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Zum Stand der forensischen und forensisch-psychiatrischen Nachsorge in der Bundesrepublik...

Date post: 20-Jan-2017
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1 3 ORIGINALARBEIT Forens Psychiatr Psychol Kriminol (2014) 8:137–144 DOI 10.1007/s11757-014-0260-9 Zusammenfassung Forensische bzw. forensisch-psychia- trische Nachsorge ist seit 2007 integraler Bestandteil der Führungsaufsicht. Durch die Aufnahme in das Strafgesetz- buch (StGB) ist es zu einer enormen Zunahme von Fällen gekommen, die durch forensische und forensisch-psychi- atrische Ambulanzen betreut werden. Aufgrund des föde- ralen Systems der Bundesrepublik haben sich die 16 Bun- desländer dabei durchaus unterschiedlich entwickelt. Die Fallzahlen variieren bereit, auch die Umsetzung einzelner Rechtsnormen scheint zwischen den Bundesländern unter- schiedlich gehandhabt zu werden. Der nachfolgende Bei- trag gibt einen Überblick über die Nachsorgesituation in den Bundesländern. Außerdem werden die Daten für die gesamte Bundesrepublik dargestellt. Schließlich werden Besonderheiten der Entwicklung aufgezeigt. Schlüsselwörter Forensische Nachsorge · Forensisch- psychiatrische Nachsorge · Gesamtübersicht bundesdeutscher Daten · Strukturen in den Bundesländern State of forensic and forensic psychiatric aftercare in Germany (data from the so-called Whitsun survey 2013) Abstract In 2007 forensic aftercare was integrated into the German Penal Code as part of legal supervision. Since then a large and growing number of patients have been supervised by forensic psychiatric aftercare units through- out Germany. Due to the federal system in Germany the system of forensic aftercare has developed differently in the 16 federal states. The number of patients looked af- ter varies widely and the implementation of several legal norms also differs from state to state. This article gives an overview of the situation of forensic aftercare in the different German federal states and presents some specific characteristics of the development. Keywords Forensic aftercare · Forensic psychiatric aftercare · Overview of German data · German federal structures Ende Mai 2013 wurde durch den Autor eine kurze Daten- abfrage mittels 1-seitigem Erhebungsbogen an 81 Kontakt- adressen, 77 forensische Kliniken und Abteilungen sowie 4 weitere Institutionen (Forensik Uni Hamburg; Forensisch-the- rapeutische Ambulanz (FTA) Berlin; Forensa Sachsen-Anhalt; Landschaftsverband Westfalen-Lippe (lwl)-Nachsorgeprojekt chronische Psychotiker) versendet, in denen potenziell Maß- regelvollzugsklientel angebunden sein könnten. Primär nicht abgefragt wurden alle Justiz- oder justizna- hen Ambulanzen, da davon auszugehen war, dass dort kaum oder keine Maßregelvollzugsklientel betreut wird. Eben- falls nicht erhoben wurden Daten bei sonstigen (psychiat- rischen) Ambulanzen oder niedergelassenen Kollegen – der Aufwand hätte in keinem Verhältnis zu den möglicherweise zu gewinnenden Erkenntnissen gestanden. Gleichwohl ist die Dunkelziffer allgemein- oder gemeindepsychiatrisch versorgter, bedingt entlassener Maßregelvollzugspatienten nicht annähernd zu bestimmen, da Daten darüber, wie viele Patienten bei einer Entlassung aus der stationären Maßre- gel oder gar bei Bewährungsaussetzung der Maßregel in der Hauptverhandlung nicht vorliegen. Es ist alles in allem Zum Stand der forensischen und forensisch-psychiatrischen Nachsorge in der Bundesrepublik Deutschland (Daten aus der sog. Pfingstabfrage 2013) Roland Freese R. Freese () Vitos Forensisch-psychiatrische Ambulanz Hessen, Landgraf-Philipp-Platz 3, 35114 Haina (Kloster), Deutschland E-Mail: [email protected] Eingegangen: 17. Dezember 2013 / Angenommen: 21. Januar 2014 / Online publiziert: 13. März 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
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originalarbeit

Forens Psychiatr Psychol Kriminol (2014) 8:137–144DOI 10.1007/s11757-014-0260-9

Zusammenfassung Forensische bzw. forensisch-psychia-trische Nachsorge ist seit 2007 integraler Bestandteil der Führungsaufsicht. Durch die Aufnahme in das Strafgesetz-buch (StGB) ist es zu einer enormen Zunahme von Fällen gekommen, die durch forensische und forensisch-psychi-atrische Ambulanzen betreut werden. Aufgrund des föde-ralen Systems der Bundesrepublik haben sich die 16 Bun-desländer dabei durchaus unterschiedlich entwickelt. Die Fallzahlen variieren bereit, auch die Umsetzung einzelner Rechtsnormen scheint zwischen den Bundesländern unter-schiedlich gehandhabt zu werden. Der nachfolgende Bei-trag gibt einen Überblick über die Nachsorgesituation in den Bundesländern. Außerdem werden die Daten für die gesamte Bundesrepublik dargestellt. Schließlich werden Besonderheiten der Entwicklung aufgezeigt.

Schlüsselwörter Forensische Nachsorge · Forensisch-psychiatrische Nachsorge · Gesamtübersicht bundesdeutscher Daten · Strukturen in den Bundesländern

State of forensic and forensic psychiatric aftercare in Germany (data from the so-called Whitsun survey 2013)

Abstract In 2007 forensic aftercare was integrated into the German Penal Code as part of legal supervision. Since then a large and growing number of patients have been supervised by forensic psychiatric aftercare units through-

out Germany. Due to the federal system in Germany the system of forensic aftercare has developed differently in the 16 federal states. The number of patients looked af-ter varies widely and the implementation of several legal norms also differs from state to state. This article gives an overview of the situation of forensic aftercare in the different German federal states and presents some specific characteristics of the development.

Keywords Forensic aftercare · Forensic psychiatric aftercare · Overview of German data · German federal structures

Ende Mai 2013 wurde durch den Autor eine kurze Daten-abfrage mittels 1-seitigem Erhebungsbogen an 81 Kontakt-adressen, 77 forensische Kliniken und Abteilungen sowie 4 weitere Institutionen (Forensik Uni Hamburg; Forensisch-the-rapeutische Ambulanz (FTA) Berlin; Forensa Sachsen-Anhalt; Landschaftsverband Westfalen-Lippe (lwl)-Nachsorgeprojekt chronische Psychotiker) versendet, in denen potenziell Maß-regelvollzugsklientel angebunden sein könnten.

