+ All Categories
Home > Documents > Zum Verhältnis von wissenschaftlichem Denkstil und … · Denkstil und Sprachstil ... Die Kultur...

Zum Verhältnis von wissenschaftlichem Denkstil und … · Denkstil und Sprachstil ... Die Kultur...

Date post: 17-Sep-2018
Category:
Upload: doanliem
View: 218 times
Download: 0 times
Share this document with a friend
20
Zum Verhältnis von wissenschaftlichem Denkstil und Sprachstil Christiane Andersen Fach Deutsche Sprache und Literatur (Tyska) Institutionen för språk och litteraturer Göteborgs universitet [email protected]
Transcript

Zum Verhältnis von wissenschaftlichem Denkstil und Sprachstil

Christiane Andersen Fach Deutsche Sprache und Literatur (Tyska)

Institutionen för språk och litteraturer Göteborgs universitet

[email protected]

Denkstil: Tradition und Klassifikation Fakultäten in Göteborg und Greifswald

Humanistische Fakultät der Universität Göteborg

Institutionen för filosofi, lingvistik och vetenskapsteori Institutionen för historiska studier Institutionen för kulturvetenskaper Institutionen för litteratur, idéhistoria och religion Institutionen för språk och litteraturer Institutionen för svenska språket Philosophische Fakultät der Ernst Moritz Arndt Universität Greifswald Philologien Institut für Deutsche Philologie Institut für Fremdsprachliche Philologien Geschichte, Philosophie, Kunst, Musik Historisches Institut Institut für Philosophie Caspar-David-Friedrich-Institut Institut für Kirchenmusik und Musikwissenschaft Sozial- und Verhaltenswissenschaften Institut für Erziehungswissenschaft Institut für Politik- und Kommunikationswissenschaft Institut für Psychologie

[email protected] 2012-05-15

Wissenschaft als menschliche (kulturelle) Tätigkeit

Das Eigentümliche des Menschen, das, was ihn wirklich auszeichnet, ist nicht seine metaphysische und psychische Natur, sondern sein Wirken. [...] Dieses Wirken, das System menschlicher Tätigkeiten, definiert und bestimmt die „Sphäre des Menschseins“. Sprache, Mythos, Religion, Kunst, Wissenschaft, Geschichte sind die Bestandteile, die verschiedenen Sektoren dieser Sphäre. (S. 110)

Alle menschlichen Tätigkeiten gründen in besonderen historischen und gesellschaftlichen Bedingungen. (S. 111)

Die Wissenschaft ist der letzte Schritt in der geistigen Entwicklung des Menschen, und man kann sie als die höchste und charakteristischste Errungenschaft menschlicher Kultur ansehen. (S. 315)

Ernst Cassirer: Versuch über den Menschen. Einführung in eine Philosophie der Kultur 1944/1990

2012-05-15 [email protected]

Wissenschaftssprache und Kultur

Die Kultur einer Gesellschaft, [...] besteht in dem, was man wissen oder glauben muss, um in einer von den Mitgliedern dieser Gesellschaft akzeptierten Weise zu funktionieren. (S. 17)

Die Auseinandersetzung mit den symbolischen Dimensionen sozialen Handelns – Kunst, Religion, Ideologie, Wissenschaft, Gesetz, Ethik, Common Sense – bedeutet keine Abwendung von den existentiellen Lebensproblemen zugunsten eines [...] Bereichs ent-emotionalisierter Formen, sondern im Gegenteil den Sprung mitten hinein in diese Probleme. (S. 43)

Clifford Geertz: Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme. Suhrkamp 1987

2012-05-15 [email protected]

Wissenschaftssprache(n) vs. Fachsprache(n)

2012-05-15 [email protected]

Fachsprache(n) (Roelcke 1999)

Wissenschaftssprache(n)

