Behandlungsschwerpunktein der Schweineproduktion
Karl-Heinz Waldmann
Klinik für kleine Klauentiere und forensische Mediz in und Ambulatorische Klinik
Hannover, 13. Juni 2013
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Gesundheitsförderung in der Schweineproduktion
Prinzip: Reduzierung der Erkrankungshäufigkeitdurch: Senkung des Infektionsdruckes,
Verbesserung von Haltung, Management und Umwelt
Voraussetzungen: Ausreichender und aktueller Kenntnisstandbei Tierhalter und Tierarzt, intensive Zusammenarbeit
Maßnahmen:Diagnostik: gezielt, umfassend, kostengünstig, MonitoringHygiene: Reinigung, Desinfektion, Entsorgung,
Quarantäne, Nager-, Fliegenbekämpfung,Kontrolle des Personen-, Tier-, Fahrzeugverkehrs
Haltung: Optimierung von Stallbau, -klima, FütterungManagement: Geteilte Schweineproduktion (getrennte
Ferkelaufzucht), Organisation des Zukaufs,des innerbetrieblichen Tierverkehrs
Behandlung: Selektion, gezielter Arzneimitteleinsatz,Immunprophylaxe, korrekte Zootechnik
Kontrolle: Überwachung der Maßnahmen im Rahmenintegrierter tierärztlicher Bestandsbetreuung
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Applikation von Wirkstoffenin der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung
Indikationen
� Prophylaxe - z. B. Vakzinen� Substitution - z. B. Vitamine� Metaphylaxe, Therapie - z. B. Chemotherapeutika, Antiparasitika,
Analgetika, Antipyretika, Antiphlogistika Methoden
Einzeltier – Gruppe – Bestandparenteral - oral - lokal - topisch
Generelle Anforderungen
� sichere Applikation und genaue Dosierung� unverzüglicher Einsatz auch bei großen Tiergruppen� ausreichende Applikations-/Wirkungsdauer� größtmögliche Tierschonung� keine Rückstände oder Verschleppungen� praktikabel, kostengünstig
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Hintergründe, Ursachen, Notwendigkeiten des Einsatz esvon Antibiotika beim Schwein
Produktionsstrukturen(Populationsdichte, Bestandsgrößen, geographische Verteilung,Nutzungsteilungen, Tierverkehr)
Gesundheitssituation(Vorherrschen infektiöser Komplexkrankheiten plurikausaler undmultifaktorieller Genese, Fehlen von effektiven Behandlungs-, resp.Sanierungsmöglichkeiten und -strategien, ungenügender Infektionsschutz,Forderung des Verbraucher- und Tierschutzes�§1 Bundestierärzteordnung)
Behandlungspraxis(Mängel in der Untersuchung, Aufklärung, Diagnostik, Arzneimittelauswahl, -anwendung, -verfügbarkeit, Durchführung vonBegleitmaßnahmen, Erfolgskontrolle)
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Einfluss der Schweinedichte auf verschiedene Produk tionsparameter (North Carolina, n = 304 Betriebe, Untersuchungszeitraum 07.94 - 06.95, Dichte = Tiere/km2)
Schweinedichte Zahl Bestände
Gering n=81
Mäßig n=71
Mittel n=79
Hoch n=73
Mittlere Dichte 176±87 410±74 620±66 1079±416
Bestandsgröße 3671±1474 3863±1329 3918±1549 4660±2511
rel. Änderungen:
∅ Tgl. Zunahme +0,028a +0,008c -0,028bd -0,008b
∅ Verlustrate -0,006a -0,005c +0,006bd +0,005bd
∅ Futter-verwertung
-0,009a -0,003 -0,012c +0,024bd
∅ Medikations-kosten/Tier
-0,06 -0,28a +0,06 +0,27b
Gepaarter t-Test, a b, c d = p < 0,05 (n. Cowen et al. 1996)
Medikamentenanwendung (%)
Herkunft
der Ferkel
Anzahl der
Mastgruppen
Unbehandelte
Gruppen (%)
Nur
Einzeltiere
Nur
Gruppen
Beides
Geschloss. System
684 20,2 57,6 5,7 36,7
1 Erzeuger 600 10,5 56,3 3,5 40,2
2 Erzeuger 348 7,8 43,9 3,4 52,7
≥≥≥≥3 Erzeuger 276 4,0 40,0 6,0 54,0
1908 12,5 51,7 4,6 43,7 (n. Thielen 1987)
Beziehung zwischen Medikamentenanwendung in Mastbet riebenund Herkunft der Ferkel
