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Zum Stand der Nutzung der oberflächennahen...

Date post: 18-Sep-2018
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Wulf Brandt, Thomas Hanschke & Holger Kaiser AETNA Energiesysteme GmbH Wildau, H.S.W. GmbH Rostock Zum Stand der Nutzung der oberflächennahen Geothermie in Norddeutschland Zusammenfassung In Norddeutschland sind aufgrund der spezifischen Geologie gute Bedingungen für die Nutzung der Oberflächennahen Geothermie mit erdgekoppelten Wärmepumpen gegeben. Anwendungen der oberflächennahen Geothermie bzw. die thermische Nutzung des oberflächennahen Untergrunds haben in den vergangenen 2 Jahren in Norddeutschland spürbar zugenommen. Durch die regionalen Erfahrungsträger werden jetzt verstärkt anspruchsvolle Projekte der saisonalen Speicherung von Wärme und Kälte im oberflächennahen Untergrund umgesetzt. An mehreren Beispielen wird die Umsetzung innovativer Großprojekte in Norddeutschland, die unter Mitwirkung der Autoren entstanden, vorgestellt und über erste Betriebserfahrungen berichtet. Darüber hinaus werden in Planung befindliche Vorhaben vorgestellt und ein Ausblick zur weiteren Entwicklung der innovativen Energietechnologie gegeben. Eine angepasste geologische Standorterkundung und eine anschließende Bohrlochvermessung mittels Geothermal Response Test werden dargestellt. Der kompetente Einsatz spezieller numerischer Berechnungsverfahren für die Bemessung der Quellenanlagen, sowie deren neue Rolle für Prognose und Dokumentation im bergrechtlichen und wasserrechtlichen Verfahren werden diskutiert. Die Erfahrungen bei der Umsetzung verschiedener Anlagen haben gezeigt, dass die Nutzung der oberflächennahen Geothermie bei optimierter Auslegung für Heizen und Kühlen bereits ohne Förderung eine wirtschaftliche Alternative zu herkömmlichen Wärmeversorgungssystemen sein kann. Oberflächennahe Geothermie in Norddeutschland Durch die stete Energiepreissteigerung bei Öl und Gas hat die Nachfrage bei den oberflächennahen geothermischen Nutzungen für die wirtschaftliche und umweltgerechte Klimatisierung von Gebäuden in Norddeutschland sprunghaft zugenommen. Aufgrund der technischen Innovationen und der relativ moderaten Bohrpreise (hier: Erdwärmesonden, Brunnen) sind die wirtschaftlichen Bedingungen für die Errichtung erdgekoppelter Wärmepumpen so günstig wie nie zuvor. Gemäß Planungsempfehlungen der Länderarbeitsgemeinschaft ARGEBAU (LAG 1998) sind Neubauten im öffentlichen Sektor verbindlich unter dem Gesichtspunkt der
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Wulf Brandt, Thomas Hanschke & Holger Kaiser

AETNA Energiesysteme GmbH Wildau, H.S.W. GmbH Rostock

Zum Stand der Nutzung der oberflächennahen Geothermie in

Norddeutschland

Zusammenfassung

In Norddeutschland sind aufgrund der spezifischen Geologie gute Bedingungen für die Nutzung der Oberflächennahen Geothermie mit erdgekoppelten Wärmepumpen gegeben. Anwendungen der oberflächennahen Geothermie bzw. die thermische Nutzung des oberflächennahen Untergrunds haben in den vergangenen 2 Jahren in Norddeutschland spürbar zugenommen. Durch die regionalen Erfahrungsträger werden jetzt verstärkt anspruchsvolle Projekte der saisonalen Speicherung von Wärme und Kälte im oberflächennahen Untergrund umgesetzt. An mehreren Beispielen wird die Umsetzung innovativer Großprojekte in Norddeutschland, die unter Mitwirkung der Autoren entstanden, vorgestellt und über erste Betriebserfahrungen berichtet. Darüber hinaus werden in Planung befindliche Vorhaben vorgestellt und ein Ausblick zur weiteren Entwicklung der innovativen Energietechnologie gegeben. Eine angepasste geologische Standorterkundung und eine anschließende Bohrlochvermessung mittels Geothermal Response Test werden dargestellt. Der kompetente Einsatz spezieller numerischer Berechnungsverfahren für die Bemessung der Quellenanlagen, sowie deren neue Rolle für Prognose und Dokumentation im bergrechtlichen und wasserrechtlichen Verfahren werden diskutiert. Die Erfahrungen bei der Umsetzung verschiedener Anlagen haben gezeigt, dass die Nutzung der oberflächennahen Geothermie bei optimierter Auslegung für Heizen und Kühlen bereits ohne Förderung eine wirtschaftliche Alternative zu herkömmlichen Wärmeversorgungssystemen sein kann.