Primär nicht abgefragt wurden alle Justiz- oder justizna-hen Ambulanzen, da davon auszugehen war, dass dort kaum oder keine Maßregelvollzugsklientel betreut wird. Eben-falls nicht erhoben wurden Daten bei sonstigen (psychiat-rischen) Ambulanzen oder niedergelassenen Kollegen – der Aufwand hätte in keinem Verhältnis zu den möglicherweise zu gewinnenden Erkenntnissen gestanden. Gleichwohl ist die Dunkelziffer allgemein- oder gemeindepsychiatrisch versorgter, bedingt entlassener Maßregelvollzugspatienten nicht annähernd zu bestimmen, da Daten darüber, wie viele Patienten bei einer Entlassung aus der stationären Maßre-gel oder gar bei Bewährungsaussetzung der Maßregel in der Hauptverhandlung nicht vorliegen. Es ist alles in allem

Zum Stand der forensischen und forensisch-psychiatrischen Nachsorge in der Bundesrepublik Deutschland (Daten aus der sog. Pfingstabfrage 2013)

Roland Freese

R. Freese ()Vitos Forensisch-psychiatrische Ambulanz Hessen,Landgraf-Philipp-Platz 3, 35114 Haina (Kloster), DeutschlandE-Mail: [email protected]

Eingegangen: 17. Dezember 2013 / Angenommen: 21. Januar 2014 / Online publiziert: 13. März 2014© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

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davon auszugehen, dass es in Deutschland eine, wenn auch vermutlich vergleichsweise kleinere Zahl in dieser Studie nichterfasster Probanden gibt, die in nicht weiter forensisch spezialisierten Nachsorge-Settings angebunden sind oder angebunden sein sollten.

Nachdem der Autor, aber auch andere Kollegen, seit Beginn dieses Jahrtausends zu unterschiedlichen Anlässen Näherungsdaten über die Zahl forensisch-psychiatrisch nachgesorgter Probanden erfasst haben, war diesmal ange-strebt, eine Vollerhebung zu erreichen, um möglichst valides, hoch belastbares Zahlen- bzw. Datenmaterial zu gewinnen. Dieser Anspruch konnte letztlich voll bedient werden: Bis Anfang August 2013 gelang es mit Mitteln intensiv-inves-tigativer Nachforschung von allen 81 Kontaktadressen ent-weder einen Hinweis auf „Fehlanzeige“ oder nahezu alle im Erhebungsbogen erbetenen Daten zu erhalten. Dies gelang vollständig für die erfragten Probandenzahlen; lediglich Gründungsdaten und gelegentlich Angaben zu den Tages-kosten fehlten in Einzelfällen.

In die Auswertung konnten schließlich Angaben aus 69 Institutionen einfließen, in bzw. aus 12 weiteren wurden keine Maßregelvollzugsprobanden nachbetreut.

Bei den Letztgenannten handelt es sich um die Univer-sitätsforensik Hamburg, die 2 sachsen-anhaltischen Maßre-gelvollzugskliniken Uchtspringe und Bernburg (Nachsorge erfolgt über Forensa), 2 der 5 sächsischen Maßregelvoll-zugskliniken in Arnsdorf und Großschweidnitz (ohne Nach-sorge), 3 hessische Einrichtungen in Riedstadt, Eltville und Marburg (letztere Jugendforensik; Nachsorge erfolgt jeweils über die Vitos forensisch-psychiatrische Ambulanz Hessen), die beiden nordrhein-westfälischen Einrichtungen in Rheine und Essen, die bayerische Klinik in Straubing sowie die baden-württembergische Klinik zur Betreuung suchtkranker Rechtsbrecher in Calw.

Die 69 Einrichtungen, aus denen Angaben vorliegen, sollen nachfolgend dargestellt werden. Hierbei werden die Einrichtungen zunächst gruppiert in solche, die psychisch kranke Rechtsbrecher aus dem Maßregelvollzug (und ggf. zusätzlich Straftäter) betreuen (§63er-Amublanzen), solche, die suchtkranke Rechtsbrecher aus dem Maßregelvollzug betreuen (und ggf. zusätzlich Straftäter; §64er-Ambulan-zen) und in Einrichtungen, die sowohl psychisch wie sucht-kranke Personen nachbetreuen (§63-/§64er-Ambulanzen).

Anschließend werden die 69 Einrichtungen noch auf Ebene der 16 Bundesländer und zusammenfassend in einer Gesamtauswertung betrachtet.

Reine Nachsorgeeinrichtungen für psychisch kranke Rechtsbrecher (§63er-Ambulanzen)

In der Bundesrepublik wird der Personenkreis psychisch kranker Rechtsbrecher, ggf. erweitert durch Straftäter, nach-

betreut in Ambulanzen der baden-württembergischen Klini-ken in Wiesloch, Bad Schussenried und Ravensburg, durch die FTA und die Abteilung BoB:ex des Krankenhaus des Maßregelvollzugs (KMV) in Berlin, durch die Fachklinik Brandenburg im Land Brandenburg, die forensisch-psych-iatrische Ambulanz (FPA) Hessen, die Nachsorgeambulanz der Klinik in Ueckermünde/Mecklenburg-Vorpommern, die beiden niedersächsischen Einrichtungen in Göttingen und Wunstorf, die nordrhein-westfälischen Einrichtungen in Münster, Düren, Düsseldorf, Langenfeld, Herne, Lippstadt-Eickelborn sowie ein großes Netz allgemeinpsychiatrischer Ambulanzen im Landschaftsverband Westfalen-Lippe, die rheinland-pfälzische Klinik in Alzey, die sächsischen Ein-richtungen in Rodewisch und Schkeuditz, die Nachsorge-einheit der forensischen Klinik in Neustadt/Holstein und schließlich die beiden thüringischen Maßregelvollzugsein-richtungen in Mühlhausen und Stadtroda.

Vier der genannten 23 Einrichtungen (17,4 %) betreuen neben psychisch kranken Rechtsbrechern auch Straftäter. Dies sind die Ambulanzen in Bad Schussenried, Ravens-burg, Langenfeld und die FTA Berlin.

Fünf Einrichtungen (21,7 %) betreuen auch Jugendli-che und Heranwachsende: die FPA Hessen, die FTA Berlin sowie die Ambulanzen in Bad Schussenried, Ravensburg und Mühlhausen.

Am längsten durchgehend am Netz ist seit 1988 die FPA Hessen; die jüngsten Einrichtungen arbeiten mit Genehmi-gung seit 2011 in Münster, Düsseldorf, Herne und Uecker-münde. Der Mittelwert datiert aus Juni 2005; der Median liegt bei 2007.

