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Zwischen Aktivismus und Kunst - uni-kassel.de · volkspalast zwischen aktivismus und kunst...

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Theater der Zeit Zwischen Aktivismus und Kunst
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ISBN 3-934344-42-9??????Theater der Zeit

VOLKSPALAST war die weltweit beachtete kulturelle Zwischennutzung desBerliner „Palast der Republik“. Damit wurde 14 Jahre nach seiner Schlie-ßung der Palast erstmals wieder frei zugänglich und ein Ort öffentlicherKommunikation und Kulturproduktion. Dieses Buch präsentiert die Periodender Bespielung 2004 und 2005. Es greift die kontroversen Reaktionen umden adäquaten Umgang mit dem ruinierten Gebäude auf dem Schlossplatzauf und lässt unterschiedliche Sichtweisen auf den Palast, eine Wiese, einSchloss zu Wort kommen.

Mit Beiträgen von Marina Abramovic , Dirk Baecker, Peter Conradi, FriedrichDieckmann, Bruno Flierl, Karl Ganser, Carl Hegemann, Wolfgang Kaschuba,Rem Koolhaas, Tim Renner, Elisabeth Schweeger, Friedrich von Stechow,Oswald Mathias Ungers und vielen anderen.

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Zwischen Aktivismus und Kunst

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BildnachweisAlle © David Baltzer außerSeiten 14, 15, 18 – 21, 134 – 141, 246 (1) © Christian von Steffelin Seiten 16, 17 © Christoph Petras Seite 26 © Drama: Holger Foullois Seiten 29, 30 © Joseph HoppeSeite 98 © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt. Alle Rechte vorbehalten.

Zur Verfügung gestellt von Frankfurter Allgemeine ArchivSeite 98 © CCA MontréalSeite 112 © Die Tageszeitung, Berlin. Alle Rechte vorbehalten.

Zur Verfügung gestellt von taz lizenzenSeite 120 © Der Tagesspiegel, Berlin. Alle Rechte vorbehalten.Seite 123 © Arved SchultzeSeite 129 © Süddeutsche Zeitung GmbH, München. Alle Rechte vorbehalten.Seiten 188, 267 – 272 © Multimediastudio KrämerSeiten 207, 210 © Agnieszka MeissnerSeiten 222 © Lesley Leslie-SpinksSeite 226 © Berliner Kurier, Berlin. Alle Rechte vorbehalten.Seite 246 © raumlabor_berlin

Montagen Seiten 196, 197 Sebastiano MazzolaSeiten 246, 286, 287: raumlabor_berlin

VOLKSPALAST. Zwischen Aktivismus und Kunst

Herausgegeben von Amelie Deuflhard und Sophie Krempl-Klieeisen

sowie Philipp Oswalt, Matthias Lilienthal und Harald Müller

Recherchen 30

© 2006 bei den Autorinnen und Autoren

Texte und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht aus-

drücklich im Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des

Verlages. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzung,

Mikroverfilmung und die Einspeisung und Verarbeitung in elektronischen Medien.

www.theaterderzeit.de

Buchkonzept: Amelie Deuflhard, Sophie Krempl-Klieeisen, Philipp Oswalt

Redaktion: Sophie Krempl-Klieeisen

Gestaltung: Sibyll Wahrig

Mitarbeit: Jana Fröbel

Bildbearbeitung: Druckhaus GALREV, Berlin – Margret Kowalke-Paz

Druck und Bindung: Tastomat Druck, Eggersdorf

Printed in Germany

ISBN 3-934344-72-0

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VOLKSPALAST

Zwischen Aktivismus und Kunst

HERAUSGEGEBEN VON AMELIE DEUFLHARD UND SOPHIE KREMPL-KLIEEISEN

SOWIE PHILIPP OSWALT,MATTHIAS LILIENTHAL UND HARALD MÜLLER

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INHALT10 Vorwort

DIE LEERE MITTE14 PALAST DER REPUBLIK NACH DER ASBESTSANIERUNG 2002 – 2004

Fotografien

PLANSPIEL ZWISCHENZEIT22 ZWISCHENNUTZUNG. EINE BERLINER GESCHICHTE

von Philipp Oswalt und Philipp Misselwitz

27 PALAST-PARCOURS – ABRISS DER GESCHICHTEVon den Schwierigkeiten, eine Ausstellung über den Palast der Republik zu machenvon Julia M. Novak, Thomas Beutelschmidt und Joseph Hoppe

31 1000 TAGE ZwischenPalastNutzung

36 NACHT IM PALASTvon Jörn Weisbrodt

41 THE MAKING OF VOLKSPALASTvon Amelie Deuflhard und Philipp Oswalt

52 VOLKSPALAST. WAS TRAGEN SIE ZUR DEMOKRATIE?von Sophie Krempl-Klieeisen

PRODUKTIONSORT STADT59 VOLKSBALLAST ODER ORT KULTURELLER PRODUKTION

von Florian Waldvogel

67 KÜNSTLERISCHER WIDERSTAND – EIN VOLKSBILDUNGSPROJEKT?von Matthias von Hartz

75 KUNST IM ZWISCHENRAUM von Elisabeth Schweeger

87 SPIEL IM STADTRAUMEin Gespräch zwischen Amelie Deuflhard, Wolfgang Kaschuba und Matthias Lilienthal

WIEDEREINTRITT98 VOLKSPALAST 20.8. – 9.11.2004

Dokumentation

SPIELBALL SCHLOSSPLATZ134 PALAST DER REPUBLIK VOR DER ASBESTSANIERUNG 1996

Fotografien

KONSTRUKT VERGANGENHEIT142 ›REVANCHISTISCHE STADTPLANUNG‹ UND ›BURDENED LANDSCAPES‹

IM NEUEN BERLINDer Beitrag der Zwischennutzungsinitiative in der Debatte um die Zukunft der Spreeinsel von Claire Colomb

154 CHRONIK EINES ANGEKÜNDIGTEN TODESvon Wolfgang Kil

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161 WER KONSTRUIERT DEN ÖFFENTLICHEN RAUM?Die diskursive Produktion strategisch genutzten Raumes in den Medien von Stella Schmid

170 DIE ZUKUNFT DES SCHLOSSPLATZES – GRÜNE WIESEvon Karl Ganser

LEERSTELLE ZUKUNFT176 ABWEICHENDE MEINUNG

von Peter Conradi

181 FUN PALACE BERLIN 200Xvon Philipp Misselwitz und Stefan Rethfeld

186 »ARCHITEKTUR SOLL KEINE WERTE VERKÖRPERN, SONDERN DEN NUTZEN DES GEBÄUDES«Ein Gespräch mit Rem Koolhaas von Miriam Böttger

189 MITTE SPREEINSEL – EIN ORT MIT ZUKUNFT?von Bruno Flierl

PARADOXE INTERVENTION196 VOLKSPALAST – DER BERG

Dokumentation

BAUSTELLE DEBATTEROHBAU227 Hanno Rauterberg | Rettet den Palast der Republik229 Rem Koolhaas | Kein Abriss, kein Erhalt230 Oswald Mathias Ungers | Für eine städtebauliche Einheit231 Tim Renner | Ein belebtes Gebäude232 Carl Hegemann | Stadt als Bühne234 Marina Abramovic | The Biography. Zur Transformation des Gebäudes

