Bewertung des Landschaftsbildes
im Zuge der Errichtung von
Windkraftanlagen auf Waldstandorten
Boris Salak, Thomas Schauppenlehner, Christiane Brandenburg,
Alexandra Jiricka, Christina Czachs
Universität für Bodenkultur, Wien
Institut für Landschaftsentwicklung, Erholungs- und Naturschutzplanung
Länderübergreifende Fachtagung zu „Windenergieanlagen auf Waldstandorten“, München, 24.6.2015
Alle wollen ein Stück von der Landschaft
Verändert nach: http://www.wien.gv.at/stadtentwicklung/projekte/landschaft-freiraum/landschaft/wachsende-
stadt/umland/interkommunal.html
Erholungsnutzung
Naturschutz
Gemeinden
Industrie/Gewerbe
BewohnerInnen Land- und Forstwirtschaft Jagd/Fischerei
Verkehrsinfrastruktur Energiewirtschaft (erneuerbare Energie)
Landschaftsbild im Naturschutzgesetz
Oö. Natur- und Landschaftsschutzgesetz 2001
– § 1 (2) Durch dieses Landesgesetz werden insbesondere
geschützt: 3. die Vielfalt, Eigenart, Schönheit und der
Erholungswert der Landschaft;
– § 3 (8) Landschaftsbild: Bild einer Landschaft von jedem
möglichen Blickpunkt zu Land, zu Wasser und in der Luft;
– § 3 (2) Eingriff in das Landschaftsbild: eine Maßnahme von nicht
nur vorübergehender Dauer, die zufolge ihres optischen
Eindruckes das Landschaftsbild maßgeblich verändert.
Gesamte Rechtsvorschrift für Oö. Natur- und Landschaftsschutzgesetz 2001, Fassung vom 04.08.2015
https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung/LrOO/20000147/O%c3%b6.%20NSchG%202001%2c%20Fassung%20vom%2004.08.2015.pdf
Bewertung des Landschaftsbildes
Landschaftsbild und auch der Erholungswert
– zusammengesetzt aus objektiv vorhandenen
Landschaftselementen, die subjektiv von den Betrachtenden
wahrgenommen werden;
– Wahrnehmung ist stark von persönlichen Prägungen und
Vorlieben sowie Wertvorstellungen abhängig; (vgl. EDELBAUER et al. 2005)
– identitätsstiftend.
Erholungswert
„[…] Erholung als die mit dem Aufenthalt des Menschen in der
Landschaft verbundene geistige und körperliche Regeneration
definiert […]. Die Qualität des Erholungswertes der Landschaft
erschließt sich dabei über Vielfalt, Eigenart und Ursprünglichkeit
sowie Schönheit der Landschaft“; (AMT DER NIEDERÖSTERREICHISCHEN LANDESREGIERUNG 1995)
Erholungswert umfasst alle Sinneseindrücke;
Landschaftserlebnisfunktion – „[…] Vermögen der Landschaft
durch physisch und psychisch positive Wirkungen beim Menschen
eine körperliche und seelische Regeneration hervorzurufen […]“. (STADTBAUAMT BAD SAULGAU 2010, S.30)
Gesundheit
„Gesundheit im weiteren Sinne ist allerdings mehr als das ‚Freisein
von Krankheit‘. Wohlbefinden und eine harmonische Einbettung in die
heimatliche Umwelt sind sicher auch wichtige Aspekte von Gesundheit.