Angaben zu den kalendertäglichen Betreuungskosten liegen von 17 der 23 Einrichtungen (73,9 %) vor. Diese variieren breit zwischen 30,90 € in der FPA Hessen und 7,15 € in Thüringen; im Mittel betragen die Kosten 15,75 € (Median 15,80 €). Die genannten Beträge1 sind mit Vorsicht zu übernehmen, da die Angaben häufig mit Hinweisen wie „grob überschlagen“, „Mittelwert der vergangenen Quar-tale“, „Erlöse über die Krankenkassen sind bzw. sind nicht berücksichtigt“ versehen waren. Fehlende Angaben begrün-deten sich regelmäßig mit „graue Ambulanz, Budget mglw. ab…“, „Kalkulation intransparent“ oder „Finanzierung intransparent, da aus Klinikbudget“.

Die 23 Einrichtungen versorgen 1223 bedingt entlas-sene, psychisch kranke Rechtsbrecher (Minimum 0, Maxi-mum 233). Keine bedingt entlassenen Probanden werden in Rodewisch [nur 4 (dauer-)beurlaubte Patienten] und erklärtermaßen über die reine Ausleitungsambulanz BoB:ex betreut, die meisten Probanden werden über die FPA Hes-sen versorgt. Dort sind mit 24 §67b-Fällen (Aussetzung der Maßregel zugleich mit ihrer Anordnung im Gerichtsver-fahren) und 50 §68c-Fällen (unbefristete Führungsaufsicht)

1 Gilt auch für die Kalkulationen in den Folgeabschnitten.

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44 Probanden transmural versorgt (Mittelwert 5,5; Median 3,5; Minimum 0 bisMaximum 17); lediglich 9 weitere Pro-banden sind an die Ambulanzen angebunden.

Alles in allem betreuen die 8 §64er-Ambulanzen 364 Pro-banden (311 Führungsaufsichtfälle, 44 Beurlaubte, 9 wei-tere Klienten; Mittelwert 45,5; Median 35,0; Minimum 11 bis Maximum 107).

Gemischte Nachsorgeeinrichtungen für psychisch kranke und suchtkranke Rechtsbrecher (§63-/§64er-Ambulanzen)

In der Bundesrepublik wird dieser Personenkreis, an einer größeren Zahl an Standorten ergänzt durch Straftäter, in 38 Einrichtungen nachbetreut. Es gibt Ambulanzen in Emmendingen, der Reichenau und in Weinsberg (Baden-Württemberg), Ansbach, Bayreuth, Deggendorf, Günzburg, München-Ost, Kaufbeuren, Lohr, Regensburg-Parsberg, Taufkirchen, Wasserburg, Werneck und Erlangen (alle Bay-ern), Eberswalde und Teupitz (Brandenburg), Bremen, Ham-burg, Rostock und Stralsund (Mecklenburg-Vorpommern), Bad Zwischenahn, Königslutter, Osnabrück, Hildesheim, Lüneburg und Moringen (alle Niedersachsen), Bedburg-Hau, Köln, Viersen, Dortmund, Marsberg und Stemwede-Schloss Haldem (NRW), Klingenmünster und Andernach-Weißen-thurm (Rheinland-Pfalz), Merzig (Saarland), Schleswig in Schleswig-Holstein und die Forensa, die von Magdeburg und Halle das Bundesland Sachsen-Anhalt versorgt.

Neben der Maßregelvollzugsklientel betreuen 12 der genannten 38 Einrichtungen (31,6 %) auch Straftäter. Dies sind die Ambulanzen in Emmendingen und der Reichenau, Erlangen, Bremen, Hamburg, Stralsund, Hildesheim, Lüne-burg und Moringen, Andernach-Weißenthurm, Schleswig und die Forensa in Sachsen-Anhalt.

Ebenfalls 12 Einrichtungen (31,6 %) versorgen neben Erwachsenen auch Jugendliche und Heranwachsende: Ans-bach, Bayreuth, Kaufbeuren, Lohr, Regensburg-Parsberg, Werneck, Teupitz, Rostock, Bedburg-Hau, Viersen, Mars-berg und Klingenmünster.

Am längsten durchgehend am Netz ist in dieser Gruppe seit 1995 die Ambulanz des Klinikums am Europakanal in Erlangen; die jüngste Einrichtung arbeitet mit offizieller Anerkennung seit 2012 in Teupitz. Der Mittelwert datiert hier aus September 2006; der Median liegt im Jahr 2008.

Angaben zu den kalendertäglichen Betreuungskosten lie-gen von 34 Einrichtungen (89,5 %) vor. Diese variieren in einem Range zwischen 12,00 € in vielen NRW-Einrichtun-gen und 18,85 € in Bremen; im Mittel betragen die Kosten 15,35 € (Median 16,61 €)3.

3 Gilt auch für die Kalkulationen in den Folgeabschnitten.

auch die höchsten Anteile dieser beiden separat abgefragten Untergruppen in der Nachsorge.

Im Mittel betreuen die hier erfassten Nachsorgeein-richtungen 48,5 Probanden nach Ende einer Maßregel (§67d-Fälle) zuzüglich 3,4 §67b- und 4,0 §68c-Fälle, also rund 56 Probanden (Minimum 0, Maximum 307). Darü-ber hinaus werden 455 Probanden transmural, also in der Aus- und Überleitungsphase aus der stationären Maß-regel (dauer-)beurlaubte Patienten versorgt (Mittelwert 20,7; Median 15,5; Minimum 0 bis Maximum 151). Und schließlich sind insgesamt 210 weitere Probanden an die Ambulanzen angebunden, hierunter Straftäter, ehemalige Führungsaufsichtpatienten, allgemeinpsychiatrische „High-risk“-Klientel und sonstige Patienten.

Alles in allem betreuen die 23 §63er-Ambulan-zen 1888 Probanden (1223 Führungsaufsichtfälle, 455 Beurlaubte, 210 weitere Klienten; Mittelwert 82,1; Median 48,0; Minimum 4 bis Maximum 434).

Reine Nachsorgeeinrichtungen für suchtkranke Rechtsbrecher (§64er-Ambulanzen)

Dieser Personenkreis wird nachbetreut in Ambulanzen der baden-württembergischen Klinik Zwiefalten, der beiden hessischen Kliniken in Hadamar und Merxhausen, den 2 niedersächsischen Zentren in Rehburg-Loccum und Zeven-Brauel sowie der Ambulanzen in Duisburg (NRW), Leipzig (Sachsen) und Hildburghausen (Thüringen). Keine der 8 genannten Einrichtungen hat angegeben, dass über sie auch Straftäter nachbetreut werden. Die beiden Ambulanzen in Zeven-Brauel und Duisburg (25 %) betreuen ebenfalls Jugendliche und Heranwachsende.

