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1. Reliefsphä re
1.1 Endogene Krustenbewegungen und deren
Begleiterscheinungen
1.1.1 Endogene und exogene Prozesse
endogene Kräfte exogene Kräfte o wirken im Erdinneren und aus dem Erdinneren heraus o Bewegung von Erdkrustenstücken, Gebirgsbildung
(Orogenese) o über lange Zeiträume hinweg, Verbiegung großer Teile
der Erdkruste o Urheber von Vulkanismus und Erdbeben
o wirken von außen auf die Erde o Veränderung von Gesteinen, geomorphologische
Prozesse (landschaftsformende Prozesse); Formung der Oberfläche
o Energie aus Schwerkraft und Sonne
1.1.2 Theorie der Plattenbewegungen („Drift der Kontinente“ nach Alfred Wegener 1912)
Theorie
o vor 200 Mio. Jahren Außeinanderbrechen des Urkontinents Pangäa o aus leichterem Material zusammengesetzten Kontinente (v.a. Silizium und Aluminium
„SiAl“) schwimmen auf den dichteren ozeanischen Platten des Erdmantels (v.a. Silizium und Magnesium „SiMg“)
Indizien
o Küstenparallelität der Kontinentalränder Afrikas und Südamerikas o Inselkette (Antillen) als abgebrochene Festlandteile o Bugwellengebirge (Kordilleren) o Diamanten aus primären Lagerstätten Afrikas finden sich in sekundären Lagerstätten
(Moränenmaterial) in Südamerika o Übereinstimmung geologischer Strukturen o wärmeliebende fossile Pflanzen in Antarktis polare Zone muss früher tropischem
Klima ausgesetzt gewesen sein o Übereinstimmung lebender und fossiler Tierarten als Beweise ehemalig
zusammenhängender Lebensräume
Gegenargumente
o Erklärung vieler Phänomene durch ehemalige Landbrücken o falsche Argumentation Wegeners zu den Antriebskräften: Zentrifugalkraft der
Erddrehung und Anziehungskraft zwischen Erde und Mond/Erde und Sonne nicht ausreichend!
o ebenso lediglich Absinken von Teilen der Erdkruste als Erklärung
1.1.3 Schalenbau der Erde
o Temperaturzunahme 1°C pro 100m (geothermischer
Gradient)
o schalenförmiger Aufbau, gegliedert in Erdkruste
(kontinental: 30-60km mächtig; ozeanisch: 6-10km
mächtig), Erdmantel und Erdkern
o Untersuchungen durch indirekte Messungen v.a. durch
Seismik (Geschwindigkeitsmessung von Druckwellen)
o Stellen sprunghafter Geschwindigkeitsänderung:
seismische Diskontinuitätsflächen
o Erdkruste und oberster fester Teil des Erdmantels
bilden Lithosphäre
o darunter „Gleitschicht“ aus Mantelgestein:
Asthenosphäre
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1.1.4 Antriebskräfte der Plattenbewegungen
o Energiequelle: Wärme durch radioaktive Zerfallsprozesse
o Wärmeleitung durch Konvektionsströme im Erdmantel (im Festzustand!)
o Ausdehnung von heißem Material und Aufstieg durch verringerte Dichte
o Zusammenziehung bei Abkühlung und Absinken
o Konvektionsströme als Antrieb für Beschleunigung oder Abbremsen der Platten
o wirkende Kräfte an den Platten:
o Rückendruck: Platten rutschen durch ihr Gewicht von den Aufwölbungen der
Mittelozeanischen Rücken weg
o Plattenzug: Absinken der Platten im Bereich der Subduktionszonen in die Asthenosphäre,
Rest der Platte wird mitgezogen
o Rinnensog: Reibung durch überfahrende Platte an den Subduktionszonen
o Mantelkonvektion durch isostatische Kräfte
o Strömungen in der Asthenosphäre: Platten werden mit den Konvektionsströmungen
mitgeschleppt oder Abbremsung
1.1.5 Prinzip der Isostasie
o Gleichgewichtszustand einer auf der Asthenosphäre schwimmender Lithosphärenplatte
(Zusammensetzung aus ozeanischer u./o. kontinentaler Kruste und Teile des oberen Erdmantels)
o feste Lithosphärenplatte liegt auf der plastischen Asthenosphärenplatte
o bei Erhöhung der vertikalen Masse (Gebirgsbildung, Vergletscherung) erhöhter Druck auf
Asthenosphäre gibt nach Lithosphärenplatte sinkt tiefer ein bei Lastverringerung (Erosion,
Abschmelzen des Gletschers) verringerter Druck Heraushebung der Lithosphärenplatte bis
Gleichgewicht zwischen Auftrieb und Gewichtskraft wiederhergestellt
o ein Körper, der in einem schweren Medium schwimmt, ragt umso weiter und höher heraus, je dicker
er ist dicke kontinentale Kruste besitzt hohes Gebirge („Hohe Gebirge besitzen tiefen Wurzeln“)
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1.1.6 Arten von Plattengrenzen
konstruktiv (divergierend)
Ozean (Sea-floor-spreading)
o Mittelozeanischen Rücken, effusiver Vulkanismus, Black Smoker
Mittelatlantischer Rücken
Kontinent o Grabenbruch, Verwerfungen, Erdbeben,
Vulkanismus
Oberrheingraben, ostafrikanisches Grabensystem
destruktiv (konvergierend)
Kompensation der konstruktiven Plattengrenzen
Ozeoan-Ozean-Subduktion
o Tiefseegräben, Inselketten, Vulkanismus, Erdbeben, Tsunamis
Marianengraben, Philippinen
Ozean-Kontinent-Subduktion
o Gebirgsbildung, Tiefseegräben, explosiver Vulkanismus, Erdbeben
Anden
Kontinent-Kontinent-Kollision
o Gebirgsbildung, Hebung, Faltung, Bruchtektonik, Erdbeben
Himalaya, Alpen
konservativ (transversal) Horizontal-
verschiebung o Verwerfungen, Bruchspalten, Erdbeben San-Andreas-Verwerfung
(A) Konstruktive Plattengrenzen (Mittelozeanische Rücken)
o submarine Gebirgszüge mit Längsspalten (tiefe Gräben =
Rifts)
o Querbrüche in unregelmäßigen Abständen
(Transformstörungen)
o magnetisches Streifenmuster, da ca. alle 400.000 Jahre
Umpolung des globalen Magnetfelds
o Wachstum ca. 2-6cm pro Jahr
1.1.7 Plattentektonischer Zyklus (Wilson-Zyklus)
1. Grabenbruch-Stadium
o Bildung kontinentaler Grabenbrüche durch aufsteigendes Magma
o Vulkanbildung um die Verwerfung
z.B. Ostafrikanischer Grabenbruch
2. Meeresstadium (Öffnung)
o Absenkung und Erweiterung des kontinentalen Grabens o Einströmung von Magma, Entstehung neuer, schwerer
ozeanischen Kruste o Bedeckung durch Meer
z.B. Rotes Meer
3. Ozeanstadium (Öffnung)
o Durch sea-floor-spreading an der Riftzone, weiteres Wachstum
o keine Gebirgsbildung am Rand des Ozeans (passive Kontinetalränder)
o Auftürmen der Riftzone aus dem Wasser zu Gebirge möglich
z.B. Atlantik
4. Subduktionsstadium (Schließung)
o Ausdehnung kommt zum Stillstand o intensive Subduktionsprozesse an den Plattenrändern der
schwergewordenen Ozeanplatte o Aufschmelzung von Gestein, Vulkanismus o Bildung von Tiefseegräben, Faltengebirgen und Inselbögen
z.B. Pazifik
5. Kollisionsstadium (Schließung)
o Subduktionvorgang bis Kollision zweier Kontinentalplatten o Entstehung von Faltungen und Decken o Entwicklung von Gebirgen durch Herausheben und Auffalten
der Kruste
z.B. Himalaya
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1.1.8 Bildung von Gebirgen
Motor der Orogenese = Subduktion ozeanischer Kruste.
(A) Prozess der Gebirgsbildung
Epirogenese Orogenese Tektogenese o Krustenverbiegungen o lang anhaltende, regionale
Hebungs- und Senkungsvorgänge, ohne stärkere Deformation der Gesteinsschichten (Folge von isostatischen Ausgleichsbewegungen)
o Aussetzung der Verwitterung, Entstehung einer Gebirgslandschaft
o Gebirgsbildung o durch innere Kräfte verformt o marginale Gebirge am Rand
von Kontinenten o Gebirge im Innern der
Kontinente (Schweißnaht zwischen zwei kontinentalen Platten)
o Bildung von Erdkrustensegmenten, geprägt von tektonischen Verformungen
o gefügeverändernde Prozesse der Lagerungsverhältnisse der Erdkruste
o durch Kollision kontinentaler Krustensegmente (Terrane)
(B) Phasen der Gebirgsbildung
Tertiär alpidisch
Karbon-Perm variszisch
Ordovizium-Silur kaledonisch
Kambrium cadomisch
(C) Gebirgstypen
Inselbogen-Typ (Marianen-Typ) Ozean + Ozean
o am Rand oder innerhalb eines Ozeans
o freie Subduktion: Absinken aufgrund des hohen Eigengewichts
o da viel Wasserfreisetzung, herabgesetzter Schmelzpunkt viel aufsteigende Gesteinsschmelze
o lang anhaltende Subduktion mit Entstehung eines Inselbogens vulkanischen Ursprungs
o nach komplette Subduktion des Ozeans, Subduktionsprozess noch nicht beendet: Inselbogen wird auf den Kontinentrand aufgeschoben
Andiner Typ (Chile-Typ) Ozean + Kontinent
o flache Subduktion ozeanischer Kruste unter kontinentale Kruste (Ozean-Kontinent-Kollision)
o Entstehung vulkanischer Gebirge o Kollision älterer Tiefseeberge, Inselbögen etc. von der Ozeanseite mit dem
entstandene Gebirge bei fortschreitendem Subduktionsprozess o Folge: Krustenverdickung, Deformation und Metamorphose des aktiven
Kontinentrandes o schwere ozeanische Platte schrammt unter die kontinentale Platte schwere
Erdbeben o aufsteigende, zähe, metallhaltige Schmelzen bleiben in Kruste stecken Ausbildung
zahlreicher Erzlagerstätten durch Plutone
Japan-Typ Ozean + Kontinent
o ursprünglich Inselbogen-Typ o Entstehung kontinentaler Kruste durch lange Zeitraum der Subduktion o junge ozeanische Kruste wird subduziert, keine freie Subduktion! o Anhebung der oberen Platte intensive Erdbeben, Vulkanismus
Alpiner Typ (oder Himalaya-Typ) Kontinent + Kontinent
o Kollision von Kontinenten als häufigste Art o Verdickung, Verformung, Deckenüberschiebung, Heraushebung oder Bruch der Kruste o Gebirge als „Schweißnaht“ zwischen kontinentalen Platten o seitliches Entweichen von Krustenschollen (Südostasien)
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1.1.9 Kontinentale Gräben und Bruchschollentektonik
aktiver Grabenbruch passiver Grabenbruch
o Aufwölbung der Asthenosphäre durch Hotspot Biegung und Dehnung der Lithosphäre
o Bruch der Erdkruste im Scheitelpunkt der Aufwölbung
o begleitet von starken magmatischen Aktivitäten (Schild- und Spaltenvulkanismus)
o Aufwölbung durch großräumige Einengung durch seitlichen Druck
o geringe magmatische Aktivität
→ bei zu großer Belastung, starre Gesteine der Erdkruste brechen Längsbrüche (Verwerfungen) → bei anhaltender Dehnung, Absinken der Bruchschollen sattelförmige, stufige Grabenform → Begleiterscheinung: flache Erdbebenherde → Erscheinungen: gehobene Bruchschollen (Horste), gekippte Bruchschollen (Pultschollen), abgesenkte
Bruchschollen (Gräben)
Klüfte Störungen/
Verwerfungen Falte
Decken-überschiebung
o Risse im Gestein o keine Bewegung auf
den Bruchflächen o Luft und Wasser
können eindringen Verwitterung setzt ein
o Bewegung des Gesteins parallel zu den Bruchflächen
o Grabenbruch als Sonderform der Störung
o Verbiegung ursprünglich ebener Strukturen
o Ausdehnung zwischen wenigen Zentimetern bis mehrere Kilometer
bei Abriss der überkippten Gesteinsschichten einer Falte
Aufwölbung: Sattel (Antiklinale)
Einwölbung: Mulde (Synklinale)
Seiten: Flanken
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1.1.10 Magmatismus
(A) Magmenentstehung
o Aufschmelzung der festen Gesteine aus Erdkruste und Erdmantel
o Abhängigkeit des Schmelzpunktes (Solidus) von Temperatur und Druck
o partielle Schmelzung (2 Prozent) für Entstehung beweglicher Gesteinsschmelze ausreichend
o Bedingungen: Druckentlastung (z.B. durch Rissbildung durch Erdbeben oder
Auseinanderdriften von Platten); Wasserzufuhr (inbs. in Subduktionszonen durch
Aufschmelzung wasserreicher ozeanischer Kruste)
(B) Entstehung von Vulkanen an Plattengrenzen
Divergente Plattengrenzen
Aufschmelzung von Mantelgestein unter MOR durch Druckentlastung (überwiegend gasarmes und dünnflüssiges, effusives Magma effusive Vulkanbildung) Entstehung des Gesteins der ozeanischen Kruste, Meerwasser für schnelle Abkühlung
Konvergente Plattengrenzen
bei Subduktionsprozess langsame Erhitzung; durch hohen Druck Umwandlung in Metamorphgestein; Freisetzung des aufgenommenen Wassers unter hohem Druck Erniedrigung des Schmelzpunktes im darüberliegenden Asthenosphärenkeil; Entstehung von Magmakammer unterhalb der Erdoberfläche, großer Druck; Entstehung von Bruchzonen infolge der Subduktion, Aufstieg des Magmas (gasreich, zähflüssig); Entstehung explosiver Vulkane an der Erdoberfläche
(C) Plutonismus
o Vorkommen an Mittelozeanischen Rücken, kontinentalen Gräben, Subduktionszonen,
Hotspots
o Eindringen von Magma in die Lithosphäre: Intrusionen
o Aufwölbung, Bruch der Gesteinsschichten
o Magma dringt in Spalten ein, Aufweitung Erstarrung und Kontaktmetamorphose der
benachbarten Gesteins (Veränderung des Mineralbestands) Lagergang
Magmatismus
Alle geologischen Vorgänge, die zur Entstehung und Bewegung on Magma führen.
Plutonismus
Ablauf dieser Vorgänge im Erdinneren
Vulkanismus
Ablauf dieser Vorgänge an der Erdoberfläche
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(C) Arten von Vulkanismus
Vulkanarten nach Ausbruch:
effusiver Vulkanismus (basischer Vulkanismus)
explosiver/eruptive Vulkanismus (saurer Vulkanismus)
o dünnflüssige (niedrigviskose) Lava o leichtes und schnelles Ausfließen o Ergebnis: Basaltgestein (Bestandteil fast aller
Ozeanböden) o eher gasarm (kann leicht entweichen und reißt
Magma mit sich) o 10% des Materials wird ausgeschleudert o basisches Magma (kieselsäurearm) o hohe Temperatur der Magma (über 1000°C) o Magma stammt v.a. aus dem Erdmantel o Vorkommen: Mittelozeanische Rücken, zentrale
ozeanische Inseln, Hotspots o Vulkantyp: meist Schildvulkan o Vulkanit: Basalt o Plutonit: Gabbro
o zähflüssige Lava (bleibt im Förderkanal stecken) Aufbau von Druck
o saures Magma (kieselsäurereich) o niedrigere Temperaturen der Magma (ca. 850°C) o Magma stammt z.T. aus eingeschmolzener Kruste o eher gasreich (kann nur schwer entweichen bei
Druckentlastung wird Druck zu groß) o Wegsprengung des Pfropfens o oft verbunden mit verheerenden Katastrophen o 90% des Materials wird ausgeschleudert o Entstehung pyroklastischer Gesteine (Asche, Lapilli,
Bomben); Transport durch Aschenfall, Aschenstrom oder Schlammstrom
o verfestigtes pyroklastisches Vulkangestein: Tuff o Vorkommen: junge Faltengebirge,
Subduktionszonen o Vulkantyp: meist Schichtvulkan (Stratovulkan) o Vulkanit: Rhyolith o Plutonit: Granit
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Vulkanarten nach Erscheinungsort:
Mittelozeanischer Rücken
Spaltenvulkan o Schmelzen aus der Asthenosphäre o sehr heiß (1200°C) o effusive Basaltlava (dünnflüssig und gasarm) o Erstarrung bei Wasserkontakt zu kugeligen Gebilden (Kissenlava)
Kontinentale Gräben
Schildvulkan o Schmelzen von der Unterseite der Lithosphäre o schnelle Ausbreitung
Subduktion
Schicht- oder Stratovulkan (bei Förderung von Lava als auch pyroklastischem Material) o weniger heißes Magma (ca. 800°C) o säurehaltig und zähflüssig, rasche Erstarrung o durch hohen Wassergehalt sehr gasreich o langsames Quetschen aus dem Förderschlot, oft Verschließen des Schlots großer
Druckaufbau o explosive Vulkanausbrüche o durch Förderung von Lockermaterial (vulkanischer Tuff), Entstehung von steilen
Schlackenkegeln o
Intraplattenvulkane (Hotspots)
o Entstehung durch Mantle Plumes (ortsfeste, schlauchförmige Zonen mit aufsteigendem Tiefenmagma)
o extrem heißes Magma, spezifisch leichter Aufstieg o Aufstauung unter der Lithosphäre, Entstehung eines pilzförmigen Huts (Hotspot) o Bildung von Hot Spots über den Magmaplumes o bei Auftreffen des Plumes auf die Lithosphäre, Aufstauung und Ausbreitung
Druckaufbau und Aufwölbung der Lithosphäre o Entstehung von Bruchzonen möglich, die Magma gelangt durch stationären Schlot an
die Erdoberfläche oder Durchbrennen der Lithosphäre durch hohe Temperatur o bei Hinwegdriften ozeanischer Lithosphäre über den Hotspots, Wiederholung des
Vorgangs der Bildung eines untermeerischen Vulkans, der bis zur sichtbaren Insel heranwachsen kann Entstehung einer Inselkette (wachsendes Alter mit zunehmender Entfernung vom Hotspot)
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Vulkanarten nach Aussehen:
Quellkuppe
Stoßkuppe
Flutbasalte
Schildvulkan
Schichtvulkan/Stratovulkan
Caldera
Maar
1.1.11 Erdbeben
Definition: Ruckartige Erschütterung der Erdkruste durch Plattenbewegungen oder
Vulkanismus. Unterscheidung zwischen tektonischem und vulkanischem
Einsturzbeben.
