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Ein typischer Fall von „Kill the Winner“

INNSBRUCK Beruflich mit gro-ßem Interesse, aber privat ähn-lich sorgenvoll wie vieleMenschen in diesem Stadium derverordneten Selbstisolation: Soverfolgt Heribert Insam derzeitdie Lage u.a. im Covid-19-leidge-prüften Tiroler Raum. Sei es imBundesland Tirol, wo der Expertefür Umweltforschung an der UniInnsbruck das Institut für Mikro-biologie leitet. Sei es in Südtirol –allen voran in den ladinischen Tä-lern, von wo einst sein Großvaternach dem Ersten Weltkrieg überden Brenner ausgewandert war.„Die gesamte Dynamik dieses Vi-rus hat selbst mich erstaunt“,räumt der 62-Jährige im Video-Gespräch ehrlich ein – und dasdurchaus mit einer gewissen Por-tion Faszination: „SARS-CoV-2 istein gutes Beispiel dafür, was inder Ökologie das ‚Kill theWinner‘-Prinzip genannt wird.“

Händewaschen und Abstandhalten – das rettet Leben!Seit dem Ausbruch der Coronavirus-Krise wird diesvon Experten gebetsmühlenartig wiederholt und vonden Menschen in allen betroffenen Gebieten gelebt.

Doch warum ist das die beste Waffe gegen den unsicht-baren Feind? Die „Zett“ hat bei dem MikrobiologenHeribert Insam von der Uni Innsbruck nachgefragt.

„Zett“: Das heißt, als im Jännerdiesen Jahres erstmals die Re-de von „Corona“ war, hättenauch Sie nicht gedacht, dasswir jemals in dieser aktuellenSituation landen?Heribert Insam: Nein, wederaus wissenschaftlicher, noch ausprivater Sicht war abzusehen,dass unser aller Alltag dadurchplötzlich und in dieser Form zumStillstand kommt. Dazu war dieInformationslage aus China zuungewiss. Man konnte auch nichteinschätzen, was da an Meldun-gen gefiltert war oder nicht. Mitein bisschen Mathematik wäre esdennoch recht leicht zu erkennengewesen. Allerdings bin ich Mi-krobiologe und als solcher keinEpidemiologe. Daher war auchich der Überzeugung, dass dasunsere Experten sicher im Griffhaben – so wie bisher bei ähnli-chen Viren-Epidemien, also SARSoder schweren Influenzawellen.

Inwieweit sind Sie als Mikro-biologe derzeit – vom Home-office aus – mit dem Coronavi-rus beruflich beschäftigt?Aus der Sicht des „MikrobiellenÖkologen“ sind Viren an sich kei-ne „Feinde“, sondern wichtige Re-gulative in diversen Öko-systemen. Sie bremsen als solchebestimmte Bakterien ein, die ineiner Überpopulation zur Gefahrwerden könnten. In Gewässernetwa können so etwa Algenblüteneingebremst werden. Beim Men-schen hingegen haben bestimmeViren im Magen-Darm-Traktwichtige Funktionen.

Allerdings verhält sich Covid-19 bösartig. Was macht diesesVirus aus wissenschaftlicherSicht so einzigartig?Dass es ein typisches Beispiel fürdas „Kill the Winner“-Prinzip ist.Dabei geht es darum, dass jeneOrganismen, die sich besondersstark vermehren und daher einehohe Dichte erreichen, von

einem Feind von außen angegrif-fen werden. Genau das ist inWuhan passiert – also einer Me-tropole, wo Menschen dicht zu-sammenleben. Dort hatte diesesVirus einen perfekten Nährbodenund konnte sich exponentiell ver-breiten. Damit geschieht in derNatur etwas ganz automatisch,was wir jetzt – von der Politik ver-ordnet – machen: Die Distanzzwischen den Wirten wird größer,in dem Fall durch den Gesetz-geber veranlasst. Nur so kann dieAusbreitung des Virus ein-gedämmt werden, weil ihm derNährboden fehlt.

Es gibt international aber so-gar Politiker, die meinen: „Las-

sen wir das Ding doch laufen.Die Starken werden überle-ben!“ Ein Trugschluss?Genau. Diesen darwinistischenAnsatz sollen wir unter uns Men-schen erst gar nicht um sich grei-fen lassen.

