Schulleitungshandeln aus Lehrersicht – Ergebnisse der TALIS-Studie
Berlin, 17.09.2013
Univ.-Prof. Dr. Matthias v. SaldernMitglied des Fachausschusses Bildung der Deutschen UNESCO-
KommissionMitglied des Beirats Inklusion des BMZ
Vorschau
1.Einführung: Die TALIS-Studie
2.Fortbildung
3.Begutachtung und Feedback
4.Wirksame Schulführung
5.Anerkennung
6.Kultur, Kultur, Kultur!
7.Fazit
“If you think education is expensive, try ignorance!”(Derek Bok, Präsident der Harvard University)
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1. Einführung: Die TALIS-Studie● Nach PISA und IGLU Hinwendung zu
Arbeitsbedingungen und Einstellungen von Lehrkräften
● OECD konzipiert TALIS (Teaching and Learning International Survey)
● KMK beschließt, sich bei TALIS nicht zu beteiligen.● GEW konzipiert auf der Basis des österreichischen
Fragebogens eine eigene Online-Befragung von Lehrkräften und Schulleitungen und führt diese auch durch.
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Ziel von TALIS
● Ziel der Studie ist es, – einen Einblick in die Arbeitsbedingungen von
Lehrkräften sowie Schulleiterinnen und Schulleitern zu erhalten,
– um relevante Qualitätsindikatoren für Unterricht und Lernen zu entwickeln und
– Modelle für effektive Schulen zu kreieren.
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Schwache Leistungen
Ungleiche Chancen
Starke Leistungen
Ungleiche Chancen
Schwache Leistungen
Ausgewogene Chancen
Starke Leistungen
Ausgewogene Chancen
Starker Einfluss von sozialem Hintergrund auf Bildungserfolg
Ausgewogene Verteilung von Bildungschancen
Starke Schülerleistungen
Schwache Schülerleistungen
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Starker Einfluss von sozialem Hintergrund auf Bildungserfolg
Ausgewogene Verteilung von Bildungschancen
Starke Schülerleistungen
Schwache Schülerleistungen
Nur Belgien, LiechtensteinGegliedert, wenn auch später
als in BRD
Germany
Rahmenbedingungen
Integrierte SystemeHohe Eigenverantwortung der Schule
Lehrkräfte als Professionals
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Schulsystem
Schule
Klasse
Schüler
TALIS
Beschreibung aus SL+Lehrersicht
Beschreibung aus Lehrersicht
SelbstwirksamkeitLehrkraft
Selbstwirksame Lehrkräfte führen zu starken Schülern
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Das große Ziel von SchuleStärkung durch Selbstwirksamkeit
● Für die SuS: siehe Schulgesetze● Mündiger Bürger / mündige Bürgerin● Einzigartiges Individuum
● Grundlage: Selbstwirksamkeit● Selbstwirksamkeit ist die Überzeugung, durch
eigenes Handeln erwünschte Ergebnisse und Ziele zu erreichen.
● Dies erreicht man über Leistungserfahrung des Einzelnen, auch der Lehrkräfte!..
nach Bandura (1994)
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Modell
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Stichprobe
TALIS-InternationalTALIS (GEW)-Deutschland
Zielpopulation Teachers of lower secondary education and the principals of
their schools
Lehrkräfte und Schulleitungen aller Stufen
Stichproben-größe
200 schools, 20 teachers in each school
3734 Lehrkräfte388 Schulleiterinnen und
Schulleiter
Repräsenta-tivität
Representative samples of schools and teachers within
schools
! Zum Großteil, dabei leichter bias durch GEW-Mitgliedschaft
Fragebogen Separate teacher and principal questionnaires
Für Lehrkräfte und Schulleiter getrennt
Datenerhe-bung
Written and online online
Erhebungs-zeitraum
October-December 2007 for Southern Hemisphere Countries
and March-May 2008 for Northern Hemisphere Countries
2007/2008
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Repräsentativität● Prüfung der Repräsentativität durch die Daten des Institut für
Schulentwicklungsforschung 2006
● GEW-Mitglieder Tendenzen
– Abweichung >15%:
● Pro Gesamtschule● Pro Ganztagsschulen● Contra Sitzen Bleiben
– Abweichung 10%-15%
● Mehr Mitarbeit bei Schulentwicklung– Abweichung 5%-10%
● Mehr Fortbildung● Mehr Teamarbeit● Weniger begabungsorientiert
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2. Fortbildung
Tage
Anzahl LK
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Quoten und Wirkungen von Fortbildung (LK)
Kurse und Workshops
Bildungskonfe-renzen und Seminare
Qualifikati-onsprogram-me
Hospitationsbe-suche von ande-ren Schulen
Fortbildungs-netzwerk/Arbeitskreis
Individuelle und gemeinsame Forschungen
Betreuung und Hospitation der Kollegen/ Kol-leginnen
Fachliteratur lesen
Informeller Aus-tausch zur Verbesserung der Lehre
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TN BRD
TN TALIS
A BRD
A TALIS
● Teilnahmequoten (orange, rot)● Wirkungen von Fortbildung (grün)
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Anmerkungen der LK zur Fortbildung
● Fortbildung häufiger selbst finanziert, aber kein gravierender Einfluss auf Motivation.