Erdbebenentstehung
o Sammeln von elastischen Spannung in der Erdkruste, bis an geschwächtem Bereich
Bruchspannungsgrenze erreicht ist (Reibungskräfte werden überwunden)
o Entstehung eines Scherbruchs; Gesteinsblöcke werden gegeneinander verschoben (Strecke
der Verschiebung: Sprungweite/Versatzbetrag)
o Punkt des Erdbebenherdes im Erdinneren: Hypozentrum
o Punkt auf der Erdoberfläche über dem Hypozentrum: Epizentrum
o Ausbreitung in Wellen: Primärwellen (Druckwellen mit Ausbreitung im festen oder flüssigen
Gestein; horizontale Bewegungen) und Scherwellen (können keine Flüssigkeiten
durchdringen; vertikale Wellenbewegungen) Brechung an der Oberfläche, Umwandlung in
Rayleigh-Wellen (Oberflächenwellen)
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1.2 Lagerstätten und deren wirtschaftliche Bedeutung
1.2.1 Kreislauf der Gesteine
Gesteinsgruppen:
magmatische Gesteine metamorphe Gesteine sedimentäre Gesteine o Bildung beim Erstarren von
Magma oder Lava o Entstehung mit endogene
Vorgängen verbunden (Tektonik ermöglicht Aufsteigen von Magma)
o bei Auskühlung in einem Höhlenraum, Bildung von Plutoniten (Tiefengesteine) Kristallisationen und Ausbildung von Mineralen durch langsame Abkühlzeit
o bei Abkühlung an der Erdoberfläche, Bildung von Vulkaniten (Ergussgesteine) wenig Minerale durch rasche Auskühlung (dichte einheitliche Grundmasse)
o Entstehung von Ganggesteinen bei Abkühlung in schmalen Bruchzonen (oberflächen-nahe Wurzelzonen eines Vulkans) (Zweiphasigkeit: Mineralausbildung aber auch einheitliche Grundmasse)
o Entstehung in Zusammenhang mit gebirgsbildenden Prozessen
o Umwandlung von Sedimentiten oder Magmatiten durch Metamorphose (Änderung von Textur) unter hohem Druck u./o. hohen Temperaturen
o Änderung des Mineralgefüges, partielle Aufschmelzung möglich
o Entstehung in großen Tiefen
o Unterscheidung: Kontakt- und Regionalmetamor-phose
o freigelegte Vulkanite/Plutonite/ Metamorphite werden der Verwitterung ausgesetzt und durch Erosion abgetragen
o Verfrachtung des Gesteinsmaterials durch Flüsse ins Meer, Ablagerung in Schichten
o durch Diagense (Zusammenpressen und Auffüllung von Hohlräumen) Verfestigung der Sedimente
o Entstehung an oder nahe der Oberfläche
Para-Gesteine (aus Sedimenten) z.B. Marmor
Ortho-Gesteine (aus Magmatiten) z.B. Orthogneis
Klastische Sedimente (aus Gesteinsbruch-stücken) z.B. Sand und Sandstein
Biogene Sedimente (Sedimente aus toten Pflanzen oder Tieren) z.B. Kohle, Kalk
Chemische Sediment z.B. Salzgesteine, Tropfsteinkalk
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1.2.2 Erzlagerstätten
Definition: Erze sind stark metallhaltige Mineralien oder Mineralgemenge, die im Bereich
junger Faltengebirge und alter Kontinentalschilde, gebunden an Vulkanite und
Plutonite, vorkommen.
primäre (magmatische) Lagerstätten sekundäre (sedimentäre) Lagerstätten
endogene Lagerstätten exogene Lagerstätten
v.a. an Konvergenz- und Divergenzzonen v.a. auf stabilen Kontinentbereichen o Entstehung beim Eindringen von Gesteinsschmelze aus
oberem Erdmantel in die Erdkruste sowie an Riftzonen der Mittelozeanischen Rücken und im Bereich der Subduktionszonen
o Unterscheidung verschiedener Phasen beim Abkühlen und Auskristallisieren je nach Schmelzpunkt, in denen verschiedene Erze entstehen
Frühkristallisation (>1300°C): → liquidmagmatische Phase
Chrom, Nickel, Titan, Platin (Kristallisation und Absenkung)
Hauptkristallisation (1300°C-700°C): → liquidmagmatische Phase
Auskristallisierung der Hauptmasse des Granits
Restkristallisation (700°C-600°C): → pegmatitische (fluide) Phase (700°C-600°C):
Lithium, Zirconium, Uran, Niob, Thoron → pneumatolythische (gasreiche) Phase (600°C-400°C)
Molybdän, Wolfram, Eisen, Arsen, Kupfer, Gold, Silber, Zinn, Mangan
→ hydrothermale (wässrige) Phase (<400°C) Blei, Eisen, Quecksilber
o Entstehung durch Hebung und Abtragung magmatischer Erzlagerstätten und Aussetzung der Verwitterung, dann Transport durch Fließgewässer
Ablagerung an bestimmten Gefälleabschnitten (Seifen)
Freilegung von Plutoniten durch Verwitterung (Verwitterungslagerstätten)
Ablagerung im Meer Ausfällen von Eisenoxiden Anreicherung in Sedimenten (sedimentäre Lagerstätten)
o Tiefseebodenbereich: Manganknollen, Kobaltkrusten, Erzschlämme
o Evaporite: wasserlöslich Minerale, die bei Verdunstung von Wasser zurückbleiben (z.B. Salzlagerstätten: dynamisch, fluide Verteilung in Spalten)
1.2.3 Erdgas- und Erdöllagerstätten
(A) Entstehung
o Ausgangsmaterial: pflanzliches und tierisches Plankton in
Meeresbereichen
o aerobe Zone (licht- und sauerstoffreich): Bildung von
Plankton, nach Sterben Absinken in schlecht durchlüftete
Zone; Anreicherung mit anorganischen Sedimenten zu
Faulschlamm (Sapropel)
o da Sauerstoffausschluss, keine Verwesung, stattdessen
Fäulnisprozess bakterielle Gärung
o Abbau der organischen Substanzen durch anaerobe Bakterien
zu Fettsäuren und Kohlenwasserstoffe, Entstehung von
Bitumen (Schwerstöl)
o verfestigter Faulschlamm mit Bitumen: Erdölmuttergestein
o durch Überlagerungsdruck und steigende Temperaturen (70-
150°C), Entstehung von Erdöl und bei höheren Temperaturen
Erdgas
Sapropelbildung aus tierischem Material in
aerober Zone (Fäulnisprozess)
Entstehung von Bitumen durch Abbau
von Sapropel durch anaerobe Bakterien
Entstehung von Rohöl durch Verfestigung
und Erhitzung
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(B) Klassifikation
Schwerstöl Bitumen
Schweröl Leichtöl Kondensat
(C) Lagerstättenbildung
o Aufstieg der ausgepressten Kohlenwasserstoffe (gasförmig oder flüssig) nach oben bis zu
undurchlässiger Schicht Erdölmigration
o poröses oder klüftiges Gestein als Speichergestein (z.B. Kalk, Sandstein)
o bei Aufstieg bis an die Oberfläche, Entstehung von Ölkuhlen oder ewigen Feuern
o Sammlung des Erdöls getrennt nach Dichte zusammen mit Gas und Salzwasser in Erdölfallen
o Entstehung von Erdgas ebenfalls durch Entgasung von Kohleschichten
(D) Verteilung
o Becken im Bereich von Kontinentaltafeln
o tektonische Gräben
o Becken in der Nähe von Faltengebirgen
o Schelfbereiche
1.2.4 Kohlelagerstätten
(A) Entstehung
biochemischer Inkohlungsprozess geochemischer Inkohlungsprozess o Bildung von Torf durch Bakterien und Pilze o Einspülung von sandig-tonigen
Verwitterungsprodukten durch Flüsse Zuführung von nicht brennbaren Substanzen
o Absenkung und Überlagerung durch Flusssedimentation Entstehung mehrerer sich überlagernder Torfschichten
o durch Absinken, Zunahme an Druck und Temperatur
o Herauspressen flüchtiger Bestandteile (Wasserstoff, Sauerstoff, Methan)
o Umwandlung des Torfs durch zunehmende Verfestigung zuerst in Braunkohle, dann in Steinkohle oder Anthrazit
o Zeitraum über Millionen von Jahren, da Schichten oft abwechselnd, Entstehung von Kohleflözen
Dichte in g/cm³ 1,0 0,75
o Voraussetzungen: feuchtwarmes Klima, hoher Grundwasserstand (Entstehung von Sumpf- und
Moorwäldern)
o angehäuftes Pflanzenmaterial gerät unter Wasserbedeckung und Luftabschluss (kann nicht
verwesen) Torfbildung Einsetzen des Inkohlungsprozess durch zunehmenden Druck
o Umwandlung von pflanzlichen Materialien über einen langen Zeitraum, unter Luftabschluss, hohem
Druck und hohen Temperaturen zu Kohle (bio- und geochemischer Prozess)
o Entstehung von Methangas (Ursache für Grubenunglücke)
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(B) Lagerstätten
o Bildung aus mehrlagigen Kohleflözen, große laterale Ausdehnung (>100km), Flözmächtigkeit
zwischen wenigen Zentimetern bis mehrere hundert Meter
o Lagerung der Kohle in unterschiedlichen Tiefen („Teufen“)
Plattformtyp Geosynklinaltyp
o Entstehung der Kohleflöze auf sogenannten Schilden flach lagernde Kohlevorkommen
o Entstehung auf rasch absinkenden Trögen des Gebirgsvorlands schräg bis steil einfallende, gefaltete Kohleflöze
1.2.5 Evaporite
Definition: wasserlösliche Minerale, entstanden durch Verdunstung von Wasser (Evaporation)
z.B. Anhydrit, Gips, Chloride (Salze)
(A) Lagerstättenentstehung: Bsp. Norddeutschland
o flaches Meer, durch Verdunstung: Konzentration gelöster Stoffe
o Nachschub durch einströmendes Oberflächenwasser
o nach Erreichen der Sättigungsgrenze: Ausscheidung von Karbonaten (Kalk), Sulfaten
(Anhydrit, Gips), Chloriden (Steinsalz und Kalium- und Magnesiumsalze) Ablagerung am
Meeresboden und Absinken
o Überdeckung durch Sedimente
o Salz bei hohem Druck plastisch: Fluss entlang von
Schwächezonen Bildung von Salzkissen und später
Salzstöcken (Diapire)
(B) Lagerstättenverteilung:
o Bereiche ehemaliger flacher Meere (insb. Schwächezonen
der aufgelagerten Sedimente)
o Salzseen und Salzpfannen in abflusslosen Bereichen trockener Regionen (Speisung aus
hydrothermalen Quellen, Gebirgsbächen, Regenwasser)
1.3 Nachhaltigkeit: Raumwirksame Veränderung von Landschaft
durch wirtschaftliche Aktivitäten
1.3.1 Gewinnung von Rohstoffen durch Bergbau unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit
positive Aspekte negative Aspekte o unverzichtbarer Wirtschaftsfaktor o Rohstoffförderung für die wachsende
Industrie o Schaffung von Arbeitsplätzen o Chance für Entwicklungsländer mit
Bodenschätzen, am globalen Handel teilzunehmen, eigene Industrie aufzubauen
o schwerwiegende, irreversible Eingriffe in die Natur: Flächenverbrauch, Umsiedlung von Flüssen, Waldrodung, Senkung des Grundwasserspiegels (Austrocknung der Landschaft), Luft- und Wasserverschmutzung, Absenkung der Oberfläche durch Untertagebau
o enormer Wasserverbrauch o Renaturierung mit enormen Kostenaufwand o teilweise Verstärkung der sozialen Verwerfungen der
Entwicklungsländer (Ausbeutung durch die Industrieländer) o Gesundheitsschäden für die Bevölkerung
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1.3.2 Gefährdungspotenzial bei der Offshore-Förderung von Erdöl/Erdgas
o Zerstörung des Lebensraumes am Meeresboden durch Probebohrungen und Bau von Bohrinseln
o hohe Unfallgefahr: Schiffsunfälle bei Öltransport, Wasserverschmutzung, lange Wirksamkeit der
Schadstoffe, schleichende Ölpest
o Irritationen durch Lärm, Licht
o Verschmutzung von großen Küstenbereichen bei Öllecks, Rückgang von Tourismus
o Belastung durch Müll, erhöhter Schiffsverkehr
o Störung des natürlichen Verhaltens der Fische (Störung der Nahrungskette, Gefährdung der
Laichplätze, Zerstörung der Fischkinderstuben, Störung der Fischwanderwege)
Rückgang der Fischbestände, Rückgang der Fischerei
1.3.3 Energiewende
Definition: Verstärkte Energiedistribution durch regenerative Energieträger (Wind-, Wasser-
und Sonnenkraft) ebenso wie Einsparung von Energie durch sparsamere Fahrzeuge,
Haushaltsgeräte und Arbeitsprozesse.
Für die Nutzung der in der Natur vorkommenden primären Energieträger, Aufbereitung in
sekundäre Energieträger notwendig.
Primärenergie Sekundärenergie Nutzenergie
Fossile Energieträger (Freisetzung von CO2 bei Verbrennung)
Holz Holzkohle Wärme
Torf Briketts Wärme, Strom
Braunkohle Briketts Wärme, Strom
Steinkohle Briketts, Koks, Gas Wärme, Strom
Erdöl Kerosin, Benzin, Diesel, Heizöl, Schweröl, Gas
Wärme, Strom, kinetische Energie
Erdgas Gas Wärme, Strom, kinetische Energie
Gashydrat Gas noch nicht einsetzbar
Kernenergie Uran
Brennstäbe, Wasserstoff Strom Plutonium
Regenerative Energien
Biomasse Biogas, Treibstoff, Strom Strom, kinetische Energie
Solarenergie Wärme, Strom Wärme, Strom
Wasserkraft Strom, kinetische Energie Strom
Gezeitenkraft Strom, kinetische Energie Strom
Windkraft Strom, kinetische Energie Strom
Geothermische Energie Wärme, Strom Wärme, Strom
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1.4 Wirtschaftliche Bedeutung ausgewählter Ressourcen
o Reserve = Menge eines Rohstoffes, die erfasst wurde und die mit den aktuellen technischen
Möglichkeiten gewonnen werden kann
o abhängig von Rohstoffpreis, Bergbautechnik, technischen und wirtschaftlichen Entwicklungen
(Nachfrage)
o Reichweite der Rohstoffe abhängig von Intensität deren Nutzung
o Vergrößerung der Reichweite durch Recycling, Senkung des Einsatzes von Primärrohstoffen,
verminderter Energieverbrauch
o durch expandierende Hochtechnologie, weniger bekannte Rohstoffe gewinnen an Bedeutung;
Produktion meist nur in wenigen Staaten
Eisen (Fe) o weich, korrosionsanfällig o Weiterverarbeitung zu Stahl o Verwendung als Baustahl, Eisenoxid als Farbpigment
o häufigstes Metall, vielfältige Lagerstätten
o oft Bändererze, hydrothermale Gänge o China, Australien, Brasilien, Indien,
Russland
Kupfer (Cu)
o hervorragende elektrische Leitfähigkeit, guter Wärmeleiter
o Verwendung in Elektroindustrie, Installationstechnik, Präzisionsteile, Münzen, Kessel
o Messing: Kupfer + Zink (z.B. Türklinken) o Bronze: Kupfer + Zinn (z.B. Blasinstrumente)
o Vorkommen in Vielzahl von Polyerzen o Vererzung der obersten Zone eines
Plutons, Gangerz o hydrothermale
Impregnationslagerstätten o Chile, Peru, China, USA, Russland
Zink (Zn) o spröde, hart o korrosionsbeständig Verzinken von Eisenblechen o Batterien
o Polymetall o hydrothermale Lagerstätten o China, Australien, Peru
Gold (Au)
o selten Goldmünzen, Barren, Schmuck, Dekoration
o sehr korrosionsbeständig Zahnimplantate
o orogene metamorphe und hydrothermale Ganglagerstätten
o Impregnationslagerstätten, Seifen o China, Australien, Südafrika, Brasilien, Russland
Silber (Ag)
o selten, weich, gut verarbeitbar, bakterizid o medizinische Wundauflage, Tafelsilber, Besteck,
Blasinstrumente o höchste elektrische und thermische Leitfähigkeit
Elektronik und Optik
o hydrothermale Gänge, oft in Polyerzen o früher Mitteleuropa (z.B. Schwarzwald),
Mexiko, China, Peru, Chile, Bolivien
Platin (Pl)
o sehr selten, sehr wertvoll Kapitalanlage, Schmuck o sehr korrosions- und hitzebeständig Fahrzeugkatalysatoren,
Laborgeräte, Messtechnik, Elektronik, Laserdrucker, Herzschrittmacher, Zahnimplantate
o magmatische Lagerstätten
o Südafrika, Russland, Kanada
Aluminium (Al)
o häufigstes Metall in Erdkruste o als Aluminiumoxid: Rubine, Saphire, Smaragde o sehr leicht, hohe Wärme- und elektronische
Leitfähigkeit, säurebeständig o Konstruktionswerkstoff, elektrische Leitungen,
Verpackungen, Behälter
o Vorkommen als Bauxit (Erde) o Südfrankreich, Australien, China,
Brasilien, Indonesien
Titan (Ti)
o korrosions- und temperaturbeständig, hohe Festigkeit, sehr leicht
o Maschinen und Turbinen, Fahrzeugbau, Gehäuse von Notebooks und Uhren, Brillen, Federn
o Polyerz oft mit Eisen o Australien, Südafrika, Kanada, China,
Norwegen
Magnesium (Mg)
o leichter als Aluminium Kameragehäuse, Implantate
o Legierungen, Reduktionsmittel o leicht entzündlich, explosionsgefährlich
Feuerwerk, Fackeln, Leuchtmunition, Bomben, Medikamente, Düngemittel
o in Carbonaten, Silikaten, Chloriden, Sulfaten
o China
seltene Erden
o in verschiedene Metallverbindungen (ca. 17 Metalle)
o vielseitiger Einsatz in Schlüsseltechnologien (Plasmabildschirme, Leuchtstofflampen, LEDs, Lasertechnik)
o Radargeräte, Spezialgläser
o sehr kleine pegmatitische Lagerstätten o China, USA, Indien, Australien, Russland,
neuerdings Erzgebirge
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2. Atmosphä re
2.1 Atmosphärische Prozesse
2.1.1 Grundlagen
2.1.2 Atmosphäre
Definition: Durch die Schwerkraft an die Erde gebundene und mit der Erde rotierende Gashülle,
die von der Erdoberfläche bis in die Höhe von 1000km reicht (Moleküle überwinden
Schwerkraft in dieser Höhe).