Ich bin recht zu-versichtlich, dass wirwieder ins „normale

Leben“ zurückkehren– und einander

wieder umarmenwerden können.Univ.-Prof. Heribert Insam,

„Mikrobieller Ökologe“

Es gibt andere, potenzielldurchaus tödliche Krankheits-erreger – Influenza, Masernoder auch Bakterien wie Cho-lera oder Tuberkulose – bei de-nen das bis zu einem gewis-sen Grad passiert. Dies führenKritiker der Covid-19-Maßnah-men immer wieder ins Feld.Weshalb liegen sie dennochfalsch damit?Weil sie die Überlastung des Ge-sundheitswesens nicht mit-bedenken. Bei einer Grippe ha-ben wir etwa einen guten Herden-schutz, so dass es erst gar nicht zusolchen Problemen in der medi-zinischen Notversorgung kommt.Die Folgen von Covid-19 sehenwir derzeit in der Lombardei.

Warum ist Händewaschen vordiesem Hintergrund gesehendie beste Waffe?Weil dem Virus so die Möglichkeitgenommen wird, von kon-taminierten Oberflächen über dieHände in unsere Schleimhäuteeinzudringen. Worauf wir alleganz besonders achten sollten,steht in der Infografik (Anm.: sieheoben). Allerdings gilt fest-zuhalten, dass es immer eine ge-wisse Anzahl von Erregernbraucht, damit die Krankheit aus-bricht. Mit einzelnen Viren oderBakterien kann das Immunsys-tem normalerweise gut umgehen.Je größer die Viren-Menge imKörper jedoch ist, umso stärkerkann die Erkrankung ausfallen.

Wie ist das eigentlich mit derBeschaffenheit der kontami-nierten Oberfläche ... Was istda genau zu beobachten bzw.beachten?Grundlegend gilt: SARS-CoV-2mag es nicht warm. Auf kaltemund feuchtem Metall fühlt es sicheinige Zeit lang wohl. Auch porö-se Flächen wie Plastik oder Klei-dung sind ideal, um dort unterUmständen tagelang zu überle-ben. Auf Holzflächen hingegenhält sich das Virus weniger lang,denn Holz entzieht seiner Schutz-schicht die Feuchtigkeit. Undnoch weniger mag Covid-19 dasUV-Licht – also die direkte Son-neneinstrahlung bzw. die damitverbundene Wärme.

Univ.-Prof. Heribert Insam(i.B.; *1957 in Zell am See)ist ein österreichischer Mikro-biologe und bekannt für sei-ne Arbeiten auf den Gebie-ten der Mikrobiellen Ökolo-gie. Der Forscher mit Südtiro-ler Wurzeln leitet seit 2011das Institut für Mikrobiologiean der Universität Innsbruck.

Zur Person

Viren an sich sindkeine „Feinde“, son-

dern wichtige Regu-lative in diversen

Ökosystemen.Univ.-Prof. Heribert Insam,

Mikrobieller Ökologe

Auch in Kühlschränken ist esfeucht und kalt. Wie verhindertman da, dass man sich das Vi-rus sozusagen „aufs Butter-brot schmiert“?Mit den grundlegenden Hy-gieneregeln, die immer beim Um-gang mit Nahrung gelten: Wa-schen, schälen, kochen. BeimEinkaufen sollte man die Sicher-heitsregeln unbedingt befolgen –und beim Heimkommen unbe-dingt die Hände waschen.

Wenn wir irgendwann wiederzum Status der Normalität zu-rückkehren können, was solltedenn nach dieser Corona-Kri-se erhalten bleiben?Hoffentlich mehr Bewusstsein fürdie Hygienemaßnahmen – etwawas Husten, Niesen oder Schnäu-zen betrifft. Oder beim Essen ingrößerem festlichen Rahmen:Kalte Buffets sind ideale Viren-umschlagplätze! Aber ich binrecht zuversichtlich, dass wir wie-der ins „normale Leben“ zurück-kehren – und einander wiederumarmen werden können.