Konzept für ein The Biography – Projekt im Palast der Republik im September 2004

MIETER238 Friedrich von Stechow | Auf der Suche nach dem Genius Loci 240 Walter Momper | Familientreff und historischer Ort242 Thomas Flierl und Harald Wolf | Ein offener Brief 245 Manfred Stolpe | Für ein Humboldt-Forum in Schlosskubatur

FASSADE247 Friedrich Dieckmann | Zukunft und Gegenwart – Was Schloss und Palast verbindet249 Wilhelm von Boddien | Der Palast der Republik hat sich überlebt253 Hans-Christian Ströbele | Palast der Republik mit Schlossfassade255 Michael Rogowski | Der Palast der Republik – ein Symbol des

Umbruchs und des Aufbruchs

AUSGANG259 Dirk Baecker | Ein Fall für die Oberfinanzdirektion262 Adrienne Goehler | Unideologische Zukunft in einem entideologisierten Raum 264 Franziska Eichstädt-Bohlig | Ein neues Kapitel zur alten Schlossplatzverwirrung

267 PALAST DER REPUBLIK WÄHREND DER ASBESTSANIERUNG 1996Fotografien

273 ANHANG

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VORWORTDer Palast der Republik ist ein Streitobjekt. Ein Objekt ideologischer Auseinan-dersetzungen seit mehr als 15 Jahren. Ein Streitraum. Ein Ort für Diskussionenund Auseinandersetzung. Solche Orte brauchen wir. In seinem jetzigen Zustandlöst er Nachdenken über die Zukunft aus wie kein anderes Gebäude. Er ist einDENKRAUM für die Zukunft.

Von außen wirkt er für manche wie eine Trutzburg der Vergangenheit, dochwer ihn betritt, begibt sich auf eine Reise in die Zukunft. Drei Jahre Zwischen-PalastNutzung haben das Gebäude umkodiert, einen Paradigmenwechsel inBezug auf seine Betrachtung ausgelöst. Er ist zu einem Symbol für die Zukunftgeworden. Neue Nutzungsideen, eine Generation der 20- bis 45-Jährigen,die rückwärtsgewandte Konzepte ablehnt und sich aufmacht, neue Konzeptezu entwickeln.

Das Buch dokumentiert diese Zeit der Zwischennutzung, zieht eine Zwi-schenbilanz, dokumentiert die Ereignisse und fragt nach der Zukunft. Das Ka-pitel Die leere Mitte informiert über das Planspiel Zwischenzeit: über die Hin-dernisse, die auf dem Weg zur Öffnung zu überwinden waren. Aufsätze vonMitgliedern des Vereins ZwischenPalastNutzung und Initiatoren und Beteilig-ten von VOLKSPALAST berichten vom anfänglichen Scheitern und endgültigenGelingen der Planungen und Projekte.Welche Rolle und Ergebnisse politisch be-wusste künstlerische Intervention befördern, welche Auswirkungen das auf ak-tuelles städtisches Leben, eine lebendige Stadt als Produktionsort und kulturel-le Strategien haben kann, wird in weiteren Aufsätzen wie dem der Intendantindes Schauspielhauses Frankfurt, Elisabeth Schweeger, den programmatischenund fordernden Texten des Theaterkurators Matthias von Hartz und des Kunst-kurators Florian Waldvogel diskutiert. Ein Gespräch zwischen WolfgangKaschuba, Professor für europäische Ethnologie, und zwei der künstlerischenLeiter von VOLKSPALAST, Amelie Deuflhard und Matthias Lilienthal, erläutert,wie solche Ereignisse wie die Bespielung des Palasts das städtische Zentrumzumindest temporär verändern können und wie viel eine Stadt gewinnenkönnte, setzte sie auf innere Lebendigkeit. Philipp Oswalt, ebenfalls künstleri-

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scher Leiter von VOLKSPALAST, beschreibt gemeinsam mit Philipp Misselwitz als Architekt, welche Rolle Zwischennutzungen für urbane Entwicklungen spielen können.

Die Essays der französischen Stadtsoziologin Claire Colomb, des ArchitektenWolfgang Kil und der Humangeografin Stella Schmid beschäftigen sich ausihren professionellen Perspektiven mit den Wahrnehmungsweisen des Um-gangs mit dem Palast seit seiner Schließung, unter der Rubrik Leerstelle Zu-kunft haben wir die Beiträge einiger Architekten versammelt, die einerseits ausstärker städtebaulich-architektonischer Sicht (wie die Arbeiten von Karl Ganserund Philipp Misselwitz/Stefan Rethfeld) die Widersprüchlichkeiten bezüglichder Schlossplatzbebauung erörtern. Welche politischen und gesellschaftlichenAussagen damit verbunden sind, analysieren und beschreiben Rem Koolhaasim Gespräch, Bruno Flierl und Peter Conradi.

Um zu zeigen, welche Energie solche temporären Stadtveränderungen mitsich bringen können, dokumentieren die zwei Bildstrecken der Bespielungenvon VOLKSPALAST 2004 und 2005. Denn damit hat Berlin gezeigt, wie aus inno-vativen Zwischennutzungen Impulse für Neues entstehen können. Nicht alsVerstetigung provisorischer Nutzungen, sondern als Keimzelle neuer Ideen,Kulturen, Netzwerke, Programme, Orte. Die Zwischennutzung war Anfang eineskulturellen und sozialen Prozesses, der hoffentlich nicht abreißt, über dessenFortlaufen aber – wie in den versammelten Statements von an den Palast be-treffenden Entscheidungen beteiligten Politiker/innen und Kurator/innen,Journalist/innen, Kulturveranstalter/innen, Wissenschaftler/innen zu sehen ist – keinerlei Einigkeit besteht. So stehen sachliche Analysen neben persönli-chen Betrachtungen.

»VOLKSPALAST. Zwischen Aktivismus und Kunst« versteht sich nicht alsbloße Dokumentation des Gewesenen, sondern auch als Instrument zur Inter-vention in eine noch nicht beendete Debatte.

Amelie Deuflhard, Sophie Krempl-Klieeisen, Philipp Oswalt

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DIE LEERE

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MITTE

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DIE LEERE MITTE

ZWISCHENNUTZUNG. EINE BERLINER GESCHICHTE Philipp Oswalt und Philipp Misselwitz

Fragt man einen Architekten oder Investor, welche Person die Stadtentwicklungim Nachwende-Berlin entscheidend geprägt hat, erhielte man wahrscheinlichden Namen des Senatsbaudirektor Hans Stimmann als Antwort. Dieser selbsthatte sich einmal als »mächtiger Mann« bezeichnet, und entsprechenddrangsalierte er die in Berlin bauenden Architekten mit seinen Geschmacks-vorgaben von steinerner Fassade, preußischem Stil und europäischer Stadt.Diese haben wenig mit den Eigenheiten Berlins zu tun, viel jedoch mitSehnsüchten nach einer repräsentativen Hauptstadt ohne die Spuren desschwierigen zwanzigsten Jahrhunderts. Das »Planwerk Innenstadt« formulier-te ein umfassendes Konzept für die Gestaltung des Berliner Stadtzentrums. Esist jedoch kaum mehr wert als das Papier, auf dem es gedruckt ist, denn es gehtam realen Baugeschehen und den Wünschen potentieller Bauherren weitge-hend vorbei. Und so wird es größtenteils unrealisiert bleiben.