- als Zeichensysteme (Gesamtheit aller sprachlichen Mittel im fachlich begrenzten Kommunikationsbereich) - Was ist ein Fach? (Handwerkszünfte im Mittelalter à Programmiersprache) - als Varietäten und Funktiolekte - Fach- und Gemeinsprache (fachliche Sprachsysteme) - als Textäußerungen (semiotische Gesichtspunkte: Personen, Ort, Zeit, Medium, Modalität)

- wissenschaftstheoretische (-historische) Perspektive - Wissenschaft als menschliche Tätigkeit à kulturphilosophische Perspektive: „Wissenschaft an sich“ - Sprache der Wissenschaft (z.B. Satzsemantik/Wahrheitsbedingungen) - (wissenschaftlicher) Denkstil und Sprachstil - Wissenschaftssprache“ à Beschreibung der „sprachlichen Verfasstheit“ der Wissenschaften;

Wissenschaftliches Denkkollektiv und Sprachstil (Ludwik Fleck, 1935)

Wenn auch die Organisation der Geisteswissenschaften weniger ausgeprägt ist, so knüpft schon jedes Lernen einer Tradition und einer Gesellschaft an; Wort und Sitten verbinden schon zu einem Kollektiv. Das Erkennen stellt die am stärksten sozialbedingte Tätigkeit des Menschen vor und die Erkenntnis ist das soziale Gebilde [an sich]. Schon in dem Aufbau der Sprache liegt eine zwingende Philosophie der Gemeinschaft, schon im einzelnen Worte sind verwickelte Theorien gegeben. [...] Gedanken kreisen vom Individuum zum Individuum, jedes Mal wird etwas umgeformt, denn andere Individuen knüpfen andere Assoziationen an sie an. Streng genommen versteht der Empfänger den Gedanken nie vollkommen in dieser Weise, wie ihn der Sender verstanden haben wollte. Nach einer Reihe solcher Wanderungen ist praktisch nichts mehr vom ursprünglichen Inhalte vorhanden. Wessen Gedanke ist es, der weiter kreist? Ein Kollektivgedanke eben, einer, der keinem Individuum angehört.“ (Fleck 1980:58)

Fleck, Ludwik (1980): Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. Einführung in die Lehre vom Denkstil und Denkkollektiv. Mit einer Einleitung hrsg. von Lothar Schäfer und Thomas Schnelle. Suhrkamp. (Textidentisch mit der 1935 bei Benno Schwabe & Co. erschienenen Erstausgabe.)

2012-05-15 [email protected]

Über den Zusammenhang von Denkstil und Sprachstil Ernst Cassirer (1944/1990)

Wenn man den Namen nicht kennt, misslingt auch die Erkenntnis der Dinge. (Carl v. Linné: Philosophia botanica. Zitiert nach Ernst Cassirer 1944/1990: 319)

In dieser Hinsicht scheint es keinen Bruch zwischen Sprache und Wissenschaft zu geben. Unsere sprachlichen und ersten wissenschaftlichen Namen lassen sich als Ergebnis und Ausdruck des gleichen Klassifikationstriebes auffassen. Was in der Sprache unbewusst geschieht, das wird in der Wissenschaft bewusst und methodisch vollzogen. (Ernst Cassirer 1944/1990: 319)

Sprache ist kein Objekt, kein physisches Ding, nach dessen natürlicher oder übernatürlicher Ursache wir suchen könnten. Sie ist ein Prozeß, eine allgemeine Funktion des menschliches Verstandes. (Ernst Cassirer 1944/1990: 69)

2012-05-15 [email protected]

Denkstile (persönlich, subjektiv) Jakob Grimm

Deutsche Grammatik. Erster Theil. 1819

Die verschrobenheit der deutschen sprachlehre in unseren schulen, den unwerth der bücher,

die man dabei zugrunde legt, hatte ich lebhaft beklagt; scheinen einige meiner behauptungen

zuweit gegangen (wiewohl ich nur den fast sinnlosen elementarunterricht angegriffen, nicht

aber vernünftige anwendung deutscher grammatik in höheren klassen verredet habe) so glaube

ich doch fernerer oder eigentlicher verantwortung überhoben zu sein und begnüge mich,

wohldenkende schulmänner auf das verfahren, welche verschwisterte, an practischem gefühl

uns so oft überlegende völker, Engländer, Holländer, Dänen und Schweden, rücksichtlich des

unterrichts in der angebornen, einheimischen sprache beobachten, zu verweisen [...] (Vorrede)