Am längsten aus dem kleinen Kreis der 8 reinen Sucht-ambulanzen in der Nachsorge aktiv ist seit 1999 die Ambu-lanz in Hadamar; ganz frisch am Netz ist seit 2012 die Ambulanz in Duisburg. Der Mittelwert datiert aus April 2007; der Median liegt bei 2007,5.

Angaben zu den kalendertäglichen Betreuungskosten lie-gen von 6 der 8 Einrichtungen (75 %) vor. Diese variieren zwischen 17,00 € in Hessen und 8,36 € in Sachsen; im Mit-tel betragen die Kosten 13,36 € (Median 13,19 €)2.

Die 8 Einrichtungen versorgen 311 bedingt entlassene, suchtkranke Rechtsbrecher (Minimum 1 in Zwiefalten, Maximum 90 in Leipzig). Lediglich in der Leipziger Ambu-lanz sind auch 2 §67b-Fälle angebunden; §68c-Fälle werden in keiner Ambulanz betreut.

Im Mittel betreuen die hier erfassten 8 Nachsorgeein-richtungen 38,6 Probanden nach Ende einer Maßregel (§67d-Fälle) zuzüglich 0,3 §67b-Fälle, also rund 39 Proban-den (Minimum 1, Maximum 90). Darüber hinaus werden

2 Gilt auch für die Kalkulationen in den Folgeabschnitten.

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Bayern ist mit 12 Nachsorgeeinrichtungen für Maßre-gelvollzugsklientel in der Erhebung vertreten; aus der Kli-nik in Straubing erfolgt keine Nachsorge. Die Struktur der Ambulanzen ist homogener als in Baden-Württemberg, da alle Ambulanzen gemischte §63-/§64er-Ambulanzen sind (11) und die 12. Ambulanz neben dieser Klientel auch Straf-vollzugsklientel versorgt. Insgesamt werden 29,9 % aller Probanden (n = 1761), die in der Studie erfasst sind, über die bayerischen Nachsorgeeinrichtungen betreut. Darunter macht die Kernklientel 1453 Personen aus [1315 §67d-Fälle (74,7 %), 128 §67b-Fälle (7,3 %) und 10 §68c-Fälle (0,6 %)]. In der Beurlaubung und nachbetreut sind 132 Probanden (7,5 %), außerdem werden 176 weitere Klienten (10,0 %) versorgt. Die durchschnittlichen Tageskosten belaufen sich in Bayern auf 16,73 €.

Bayern finanziert außerdem 3 reine forensische Nach-sorgeambulanzen in München, Nürnberg und Würzburg, die konzeptuell je 100 Behandlungsplätze für Sexualstraf-täter bei einem Betreuungsschlüssel von ca. 1:20 vorse-hen. Die Nürnberger Ambulanz wird sich demnächst auch für Gewaltstraftäter öffnen. Außerdem sind einige Straf-täterprobanden an der Erlanger forensisch-psychiatrischen Ambulanz angebunden; alle anderen Maßregelvollzugsam-bulanzen betreuen keine Strafvollzugsklientel.

Berlin ist mit 2 Einrichtungen, die bedingt entlassene oder beurlaubte Maßregelvollzugsklientel betreuen, in der Erhebung vertreten. Die FTA hält dabei je zur Hälfte Plätze für Risikoprobanden aus dem Maßregelvollzug und für Strafvollzugsklientel sowohl für Gewalt- (~ ein Drittel) als auch Sexualstraftäter (~ zwei Drittel) vor. Die Betreu-ung erfolgt mit einem Caseload von ca. 1:11. Das KMV ist noch ohne eigene Ambulanz und betreut mit der Abtei-lung BoB:ex die zum Zweck einer bedingten Entlassung beurlaubten Patienten. Für primär suchtkranke Rechtsbre-cher existiert hiernach kein spezifisches Versorgungsan-gebot in Berlin. Insgesamt werden 4,3 % aller Probanden (n = 254), die in der Studie erfasst sind, über die genannten Nachsorgeeinrichtungen betreut. Darunter macht die Kern-klientel lediglich 30 Klienten aus [29 §67d-Fälle (11,4 %), keine §67b-Fälle 12 (0,0 %), ein §68c-Fall 7 (0,4 %)]. In der Beurlaubung sind 173 Probanden (68,1 %), außerdem wer-den 51 weitere Klienten (20,1 %; konzeptuell Strafvollzugs-klientel) betreut. Die durchschnittlichen Tageskosten lassen sich für Berlin nur für die FTA-Betreuung mit 24,00 € beziffern.

Brandenburg ist mit 3 Nachsorgeeinrichtungen für Maß-regelvollzugsklientel in der Erhebung vertreten; es gibt eine reine §63er-Ambulanz und 2 gemischte §63-/§64er-Ambulan-zen; Straftäter werden über die Ambulanzen an den 3 Maß-regelvollzugseinrichtungen nicht versorgt. Insgesamt werden 2,0 % aller Probanden (n = 116), die in der Studie erfasst sind, über die 3 Nachsorgeeinrichtungen betreut. Darunter macht die Kernklientel 62 Klienten aus [42 §67d-Fälle (36,2 %),

Die 38 Einrichtungen versorgen 2891 bedingt entlassene, psychisch oder suchtkranke Rechtsbrecher (Minimum 8, Maximum 254). Die meisten Probanden versorgt hier die Ambulanz des Isar-Amper-Klinikums in München-Ost, die wenigsten die kleine forensische Einheit in Teupitz. Über München-Ost werden mit 60 Probanden auch die meisten §67b-Fällen betreut; die höchste Anzahl an §68c-Fällen fin-det sich mit 20 Probanden in der Eberswalder Ambulanz. Im Mittel betreuen die hier erfassten Nachsorgeeinrichtun-gen 68,7 Probanden nach Ende einer Maßregel (§67d-Fälle) zuzüglich 5,6 §67b- und 1,7 §68c-Fälle, mithin 76 Probanden (Minimum 8, Maximum 318) in der Kernklientel ambulan-ter forensischer Nachsorge. Darüber hinaus werden 483 Pro-banden transmural in der Aus- und Überleitungsphase aus der stationären Maßregel versorgt (Mittelwert 12,7; Median 9,0; Minimum 0 bis Maximum 61), außerdem sind 269 wei-tere Probanden an die Ambulanzen angebunden.

Insgesamt betreuen die 38 gemischten Ambulan-zen 3643 Probanden (2891 Führungsaufsichtfälle, 483 Beurlaubte, 269 weitere Klienten; Mittelwert 95,9; Median 75,5; Minimum 18 bis Maximum 425).