Bei Lichte besehen gibt es eine andere Person, deren Einfluss kaum geringereinzuschätzen ist als die von Hans Stimmann, wenn sie auch nur in Insider-Kreisen bekannt ist: Jutta Weitz, Sachbearbeiterin der Kommunalen Woh-nungsverwaltung, war seit der Wende für die Gewerberaumvergabe in Berlin-Mitte zuständig. Sie nutzte ihre Entscheidungsmöglichkeiten strategisch füreine ganz andere Form der Stadtentwicklung. Ihr Hebel waren nicht die archi-tektonischen Vorgaben, sondern die Initiierung von Nutzungen, das Ermögli-chen von Aktivitäten durch die Vergabe von Räumen. Mit ihrer gezielten Mikro-politik drängte sie die Anfragen von Anwaltskanzleien, Videotheken undanderen Nutzern zurück, die wenig zum urbanen Leben in einem Stadtviertelbeitrugen, und gab alternativen, sozialen und kulturellen Interessenten denVorrang. Jutta Weitz überlegte, wer mit wem zusammenpassen würde, arran-gierte gemeinsame Frühstücksrunden mit Akteuren, die sie zusammenbringenwollte, damit sie einen Ort gemeinsam betreiben. Sie sprach Leute an undmachte ihnen Vorschläge für Räume und Nutzungen. Damit ermöglichte sieeine Entwicklung, die spätestens ab Mitte der 90er Jahre unter dem Label »DasNeue Berlin« bekannt wurde und heute ganze Stadtteile prägt. Ob Kunstszeneoder Freizeitkultur, Clubgänger oder osteuropäische Migranten: Eine Vielzahlneuer Akteure besetzte den städtischen Raum, die Brachen und Leerstände. ObPolenmärkte oder Wochentagbars, ob »Volxgolfen« oder Parties und Raves, obGrafikagentur oder Kunstinstallation, ob Biker-Park oder alternatives Kultur-zentrum: Ein vielfältiges urbanes Leben entstand, ein kulturelles Cross-Over,

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PLANSPIEL ZWISCHENZEIT

neue Trends in Musik, Kunst, Mode und Lifestyle. Letztendlich prägte diese Ent-wicklung eine ganze Generation – die Generation Berlin. Und natürlich ist sienicht allein einer Person zuzuschreiben, sondern Tausenden von Akteuren undihren Netzwerken.

Dieses Kapital wird in Berlin nur als Betriebsunfall der Geschichte angese-hen. Berlin wird zum Durchlauferhitzer, der neue kulturelle Entwicklungen ge-neriert, ohne diese an die Stadt binden und nachhaltig entwickeln zu können.Mit der zunehmenden Normalisierung der Berliner Verhältnisse trocknet derNährboden aus. Die Berliner Politik versteht Stadtentwicklung als Formsache.Man orientiert sich an Bildern – ob Mailand, München oder die vergangenenZeiten der ‚goldenen zwanziger Jahre’ oder des 19. Jahrhunderts –, statt sich aufsein eigenen Stärken zu besinnen.

Exemplarisch ist die Geschichte des »Haus der Lehrers« am Alexanderplatz:Als die kommerziellen Verwertungsideen des Bezirks Mitte als Eigentümer desGebäudes in den 90iger Jahren scheiterten, entschied sich dieser nach einjähri-gem Leerstand, das Gebäude mit kurzfristigen Mietverträgen zu relativ gerin-ger Miete von 8,50 EUR an kulturelle Nutzer zu verpachten. In kürzester Zeitfanden sich im Sommer 1999 fast 50 Kreative und Kleinunternehmer, die indem Haus ein munteres Leben entfalteten – nicht nur miteinander, sondernauch nach außen. Für einzelne Projekte entstanden Kooperationen zwischenden Künstlern, Musiker, Architekten, Grafikern, Filmemachern usw., und immerwieder war das Gebäude der Öffentlichkeit zugänglich: Bei Lounges, Tag der of-fenen Tür, Theaterperformances und vielem mehr. Das »HdL« wurde zum Label.Nach zwei Jahren hoffte der Bezirk, auf diese Erfolgswelle aufspringen zu kön-nen. Nun sollte die mittlerweile stadtbekannte Immobilie »richtig« entwickeltwerden. Die Nutzer mit ihren günstigen Mieten wurden vor die Tür gesetzt. DieWBM-Mitte als staatseigenes Unternehmen kaufte, investierte und sanierte.Heute steht das Haus zur Hälfte leer und ist nicht vermietbar, die WBM-Mittesteckt tief in Schulden.

Beide, Hans Stimmann und Jutta Weitz, verkörpern radikal unterschiedli-che Paradigmen und agieren als typische Vertreter Ihrer Profession: Der Planereinerseits entwickelte mit beeindruckendem Planungseifer ein Bild des ge-wünschten Endzustandes. Der Fixierung auf formale Aspekte des Stadtbildessteht die pragmatische Idee einer langsamen Transformation von Stadt mittelsProgramm und Nutzung gegenüber. Dass letztere Strategie nicht immer ein Ni-schendasein fristen muss, sondern eine Schlüsselrolle für die Stadtentwicklunghaben kann, kann man außerhalb Berlins entdecken. Etwa in Manchester. Endeder Siebziger Jahre hatte die Stadt nach Zusammenbruch der Textilindustrieihren Tiefpunkt erreicht: Die Hälfte der Einwohner war weggezogen, die Innen-

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DIE LEERE MITTE

stadt stand zu weiten Teilen leer. Aber an einigen Orten regte sich gerade in denRuinen ein neues Leben. Clubs wie Factory Records entstanden, eine Schwu-lenszene entwickelte sich in der Innenstadt ebenso wie eine Chinatown. DieseEntwicklung wurde von den Stadtvätern nicht als Marginale betrachtet, son-dern als Chance gesehen und aufgegriffen für eine Neuprofilierung der Stadtnach ihrer Deindustrialisierung. Heute ist ein Designer der frühen Platten-La-bels und Clubs - Peter Saville – für das Citymarketing der Stadt zuständig. So, alswürde ein Grafiker des Tresor oder des WMF ‚Partner für Berlin’ übernehmen.

Ein anderes Beispiel kommt aus Amsterdam-Nord: Hier möchte die Kom-mune als Eigentümer das zurzeit brachliegende Werftareal NDSM-Islands zueinem neuen Stadtquartier entwickeln. Von Anfang an sollte hierbei die An-siedlung temporärer Nutzer eine zentrale Rolle spielen, indem sie das Gebiet imöffentlichen Bewusstsein bekannt machen und mittelfristig eine lebendigeNutzungsmischung im neuen Stadtteil sicherstellen sollten. Den kulturellenAkteuren wurde eine 20.000 qm große Halle, Freiflächen sowie 7,5 MillionenEUR für die Sanierung der Halle zur Verfügung gestellt. Die inzwischen ca. 200Nutzer erhalten einen 10 Jährigen Nutzungsvertrag bei einer Miete von 1 EUR/qm. Das Projekt bildet die Keimzelle für die Entwicklung eines etwa zwei Qua-dratkilometer großen Stadtteils, in dem in den nächsten Jahren über 3 Mio. qmGeschossfläche entstehen sollen.