2012-05-15 [email protected]

Denkstile (persönlich, subjektiv) Ulrich Engel

Deutsche Grammatik.1988

Frühe kritische Stimmen wurden nicht zur Kenntnis genommen, vermochten jedoch kein

Umdenken zu bewirken. Die radikale Kritik an der klassischen Tempuslehre setzte erst nach

der Mitte unseres Jahrhunderts ein. Zwar war auch bisher schon gelegentlich betont worden,

Tempus und "objektive Zeit" seien nicht identisch. Aber erst jetzt wurden Fragen laut, ob

wirklich alle sechs Formen zum Tempussystem gezählt werden dürften (ins Kreuzfeuer geriet

vor allem das Futur II) und wie groß der "temporale" Anteil in den einzelnen Tempora

gegenüber dem "modalen" Anteil sei. Die Wirkung eines Paukenschlags hatte Harald

Weinrichs Tempusbuch von 1964, in dem der zeitliche Gehalt der Tempora, vor allem der

Haupt-Tempora Präsens und Präteritum (Imperfekt), schlechthin bestritten wird. (S. 494f)

2012-05-15 [email protected]

Denkstile (klar, eindeutig, global) Albert Einstein

Folgerungen aus den Capillaritätserscheinungen. 1901

2012-05-15 [email protected]

(Jahrhundertentdeckung auf Deutsch!)

Denkstile (einfach, dialogisch, pädagogisch) Ludwig Wittgenstein

Philosophische Untersuchungen. 1958

11. Denk an die Werkzeuge in einem Werkzeugkasten: es ist ein Hammer, eine Zange, eine Säge, ein Schraubenzieher, ein Maßstab, ein Leimtopf, Leim, Nägel und Schrauben. – So verschieden die Funktionen dieser Gegenstände, so verschieden sind die Funktionen der Wörter. (Und es gibt Ähnlichkeiten hier und dort.)

Freilich, was uns verwirrt, ist die Gleichförmigkeit ihrer Erscheinung, wenn die Wörter uns ausgesprochen, oder in der Schrift und im Druck entgegentreten. Denn ihre Verwendung steht nicht so deutlich vor uns. Besonders nicht, wenn wir philosophieren!

(Zitiert nach Ludger Hoffmann: Sprachwissenschaft ein Reader. 2000. S. 74)

2012-05-15 [email protected]

Denkstile (philosophisch, elitär) Jürgen Habermas

Philosophische Essays. 1996

Wer die Geschichte der Philosophie eher als ein Kontinuum betrachtet und den

Übergang von der Tradition zur Moderne einebnet, wird entweder wie Hegel konstruktiv

oder wie Heidegger dekonstruierend an der Fragestellung und Intention der großen

Philosophie festhalten, jedenfalls deren Wahrheitsgehalt einholen wollen. Der affirmativ

oder negativistisch festgehaltene Anspruch auf umfassendes Wissen lässt dann

innerhalb der Philosophie keinen Raum für die Unterscheidung zwischen Glaube und

Wissen. (Habermas 1996: 47)

Jürgen Habermas (1996): Vom sinnlichen Eindruck zum symbolischen Ausdruck. Suhrkamp Verlag.