Bundeslandperspektive

Baden-Württemberg ist mit 7 forensisch-psychiatrischen Nachsorgeeinrichtungen für Maßregelvollzugsklientel in der Erhebung vertreten; aus der Klinik in Calw erfolgt keine Nachsorge. Die Struktur der Ambulanzen ist eher hetero-gen; es gibt eine reine §63er-Ambulanz, eine „63er- und Strafvollzugsklientelambulanz, eine reine §64er-Ambu-lanz sowie je 2 gemischte §63/§64er-Ambulanzen und 2 gemischte Ambulanzen, die auch Strafvollzugsklientel ver-sorgen. Insgesamt werden innerhalb Baden-Württembergs 6,9 % aller Probanden (n = 405), die in der Studie erfasst sind, über die genannten Nachsorgeeinrichtungen betreut. Darunter macht die Kernklientel 322 Klienten aus [303 §67d-Fälle (74,8 %), 12 §67b-Fälle (3,0 %), 7 §68c-Fälle (1,7 %)]. In der Beurlaubung sind 49 Probanden (12,1 %), außerdem werden 34 weitere Klienten (8,4 %) betreut. Die durchschnittlichen Tageskosten belaufen sich auf 17,05 €.

Alle 7 Nachsorgeeinrichtungen für Maßregelvollzugs-klientel sind laut Erlasslage auch verpflichtet, Nachsorge für Strafvollzugsklientel (forensische Nachsorge) anzubie-ten. Darüber hinaus sind bereits seit 1998 über den Verein Bewährungshilfe Stuttgart die psychotherapeutische Ambu-lanz in Stuttgart (150 Fälle, ca. 60 % der Sexualstraftäter; „caseload“ ~ 1:40) und seit 2008 in Trägerschaft des Vereins Behandlungsinitiative Opferschutz (BIOS-BW) die Foren-sische Ambulanz Baden (FAB) als forensische Nachsorge-ambulanzen tätig. Die Behandlungsinitiative hat außerdem eine größere Zahl freier Therapeuten kooptiert.

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Zum Stand der forensischen und forensisch-psychiatrischen Nachsorge in der Bundesrepublik

Mecklenburg-Vorpommern ist mit 3 Nachsorgeeinrich-tungen für Maßregelvollzugsklientel in der Erhebung ver-treten; es gibt eine reine §63er-Ambulanz, eine gemischte §63-/§64er-Ambulanz und eine weitere gemischte Ambu-lanz, die auch Strafvollzugsklientel versorgt. Insgesamt werden 2,2 % aller Probanden (n = 129), die in der Studie erfasst sind, über die genannten Nachsorgeeinrichtungen betreut. Darunter macht die Kernklientel 117 Klienten aus [113 §67d-Fälle (87,6 %), 2 §67b- (1,6 %) und weitere 2 §68c-Fälle (1,6 %)]. Sechs Probanden (4,7 %) werden in der Beurlaubung betreut; weitere 6 sonstige Probanden werden mitversorgt (4,7 %). Die durchschnittlichen Tageskosten belaufen sich in Mecklenburg-Vorpommern auf 18,39 €. Über das Landesamt für Straffälligenhilfe in Rostock betreibt Mecklenburg-Vorpommern forensische Nachsorge für aktuell rund 100 Gewalt- und Sexualstraftäter (je ca. 50 %); der Caseload liegt aktuell bei ~ 1:40. Eine personelle Aufstockung ist geplant.

Niedersachsen ist mit 10 Nachsorgeeinrichtungen für Maßregelvollzugsklientel in der Erhebung vertreten. Die Struktur der Ambulanzen ist hier wieder eher heterogen, es gibt reine §63er-Ambulanzen (2), reine §64er-Ambulanzen (2), gemischte §63-/§64er-Ambulanzen (3) und gemischte Ambulanzen, die auch Strafvollzugsklientel versorgen (3). Insgesamt werden 10,0 % aller Probanden (n = 588), die in der Studie erfasst sind, über die genannten Nachsorge-einrichtungen betreut. Darunter macht die Kernklientel 527 Klienten aus [457 §67d-Fälle (77,7 %), 45 §67b-Fälle (7,7 %), 25 §68c-Fälle (4,3 %)]. In der Beurlaubung werden 35 Probanden (6,0 %) betreut, darüber hinaus sind noch 26 weitere Probanden angebunden (4,4 %). Die durchschnitt-lichen Tageskosten belaufen sich auf 13,93 €. Niedersach-sen baut derzeit eine forensische Nachsorgeambulanz an der Justizvollzugsanstalt in Rosdorf bei Göttingen auf.

Nordrhein-Westfalen ist zunächst vermutlich dann am ehesten von Außenstehenden zu begreifen, wenn man sich vor Augen hält, dass dort der Landschaftsverband Rhein-land (LVR) 7 und der LWL 6 Maßregelvollzugseinrich-tungen betreiben. Je eine der Einrichtungen der beiden Verbände (Essen und Rheine) arbeiten ohne Nachsorgeam-bulanz. Dafür gibt es 2 weitere Träger mit je einer Klinik, die ebenfalls eine Nachsorgeeinheit angeschlossen haben. Außerdem gibt es im LWL das Netz allgemeinpsychiatri-scher Ambulanzen, das in die Versorgung chronifizierter Psychotiker der Forensik eingebunden ist. Damit sind in NRW 14 der 16 Nachsorgeadressen tatsächlich in der ambu-lanten Versorgung engagiert.

Die Struktur der Ambulanzen ist relativ homogen, es gibt reine §63er-Ambulanzen (6; dabei lediglich einfach gezählt das LWL-Psychotiker-Nachsorgenetzwerk mit 11 Ambulanzen), eine §63er- und Strafvollzugsklientelambu-lanz, ebenfalls nur eine reine §64er-Ambulanz und aber-mals 6 gemischte §63er/§64er-Ambulanzen. Insgesamt

keine §67b-Fälle (0,0 %), 20 §68c-Fälle (17,2 %)]. In der Beurlaubung sind 52 Probanden (44,8 %), darüber hinaus werden lediglich noch 2 weitere Probanden betreut (1,7 %). Die durchschnittlichen Tageskosten belaufen sich auf 15,68 €.

In Potsdam betreibt das Bundesland Brandenburg über das Diakonische Werk eine therapeutische Fachambulanz mit aktuell ca. 40 Probanden (~ 30 % Gewalt- und 70 % Sexualstraftäter). Der Caseload liegt bei ca. 1:13.