Die Freude an der Wohnumgebung, die Möglichkeit von Erholung
und Ruhe daheim und im unmittelbaren Nahbereich der Wohnung
sind entscheidende Aspekte dieses umfassenderen
Gesundheitsbegriffes. Diese Aspekte können nicht allein mittels
Grenzwerten für einzelne Belastungen erfasst werden.“ (MOOSHAMMER 2009)
Voraussetzung von Erholung
Eigenschaften einer Landschaft
Schönheit
Eigenart
Vielfalt
Komplexität
Kohärenz
Mystik
Lesbarkeit …
Infrastruktur
Rad-, Wanderwege
Loipen
Rast- und Sitzgelegenheiten
Gastronomie
…
Störungsfreiheit
Geräusche
Gerüche
visuelle Wirkungen
… N
L
H
E
Natur zur komplexen
Sinneserfahrung und Erholung
Natur als Kulisse Zweckgebundene Nutzung der Natur
Ansprüche der Erholungssuchenden an die Landschaft
Geringe Ansprüche an die Infrastruktur
- kontemplativ Hohe Ansprüche an die Infrastruktur -
konsumtiv
(verändert nach JIRICKA & PRÖBSTL-HAIDER 2013)
Lebrac (CC BY-SA 3.0),
https://de.wikipedia.org/wiki/Hainbuche#
/media/File:Reinhardswald_Hainbuchen.
jpg
Jiricka Czachs Czachs
Orte der Erholungsnutzung
„Erlebniswelten“
Erholung in der „Natur“
„Alltagswelten“
Czachs
Fotos: Gantner & Czachs
Golf NFLD (CC BY-SA 3.0)
https://en.wikipedia.org/wiki/Humber_Valley_Gol
f_Resort#/media/File:Humber_Valley_Golf.jpg
Czachs Brandenburg
Czachs
Verlust an Alltagserholungslandschaften
Landwirtschaftlich
dominierte
Landschaft
„Service-Landschaft“
Czachs
Zersiedelung
Medy Sejai; (CC0)
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Etalement_urbai
n_banlieue_paris_-_03.avril.2005.JPG?uselang=de
Czachs
Segregation der „Landschaften“
Tourismusgebiete mit Landschaften, die z.T. unter Schutz gestellt sind
großflächige Service- und Funktionslandschaften
versus
z.B. Salzkammergut, Wachau
z.B. Wiener Becken
Störungsfreiheit möglich?
Klementschitz (CC BY-SA 3.0) https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Dachsteingosau.JPG
Doronenko (CC BY-SA 3.0 at) https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Wachau#/media/File:Bur
gruine_Hinterhaus,_Spitz_an_der_Donau_25.jpg,
Wie groß ist die
Störungstoleranz?
Czachs Czachs
Beeinträchtigung der Erholung
• Verlust an Fläche für Erholung
• Beeinträchtigung der Qualität der Infrastruktur (z.B. Wege, ...)
• Veränderung des ästhetischen Werts
• Veränderung der Durchgängigkeit der Landschaft
und des Betretungsrechts
• Störung durch Lichtreflexe, Lärm, …
Qualität der Infrastruktur
Mehrwert und/oder Verlust des Erholungswertes durch Errichtung
von Forststraßen/Wartungswegen
Berufung der Landesumweltanwaltschaft Tirol
bzgl. der Errichtung Forstweg Hainzenmarterl-Weg (2010)
Zitate aus der Argumentation
„Licht und Schatten, Oberfläche und dem Gelände angepasster Wegverlauf lassen den Steig
mit seiner Umgebung verschmelzen.“
„Gerade für Kinder stehen derartige Steige an oberster Stelle hinsichtlich Erholungswert – im
Gegensatz zum ‚langweiligen‘ Gehen auf Forstwegen bleibt es auf solchen Steigen stets
spannend.“ (Amt der Tiroler Landesregierung 2010)
Hendele (CC0); https://pixabay.com/de/wald-wandern-wanderweg-weg-pfad-682003/
Czachs
Landschaftsbild und Erholung
Der Erholungswert verknüpft das Landschaftsbild mit
gesellschaftlichen Werten (Gesundheitsvorsorge u.a.).
Die Bedürfnisse an Erholungslandschaften sind vielfältig.
Eine starke Segregation in geschützte Landschaftsteile,
Tourismuslandschaften und Funktionslandschaften zeichnet sich ab.
Zunehmende Störung der „Alltagslandschaft“.
Landschaft als Grundlage zur Erholung ist keine
Selbstverständlichkeit, Verluste sind vielfach „unheilbar“.