Doch den Berliner Stadtentwicklern sind solche Prozesse fremd: Sie machenMasterpläne und suchen Investoren und Mieter, die im Mercedes vorfahren. AlsImmobilie wird nur ernst genommen, was glänzt – und Mieten von 20 – 40 EURerzielen soll. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Millionen QuadratmeterLeerstand an Büros, Einkaufsflächen und Wohnungen haben bislang zu keinemernsthaften Nachdenken oder gar Kurswechsel geführt. Mit den Neubauten amAlexanderplatz werden die nächsten Leerstände produziert. Und auch einenSchlossneubau wird es wohl kaum nicht geben.

Die Zwischennutzung des Palastes der Republik hat in diesem Kontext einedoppelte Bedeutung. Sie eröffnet zum einen durch die Hintertür eine anderePerspektive für die langfristige Entwicklung des Schlossareals. Zwischennut-zung ist selten allein Lückenbüßer in den städtischen Entwicklungen. Mit ihnenetablieren sich neue Standorte, neue Programme und neue Akteure. Von daherhatte das Engagement für die Zwischennutzung seitens der Nutzer und UrbanCatalyst von Anfang an auch die explizite strategische Ambition, mit der Zwi-schennutzung die langfristige Gestaltung des Ortes positiv zu beeinflussen,Programme zu testen und neue Vorstellungen für den Ort zu etablieren.

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PLANSPIEL ZWISCHENZEIT

Zum anderen diente die Prominenz des Ortes auch dazu, diese andere Form derStadtentwicklung einer breiten Öffentlichkeit bewusst zu machen. Was sichbislang eher im Abseits herkömmlicher Stadtentwicklung vollzog, eröffnetehier am prominentesten Bauplatz der Republik plötzlich eine andere Möglich-keit im Moment der Krise, in der die klassische Planung angesichts leerer Kas-sen kapituliert. Und in den letzten beiden Jahren beginnt sich angesichts derschrumpfenden Städte das Thema der Zwischennutzung als Instrument derStadtplanung zu etablieren. Bleibt zu hoffen, dass die begonnene Entwicklungam Schlossareal sich produktiv weiter entfalten kann und nicht der Ideenlosig-keit eines leeren, von Gräsern und Moosen bedeckten Platzes weichen muss.

Philipp Oswalt ist Architekt, war künstlerischer Leiter von VOLKSPALAST 2004,Mitherausgeber von » VOLKSPALAST. Zwischen Aktivismus und Kunst«

Philipp Misselwitz ist Architekt und Stadtforscher

Gemeinsam mit Klaus Overmeyer gründeten sie die ForschungsplattformUrban Catalyst.

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PLANSPIEL ZWISCHENZEIT

THE MAKING OF VOLKSPALASTvon Amelie Deuflhard und Philipp Oswalt

Am 19. September 1990 wurde der Palast der Republik, lediglich 14 Jahre nachseiner Eröffnung, aufgrund von Asbestgefahr geschlossen. Während der sechs-jährigen Asbestbeseitigung wurde das Gebäudeinnere auf seine statischenGrundelemente entkernt. Das gigantische Stahlgerüst, ausgesteift durch Be-tontreppenkerne und die Geschossebenen aus Gussbetonplatten, ist von einerruinengleichen und einprägsamen Rohheit, ein riesiger Leerraum, zwischenParkhaus und Industrieruine, im Zentrum der Stadt, ummantelt von einer mitt-lerweile halbzerstörten, braunen Spiegelglasfassade.

Das Schicksal des Gebäudes und die Zukunft des Areals schienen bereitsfrühzeitig besiegelt. Bereits 1993 wurde der Palastabriss offiziell beschlossenund schien zunächst lediglich auf den Widerstand einer kleinen Betroffenen-gruppe von früheren Palastmitarbeitern und einigen Intellektuellen zu stoßen.Noch im gleichen Jahr wurde mit großer Euphorie eine temporäre Schloss-simulation eingeweiht – die Lobby der Rekonstrukteure positionierte sicheindeutig und angriffslustig gegenüber einer zu ›Ostalgikern‹ deklariertenzaghaften Opposition. Auch der Siegerentwurf des in Eile ausgerufenen städte-baulichen Wettbewerbs schien die Stimmung der Zeit zu treffen: Palastbeseiti-gung und Restitution der Schlosskubatur. Doch die erhoffte Wiederholungeines weiteren Berliner Großprojektes im Schnellverfahren schien nicht auf denWeg zu kommen, denn einerseits blockierte die Asbestaltlast den sofortigen Pa-lastabriss, und andererseits zeigten sich erste Anzeichen einer Katerstimmungnach Jahren des euphorischen Baubooms. Die erforderlichen 670 Mio. EUR fürNeubau und Schlossfassadenrekonstruktion -waren im Kontext von Wirt-schaftskrise und leeren öffentlichen Kassen immer weniger zu rechtfertigen.

Netzwerk Noch während der Asbestsanierung äußerten verschiedene kulturelle AkteureInteresse an der Gebäuderuine, um dort temporäre Projekte zu realisieren: soetwa die Sophiensæle mit Christian von Borries und die Staatsoper mit einerInszenierung von Marina Abramovic . Doch verhallten die als Einzelideen hervor-gebrachten Vorschläge zunächst – zu eindeutig und final erschienen die Pla-nungsentscheidungen, zu aufwendig die Nutzung der Ruine, zu unüberbrückbardie Widerstände aus der staatlichen Bürokratie. Daran änderte erst einmal auch dievon der ehemaligen Berliner Kultursenatorin Adrienne Goehler und dem Archi-

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DIE LEERE MITTE

tekturkritiker Bruno Flierl angeregte Empfehlung der »Internationalen Exper-tenkommission Historische Mitte« zu einer kulturellen Zwischennutzung nichts.

In dieser Situation trat das Forschungsprojekt Urban Catalyst an die Akteu-re heran und bot an, eine Machbarkeitsstudie zu entwickeln, um die bestehen-den Schwierigkeiten mit einem gemeinsamen Konzept für eine Vielzahl vonNutzungen zu lösen. Eine Verknüpfung der verschiedenen Nutzungsideen warallein schon deshalb notwendig, da der ruinöse Zustand des Gebäudes für eineZwischennutzung umfangreiche technisch-bauliche Maßnahmen erforderteund damit Kosten verursachen würde, die die Möglichkeiten eines einzelnenNutzers bei weitem überstiegen. Doch als weit schwieriger erwiesen sich die Ver-handlungen mit dem Eigentümer. In Gestalt der Oberfinanzdirektion/Bundes-vermögensamt (inzwischen Bundesanstalt für Immobilienaufgaben) hatte dieserkundgetan, dass eine Zwischennutzung 15 Mio. EUR kosten würde und mithinnicht möglich sei.Weitere Gespräche hielt er für überflüssig, die Empfehlung derExpertenkommission für nicht relevant. Es gab diesbezüglich auch keinerleiAussage der Bundespolitik, die sich in der ganzen Angelegenheit mit Still-schweigen bedeckte, da es als ein heikles Thema erschien, bei dem man nichtsgewinnen, aber sich leicht die Finger verbrennen konnte. So agierte die Verwal-tung im politischen Vakuum nach eigenem Gutdünken und nach den Prämisseneiner wirtschaftlichen Verwertung, die sie zunächst nicht für möglich hielt.