Bremen hat eine gemischte Ambulanz, die auch Straf-vollzugsklientel versorgt. Es werden 1,7 % aller Probanden (n = 103), die in der Studie erfasst sind, über die Nach-sorgeambulanz betreut. Darunter macht die Kernklien-tel 79 Klienten aus (74 §67d-Fälle (71,8 %), 4 §67b-Fälle (3,9 %) und ein §68c-Fall (1,0 %)]. In der Beurlaubung sind 20 Probanden (19,4 %), außerdem werden 4 weitere Klien-ten (3,9 %) betreut. Die durchschnittlichen Tageskosten belaufen sich auf 18,85 €. Eine reine forensische Nachsor-geambulanz gibt es in Bremen nicht.

Hamburg hat ebenso wie Bremen eine gemischte Ambu-lanz, die auch Strafvollzugsklientel versorgt. In Hamburg werden 2,5 % aller Probanden (n = 147), die in der Stu-die erfasst sind, betreut. Darunter macht die Kernklientel 115 Klienten aus [97 §67d-Fälle (66,0 %), 18 §67b-Fälle (12,2 %) und kein §68c-Fall]. Die Hamburger Ambulanz betreut konzeptuell keine beurlaubten Patienten, aller-dings 32 weitere Klienten (21,8 %). Die durchschnittlichen Tageskosten belaufen sich auf 18,85 €. Hamburg hat eine forensische Nachsorgeambulanz für rund 70 Sexual- und Gewaltstraftäter, formal assoziiert dem Universitätsinstitut für Sexualforschung und Forensische Psychiatrie und räum-lich in unmittelbare Nähe zur Bewährungshilfe im Stadtteil Altona platziert. Der Caseload liegt bei ca. 1:20.

Hessen ist mit 3 Nachsorgeambulanzen für Maßregelvoll-zugsklientel in der Erhebung vertreten, 3 weitere forensische Einrichtungen werden über die hessenweit operierende FPA mitversorgt. Die Struktur der Ambulanzen orientiert sich an den zugehörigen Kliniken, es gibt eine reine §63er-Ambu-lanz und 2 reine §64er-Ambulanzen; Strafvollzugsklientel wird nur in Ausnahmefällen mitversorgt. In Hessen werden 9,7 % aller Probanden (n = 573), die in der Studie erfasst sind, über die genannten Nachsorgeeinrichtungen betreut. Darunter macht die Kernklientel 418 Klienten aus [344 §67d-Fälle (60,0 %), 24 §67b-Fälle (4,2 %), 50 §68c-Fälle (8,7 %)]. In der Beurlaubung sind 57 Probanden (9,9 %), darüber hinaus werden noch 98 weitere Probanden betreut (17,1 %). Die durchschnittlichen Tageskosten belaufen sich auf 23,95 €. Hessen hat keine forensische Nachsorgeam-bulanz. Neben wenigen Probanden, die innerhalb der FPA Hessen betreut werden, erfolgt Nachsorge für Strafvoll-zugsklientel über eine Kooperationsvereinbarung zwischen dem Trägerverein zur Förderung der Bewährungshilfe Hes-sen (getragen und finanziert über das hessische Justizminis-terium) und niedergelassenen Therapeuten.

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(83,5 %), 2 §67b-Fälle (1,6 %), kein §68c-Fall (0,0 %)]. Elf Probanden sind in der Beurlaubung (8,7 %), und 8 weitere Probanden werden betreut (6,3 %). Die durchschnittlichen Tageskosten berechnen sich auf 8,36 €.

Straftäter in Sachsen werden über das Institut für Sozial-therapeutische Nachsorge und Resozialisationsforschung (ISONA) nachbetreut. Die ISONA betreibt seit 2011 im Bundesland 3 Standorte in Leipzig, Dresden und Chemnitz und betreut rund 160 Probanden bei einem rechnerischen Caseload von ~ 1:30.

Sachsen-Anhalt ist seit 2008 mit einer landesweiten Nachsorgeeinrichtung (Forensa) auch für die Maßregel-vollzugsklientel des Landes zuständig; der Caseload liegt ebenfalls bei 1:11. Aus den Maßregelkliniken in Ucht-springe und Bernburg erfolgt keine direkte Nachsorge. Forensa stellt eine gemischte §63-/§64er-Ambulanz dar, die auch Strafvollzugsklientel von den beiden Standorten in Magdeburg und Halle versorgt. In Sachsen-Anhalt werden 1,5 % aller Probanden (n = 88), die in der Studie erfasst sind, über die genannte Nachsorgeeinrichtung betreut. Der Kern-klientel sind 77 Probanden zuzurechnen [73 §67d-Fälle (83,0 %), keine §67b-Fälle (0,0 %), 4 §68c-Fälle (4,5 %)]. Fünf Probanden in der Beurlaubung (5,7 %), und 6 weitere Probanden werden betreut (6,8 %). Die durchschnittlichen Tageskosten berechnen sich auf 15,00 €.

Schleswig-Holstein ist mit 2 Nachsorgeeinrichtungen für Maßregelvollzugsklientel in der Erhebung vertreten, eine reine §63er-Ambulanz und ein gemischte Ambulanz, die auch Strafvollzugsklientel versorgt. Insgesamt werden 2,1 % aller in die Studie integrierten Probanden (n = 125) in Schleswig-Holstein betreut. Der Kernklientel sind 97 Pro-banden zuzurechnen [94 §67d-Fälle (75,2 %), 3 §67b-Fälle (2,4 %), kein §68c-Fall (0,0 %)], außerdem werden 28 Pro-banden (22,4 %) im Rahmen der Beurlaubung betreut, weitere Probanden werden nicht versorgt (0,0 %). Die durchschnittlichen Tageskosten können nicht ausgewiesen werden. Daneben gibt es forensische Nachsorge seit 1995 über den privaten Träger Packhaus, der mittlerweile meh-rere Niederlassungen im Bundesland betreibt (ca. 65 Pro-banden, Caseload ~ 1:16) und die Fachambulanz Gewalt in Lübeck, die ebenfalls Straftäterklientel nachsorgt.