Interview: Johannes Vötter

Schutzmasken fürden Zivilschutz

BOZEN/VINTL (Z) Diverseheimische Unternehmen leistenin Zeiten der Coronavirus-Kriseeinen wertvollen Beitrag. Unteranderem haben Oberrauch Zittund die Lodenwelt beschlos-sen, Mundschutzmasken zu pro-duzieren. Die Schneidereien inBozen und in Vintl, die seit zweiWochen geschlossen sind, öff-neten vor wenigen Tagen wie-der ihre Tore und stellen dortaus von Salewa geliefertem Ma-terial Mundschutzmasken her.Sechs Schneiderinnen in Vintlund fünf in Bozen sind intensivmit der Produktion beschäftigtund haben bereits 1700 Mund-schutzmasken angefertigt, dieschnellstmöglich dem Zivil-schutz Südtirol zur Verfügunggestellt und gespendet werden.

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2000 Masken nachSüdtirol gelotst

BURGGRAFENAMT (Z) „Überunsere Wirtschaftsbeziehungenin den Fernen Osten ist es unsgelungen, an hochwertigeSchutzmasken gegen das Coro-navirus zu kommen“, berichtendie befreundeten BurggräflerUnternehmer Florian Gamper(Baufuchs; linkes Bild) undGaston Pircher (Kerum; rechts).Ein Teil der Masken, die in denkommenden Tagen eintreffensollen, werden im Bekannten-kreis verteilt – die anderen 1000Stück sollen, selbstverständlichkostenlos, an Personen zwi-schen Algund und Partschinsgehen, deren Kampf gegen dasCoronavirus durch diese Mas-ken unterstützt bzw. erleichtertwird (z.B. in Altersheimen). Dieswird laut Gamper und Pircherüber die jeweiligen Gemeinde-verwaltungen organisiert.

Weil das Virus kein lebender Organis-mus ist, zerfällt es in der Umwelt.Die Moleküle bleiben stabil, wenn eskalt, feucht und dunkel ist. Das Virusbleibt auf glatten und porösen Ober-flächen mehrere Stunden bzw. Tagelang intakt. UV-Licht hingegen zerstörtes schnell.

Das Virus durchdringt gesundeHaut nicht! Die Haut hat mehrereBarrieren, die erste davon ist diehauteigene Mikrobiota, dievirentötend wirkt.

Die Hände mit Seife waschen! Vor undnach der Berührung von Schleimhäuten,Essen, Türschnallen, Schaltern, Fernbedie-nungen, Griffen am Einkaufswagen und inder Toilette. Jede/jedes Seife/Waschmittelist geeignet, die Lipid-Schutzschicht desVirus zu zerstören; denn wenn dieFettschicht des Virus aufgelöst wird,zerfallen die Protein-Fettmoleküle.

Außerdem gilt: Nur Desinfektionsmittelmit mehr als 65 % Vol. Alkohol taugen zurFlächendesinfektion!Schnaps und Wodka nützen also nichts, derAlkoholgehalt ist zu gering. Mittel mitWasserstoffperoxid (H2O2) und chlorhaltigeMittel sind ebenso geeignet.Bakterizide, wie zum Beispiel Antibiotika,helfen hingegen nicht! Viren sind keinelebenden Organismen wie Bakterien, es hilftnur die erwähnte Strukturzerstörung derFettmembran.

ALLGEMEIN GILT: Das Virus ist kein lebenderOrganismus, sondern ein RNS-Molekül miteiner Protein-Lipid-Hülle. Covid-19 haftet sichan die Zellen der Augen-, Nasen- oder Mund-schleimhäute; die befallenen menschlichenZellen nehmen den genetischen Code auf,vermehren ihn, und die zelleigene, biochemi-sche Maschinerie baut dann das fertige Viruszusammen. Die menschliche Zelle stirbt ab,viele neue Viren schwärmen aus, befallenandere Zellen und werden ausgehustet.

Die Hände mit Feuchtigkeitscremepflegen, damit in der Haut keineMikro-Risse entstehen. Nägel kurzhalten, damit sich das Virus nichtdahinter versteckt.

TIPP

TIPP

TIPP

GebrauchteKleidung nichtausschütteln,keine Staubwedelbenutzen undWohnung gutlüften.

Die Händemindestens 20Sekunden langwaschen, mit vielSchaum undwarmem Wasser.

Quelle: www.mikrobalpina.org / Recherche: jov / Infografik: Ambra Delvai

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