(A) Zusammensetzung der Atmosphäre
o Luftdruck: Druck, den die Atmosphäre infolge der Schwerkraft auf die Erdoberfläche ausübt; auf Meeresspiegelniveau durchschnittlich 1013 hPa entspricht 100 Pascal
o 99,9% der Masse der Atmosphäre auf den unteren 50km
o Unterscheidung: gut durchmischte Homosphäre (0-100km) und nach Molekulargewicht geschichtete Heterosphäre (100-1000km)
Atmosphäre
Stickstoff(78%)
Sauerstoff(21%)
Argon (1%)
Restgase(0,04%)
Kohlendioxid Neon Helium Methan Lachgas Kohlenmonoxid Ozon
Klima Gesamtheit für einen Raum typische Wetterabläufe, die über einen längeren Zeitraum (mehrere
Jahrzehnte) konstant bleiben
Klimafaktoren
o Lage im Gradnetz
o Höhenlage
o Hangneigung
o Exposition
o Bodenbedeckung
o Land-Meer-Verteilung
Meeresströmungen
Klimaelemente
= messbare Einzelerscheinungen
in der Atmosphäre
o Strahlung
o Luftdruck
o Luftfeuchtigkeit
o Temperatur
o Wind
o Verdunstung
o Niederschlag
o Bewölkung
Wetter Zusammenwirken verschiedener atmosphärischer
Elemente an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit; in ständiger Veränderung; länger
anhaltende Wetterlagen Witterung
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(B) Aufbau der Atmosphäre
o vertikale Gliederung anhand des Temperaturverlaufs
o Wendepunkte des Temperaturverlaufs: Pausen
o Troposphäre: 75% der Gesamtmasse, Wetter- und Klimageschehen, Temperaturabnahme durchschnittlich 0,65K pro 100m (unter Atmosphäre durch von der Erdoberfläche emittierte langwellige Wärmestrahlung erwärmt)
o Stratosphäre: nach kurzem konstanten Temperaturverlauf, Anstieg der Temperatur (Absorption von UV-Strahlung in der Ozonschicht mit Freisetzung von Wärme)
o Mesosphäre: sinkende Temperatur o Thermosphäre: zunehmende
Temperatur durch Absorption kurzwelliger energiereicher UV-Strahlung
o Exosphäre: keine Wärmeleitung, Errechnung der Temperatur aus kinetischer Energie der Atome
(C) Strahlungshaushalt der Erde
o nur 2 Milliardstel der
Sonnenenergie erreicht die Erde
o parallele Einstrahlung auf die Erde
durch lange Entfernung
o Solarkonstante: Energiemenge der
Einstrahlung 1376 W/m²
o Solarenergie: Röntgenstrahlen, Licht
(UV-Licht, sichtbares Licht,
Infrarotlicht), elektromagnetische
Wellen
o kurzwellige Strahlung kommt an,
Umwandlung in langwellige
Strahlung (Wärmestrahlung) an der Erdoberfläche
o direkte Reflektion von 36% der Sonnenstrahlung, Umwandlung von 47% an der Erdoberfläche
in langwellige Strahlung (dann Abgabe an die Atmosphäre Erwärmung der Luft); teilweise
Ausstrahlung durch Verlassen der Atmosphäre, teilweise Reflektion durch Wolken
o Strahlungsbilanz: Einstrahlung = Ausstrahlung
o Albedo: Verhältnis von einfallender und reflektierter Strahlung
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(D) Natürlicher Treibhauseffekt
o kurzwellige Strahlung: kann Atmosphäre leicht durchdringen
o langwellig Strahlung (kurzwellige Strahlung wird nach Auftreffen auf die Erde in langwellige
Strahlung umgewandelt): kann Atmosphäre schwerer durchdringen Reflektion an
Atmosphäre, Wolken, Nebel und Teilchen zurück zur Erdoberfläche Erwärmung der
Oberfläche
2.1.3 Wolkenbildung und Niederschlag
Begriffe der Luftfeuchtigkeit Temperaturabnahme mit der Höhe
absolute Luftfeuchtigkeit tatsächlich in der Luft enthaltene Wassermenge
trockenadiabatisch: Temperaturabnahme von 1K pro 100m bei Aufstieg nicht gesättigter, warmer Luft
maximale Luftfeuchtigkeit je wärmer die Luft, desto mehr Wasser kann sie aufnehmen, desto größer ist die maximal zu erreichende Luftfeuchtigkeit
feuchtadiabatisch: Temperaturabnahme von 0,6K pro 100m bei Aufstieg gesättigter Luft (da Freisetzung von Wärme durch Kondensation des Wasserdampfs zu Wasser)
relative Luftfeuchtigkeit Verhältnis von absoluter und maximaler Luftfeuchtigkeit
Taupunkt Temperaturpunkt mit 100% relativer Feuchte (die maximal mögliche Menge an Wasserdampf wurde von der Luft aufgenommen)
Wasserumwandlungsprozess in der Atmosphäre
(A) Wolkenbildung
Aufstieg von Luftmassen und Abkühlung (erst
trockenadiabatisch mit 1K je 100m, nach dem Kondensationsniveau feuchtadiabatisch mit
0,5K je 100m
labile Schichtung umliegender Luftmassen
(Luftmassen um das aufsteigende Luftpaket sind kühler) weiterer Aufstieg gewährleistet; durch weiteren Anstieg,
Anstieg der relativen Luftfeuchte durch weitere
Abkühlung bis Taupunkttemperatur
(Wasserdampfsättigung von 100%), Kondensation bei weiterer Abkühlung
Aerosole als Kondensationskerne
(Wasserdampf kann an diesen kondensieren),
Anlagerung kleiner Wassertropfen; viele
Wassertropfen Wolke
Niederschlagsbildung bei Zusammenwachsen
Millionen von Wassertropfen zu einer Größer, dass Erreichen
des Erdbodens ohne Verdunsten möglich
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(B) Wolkengattungen
Klassifizierung nach Entstehung:
Quellwolken/ Haufenwolken/ Cumuluswolken Schichtwolken
o starke vertikale Konvektion (Luftaufstieg) o großer Ausdehnung o heftiger Niederschlag
o horizontale Luftbewegungen (Advektion) o Aufschiebung warmer feuchter Luftmassen über
kältere Luft, langsamer Aufstieg o gleichmäßige Wolkendecke, großer horizontale
Ausdehnung
Klassifizierung nach Lage:
Wolkenfamilie Wolkengattung Merkmale Wetter/Bedeutung
hohe Wolken
Federwolke (Cirrus) hellweiß, faserig, bandartige Struktur
kein Niederschlag; Vorläufer von Cirrostratus an Aufgleitfronten vor einem Tief
Schäfchenwolke (Cirrocumulus)
weiß, flockig, oft in Gruppen angeordnet
kein Niederschlag; Bilden sich wenn Cirruswolekn von unten langsam erwärmt werden
Schleierwolke (Cirrostratus) weiß, faserig, nebelartig kein Niederschlag; Vorläufer einer Warmfront
mittlere Wolken
grobe Schäfchenwolke (Altocumulus)
weiße bis grau Wolkenballen kein Niederschlag
mittelhohe Schichtwolke (Altostratus)
hellgraue bis bläuliche, gleichmäßige Schichten
Landregen, Schnee, Eis; beim Warmfrontaufzug dem Cirrostratus folgende
tiefe Wolken
Schicht- und Haufenwolke (Stratocumulus)
grau mit weißlichen oder dunkleren Flecken
schwacher Regen, Schnee, Graupel; Schönwetterwolke über See im Sommer, über Land im Winter; Wolkenform nach Kaltfrontdurchzug
tiefe Schichtwolke (Stratus) graue, gleichförmige Wolkenschicht
Sprühregen, Schneegriesel
Haufen- oder Quellwolke (Cumulus)
grau bis blaugrau, flache Unterseite, mächtig aufgetürmt
schönes Wetter; Schönwetterwolke an Küsten und über Bergen; Hinweis auf Instabilität
Wolken mit starkem vertikalen Aufbau
Schauer- oder Gewitterwolke (Cumulonimbus)
schwarzgrau, flache Unterseite, mächtige aufquellende Wolkenmassen
Regen, Schnee, Graupel, Hagel; hohe Instabilität der gesamten Troposphäre; Hitzegewitter; besonders beim Durchgang von Kaltfronten
Regenschichtwolke (Nimbostratus)
graue bis dunkelgraue, gleichmäßig dicke Wolkenschicht
Regen, Schnee, Eis; Dauerregen vor Warmfront
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2.1.4 Thermisch bedingte Zirkulation
Thermische Druckgebiete
Luftdruckgegensätze durch unterschiedliche Erwärmung (Aufstieg oder Absinken von Luftmasse
erzeugen lokale Hoch- oder Tiefdruckgebiete)
2.1.4.1 Luftdruck und Wind
(A) Wind
Definition: Parallel zur Erdoberfläche verlaufende Luftbewegung.
Windrichtung: Richtung, aus der der Wind weht.
Windstärke: Geschwindigkeit des Windes
Voraussetzung: benachbarte Gebiete unterschiedlichen Drucks; Luftbewegung entlang des
Luftdruckgradienten (von Hochdruck- zu Tiefdruckgebieten)
(B) Luftdruck
Definition: Druck mit dem Luftschicht auf der Erdoberfläche lastet
Wert: durchschnittlicher Luftdruck auf Meereshöhe: 1013 hPa (Abnahme 50% je 500m
durch abnehmende Luftdichte)
Messgerät: Barometer, auch als Höhenmesser einsetzbar
2.1.4.2 Föhn und Steigungsregen
o Voraussetzungen: Luftmassen, die durch vorherrschenden Luftdruckverhältnisse ein Gebirge
überqueren müssen (Luv mit hohem Luftdruck, Lee mit tiefem Luftdruck)
o Aufstieg und Abkühlung von Luftmasse im Luv (erst trockenadiabatisch bis
Kondensationsniveau erreicht, dann feuchtadiabatisch Kondensation mit Entstehung von
Steigungsregen orographischer Niederschlag)
o nach Erreichen des Gebirgskamms, Überströmung des Gebirges
o Entstehung von Wolken (Föhnmauer)
o im Lee, Absinken der Luftmassen und trockenadiabatische Erwärmung Luft ist wärmer als
auf der Luv-Seite (Verdunstung von Wasser, da Luft wieder viel Feuchtigkeit aufnehmen kann)
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2.1.4.3 Land-See-Windsystem
tagsüber (Seewind) nachts (Landwind)
o stärkere Erwärmung der Luftsäule über dem Land als auf dem Wasser (über dem Wasser v.a. Reflektion, Land als „Heizplatte“)
o Aufstieg der erwärmten Luft, Entstehung eines Höhenhochs
o Druckgefälle zwischen Höhenhoch über dem Land und Höhentief über dem Wasser Luftstrom von Land zu Wasser in der Höhe
o Luftmassenabnahme über dem Land Bodentief über dem Land
o über dem Wasser zugeströmte Luft kühlt sich ab, sinkt ab und erhöht den Druck am Boden Bodenhoch über dem Wasser
o Ausgleichswind von Waser zu Land
o da Wasser besserer Wärmespeicher (kühlt langsamer ab); nachts Wasser wärmer als das Land Umdrehung der Druckverhältnisse
o Ausgleichswind von Land zu Wasser
2.1.4.4 Atmosphärische Zirkulation
(A) Planetarische Zirkulation
o Corioliskraft (ablenkende Kraft der Erdrotation) als Ursache der großräumigen –
Luftbewegungen
o am Äquator schnellere Drehung der Erde als an den Polen
o Ablenkung: NHK nach rechts, SHK nach links
o Entstehung von drei Zirkulationssystemen (Verlagerung je nach jahreszeitlichem Sonnenstand)
tropische Passatzirkulation
o vertikale Kreisläufe innerhalb der Hadley-Zelle o äquatoriale Tiefdruckrinne o subtropischer Hockdruckgürtel o Innertropische Konvergenzzone
außertropische Westwind-Zirkulation
o großräumige dynamische Hoch- und Tiefdruckgebiete sorgen für horizontalen Luftaustausch
o Übergangszone zwischen tropischer Warmluft und polarer Kaltluft planetarische Frontalzone
o Zyklone (wandernde Tiefdruckgebiete) als Ursache für Verwirbelung
Polarzellen der Pole o polare Ostwinde durch Ablenkung der Abströmungen kalter Luft aus
den polaren Hochdruckgebieten (Kältehochs)
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Übersicht der großräumigen Luftbewegungen:
(B) Innertropische Zirkulation
o geprägt durch Passatzirkulation
o Bereich des Zenitstandes:
starke Erwärmung der unteren
Luftschichten, Ausdehnung und
Aufstieg Bildung eines
thermischen Bodentiefs und
einem Höhenhoch (äquatoriale
Tiefdruckrinne oder
Innertropische
Konvergenzzone)
o feuchtadiabatisch aufsteigende
Luftmassen nehmen große Menge an Wasser auf; bei Abkühlung Kondensation und Bildung
mächtiger Gewitterwolken mit Starkregen (Zenitalregen)
o Luftströme aus dem Höhenhoch der ITC polwärts, jedoch Ablenkung durch Corioliskraft auf
NHK nach Nordosten, auf SHK nach Südosten (Anti-Passat)
o teilweise früheres Absinken von Luftmassen, Ostwinde (Urpassate)
o trockenadiabatisches Absinken der Luftmassen in den Wendekreisen, Bildung einer
bodennahen Hochdruckzone (subtropische Hochdruckzone) sehr trockene Luft
o durch Druckgefälle zum Äquator, Ausgleichsströmung unter Einfluss der Corioliskraft nach
Osten (bodennaher Wind, der viel Feuchtigkeit aufnimmt)
o Absinken von Luft dieser Ströme durch Abkühlen und Rückstrom zur ITC (da kaum bodennahe
Reibung, Winde kommen durch Corioliskraft aus Osten) Urpassate
o durch Passatkreisläufe, Bildung der Hadley-Zelle (drei Windschichten: in der Höhe polwärts
gerichtete Antipassat, am Boden zur ITC wehende Passat, in der Mitte Urpassat)
o durch Passatinversion, Verhinderung von Luftaufstieg und Kondensation der Passatwinde
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Auswirkungen der wandernden ITC:
Winter Sommer südwärts wandernde ITC; Regenzeit auf der Südhalbkugel (Südsommer); Trockenzeit auf der Nordhalbkugel
ITC wandert Richtung Nordhalbkugel; Regenzeit in der nördlichen subtropischen Zone; Trockenzeit auf der Südhalbkugel (Südwinter)
(C) Monsun
o Sonderfall der Passatzirkulation: Windsystem mit halbjährlichem Richtungswechsel, ausgelöst durch
große Druckgefälle
o am Rand von Landmassen angrenzend an großer Wasserflächen
o Sommermonsun (Südwestmonsun), Wintermonsun (Nordostmonsun) meist trocken, nur feucht nach
Überquerung eines Meeresgebiets
o Beispiel: indischer Subkontinent
o Bildung eines starken Hitzetief während des Sommers in Pakistan, enormer Druckabfall
o Südostpassat wird durch großer Druckgefälle „eingesaugt“
o Aufspaltung der ITC in nördliche und südliche ITC
o bei Überschreitung des Äquators durch den Südostpassat, Ablenkung nach rechts; durch
Wasserfläche, Aufnahme von viel Wasser
o Auftreffen als feucht-warme Luftmasse auf den indischen Kontinent; Konvektion und
Kondensation heftige und ergiebige Niederschläge
o an Gebirgen: Verstärkung durch Steigungsregen
Abschnitte (Beispiel Indien): kühlere, trockene Jahreszeit von Dezember bis Februar durch ablandigen Nordostpassat (ITC ist auf der Südhalbkugel)
heiße, trockene Jahreszeit von März bis Anfang Juni durch höheren Sonnenstand (ITC wandert Richtung Nordhalbkugel) und allmähliche Erwärmung (trockene und warme Luft)
heiße, feuchte Jahreszeit ab Mitte Juni als Folge des Südwestmonsuns, starke Erhitzung der Landmassen im Sommer, Verlagerung der ITC weiter nach Norden bzw. Süden, die ITC liegt im Norden Indiens
Wintermonsun Sommermonsun
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2.1.5 Dynamisch bedingte Zirkulation (Außertropische Zirkulation)
(A) Westwinde der gemäßigten Breiten (Nordhalbkugel)
o Entstehung von Jetstreams in der planetarischen Frontalzone durch große Druck- und
Temperaturunterschiede (ein Teil der Luftmassen der Antipassate strömt zum Druckausgleich
Richtung Pol, Ablenkung durch Corioliskraft nach Osten Westwind)
o Unterscheidung Subtropenjet (näher am Äquator) und Polarfront-Jetstream (näher am Pol)
o Verhinderung des Austauschs der Temperatur- und Druckunterschiede zwischen Tropen und
Polen
o Austausch von Luftmassen erst bei Verwirbelung der Jetstreams durch Mäandrierung (erst
stabile Fronten, dann immer größer werdende Temperaturunterschiede bis es zum Bruch und
zur Mäanderbildung kommt; verstärkt durch Reliefsunterschiede)
o polare Kaltluftmassen stoßen äquatorwärts vor, tropische Warmluftmassen nach Norden
o Ablösung (cut off) von Hoch- und Tiefdruckzellen möglich, lokale Blockade der Westwinddrift
(Blocking-Action)
o Entstehung von Tief- und Hochdruckzellen im Polarfrontjet durch Konvergenzen
(Verengungen) (führen zu Zyklonen) und Divergenzen (Erweiterungen) (führen zu
Antizyklonen) der Polarfrontjet, ausgelöst durch Mäandrierung
o Wanderung der dynamischen Hoch- und Tiefdruckgebiete mit dem Jetstream nach Osten
o Entstehung der Zyklone meist auf Polseite (subpolarer Tiefdruckgürtel), Entstehung der
Antizyklone meist auf Äquatorseite (subtropischer Hochdruckgürtel)
dynamisches Hochdruckgebiet dynamisches Tiefdruckgebiet Antizyklone Zyklone
mit dem Uhrzeigersinn (Luft strömt vom Hoch weg) gegen den Uhrzeigersinn (Luft strömt zum Tief hin)
Vordringen des Jetstreams in Äquatorrichtung, Verringerung der Windgeschwindigkeit, Stauchen und Zusammendrücken der Luftströmung, Luft schraubt sich im Uhrzeigersinn nach unten
Vordringen des Jetstreams Richtung Pol, Beschleunigung der Windgeschwindigkeit, Auseinanderströmen des Windes, Ansaugen von Luft von unten, Hochschrauben gegen den Uhrzeigersinn, bodennahe Luft strömt nach oben
selber Druck am Boden und in der Höhe!
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(B) Zyklonales Wettergeschehen
o Zyklone transportiert Warmluft an Vorderseite nach Norden, Aufgleiten auf die schwerere
Kaltluft; Anhebung und Abkühlung, Wolkenbildung lang anhaltender gleichmäßiger
Nieselregen (Landregen); mit Verdrängen der kalten Luft, Temperaturanstieg, fallender
Luftdruck, Wolken verschwinden (Warmluftsektor)
o Kaltfront verdrängt Warmluft am Boden, schneller Aufstieg der Warmluft; Bildung großer
Wolken mit heftigem Schauerregen; sinkende Temperaturen, steigender Luftdruck
o Einholung der Warmfront durch die Kaltfront Okklusion (Warmluft wird vollständig vom
Boden angehoben und von kalter Luft unterströmt schwebende Warmluftlinse, durch
Abkühlung infolge des Aufstiegs, Abregnen des gespeicherten Wasserdampfes)
o Transport von Wasserdampf vom Meer aufs Land durch Zyklone
o schneller und starker
Temperaturabfall o Ambosswolken
(Cumulimbos) o starker Niederschlag,
Gewitter, Hagel o schnelle Zunahme des
Luftdrucks o Böen aus Nord-West
o sprunghafter Temperaturanstieg
o aufgelockerte Haufenwolken
o Auflösen des Niederschlags
o fallender Luftdruck o mäßiger bis starker
Westwind
o allmählicher, geringer Temperaturanstieg
o tiefhängende Schichtwolken (Stratuswolken), später Federwolken (Cirren)
o gleichmäßig anhaltender Landregen
o langsam fallender Luftdruck
o Winde aus Süd-Ost
(C) Antizyklonales Wettergeschehen
o Absinken und trockenadiabatische Erwärmung von Luft
o Auflösung von Wolken, trockenes Wetter
o vermehrte Aufnahme von Wasserdampf
West Ost
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(D) Wetterlagen Mitteleuropas
o unterschiedliche Wetterlagen durch verschiedene Luftmassen, v.a. durch Westwinde geprägt
o verschiedene Großwetterlagen, gebunden an die Hauptwindrichtung (Beeinflussung einer
Region durch Luftmassen unterschiedlichem Ursprungs: polare, tropische, kontinentale oder
ozeanischer Luftmassen)
Westlage Zyklonen ziehen vom Atlantik nach Osten; wechselhaftes, feuchtes und kühles Wetter
Ostlage Hochdruckgebiet über Skandinavien, Tief über dem Mittelmeer; Ostwind; trockene kalte Luft aus dem Osten; Winter: Frostperioden; Sommer: trockenes, sonniges Wetter
Südlage kräftiges Hoch über der Ukraine, Tief über Großbritannien; subtropische Luft wird aus der Mittelmeerregion wird nach Mitteleuropa gebracht; Föhn am Nordrand der Alpen; Winter: warmes Wetter; Sommer: sonniges und heißes Wetter
Nordlage Hoch westlich von Großbritannien blockiert Zufuhr milder Atlantikluft; Tief über Ostsee zieht feucht-kalte Polarluft heran; Kälteeinbrüche
Vb-Wetterlage
Tiefdruckgebiet über Großbritannien muss Kaltluft über Europa in Richtung Süden ausweichen, tank über dem Mittelmeer Wasserdampf und wandert Richtung Norden; starke Abkühlung mit Starkniederschlägen
Hochdruck-Wetterlage
Hockdruckgebiet über Mitteleuropa; Schönwetter, herabsinkende Luft erwärmt sich, Wolkenauflösung; Winter: Trockenperioden, frostige Nächte
Beispiele: - maritime Polarluft wird im Winter nach Süden über den Atlantik abgelenkt, strömt
über Frankreich nach Mitteleuropa; milder Winter (im Sommer kühlend)
- Hochdruckgebiet aus Großbritannien, Großwetterlage Nord, kalte Polarluft gelangt
in unseren Raum, fallende Temperaturen, Schneefall
Wetterwirksame Hautluftmassen Europas:
Sommer Winter
maritime Polarluft feucht, kühl, Schauer nasskalt, gute Sicht
maritime Tropikluft feucht, warm, diesig, Gewitter mild, diesig, Regen
kontinentale Polarluft kühl, trocken sehr kalt, trocken
kontinentale Tropikluft heiß, dunstig, schwül sehr mild, trocken
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2.2 Räumliche Differenzierung des Klimas
2.2.1 Klimaklassifikationen
(A) Genetische Klimaklassifikation
Ableitung aus dem dynamischen Geschehen in der Atmosphäre, also die Entstehung (Genese) des
Klimas steht im Mittelpunkt.
Differenzierung nach W. Weischet ebenso wie E. Neef nach vorherrschenden Druck- und
Windverhältnissen: einfache Klimakarte
Tropen Immerfeuchte Tropen Sommerfeuchte Tropen Subtropische-randtropische Trockengebiete
Subtropen Winterregen-Subtropen Sommerregen-Subtropen Kontinentale Subtropen
Mittelbreiten Zyklonale Westwindklimate Kontinentalklimate Außertropisches Ostseitenklima
Polarregion Polare Klimate
(B) Effektive Klimaklassifikation
Orientierung an den Wirkungen des Klimas auf der Oberfläche. Ermittlung der Klimazonen anhand
von Grenzwerten von Niederschlag und Temperatur. Wichtig: räumliche Verteilung und Dichte der
Messstationen für Aussagekraft!