Oberflächennahe Geothermie in Norddeutschland

Durch die stete Energiepreissteigerung bei Öl und Gas hat die Nachfrage bei den oberflächennahen geothermischen Nutzungen für die wirtschaftliche und umweltgerechte Klimatisierung von Gebäuden in Norddeutschland sprunghaft zugenommen. Aufgrund der technischen Innovationen und der relativ moderaten Bohrpreise (hier: Erdwärmesonden, Brunnen) sind die wirtschaftlichen Bedingungen für die Errichtung erdgekoppelter Wärmepumpen so günstig wie nie zuvor. Gemäß Planungsempfehlungen der Länderarbeitsgemeinschaft ARGEBAU (LAG 1998) sind Neubauten im öffentlichen Sektor verbindlich unter dem Gesichtspunkt der

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Energieeinsparung und des Umweltschutzes zu planen. Dies beinhaltet den Einsatz regenerativer Energien, insbesondere auch der oberflächennahen Geothermie bzw. die thermische Nutzung des Untergrundes. Dank des intensiven Engagements innovativer Architekturbüros, der Investoren und Generalplaner sowie der zügigen Durchführung der Genehmigungsverfahren zeichnet sich für Norddeutschland bezüglich der Etablierung der Nutzung der oberflächennahen Geothermie eine sehr dynamische Entwicklung ab. Die gesamte bis zum Ende des Jahres 2004 im norddeutschen Raum installierte Leistung größerer Anlagen zur Nutzung der oberflächennahen Geothermie bzw. zur thermischen Nutzung des Untergrundes wird auf eine Größenordnung von 4 MW geschätzt. Weitere Großprojekte zur Nutzung der oberflächennahen Geothermie/thermische Nutzung des Untergrundes in Norddeutschland befinden sich gegenwärtig in der Planung bzw. stehen kurz vor der Realisierung. Eine Umfrage bei einigen Wärmepumpenherstellern in Norddeutschland ergab eine jährliche Steigerung der Verkaufszahlen erdgekoppelter Wärmepumpen zwischen 15 und 50 %. Die Aussichten für die Folgejahre gestalten sich nach Ansicht der befragten Hersteller ähnlich optimistisch. Innovation bei der oberflächennahen Geothermie

In Norddeutschland ist eine Zunahme bei der Errichtung von Energiepfahlanlagen zu beobachten. Die traditionellen Hersteller von Gründungspfählen in Norddeutschland haben die Entwicklung des Marktes erkannt und eigene Energiepfahlsysteme entwickelt bzw. betreiben gegenwärtig einen zum Teil erheblichen Entwicklungsaufwand. Technisch anspruchsvolle innovative Konzepte der Nutzung der oberflächennahen Geothermie/thermische Nutzung des Untergrundes ergeben sich vor allem bei der Kombination der Quellenanlagen (z.B. Energiepfähle, Erdwärmesonden, Oberflächenwasser, Grundwasser) aber auch durch Kombination der erdgekoppelten Wärmepumpe mit anderen umweltfreundlichen Versorgungslösungen (hier: Fernwärme, Solarthermie, Gas-Brennwerttechnik). Durch die sinnvolle Kombination der verschiedenen Energietechniken lassen sich die Investitionskosten zur Wärme- und Kälteversorgung mit erdgekoppelten Wärmepumpen häufig stark reduzieren, ohne auf einen hohen Anteil von Erdwärme in der Gesamtbilanz Heizen (Kühlen) verzichten zu müssen. Allerdings erfordern derart komplexe Anlagen einen höheren Aufwand zur Steuerung und Regelung zur effektiven Umsetzung ihrer Zielstellung zur Primärenergieeinsparung.

