Arbeitszeit im Betrieb
16. Juni 2011
I. Öffentliches Arbeitszeitrecht
II. Individuelles Arbeitszeitrecht
III. Aktuelle Problemfelder
Öffentliches Arbeitszeitrecht Individuelles Arbeitszeitrecht
Mitbestimmung in Arbeitszeitfragen
I. Öffentliches Arbeitszeitrecht
Schutzobjekt: Gesundheit des einzelnen Arbeitnehmers
Schutzrahmen innerhalb der Flexibilisierungstendenz
Regelungen in:
• EU-Arbeitszeitrichtlinie (2003/88/EG)
• ArbeitszeitG (keine Entgeltregelungen)
• JugendarbeitsschutzG
Durchsetzung des öffentlichen Arbeitszeitschutzes:
• Aufsichtsbehörden (§ 17 ArbZG)
• Straf- und Bußgeldvorschriften (§§ 22, 23 ArbZG)
• Einhaltungsanspruch des Arbeitnehmers (§ 618 BGB)
Grundbegriffe der Arbeitszeit:
• Vollarbeit
• Arbeitsbereitschaft
• Bereitschaftsdienst
• Rufbereitschaft
• Ruhepausen
• Ruhezeit
Ruhepausen
• im Voraus festliegende Unterbrechungen der Arbeitszeit von bestimmter Dauer
• keine Arbeitsleistung, kein Bereithalten
• freie Wahl des Aufenthaltsorts
• streitig, wann Dauer festgelegt werden muss (Schichtbeginn oder erst Pausenbeginn)
Ruhepausen
bis 6 Stunden AZ keine Pause erforderlich
6 bis 9 Stunden AZ 30 Minuten
mehr als 9 Stunden AZ 45 Minuten
• länger als 6 Stunden ohne Pause unzulässig
• Pausen aufteilbar auf Zeitabschnitte je 15 Minuten
• Anordnung von mehr Pausenzeit zulässig
Ruhezeit
• Zeit zwischen zwei Schichten, soweit der Arbeitnehmer nicht zu Vollarbeit, Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst herangezogen wird
• 11 Stunden (§ 5 Abs. 1 ArbZG)
• Verkürzung auf 10 Stunden in bestimmten Bereichen möglich (§ 5 Abs. 2, 3 ArbZG)
Überstunden / Mehrarbeit
• keine gesetzliche Definition
• häufig synonym oder missverständlich verwendet
• oft von Betriebs- oder Dienstvereinbarungsansatz abhängig, was vorliegt und was die Konsequenzen sind
Dauer der Arbeitszeit:
• 8 Stunden je Werktag abzüglich der Pausen
• 6 Werktage (Mo – Sa 48 Stunden/Woche)
• Tageshöchstgrenze: 10 Stundenbei Ausgleichszeitraum 6 Kalendermonate bzw. 24 Wochen (tariflich änderbar)
Begriff der Arbeitszeit:
• Zeit zwischen Beginn und Ende der Arbeit
• abzüglich Ruhepausen
• auch Bereitschaftsdienst
• Dauerproblem: Reise- und Wegezeiten
Reise- und Wegezeiten als Arbeitszeit:
• einzelfallabhängig
• Arbeitszeit, wenn Wege zwischen Betriebsstätte und auswärtiger Arbeitsstätte zurückgelegt werden
• Dienstreise ist Arbeitszeit, wenn belastende Tätigkeit vorgenommen wird
• Anreise zur Arbeitsaufnahme: nie Arbeitszeit
• häufig: Dienst- oder Betriebsvereinbarungen
Vergütung von Reise- und Wegezeiten:
• Wegezeit zur Arbeit ist immer Privatsache
• für Reisezeit besteht keine gesetzliche Regelung
• BAG: „angemessene“ Vergütung
• AVR: Stundengutschrift bis zu 10 Stunden
• Konsequenz: Arbeitszuweisung auf Bahnreise möglich
III. Individuelles Arbeitszeitrecht
Kernfragen:
• Wann muss ich individuell Arbeit leisten?
• Wie viel Arbeit muss ich leisten?
• In welchem Umfang darf der Arbeitgeber anordnen?
Dauer der individuellen Arbeitszeit:
• festgelegt durch Tarifvertrag, Arbeitsvertrag (oder BV/DV)
• bildet in Verbindung mit Vergütung den Wertmaßstab
• Änderungen nur bei klar sichtbaren Auswirkungen auf Wertmaßstab denkbar (§ 305 ff. BGB)
Dauer der individuellen Arbeitszeit:
bisherige Anwendung durch den Arbeitgeber:
38,5 Stunden x 52 Wochen = 2002 Jahrstunden
Dauer der individuellen Arbeitszeit:
korrekte Anwendung durch den Arbeitgeber:
38,5 Stunden x 4,348 x 12 = 2008,77 Jahrstunden
Dauer der individuellen Arbeitszeit:
Wie kommt der Faktor 4,348 zustande?
durchschnittliche Anzahl der Wochen je Monat bezogen auf 4 Jahreszeitraum (Schaltjahrberücksichtigung)
3 x 365 Tage +
1 x 366 Tage = 1461 Tage ./. 12 Monate ./. 7 Tage = 4,348
Konsequenzen:
• in der Vergangenheit wurden zu wenig Jahresstunden berechnet Verantwortung des Arbeitgebers (Annahmeverzug)
• keine Rückforderungsmöglichkeit
• kein „Verschulden“ der Arbeitnehmer
• Leistungsanspruch auf 2008,77 Stunden für die Zukunft
• keine Besitzstand/Gewohnheitsrecht durch abweichende Handhabung in der Vergangenheit
Wie könnten „Mehrstunden“ zukünftig geleistet werden:
• minimale Erhöhung der Wochenarbeitszeit
• „Rücklage“ über Überstunden
• Einrichtung von Arbeitszeitkonten
Lage der individuellen Arbeitszeit:
• muss sich im Rahmen von § 106 GewO halten
• grundsätzlich keine Beschränkungen (auch nicht Sonntagsarbeit), es sei denn vertraglich vereinbart
Maßstab bei der Ausübung des Direktionsrechts:
„Billiges Ermessen“ (§§ 315 Abs. 1 BGB, 106 GewO)
Alle wesentlichen Umstände des Einzelfalles müssen abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt werden.
Einschränkung des Direktionsrechts hierneben durch:
- betriebliche Übung
- gebotene Rücksichtnahme auf familiäre Pflichten
- Rücksichtnahme auf Glaubens-/Gewissensfreiheit
- eingetretene Konkretisierung
IV. Aktuelle Problemfelder
• private Internetnutzung am Arbeitsplatz
• private Handytelefonate
• Raucherpausen