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Herkunft der Mastferkel
Anteil Betriebe in %
1991/92 1996/97 2001/02 2005/09
Anzahl Betriebe 2.747 3.173 4.885 3.796
Eigene Aufzucht 25,5 26,4 34,4 31,3
Aus spezialisierter Ferkelaufzucht 2,7 6,5
Direkt aus einem Betrieb 14,3 17,0 32,0 47,5
Direkt aus zwei Betrieben 5,1 6,4
Direkt aus mehreren Betrieben 3,6 4,2
Ring-/Handelsferkel 37,0 31,9 33,6 21,2
Sonstige 8,1 7,6
(n. Gatzka et al. 1998,2003, 2010)
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� Infektiöse Komplexkrankheiten(nach Mayr 1984: infekt. Faktorenkrh., Mischinfektionskrh., endemischerHospitalismus, Crowding assoziierter Hospitalismus)Magen-Darm-Erkrankungen, Atemwegserkrankungen, Arthritiden, Haut-,erkrankungen, ZNS-Erkrankungen, Puerperalsyndrom der Sau,Parasitosen
� FruchtbarkeitsstörungenUmrauschen, Anöstrie, Aborte, Totgeburten, Mumien, kleine Würfe,erhöhte Ferkelmortalität
� Haltungs-, fütterungsbedingte ErkrankungenTechnopathien, Gliedmaßenerkrankungen, Kannibalismus,Mangelkrankheiten, Vergiftungen
� Genetisch bedingte ErkrankungenSkelett-, MuskelerkrankungenMissbildungen
� Tierseuchen
Gesundheitsprobleme in der Schweineproduktion
16. AMG-Novelle - was ändert sich? 9
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Niedersachsen
Betriebsgröße 303 – 3800
Untersuchungszeitraum 01. – 12.2011
Nach Anzahl der Betriebe 61
mit Antibiotika 47 77 %
ohne Antibiotika 14 23 %
Nach Anzahl der Mastdurchgänge 184
mit Antibiotika 108 59 %
ohne Antibiotika 65 35 %
Nach Anzahl der Tiere 169.499
mit Antibiotika 115.836 68 %
ohne Antibiotika 53.663 32 %
Behandlungen pro Durchgang 3,4 (0 – 92)
Wirkstoffe pro Durchgang 2,2 (0 – 15)
Therapiehäufigkeit [Einzelgaben/Tier] 4,6
Übersicht Ergebnisse Schweinemast
(zit. n. Emmerich 2013)
!?
Behandlungsschwerpunkt
Phasen der Schweineproduktion und Behandlungsschwer punkte
GeburtSchlachtung
Aufzuchtphase 8 Wo.
Säugephase 3-5 Wo.
Mast 14-15 Wo.
Vormast 2-3 Wo
Aufzuchtkrankheiten(häufig Einzeltierbehandlung)
• Pneumonie• Diarrhoe• Streptokokkeninfektionen• Staphylokokkeninfektionen• Hämophilus parasuis-Infektionen• Colienterotoxämie
• Pneumonie• Porzine intestinale Adenomatose• Dysenterie
Puerperalsyndrom(häufig Einzeltierbehandlung)
Einteilung nach Gewicht
Gewicht Anzahl Aufträge
Prozent Kumulative Prozente
<20 kg 4379 37.5 37.5 20-39kg 5517 47.2 84.7 40-59kg 704 6.0 90.8 60-79kg 250 2.1 92.9 80-99kg 59 0.5 93.4 100-149kg 13 0.1 93.5 150-199kg 191 1.6 95.2 200-249kg 426 3.7 98.8 >=250 kg 139 1.2 100.0
Herstellungsaufträge 1998 in SH nach Gewicht der Schweine (n=11678)
n. Broll et al. 2002
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Antibiotikaeinsatz in der Schweineproduktion
Alter/ Nutzungsgruppe
Hauptindikationen für AB-Behandlung
Behandlungsmodus
Gruppe/Bestand Einzeltier
Saugferkel Aufzuchtkrankheiten (↑↑↑↑) ↑↑↑↑↑↑↑↑
Absetzferkel
Colienterotoxämie, Diarrhoe, Strepto-kokken-, Staphylokokken-, Hämoph.-parasuis-Infektionen, Pneumonie
↑↑↑↑↑↑↑↑↑↑↑↑
↑↑↑↑
Läuferschwein E.-coli-Infekt., Dys., PIA, Pneumonie ↑↑↑↑↑↑↑↑↑↑↑↑ ↑↑↑↑
Mastschwein Dysenterie, PIA, Pneumonie ↑↑↑↑↑↑↑↑ ↑↑↑↑
Zuchtläufer s. Läufer ↑↑↑↑↑↑↑↑ ↑↑↑↑
Zuchtsau Puerperalsyndrom, infekt. Einzeltiererkrankung
↑↑↑↑ ↑↑↑↑↑↑↑↑
Zuchteber infekt. Einzeltiererkrankung ↑↑↑↑↑↑↑↑
Antibiotika-LeitlinienTierartspezifische Ergänzungen
Schwein
1. Allgemeiner Teil
Bei der Verabreichung von Arzneimitteln stehen beim Schwein
Gruppen- und Bestandsbehandlungen im Vordergrund . Daneben
finden Behandlungen von Einzeltieren - meist durch Injektionen - statt.