2012-05-15 [email protected]

Denkstil als soziale Kraft Wissenschaftlicher Denkstil in der Medizin

(Ludwik Fleck, 1935)

Es besteht eine stilgemäße Bindung aller – oder vieler – Begriffe einer Epoche, die auf ihrer

gegenseitigen Beeinflussung beruht. Deshalb kann man von einem Denkstil sprechen, der den

Stil jedes Begriffs bestimmt. Die Geschichte lehrt, dass es heftige Kämpfe um

Begriffsdefinitionen geben kann. (Fleck 1980:15)

Der Denkstil bestehe aus einer „bestimmten Stimmung“ und der sie realisierenden Ausführung. Eine „Stimmung“ habe zwei eng zusammenhängende Seiten: Sie sei Bereitschaft für selektives Empfinden und für entsprechend gerichtetes Handeln, und sie schaffe die ihr adäquaten Begriffe wie Religion, Wissenschaft, Kunst, Sitte, Krieg usw. Denkstil definiert Fleck daraus abgeleitet als gedankliches und sachliches Verarbeiten des Wahrgenommenen. Ihn charakterisieren gemeinsame Merkmale der Probleme, die ein Denkkollektiv interessieren, nämlich Urteile, die es als evident betrachtet, und Methoden, die es als Erkenntnismittel anwendet. Den Denkstil begleitet auch ein technischer und literarischer Stil des Wissenssystems. „Zugehörig zu einer Gemeinschaft, erfährt der kollektive Denkstil die soziale Verstärkung [...], die allen gesellschaftlichen Gebilden zuteil wird und unterliegt selbständiger Entwicklung durch Generationen.“ (Vgl. Fleck 1980:130)

Fleck, Ludwik (1980): Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. Einführung in die Lehre vom Denkstil und Denkkollektiv. Mit einer Einleitung hrsg. von Lothar Schäfer und Thomas Schnelle. Suhrkamp. (Textidentisch mit der 1935 bei Benno Schwabe & Co. erschienenen Erstausgabe.)

2012-05-15 [email protected]

Wissenschaftlicher Sprachstil Zeitschriftenwissenschaft in der Medizin

(Ludwik Fleck, 1935)

Während die Populärwissenschaft auf Anschaulichkeit zielt, verlangt die Fachwissenschaft eine „kritische Zusammenfassung in ein geordnetes System“ (Fleck 1980:156). Die eigentliche Basis dieses geordneten Systems bildet der schöpferische Wissenschaftler, der sich oft im Schnittpunkt verschiedener Denkkollektive bewährt hat und als „persönliches Zentrum frischer Gedanken erscheint“ (Fleck 1980:156). Er verfasst zunächst einen Bericht über die Ergebnisse einer wissenschaftlichen Arbeit in einer Fachzeitschrift. Diese Form der wissenschaftlichen Tätigkeit nennt Fleck auch Zeitschriftwissenschaft. Sie ist durch einen vorläufigen und persönlichen Stil geprägt. Er ist u.a. erkennbar an konkreten sprachlichen Stilelementen wie ich habe nachzuweisen versucht, dass..., es scheint möglich zu sein, dass...; oder auch negativ: es konnte nicht nachgewiesen werden, dass... (vgl. Fleck 1980:157) Der Verfasser von wissenschaftlichen Artikeln vermeidet in der Regel auch das Urteilen über Existenz oder Nichtexistenz von Erscheinungen; er stellt seine Beobachtungen eher in Frage, als dass er von ihrer eindeutigen Richtigkeit ausgeht. Die Zeitschriftwissenschaft ist daher nicht ohne weiteres gleichermaßen als Summe von Artikeln in einem Handbuch zusammenzufassen, weil die einzelnen Arbeitsmethoden und Standpunkte so persönlich sind, dass sich aus den inkongruenten Fragmenten noch kein organisches Ganzes bilden lässt. Ein wichtiges Merkmal von Zeitschriftenartikeln besteht darin, dass zwar oft ein ausgesprochen begrenztes Problem bearbeitet wird, jedoch immer auch danach gestrebt wird, an die Problemstellung eines größeren Forschungsgebiets anzuknüpfen; z.B. enthalten die meisten Zeitschriftenartikel in ihrer Einleitung oder in der Zusammenfassung solche allgemeinen Anknüpfungen an übergreifende Forschungsrichtungen. (Vgl. Fleck 1980:156)

2012-05-15 [email protected]

Wissenschaftlicher Sprachstil Handbuchwissenschaft in der Medizin

(Ludwik Fleck, 1935)