Aktuelle Probleme

Die dynamische Entwicklung auf dem norddeutschen Markt für erdgekoppelte Wärmepumpen hat aber auch zu Problemen geführt. In zunehmendem Maße beobachten wir Fehlbemessungen und eine mangelhafte Ausführungsqualität vor allem im Bereich kleinerer Erdwärmesondenanlagen. Das schwierige Marktumfeld der Heizungsinstallationsbetriebe hat dazu geführt, dass vermehrt unerfahrene Installationsbetriebe die Errichtung erdgekoppelter Wärmepumpen anbieten. Fehlende Schulung der Installateure sowie ein sich

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abzeichnender Preiskampf führen teilweise dazu, dass elementare Regeln der VDI 4640 bei der Anlagenerrichtung nicht beachtet werden bzw. Qualitätsanforderungen insbesondere auf der Wärmequellenseite nicht eingehalten werden können. Diese Entwicklung gefährdet ein nachhaltiges Wachstum bei der Nutzung der oberflächennahen Geothermie. Aus unserer Tätigkeit sind verschiedene Fälle fehlbemessener oder nicht gebrauchsfähiger Erdwärmesondenanlagen bekannt, die teilweise zu Rechts-streitigkeiten zwischen Bauherrn und Installationsbetrieb geführt haben. Ziel und Intention der agierenden Planungsbüros und Genehmigungsbehörden ist eine nachhaltige Etablierung der innovativen Energietechnik. Die fachgerechte Planung und Bemessung der Anlagen, sowie die Ausführung der Bohr- und Installationsarbeiten durch qualifizierte Fachbetriebe sind die Grundlage für ein anhaltendes Wachstum des norddeutschen Erdwärmemarktes. Die Unterstützung des Bauherrn durch erfahrene Ingenieure und Geologen bei der Kontrolle der Bemessung und der Ausführung des Untertageteils hat sich als ein wirksames Instrument der Qualitätssicherung erwiesen.

Geologische Bedingungen

Norddeutschland weist aufgrund seiner spezifischen Geologie gute bis sehr gute Bedingungen für die Nutzung der oberflächennahen Erdwärme bzw. für die thermische Nutzug des Untergrundes mit erdgekoppelten Wärmepumpen (hier Systemvarianten: Erdwärmesondenanlagen, Energiepfähle, Brunnen) auf. Regional tätige Bohrbetriebe haben in den vergangenen Jahren erfolgreich ihre Technik für die besonderen Aufgabenstellungen angepasst. Ein sehr häufig eingesetztes Bohrverfahren ist das direkte Spülbohren. Wegen der bevorzugten Nutzung pleistozäner Grundwasserleiter im norddeutschen Raum für die Trinkwassergewinnung und der teilweisen Ausbildung von artesisch gespannten Grundwasser in glaziären Depressionslagen werden von den Genehmigungsbehörden regionale Referenzen, Leistungsfähigkeit und fachliche Qualifikation bzw. eine Zertifizierung der Bohrbetriebe gefordert und durchgesetzt. In Nordostdeutschland ist in den oberflächennahen Schichten ein "normal" ausgeprägter geothermischer Gradient mit durchschnittlich folgendem Temperaturregime anzutreffen (Iffland & Lückstätt, 2001):

0-100 m 9-11 ° C >100 m >11 ° C.

Unterschiede der geothermischen Ergiebigkeit der Wärme- bzw. Kältequellen resultieren im Wesentlichen aus den unterschiedlichen thermohydrodynamischen Eigenschaften der pleistozänen Grundwasserleiter (Sande bis Kiese) bzw. Grundwassergeringleiter (Geschiebemergel, Ton-Schluff-Komplex, organogene Ablagerungen).