Nach einem gemeinsam Treffen aller Beteiligter im April 2002 bildete sichein Arbeitszusammenhang aus Sophiensæle, Staatsoper Unter den Linden,Deutschem Technikmuseum Berlin, WMF, Urban Catalyst, Berliner Kultursenatund Bezirksamt Mitte, um die Nutzungsideen zu präzisieren und zu klären,unter welchen Bedingungen eine Zwischennutzung realisierbar sei. Die Kom-munikation mit den Bundesbehörden wurde eher schwieriger. So blieben Bit-ten um weitere Gespräche unbeantwortet, die Besichtigung des Gebäudes warunmöglich, die Einsicht in aktuelle Pläne und Gutachten des aktuellen Gebäu-dezustandes blieb trotz vieler Anfragen verwehrt und eine Stellungnahme zurMachbarkeitsstudie blieb aus. Mit der Zeit hatten sich die Fronten eher verhär-tet als entspannt. Während Zwischennutzungen auf dem Gebäudevorplatzschon seit über einem Jahrzehnt Realität waren, schien die Bespielung des Ge-bäudes eine nicht realisierbare Utopie. Der offizielle Weg drohte in einer Sack-gasse zu enden, die offizielle Strategie des Aussitzens schien zu einem Erfolgder Bürokratie zu führen.

Druck über die MedienUm ein drohendes Aus der Initiative zu verhindern, entschieden sich die Initia-toren, an die Öffentlichkeit zu gehen, um damit Druck auf den Bund als Ei-

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gentümer und politisch Verantwortlichen auszuüben. Das aus der Entwicklungder Machbarkeitsstudie entstandene Netzwerk aus Sophiensæle, StaatsoperUnter den Linden, Technikmuseum, Club WMF, Aktivisten aus der soziokulturel-len Jugendarbeit, dem Künstler Fred Rubin sowie Urban Catalyst stellte MitteNovember 2002 erste Nutzungsideen und ein Realisierungskonzept in einerAusstellung, Pressekonferenz und Veranstaltungen vor. Dem Eigentümerwurde das Angebot gemacht, dass die zu diesem Zwecke gegründete Initiativeeine dreijährige kulturelle Zwischennutzung des Palasts ermöglicht, die hierfürnotwendigen technischen Vorkehrungen vornimmt und deren Finanzierung sicherstellt. Ein unabhängiges Kuratorium sollte die Qualität der Bespielung sichern bei gleichzeitiger Offenheit für verschiedene und vielfältige Akteure.Eine detaillierte technische Planung einschließlich Brandschutzgutachten undKostenschätzung wies eine Machbarkeit zu Kosten von ca. 1,5 Mio. EUR nach,wobei die Initiatoren mit Sponsoren in Verhandlungen standen, die bereitsschriftlich ihr Interesse an dem Projekt und ihre Bereitschaft zur Deckungwesentlicher Teile dieser Kosten erklärt hatten.

Die Resonanz der Öffentlichkeit übertraf alle Erwartungen. Einige tausendBesucher kamen bereits zur Ausstellungseröffnung im 100 Meter vom Palastentfernten ehemaligen Staatsratsgebäude. Über 100 Journalisten berichtetenüber das Ereignis mit fast ausschließlich positiver, teils euphorischer Bericht-erstattung. Das öffentliche Interesse war geweckt. Der große Erfolg des öffent-lichen Auftritts führte auch zu einer Verfestigung des Kooperationsnetzwerks:Die Initiatoren gründeten gemeinsam den Verein »ZwischenPalastNutzung«,womit eine verbindliche gemeinsame Form für das Verhandeln mit Dritten, dasöffentliche Auftreten sowie das Einwerben der notwendigen Gelder gefundenwar. Dem Vorstand des Vereines gehörten neben den Autoren dieses Textes JörnWeisbrodt (Staatsoper Unter den Linden) sowie Joseph Hoppe (Deutsches Tech-nikmuseum) an, Leiter der Geschäftstelle war Stefan Rethfeld.

Mit dem unmittelbar bevorstehenden Abschluss der Asbestsanierung unddem großen öffentlichen Interesse an dem Konzept von ZwischenPalastNut-zung war der Druck auf den Bund gewachsen, eine Lösung für den weiterenUmgang mit dem Gebäude zu finden. Zwar musste der Eigentümer einräumen,dass eine Nutzung zu einem Zehntel der einst von ihm veranschlagten Kostenrealisierbar war, doch schnell hatte man andere bürokratische Hürden aufge-baut, um das Projekt auszubremsen: Das Gebäude sei nur für Einzelprojekte an-mietbar, keinesfalls aber für eine Programmreihe, Exklusivität für den VereinZwischenPalastNutzung wurde kategorisch abgelehnt, Mietverträge seien nurmöglich, wenn sie jederzeit mit 4-Wochenfrist kündbar seien, das Gebäude seinur als Ganzes zu mieten und hierbei seien alle für den Bund bestehenden Ko-

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DIE LEERE MITTE

sten von 140.000 EUR pro Jahr zu bezahlen. Entscheidend war, dass jede Art vonmittelfristiger Anmietung und damit jede Art von Planungsmöglichkeit ausge-schlossen wurde. In Anbetracht des Zustandes des Gebäudes und der doch er-heblichen Investitionskosten sollte über diesen Weg die Anmietung unmöglichgemacht werden.

Trojanisches PferdDie stagnierende Situation provozierte einen erneuten Strategiewechsel. Durchdie Realisierung einzelner Interventionen vor Ort sollte einerseits das öffentli-che Interesse am Projekt wach gehalten und verstärkt werden, um zugleich dietatsächliche Umsetzbarkeit der Zwischennutzungsidee zu beweisen und eineZwischennutzung in Salamitaktik doch noch zu ermöglichen. In der Tat war dasöffentliche Interesse am Gebäude so nachhaltig geweckt, dass die Agentur »Part-ner für Berlin« als Kooperationspartner gewonnen werden konnte. MinimaleKosten für Notbeleuchtung, Zäune und Treppengeländer wurden investiert, umim Rahmen des Programms »Schaustelle Berlin« im Juli 2003 das Gebäude erst-mals nach Asbestsanierung für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Knappfünftausend Interessenten wurden so in den nach wenigen Stunden bereitsausverkauften Begehungen entlang eines gesteckten Pfades durch das Gebäu-de geführt. Nach der Schaustelle verblieben die von der VeranstaltungsagenturMediapool umgesetzten Sicherungseingriffe im Gebäude und bildeten einenersten Teil der ursprünglich geplanten Zwischennutzungsinfrastruktur.