Im Unterschied zur Zeitschriftwissenschaft ist die Handbuchwissenschaft in ihrer Darstellungsweise unpersönlich gehalten. Ihr sind sprachliche Stilelemente wie es existiert das und das nicht... oder: es gibt so und so etwas, es steht fest, dass... (vgl. Fleck 1980:157) Ein Handbuch ist daher nicht einfach die Summe einzelner wichtiger Zeitschriftenartikel, sondern ein Handbuch entsteht durch Auswahl und geordnete Zusammenstellung. Erst dann wird es zur Grundlage späterer Forschung. Im Handbuch wird erst entschieden,   [...] was als Grundbegriff zu gelten habe, welche Methoden lobenswert heißen, welche Richtungen viel versprechend erscheinen, welchen Forschern ein Rang zukomme und welche einfach der Vergessenheit anheim fallen. (Fleck 1980:158)   Im Handbuch wird die Wissenschaft als geordnetes System widergespiegelt, d.h. die in ihm enthaltenen Aussagen müssen eindeutig und nachgewiesen sein, was in der fragmentarischen Zeitschriftwissenschaft nicht unbedingt der Fall zu sein braucht. Fleck nimmt an, dass die Handbuchwissenschaft zu einem bestimmten Denkzwang wird. (Vgl. Fleck 1980:160) Solche Denkzwänge lassen sich auch in der Sprachwissenschaft nachweisen, obwohl hier große Unterschiede im Denkstil zwischen einem Sprachwissenschaftler und einem Mediziner anzunehmen sind. Warum das so ist, hat hauptsächlich damit zu tun, dass eine wissenschaftliche Tatsache in der Sprachwissenschaft eine gänzlich andere ist als in der Medizin.

2012-05-15 [email protected]

Beispiel: Denkstil in der Sprachwissenschaft (Grammatiken seit Jacob Grimm)

Grimms Sprachstil entspricht hier eher der Zeitschriftwissenschaft, wie sie Fleck beschreibt. Er stellt den grammatischen Gegenstand sehr persönlich dar: „Bei Slaven und Litthauern sind diese Passivumschreibungen wenig beliebt; auch unter uns meidet sie der gemeine Mann oder braucht sie gar nicht [...]“ (Grimm 1898:22)

Nun gibt es seit Grimm, d.h. seit 200 Jahren, in jedem grammatischen Handbuch eine Beschreibung des Passivs im Deutschen. Das Passiv wurde oft (bis in heutigen Sprachlehrbüchern – d.h. auch in der Populärwissenschaft) aus dem Lateinischen mit Leideform umschrieben, während das Aktiv als die Tätigkeitsform betrachtet wird. „Wenn man sich die Tätigkeit s c h l a g e n denkt“, schreibt Sütterlin, „und als die zwei Punkte, zwischen denen sie sich bewegt, etwa K n e c h t und P f e r d annimmt, so muss man vom Standpunkt des Knechtes, dem Ausgangspunkt der Handlung, sagen: Der Knecht schlägt das Pferd. Stellt man sich aber an die Stelle des Pferdes, so muß der Satz heißen: Das Pferd wird geschlagen von dem Knecht.“ (Sütterlin 1907:232) Diese Sichtweise war bis in die 70er Jahre verbreitet.

2012-05-15 [email protected]

(Wissenschaftlicher) Sprachstil und generische Kompetenz

Ansatz aus der Literaturtheorie

Wenn wir jemanden sprechen hören, meinte Bakhtin, könnten wir schon bei den ersten Worten auf die Gattung schließen, auch auf einen gewissen Umfang des Gesagten, d.h. auf seine ungefähre Länge, sogar auf eine gewisse Äußerungsstruktur; in vielen Fällen lasse sich auch der Schluss voraussehen. Bachtins Vorstellungen wurden besonders von der Literaturwissenschaft richtungsweisend aufgesogen, jedoch nie wirklich konsequent in die konkrete Literaturanalyse umgesetzt.

