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Zitronenfalter_2008_3

Date post: 26-Mar-2016
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Kirche und Postmoderne Missionarische Herausfor- derungen der Gegenwart Ernüchterung bei Willow? Reveal-Studie zeigt Defizite auf „Come together!“ Zweitgottesdienst im Dop- pelpack Zitronen falter Was Kirche für morgen heute bewegt 3.2008 Probier‘s mal mit der Wirklichkeit Zitronen falter
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Page 1: Zitronenfalter_2008_3

Kirche und PostmoderneMissionarische Herausfor-derungen der Gegenwart

Ernüchterung bei Willow?

Reveal-Studie zeigt Defizite auf

„Come together!“Zweitgottesdienst im Dop-pelpack

ZitronenfalterWas Kirche für morgen heute bewegt

3.2008

Probier‘s mal mit der Wirklichkeit

Zitronenfalter

Page 2: Zitronenfalter_2008_3

Liebe Leserinnen und Leser,

Probier’s mal mit der Wirk-lichkeit!

… ganz schön provozie-rend – wie von Kirche für mor-gen nicht anders zu erwarten – kommt einem der Zitronen-falter-Titel ins Haus geflattert. Als wenn wir nicht selbstver-ständlich in der Wirklichkeit zuhause wären!

Wem kommt dabei nicht zunächst der schöne Boogie

von Balu, dem Bären aus dem Dschungelbuch, in den Sinn: „Probier’s mal mit Gemütlichkeit”. Gemütlich-keit statt Wirklichkeit? Aber der Maulwurf der Titel-seite steht nicht für Gemütlichkeit, sondern für das mutige Auftauchen aus kirchlichen Katakomben, für das Wahrnehmen einer Wirklichkeit jenseits der ver-trauten unterirdischen Gänge. Indirekt stellt der Titel uns folgende Frage: Hat unsere Kirche sich nicht allzu sehr in einer bestimmten Nische gemütlich eingerich-tet und verliert dadurch zunehmend Bedeutung für heutige nichtkirchliche Menschen und ihre Lebens-wirklichkeit in der Postmoderne (siehe Artikel S. 3ff)?

Nichts gegen Gemütlichkeit – gerade auch in der Kirche. Aber wenn die Gemütlichkeit uns daran hin-dert, für die heutige Welt von Bedeutung zu sein, dann wird sie zum Frömmigkeitsmief oder Kirchen-mief, in dem man sich nur noch selber wohlfühlen kann, weil der frische Wind von draußen ausgesperrt wird. Mir fallen dabei zwei Spielarten dieses Miefs auf: Erstens die kirchliche Variante, die sich mit der Kultur des Sonntagmorgengottesdienstes, ihrer Musik und ihrer klerikalen Sprache so wohl fühlt, dass man gar meint, das wäre das einzige, was theologisch zu verantworten wäre und zweitens die pietistisch-charis-matische Variante: Dort hat man sich zuweilen in einer bestimmten Frömmigkeitsnische so eingerichtet, dass man den eigenen Glaubensstil gar zum Glaubenskri-terium erhebt. Beide verlieren dabei die Möglichkeit, dem heutigen Volk auf’s Maul zu schauen und so erst ihre Wirklichkeit in den Blick zu bekommen.

Jede(r) von uns – auch wir von Kirche für morgen – haben solche Selbst-Immunisierungs-Tendenzen gegen die „raue” Wirklichkeit – und die gilt es immer wieder aufzubrechen, gerade auch in unseren Kirchen-gemeinden, in Hauskreisen und anderen Gruppen.

Uns allen wünsche ich ganz neu zu „Hinguckern” zu werden – wie es Axel Wiemer fordert (S. 8f ) – um der Lebenswirklichkeit so ins Auge zu sehen, dass wir als Kirche in sie hinein das heilsame Wort, das „euangelion” zu sagen wissen und die heilsame Tat zu leben wagen. Dann hätte Kirche sogar die Kraft, nicht nur die Wirklichkeit wahrzunehmen sondern zu verändern.