Thüringen schließlich ist mit 3 Nachsorgeeinrichtungen für Maßregelvollzugsklientel in der Erhebung vertreten, es gibt 2 reine §63er-Ambulanzen und eine reine §64er-Ambulanz. In Thüringen werden 1,5 % aller Studienprobanden (n = 91) betreut. Der Kernklientel sind hier 70 Probanden zuzurechnen [66 §67d-Fälle (72,5 %), 4 §67b-Fälle (4,4 %), kein §68c-Fall (0,0 %)]. Außerdem werden 21 Probanden (23,1 %) im Rah-men der Beurlaubung betreut; weitere Probanden werden nicht versorgt (0,0 %). Die durchschnittlichen Tageskosten in Thüringen belaufen sich auf 7,15 €. Thüringen ist wie Bremen ohne institutionalisierte forensische Nachsorge.

werden 16,9 % aller Probanden (n = 995), die in der Studie erfasst sind, über die genannten Nachsorgeeinrichtungen betreut. Darunter macht die Kernklientel 675 Klienten aus [618 §67d-Fälle (62,1 %), 27 §67b-Fälle (2,7 %) und 30 §68c-Fälle (3,0 %)]. Immerhin 309 Probanden (31,1 %) werden in der Beurlaubung, darüber hinaus allerdings ledig-lich noch 11 weitere Probanden betreut (1,1 %). Die durch-schnittlichen Tageskosten belaufen sich derzeit auf 12,00 €.

In Nordrhein-Westfalen gibt es einige private Träger, die beispielsweise im Bochumer Ambulanzzentrum schon einige Zeit forensische Nachsorge betreiben. Seit 2013 gibt es nun auch offiziell über das Land 20 Nachsorgeplätze in Bielefeld in der Nachsorge für Straftäter.

Rheinland-Pfalz ist mit 3 Nachsorgeeinrichtungen für Maßregelvollzugsklientel in der Erhebung vertreten, es gibt eine reine §63er-Ambulanz, eine gemischte §63-/§64er-Ambulanz und eine weitere gemischte Ambulanz, die auch Strafvollzugsklientel versorgt. In Rheinland-Pfalz werden 5,4 % aller Probanden (n = 316), die in der Studie erfasst sind, über die genannten Nachsorgeeinrichtungen betreut. Darunter macht die Kernklientel 229 Klienten aus [211 §67d-Fälle (66,8 %), 18 §67b-Fälle (5,7 %) und keine §68c-Fälle (0,0 %)]. In der Beurlaubung werden 56 Proban-den (17,7 %) und 31 weitere Probanden werden zusätzlich betreut (9,8 %). Die durchschnittlichen Tageskosten belau-fen sich in Rheinland-Pfalz auf 17,08 €.

Rheinland-Pfalz betreibt seit 2009 in Ludwigshafen und Trier je eine psychotherapeutische Ambulanz der Jus-tiz (PAJu). Während in Ludwigshafen rund drei Viertel der Klientel (aktuell gut 40 Probanden, Caseload ca. 1:12) Sexualstraftäter sind, werden in Trier (25 Fälle) ausschließ-lich Sexualstraftäter in einem Caseload von 1:20 betreut.

Das Saarland ist mit einer gemischten §63-/§64er-Am-bulanz in der Nachsorge vertreten und versorgt darüber 1,3 % aller Probanden (n = 77), die in der Studie erfasst sind. Der Kernklientel sind 46 Klienten zuzurechnen, ausnahms-los §67d-Fälle (59,7 %), §67b- und §68c-Fälle wurden nicht angegeben. Weitere 28 (36,4 %) werden als Beurlaubte betreut, außerdem 3 sonstige Probanden (3,9 %). Die durch-schnittlichen Tageskosten für die Merziger Ambulanz wur-den nicht explizit ausgewiesen.

Das Saarland betreibt in und aus der JVA Saarbrücken heraus das Projekt Soziale Kompetenz für die Wiederein-gliederung Strafgefangener (SoKoS), in dem Straftäter sozio- und psychotherapeutisch nachbetreut werden.

Sachsen ist mit 3 Nachsorgeeinrichtungen für Maßregel-vollzugsklientel in der Erhebung vertreten; aus den Kliniken in Arnsdorf und Großschweidnitz erfolgt keine Nachsorge. Die 3 Ambulanzen verteilen sind auf 2 reine §63er-Ambu-lanzen und eine reine §64er-Ambulanz. In Sachsen werden 127 der insgesamt 5895 Probanden der Studie (2,2 %) über die genannten Nachsorgeeinrichtungen betreut. Darunter macht die Kernklientel 108 Klienten aus [106 §67d-Fälle

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den 279 (97,2 %) in den alten und lediglich 8 in den neuen Bundesländern betreut. Außerdem finden sich lediglich in einer der 8 ausgewerteten §64er-Nachsorgeeinrichtungen 2 §67b-Fälle, alle anderen sind an eine §63er-Maßregel gebun-den. Den Daten ist nicht zu entnehmen, ob in den neuen Bundesländern tatsächlich unterproportional wenig Maßre-geln zugleich mit der Anordnung zur Bewährung ausgesetzt werden oder ob die Probanden mit Bewährungsaussetzung tendenziell eher an niedergelassene Therapeuten oder psych-iatrische Institutsambulanzen angebunden werden.

Hingegen finden sich in den neuen Bundesländern über-proportional viele entfristete Führungsaufsichten. Über 17 % aller §68c-Fälle (n = 26) werden in den neuen Bun-desländern betreut, nur knapp 83 % (n = 124) in den alten. Allerdings sind 20 der 26 Fälle an einen einzigen branden-burgischen Nachsorgestandort angebunden, was für einen Sondereffekt, hervorgerufen durch die Empfehlungspraxis der Nachsorgeambulanz und/oder die Spruchpraxis der zuständigen Kammer spricht und eher nicht einen Gesamt-trend widerspiegeln dürfte.

Weiterhin werden 982 Probanden (alte Bundesländer n = 887, 90,3 %; neue Bundesländer n = 95, 9,7 %) transmural, also in der Aus- und Überleitungsphase befindliche, aus der stationären Maßregel (dauer-)beurlaubte Patienten versorgt (Mittelwert 14,4; Median 9,5; Minimum 0 bis Maximum 151).

Und schließlich sind insgesamt 488 weitere Probanden (alte Bundesländer n = 466, 95,5 %; neue Bundesländer lediglich n = 22, 4,5 %) an die Ambulanzen angebunden, hierunter Straftäter, ehemalige Führungsaufsichtpatienten, allgemeinpsychiatrische High-risk-Klientel und Sonstige.

Alles in allem betreuen die 69 Ambulanzen 5895 Proban-den (Mittelwert 85,4; Median 60; Minimum 4 bis Maximum 434), davon 5344 oder 90,7 % in den alten Bundeländern.

