalt (Hrsg.): Lehrplan Gymnasium/Fachgymnasium. Grundsatzband Kompetenzentwicklung und Unterrichtsqualität. Magdeburg 2014
– Lahusen, Benjamin: Das Recht bleibt. In: Napoleons Ende: Waterloo und der Wiener Kongress. (= Zeit Geschichte: Epochen, Menschen, Ideen. 2/2015)
– Ministerium für Bildung Sachsen-Anhalt (Hrsg.): Fachlehrplan Gymnasium Geschichte. Magdeburg 2016– Universität Flensburg, Institut für Erziehungswissenschaft. Hinweise zur Erstellung eines
wissenschaftlichen Posters. Fundstelle: https://www.uni-flensburg.de/fileadmin/content/abteilungen/schulpaedagogik/ dokumente/hinweise-zum-wiss-arbeiten/hinweise-zur-erstellung-eines-wissenschaftlichen-posters.pdf.
– Klaus Pommerening: Ein Poster ist kein Plakat (Vortrag vom 10.11.2009). Fundstelle: www.staff.uni-mainz.de/pommeren/Vortraege/Gutes_ Poster .pdf
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