Heftthema: Probier’s mal mit der Wirklichkeit

Editorial Seite �

Kann Kirche postmodern werden? Seite 3

Gottesdienste im Vergleichstest? Seite 6

Ein echter Hingucker – Jesus sieht uns an Seite 8

Wie andere uns sehen … Seite 10

mission audit – hinsehen, hinhören, fragen Seite 11

BausteineZeichen setzen! Seite 13

Ernüchterung bei Willow Creek? Seite 14

Kommunikation als „Beziehungs-Schwarzbrot“ Seite 15

Gemeindeporträt Miedelsbach„Come together!“ Zweitgottesdienst im Doppelpack Seite 16

Kfm internSieben Zitronen in Aktion: Sommersynode 08 Seite 18

Impressum Seite 19

Zu guter Letzt Seite �0

Editorial und Inhaltsverzeichnis Thema: Probier‘s mal mit der Wirklichkeit

Ende der 90er brachen wir mit jungen Erwachsenen aus der Gemein-dejugendarbeit zu einer Freizeit nach Mittelschweden auf. Mit dabei war Florian1, der einfach mit einer Gruppe Urlaub machen wollte, mit Religion und Kirche aber absolut nichts anzu-fangen wusste. Er passte mit seiner Art eigentlich gar nicht in unsere Gruppe hinein, war aber bei den Bibelgesprä-chen immer dabei. Und zu unserer Verwunderung stellte er hartnäckige, ehrliche Fragen. Am meisten beein-druckte ihn, als wir mit ihm beteten und ihn segneten. Er fing irgendwie Feuer und blieb dabei. Durch Höhen und Tiefen – und von letzteren gab es viele – hielt er den Kontakt zu uns. Die Jugendgottesdienste, zu denen er kam, waren für ihn fremd. Aber er kam immer wieder. Er fragte nach, erzählte von seinen Problemen und wir bete-ten miteinander. Heute, zehn Jahre später, staune ich: Florian hat seinen Weg mit Gott gefunden, trotz der Dis-tanz der christlichen Kultur zu seiner Lebenswelt. Nach wie vor, wenn wir zusammenkommen, möchte er, dass wir gemeinsam beten und ich ihm die Hände auflege.

Religiöser Pluralismus

Es gibt heute viele wie Florian, deren Lebenshorizont mit dem spe-zifisch christlichen Weltbild kaum Be-rührungspunkte hat. Menschen, die keinen Glauben haben. Menschen, die nur wissen, dass es eben viele Re-ligionen gibt – Muslime und Buddhis-ten leben heute ja mitten unter uns. Welchen Glauben man wählt, so das Credo der meisten, sollte man den Leuten gefälligst selbst überlassen.

In den letzten Jahren nimmt das gesellschaftliche Interesse an Reli-gion deutlich wieder zu. Es nimmt aber andere Formen an als früher, ist unübersichtlicher. Und spirituelle Neigungen sind heute oft weit ent-fernt vom christlichen Gedankengut. Die große Anzahl derer, die von den 68ern geprägt sind, haben meist mit der christlichen Tradition ihre hand-festen Probleme.

Ihren inzwischen groß geworde-nen Kindern ist das Christliche nicht selten völlig fremd geblieben. Was die

jüngere Generation über Religion und Glaube weiß, speist sich am ehesten aus den Medien – Zeitschriftenartikel, Filme, Comics, Blogs, Bücher. Viel ge-lesen wird Richard Dawkins’ „Gottes-wahn“ und Dan Browns „Sakrileg“. Wenn einmal positiv über Religion gesprochen wird, dann nur unter der Annahme, dass die verschiedensten – sprich alle Wege – irgendwie zu Gott führen.

Abschied von der Moderne

Dan Kimball hat in seinem Buch „Emerging Church“ viel Bedenkens-wertes zur gegenwärtigen Situation niedergeschrieben. Auch dazu, wie heute Kirche ganz neu entstehen könnte.�

Er meint, dass mit der kürzlich er-wachsen gewordenen Generation die so genannte Postmoderne im Mittel-

punkt unserer westlichen Gesellschaf-ten angekommen ist und die Moderne abgelöst hat. Die Moderne ist von Technik und Aufklärung geprägt und hat seit dem 16. Jahrhundert mehr und mehr das traditionelle christlich-religiöse Weltbild abgelöst. In der Moderne schuf man ein mythenfrei-es Weltbild aus Vernunft und Logik, das die Welt objektiv erklären sollte. Postmodern betrachtet jedoch gibt es keine objektive Wahrheit mehr, nur unzählige subjektive Lebensentwür-fe. Die Unübersichtlichkeit der Le-

Kann Kirche postmodern werden?Der christliche Grundwasserspiegel unserer Gesellschaft sinkt beständig. Dieser

Tatsache ins Auge zu sehen ist nicht leicht. Marc Stippich geht der Frage nach, ob

sich auch in postmodernen Strömungen Spuren der Gnade Gottes finden lassen.