Das Bestandsmanagement spielt zur Vermeidung von
Infektionskrankheiten und damit zur Reduzierung der Menge
eingesetzter Antibiotika eine wesentliche Rolle. Hierzu gehören die
weitestgehende Optimierung der Haltungsbedingungen (z.B.
Stallklima, Fütterungsregime) und eine sinnvolle Impfstrategie .
Maßnahmen, die nachweislich die Atemwegsgesundheit verbessern
• Maximal 250-300 Schweine pro Abteil (ideal: 150)
• Mehr als 3 m3 Luftraum und mindestens 0,5 m2 Liegefläche pro Tier
• Maximal 10-12 Schweine pro Gruppe (nicht Umsetzen, nicht Mischen)
• Rein-Raus-Verfahren• Schweine von einer Herkunft beziehen
• Reinigung und Desinfektion vor Neubelegung
• Steigerung der Luftumwälzrate (60 m3/Stunde/Schwein)
• Festmist• Bei Spaltenboden: Gülle täglich entfernen
• Temperaturschwankungen minimieren
• Getrennte Gebäude
• Luftstrom vom Liegebereich über Kotbereich nach draußen
• Minimierung inhalierbarer Stäube, z.B. durch Pelletfütterung
• Minimierung von luftgetragenen Bakterien (< 104/m3)
• Minimierung von luftgetragenen gramnegativen Bakterien und damit Endotoxin
• Freier Zugang zu Trinkwasser
• Besatzdichte !
Beispiele :
1. Therapie akut verlaufender Infektionskrankheiten
- Enzootische Pneumonie
- Actinobacillus Pleuropneumonie Gruppenbehandlung, OAF, FüAM
- Schweinedysenterie
- MMA → Einzeltierbehandlung, OAF, parenteral
Antibiotikaeinsatz beim Schwein
Antibiotika-LeitlinienTierartspezifische Ergänzungen
Schwein
2. Spezieller Teil:Neben dem therapeutischen Einsatz bei klinisch erkrankten Tieren steht der metaphylaktische Einsatz bei Tieren, die als infiziert anzusehen sind, jedoch noch keine klinischen Symptome zeigen (z. B. in bestimmten Alters- und Produktionsabschnitten oder bei der Einstallung). Hierzu wird verwiesen auf die Antibiotika-Leitlinien Punkt 3 Satz 3, zweiter Spiegelstrich:"Ein Erregernachweis und ein Antibiogramm nach Erregerisolierung sind grundsätzlich erforderlich:-regelmäßig bei wiederholtem oder längerfristigem Ei nsatz bei Tiergruppen".(Erläuterung: … Die mikrobiologische Diagnostik muss nicht bei jeder Behandlung durchgeführt werden. Der angemessene Umfang dieser Untersuchungen ergibt sich aus dem Einzelfall.)