Köppen und Geiger (1928) vier großer Temperaturzonen (A, C, D, E) und Zone B (Trockenheit); Ergänzung mit zwei Kleinbuchstaben: 1. Buchstabe für Niederschlag/Luftfeuchte; 2. Buchstabe für thermische Kriterien
Troll und Paffen (1963) fünf thermische Klimazonen mit weiterer Differenzierung in Geozonen nach hygrischen und thermalen Grenzwerten; Orientierung an vorherrschender natürlicher Vegetation
Lauer und Frankeberg (1987)
Differenzierung von vier Klimazonen nach Sonneneinstrahlung; Unterscheidung der mittleren Breiten in warm- und kühlgemäßigt; weitere Unterteilung in Klimaregionen nach Wärmehaushalt und eine weitere Binnendifferenzierung nach Wasserhaushalt
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2.2.2 Differenzierung nach Troll/Paffen
Abhängigkeit von Relief, Boden, Vegetation und Wasserhaushalt vom Klima wird in den
Vordergrund gerückt
Klimazone Geozone Merkmale
Kalte Klimate
polare Klimate
o nie wärmer als 6°C o geringe Niederschlagsmengen, kaum Verdunstung ganzjährig humid o ganzjähriges Kältehoch o kaum Vegetation, möglich: Flechten o keine Bodenbildung
subpolare Klimate/ Tundra
o zwischen +10°C und -10°C, hohe Temperatur-amplitude o geringe Niederschlagsmengen, kaum Verdunstung ganzjährig humid o Jahreszeitenklima, extreme Winterkälte o Vegetation: Flechten, Moose, Zwergsträucher, Heidekraut, Polarweide, Zwergbirke o Boden: Permafrost, Moore und Sümpfe, Gleyböden (Staunässe)
Boreale Klimate/ Taiga a) extrem kontinentaler Nadelwald b) kontinentaler Nadelwald
o +20°C bis -25°C, extreme Gegensätze möglich o a) trockene Winter; b) schneereiche Winter o Jahreszeitenklima (Winter Kältehoch, Sommer Hitzetief) o Vegetation: a) Sommergrüner Nadelwald; b) Immergrüner Nadelwald o unfruchtbare Böden (Podsol) oder Moore und Sümpfe
Gemäßigte Klimate
Klimate der sommergrünen Laub- und Mischwälder a) ozeanische Klimate b) kühlgemäßigte Übergangsklimate c) kontinentales Klima d) sommerwarme Klimate der Ostseiten
o +15°C bis 2°C (ozeanisch) und -20°C (kontinental) o große Niederschlagsmengen der ozeanischen Klimate, mittlere Mengen in den kontinentalen
Bereichen o zyklonale Westwinde o Vegetation im Westen immergrüne Laub- und Mischwälder; im Osten zunehmend
Nadelwälder o fruchtbare Braunerden
Winterkalte Trockenklimate a) Steppen b) Halbwüsten und Wüsten
o +25°C bis -20°C o weniger als 500mm Niederschlag durch Konvektionsniederschläge und Sommergewitter; hohe
Niederschlagsvariabilität o Winter: kontinentales Kältehoch; Sommer: kontinentales Hitzetief mit Dürreperioden o baumlose Graslandschaft, labiles Ökosystem o fruchtbare Schwarzerden, Steppenböden und Wüstenböden
Subtropen
Subtropische Winterregenklimate an Westseiten der Kontinente/ Mittelmeerklima
o milder Winter, Sommer um +25°C o trockener Sommer, Winter mit starken Niederschlägen o Winter: Einfluss des Polarfrontjets durch Südverlagerung der ITC; Sommer: randtropische
Hochdruckzellen o angepasste Vegetation
Subtropische Sommerregen-klimate an Ostseiten der Kontinente
o milde Winter, Sommer um +25°C o Winter: außertropische Zyklonen; Sommer: starke Monsunniederschläge o Immergrüne Wälder o stark verwitterte Lehmböden
Subtropische Trockenklimate a) wintermilde Steppen b) Halbwüsten c) Wüsten
o keine Wolken, tagsüber sehr heiß, nachts Frost o fast nie Niederschlag o Bereich der randtropischen Hochdruckzellen o Vegetation nur in Oasen o Wüstenböden
Wechsel-feuchte Tropen
Dornsavanne o +18°C bis +35°C o Trocken- und Regenzeit o Niederschläge bei Durchzug der ITC; in Äquatornähe zwei Durchzüge
Trockensavanne
Feuchtsavanne
Immer-feuchte Tropen
Tropischer Regenwald
o minimale Temperaturschwankungen, meist +25°C o fast ganzjährig große Niederschlagsmengen o ganzjährig von der ITC bestimmtes Klima o üppige Vegetation o stark verwitterte, ausgelaugte Böden ohne Nährstoffspeicherfähigkeit
Höhen-stufen tropischer Gebirge
Tropische Gebirge o Tageszeitenklima mit extremer Temperaturamplitude o fast ganzjährig hohe Niederschlagsmengen
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2.2.3 Stadtklima
Temperaturerhöhung
Stadt als Wärmeinsel
Atemwegserkrankungen
und weitere
Gesundheitsschäden
Gewitterhäufigkeit,
starke Niederschläge,
Nebel
im Süden heimische
Tiere siedeln sich an
Verschiebung der Blüte
bei jedem Grad
Temperaturerhöhung
um eine Woche
Wärmeemissionen
von Gebäuden,
Verkehr und
Kraftwerken
Verkehr hohe Einwohnerzahl
viele Versiegelungs-
flächen und Baukörper
Absorption von
eingestrahlter Energie
der Sonne
Anreicherung
der Stadtluft mit
Spurengasen
Dunstglocke
gehemmtes
Entweichen der
aufgestauten
Hitze
schlechte
Planung, keine
Frischluftschneisen
kaum
Luftaustausch
durch enge Gassen
Verschmutzung
der Luftglocke
über der Stadt
Wärmeaus-
strahlung der
Gebäude
Reflexion an
Teilen der
Dunstglocke
stadteigener
Treibhauseffekt
keine
Bodenlebewesen,
Abnahme des
Grundwassers
Reduktion der
Vegetation
kanalisierte
Gewässer
Einschränkung der
Kühlwirkung der
Verdunstung
häufige Tiefbildung über
Städten durch
aufsteigende Luft
Kondensation an Staub-
und Rußteilchen
Wolkenbildung
heiße Sommer,
milde Winter
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3. Wirtschäft
3.1 Entwicklungszyklen der Wirtschaft
3.1.1 Kondratieffzyklus
o technische Basisinnovation führt zur Bildung von Zukunftsbranchen mit Schlüsseltechnologien
o Eröffnung neuer Wirtschaftszweige mit hohem Nachfragepotenzial, neue Märkte, neue
Arbeitsplätze
o bei Erschöpfung des Innovationspotenzials, Marktsättigung wirtschaftliche Rezession und
Depression
1. Welle 2. Welle 3. Welle 4. Welle 5. Welle 6. Welle
Dampfmaschine Baumwollverarbeitung mechan. Webstuhl Kohle- und Eisentechnologie
Stahl Eisenbahn Telegrafie Zement
Elektrotechnik Elektrifizierung Chemie Fahrzeugbau
Petrochemie Automobilindustrie Kernkraft Raumfahrt
Informationstechnik Internet mobile Kommunikation synthetische Materialien
Gesundheits- und Umwelttechnologie Nanotechnik Bio- und Gentechnologie
1800 1850 1900 1950 2000 20XX
3.2 Unternehmerische Standortwahl
3.2.1 Güter
Definition: Mittel zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse
wirtschaftliche Güter
Konsumgüter
=Güter und Leistungen für den Verbrauch in privaten und öffentlichen Haushalten
Verbrauchsgüter
=kurzlebige Güter, die Vorgang der Bedürfnisbefriedigung
vernichtet werden
z.B. Lebensmittel, Kosmetika
Gebrauchsgüter
=langlebige Güter, die beim Verbraucher über längere Zeit
Nutzen bringen
z.B. Möbel, Fernseher, Auto
Investitionsgüter (Produktivgüter)
=Güter und Leistungen durch deren Einsatz andere Güter erzeugt werden
Verbrauchsgüter
=Sotffe und Waren, die beim Produktionsvorgang zur
weiteren Be- und Verarbeitung benötigt werden
z.B. Rohstoffe, Energie
Gebrauchsgüter
=langlebige Güter, die für die Gewinnung anderer Erzeugnisse
beim Produktionsprozess eingesetzt werden
z.B. Maschinen, Fahrzeuge
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3.2.1 Standortfaktoren
Definition: Standortfaktoren sind örtliche Produktionsvorteile, die einen Ort für ein
Unternehmen attraktiv machen, weil hier die entstehenden Kosten niedriger sind
als anderswo. Bewertung nach branchenspezifischen Kriterien.
Einordnung der Standortfaktoren:
harte Standortfaktoren weiche Standortfaktoren
für ein Unternehmen leicht messbare und kostenmäßig berechenbare Faktoren
von subjektiven Einschätzungen geprägte Faktoren (oft liegen harte Standortfaktoren zugrunde)
o Infrastruktur, Verkehrslage o Flächenverfügbarkeit o Arbeitskräfteangebot o natürliche Bedingungen (Rohstoffvorkommen,
Klima, Energiequellen) o Absatzmarkt o Nähe zu Forschung- und
Entwicklungseinrichtungen (FuE) o politisch soziale Situation o gesetzliche Rahmenbedingungen (insb.
Steuern oder Steuervergünstigungen, Umweltauflagen, öffentliche Wirtschaftsforderung)
o Fühlungsvorteile
o Mentalität der Arbeitskräfte (Motivation,
Arbeitseinstellung) o Werbewirksamkeit des Standorts, Image o Wohn- und Freizeitwert o persönliche Gründe
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3.2.2 Standorttheorie nach Alfred Weber
Kritik an Webers Theorie
o Transportkosten längst nicht mehr entscheidender Faktor, da der Gütertransport billiger
geworden ist (extrem weite Transportwege werden heute bewusst in Kauf genommen);
außerdem Transportkosten je nach Produkt sehr unterschiedlich
o immer mehr Standortfaktoren entscheiden zusammen über einen idealen Standort
o Standortfaktoren nicht mehr nur Kostenvorteile, sondern auch Entscheidungsfaktoren für
Erhaltung bzw. Stärkung von Wirtschaftsstandorten
o Unternehmen viel mobiler (Footloose Industry), früher meist standhaft (Persistenz)
3.2.3 Standortfaktoren im Wandel
Branchenspezifische Zuordnung vorherrschender Standortfaktoren:
Nahrungsmittel- und
Holzindustrie Textilindustrie
Chemische- und Bauindustrie
Druckindustrie, Brauereien
Industrie der Steine und Erden
günstige Lage zu Rohstoffquellen
bzw. Beschaffungs-märkten
verfügbares Potenzial an billigen
Arbeits-kräften
Rohstoffe, verfügbares
Ansiedlungs-gelände
günstige Lage zum Absatzmarkt
gute verkehrs-mäßige Erschließung
Reinmaterialien
(keine Veränderung der
Masse, daher Ort der
Verarbeitung nicht
entscheidend)
Materialien mit
Gewichtszunahme
(Verarbeitung möglichst nah
am Ort des Abnehmers)
Gewichtsverlustmaterialien (Verarbeitung möglichst am
Ort des Materialvorkommens;
z.B. Kohlekraftwerk, Eisenerz)
„Reine Theorie des Standorts“ 1909
Grundlegende Standortfaktoren: Rohstoffvorkommen am Materialort, Arbeitskräfteangebot am
Produktionsort, Absatzmarkt am Konsummarkt; Transportkosten als zentraler, ausschlaggebender
Kostenfaktor; idealer Standort: Transportkostenminimalpunkt im Dreieck der Standortfaktoren
Gliederung von Materialien nach Gewichtsveränderung
andere Stellenwerte der Standortfaktoren als früher; meist Persistenz der Unternehmen
Standortfaktoren häufig von kurzfristiger Natur (heutzutage wandern Unternehmen viel häufiger als früher; immer auf der Suche nach dem aktuell optimalen Standort)
immer mehr Standortfaktoren sind für ein Unternehmen entscheidend
heutige Unternehmen weniger materialorientiert (Nähe zu FuE und Informations- und Kommunikationszentren (Verdichtungsräume) wichtiger)
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3.2.4 Standortverlagerung – der Produktlebenszyklus (Theorie der kurzen Wellen)
Durch den „Alterungsprozess“ eines jeden Produkts, kommt es phasenweise einerseits zu einer
Verschiebung der Relationen von Kosten und Erlös, andererseits aber auch zu sich verändernden
Anforderungen an den Produktionsstandort. Am Ende steht das Unternehmen vor der
Entscheidung, der Wahl eines neuen Produktionsstandorts mit neuem Absatzmarkt oder der
Entwicklung eines neuen Produkts. Meistens werden beide Wege umgesetzt.
Phase I Entwicklung und
Einführung
Phase II Wachstum
Phase III Reife
Phase IV Schrumpfung
Entwicklung eines Produkts, Investitionen werden getätigt, Verlustphase durch kostenintensive Forschung und Entwicklung; Aufbau einer Fertigung, Erschließung des Marktes
das fertig entwickelte Produkt geht in die Massenproduktion, Etablierung des Produkts, Werbung, Investitionen, Wachstum und Gewinnmaximierung, hohe Preise durch große Nachfrage
Phase des Gewinns, Produkt hat sich am Markt etabliert, hohe Nachfrage, Herstellung großer Stückzahlen; Absatzstagnation; Produktionsanlagen ausgelastet; zunehmende Konkurrenzdruck; sinkende Preise; Rationalisierungs-investitionen; evtl. technische Weiterentwicklungen
Marktsättigung, Preisverfall; Kostenminimierung (billigere Produktion durch billigere Arbeitskräfte), keine Investitionen mehr
Produktion humankapitalintensive sachkapital- oder arbeitsintensive
Innovation Produktinnovation Prozessinnovation
Investition FuE-Investitionen Rationalisierungsinvestitionen
Produktions-menge
kleine Losgrößen Massenproduktion
Gewinne Verlust ansteigende Gewinne abnehmende
Gewinne Verlust
optimaler Produktionsort
Agglomerationsraum Umland der Agglomerationen periphere Regionen, Niedriglohnländer
Verlagerung der Standortschwerpunkte von urban-industriellen Räumen in peripherer gelegenen Regionen als
Zeichen des Alterungsprozesses; intraregionale, interregionale und internationale Dezentralisierung
Um
satz
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Ne
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e
N
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ort
e
Umsatz
Kosten
Gewinn
Verlust
Land der Innovation
entwickelte Länder weniger
entwickelte Länder
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Beispiel: VW Käfer
o 1946: Bau in Serie in Wolfsburg
o 1960er: Verlegung in Peripherie nach Emden (Exporthafen)
o 1978: Einstellung der Produktion in Deutschland; neue Produktionsstandorte in
Niedriglohnländern (Mexiko, Brasilien) neuer Absatzmarkt, Weltmarkt (USA) konnte
ebenso kostengünstig bedient werden
o 2003 Einstellung sämtlicher Werke (Käfer war technisch überholt, Absatzzahlen gingen zurück)
3.2.5 Standortanalyse
Makrostandortanalyse (länderspezifische Nutzwertanalyse)
Meso- und Mikrostandortanalyse (standortspezifische Nutzwertanalyse)
o wirtschaftliche und politische Stabilität o Infrastruktur o Arbeitsmarkt o Zulieferer o Imageauswirkungen o Personalkosten
o unternehmerisches Klima o Grundstückgegebenheiten o Risiken/Termine/Genehmigungen o Ver- und Entsorgung o Kommunikation o Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten o Arbeitsmarktpotenzial o Lebensqualität
3.2.6 Räumliche Auswirkungen
Beispiel: Schwerindustrie
18. Jahrhundert: Erzbasis (Lage: Mittelgebirge) Eisenerz-, Kohle- und Wasservorkommen
industrielle Revolution Verlagerung zu Steinkohlevorkommen
19. Jahrhundert: Kohlebasis (Lage: „auf der Kohle“; Saarland, Ruhrgebiet) Steinkohlevorkommen (anstatt Holzkohle wie zuvor), Eisenerzvorkommen
durch technologische Innovationen: starke Verringerung des Kohlebedarfs für Roheisenherstellung;
Verlagerung der Eisen- und Stahlherstellung (unabhängig von den Kohlevorkommen)
20. Jahrhundert: „Nasse Hütte“ (Lage: Küstengebiete, Standorte an Binnenwasserstraßen) Einfuhr von günstigem Eisenerz von Übersee
21. Jahrhundert: Internationale Arbeitsteilung und Standortaufgliederung Entwicklungs- und Schwellenländer: Herstellung von Roheisen
Industrieländer: Weiterverarbeitung zu Qualitäts- und Spezialstählen
Bedeutungswandel der Standortfaktoren
Auswirkungen:
o Montanreviere (Industriegebiete der Verarbeitung von Bodenschätzen) geraten in Krise
(Entstehung von Industriebrachen, massive Abwanderung)
o Verlust von Arbeitsplätzen (Bergbau, Eisen- und Stahlindustrie, Zulieferbetriebe,
Dienstleistungen)
o Schrumpfungsprozesse: Schwerindustrie, Maschinen- und Fahrzeugindustrie, Chemische
Industrie, Handel, Verkehr, Handwerk
o Umstrukturierungen und Modernisierungen der Montanreviere sind im Gange
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3.3 Produktionskonzepte des modernen Unternehmens
Definition: Produktionskonzepte sind Strategien für die Gestaltung des Produktionsprozesses
mit dem Ziel einer Gewinnmaximierung (Konzepte zur Rationalisierung eines
Betriebs)
3.3.1 Vom Fordismus zum Postfordismus
3.3.2 Aspekte der modernen Produktionskonzepte
o Entwicklungsimpuls aus Japan (1990er Jahre Verdrängung der Autohersteller aus Europa und
USA von den Spitzenplätzen)
o Produktionsstruktur aus Japan wird übernommen: höhere Produktivität und Qualität bei
effektiveren Produktionsabläufen
o interne Flexibilisierungen: Maßnahmen zur Produktivitätssteigerung und Kostensenkung
o externe Flexibilisierungen: Faktoren von außen oder die nach außen verlagert werden
(A) Vorteile der Teamarbeit
Traditionelle Arbeitsorganisation Teamarbeit
Bestimmung der Arbeitszeit und Umorganisation bei Ausfallzeiten durch Vorgesetzten
Organisation der Arbeitszeit und der Ausfallzeiten durch das Team selbst
Festlegung der Auftragsfolge durch Fertigungssteuerung
Eigenverantwortliche Feinsteuerung durch das Team
Rationalisierung durch Fertigungsplaner Kontinuierliche Verbesserung aus eigenem Antrieb (Erfolgsprämien)
Teileversorgung durch Logistik Materialabruf nach Bedarf des Teams
Instandhaltung der Maschinen durch Reparaturabteilung
Vorbeugende Instandhaltung durch das Team aus eigenem Interesse
Qualitätssicherung durch Spezialisten (Kontrolle) Qualitätssicherung durch Team selbst (Eigenverantwortung)
FORDISUMS
(ab 1913 mit Erfindung des Fließbands)
sinkende Nachfrage nach standartisierten Produkten; Wunsch nach individualisierten Produkten;
unzureichende Innovation; Überkapazitäten (Krise); wachsende internationale Konkurrenz; sinkende
Kaufkraft
POSTFORDISMUS
(ab 1975)
o Fließbandarbeiter, Einzweckmaschinen, hohe
Fertigungstiefe, viele direkte Zulieferer
o große Lagerhaltung, Produktion v.a. durch
ungelernte Arbeitskräfte (einfache Arbeiten in
vorgegebener Reihenfolge)
o Massenproduktion, geringe
Produktdifferenzierung, Kostenvorteile durch
große Mengen (economy of scale)
o Absatzmarkt: Verkäufermarkt (der Verkäufer
bestimmt das Angebot)
o Fließband mit multifunktionalen EDV-
gesteuerten Maschinen; bedürfnisgerechte
Produktion; geringe Fertigungstiefe; Zulieferung
in just-in-time und just-in-sequence;
Flexibilisierung
o geringe Lagerhaltung; hochqualifizierte
Arbeitskräfte; interne Flexibilisierungen (Lean
Production)
o individualisierte Produkte/Serien mit kleiner
Stückzahl; große Produktbandbreite;
Verbundvorteile (economy in scope)
o Absatzmarkt: Käufermarkt (Nachfrage bestimmt
das Angebot)
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(B) Moderne Produktionskonzepte
(C) Verringerung der Fertigungstiefe
Verringerung des Anteils selbst produzierter Bauteile im eigenen Betrieb
Vorteile o Kostenvorteile für das Kernunternehmen (geringere
Löhne in den Zulieferfirmen) o Zulieferer trägt unternehmerisches Risiko und ggf.