Geothermal Response Tests

Stratigraphie und petrographische Fazies der holozänen und pleistozänen Ablagerungen Norddeutschlands können erhebliche Unterschiede bei der thermischen Leitfähigkeit der Typussubstrate bewirken (siehe Tabelle). So sind durch verschiedene Geothermal Response Tests in Norddeutschland u.a. für Geschiebemergel teilweise auf engstem Raum Werte für die thermische Leitfähigkeit

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in einem Band von 1,4 bis 2,2 W/m x K nachgewiesen worden (Messungen: AETNA Energiesysteme GmbH). Unterschiedliche Lagerungsdichten aufgrund der spezifischen Genese der holozänen und pleistozänen Grundwasserleiter können ebenfalls starke Unterschiede bei der thermischen Leitfähigkeit bewirken. Die starke Schwankungsbreite der per Geothermal Response Test nachgewiesenen thermischen Leitfähigkeit für die Typussubstrate im norddeutschen Raum unterstreicht die Notwendigkeit der Durchführung dieser in - situ Tests für individuelle Standorte, wenn mittlere bis große Erdwärmesondenfelder bzw. Energiepfahlanlagen realisiert werden sollen. Tabelle: Wertebereiche der Thermischen Leitfähigkeit aus geothermal response Tests für ausgewählte Typussubstrate in Norddeutschland (Messergebnisse AETNA Energiesysteme, Wildau)

Thermohydrodynamische Simulation der Quellenanlagen

Die thermohydrodynamische Simulation mit numerischen Modellen ist für mittlere bis größere Erdwärmesondenfelder, Energiepfahlanlagen und Grundwasserwärmepumpen Stand der Technik (u.a. Empfehlung in der VDI-Richtlinie 4640). Für mittlere und große Anlagen ist ein Nachweis der Unbedenklichkeit für das Grundwasser bzw. des nachhaltig schutzgutneutralen Betriebs mit Hilfe einer numerischen Simulation des thermischen Regimes im Untergrund zwingend erforderlich. Gemäß Forderungen des §3 WHG Abs. 2 müssen für den Betrieb auch von Erdwärmeanlagen dauernde bzw. in nicht nur unerheblichen Ausmaß schädliche Veränderungen der physikalischen, chemischen oder biologischen Beschaffenheit des Grundwassers grundsätzlich ausgeschlossen werden. Aufgrund der realisierbaren hohen zeitlichen und räumlichen Diskretisierung weisen numerische Modelle gegenüber analytischen Lösungsverfahren bei der Bemessung der Quellenanlagen erhebliche Vorteile auf. Nur wenige spezialisierte numerische Modelle berücksichtigen sowohl Wärmeleitung der Matrix als auch Wärmetransport mit dem Grundwasser (u.a. FEFLOW, FMH3, Hst 3d). Für verschiedene projektbezogene numerische Modellstudien wurde das Programmsystem FEFLOW 5.0 zur Prognose der potentiellen Beeinflussung des Temperaturregimes der holozänen und pleistozänen Grundwasserleiter herangezogen. Unter Ansatz der gemäß hydrogeologischen Primärdaten ausgewiesenen Grundwasserdynamik wurden die geplanten Anlagen für die Betriebszeit und eine Wiederangleichungsphase erfolgreich simuliert. Gegenwärtig laufen praxisnahe Untersuchungen zur inversen Simulation von Geothermal Response Tests mit dem Ziel, die Aussagegenauigkeit zu erhöhen und den Aufwand für die Auswertung zu reduzieren.

Typussubstrat Thermische Leitfähigkeit l /W/m x K) Geschiebemergel 1,4 - 2,25 Ton, Beckenton Schluff (glazilimnisch) 1,4 - 1,9 Sande (glazial, wassergesättigt) 1,6 - 2,4 Mudde 0,5 - 0,8 Kreide (Schreibkreide, geklüftet) 1,3 – 2,3

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Die numerische thermohydrodynamische Simulation mit FEFLOW 5.0 ermöglicht die realistische Simulation komplexer Anwendungsfälle bezüglich anspruchsvoller Geometrien (z.B. unregelmäßige Anordnung von Erdwärmesonden im Erdwärmesondenfeld) sowie der Nachbildung hochdynamischer Lade- und Entladeprozesse von Wärme. Ein großer Vorteil ist, dass der Einfluss der Grundwasserströmung auf die geothermische Entzugsleistung bzw. den Speichernutzungsgrad verlässlich abgeschätzt werden kann. Daraus ergeben sich erhebliche potentielle Einsparungen bei den Investitionskosten der Quellenanlage. In bisherigen Anwendungen haben sich die finanziellen Aufwendungen für die Erstellung numerischer thermohydrodynamischer Modelle durch investitionsseitige Kostenreduzierungen amortisiert.