Fazit

Die Reform der Führungsaufsicht und die Aufnahme der Institution „forensische Nachsorge“ in das Strafgesetzbuch haben der forensisch-psychiatrischen Nachsorge einen mas-siven Zuwachs an Probanden beschert. Die Zahlen vor 2007 sind zwar nur mit Einschränkungen zu verwerten, da damals keine Vollerhebung erreicht wurde, erreichten aber hochge-rechnet 2006 nur rund 1500 und 2010 die Dimension von 2500 bis 3000 Probanden. Mitte 2013 sind es nun nahezu 4500 Probanden, die der Kernklientel zuzurechnen sind. Wenn man parallel dazu heute feststellen muss, dass auch die Zahlen der stationär – vorläufig oder endgültig – in einer Maßregel untergebrachten Probanden auf rund 12.000 gestie-gen sind, wird deutlich, dass in den vergangenen Jahren ein dramatischer Anstieg der stationären und poststationär-am-bulanten Maßregelvollzugsklientel zu verzeichnen ist.

Aggregierte bundesdeutsche Gesamtübersicht

In der Bundesrepublik wird der in der Studie erfasste Per-sonenkreis aus Maßregelvollzugsprobanden, ggf. erweitert durch Straftäter und einige wenige andere Patienten wie bei-spielsweise ehemalige Führungsaufsichtpatienten oder allge-meinpsychiatrische High-risk-Klientel in 69 Einrichtungen nachbetreut. Zwölf weitere forensische oder forensiknahe Einrichtungen sind entweder nicht (Calw, Straubing, Uni-versitätsforensik Hamburg, Rheine, Essen, Arnsdorf, Groß-schweidnitz) oder nicht selbst (Riedstadt, Eltville, F-KuJ Marburg, Bernburg, Uchtspringe) mit der Nachsorge bedingt entlassener Probanden aus dem Maßregelvollzug befasst.

Von den 69 Einrichtungen befinden sich 56 (81,2 %) in den alten Bundesländern; auf die 5 neuen Bundesländer verteilen sich 13 (18,8 %). Während in den alten Bundes-ländern knapp 60 % (n = 33) aller Einrichtungen gemischte §63-/§64er-Nachsorgeambulanzen sind, finden sich in den neuen Bundesländern gut 60 % (n = 8) aller Einrichtungen in Form „reiner“ §63er- bzw. §64er-Ambulanzen.

Neben psychisch oder suchtkranken Rechtsbrechern betreuen 16 (alte Bundesländer n = 14; neue Bundesländer lediglich 2) der genannten 69 Einrichtungen (23,2 %) auch Straftäter, 19 Einrichtungen (27,5 %; alte Bundesländer 16, neue 3) auch Jugendliche und Heranwachsende.

Am längsten durchgehend am Netz ist seit 1988 die FPA Hessen; die jüngsten Einrichtungen arbeiten mit Genehmi-gung seit 2012 (Teupitz, Duisburg). Der Mittelwert datiert aus Mai 2006; der Median liegt im Jahr 2008.

Angaben zu den kalendertäglichen Betreuungskosten lie-gen von 57 der 69 Einrichtungen (82,6 %) vor. Diese variieren breit zwischen 30,90 € in der FPA Hessen und 7,15 € in Thü-ringen; im Mittel betragen die Kosten bundesweit betrachtet 15,26 € (Median 15,85 €4; alte Bundesländer n = 49, 15,42 €; neue Bundesländer n = 8, 14,29 €). Einige Bundesländer haben darüber hinaus die Kostenproblematik in Prüfung, wollen in Kürze Tagessätze festlegen oder haben gleitende Anpassungen für die kommenden Jahre bereits festgesetzt, sodass die genannten Tageskosten definitiv ansteigen werden.

Die 69 Einrichtungen melden republikweit 3988 bedingt entlassene, psychische oder suchtkranke Rechtsbrecher (§67d-Fälle; Mittelwert 58,6; Median 44; Minimum 0 bis Maximum 254). Hinzu kommen 287 §67b- (Mittel-wert 4,3; Median 2; Minimum 0 bis Maximum 60) und 150 §68c-Fälle (Mittelwert 2,2; Median 0; Minimum 0 bis Maximum 50), mithin 4425 Nachsorgeprobanden, die der Kernklientel einer forensisch-psychiatrischen Nachsorge-ambulanz zugerechnet werden können (alte Bundesländer n = 3991, 90,2 %; neue Bundesländer n = 434, 9,8 %).

Es fällt auf, dass der Anteil der §67b-Fälle sehr ungleich verteilt ist. Von den insgesamt 287 Fällen bundesweit wer-

4 Gilt auch für die Kalkulationen in den Folgeabschnitten.

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und falsch verstandener Risikoabwehr zulasten individuell zuzugestehender Freiheitsrechte.

Anhand der Zahlen bestätigt sich schließlich der eher gering ausgebaute, ambulante Betreuungsrahmen für den Kreis jugendlicher und jung erwachsener Maßregelvollzugs-probanden. Hier belegen die Zahlen eindeutig eine Versor-gungslücke, die besonders schwer wiegt, weil neben dem Maßregelvollzug auch andere Institutionen wie Jugendhilfe, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Jugendgerichtshilfe, aber auch Schule oder Elternhaus in Hilfsangeboten und Führung in dieser vulnerablen Lebensphase eher zurückhaltend sind und gerade diese Klientel damit Gefahr läuft, auch längerfris-tig nicht angemessen versorgt zu werden und darüber auch längerfristig dem Maßregelvollzug zugehörig zu sein. Eine verstärkte Öffnung der forensisch-psychiatrischen Ambulan-zen für die letztgenannte Klientel wäre wünschenswert.

Interessenkonflikt R. Freese gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Wiewohl das Maßregelrecht bundesgesetzlich im StGB verankert ist, liegt die praktische Umsetzung in der Verant-wortung der 16 Bundesländer. Wie der obigen Aufzählung zu entnehmen ist, hat es hier durchaus recht unterschied-liche Entwicklungen gegeben. Besonders zu beobachten werden dabei die Entwicklungen in den beiden Feldern §67b-Anordnung (unmittelbare Aussetzung der Maßregel zur Bewährung) und §68c-Anordnung (Entfristung einer einmal angeordneten Führungsaufsicht) sein. In beiden Feldern gibt es noch keine klare Tendenz. Diskussionen unter Fachkollegen legen aber nahe, dass von der unmit-telbaren Aussetzung noch deutlich häufiger Gebrauch gemacht werden könnte, als dies bisher der Fall ist, da die überblickten Verläufe durchaus vielversprechend, resozia-lisierungsfreundlich, einer Stigmatisierung entgegenwir-kend und kostenminimierend sind. Andererseits sollten die Hürden für eine Entfristung von Führungsaufsichten nicht zu niedrig sein – hier lauert durchaus die Gefahr des Miss-brauchs strafgerichtlich verordneter Überreglementierung


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