Beurteilung durch ExpertInnen
Oö. Natur- und Landschaftsschutzgesetz 2001
§ 3 (8) Landschaftsbild: Bild einer Landschaft von jedem
möglichen Blickpunkt zu Land, zu Wasser und in der Luft
Beurteilung durch die Betroffenen
Partizipation
Beurteilung des Landschaftsbildes und
Erholungswertes durch ExpertInnen versus Betroffene
9 Selbstorganisation Geht über Partizipation
hinaus
8 Entscheidungsmacht
Partizipation 7 Teilweise Entscheidungskompetenz
6 Mitbestimmung
5 Einbeziehung
Vorstufen der Partizipation 4 Anhörung
3 Information
2 Anweisung
Nicht-Partizipation
1 Instrumentalisierung
Partizipationsstufen
http://www.partizipative-qualitaetsentwicklung.de/partizipation/stufen-der-partizipation.html
Kernziele von Visualisierungen
Unterstützung der eigenen Vorstellung (und Vorstellungskraft)
Ansichten
(wertfrei)
Einstellungen (positive oder negative
Bewertungen von z.B. Ereignissen)
Werte (generelle Vorstellungen von richtig oder falsch)
Quelle: KOTLER & ROBERTO 1989
Informationen bereitstellen
Abstände einschätzen
Dimensionen erfassen
Sichtbarkeiten
erleben
Landschaftswirkung
beurteilen
Information durch Visualisierung
Visualisierungen als Grundlage
– der Glaubwürdigkeit durch eigene, erfahrungsbasierte
Beurteilung der Umgebung (Realitätsnähe)
– der individuellen (emotional orientierten) Beurteilung des
dargestellten Vorhabens
Visualisierungen zur Unterstützung
– von Planungsprozessen
– der Informationsbereitstellung
– der eigenen Vorstellungskraft
Visualisierungstechniken
– Statische Bilder
– Interaktive 3-D-Engines
– Virtual Reality (VR)
– Augmented Reality (AR)
Information durch Visualisierung
Visualisierungstechniken
eingeschränkte Standortwahl
für den/die BetrachterIn
einfache und kostengünstige
Erstellung
hohe Realitätsnähe (potenziell)
geringe Immersion (Eintauchtiefe)
gute Integrationsmöglichkeiten bei
Befragungen (digital, analog)
geringe Anwendungshürden
(online, Webbrowser)
eingeschränkte Outdoor-
Anwendung
– Smartphones/Tablets
– Befragung etc.
Statische Bilder
Quelle: eigene Darstellung
Quelle: eigene Darstellung
Stat
isch
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Bild
Statische Bilder
Visualisierungstechniken
Starkes Teleobjektiv > kleiner Bildausschnitt WEAs stark überhöht
Manipulationspotenzial vorhanden
– Perspektivenwechsel (Vogelperspektiven/Obersicht)
– Brennweitenverzerrung (Teleobjektive)
– speziell ausgewählte Sichtachsen
– ungenaue Dimensionierungen
– Hintergründe mit besonders hohen/niedrigen Kontrasten
– unkorrekte Belichtung
– unkorrekte Farbgebung
– usw.
Visualisierungstechniken
Standortwahl im gesamten 3-D-
Modell möglich (auch Kamera-
fahrten und neuralgische Punkte)
aufwändige Erstellung
– hoher Modellierungsaufwand
– Integration von GIS-Daten etc.