Temperaturfeld im Bereich eines großen Erdwärmesondenfeldes mit Einfluss der Grundwasserströmung berechnet mit FEFLOW 5.0, mehrschichtiges 3D Grundwassermodell, H.S.W. GmbH Rostock, 12/2002

Kühlung mit dem Untergrund

Aufgrund des sich vollziehenden Klimawandels und der angestrebten Verbesserung des Klimatisierungskomforts wird ein steigender Kühlbedarf für den Gebäudebestand in Deutschland vorausgesagt. Zur Kältebereitstellung bietet die umschaltbare erdgekoppelte Wärmepumpe eine sehr wirtschaftliche Lösung.

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Für Büro- und Geschäftshäuser rückt gegenwärtig die Bereitstellung von Kälte durch die thermische Nutzung des Untergrundes in den Mittelpunkt des Interesses, da Betriebskosten nachhaltig gesenkt werden können. Der saisonale Wechsel von Heizen und Kühlen mit dem Untergrund erhöht die Wirtschaftlichkeit der erdgekoppelten Wärmepumpe, da Wärme und Kälte jedes Jahr „recycelt“ werden. Die Mehrkosten für den Einsatz einer reversiblen erdgekoppelten Wärmepumpe amortisieren sich durch die massive Einsparung bei den Betriebskosten (Heizung, Kühlung) bei günstigen Randbedingungen innerhalb von 4 bis 8 Jahren. Voraussetzung dafür ist eine möglichst weitgehend ausgeglichene Wärmebilanz, die durch hohe spezifische Wärmeleistungen zur Senkung der Investitionskosten im Untertageteil führt. Der nutzbare Anteil der „freien“ Kühlung über Erdwärmesonden ist dagegen wegen der geringen Temperaturdifferenzen zwischen Wärmequelle (Gebäude) und der Wärmesenke Untergrund selbst bei günstigen hydrogeologischen Randbedingungen und einem Hochtemperaturkühlsystem begrenzt. Kurzportrait einiger Großprojekte in Norddeutschland

Kunsthalle Emden

Das Museum erhielt 1999 einen Erweiterungsbau. In diesem Zusammenhang wurden 11 Erdwärmesonden von je 250 m Tiefe zum Heizen und Kühlen unter äußerst beengten Platzverhältnissen errichtet. Sie dienen seither als Wärmequelle bzw. Wärmesenke für die in das Klimatisierungssystem eingeordneten Propan-Wärmepumpen. Quelle: www.kunsthalle.conne.net Die konservatorischen Anforderungen erfordern die Einhaltung eines hohen Standards hinsichtlich Luftfeuchte und Temperatur. Der Einsatz der Erdwärmesondenanlage ermöglicht bei einer Nutzung über einen großen Zeitraum des Jahres in Verbindung

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mit der Wärmerückgewinnung die Reduzierung des Primärenergiebedarfs des Gebäudes auf ca. 50% im Vergleich zu einer konventionellen Lösung. AETNA Energiesysteme GmbH führte auf der Grundlage eines Geothermal Response Testes die Dimensionierungsrechnungen zur Anpassung an die Standortverhältnisse durch und realisierte die Anbindung an die Wärmepumpenanlage.