Folgekosten
Nachteile o fehlende Produktionstransparenz o evtl. Qualitätsschwankungen o Verlust von Know-how
(D) Just-in-Time/Just-in-Sequence
Zeitgenaue Anlieferung von Bauteilen direkt an den Ort des Einbaus; Lieferung komplett montagefertiger Module statt Einzelteile
Vorteile o Kostenvorteile für das Kernunternehmen (keine
Lagerkosten) o Stärkung kleinerer Zulieferbetriebe
Nachteile o erhöhtes Transportaufkommen o betriebswirtschaftliche Risiken für Zulieferer
(Konventionsstrafen) o gesparte Lagerkosten nur auf Zulieferer umgewälzt
3.3.3 Neue Organisationsformen von Unternehmen
Externe Flexibilisierungen o Aktivität als Global Player
o weltweites Angebot auf
dem Beschaffungsmarkt
nutzen
o Auslagerung von
Produktionsschritten in
Niedriglohnländer
Global Sourcing (häufig
auf Kosten heimischer
Arbeitsplätze)
o Einstellung von
Zeitarbeitern
Interne Flexibilisierungen o neue Fertigungstechnologien (vollautomatische
Fertigungsstraßen)
o neue betriebsinterne Arbeiterorganisation, z.B. Lean Production:
o Verringerung der Fertigungstiefe durch Auslagerung von Teilen der
Produktion und innerbetrieblichen Dienstleistungen Outsourcing
o just-in-time und just-in-sequence Verschlankung der Lagerhaltung
Re-Agglomeration oder territoriale Integration
o Simultaneous Engineering (arbeitsteilige Konzipierung eines Produkts
mit Partnerfirmen und Zulieferern virtuelles Unternehmen)
o flache Hierarchien mit mehr Verantwortung für die Arbeiter,
eigenverantwortliches Arbeiten und Mitdenken
o Teamarbeit in Fertigungsinseln (geschlossene, selbstständige Einheit)
viele Produktionsschritte in einer Abteilung Zeitersparnis und
geringere Fehleranfälligkeit
o flexible Betriebszeiten, angepasst an schwankende Nachfrage
Virtuelles Unternehmen zeitliche begrenzte Kooperation rechtlich unabhängiger Firmen zur Bearbeitung eines bestimmten Auftrags; Kapazitäts- und Kompetenz-engpässe eines Unternehmens können überwunden werden; Voraussetzung: schnelle Kommunikation via Internet räumliche Nähe spielt keine Rolle mehr!
Cluster räumliche Konzentration miteinander in Verbindung stehender Unternehmen eines bestimmten Technologiezweigs Kooperation aber zugleich Wettbewerb Vorteile: o hohe Innovationskraft und Effizienz durch Austausch von Know-how und
intensiven Wettbewerb o regionale Kompetenzen werden gestärkt o Vernetzung von wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen
Kompetenzen o geringe Transportwege, Fühlungsvorteile durch persönlichen Kontakt o Aufteilung und Ergänzung (Arbeitsteilung) o Zusammenarbeit mit Universitäten o häufig Spin-off-Betriebe o Synergieeffekt (positive Wirkung durch Zusammenschluss)
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3.4 Tertiärisierung der Wirtschaft
Definition: Prozess der zunehmenden wirtschaftlichen Tätigkeit im Dienstleistungssektor mit
einer Zunahme an Arbeitsplätzen in diesem Bereich
3.4.1 Wirtschaftssektoren (Modell nach Fourastié)
Primärsektor (vorindustrielle Zeit) Urproduktion (Gewinn von wirtschaftlichen Gütern aus der Natur) z.B. Land- und Forstwirtschaft, Fischerei
Gründe für den Wandel: technischer Fortschritt (industrielle Revolution) in der Landwirtschaft freiwerdende Arbeitskräfte Bauernbefreiung, Landflucht und Verstädterung
Sekundärsektor (Zeit der Industrialisierung) Produzierendes Gewerbe (Weiterverarbeitung von Gütern aus dem primären Sektor) z.B. Baugewerbe, Industrie, Handwerk
Gründe für den Wandel: technischer Fortschritt in der Industrie, freiwerdende Arbeitskräfte finden im DL-Sektor Platz steigender Bedarf an Dienstleistungen durch wachsende Freizeitangebote und unternehmensorientierte Dienstleistungen
Tertiärsektor Dienstleistungssektor (Angebot von Dienstleistungen an Privatpersonen oder Unternehmen) z.B. Handel, Gastgewerbe, Verkehr
Gründe für den Wandel: wachsende Relevanz hochqualifizierter Arbeitskräfte (Spezialisierungen) rasante Entwicklung des Informations- und Kommunikationsbereichs Automatisierung/Digitalisierung im Dienstleistungsbereich (enorme Rationalisierungen) wachsender Bedarf an Kommunikationsdiensten
Quartärsektor Informationssektor (hochqualifizierte Tätigkeiten in Forschung und Entwicklung), anspruchsvolle Tätigkeiten im Bereich der Informationsdienstleistungen
1880 1900 1920 1940 1960 1980 2000 2020
Anteil der
Erwerbstätigen 50
Landwirtschaft
Produktion
Dienstleistung
Information
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3.4.2 Wandel der Tertiärisierung
o nicht nur Verschiebung der Beschäftigtenstruktur (Zunahme des tertiären Sektors), sondern
gleichzeitig weitreichende Auswirkungen auf gesamte Wirtschaft und Gesellschaft
o Verschiebung von einfachen Dienstleistungen hinzu zu hochqualifizierten Dienstleistungen in
Forschung und Entwicklung (qualifizierte Spezialistentätigkeiten)
o enormer Wandel/Weiterentwicklung innerhalb des tertiären Sektors: Entstehung neuer
Dienstleistungsbranchen (Telekommunikation, Software, Verkehrswesen,…)
o durch technische und wissenschaftliche Fortschritte: wachsende Nachfrage nach Forschungs-
und Entwicklungstätigkeiten sowie zusätzlichen Serviceleistungen (z.B. Wirtschafts- und
Rechtsberatung)
o wachsende Rolle der Dienstleistungen im sekundären Sektor
o steigende Nachfrage an unternehmensorientierten Dienstleistungen durch komplizierter
werdende Produkte und Produktionssteigerungen
o enge Verknüpfung von sekundärem und tertiären Sektor: „Industrie-
Dienstleistungsverbund“
o Auslagerung von Dienstleistungen (Dienstleistungsaufgaben, welche anfangs vom
Unternehmen selbst ausgeführt wurden (z.B. Reinigung, Reparatur, Kantine) werden an
Dienstleistungsfirmen ausgelagert outsourcing) statistischer Anstieg des Tertiären
Sektors
3.4.3 Ursachen der Tertiärisierung
technologische Entwicklung
in der industriellen Produktion
(Freisetzung von Arbeitskräften,
finden jedoch nicht unbedingt im
Dienstleistungssektor Platz)
demographischer Wandel und lange gestiegene
Einkommen (Wohlstand)
Anstieg konsumorientierter Dienstleistungen (großer Anteil
älterer Menschen führt zu hohem Bedarf an Diensten);
wachsende Zahl kleiner Haushalte, Berufstätigkeit von Frauen
größere Nachfrage nach Dienstleistungen
zunehmende Freizeit durch
Arbeitsverkürzungen
größere Nachfrage an Kultur- und
Erholungsangeboten
neue betriebliche Organisationskonzepte
Anstieg unternehmensorientierter Dienstleistungen (Lean
Production Auslagerung (Outsourcing) von zuvor selbst
erbrachten Diensten, Just-in-time Zunahme von Transport-
und Kommunikationsdiensten) je größer die
Güterproduktion, desto höher der Bedarf an
unternehmensorientierten Dienstleistungen
Wirtschaftliches Wachstum induziert Tertiärisierung
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3.4.4 Unternehmensorientierte Dienstleistungen
o Standort mit Kundennähe von geringer Bedeutung; ausgezeichnete Verkehrslage und
Kommunikationsmöglichkeiten von größerer Bedeutung v.a. in Großstädten
o durch Nähe zu anderen Dienstleistungszentren, Bildung von Clustern (Kooperationsformen
mit anderen Unternehmen) möglich
o ebenso weiche Standortfaktoren von Bedeutung: Image und Umfeldqualität,
wirtschaftspolitisches Klima
o ideale Standorte: „Zentrale Orte“ (Städte mit Bedeutungsüberschuss, höheres Angebot an
Dienstleistungen und Gütern als Nachfrage von den eigenen Bewohnern)
o steigende Bedeutung der Zentren, zeitgleicher Zuwachs der unternehmensorientierten
Dienstleistungen Global Cities an der Spitze der Rangordnung
3.4.5 Auswirkungen der Tertiärisierung auf die Lebens- und Arbeitswelt
o hochqualifizierte Experten profitieren (viele und sichere Arbeitsplätze mit hohen Gehältern)
o die einfachen Dienstleister verlieren (Verlust einfacher Dienstleistungen durch
Automatisierung) insgesamt gestiegene Arbeitslosigkeit
o Umstrukturierung von Altindustrieräumen (z.B. Ruhrgebiet heute eines der führenden Zentren
für Hightechindustrien und moderne Dienstleistungen)
o Großstädte (Global Cities) werden durch die neuen Informations- und
Kommunikationstechnologien zu den Steuerzentralen der Weltwirtschaft (weltweite
Verflechtung von Kapital, Arbeitsmärkten, Handel, Verkehr und Kommunikation) zulasten
niedrigrangigerer Städte und peripherer Regionen
o wachsender Tourismus-Markt
o Kostensenkungen im Transportwesen
o Home office, mobile Arbeitsplätze; weltweite Zusammenarbeit an einem Projekt;
Voraussetzung: schneller Informationsaustausch durch Internet
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3.5 Auswirkungen der Industrietätigkeit
3.5.1 Umwelt
(A) Ökobilanzen
o systematische Analysen zur Ermittlung der Umweltwirkung eines Produkts (während des
gesamten Lebensweges)
o z.B. ökologischer Rucksack: Summe aller in und aus der Natur bewegten Massen bis zum
verkaufsfertigen Produkt, vermindert durch Eigenmasse des Produkts
o Ökobilanz als Anhaltspunkt für wirksame Verbesserungsmaßnahmen
o Recycling zur Ressourceneinsparung , Verminderung der Eingriffe in die Natur, Entlastung von
Deponien und effizientere Nutzung von Energie
(B) Emissionssenkung
o Industrie, Energiewirtschaft und Verkehr haben großen Beitrag an Freisetzung von
Treibhausgasen
o Kyoto-Protokoll: vertragliche Senkung des Ausstoßes von Treibhausgasen
o Ziele der EU: Treibhausgas-Emissionen verringern, größerer Anteil erneuerbarer Energien am
Gesamtanteil, Erhöhung der Energieeffizienz
o Maßnahmen der EU: Förderung erneuerbarer Energien, Verringerung der CO2-Emissionen bei
neuen PKW durch Automobilindustrie, Verbesserung der Energieeffizienz von Maschinen und
Haushaltsgeräten
o Emissionshandel: erwerbliche Zertifikate für genehmigten Ausstoß von CO2 in Tonnen;
Weiterverkauf möglich; Ziel: Anreiz für Entwicklung umweltverträglicher Technologien
3.5.2 Verkehr
o leistungsfähiges Verkehrsnetz Voraussetzung für weltweiten Handel
o durch Zunahme des Warenverkehrs, Überlastung der Verkehrsträger
o Zuwachs des Verkehrs in Deutschland durch Freiheiten des Personenverkehrs, Just-in-Time-
Prinzip und Deutschland in der Mitte Europas als Transitland
o Lösungsansatz: Verlagerung des Güterverkehrs auf Bahn und Schifffahrt; beides jedoch bisher
zu unflexibel
o Transportgeschwindigkeit spielt immer wichtigere Rolle Luftfrachtverkehr mit stärkstem
Zuwachs
o extrem gesteigerter Personenverkehr durch Suburbanisierung, Flexibilität des
Individualverkehrs und Zunahme des Freizeitverkehrs (auch Urlaubsverkehr)
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3.6 Globalisierung
Definition: Die Globalisierung meint die Entstehung eines Weltbinnenmarktes (weltweites
Zusammenwachsen der Märkte) zunehmende weltweite wirtschaftliche
Verflechtungen; dynamischer und fortwährender Prozess
3.6.1 Ursachen der Globalisierung
3.6.2 Dimensionen der Globalisierung
Kommunikation „vernetzte Welt“
Ökonomie „Weltbinnenmarkt“
Gesellschaft „Welt als globales Dorf“
Umwelt „Welt als
Risiko-gemeinschaft“
Innovationen der Telekommunikation (informationstechnische globale Vernetzung); Logistik
Liberalisierung des Handels; Mobilität der Produkte, des Kapitals und der Produktionsstandorte; sinkende Transportkosten; regionale Arbeitsmarkt-entwicklungen
Souveränitätsverlust für Nationalstaaten; Probleme/Chancen regionaler Identität; Homogenisierung des Lebensstils („Weltgesellschaft“); „Verlust“ räumlicher Distanz; gestiegene Mobilität der Weltbevölkerung; Migration; Lockerung sozialer Bindungen; räumliche Flexibilität; Austausch von Werten und Gewohnheiten
globale Umwelt-gefährdungen; Ressourcen-verschwendung
Ebenen der Globalisierung:
Gütermärkte
Welthandel mit Waren und Dienstleistungen
Verkehrstechnische Ursachen
Revolution des Transportwesens,
Einführung des genormten
Containers, Zunahme des
Containerverkehrs, Senkung der
Transportkosten, Entstehung
preiswerter weltumspannender
Kommunikationsnetze durch
Fortschritte der
Kommunikationstechnologie
Politische Ursachen
Zusammenbruch des Sozialismus (kein
abgeschottetes Wirtschaftssystem mehr);
Abkommen zur Organisation des
Welthandels (1950er-Jahre) gerechtere
Struktur des Welthandels mit Verhinderung
von Benachteiligung; Aufstieg von
Schwellenländern;
neue wirtschaftliche Rolle Chinas
Ökonomische Ursachen
Liberalisierung des
Welthandels (ab 1947),
Deregulierung der
Wirtschaft,
internationaler
Kapitaltransfer durch
ADI
Voraussetzungen Kolonialismus (wirtschaftliche Verflechtungen zwischen Kolonie und Mutterland, erste
Erfahrungen eines internationalen Handels als gewinnbringend)
industrielle Revolution (Ausbau der Produktions-, Transport- und
Kommunikationskapazitäten)
Produktionsmärkte Aufbau kostengünstiger Produktionsstätten, ADI
Finanzmärkte Liberalisierung des Kapitalverkehrs (ermöglicht durch Fortschritte der Kommunikationstechnologie)
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3.6.3 Ausländische Direktinvestitionen (ADI)
Definition: Ausländische Direktinvestitionen sind Kapitalanlagen im Ausland durch Erwerb von
Eigentumsrechten z.B. an Immobilien, Niederlassungen, Geschäftsanteilen oder
Unternehmen.
ADI und Welthandel als wichtiger Indikator des Globalisierungsprozesses (dokumentieren
Verflechtungen und Abhängigkeiten)
Vorteile Nachteile
für das Unternehmen für das Unternehmen/Herkunftsland
o da meist Niedriglohnländer, Kosteneinsparungen gesteigerte Konkurrenzfähigkeit und Gewinnmargen
o neue Markterschließung durch Standort unmittelbar am neuen Absatzmarkt
o unmittelbare Kundennähe zum neuen Absatzland o Umgehung von Handelsbarrieren (Zölle) o Minimierung von Transportkosten o Steuervorteile durch Sonderwirtschaftszonen
(Lockmittel für Unternehmen)
o Verlust an Arbeitsplätzen am ursprünglichen Standort
o Transfer von technischem Know-How (Wissen könnte in Hände der Konkurrenz geraten)
o weniger Steuern für das Herkunftsland
für die Zielregion für die Zielregion
o Beitrag zur Markterschließung o Wachstumschance für Entwicklungsländer durch
Übertragung von Know-How (Spillover-Effekt) und Firmennetze Steigerung des eigenen Marktes
o sichere und gut bezahlte Arbeitsplätze mit sozialen Leistungen
o Ausbildung von Fachkräften o Chancen für eigene kleine Firmen als Lizenznehmer
oder Kooperationspartner (Produktions- und Dienstleistungsfunktionen)
o Grundlage für wirtschaftlichen Aufholungsprozess
o möglicher Verlust von Arbeitsplätzen durch Aufkauf bestehender Firmen und folgender Modernisierung
o massive Vorleistungen der Zielregionen notwendig (Infrastrukturmaßnahmen, günstige Kredite, Steuervorteile)
o Ausbeutung der Rohstoffe, Entwicklung zur Industrie- oder Dienstleistungsgesellschaft meist gar nicht gewollt
o Schwächung lokaler Kleinunternehmen
3.6.4 Globaler Warenhandel
o Triade (Nordamerika, Europa, Ostasien) als die drei größten Wirtschaftsregionen
o andere Länder meist ungünstigere Terms of Trade (Verhältnis zwischen Importgüter- und
Exportgüterpreisniveau) durch geringwertigere Waren, nur Rohstoffexport oder geringere
finanzielle Möglichkeiten
o große Wirtschaftsregionen schützen teilweise die eigenen Märkte (insb. für Agrarprodukte):
Schutzzölle und andere Handelshemmnisse
o Wirtschaftsbündnisse einerseits Hemmnisse der Globalisierung, jedoch Stärkung der
Wirtschaft zwischen den Bündnispartnern Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit
o statt früher nur weltweiter Rohstoffhandel, Austausch von Fertigwaren und
Industrieprodukten
o steigende Nachfrage an Dienstleistungen mit wachsendem Bedarf an Dienstleistungsstaaten
o Verteilung der Produktionsfaktoren (Arbeit, Kapital, Boden) auf den ganzen Globus
internationale Arbeitsteilung (der am besten geeignete Standort kann ausgewählt werden)
o Spezialisierung von Ländern auf spezifische Güter oder Dienstleistungen
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3.6.5 Akteure in der Weltwirtschaft
o Global Player: multinationales Unternehmensgeflecht ohne nationale Bindung durch ADI,
Tochterunternehmen und Joint Ventures (Handelskooperation)
o multinationales Unternehmen: Koordination der Tochterfirmen im Ausland vom
Hauptfirmensitz
o transnationales Unternehmen: Tochterfirmen nur lose mit Mutterkonzern verbunden, sehr
selbstständiges Agieren
→ erheblicher Einfluss auf globale Wirtschaft und politische Entscheidungsträger (z.B. Einfluss
auf Gesetze)
→ oberstes Ziel: Gewinnmaximierung
Strategien der Gewinnmaximierung
Ressourcenstrategie Erschließung der für den Produktionsprozess benötigten Rohstoffquellen und Arbeitskräfte
Marktstrategie Sicherung bestehender und Erschließung neuer Absatzmärkte durch Gründung von Tochterunternehmen an den entsprechende Standorten
Effizienzstrategie Kostensenkung durch Ausnutzung günstiger Standortbedingungen (z.B. niedrige Löhne, Steuervorteile, staatliche Subventionen)
Wertstrategie Suche nach positiven Effekten durch Kooperation mit dem Ausland (z.B. Zugang zu ausländischen Know-how, besonders qualifizierten Arbeitern)
Ambivalenz der Global Player
Problemverursacher Problemlöser o durch ökonomische Gewinnausrichtung,
Inkaufnahme von niedrigen Arbeits- und Sozialstandards oder negativen ökologischen Folgen alle Kostenvorteile sollen genutzt werden
o teilw. freiwillige Festlegung von sozialen und ökologischen Mindeststandards (z.B. gerechte Arbeitsbedingungen, Beachtung von Umweltauflagen)
3.6.6 Ambivalenz des Globalisierungsprozesses
positive Aspekte/Gewinner negative Aspekte/Verlierer
ökonomisch
o Steigerung des weltweiten BIPs o zunehmender Wohlstand o mehr Innovation durch Austausch und
Konkurrenz (globale Arbeitsteilung) o wirtschaftliche Chancen von wirtschaftlich
schwachen Ländern durch Spezialisierung o günstige Produkte, hohe Produktvielfalt
o Vergrößerung globaler Disparitäten o starke Machtposition der Global Player
(großer Einfluss auf Politik) bestimmen mit ihren Investitionstätigkeiten den Ort des wirtschaftlichen Fortschritts
o Verdrängung heimischer Waren durch Billigimporte
o Verlust heimischer Arbeitsplätze durch outsourcing
ökologisch o globales Umweltbewusstsein: Entwicklung
und Innovation
o Umwelt ist den wirtschaftlichen Ziele untergeordnet
o CO2-Emissionen durch massives Verkehrsaufkommen, hoher Ressourcenverbrauch
sozial und kulturell
o räumliche Distanzen „schrumpfen“ o Austausch von Kultur o Demokratisierung o Vereinheitlichung von Standards (z.B.