Subjektive

Lebens-

entwürfe

statt

objektiver

Wahrheiten

Layouter/in für Zitronenfalter ge-suchtWir suchen eine Person, die sich mit den Inhalten von Kirche für morgen identifiziert und sich vor-stellen kann, künftig das Layout der Zeitschrift „Zitronenfalter“ zu gestalten. Ein Grundlayout ist vorhanden. Die durchschnittliche Arbeitszeit nach einer Einarbeitungsphase beträgt ca. �0 Stunden pro Ausga-be (drei Ausgaben im Jahr). Bisher haben wir mit dem Pro-gramm InDesign �.0 gearbeitet. InDesign, Quark Express oder das Freeware-Programm Scribus wären für das Layout möglich, evtl. auch weitere. Microsoft Pu-blisher genügt den Anforderungen nicht. Unser bisheriger Layouter Lutz Eisele ist gerne bereit, eine/n Nachfolger/in einzuarbeiten.

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Friedemann Stöffler

Page 3: Zitronenfalter_2008_3

benswelten, Kulturen und Weltbilder landet über Fernsehen und Internet heute direkt in unseren Wohnzim-mern. So lernt, wer erwachsen wird, eine pluralistische Welt kennen. Und es ist ihm selbst überlassen, sich sein Welt- und Gottesbild zusammen-zustellen. Viele junge Leute bestehen sogar darauf, dass ihnen da niemand reinzureden hat.

In den Gesprächen mit meinen Konfirmandengruppen taucht Wider-stand immer verstärkt dort auf, wo es um die Einzigartigkeit des christ-lichen Glaubens geht. Dass Gott uns nur einen Weg zu sich anbietet, über Jesus, das widerspricht allem, was sie in ihrem bisherigen Leben –un-bewusst – verinnerlicht haben. Das postmoderne Denken prägt sie hin-tergründig und nachhaltig.

Erosion des Christlichen

Aber war das nicht schon immer so, dass die Jungen anders denken als die Älteren? Ist das nicht der üb-liche Generationenkonflikt? Werden diese Jugendlichen nicht auch später irgendwann schon wieder in die Kir-chen zurückkehren? Solches Denken relativiert die Herausforderung, vor der wir stehen. Es greift entschieden zu kurz.

In die letzte EKD-Mitgliederstudie „Kirche in der Vielfalt der Lebensbe-züge“ ist eine Sozialstudie integriert. Dort wird die deutsche Gesellschaft idealtypisch in sechs Milieus aufge-teilt mit unterschiedlichen Denk- und Lebensmustern. Die Studie zeigt klar auf, dass in der Gruppe mit dem nied-rigsten Altersdurchschnitt der größte Anteil an Kirchenfernen zu finden ist. Ein Großteil der jungen Leute ist fak-tisch nicht mehr kirchlich geprägt! Die innerfamiliäre christliche Erziehung hat rapide abgenommen und die Unkirchlichkeit potenziert sich in die nächste Generation hinein. Wie sollen die christlich erziehen, die das selbst kaum mehr genossen haben?

Generell kommen solche neuen kulturellen Epochen nicht über Nacht. Während die einen schon erfasst

sind, sind andere noch im alten Welt-bild verwurzelt. Trotzdem muss man heute davon ausgehen, dass auch die nicht mehr ganz Jungen (die 35-50jährigen) bereits zu einem Drittel postmodern geprägt sind. Wir werden auch sie mit der üblichen rationalen Art von Glaubensvermittlung nicht mehr ansprechen können.

Der unbekannte liebe Gott

Wie können wir Menschen für den Glauben gewinnen, deren Denken und Erleben ganz anders gestrickt ist als das unsere?

Dan Kimball hat in der Jugendge-meinde, die er mit anderen gegründet hat, in einem Prozess des Suchens, Fragens und Betens vieles auspro-biert. Er ist überzeugt, dass wir Alt-bewährtes in Frage stellen, neu das Gespräch mit den Menschen suchen und dabei genau hinhören müssen. Schnelle Lösungen finden sich da nicht. Aber Spuren kristallisieren sich heraus: Viele Christen wollen, wenn sie Nichtchristen ansprechen, zunächst einmal Vorurteile abbauen. So versuchen sie z. B., das Bild vom strafenden Gott durch das vom gnä-digen zu ersetzen. Nur: Einen strafen-den Gott hat die jüngere Generation gar nicht mehr vermittelt bekommen – sie hat schon immer bloß vom lie-ben Gott gehört. Für einen lieben Gott jedoch, der ihnen unbekannt ist, in-teressieren sich die Menschen nicht. Wir können Interesse bei ihnen nur wecken, wenn wir ihre eigenen Le-bensthemen treffen.

Wonach viele ernsthaft suchen

Mir kommen dazu drei Stichworte in den Sinn: Freundschaft, Lebenshil-fe, Orientierung.