Erdwärmesondentemperatur im Jahresgang (Quelle: www.kunsthalle.conne.net)

Universitätsbibliothek Rostock

Im Neubau der Universitätsbibliothek der Universität Rostock (Mecklenburg-Vorpommern) wird das Heizen (ca. 60 kW) und die sommerliche Kühlung (ca. 120 kW) seit Ende 2003 für bestimmte Gebäudeteile (u.a. Büchermagazin) durch die geothermische Nutzung des Untergrunds realisiert. Die Gewinnung von Erdwärme und „Erdkälte“ erfolgen am Standort über ein Erdwärmesondenfeld von 28 Erdwärmesonden, die jeweils bis in 80 m Tiefe in das Erdreich eingebracht sind. Die Tiefe von 80 m ist von Geologen im Ergebnis der Auswertung von Erkundungen und eines Geothermal Response Tests bestimmt worden. Eine wichtige Voraussetzung für die Erschließung der nahezu konstanten Erdreichtemperaturen von ca. 10 C ° bis in eine Tiefe von ca. 80 m ist durch die gebäudeseitige Bauteilaktivierung (aktive Decken) gegeben. Durch den Betrieb der Anlage können Emissionen des klimaschädigenden Treibhausgases CO2 eingespart sowie langfristig die Betriebskosten gesenkt werden. Die Universität Rostock führt mit den Studenten verschiedener Fachbereiche wissenschaftliche Langzeitversuche an der Geothermieanlage durch. Die Erdwärmesondenanlage der neuen Universitätsbibliothek ist in Ihrem Umfang gegenwärtig die größte in Mecklenburg-Vorpommern. Der Generalplaner für die Geothermieanlage war die INROS Planungsgesellschaft mbH Rostock.

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Bohrarbeiten am Neubau der Universitätsbibliothek Rostock (Quelle: H.S.W. GmbH Rostock)

Energiepfahlanlage Silohalbinsel Hansestadt Rostock

Auf der Silohalbinsel des Stadthafens der Hansestadt Rostock (Mecklenburg-Vorpommern) wurden Anfang 2004 die Arbeiten zur Modernisierung der ehemaligen Speichergebäude am Stadthafen (Silo 4 und 5) zum architektonisch sowie energietechnisch innovativen Businesscenter (Deutsche Immobilien Verwaltungsgesellschaft mbH & Co. KG) abgeschlossen. Federführend war das Architekturbüro Beyer & Partner, Rostock. Schon in den ersten Entwürfen wurde eine Bauteilaktivierung des Businesscenters vorgesehen und damit die Voraussetzung für eine wirtschaftliche geothermische Nutzung des Untergrunds geschaffen. Die schwierigen Baugrundverhältnisse am Standort (organische Weichschichten bis ca. 15 m Mächtigkeit) erforderten die Realisierung der Gründung von notwendigen peripheren Bauwerken (u. a. Tiefgarage) als Pfahlgründung. Die 264 jeweils 19 m langen Stahlbetonfertigpfähle wurden mit Rohrleitungen belegt und dienen als Energiepfähle zur saisonal wechselnden Gewinnung von Wärme bzw. Kälte aus den oberflächennahen Schichten. Ergänzend zur Nutzung von Energiepfählen wird in optimierten Temperatur- und Zeitintervallen Oberflächenwasser aus dem Hafenbecken thermisch genutzt. Durch die Kombination von reversibler Wärmepumpenanlage und Bauteilaktivierung wird das Businesscenter auf dieser Grundlage zu jedem Zeitpunkt des Jahres sehr effizient und umweltschonend mit Wärme oder Kälte (220 kW) versorgt. Durch die Nutzung der Energiepfahlanlage zur Bereitstellung von Kälte und Wärme ergeben sich besonders bei der Gebäudekühlung erhebliche Einsparungen bei den CO2-Emissionen sowie bei den Betriebskosten. Zur Spitzenlastabdeckung dient der Fernwärme-anschluss des Gebäudes.