Menschenrechte, Arbeiterrechte)
o Migration (global und lokal) o Verlust von Kultur (Tradition, Sprache) o teilweise Missachtung der Menschenrechte
durch Global Player (Ausbeutung der Arbeiter)
o sinkender Verdienst unqualifizierter Arbeitskräfte
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3.7 Räume unterschiedlichen Entwicklungsstandes
3.7.1 Länderklassifizierungen
Probleme: - oft werden Vorstellungen aus dem eigenen Kulturkreis als Bewertungskriterium genommen
- für objektive Bewertung, große Fülle an Indikatoren notwendig: geographische, wirtschaftliche,
soziale, kulturelle, politische und ökologische
- es gibt keinen Indikatoren-Katalog, der alle wichtigen Aspekte der Entwicklung erfasst, zugleich
aber auch den Individualitäten jedes einzelnen Landes gerecht wird
Dritte Welt
politische Abgrenzungen aus Zeiten des Kalten Krieges 1. Welt: westlich-kapitalistische Staaten 2. Welt: östlich-sozialistische Staaten 3. Welt: blockfreien Staaten (insb. südliche Staaten); Merkmale: geringer Industrialisierungsgrad, geringes Pro-Kopf-Einkommen Bsp.: Afrika, Südamerika, Südasien
Schwellen-länder/ Newly Industrializing Countries (NIC)/ Take-Off-Countries
Länder, die gerade dabei sind, Industriepotenziale aufzubauen; hohe wirtschaftliche Dynamik (oft höheres BNE-Wachstum als Industrieländer); Überwindung der Strukturelemente eines Entwicklungslandes; gesellschaftliche und soziale Entwicklung kann mit der wirtschaftlichen nicht mithalten Bsp.: Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika
Organization of the Petroleum-Exporting Countries (OPEC)
große politische und wirtschaftliche Macht durch Ölreichtum, ohne den Status eines wenig entwickelten Landes verändert zu haben Bsp.: Algerien, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate
Least Developed Countries (LDC)
Einordnung als Vorzugsbedingung beim Empfang von Entwicklungshilfe Kriterien: - BIP pro Kopf (unter 905 US-Dollar) - wirtschaftliche Verwundbarkeit (Instabilität der Exporterlöse, Anteile verarbeitender Industrie und Dienstleistungssektor am BIP, Stromverbrauch pro Kopf) - Human Asset Index (Aussagen zu sozialen Merkmalen: Gesundheit, Bildung, Ernährung, Kindersterblichkeit, Alphabethismus, Einschulungsrate in Sekundarschulen) - Einwohnerzahl (max. 75 Mio.) - natürliche Voraussetzungen (Naturkatastrophen, Meereszugang, Peripherielage, geringe Bevölkerungszahl)
LLDC Landlocked Developing Countries; Entwicklungsländer ohne Meereszugang
SIDS Small Islands Developing Countries; periphere Lage, Gefährdung durch Meeresspiegelanstieg
Weltbank-einteilung
Einteilung nach Bruttonationaleinkommen (BNE) in Kaufkraftparitäten (KPP in US-Dollar); rein wirtschaftliche Unterteilung
Human Development Index (HDI)
Wohlstandsindikator; Wert zwischen 0 und 1 (niedriger Wert: schlechte Entwicklung; hoher Wert: gute Entwicklung); Berechnung durch drei Dimensionen: - Lebenserwartungsindex (Lebenserwartung bei der Geburt) - Bildungsindex (Schulbesuchsdauer) - Lebensstandard (BNE in KPP)
Inequality-adjusted HDI (IHDI)
Wert für die Ungleichheiten in einem Land; je größer die Ungleichheiten desto größer die Differenz zum HDI-Wert meist keine Veränderung der Rangordnung
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3.7.2 Gründe für die Unterentwicklung
Kritik Theorie
Natürliche Gegebenheiten
Rohstoffarmut/ Rohstoffknappheit es gibt sowohl rohstoffreiche Entwicklungsländer als auch rohstoffarme Industrieländer
Geodeterminismus
klimatische Einflussfaktoren (entwicklungsfördernd: gemäßigte Breiten; entwicklungshemmend: Tropen)
vergleichbare klimatische Bedingungen bedeuten nicht zwangsläufig gleicher Entwicklungsstand
Tropen: kurzgeschlossener Nährstoffkreislauf (schnelle Auswaschung und Zersetzung im Boden)
auch positive Geofaktoren: feucht-warmes Klima
Innere Ursachen
Bevölkerungszuwachs (zehrt Wohlstandsgewinne auf, weniger Konsum und Investitionen)
auch Weiterentwicklung von wachsenden Ländern möglich
Modernisierungs-theorien
Kapitalmangel (verhindert Investitionen)
OPEC-Staaten: trotz viel Kapital unterentwickelt (keine flächendeckende Entwicklung)
Religion und Tradition (Fehlen einer änderungswilligen Unternehmensschicht, andere Werte)
zunehmende Werteanpassung an die Industriestaaten
politische Situation (z.B. Sozialismus in Nordkorea)
Äußere Ursachen
ehemalige Kolonien wurden ihrer politischen, ökonomischen und sozialkulturellen Selbstständigkeit beraubt
Kolonialismus hatte auch Vorteile; sehr unterschiedliche Entwicklung früherer Kolonien
Dependenz-theorien
ungleiches Warenaustauschverhältnis (meist auf Rohstoffe konzentrierte Exportstruktur)
auch Rohstoffexporteure können wirtschaftlich erfolgreich sein (z.B. Kanada, Australien)
strukturelle Abhängigkeit trotz formaler Unabhängigkeit (eingebunden in internationales System)
teilweise spektakuläre Erfolge von exportorientierten Entwicklungsländern (Tiger-Staaten, z.B. Südkorea, Hongkong, Taiwan, Singapur)
3.7.3 Globalisierung: Chance oder Risiko für Entwicklungsländer?
positive Auswirkungen negative Auswirkungen
o enorme wirtschaftliche Wachstumsraten durch außenwirtschaftliche Öffnung mancher Entwicklungs- und Schwellenländer (z.B. Südkorea)
o Globalisierung als Hauptursache für wachsenden Kluft zwischen armen und reichen Ländern
o nur die wenigsten Entwicklungsländer profitieren vom Wirtschaftsaufschwung
o viele immer noch unzureichend in die Weltwirtschaft eingebunden
o innerhalb haben sich soziale Gegensätze oft vergrößert o die Ärmsten sind von den Marktöffnungen
ausgeschlossen
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3.7.4 Konzepte der Entwicklungshilfe/Entwicklungszusammenarbeit
Nachholende Modernisierung (1950er bis 1960er Jahre)
Definition von Entwicklung primär als wirtschaftliches Wachstum; Ziel: Entwicklungsländer schnell an den Stand der Industrieländer heranführen; Mittel: Aufbau einer modernen Industrie und Infrastruktur; Annahme: Unterentwicklung beruhe auf Kapitalmangel; genügend Wachstum würde auch in die ärmeren Bevölkerungsschichten durchsickern (Trickle-Down-Effekt): „Erst Wachstum, gerechte Verteilung später!“
Befriedigung der Grundbedürfnisse (1970er Jahre)
Wachstumsvorgang muss der Befriedigung der Grundbedürfnisse dienen; materielle Grundbedürfnisse: Nahrung, Kleidung, Wohnung, Schutz vor tödlichen Krankheiten; immaterielle Grundbedürfnisse: Zugang zu Produktionsmitteln, Recht auf Selbstbestimmung, Möglichkeit zur Teilhabe an gesellschaftlichen und politischen Entscheidungsprozessen; nicht nur Beseitigung von Armut, auch Hilfe zur Selbsthilfe, Frauenförderung und angepasste Entwicklung
Hilfe zur Selbsthilfe
Voraussetzung für erfolgreiche Entwicklung: Motivation zu eigenverantwortlichem Handeln; Entwicklungshilfe als Starthilfe; die eigene Lage soll aus eigener Anstrengung dauerhaft verbessert werden; frühzeitige und umfassende Einbindung der Zielgruppen, Beteiligung an Planung und Durchführung der Projekte; „Nicht Dinge, sondern Menschen sind zu entwickeln!“
Frauenförderung Frauen als Rückgrat der Entwicklung; wichtige Schlüsselrolle in wirtschaftlich und sozialen Bereichen und doch starke Benachteiligung; Ziel: Rolle der Frau stärken und für Gleichberechtigung sorgen
Angepasste Entwicklung
speziell auf die Gegebenheiten im Entwicklungsland abgestimmte Technologie; zu bekämpfende Hauptprobleme: Arbeitslosigkeit, Kapitalmangel, geringes technisches Know-How; höhere Beachtung der Entwicklung des ländlicheren Raumes; Schaffung von Arbeitsplätzen im ländlichen Raum sowie Aufbau von Infrastruktur
Nachhaltige Entwicklung (1990er Jahre)
Entwicklung muss unter Beteiligung aller Menschen (insb. der Armen) stattfinden; gleichrangige und gleichzeitige Verfolgung aller Bereiche; Dimensionen der nachhaltigen Entwicklung:
Wirtschaft wirtschaftliche Leistungsfähigkeit
Politik politische Stabilität
Umwelt Schutz der Umwelt
Gesellschaft soziale Gerechtigkeit
Milleniumsziele
Ziel 1: Beseitigung der extremen Armut und des Hungers Ziel 2: Verwirklichung der allgemeinen Primärschulbildung Ziel 3: Förderung der Gleichstellung der Geschlechter und Stärkung der Rolle der Frau Ziel 4: Senkung der Kindersterblichkeit Ziel 5: Gesundheitsverbesserung der Mütter Ziel 6: Bekämpfung von HIV/AIDS, Malaria und anderen Krankheiten Ziel 7: Sicherung ökologischer Nachhaltigkeit Ziel 8: Aufbau einer weltweiten Entwicklungspartnerschaft
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3.8 Wirtschaftsstrukturen und –prozesse auf regionaler und
globaler Ebene
Wichtige Wirtschaftsstatistische Kenngrößen:
o Bruttoinlandsprodukt (BIP): Wert aller Güter und Dienstleistungen, die innerhalb einer
bestimmten Periode innerhalb der Landesgrenzen/Region von einer Volkswirtschaft
erwirtschaftet werden (Inlandsprinzip)
o Bruttonationaleinkommen (BNE): Wert aller Güter und Dienstleistungen, die die Staatsbürger
einer Volkswirtschaft über eine bestimmte Periode erwirtschaftet haben; Angabe in
Kaufkraftparitäten
o Arbeitslosenquote: prozentualer Anteil der registrierten Arbeitslosen an der Gesamtzahl aller
zivilen Erwerbspersonen (Summe aus allen Erwerbstätigen und Arbeitslosen)
o Verfügbares (Haushalts-)Einkommen: Betrag, der dem privaten Haushalt nach Abzug der
direkten Steuern vom direkten Bruttoeinkommen für den Konsum zur Verfügung steht
3.8.1 Wirtschaftsregion Deutschland
(A) Wirtschaftsräumliche Disparitäten
o Süd-Nord-Gefälle und West-Ost-Gefälle: südlichere Bundesstaaten wirtschaftsstärker durch
hohe Industriedichte; Rückstand der östlichen (neuen) Bundesländer durch Erbe der DDR-Zeit
o Zentrum-Peripherie-Gefälle: kleinräumige Disparitäten zwischen Großstadt und ländlich
geprägten Regionen
o wirtschaftsstärkste Regionen: städtische Agglomerationen mit großem Industrie- oder
Dienstleistungssektor oder beidem
o wirtschaftsschwache Regionen: periphere und ländlich geprägte Räume
o Wanderungen von Ost nach West, von Nord nach Süd Verstärkung der Disparitäten
(B) Gliederung des deutschen Wirtschaftsraums nach Sektoren
Landwirtschaft
o günstige geographische Lage der Mittelbreiten: mäßig kalte Winter, mäßig warme Sommer, ausreichend Niederschlag
o Selbstversorgungsgrad von 85% o Abnahme der Betriebe, Zunahme der erzeugten Produktmengen Modernisierungs-, Rationalisierungs- und
Spezialisierungsmaßnahmen o landwirtschaftliche Großbetriebe besonders in Ostdeutschland (DDR-Zeiten) o Zunahme des Anbaus von Energiepflanzen (Biomasse für Biokraftstoffe, Biogas oder Biokunststoffe) o Zunahme des ökologischen Landbaus (geschlossener Nährstoffkreislauf, keine Monokulturen, keine Gentechnik,
keine chemischen Dünger, Schutz des Bodens, sparsamer Umgang mit Ressourcen, Vermeidung von Umweltbelastungen, artgerechte Tierhaltung, Vermeidung von Futtermittelimport)
produzierendes bzw. verarbeitendes Gewerbe
o trotz Tertiärisierung, sekundärer Sektor von großer Bedeutung (30% Bruttowertschöpfung, 25% Erwerbstätigen)
o Transformationsprozesse mit Bedeutungsverlust großer Industrieräume, aber auch Entstehung neuer Industriezentren
o größte Industriedichte im Süden (insb. wissensintensive Industriezweige) geringe räumliche Rohstoffbindung, auch periphere Industriezentren
o Automobilindustrie als Schlüsselbranche Deutschlands (viertgrößter Hersteller weltweit) v.a. Export (größter Exportanteil)
Dienstleistungen
o Deutschland als Dienstleistungsstaat (75% der Erwerbstätigen, 70% Bruttowertschöpfung, erhebliches Wachstum)
o Tertiärisierungsprozess v.a. in städtischen Zentren und Agglomerationen (große Unternehmensdichte für unternehmensorientierte Dienstleistungen, großer Absatzmarkt durch Bevölkerungsdichte für konsumorientierte Dienstleistungen)
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(C) Raumbeispiel: Emsland (wachstumsstarke Peripherregion)
Ausgangssituation o dünne Besiedelung o unterentwickelte Infrastruktur (schlechte Trinkwasserzufuhr, Stromversorgung, Abwasser) o kaum Industrie, wirtschaftliche Dominanz des landwirtschaftlichen Sektors o hohe Abwanderungsraten o geringe Steuereinnahmen
Maßnahmen: → Modernisierungsprogramm nach dem zweiten Weltkrieg: Emsland-Plan (1950) → Antrieb: Versorgung von 40.000 Flüchtlingen, Abwehr der Annexionspläne der Niederlande, Ausbau der
Erdölförderung → Erste Erschließungsphase: Steigerung der Nahrungsmittelproduktion durch Schaffung landwirt. Flächen;
Verbesserung der Infrastruktur (insb. Verkehrswesen, Strom- und Wasserversorgung); Bereitstellung von Wohn- und Arbeitsplätzen für die Flüchtlinge
→ Zweite Erschließungsphase: Modernisierung der Landwirtschaft; Unterstützung der Ansiedlung von Gewerbe; Sicherstellung der Energieversorgung
→ Dritte Erschließungsphase: Erschließung von Gewerbe- und Industriegebieten; Verbesserung der Agrarstruktur; Ausbau der Verkehrsinfrastruktur
→ gezielte Wirtschaftsförderung und regionale Raumordnungsprogramme
Aktuelle Situation o großer Anteil des industriellen Sektors (43% Bruttowertschöpfung) o zwei wichtige Groß-Arbeitnehmer (Meyer-Werft, UPM Nordland-Papier) o großer Dienstleistungsbereich (über 50% Bruttowertschöpfung), blühende Tourismusbranche o sehr gut ausgebaute Infrastruktur (wichtiger Standortfaktor für Unternehmen) wichtiger internationaler
Transitraum: weitverzweigtes Binnenwasserstraßennetz trimodaler Güterumschlag (Straße, Schiene, Wasser)
(D) Raumbeispiel: Dresden (führende Hightech-Region)
Voraussetzungen o Dresden in Hochphase der Industrialisierung als führende deutsche Wirtschaftsregion: Vernetzung von
produzierendem Gewerbe und Wissenschaft wirt. Neubeginn durch Planwirtschaft der DDR o Dresden als Bestandteil eines ersten Clusters der Halbleiterindustrie Etablierung der Bereiche Forschung und
Entwicklung o Gründung Zentrum für Forschung und Technologie der Mikroelektronik Dresden(ZMD) o Zusammenbruch nach Auflösung der DDR, Einführung der Marktwirtschaft o gebliebene Faktoren: großes Potenzial an qualifizierten Arbeitern, hohe Flächenverfügbarkeit, gute vorhandene
Infrastrukturen
Maßnahmen: → Förderung des ZMD durch Landesregierung → Ansiedlung anderer Firmen (Halbleiterwerk der Siemens AG, AMD) → staatliche Subvention für Ansiedlung neuer Betriebe → Ausbildung und Erweiterung des Clusters
Aktuelle Situation o Dresden als Hochtechnologiestandort mit kontinuierlichem Wachstum o Spitzenposition Ostdeutschlands nach BIP o Netz an Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen o größte Universität Sachsens, Hochschule, Frauenhofer-Gesellschaft (viele Arbeitsplätze) o hervorragende Verkehrsinfrastruktur (drei Autobahnen, Flughafen, ausgebautes Schienennetz)
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3.8.2 Wirtschaftsregion Europa
o verschiedene Vegetationszonen, natürliche Vorkommen von Bodenschätzen: Erdöl, Erdgas,
Steinkohle, Eisenerz
o kultureller Rahmen als gemeinsame europäische Identität
o Durchsetzung des einheitlichen Wirtschafts- und Verwaltungsraum
o 28 europäische Mitgliedsstaaten (mit GB), größter gemeinsamer Wirtschaftsraum der Welt
(A) EU als institutioneller Rahmen
o Sicherung von Frieden nur durch Verbundenheit und enges Zusammenarbeiten möglich
o Beginn mit Zusammenschluss zur Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS)
o Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG): Einigung auf Zollunion
(Beseitigung Binnenzölle), Währungsunion als Ziel
o Europäische Atomgemeinschaft (EURATOM): friedliche Nutzung von Kernenergie
o 1993: Gründung Europäische Union (EU) gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, Justiz,
Bildung, Kultur, Gesundheitswesen
o EU mit eigenem Rechtsstatus: politisches Handeln für die Mitgliedsstaaten+
o Einführung des Euro 2002 in Teil der Mitgliedsstaaten (Euro-Zone)
o Festlegung grundlegender Bedingungen für EU-Beitritt (Kopenhagener Kriterien): z.B.