Im September des gleichen Jahres – nach erneuten zähen Verhandlungen –gelang es, einen weiteren Schritt umzusetzen. Mit der von den Sophiensælenrealisierten Konzertreihe »Wagnerkomplex« von Christian von Borries in Zu-sammenarbeit mit der Brandenburgischen Philharmonie wurde die erste öf-fentliche Veranstaltung im Palast der Republik durchgeführt und damit einesder Initiativprojekte realisiert. Dies gelang nur, weil die Konzertreihe kurz vorder Eröffnung zur ›musikalischen Begehung‹ umdefiniert und unter dieser Be-zeichnung der Weg für eine Baugenehmigung geöffnet wurde. Diese wurdeerst vier Tage vor Beginn der Konzerte erteilt. Bemerkenswert dabei war dieflexible und der Kunst zugewandte Haltung der Bauaufsicht Mitte.

Das Konzert setzte sich auf höchst eigenwillige Art mit dem Palast und demgesamten Areal als politisch und symbolisch hoch aufgeladenem Ort auseinan-der. Es schien, als würden Innen- und Außenräume klingen, als höre man denNachklang der gewalttätigen Dekonstruktion und die Vorboten der rückwärts-gewandten Rekonstruktion des Schlosses. Die Musik brachte die Räume zumKlingen mit einem Sampling von Wagnermelodien, die teilweise elektronischgebrochen wurden.

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Unmittelbar nach dieser ersten künstlerischen Bespielung des Palasts wurdenoch im September 2003 der rasche Abriss für Ende 2004 vom DeutschenBundestag beschlossen.

Im Anschluss an die ersten Schritte entwickelte Siegfried Paul/Mediapoolfür ZwischenPalastNutzung eine neue Machbarkeitsstudie für die Bespielungdes Palasts. Aufbauend auf langjährigen Erfahrungen mit temporären Kultur-projekten sowie guten Kontakten zu Bauaufsicht und dem Eigentümer war esihm möglich, mit innovativen Lösungen die technischen Instandsetzungsko-sten für eine Bespielung um ein Vielfaches auf 100.000 EUR zu reduzieren. DasKonzept beschränkte sich auf eine Wiederherstellung des ehemaligen Foyers.Parallel dazu entwickelte die Initiative ZwischenPalastNutzung die Konzeptionfür eine dreijährige Bespielung. In Diskussionen mit den internationalen Kura-toren Hans Ulrich Obrist (Paris), Boris Ondreicka (Bratislava) und HannahHurtzig (Berlin) wurde das 1000 Tage-Konzept (siehe S. 31) entwickelt, das unteranderem drei thematische Felder und acht Spielregeln definierte. Der Palastsollte zum innovativen open-source-Projekt werden: inklusiv und nicht-hierar-chisch. Die öffentliche Präsentation der weiterentwickelten Konzeption erfolgteim November 2003 – zwei Wochen nach dem veröffentlichten Abrissbeschlussfür das nächste Jahr –, unterstützt durch Volker Schlöndorff, Peter Mussbach undKarl Ganser. Das Medienecho war wieder enorm – die Situation mit dem Bundals Eigentümer verbesserte sich nicht. Trotz intensiver Verhandlungsbemühun-gen mit dem Bund war keinerlei Gesprächsbereitschaft zu erkennen. Erst als sichder Berliner Kultursenator Thomas Flierl einschaltete, kam Bewegung in die er-starrte Situation. Er arrangierte eine Sitzung mit ZwischenPalastNutzung, den fürden Palast verantwortlichen Vertretern von Bund und Land, der BauaufsichtMitte, Experten und Kulturschaffenden. Ziel der Sitzung war es, die Rahmenbedin-gungen für ein substantielles Kulturprogramm im Palastes der Republik für dasJahr 2004 festzulegen und den Palast – entsprechend der Empfehlung der Exper-tenkommission aus dem Jahr 2001 – für eine kulturelle Nutzung freizugeben.

Die Sitzung wurde eröffnet mit einer Bombe. Das Bundesvermögensamt,zuständige Behörde für die Verwaltung des Palasts, teilte lapidar mit, dass es denPalast wenige Tage zuvor an eine Erfurter Firma vermietet habe, die dort eineAusstellung mit Kopien chinesischer Tonsoldaten aus den Gräbern von Xian ver-anstalten werde. Eine Ausstellung, die bisher in Zelten auf Wiesen, eher an denRändern einiger Großstädte, stattgefunden hatte. Eine Ausstellung, die den Palastausschließlich als attraktive Lokation nutzen wollte, als einen Ort, der Publikumper se anzieht. Die Argumentation der Behörde war klar: Ein kommerzieller Un-ternehmer ohne kulturelle und politische Ambitionen schien der bessere Part-ner als eine Gruppe von künstlerisch, aber auch politisch und städtebaulich am-

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DIE LEERE MITTE

bitionierten Kulturschaffenden.Trotz großer Unsicherheit aller Protagonisten desVereins ZwischenPalastNutzung kam es noch in dieser Sitzung zu einem Kom-promiss: Das Bundesvermögensamt rückte zwar nicht von der Vermietung fürdie Ausstellung ab, sagte aber bindend zu, dem Verein ZwischenPalastNutzungden Palast von August bis November 2004 für ein Kulturprogramm zu vermie-ten. Der Weg für eine kulturelle Zwischennutzung des Palasts war frei.

Unmittelbar nach der Entscheidung für die Zwischennutzung des Palastesder Republik stieg die Staatsoper aus dem gemeinsamen Projekt aus. Zu hocherschien ihr das finanzielle Risiko der Bespielung, zu kurz der Zeitraum von nurwenigen Monaten für die Realisierung ihres Opernprojektes mit Marina Abra-movic . Einzigartig und vorbildlich war, dass die Staatsoper die Förderung fürdieses Projekt, die sie vom Hauptstadtkulturfonds erhalten hatte, zurückgabund damit frei machte für andere Projekte im Palast der Republik.

Da das Projekt ZwischenPalastNutzung immer netzwerkartig angelegt war,bot es sich an, neue Partner zu finden. Es war Matthias Lilienthal, künstlerischerLeiter des Hebbel am Ufer, der sich spontan bereit erklärte, in das Projekt ein-zusteigen. Der Verein ZwischenPalastNutzung kam als Veranstalter nicht inFrage, da er keine Möglichkeit hatte, die finanziellen Risiken zu übernehmen.Zudem verlangte das Bundesvermögensamt als Vertragspartner eine GmbH.Auf Basis des 1000-Tage-Konzeptes wurde unter der künstlerischen Leitung vonAmelie Deuflhard, Matthias Lilienthal und Philipp Oswalt ein kondensiertesKonzept für drei Monate Spielzeit entwickelt: VOLKSPALAST. Die Hauptfinanzie-rung des Kulturprogramms erfolgte durch den Hauptstadtkulturfonds mit denvon der Staatsoper zurückgegebenen Mitteln.