hoher Immersionsgrad durch freie
Navigation in vertrauter (virtueller)
Umgebung
für Beteiligungsprozesse geeignet
technische Barrieren (Hardware – Installation – Navigation)
Manipulationsmöglichkeiten (Video, Audio)
Interaktive 3-D-Modelle (3-D-Engines)
Quelle: eigene Darstellung
Visualisierungstechniken
freie Wahl der Standorte & -Pfade
aufwändige Erstellung
– Grundlage: 3-D-Modell
– zeit- und kostenintensiv
– teure Software
– notwendige Hardware: VR-Brille
sehr hoher Immersionsgrad durch
VR-Brille (Abschottung nach außen)
geeignet für Beteiligungsprozesse
Barrieren
– wie 3-D-Modelle
– Übelkeit, Schwindel möglich
(Pfadsetzung wesentlich)
Virtual Reality (VR)
Quelle: eigene Darstellung
Visualisierungstechniken
georeferenzierte AR-Modelle –
Standort in realer Umgebung wählbar
reale Landschaftseffekte (Wind, Lärm,
Gerüche, Geräusche) erlebbar
Positionsbestimmung durch GPS
Boom durch mobile Endgeräte
vergleichsweise neue Technologie für
Außenanwendungen
viele AnbieterInnen
– unterschiedliche Zugänge & Systeme
technische Probleme
– GPS-Ungenauigkeiten (aGPS)
– Fehlen der Objektverdeckung
– Animationen schwierig / nicht möglich
Augmented Reality (AR)
Quelle: eigene Darstellung
Information – Anhörung
Forschung zur lokalen Akzeptanz von Windenergie
(ACRP; TransWind, www.transwind.boku.ac.at)
Partizipationsworkshop mit Visualisierungsparcours
1. Informationen zu einem (fiktiven) Szenario
2. Erleben digitaler Visualisierungsmethoden
3. Bewertung der Techniken mittels Fragebogen
Fokusgruppendiskussionen
– max. 12 Personen/Gruppe
– ca. 90 Minuten
Quelle: eigene Darstellung
Information – Anhörung
Bewertung der Techniken durch BürgerInnen (erste Erfahrungen aus den WS)
– Räume des persönlichen Alltags werden unmittelbar aufgesucht
(eigenes Haus, eigener Garten, Terrasse, FreundInnen, Bekannte, ...)
– Siedlungsgebiet wird nach kurzer Zeit verlassen und Orte der
persönlichen Erholung werden aufgesucht
– ProbandInnen finden sich in den virtuellen Welten gut zurecht
Die Anwendung hat einen... statische Bilder 3-D-Engine VR-Brille
...hohen Informationsgehalt ** *** *
...wirkt realistisch ** *** *
...wirkt glaubwürdig *** ** *
...hilft, das Landschaftsbild besser beurteilen zu können
** *** *
...unterstützt mich in der visuellen Vorstellung des Vorhabens
** *** *
Quelle: TransWind 2015
Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Universität für Bodenkultur
Department für Raum, Landschaft und Infrastruktur
Institut für Landschaftsentwicklung, Erholungs- und
Naturschutzplanung (ILEN)
Christiane Brandenburg [email protected]
Boris Salak [email protected]
Peter-Jordan-Straße 65, A-1180 Wien
Tel.: +43 1 47654-7218
Fax: +43 1 47654-7209
Literatur AMT DER NIEDERÖSTERREICHISCHEN LANDESREGIERUNG (1995):
Naturschutzbegriffsdefinitionen, Hrsg. Verbindungsstelle der Bundesländer beim Amt der NÖ
Landesregierung.
AMT DER TIROLER LANDESREGIERUNG (2010): Forstweg „Hainzenmarterl-Weg“, Berufung des
Landesumweltanwaltes 2010, Büro Landesumweltanwalt.
EDELBAUER, J., KRINZ, M., LANGMANTEL, G., PÖCKL, M., RIHS, H., SCHRAMAYR, G., STADLER,
N. & WANIVENHAUS, C. (2005): Leitfaden für die Beurteilung der Auswirkungen von Eingriffen auf das
Landschaftsbild - Eine Hilfestellung für die Praxis, Arbeitskreis Landschaftsbild, Amt der NÖ
Landesregierung.
JIRICKA, A. SCHUBLACH, F., PRÖBSTL U. (2013): Braucht der Landschaftsschutz
den Erholungswert ? Department für Raum, Landschaft und Infrastruktur
KOTLER, P. & ROBERTO, N. (1989): Social marketing: strategies for changing public behavior, Free
Press, New York/London.
MOOSHAMMER, H. (2009): Zur Umweltverträglichkeitserklärung S7 Fürstenfelder Schnellstraße
Abschnitt West unter besonderer Berücksichtigung des Teilgutachtens 5.1.13 – Humanmedizin, im
Auftrag der Umweltanwaltschaften Steiermark und Burgenland.