Generische Kompetenz ist offensichtlich ein Teil der allgemeinen menschlichen Fähigkeit zuerst etwas wahrzunehmen und es in einem weiteren Schritt zu erkennen, indem es zugeordnet bzw. eingeordnet wird. Daraus lässt sich das Vorhandensein einer Art systematisierenden Verfahrens annehmen, das besonders in der literarischen Praxis zum Tragen kommt, aber auch auf alle anderen Arten der Wissensaneignung angewendet werden kann.

Mikhael Bakhtin, Speech Genres & Other Late Essays, translated by Vern W. McGee, edited by Caryl Emerson and Michael Holquist (Austin: University of Texas Press, 1986), S. 68ff. (Geschrieben 1952-53: Problema rečevych žanrov, postum publiziert in Moskau 1979)

2012-05-15 [email protected]

Wissenschaftlicher Denkstil und Sprachstil Kontrastive Textologie (Kirsten Adamzik, 2001)

Textsorten in wissenschaftlichen Tagungen

2012-05-15 [email protected]

Phasen Organisatoren Kongressteil-nehmer als Individuum

Kongressteilnehmer als Kollektiv

Kongressteil- nehmer in anderen Rollen

Wissenschaftliche Gemeinschaft

1.Vorbereitungsphase (Tagungsorganisation)

Call for Papers Kongresseinladung Abstract Arbeitsgruppe

à à à

Forschungsliteratur Rezension

2.Administrative Vorbereitungsphase

Tagungsprogramm Anmeldung ß à

Forschungsprojekt Seminar Vorlesung Publikation

3.Frühphase d. Texterstellung (Texte mit kataphorischer Funktion)

Abstractsammlung Kongressabstract ß à Vortragsmanuskript Stichwortsammlung Folie Handout Videoaufzeichnung

4.Phase d. wiss. Austausches: Diskussion und Aushandlung von Ergebnissen (Nachphase I, Endphase: Überarbeitung d. Mamuskripts, für Veröffetnlichung usw. Nachphase II)

(Tagungsbericht, Tagungsakte, Sammelband, Aufsatz,Buch)

Plenum: Eröffnung Begrüßung Hauptreferat Podiumsdiskussion Mitgliederversammlung Pausengespräch Mittagstischgespräch Vortrag,Koreferat, Statement, Poster,Notiz, Vortragsdisskussion, Diskussionsbeitrag

(Wissenschaftlicher) Sprachstil und signifikante Muster nach Linke 2011

Ansatz aus der kulturanalytischen (germanistischen) Linguistik (Entwurf)

[Spricht man] von Mustern, Formen, Patterns, Schemata, Stereo- typen – Begriffe, die jeweils nicht beliebig sind und deshalb auch nicht ohne weiteres als synonym betrachtet werden können, sondern durchaus auf Differenzierungen des Grundgedankens abheben, die jedoch diesen Grundgedanken selbst – den der kulturellen Signifikanz wiedererkennbarer, in einer soziokulturellen Gemeinschaft im wiederholten Gebrauch verfestigter Formen – bestärken.

Sprachgebrauchsanalyse als Kulturanalyse à Sprachgebrauchsgeschichte als Kulturgeschichte

- Beispiel Intonation in öffentlichen Nachrichten (News) à Muster offiziellen Sprechens

- Beispiel Begriffsgeschichte: Bielefelder Historiker Reinhart Koselleck begründetes Forschungsprogramm der

- Morphosyntaktische Muster und ihre kulturhistorische Analyse

- Linke zitiert Bakhtin! („normative significance“)

Angelika Linke (2011): Signifikante Muster – Perspektiven einer kulturanalytischen Linguistik. In: Elisabeth Wåghäll Nivre et al (Hrsg.): Begegnungen. Das VIII. Nordisch-Baltische Germanistentreffen in Sigtuna vom 11. bis zum 13.6.2009. Acta Universitatis Stockholmiensis: Stockholm. 23-44.

2012-05-15 [email protected]

Danke für Denkstiel!

2012-05-15 [email protected]


Recommended