InterventionDer Vorschlag VOLKSPALAST war der Vorschlag für einen Paradigmenwechsel inder Debatte. Dies war die einzige Möglichkeit, eine bis in jede Faser zerredeteDiskussion wieder aufzunehmen: VOLKSPALAST verlagerte den Fokus von derFassade auf die Nutzung. Ausgangspunkt aller Überlegungen war: Welche Nut-zung braucht das Zentrum Berlins? Wie die einzigartige Chance wahrnehmen,zu Beginn des 21. Jahrhunderts ein großes Kulturgebäude im Zentrum derHauptstadt planen zu dürfen.

Das Konzept von VOLKSPALAST war, temporär mit neuen Nutzungskonzep-ten zu experimentieren, die Ideen für die Zukunft generieren können. Kern desProgramms war, die Idee des multifunktionalen Kulturhauses aufzugreifen, aufseine heutige Relevanz abzuklopfen und ins 21. Jahrhundert weiterzudenken.Dieser Grundgedanke implizierte konzeptionell, ein Publikum anzusprechen,das weit über Festival- bzw. Theaterpublikum hinausgeht – eine Demokratisie-

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rung des Publikums. Strategie hierfür war nicht Erweiterung des Publikumsdurch Verflachung, sondern Erweiterung durch Differenzierung. Gearbeitetwurde mit Protagonisten von der Hochkultur bis zur Sub- und Clubkultur. DieVeranstaltungen reichten von Theater- und Tanzprojekten, einem Chöreprojekt,einer bespielten Fassaden-Wasserstadt, einen sportlichen Programmschwer-punkt für Jugendliche, einem internationalen Architekturkongress, Musik- undFilmprogramme und Clubveranstaltungen. Alle beteiligten Künstler hattenspezifische Arbeiten für VOLKSPALAST zu erstellen. Das leere Foyer des Palastssollte von den Künstlern frei als Projektionsfläche behandelt werden – mit allihren Implikationen. Temporalität war Grundprinzip und gleichzeitig die Anti-these zu Institutionalisierung. Programmatisch in diesem Zusammenhang wardie Tagung Fun Palace (siehe S. 181). Fun Palace ist ein Architekturkonzept vonCedric Price aus den 70er-Jahren, das Temporalität und Flexibilität in das Gebäude einschreibt und damit jede Form von Erstarrung und Institutionali-sierung verhindern möchte.

Die zweite Runde von VOLKSPALAST startete unter anderen Vorzeichen: ter-minierter Abriss. Ende der Debatte. VOLKSPALAST – Der Berg verhandelte diescheinbar beschlossene Imitation in einem absurden Spiel. Der Berg im Palastwar ähnlich sinnlos und losgelöst von gesellschaftlichen und räumlichen Zu-sammenhängen wie die romantische Idee der Rekonstruktion des Stadtschlos-ses. Der Berg ist implantiert aus einem anderen Raum, das Schloss aus eineranderen Zeit. Der Berg schafft einen sozialen Körper, einen Ort für Besiedelungund Gemeinschaft, einen Ort für freie Kunstproduktion. Die Künstler haben ihnangenommen, die Besucher haben ihn bestiegen und entdeckt. Und sie habenüber Paläste, Schlösser und Berge nachgedacht.

VOLKSPALAST war nicht institutionell, nicht bürokratisch, nicht kommerziell.VOLKSPALAST machte unbegehbares Gelände, ›verbotenes Land‹ wieder begeh-bar und gab ein Gebäude von hohem öffentlichen Interesse wieder an die Öffent-lichkeit zurück. VOLKSPALAST als Be-Setzung. Legale Besetzung, inhaltliche undkünstlerische Besetzung. Es griff die Architektur an und schrieb ihr eine andere Be-deutung ein. Das Projekt dekodierte das Gebäude, nahm es temporär aus demgeplanten Verwertungsprozess heraus und eröffnete es neuen Zuschreibungen.VOLKSPALAST wollte die klammheimliche Abwicklung des Palastes der Republikverhindern, der das wichtigste Gebäude der DDR war. Immerhin.

Zwischen Bürokratie, Politik und MediendemokratieVOLKSPALAST bewegte sich stets im Spannungsfeld von Politik, Bürokratie undMedien. Die Medien griffen das Thema auf, obwohl es vorher abgeschlossen ge-wesen zu sein schien. Der demokratische Diskurs fand vor allem hier statt. Die

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DIE LEERE MITTE

Revitalisierung der scheinbar unbenutzbaren Immobilie, die Wiederbelebungdes Schlossplatzes wurde äußerst positiv aufgenommen, der Palast der Repu-blik als Abbild wieder ins medial transportierte Stadtbild integriert, neue Argu-mente in die scheinbar langweilig gewordene Ost-West-Debatte eingespeist.Waren die Medien in der Anfangszeit aller Zwischennutzungsbemühungenschon Motor gewesen, nahmen sie während der Bespielung die Rolle des kriti-schen Beobachters wahr – offen für neue Argumente.

»Hat Berlin nicht schon das Schloss, von dem es träumt? … Es herrscht bei-leibe kein Konsens darüber, dass der Palast der Republik schrecklich und ein re-konstruiertes Schloss schön sei … Die Tristesse des Schlossplatzes liegt nicht amehemaligen Palast der Republik, sondern an seiner fehlenden Bespielung. Ber-lin könnte, statt von einem Schloss zu träumen, das so nie kommen wird, mitwenig Aufwand seine größte Ruine in eine populäre Bühne des öffentlichen Le-bens verwandeln. Die Energien zur Neuinterpretation des Palastes sind, im Ge-gensatz zum Geld für ein Schloss, vorhanden, Konzepte ebenfalls. Sie müssennur noch erkannt und politisch gefördert werden«, schrieb Niklas Maak in derFAZ vom 19. Oktober 2004. Und Till Briegleb kommentierte in der SüddeutschenZeitung vom 20. Oktober 2004: »Lässt sich die symbolische Diskussion alsovorübergehend aussetzen und die Kraft der Vorstellung, die sich mit dem Inhaltdes Gebäudes und nicht mit seiner Hülle beschäftigt, als bedeutender Impulsfür die ganze Stadt erkennen, dann kann hier ohne große Kosten ein kulturellerPrototyp von globaler Ausstrahlung wachsen. Auf die grüne Wiese aber werdennur die Hunde kacken.«

Der Diskurswandel, der sich in der medialen Berichterstattung von VOLKS-PALAST vollzog, hatte sich bereits im Jahr 2000 angedeutet: So war in der »Ta-geszeitung« zu lesen: »Es stehen sich nicht mehr Schloss- oder Palastfans ge-genüber – sondern auch zwei Generationen. […] Alt-Aktivisten wie die Initiative›Pro Palast‹, die im Laufe der letzten Jahre über 100.000 Unterschriften für denErhalt des berühmtesten Kulturpalastes der DDR sammelten und dutzende vonsanften ›Palastbelagerungen‹ organisierte, sind freilich längst nicht mehr ton-angebend.« (17.8.2000) Die ursprüngliche Ost-West-Debatte verlagerte sich inRichtung eines offensiven Protests einer jüngeren Generation gegen den Um-gang mit dem Gebäude. Das Ziel, den Palast der Republik zu erhalten, verstärktden Ost-West-Konflikt nicht, sondern konstruiert ein neues und versöhnendesBild, das verbunden wird mit einer zeitgemäßen zukunftsweisenden kulturel-len Nutzung des Palasts der Republik. Für den Zeitraum der Bespielung hat sichdieser Diskurs in den Medien durchgesetzt.