demokratische und rechtsstaatliche Ordnung, Einhaltung der Menschenrechte,
funktionierende Marktwirtschaft)
o auch entscheidend: EU-Konvergenzkriterien: maximale Inflationsrate,
Haushaltsneuverschuldung maximal 3% des BIP, Wechselkursschwankungen in
vorgeschriebenem Rahmen
Die vier Freiheiten des EU-Binnenmarktes
o Freiheit des Personenverkehrs: Freizügigkeit im Binnenmarkt, freie Einreise, Freiheit der Arbeitsplatzwahl, freies Wohnrecht
o Freier Dienstleistungsverkehr: Öffnung der Märkte für Dienstleistungen o Freier Warenverkehr: Produktangebot im gesamten EU-Binnenmarkt o Freier Kapitalverkehr: freier Kapitalfluss innerhalb der EU-Grenzen
Das Drei-Säulen-Modell der EU
1. Säule: Europäische Gemeinschaften 2. Säule: Gemeinsame Außen-
und Sicherheitspolitik 3. Säule: Polizeiliche und
justizielle Zusammenarbeit EG o Agrarpolitik o Zollunion und Binnenmarkt o Strukturpolitik o Handelspolitik o Wirtschafts- und Währungsunion o Bildung und Kultur o Forschung und Umwelt o Gesundheitswesen o Verbraucherschutz o Sozialpolitik
EURATOM o Zusammenarbeit im Bereich
Kernenergie
Außenpolitik o Gemeinsame Positionen o Friedenserhaltung o Menschenrechte o Demokratie o Hilfe für Nicht-EU-Staaten
Sicherheitspolitik o Gemeinsames Vorgehen o Kampf gegen den
Terrorismus o Gemeinsame Truppen
o Kampf gegen die organisierte Kriminalität
o Einwanderungs-/Asylpolitik o Zusammenarbeit in Zivil- und
Strafprozessen o Polizeiliche Zusammenarbeit
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(B) Regionale Disparitäten
o inner- und interstaatlich deutliche Unterschiede
o Nord-Süd-Gefälle: die südlichsten Mittelmeerregionen als schwächste Wirtschaftskraft
o West-Ost-Gefälle: Entwicklungsrückstand der Regionen Osteuropas
o Zentrum-Peripherie-Gefälle
o große innerstaatlichen Diskrepanzen zwischen Metropolregion und den übrigen Landesteilen
o Ursachen: Standortfaktoren, politische und historische Faktoren (Industrialisierung),
Umbewertung der Standortfaktoren durch Deindustrialisierung und Globalisierung
Strukturwandel
(C) Raumordnungsmodelle
o Blaue Banane: bananenförmiger Wirtschaftsraum von englischen Midlands, Rheinachse bis
Mittelitalien; starke Wirtschaftsdynamik, hohe Bevölkerungsdichte, hervorragende Infrastruktur;
Metropolregionen und Global Cities als Weltwirtschaftsknotenpunkte
o Gelbe Banane: von Paris bis Berlin; Ergänzung zur blauen Banane
o Goldene Banane (Europäischer Sunbelt): nordwestlicher Mittelmeerraum über Côte d’Azur bis Rom;
wachstumsstarke Branchen (insb. Hightech-Bereich) Analogie zum Silicon Valley
o Europäische Peripherie (Problemregionen): Regionen in europäischen Randlagen, außerhalb der Kern-
und Wachstumsräume; schwache Wirtschaftsleistung, geringe Bevölkerungsdichte; teilweise auch
innerhalb des Kernraums (Modell des fragmentierten Wirtschaftsraumes)
o Europäische Trauben: Einzelmetropolen als Wirtschaftspartner (Metropolnetz)
(D) EU-Strukturpolitik
o Ziel der EU: Lebensverhältnisse der Staaten verbessern und zeitgleich regionale Unterschiede
verringern wachsende Herausforderung
o Kohäsionspolitik (Regional- und Strukturpolitik) zur Milderung der Unterschiede Solidarität
zwischen den einzelnen Mitgliedsstaaten
o Ziele der Entwicklungsstrategie „Europa 2020“: Schaffung von Arbeitsplätzen,
Wirtschaftswachstum, Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, Verbesserung der
Lebensqualität, umweltverträgliche Entwicklung
o alle Mitgliedsstaaten haben Anspruch auf Strukturförderung
o Einteilung der zu fördernden Regionen in unterschiedliche Kategorien (NUTS-Regionen)
o die meisten Fördermittel für strukturschwache Regionen mit Entwicklungsrückstand
(Beteiligung an Planungs- und Förderkonzepten, Kofinanzierung)
Gemeinsame Agrarpolitik (GAP):
o schon 1957 Absprachen im Agrarsektor
o Ernährungssicherung nach dem zweiten Weltkrieg als oberstes Ziel
o Steigerung der Nahrungsmittelproduktion als Ziel von Interventionen und Förderungen
o Schutz des EWG-Agrarmarkts durch Einfuhrzölle und Ausfuhrsubventionen
o 1970er Jahre: Überproduktion
o Reformierungen: Preisgarantien abgeschafft, flächenbezogene, direkte Beihilfen;
Prämienausschüttung (Natur- und Tierschutz)
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(E) Raumbeispiel: Oberschlesisches Revier (Altindustrie im Wandel)
Voraussetzungen o günstige naturräumliche Ressourcenausstattung (große Steinkohlevorkommen, Erzlagerstätten) o größtes europäisches Montanrevier während der Industrialisierung o viel vorhandenes Kapital, leistungsstarke Landwirtschaft, fruchtbare Lössböden o durch ökonomische Abschottung durch Oststaaten: vor Kohle- und Stahlkrise vorerst geschützt o nach Zusammenbruch und Umstellung auf Marktwirtschaft, große Probleme o Standortfaktoren: Nähe zu sechs europäischen Hauptstädten, hervorragend ausgebaute Infrastruktur, großes
Humankapital, hohe Dichte an Universitäten
Maßnahmen: → Förderung der regionalen Wirtschaft → Schaffung neuer Arbeitsplätze → Umstrukturierung bestehender Industrie → Gründung Sonderwirtschaftszone Kattowitz → Werbung für neue Investoren, Steuerbefreiung auf Basis der Investitionskosten und neu
geschaffener Arbeitsplätze → nachhaltige regionale Wirtschaftsförderung → große Investitionen in die Automobilbranche
Aktuelle Situation o Ausbildung eines vernetzten Automobilclusters o zunehmende Diversifizierung der regionalen Wirtschaftsstruktur o starke Zunahme an Unternehmen im Dienstleistungssektor durch hohe Nachfrage o großer Erfolg durch Sonderwirtschaftszone, beste Freihandelszone Europas
(F) Raumbeispiel: Lombardei (wirtschaftliches Rückgrat Italiens)
Voraussetzungen o starker Vorsprung während der Industrialisierung o Standortfaktoren: Nähe zu den Alpen (Elektrizität aus Wasserkraftwerken), Landeshauptstadt Mailand als
wichtiger Verkehrsknotenpunkt, vorhandene Infrastruktur, ausreichende Flächenverfügbarkeit durch flaches Relief im Alpenvorland, vernetzte Strukturen des produzierenden Gewerbes, Finanzakkumulation in den Großstädten, Bevölkerung mit großer Kaufkraft, kapitalistische Landwirtschaft, eigenständige Nahrungsmittelerzeugung
o Entwicklung des Textilgewerbes mit deren Nebenzweigen (Maschinenbau, Metallverarbeitung, chemische Industrie, Kraftfahrzeugbau)
Aktuelle Situation o breit gefächerte Branchenstruktur o Ausbildung von Produktionsnetzwerken, Synergieeffekt o starke Tertiärisierung: Zunahme an Finanz- und Immobiliendienstleistungen, Tourismus o Mailand als Finanzzentrum und Global City o vielfältige Branchen: industrieller Sektor (Textilindustrie und Fahrzeugbau), Finanz- und Immobilienbranche,
Forschung und Entwicklung, italienische Bekleidungsindustrie
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3.8.3 Wirtschaftsregionen außerhalb Europas
(A) Raumbeispiel: Ghana (wirtschaftliche Drehscheibe Westafrikas)
Voraussetzungen/Ausgangslage o große Goldvorkommen im Süden o Einfluss europäischer Großmächte ressourcenausschöpfende Wirtschaftsweise, Regenwaldrodung, Monokulturen,
einseitige Ausrichtung auf landwirtschaftliche Produkte und Bodenschätze o früh erlangte Unabhängigkeit, schnell einsetzende Demokratisierung Vorbild für viele afrikanische Staaten
Maßnahmen: → Anlockung ausländischer Investoren → große Infrastrukturprojekte (Staudamm, Tiefwasserhafen) → Sicherstellung der Energieversorgung → Ausbau der Verkehrsinfrastruktur
Aktuelle Situation o Exporteur für Kakao, Nüsse, Edelhölzer o Erdöl des „Jubilee-Ölfeldes“ als bedeutende Einnahmequelle o Ansiedlung der Nahrungs- und Genussmittelindustrie
Probleme o eigene Industrie zu produktionsschwach, zu wenig diversifiziert o starke Importabhängigkeit, negative Handelsbilanz o gestiegene Staatsausgaben, zunehmende Staatsverschuldung o steigende Inflation, mangelhafte Infrastruktur
Neue Maßnahmen o Ausbau des Gesundheitssystems und der Schulbildung o höhere Effizienz in landwirtschaftlicher und industrieller Produktion o Verbesserung der Energieversorgung o Bekämpfung von Korruption o Diversifizierung der Wirtschaft o Erdgasreserven besser nutzen
(B) Raumbeispiel: Oman (Was kommt nach dem Öl?)
Ausgangslage o prägende Wirtschaftsformen: Oasenwirtschaft, Nomadismus o Oman: ärmstes und am wenigsten entwickeltes Land o konservative Regierung o Erdölfund: 1960er Jahre; später als in den Nachbarländern: konnte aus deren Entwicklungsfehlern lernen
Maßnahmen: → Regierungswechsel → Reformen: Abschaffung Sklaverei, Aufhebung Ausgangs- und Ausreisebeschränkungen, Gleichstellung
Mann und Frau → Modernisierung des gesamten Landes: Ausbau der Infrastruktur, zentrale Orte mit Krankenhäusern,
Moscheen, staatliche Gebäude für Grundversorgung → Einfuhr von Gastarbeitern (niedrigqualifizierte und hochqualifizierte) → Import billiger Nahrungsmittel
Aktuelle Situation o gesteigertes BIP pro Kopf, zugenommene Bevölkerung (demographischer Druck), Steigerung der Einwohnerdichte,
Vervierfachung der Alphabetisierungsrate, Steigerung CO2-Emissionen pro Kopf
Weitere Maßnahmen: → Priorisierung der Bereiche Tourismus, Industrie, Landwirtschaft, Logistik, Fischerei → Erziehungs- und Gesundheitswesen fördern → Ausbau der Infrastruktur → ökologisch nachhaltige Tourismusprojekte → Bevorzugung der eigene Bevölkerung bei Arbeitsplätzen in Tourismusbranche → ausländische Investoren versch. Branchen anlocken
Ziel: Unabhängigkeit von Erdöl- und Erdgasindustrie
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4. Globäles Problemfeld
4.1 Verstädterung
4.1.1 Grundbegriffe
(A) Stadtmodelle
Kreis-Modell Sektoren-Modell Mehr-Kerne-Modell
Inhalt
zentrifugales Wachstum einer Stadt ausgehend vom (historischen) Ortskern; Anordnung von Funktionen in konzentrischen Zonen
keilförmige Anlagerung von Funktionen an den Stadtkern; sektorale Ausbildung von Wohngebieten (inbs. gehobene Schichten); Entwicklung entlang radialer Verkehrslinien
zwangsläufig Ausbildung mehrerer Geschäftszentren beim Städtewachstum; Bildung von Bereichen spezieller Funktion um die Kerne
Kritik homogene und symmetrische Zonen nicht realistisch
in der Realität Mischung aus allen Modellen
Grafik
Verstädterung
(demographischer
Aspekt)
Tendenz der größer
werdenden Anteile
in städtischen oder
stadtnahen Räumen
lebender
Bevölkerung im
Vergleich zur
Gesamtbevölkerung,
Wachstum der
Städte nach
Einwohnerzahl
Städteverdichtung
Zunahme an
Städten in einem
bestimmten Raum
bzw. Wachstum
der Städte an
Bevölkerung und
Fläche
Verstädterungs-
grad
Anteil der
Stadtbevölkerung
an der Gesamt-
bevölkerung
Verstädterungs-
rate
Zuwachs der
städtischen
Bevölkerung bzw.
des
Verstädterungs-
grades
Urbanisierung
(soziologischer
Aspekt)
Expansion urbaner
Bauformen,
Umgestaltung des
ländlichen Raumes,
Ausbreitung
städtischer
Lebensformen,
Haushaltsstrukturen,
Konsummuster und
Wertevorstellung
Merkmale einer Stadt o kompakter Siedlungskörper
o hohe Wohn- und Arbeitsplatzdichte
o breiter Berufsfächer
o deutliche innere Differenzierung der Raumstruktur
o relativ hohe Verkehrswertigkeit
o Bedeutungsüberschuss an Waren und Dienstleistungen für
einen erweiterten Versorgungsbereich (Zentralität)
o weitgehend künstliche Umweltgestaltung
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(B) Der Stadtbegriff
statistischer Stadtbegriff o Mindestanzahl an Einwohnern o schwankend je nach Region (Deutschland: 2000)
historisch-rechtlicher Stadtbegriff
o Definition über politische, rechtliche, gesellschaftliche und bauliche Kriterien
o Stadtrecht im Mittelalter verbunden mit besonderen Rechten (Marktrecht, Münzrecht, Gerichtsbarkeit)
geographischer Stadtbegriff
o Kriterien der Stadt unabhängig von Kulturen und Epochen: o Zentralität oder funktionaler Bedeutungsüberschuss (Angebot von
mehr Dienstleistungen als die eigenen Bewohner benötigen; Stadt als Versorgungs- und Dienstleistungszentrum)
o Mindestgröße an Einwohnern und Fläche o Kompakter Siedlungskörper (Geschlossenheit der Siedlungsfläche,
künstlich gestaltet Umwelt, hohe Bebauungsdichte, überwiegende Mehrstöckigkeit)
o hohe Wohn- und Arbeitsplatzdichte (mehr Arbeitsplätze als in der Stadt wohnende Berufstätige, Einpendlerüberschuss)
o innere Differenzierung der Raumstruktur (funktionale Differenzierung, Ausbildung von Stadtvierteln; sozialräumliche Differenzierung durch unterschiedliche Mietpreise; ethnische Differenzierung)
o Soziökonomische Struktur (Dominanz der sekundären und tertiären Berufsgruppen; Städte als Innovationszentren; Ausprägung bestimmter Lebensformen)
o Stadt-Umland-Beziehung (intensiver Austausch mit Umland; Ungleichgewicht zwischen Arbeitsplätzen und Dienstleistungen, hohes Verkehrsaufkommen; Ausgleichsfunktion des ländlichen Raumes als Erholungsort; Profit der Städte von Ressourcen des ländlichen Raumes)
Begriffe der modernen Städte:
Metropole Megastadt/ Megapolis
Megalopolis Primatstadt Global City
Hauptstadt u./o. führende Stadt eines Landes mit Konzentration von politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Einrichtungen
uneinheitliche Städte mit sehr hoher Einwohnerzahl (untere Grenze ab fünf Millionen Einwohner)
Stadtlandschaft mit mehreren Großstädten; Grenzen zwischen den städtischen Räumen nicht mehr zu erkennen (z.B. Raum Boston)
Stadt mit extrem herausragender Position innerhalb eines Landes; meist mit hoher Bevölkerungskonzen-tration (demographische Primacy) und ökonomischer, politischer und kulturell-wissenschaftlicher Dominanz (funktionale Primacy)
Städte mit weit überdurchschnittlichem Anteil an wirtschaftlichen und kulturellen Aktivitäten mit weltweiter Bedeutung; Steuerungs- und Kommando-zentralen der Weltwirtschaft; Sitz von MNUs und TNUs; wichtige Verkehrsknotenpunkte; produktionsorientierte und wissensintensive Dienstleistungen; Sitz politischer Institutionen; Bedeutungsverlust der urbanen Zentren (ehemals sekundärer Sektor und personenbezogene Dienstleistungen)
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4.1.2 Stadttypen
Stadtgliederung nach folgenden Kriterien möglich:
o Größenklasse
o geographische Lage (z.B. Küstennähe, Gebirgsstädte)
o historisch-genetische Entwicklung (z.B. Römerstadt, mittelalterliche Stadt)
o kulturraumspezifische Entwicklung (z.B. chinesische Stadt)
o funktionale Gliederung (z.B. Industriestadt, Universitätsstadt)
o sozioökonomische Struktur (z.B. reife Stadt, Stadt mit Hyperwachstum)
(A) Sozioökonomische Stadttypen
Städte mit Hyperwachstum
o enormes Bevölkerungswachstum o weit verbreitete Armut o starke Verbreitung von informellen Wohnsiedlungen (Marginalsiedlungen) o schlechte Umweltbedingungen o ineffiziente öffentliche Verwaltung o mangelhaftes Gesundheitssystem o Wirtschaft vom informellen Sektor abhängig o z.B. Schwarzafrika, Lateinamerika, Karibik, Mittler Osten, indischer
Subkontinent
dynamisch wachsende Städte
o sich extrem schnell entwickelnde Länder mit mittlerem Einkommen (Schwellenländer)
o langsam abnehmender Bevölkerungszuwachs o hohes Wirtschaftswachstum, Anziehung internationaler Investoren o wachsender Wohlstand o Umweltbelastungen (Luftverschmutzung) o unzureichendes Verkehrssystem o große Disparitäten (arm und reich) o z.B. Ost- und Südostasien, Lateinamerika, Karibik, Mittlerer Osten
reife Städte der Überalterung
o abnehmende Dynamik o zurückgehende Bevölkerungszahl (Shrinking Cities) o zunehmend alte Bevölkerung, kleine Haushalte o durch Deindustrialisierung, Entstehung von Brachflächen o soziale Polarisation innerhalb der Stadtgebiete o Lebensqualität und Wirtschaftskraft sollen erhalten bleiben o z.B. hoch entwickelte Räume Nordamerikas, Europas, Teile Ostasiens,
Australiens
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(B) Kulturraumspezifische Stadttypen
islamisch-orientalische Stadt
o bis zu 7000 Jahre alt o damals politisches und wirtschaftliches Zentrum einer Agrargesellschaft o heute: Gliederung in Alt- und Neustadt o Altstadt: Stadtmauer, angrenzend an Zitadelle (Burg), Verkehrsachsen
zwischen den Stadttoren; Moschee und Bazar als religiöses, gesellschaftliches und wirtschaftliches Zentrum; Handwerker- und Handelsviertel nach Branchen; Wohnviertel mit Gewirr aus verwinkelten Gassen
o Neustadt: Stadtkern mit Dienstleistungsfunktionen; Wohnviertel mit sozialer und baulicher Differenzierung im westlichen Stil; Gewerbe- und Industriegebiete in Stadtrandlage
chinesische Stadt
o bis zu 4000 Jahre alt o Stadt als Abbild des Kosmos: Achsialität, Symmetrie, Ausrichtung nach den
Himmelsrichtugnen o Zentrum: Sitz des Herrschers; anschließend Wohnviertel nach sozialer
Hierarchie; wichtigste Gebäude entlang der Hauptstraße zum Zentrum o ab 1850, Einfluss durch ausländische Mächte: neue Stadtviertel im
europäischen Stil o nach Gründung der Volksrepublik China: sozialistische Stadtplanung mit
monotoner Bebauung, System der Danweis; Industriekomplexe am Stadtrand
o ab Wirtschaftsreform 1978: Entstehung von Hochhauswohnkomplexen; Ausbildung des Stadtkerns zur modernen City; Übergangszone mit Mischung aller Funktionen; landwirtschaftlicher Gürtel um die Kernstadt
europäische Stadt
o bis zu 3000 Jahre alt o mittelalterliche Gründungsphase: dominierender Kirchenbau in Stadtmitte,
ebenso Rathaus, Markthallen und Wohnungen der führenden Familien; weiter weg in hierarchischer Anordnung: die Wohnungen der Familien mit geringerem sozialen Status; Stadtmauer; Hauptverkehrsachsen zwischen den Stadttoren, Kreuzung auf dem Marktplatz; ansonsten unregelmäßiger Grundriss der Straßen; Ausbildung von Handwerkervierteln
o Residenzstädte mit geplanter Gründung unter absolutistischem Herrscher: planmäßige Stadtanlage, Mittelpunkt Schloss
o Festungs- oder Garnisonsstadt: mächtige Verteidigungsanlagen o Industrialisierung: neue Stadtgründungen und Ausbau der bestehenden
Städte
lateinamerikanische Stadt