2. Metaphylaxe bei anhaltenden bakteriellbedingten Bestandsproblemen
- E.-Coli-Infektionen
- Schweinedysenterie Gruppenbehandlung, OAF, FüAM
- Streptococcus-suis-Infektionen
- Staphylokokken- oder Streptokokkeninfektion der Saugferkel→ Einzeltierbehandlung, parenteral
Antibiotikaeinsatz beim Schwein
3. Behandlung von Einzeltiererkrankungen
- Panaritium → OAF / parenteral
- Harnwegsinfektionen bei Sauen → OAF / parenteral
Ausführungen/Anleitungen zum Antibiotikaeinsatz bei m Schwein stellen eine Entscheidungshilfe dar !
→ Die letztendliche Entscheidung für oder gegen eine bestimmte antibiotische Behandlung kann nur der Tierarzt vor Ort aufgrund seiner Erfahrung und der Kenntnis des gesamten Krankheitskomplexes (Faktorenkrankheiten !) fällen.
→ Die Verantwortung liegt beim Tierarzt.
Antibiotikaeinsatz beim Schwein
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� Voraussetzung: Untersuchung, Diagnostik und Indikationsstellung
� Verschreibung / Abgabe für den konkreten Einzelfallin veterinärmedizinisch gerechtfertigter Menge (AMG, TÄHAV, Aufklärung !)
� Verabreichung eines geeigneten Wirkstoffes oder sinnvollerWirkstoffkombinationen in therapeutischer Dosierung über einen adäquatenBehandlungszeitraum (AB-Leitlinien)
� Anpassung der Behandlung an die Krankheitssituation im Bestand(Futter-/Wassermedikation; individuelle Therapie schwerkranker Tiere)
� Vermeidung von Verschleppungen des FAM oder Kontaminationennachfolgender nicht medikierter Futterchargen (Leitfaden zur oralen Anwendung)
� Berücksichtigung der weiteren erforderlichen Behandlungsmaßnahmen(Korrektur von Mängeln in Haltung, Stallklima, Fütterung, Management u.s.w.)
� Kontrolle des Behandlungserfolges (TÄHAV)
Durchführung von oraler Medikation im Tierbestand
Emmerich, 10.05.2013 16. AMG-Novelle - was ändert sich? 21
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Bestandsproblem: Dysenterie bei Mastschweinen
1000 Mastplätze, kontinuierliche Belegung, mehrere Herkünfte
Vormast: Tiefstreu, Trockenfütterung (Mehl)
Endmast: Teilspaltenboden, Flüssigfütterung
(eigene Getreidemischung)
Einstallungsmetaphylaxe wegen anhaltender
Dysenterieproblematik mit dysenteriewirksamem Antibiotikum
(zur Verabreichung über das Futter)
Problematik bei Behandlungüber die Flüssigfütterung
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Krankheitssituation:Seit Monaten vermehrt Dysenteriefälle (30-50% der Tiere
betroffen) sowohl in der Vormast als auch in der Endmast,
Totalverluste durchschnittlich 8% (!)
Trotz Futtermedikation mit dysenteriewirksamem (im
Antibiogramm geprüft !) Präparat über 6 Wochen kein befriedigender Therapieerfolg.
(aber: Dosierung z. T. ca. 30% unter Behandlungsempfehlung und Verwendung eines Präparates zum Einmischen in Trockenfutter )
Frühere kurzfristige Medikationen mit anderen Präparaten
ebenfalls ohne bessere Wirkung.
Problematik bei Behandlungüber die Flüssigfütterung
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Bestandsuntersuchung:
Ergebnis der Untersuchung von 4 Flüssigfutterproben aus den Trögen verschiedener Ställe auf den Wirkstoffgehalt:
3 Proben negativ, 1 Probe ca. 15% des Sollwertes.
Im "Futtersumpf" des Anmischbottich hochgradige Anreicherung des Arzneimittels
Empfehlung:Bei Flüssigfütterung Einsatz von wasserlöslichen Pr äparaten unbedingt bevorzugen.
Problematik bei Behandlungüber die Flüssigfütterung
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Schwachpunkte der Behandlung:
� Mischfehler
� Medikament mit fehlender Wasserlöslichkeit verwendet
� Unterdosierung
� Schwerkranke Tiere nicht individuell berücksichtigt
� Zustallung neuer Tiere zu infizierten Schweinen
� Keine begleitenden Korrekturmaßnahmen durchgeführt
(z. B. keine effektive Kotbeseitigung, Nagerbekämpfung etc.)
Problematik bei Behandlungüber die Flüssigfütterung