● Hinderungsgründe:
– Inhalte unpassend (Wunsch: Umgang mit Heterogenität!)
– Konflikte mit Stundenplan
– Berufliche Belastung
● Wünsche:
– Fortbildungsformen, forschungsbasiert und kollegial (Bedeutung für mich und meine Schule)
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Fortbildung, Arbeitszufriedenheit, Kooperation und Selbstwirksamkeit hängen eng zusammen.
Fortbildung führt zu mehr Schülerorientierung.
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3. Begutachtung und Feedback
● Die deutschen Lehrkräfte erhalten von der Schulleitung selten Feedback (deutlich geringer als im OECD-Durchschnitt).
● (Die deutschen Lehrkräfte nahmen die Beurteilung / das Feedback überwiegend als faire Einschätzung ihrer Arbeit auf!)
● Auch die Selbstevaluation von Schulen liegt in Deutschland deutlich unter dem OECD-Durchschnitt.
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OECD: Zukünftige Perspektiven
“Wissensarm”Das Bildungssystem weiß wenig über sich selbst
“Wissensreich”Standards, Rückmelde- und Unterstützungssysteme
sind mit der Arbeit der Lehrer eng verknüpft
ZentraleRegulierung/
Standardisierung
Professionelles Handeln vor Ort
Lehrende als verantwortliche “Wissensarbeiter”
Wissensbasierte Standardisierung
Lehrende als “Einzelkämpfer”
Lehrende als Vermittler der Curricula
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Zu geringe Kooperation
● In TALIS-International wurden zwei Skalen gebildet: Die Skala Austausch und Koordination (von Material und Informationen) und die Skala Kooperation (im und für Unterricht).
● Ergebnis: Es findet zwar ein Material- und Informationsaustausch statt, selten aber echte Kooperation.
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Weitere Hindernisse
● SL: In Deutschland stehen der Schulleitung keine wirkungsvollen Beurteilungsmethoden zur Verfügung.
● SL: Ebenso werden in Deutschland seltener Pläne erstellt, um die Arbeit der Lehrkräfte systematisch zu verbessern.
● LK: Nach den Angaben von beinahe der Hälfte der Lehrkräfte werden in Deutschland fortwährend schlechte Arbeitsleistungen von Lehrkräften im Kollegium eher toleriert.
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4. Wirksame Schulführung
Stil Dazugehörige Skalen des Führungsverhaltens
Anleitender Führungsstil (Instructional
Leadership Style)
Schulziel-Management-Skala (Management-school goals scale)
Anleitungs-Management-Skala (Instructional management scale)
Supervisions-Skala (Direct supervision of instruction in the school scale)
Verwaltender Führungsstil
(Administrative Leadership Style)
Verantwortlichkeit-Management-Skala (Accountability management scale)
Bürokratie-Management-Skala (Bureaucratic Management scale)
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Unterschied Führung - Managament
ManagementIch tue die Dinge richtig!
FührungIch tue die richtigen Dinge!
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Hang zur Bürokratie
● Schulleitungen eher managementorientiert.● Staatliche Schulen bürokratieorientierter.