Die politische Seite verfolgte die Strategie systematischer Verweigerungund Sprachlosigkeit. Die mangelnde Diskursbereitschaft der Mehrzahl der Poli-

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PLANSPIEL ZWISCHENZEIT

tiker ist die ernüchternde Erkenntnis einer langjährigen Beschäftigung miteinem wichtigen Thema. Aktiven Dialog mit den Akteuren gab es selten, Ge-sprächsnachfragen wurden meist abgelehnt. Politische Kommentare zur Be-spielung wurden fast ausschließlich über die Medien gespielt, direkt oder indi-rekt. Statements über die Medien waren meist polemisch und hielten sich amalten Stand der Debatte um den Palast fest. Kommentare wie »Später Sieg derDDR-Propaganda« und »VOLKSPALAST ist ostalgisch« verweigerten jeglicheAuseinandersetzung mit dem Projekt, das einen völlig anderen Fokus hatte. Aufjede Bespielungsrunde wurde mit einer Beschleunigung der Abrissentschei-dung reagiert. Noch während der Bespielung von VOLKSPALAST I wurde der Ab-risstermin auf Dezember 2005 festgelegt. Zudem wurde im Oktober 2004 –noch während der Bespielung – von Kulturstaatsministerin Christina Weissund dem Berliner Kultursenator Thomas Flierl beschlossen, die Bespielung desPalasts für 2005 an eine öffentliche Einrichtung des Landes Berlin zu überge-ben. Nur weil keine geeignete Institution gefunden werden konnte, fiel die Be-spielung für 2005 an die ursprünglichen Akteure zurück. Doch trotz – jenseitsvon PDS und Teilen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – parteienübergreifenderAblehnung des Projektes gab es auch unentbehrliche politische Unterstützungvon Einzelpolitikern. Vor allem seien die Berliner Kultursenatorin AdrienneGoehler (später Kuratorin des HKF) und Kultursenator Thomas Flierl genannt,ohne die das Projekt nicht hätte stattfinden können.

VOLKSPALAST wurde mit Steuergeldern teilfinanziert. Insgesamt für zweiBespielungsrunden mit ca. 650.000 EUR, also weniger als ein Prozent der Rück-baukosten. Die öffentliche Finanzierung des Projekts war immer wieder Anlasskontroverser Auseinandersetzungen. Im Zentrum der Angriffe stand derHauptstadtkulturfonds für die Förderung von Projekten, die seine Kriterien be-stens erfüllt, ja übererfüllt haben, die weit über Berlin hinaus strahlten, aberauch weiter gingen in ihrer gesellschaftlichen Strahlkraft, als Kunstprojektedies gemeinhin tun. Warum hätte er die kulturelle Zwischennutzung nicht för-dern sollen, hatte die ›Internationalen Kommission Historische Mitte‹ diesedoch Ende 2001 einstimmig empfohlen. Dürfen sich Kunstprojekte kritisch mitaktuellen politischen Entscheidungen auseinander setzen? Dürfen Künstler-Innen und Kulturschaffende sich zu dringenden nationalen Fragen äußern?Darf, kann, muss Kunst politisch sein? Darf die Politik, die finanzielle Rahmen-bedingungen für Kunst stellt, Einfluss auf die Inhalte ausüben? Wo hört Kunstauf und fängt Politik an? Wo hört Politik auf und fängt Zensur an? Fast exem-plarisch wurden diese heiklen Fragen während der Bespielungszeit des Palasts der Republik immer wieder aufgeworfen. Mehrere der von Jury und Kuratorinempfohlenen Projekte wurden von der politisch besetzten ›Gemeinsamen Kom-

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DIE LEERE MITTE

mission‹. einer Art Aufsichtsrat des Hauptstadtkulturfonds, abgelehnt. Unteranderem das ZWEIFEL-Projekt, das schlicht und gleichzeitig monumental in denWintermonaten 2004/05 den VOLKSPALAST in einen Palast des Zweifels ver-wandelte, ihn zu einem Denkmal machte für 15 Jahre Zweifel in Deutschland.Zweifel nimmt nicht Stellung, sondern steht am Beginn jedes Denkens,jedes Neubeginns, jeglicher kreativen Äußerung. Zweifel verhandelt den Ver-lust von Utopien und Ideologien. Zweifel macht deutlich, dass es ein dringendesBedürfnis nach Perspektiven für die Zukunft gibt. Zweifel ist eine Utopie, dieüberleben kann. Als mögliche konstruktive Lösung zur heutigen postideologi-schen Realität.

Kaum ein Berliner, der diese Installation von Lars Ramberg nicht gesehenhat, kaum jemand, der sich deren ebenso schlichter wie komplexer Aussage entziehen konnte. Doch einmal mehr hat sich die Politik verweigert, das Projektignoriert, sich auf eine Entscheidung bezogen, die einmal gefällt war. Die Chance, über das Angebot nachzudenken, die die Installation aufdrängte, nichtergriffen. Immerhin: Auch dieses Projekt hat stattgefunden, hat Berlin verän-dert. Dank eines privaten Sponsors, der Firma Hydro aus Norwegen.

SchlussDas Konzept VOLKSPALAST hat in Anbetracht der seit Jahren tobenden Debatteum den Palast erhebliches kritisches Potenzial. VOLKSPALAST ist subversiv, un-terläuft politische Vorgaben, ignoriert politischen Druck und ist widerständigin Bezug auf den Kunstbetrieb. VOLKSPALAST arbeitet vernetzt mit flexiblenProjektgruppen. VOLKSPALAST schafft Ereignisse und unterläuft gleichzeitigEventstrukturen. Der erkennbare Respekt vor den spezifischen Erinnerungender ostdeutschen Bevölkerung sowie deren sozialen und kulturellen Erfahrun-gen wurde von Seiten der Politik als Provokation empfunden. VOLKSPALAST hates erreicht, den Streit um Fassadenarchitektur in eine andere Dimension zuführen. Eine Diskussion um historische Gerechtigkeit und kollektive Erinne-rung. VOLKSPALAST hat aber vor allem die Frage nach der künftigen kulturellenNutzung des Schlossplatzes aufgeworfen und ein Statement gegen eineMusealisierung der Innenstadt und für ein lebendiges offenes Kommunika-tionszentrum abgegeben. Architektur KANN kollektiver Erinnerung und neuenIdentitäten Ausdruck und Form geben. Noch ist es nicht zu spät.

Amelie Deuflhard ist künstlerische Leiterin der Sophiensæle, war künstlerischeLeiterin von VOLKSPALAST 2004 und 2005, Mitherausgeberin von »VOLKSPALAST.Zwischen Aktivismus und Kunst«

Philipp Oswalt ist Architekt, war künstlerischer Leiter von VOLKSPALAST 2004,Mitherausgeber von » VOLKSPALAST. Zwischen Aktivismus und Kunst«

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