o Kolonialzeit des 16. Jahrhunderts unter spanischem Einfluss: schachbrettartiger Grundriss; großer Platz im Zentrum mit den wichtigsten Gebäuden; darauffolgende Wohnhäuser in hierarchischer Anordnung nach Wohlstand der Familien aber auch Qualität der Häuser;
o portugiesischer Einfluss: soziale Gliederung; unregelmäßigerer Grundriss o 20. Jahrhundert: Stadtzentrum wird zum Wirtschaftszentrum mit
Hochhausvierteln; Umzug von Ober- und Mittelschicht an den Stadtrand in Villenviertel; Entstehung von Gated Communities; zunehmende Fragmentierung; große Disparitäten; Arbeitersiedlungen und Industrieviertel am Stadtrand; Marginalsiedlungen
nordamerikanische Stadt
o schachbrettartiger Straßenverlauf o Stadtzentrum = Geschäftszentrum mit Wolkenkratzern (Downtown) CBD
(Central Business District) o gehobene Schichten wohnen außerhalb (Suburbanisierung) oder ganz
zentral o zunehmend Gated Communities o Commercial Stripes entlang den Verkehrsachsen (kleine Zentren)
Zeichen der Dezentralisierung
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4.1.3 Ausmaß der globalen Verstädterung
o wachsender Wohlstand = steigende Nutzungsansprüche an den Raum Befriedigung in den Städten: hohe Zahl
differenzierter Arbeitsplätze, breites Warenangebot, Fülle an Bildungseinrichtungen, viele Freizeitangebote
hohe Attraktivität von Städten
o Entwicklungsländer: Hoffnung auf Ausbildungs- oder Arbeitsplatz in der Stadt, Chance zur Existenzsicherung
massiver Trend zur Landflucht
o 50 Prozent der Weltbevölkerung lebt in Städten, Tendenz stark steigend
o globale Verstädterungsrate: 2 Prozent
o Anteil der Stadtbevölkerung bis 2050 in den ökonomisch entwickelten Staaten bis zu 86 Prozent, in den sich
entwickelnden Staaten bis zu 66 Prozent
mit Verstädterung: gesellschaftlicher Wandel von traditionell ländlicher zu stark arbeitsteilig urbaner
Gesellschaft (Voraussetzung: Industrialisierung mit vorausgehender Agrarreform)
o Bevölkerungswachstum in den Städten der sich entwickelnden Staaten um ein Vielfaches höher als in den
entwickelten Staaten Entwicklung von Megastädten (>20 Mio. Einwohner)
o steigende Anzahl an Megastädten weltweit (1975: 5; 2015: 26)
o besonders in den Entwicklungsländern extrem große Städte (22 von 26 Megastädten)
o besonders starke Zunahme der Urbanisierung in den Schwellenländern
o Verstädterung als Entwicklungschance für Entwicklungsländer (Verbesserung der Lebenssituation sofern
geplante Stadtentwicklung, Arbeitsplätze, besserer Zugang zu Dienstleistungen wie medizinische Versorgung und
Schulen) wichtig: kein ungeplantes Wachstum; Investitionen in Infrastruktur
o Urbanisierung in den Industrieländern wesentlich langsamer
4.1.4 Ursachen der Verstädterung
o natürliches Wachstum (Geburtenüberschuss in den meisten Städten)
o städtische Zuwanderung aus dem ländlichen Raum
o Wachstum ländlicher Siedlungen bis zur Einstufung als Stadt
Verstädterung in den Industrieländern
Verstädterung in den Entwicklungsländern
Beginn o 18. Jahrhundert o nach dem zweiten Weltkrieg (ca. 1950/60)
Ursachen
o Bevölkerungszuwachs durch steigende Geburtenrate und fallende Sterberate
o gezielte Abwanderung in Industriestandorte und Städte (angetrieben durch Industrialisierung, später Tertiärisierung)
o extrem hoher Bevölkerungszuwachs durch hohe Geburtenrate infolge traditioneller Normen, sozialer Unsicherheit, Armut und extrem rasche Senkung der Sterberate durch externe Hilfe
o massenhafte Land-Stadt-Wanderung (Landflucht)
Ausmaß o gemäßigte Dynamik (Einwanderer finden
Arbeitsplätze, Infrastruktur kann mitwachsen)
o große Dynamik, unkontrolliertes Wachstum (die wenigsten Einwanderer finden eine richtige Arbeit, mangelnde Infrastruktur)
Erscheinungs-formen
o Hierarchie zentraler Orte (Städtenetze) o Abbau des Stadt-Land-Gefälles o Land als Ergänzungs- und Erholungsraum
der Stadt o Stadt-Umland-Wanderung
o Entstehung von Megastädten o extremes Flächenwachstum, Infrastruktur
hinkt nach
Folgen o Integration der Zuwanderer in sozial-
wirtschaftliche Struktur
o Arbeit im informellen Sektor o Marginalisierung (Stadt ist infrastrukturell
nicht in der Lage, alle Zuwanderer aufzunehmen)
o Viertelbildung, Fragmentierung
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Motivation der Land-Stadt-Wanderung in Entwicklungsländern
4.1.5 Folgen der Verstädterung
(A) Probleme der Suburbanisierung
Stadt-Land-Wanderung Bevölkerung Industrie Dienstleistung
Auslösende Faktoren
o ansteigender Lebensstandard mit wachsenden Ansprüchen
o zunehmende Mobilität
o mehr Freizeit
o Flächenverfügbarkeit, Flächenbedarf für Lagerhaltung
o günstige Grundstücke o Erreichbarkeit
o niedrige Büromieten o bessere
Erreichbarkeit Kundennähe
Folgen
o Umweltbelastung durch stark erhöhtes Verkehrsaufkommen o Funktionswandel der Kernstadt (Funktionsverlust) o sozialräumliche Segregation durch selektive Abwanderung o hoher Flächenverbrauch
(B) Segregation
o lokale Konzentration bestimmter Bevölkerungsgruppen
o Ursachen: Preisniveau von Immobilien und Zahlungsfähigkeit
o ethnische Segregation: besonders hoher Anteil an Personen derselben Staatsangehörigkeit,
Herkunft, Geburtsland oder Muttersprache in einem bestimmten Stadtviertel
o häufig selbst gewählte und freiwillige Wohnform (sozial, demographisch und ethnisch
homogene Nachbarschaft ist erwünscht gesenktes Konfliktpotenzial durch ähnlich Norm-
und Wertevorstellungen Sicherheitsgefühl)
o Gated Communities: Extremform der Segregation durch private Wohngebiete, welche durch
Sicherheitseinrichtungen geschützt sind
Metropole
Persöndliche Motive
Glaube an eine Verbesserung der Situation,
außengeleitetes Verhalten/Mode
Attraktive Strukturmerkmale des städtischen Raumes (Pull-Faktoren)
Arbeitsmöglichkeiten, Aufstiegschancen, höherer Verdienst, größere persönliche Freiheit, größere
Auswahl an öffentlichen Infrastruktureinrichtungen, größere Teilnahmemöglichkeiten an Gütern und
Dienstleistungen des Staates, abwechslungsreicher Lebensalltag, gewisse Versorgungssicherheit
(Nahrungsmittel)
Nachteilige Strukturmerkmale des ländlichen Raumes (Push-Faktoren)
niedriger Lebensstandard, unzureichende Ernährungslage infolge von Landknappheit,
Arbeitslosigkeit, Unterdrückung durch Grundbesitzer, Ausbeutung durch Zwischenhändler, mangelnde
Versorgung mit öffentlichen Dienstleistungen, erstarrte Sozialstrukturen, mangelnde
Innovationsbereitschaft, Ernterisiko durch Witterungseinflüsse/Bodenzerstörung
Durch Kommunikationsmedien beeinflusste Motive
verlockende Bilder in Radio/Fernsehen/Presse, Berichte
von Besuchern aus der Stadt, Informationen durch Saisonarbeit in der Stadt (z.B. auf Baustellen)
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(C) Metropolisierung
o Folge des enormen Konzentrationsprozesses: Megastädte
o bevölkerungsmäßiges Übergewicht: demographische Primacy (prozentualer Anteil der
Metropole an der Gesamtbevölkerung eines Landes)
o weiterer Indikator: Index of Primacy (Quotient zwischen größter und zweitgrößter Stadt eines
Landes)
o jedoch nicht nur Größe und Zuwachs als Indikator entscheidend; besser: funktionale Primacy
(hohe Konzentration von politisch-administrativen, wirtschaftlichen, sozialen sowie kulturell-
wissenschaftlichen Funktionen; durch überproportionale Ausstattung von Einrichtungen der
Infrastruktur und Arbeitsplätzen im sekundären und tertiären Sektor, Selbstverstärkung des
Wohlstandsgefälles zu den übrigen Regionen)
wachsende Kluft zwischen Arm und Reich innerhalb der Städte und zwischen Stadt und
Umland
o Migrantenzustrom: planerisch und infrastrukturell kaum lösbares Problem des städtischen
Wachstums
(D) Marginalisierung und Informeller Sektor der Entwicklungsländer
o große Kluft zwischen Arm und Reich innerhalb der Städte
o armer Bevölkerungsteil lebt in Slums am Rande der Stadt
o informeller Sektor (wichtigste Beschäftigungsquelle für Großteil der städtischen
Bevölkerung): Handels- und Dienstleistungsunternehmen mit Verwendung einfachster
Technologien und Einsatz körperlicher Arbeit, gering qualifizierte Arbeiter, schlechte
Bezahlung, keine gewerkschaftliche Organisation, keine sozialen Absicherungen
Lösungen für die Marginalisierung
Site-and-Service-Projekte Slumsanierung Umsiedlungen
o Angebot legaler, bezahlbarer Grundstücke mit Wasserversorgung als Grundlage für Aufbau eines Eigenheims unter Eigeninitiative
o meist periphere Lage mit schlechter Verkehrsanbindung (weit vom ehemaligen Arbeitsplatz entfernt)
o hohe Steuerabgaben und Kosten für Wasserversorgung
o Gewinne für die Regierung o hoher bürokratischer Aufwand
o Sanierung von Slumsiedlungen und Legalisierung der Grundstücke
o Entstehung von Sanitäranlagen, Anschluss an Wasserversorgung
o Kredite o relativ teure Grundstückspreise,
Steuerabgaben o große Kosten und
bürokratischer Aufwand für die Regierung, dafür Ordnung und Überblick über die Einwohner
o Auflösung der Slumsiedlungen nach Umsiedlung
o Angebot von Alternativwohnungen, Versprechen aber oft nicht gehalten oder zu teuer
o Umsiedlung meist in periphere Lagen, schlechte Anbindung an Verkehrsnetz, weit entfernt vom ehemaligen Arbeitsplatz
o günstig für Regierung, freie Flächen für höherwertige Nutzung
o großes Misstrauen der Bevölkerung, da Versprechen oft nicht gehalten
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(E) Gentrifizierung
Definition: Sozioökonomischer Strukturwandel eines bestimmten großstädtischen Stadtviertels
im Sinne einer Attraktivitätssteigerung
Prozess der Gentrifizierung:
Folgen der Gentrifizierung:
o Austausch nahezu der gesamte Bevölkerung
o stark gestiegene Immobilienpreise und Mieten (Wandel der Infrastruktur in Luxusimmobilien)
o Ruhebedürfnis der neuen Yuppie-Bewohner Verlust an Lebendigkeit
o Zunahme der Armut, bzw. der sozialen Disparitäten
o hohe Attraktivität, insb. für wohlhabendes Milieu
Experimentierphase
ärmere Schichten, einfache Arbeiter, Migranten; sehr günstige Mieten, schlechte Bausubstanz (renovierungsbedürftig), kaum Läden/Geschäfte/ Restaurants
Expansionsphase 1
"Pioniere" (Studenten, Künstler) ziehen in die Stadt (angelockt von günstigen Mietpreisen Umwandlung leerstehender Industriegebäude in Ateliers; günstiger Wohnraum; Eröffnung neuer Restaurants/ Läden/ Startups; Szenekneipen, lebendiges Nachtleben; Renovierung der alten Bausubstanz
Expansionsphase 2
"Yuppies" (ehrgeizige und erfolgreiche junge Arbeiter) und "Dinks" (Double Income no Kids) ziehen in die Stadt; weitere Renovierungen, steigende Mieten; Pioniere ziehen weg da zu teuer; Eröffnung teurer Restaurants; steigende Attraktivität von Wohnraum und Stadtviertel
Stagnationsphase
"Gentrifiers" und "Yuppies" leben in der Stadt; stark angestiegene Mieten; gehobenes Angebot an Gastronomie, Gütern und Dienstleistungen; Luxussanierungen: Luxusappartments und Villen
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(F) Auswirkungen auf die Umwelt
Entstehung des Öksystems Stadt mit veränderten Geofaktoren durch Rohstoffentnahme,
Emissionen, Abwärme, Flächenversiegelung, Wasserentnahme, Lärmbelästigung und
Müllentsorgung mit folgenden Merkmalen:
o Sicherung der Stabilität nur durch künstliche Energiezufuhr
o fehlende Fähigkeit zur Selbstregulation, Bedarf der Steuerung durch den Menschen
o häufiges Auftreten Anthropogener Nutzungen (Wohnen, Industrie, Erholung, Verkehr etc.)
Versiegelung und Flächenverbrauch
o kontinuierliche Steigung der Bodenversiegelung durch Überbauung durch Siedlungskörper und Verkehrsanalagen
o Verhinderung der Wassereindringung in den Boden, langfristige Senkung des Grundwasserspiegels
o schnellerer Abfluss von Niederschlägen, sofortige Zufuhr zu den Vorflutern erhöhte Hochwassergefahr
o immer weniger landwirtschaftliche Flächen zur Versorgung der Bevölkerung
o Abnahme der Habitatsflächen für Fauna und Flora o negativer Einfluss auf das Stadtklima
Stadtklima und Luftverschmutzung
o erhöhte Temperaturen gegenüber dem Umland o Luftverschmutzung, Smog o veränderte Wind- und Niederschlagsverhältnisse o Lösung: stadtplanerische Maßnahmen (besondere Ausrichtung von
Gebäuden, Entsiegelung von Flächen, geringere Bebauungsdichte, stärke Durchgrünung); Reduzierung des Individualverkehrs; großflächige Nutzung von Solarenergie
Abwasser und Müllentsorgung
o häufig nicht ordnungsgemäßer Anschluss an Abwassersystem (besonders in Entwicklungsländern ungeordnete Entsorgung von Abwässern)
o gesundheitliche Gefährdung für Bevölkerung o Müllproblem: überlastete Mülldeponien, giftige Gase von
Müllverbrennungsanlagen o ungeklärte Entsorgung für große Mengen an Sondermüll o oft fehlt geeignete Infrastruktur (informeller Sektor übernimmt oft
Müllentsorgung) o Müllgeschäft in Entwicklungs- und Schwellenländern unter katastrophalen
Bedingungen, jedoch intensives Recycling
Wasser- und Energieversorgung
o Hauptprobleme: Wasserqualität, Wasserquantität o in ariden und semiariden Regionen oft problematisch, oft langer Transport
über Leitungen notwendig o insb. in Marginalsiedlungen der Entwicklungsländer unzureichende
Wasserversorgung o Wasser aus Tankwagen: oft mangelhafte Qualität und zu teuer o sinkender Grundwasserspiegel durch Brunnenbohrungen o großer Energieverbrauch der Städte zum Großteil aus fossilen Brennstoffen
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Stadtklima:
Gründe für die Erwärmung:
o geringeres Albedo der vorherrschenden Flächen (z.B. Asphalt) starke Wärmeabsorption
o Prozess- und Abwärme von Gebäuden und Fahrzeugen (Wärmeemissionen)
o Abgase bilden eine Dunstglocke städtischer Treibhauseffekt
o Wärmespeicherung in Baumaterialien und Straßenbelägen
o fehlender Luftmassenaustausch durch enge und hohe Bebauung
o Versiegelung von Flächen keine Luftfilterung, geringe Verdunstung und fehlende
Transpiration durch Pflanzen (Evapotranspiration) mangelnde Abkühlung
Lösungsmöglichkeiten:
Fassaden- und Dachbegrünung
Kühlung und Verdunstung, geringe Wärmespeicherung durch höheres Albedo, niedrigere Energiekosten durch Isolierung, CO2-Aufnahme durch Pflanzen, Luftfilterung
Wasserflächen- und Springbrunnen Kühlung und Verdunstung, CO2-Aufnahme durch Pflanzen, Luftfilterung
Wärmedämmung an Häusern Kühlung und Verdunstung, geringe Wärmespeicherung durch höheres Albedo, niedrigere Energiekosten durch Isolierung
Natürlicher Boden durch Entsiegelung
Kühlung und Verdunstung, geringe Wärmespeicherung durch höheres Albedo, CO2-Aufnahme durch Pflanzen, Luftfilterung
Beschattung durch Baum und Pergola
Kühlung und Verdunstung, geringe Wärmespeicherung durch höheres Albedo, CO2-Aufnahme durch Pflanzen, Luftfilterung
Windschneisen besserer Luftmassenaustausch
Verkehrsaufkommen reduzieren/Emissionen durch Industrie minimieren
bessere Luftqualität
viele kleinere Grünflächen (>1ha) bringen mehr als ein großer Park (nur die unmittelbare
Nachbarschaft würde profitieren)
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4.1.7 Nachhaltige Stadtentwicklung
Grunddimensionen:
o zukünftige Generationen dürfen nicht belastet werden
o wirtschaftliche Effizienz bei Nutzung von Entwicklungsressourcen
o soziale Gerechtigkeit bei Verteilung von Entwicklungsressourcen und deren Kosten
Ziele der UN-HABITAT:
o Schaffung von angemessenem Wohnraum
o nachhaltige Stadt- und Siedlungsentwicklung
o bessere Lebensqualität (Bekämpfung von Armut, Hunger, Umweltzerstörung, Kriminalität)
o Aufbau lokal-demokratischer Strukturen (kommunale Selbstverwaltung)
Entwicklungsimpulse:
nachhaltige Stadtentwicklung in Entwicklungs- und Schwellenländern
nachhaltige Stadtentwicklung in Industrieländern
o Versorgung der armen Bevölkerung mit Wohnraum, Wasser, Kanalisation, Elektrizität, medizinischer Versorgung und Bildung
o Dezentralisierung und Aufbau demokratischer Selbstverwaltung (Hilfe zur Selbsthilfe, bottom-up)
o Sicherung von Wohnraum (Rechtssicherheit, Einrichtung sanitärer Anlagen, Legalisierung illegaler Wohnsiedlungen (squatter upgrading), Kleinkredite für Wohnraumverbesserung in Eigenleistung, Sites-and-Services-Schemes (Angebot von günstigen Grundstücken, Low-Cost-Housing)
o Schaffung einer Wasserversorgung mit sauberem Trinkwasser
o Abwasserentsorgung (Aufbau Kanalisation, Abwasserreinigung, Reinigung von Industrieabwässern)
o Müllentsorgung (Organisation der Müllentsorgung, Aufbau Abfallwirtschaft, Recycling)
o Infrastruktur verbessern (Befestigung von Straßen, Anschluss an Strom- und Telekommunikationsnetz)
o Minimierung der Verkehrsbelastung (zeitliche Einschränkung des Fahrzeuggebrauchs, Förderung des nicht-motorisierten Verkehrs, Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel, Anschluss der informellen Siedlungen an das Verkehrsnetz)
o Verringerung der Luftverschmutzung (Verringerung offener Feuerstellen, Reduzierung des Verkehrsaufkommens, Verringerung der Emissionen durch Industrie)
o möglichst viele Bereiche und alle Aspekte der Nachhaltigkeit müssen berücksichtigt werden!
o Bereich Ressourcensparen (reduzierter Flächenverbrauch, effizientere Flächennutzung, Schaffung klimaausgleichender Grünflächen, Reduzierung der Bodenversiegelung, Renaturierung von Wasserflächen)
o Bereich Umweltschutz (Energieeinsparung durch Dämmung, regenerative Energien, energiesparende Bauteile; Reduzierung der Luftschadstoffe durch verminderten Einsatz fossiler Brennstoffe; Grundwasserschutz durch reduzierten Wasserverbrauch, Entsiegelung von Flächen und Ausweisung von Wasserschutzgebieten; Reduzierung des Müllaufkommens durch Mülltrennung und verstärktes Recycling)
o Bereich Verkehr (Stärkung des ÖPNVs, Reduzierung der Flächen für Individualverkehr, Innenstadt-Maut)
o Bereich Wirtschaft (Aufwertung der Standortqualität, Schaffung von Arbeitsplätzen und Aufhebung der funktionalen Trennung, Stärkung innerstädtischer Bereiche)
o Bereich Wohnen (Schaffung von angemessenem und erschwinglichem Wohnraum, flächen- und kostensparender Neubau, Verwendung ökologischer Baustoffe, Sicherung wohnungsnaher Grundversorgung, Förderung nachbarschaftlicher Hilfe)