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Ergebnisse TALIS
1. Viel Zeit für Administration (nach innen) lässt weniger Zeit für Anleitung
2. Viel Aufwand für den Kontakt zu Schulbehörden und -trägern lässt weniger Zeit für schulinterne Dinge
3. Bürokratieorientierte Schulleiter sehen Mängel in der Unterrichtsvorbereitung der Lehrkräfte
4. Anleitende Führung verringert die Abwesenheitsrate von Lehrkräften
5. Anleitungsorientierte Schulleiter sehen weniger Zynismus bei Lehrkräften und gute Unterstützung der Schüler
6. Die Lehrkräfte widersprechen in ihrer Wahrnehmung des Schulmanagement den Aussagen der Schulleitungen in fast sämtlichen Aspekten.
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Arbeitszeit Schulleitung
Wie viel Zeit schätzen Sie, dass Sie als Schulleiter/in im Durchschnitt übers Schuljahr für die folgenden Tätigkeiten in
Ihrer jetzigen Schule aufwenden (in Prozent der Gesamtarbeit)?Prozent
Interne administrative Tätigkeiten (Personalangelegenheiten, Richtlinien, Berichte, Schulbudget, Stundenplan)
36,8
Lehrplan- und unterrichtsbezogene Tätigkeiten (einschließlich Unterrichten, Unterrichtsvorbereitung, Beratung von Lehrerinnen und Lehrern)
42,9
Beantworten von Anfragen von Schulbehörden und Schulträgern 14,2
Vertreten der Schule in Sitzungen, in der Gemeinde oder in Netzwerken
11,9
Sonstiges 10,6
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Folge: Lehrkräfte stören Schulklima (SL)
Schulleitung D Int
Zuspätkommen 13,55 15,1
Abwesenheit 27,57 25,8
Mangelnde Vorbereitung des Unterrichts 17,93 24,1
Konsum / Besitz von Drogen und / oder Alkohol
1,0
Zynische Einstellung gegenüber Schüler/innen 8,5
Mangelnde Unterstützung für Schüler/innen 15,9
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Gesellschaft
Einzelschule
Schulsystem
Staat
Schulklasse
Schüler/Schülerin
Verantwortlichkeiten zuweisen!
● Restriktionen: Dafür bin ich nicht verantwortlich
● Selbstrestriktionen: Dafür bin ICH verantwortlich.
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Innovationswiderstände● Schulen können oft nicht das machen, was sie für
notwendig erachten,...– ... weil es hinderliche Erlasse gibt.
● Schulen bewegen sich oft nicht in eine pädagogisch sinnvolle Richtung, ...– ... obwohl die Erlasse es zulassen.
● Also: Ermöglichung heißt nicht automatisch Umsetzung
● Siehe BERLIN:– Keine Noten bis Klasse 8 möglich
– Keine Jahrgangsklassen bis Klasse 8 möglich
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Beeinträchtigung von Unterricht (SL)
Schulleitung D Int
Einen Mangel an qualifizierten Lehrkräften 60,65 37,5
Einen Mangel an unterstützendem Lehrpersonal (z. B. Beratungslehrer/in)
67,76 47,5
Einen Mangel an anderem unterstützenden Personal (z.B. Psychologin/Psychologe, Sozialarbeiter/in, Logopädin/Logopäde)
83,25 45,9
Fehlendes oder unzulängliches Unterrichtsmaterial (z. B. Schulbücher)
41,32 34,2
Fehlende oder unzulängliche Computerausstattung für den Unterricht
45,84 43,2
Fehlendes oder unzulängliche sonstige Ausstattung 59,25 49,7
Fehlende oder unzulängliche Ausstattung der Schulbücherei 44,66 40,8
Mangel an Klassenräumen und Teilungsräumen 62,0
Bauliche Mängel des Schulhauses 54,4
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MvS Beratung 28
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● Schulentwicklung ist wichtig und richtig.● Derzeit führt sie zu einer strukturellen Überlastung,
weil zu viele Programme gleichzeitig gefahren werden.
● Dies äußert sich z.B. durch– Erhöhten Koordinierungsbedarf (Massive Erhöhung der
Zahl der Sitzungen)
– Abwesenheit der Schulleitung wegen Fortbildung
– usw.
● ... bei gleichzeitiger Zunahme von Aufgaben ...