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Businesscenter am Stadthafen Rostock (Quelle: DEUTSCHE IMMOBILIEN AG Rostock) Erdwärmesondenanlage Nationalparkzentrum Königsstuhl

(Rügen)

Anfang 2004 eröffnete das Nationalparkzentrum seine interessanten Ausstellungsräume. Aus einem 1893 als Hotel errichteten Gebäude mit äußerst wechselvoller Geschichte (von 1945 bis 1990 militärische Nutzung) entstand ein Nullenergiehaus, in dem eine Erdwärmesondenanlage (8 EWS bis in 150 m Tiefe) für das Kühlen und Heizen mittels Wärmepumpe (90 kW) sorgt. Die Fotovoltaik- und die thermische Solaranlage runden das vom Ingenieurbüro Ewe, Leukersdorf, geplante Energiesystem ab. Die Durchführung der Bohrungen (NBB GmbH, Hamburg) gestaltete sich in der stark klüftigen steil stehenden Kreide des Königsstuhls durch totalen Spülungsverlust und Antreffen von Flintsteinlagen schwierig. Durch Umstellung auf belüftete Spülung konnten die Bohrungen erfolgreich abgeteuft werden. Die geologische, technologische Begleitung und Qualitätsüberwachung oblagen H.S.W. GmbH bzw. AETNA Energiesysteme GmbH. Bei der Verfüllung mit Stüwatherm mussten für eine gute thermische Anbindung der Kluftbereiche sehr große Mengen eingesetzt werden. Die Anlage wurde im Frühjahr 2004 in Betrieb genommen. Die mit der installierten Gebäudeleittechnik aufgenommenen Daten bilden eine gute Grundlage für das zukünftig vorgesehene Monitoring.

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Nationalparkzentrum Königsstuhl (Stubnitzhaus) (Quelle: www.koenigsstuhl.com)

Mit belüfteter Spülung aus der EWS - Bohrung ausgetragene Flintsteine

Kombinierte Energiepfahl- und Erdwärmesondenanlage Verwaltungsgebäude Fa. Buhlmann Bremen

Im Rahmen des Bauvorhabens Neubau des Verwaltungsgebäudes Fa. Buhlmann in der Hansestadt Bremen war wegen der schwierigen Baugrundbedingungen eine Tiefgründung mit Ortbetonpfählen erforderlich. Auf Betreiben der verantwortlichen Gruppe GME Architekten + Designer Bremen wurde eine Studie zu den Möglichkeiten des wirtschaftlichen und umweltfreundlichen Heizens und Kühlens des Bürogebäudes über Energiepfähle beauftragt. Die vorläufige

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geothermische Leistungsprognose ergab eine mögliche Leistung der Energiepfahlanlage von ca. 50 kW. Durch die Energiepfähle werden mineralische Ablagerungen der tidebeeinflussten pleistozänen Hochterrasse (Wesersande) angefahren. Deshalb wurden besonders hohe geothermische Entzugsleistungen erwartet. Ein Geothermal Response Test in Bremen am Zentralkrankenhaus Bremen –Ost hatte dies eindrucksvoll belegt. Aufgrund der günstigen geologischen Bedingungen und verfügbarer Flächen am Standort wurden am Standort zusätzlich 13 Erdwärmesonden a 77 m in den Untergrund eingebracht. Insgesamt können so durch die Geothermiezentrale ca. 100 kW Heiz- bzw. Kühlleistung aufgebracht werden. Zur Abdeckung der Wärme-Bedarfsspitzen des Neubaus wurde ein Gaskessel installiert. Die komplette Errichtung der erdgekoppelten Wärmepumpenanlage erfolgte durch die Firma Zent Frenger. Die installierte GEOZENT-Anlage besitzt eine Heizleistung von ca. 100 kW und eine Kälteleistung von ca. 80 kW. Gegenwärtig befindet sich die Anlage im Probebetrieb.

Neubau des Verwaltungsgebäudes der Firma Buhlmann in der Hansestadt Bremen (Quelle: Gruppe GME Architekten + Designer, Bremen) Kombinierte Energiepfahl- und Erdwärmesondenanlage Neubau Büro- und Geschäftshaus Doberaner Platz (Hansestadt Rostock)

In der Doberaner Straße 153-155, Hansestadt Rostock (Mecklenburg-Vorpommern) entsteht bis Ende 2004 ein architektonisch sowie energietechnisch anspruchsvolles Büro- und Geschäftshaus (Bauherr Müller-Spreer). Federführend sind die Architekturbüros Matrix und Maringer + Partner, Rostock. Die Planer hatten schon in den ersten Entwürfen eine Bauteilaktivierung des Büro- und Geschäftshauses vorgesehen und damit die Voraussetzung für eine wirtschaftliche