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Strukturelle Überforderung
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Befugnisse SLSchulleitung D Int
Einstellung von Lehrkräften 44,2 67,7
Entlassungen von Lehrkräften 12,1 60,7
Festlegung des Anfangsgehalts der Lehrer 3,4 24,3
Entscheidungen über Gehaltserhöhungen für Lehrer/innen
54,6 25,6
Verteilung der Finanzmittel für Fortbildungen 18,4 60,3
Festlegung des Schulbudgets 96,1 75,3
Entscheidungen über die Verwendung des Budgets innerhalb der Schule
97,2 88,2
Festlegung von Disziplinarmaßnahmen für Schüler/innen (z. B. Schulordnung)
99,0 95,0
Festlegung von Maßnahmen und Kriterien für die Schülerbeurteilung
98,6 88,9
Aufnahme von Schüler/innen in die Schule 89,4 85,0
Entscheidungen, welche Fächer angeboten werden 46,1 72,2
Festlegung des Lehrstoffs 66,2 65,7
Wahl der verwendeten Schulbücher 100,0 90,0
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5. SL+LK: Anerkennung
ContraLeistungsbezahlung
Pro Leistungsbezahlung
Kürzung um 1%
Kollegium soll entscheiden
Andere Anerkennung
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90
Lehrkräfte Schulleiter
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Also:
● Eine Kultur der Anerkennung schaffen!● Nach klaren Kriterien und nach außen sichtbar
Lehrkräfte belohnen.● Gerechtigkeit ist die Ungleichbehandlung der
Ungleichen! ● Dies gilt nicht nur für Lehrer–Schüler, sondern
auch und gerade für Schulleitung-Lehrkraft.
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6. Kulturänderung: Fehler als Chancen
In der Schule wurden Fehler rot angestrichen und waren der Grund für schlechte Noten. Immerhin stand das pädagogische Ziel dahinter, dass sie
nicht ein weiteres Mal passieren sollten. Aus Fehlern lernen – ein lobenswerter Anspruch, den auch der Erfinder Thomas Alva Edison verfolgte: „Das ist das Schöne an einem Fehler: Man muss
ihn nicht zweimal machen.“ In der Schule allerdings bedeuteten Fehler Sanktionen – vielleicht fällt es deswegen vielen bis heute so schwer zuzugeben,
wenn etwas falsch gelaufen ist.
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Organisation
Kultur
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„Einen Fehler machen und ihn nicht korrigieren – das erst heißt wirklich einen Fehler machen.“
Konfuzius (551-479 v.Chr.)
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Safety Climate
● Safety Climate und Error Management Culture ● … sich sicher fühlen ...● Schulklasse: Ich kann einen Fehler machen, ohne
gleich ...– … eine schlechte Note zu bekommen.
– … gemobbt zu werden.
● Kollegium: Ich kann etwas sagen, tun, vorschlagen, ohne gleich ...– ...
– ...
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Schulleiter sind meist Singles!
Zur Selbstentwicklung braucht man nicht nur gute Vorsätze, sondern
einen energischen kritischen Freund, um den
inneren Schweinehund wirksam in Schach zu
halten!
Gestehen Sie sich selber Fehler im Prozess zu!
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MvS Beratung
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Kernige Zusammenfassung
Schulleitung
Administration
Lehrkraft
Schüler/Schülerin
● macht Schule zur Behörde
● ...
● leitet zu wenig pädagogisch
...
● diskutiert die wenig Fleißigen nicht
● ...
● übernehmen zu wenig Verantwortung
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7. Fazit● Sich weiterentwickeln von Management-
orientierung zur Führungsorientierung● Bei Verwaltung entlasten (auch Auftrag an die
Behörden!)● Stärkere Führung und Unterstützung für das
Lehrerkollegium zeigen (Kann das jede/r??)● Mehr Feedback geben! (evtl. peer to peer; Schüler
beurteilen Unterricht,...).● Nutzt eure Freiheiten!
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„Alle sagten, das geht an meiner Schule
nicht ...
... dann kam eine, die wusste das nicht, und
hat‘s gemacht.“
(frei nach päd forum)
Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
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Kontakt
Univ.-Prof. Dr. Matthias von SaldernKieselweg 9
D-21 335 LüneburgTelefon: ++49-(0)-4131/289 108Telefax: ++49-(0)-4131/289 109
E-Mail: [email protected]