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geothermische Nutzung des Untergrundes geschaffen. Wärmebedarf und Kühlbedarf (50 kW Wärme und ca. 40 kW Kälte) werden zukünftig ausschließlich durch das innovative Heiz- bzw. Kühlsystem abgedeckt. Im Rahmen einer geologischen Recherche und im Ergebnis der Auswertung eines Geothermal Response Tests wurden für den Standort Möglichkeiten der geothermischen Nutzung des Untergrundes zur Bereitstellung von Wärme und Kälte untersucht. Die schwierigen Baugrundverhältnisse am Standort (organische Weichschichten bis ca. 10 m Mächtigkeit) erforderten die Realisierung einer Pfahlgründung. Hier schlugen die Planer eine geothermische Aktivierung der Gründungspfähle zu Energiepfählen vor. Die 32 jeweils ca. 10 m langen Bohrpfähle wurden mit Rohrleitungen belegt und dienen als Energiepfähle (EPF) zur saisonal wechselnden Gewinnung von Wärme bzw. Kälte aus den oberflächennahen „angefahrenen“ Schichten. Ergänzend zu den Energiepfählen werden 14 Erdwärmesonden (Gesamtlänge ca. 940 m, Tiefe bis maximal 99 m) genutzt. Durch die Kombination von reversibler erdgekoppelter Wärmepumpenanlage (Heiz- und Kühlbetrieb) und Bauteilaktivierung wird das in Bau befindliche Büro- und Geschäftshaus zu jedem Zeitpunkt des Jahres sehr effizient und umweltschonend mit Wärme oder Kälte versorgt. Durch die geothermische Nutzung des Untergrundes zur Bereitstellung von Kälte und Wärme ergeben sich erhebliche Einsparungen bei den Betriebskosten. Das Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern wird die innovative Anlagentechnik voraussichtlich mit 25 % fördern.

Neubau des Büro- und Geschäftshauses Doberaner Straße Hansestadt Rostock (Quelle: Matrix Architekten, Rostock)

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Zusammenfassung/Ausblick

Aufgrund der fortschreitenden Verteuerung der Primärenergieträger ist zukünftig mit einer verstärkten Entwicklung bei der Nutzung der oberflächennahen Geothermie bzw. thermischen Nutzung des Untergrundes auszugehen. Nicht zuletzt die sehr erfolgreiche Realisierung von Referenzprojekten in ganz Norddeutschland hat die Bekanntheit und das öffentliche Interesse an der innovativen umweltfreundlichen Energietechnik erheblich verbessert. Für einige der gegenwärtig in Planung befindlichen Objekte mit Heizung und Kühlung aus dem Untergrund ist die Wirtschaftlichkeit der Maßnahme bereits ohne umfangreiche Förderung erreichbar. Wir erwarten deshalb insbesondere aus dem privaten Sektor des Wohnungs- und Gewerbebaus zukünftig eine spürbare Zunahme der Investitionen in die neue Energietechnik. Unter Berücksichtigung der zahlenmäßigen Zunahme der Bauprojekte mit einer Nutzung der Oberflächennahen Geothermie bzw. bei der thermischen Nutzung des Untergrundes darf die strikte Einhaltung der qualitäts- und umweltrelevanten Standards (u. a. VDI 4640, W 120) nicht unberücksichtigt bleiben. Der Einsatz von Fachbohrfirmen und einer geologischen Fachbauleitung ist unabdingbar bei der Ausführung der Wärmequellenanlagen. Im Ergebnis der Auswertung von ca. 25 Geothermal Response Tests aus dem norddeutschen Raum repräsentativ für holozäne und pleistozäne Typussubstrate wurde eine starke Varianz der thermischen Leitfähigkeit festgestellt, die im wesentlichen auf eine unterschiedliche Lithologie zurückzuführen ist. Damit bleibt der Geothermal Response Test unerlässlich für die wirtschaftliche Bemessung und den gesetzeskonformen Betrieb von Anlagen zur Nutzung der oberflächennahen Geothermie.


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