Lebenshilfe brauchen Menschen immer wieder, und darin sind wir als Kirche eigentlich ganz gut. Jeder stolpert in seinem Leben über Proble-me, die er nicht ohne weiteres lösen kann. Findet er dann jemanden, der ihm praktisch helfen kann? Jemand, der ihm nebenbei von Gott erzählt, der uns gerade in diesen Situationen Kraft und Mut geben kann?

Und Orientierung brauchen Men-schen mehr denn je in einer unü-bersichtlichen Welt. Vor allem junge Menschen schauen sich um: Wer hat einen überzeugenden Lebensent-wurf? Wo kann sich Leben entfalten? Wo wird es auch für andere relevant? Wo haben Menschen offensichtlich einen Sinn in ihrem Leben gefunden?

Auf Christen aufmerksam werden solche Menschen in der Regel nicht

über Inhalte, sondern über Bezie-hungen. Über Freundschaften, die wachsen. Die Offenheit und die Be-reitschaft, Andersdenkenden freund-schaftlich zu begegnen, können Türöffner sein. Für viele ist das ver-mutlich der einzige Weg, um innere Vorurteile abzulegen und sich auf un-seren Glauben einlassen zu können.

Will jemand, mit dem wir in wach-sender Freundschaft verbunden sind, dann irgendwann kennen lernen, was unser Leben prägt, kommt er auch mit über die Schwelle der Kirchentür. Dort angekommen, will er es aber vermut-lich auch genau wissen.

Kein „Gottesdienst light“

Dan Kimball erzählt von einem jungen Mann, der deutlich sagte: Ich möchte keinen „Gottesdienst light“ erleben, sondern – wenn schon – das volle Programm! Ich will sehen, ob Gott lebendig ist und wie man ihn anbeten kann.

Damit werden in den Gottesdiens-ten wieder Rituale wichtig. Die Leute schätzen die Wirkung alter Kirchen-gebäude wieder ganz neu. Wir soll-ten uns bemühen, eine sinnliche At-mosphäre zu schaffen durch Kerzen und Kreuze, durch sorgfältig gestal-tete Kreismittelpunkte oder Altäre. Dazu gesellt sich der Wunsch, selbst aktiv werden zu können. Je mehr die Medienwelt interaktiv wird, desto mehr entsteht das Bedürfnis, nicht nur zu konsumieren, sondern mitzu-gestalten. Dafür eignen sich offene Gottesdienstphasen, in denen man Gebete schreiben, Kerzen anzünden, das Gespräch suchen und gesegnet werden kann. So bleibt Raum, dass Gott auf individuell verschiedene Weise wirken kann. Die postmoder-ne Lebenshaltung beinhaltet ein starkes Interesse an Echtheit und Erfahrung und eine neue Offenheit für Rituale. Das steht teils im direk-ten Gegensatz zu den Gottesdienst-formen der „modernen“ Gemeinden wie Willow Creek und anderen, die sich vor ca. 30 Jahren in Abgrenzung zu den traditionellen Gottesdiens-ten gebildet haben. In der neuesten Willow-Creek-Studie ist aber gerade eines deutlich geworden: Auch die Menschen dort wollen offensichtlich weniger konsumieren, sondern ihre Gottesdienste gern spiritueller und ihr Glaubensleben in mehr Eigenin-itiative gestalten.3

Unterwegs im Auftrag des Herrn

Kirche definiert sich neutesta-mentlich nicht als „Gebäude“ und

„Institution“, sondern als Gemein-schaft von Menschen, die im Auftrag Jesu unterwegs sind, die sich bewe-gen lassen zu anderen Menschen hin. Wo Christen vermehrt außerhalb des kirchlichen Milieus Kontakt suchen, wo Gott dort in ihren Beziehungen

Freundschaft, Lebenshilfe und Orien-tierung schenkt, da kann Kirche noch einmal neu und anders entstehen. Wie sie sich dort dann genau organisiert, ist sicherlich ein längerer Prozess. Aber langen Atem braucht immer, wer Neues wachsen lassen will.

Wenn Menschen wie Florian, die kirchlich und christlich nicht „vor-gewärmt“ sind, den Weg in unsere Gemeinden finden, ist das immer was sehr Bewegendes. Wenn dieser Weg für sie nur nicht ein so schwerer wäre … Sucht die Kirche nach konkre-ten Antworten auf die Veränderungen der Gegenwart, schafft sie tatsächlich Raum für neue Lebenswelten, dann kann mitten im Wandel heutiger Zeiten Gottes Gnade neu sichtbar werden. Sind wir bereit, uns dazu in Frage stellen, herausfordern und be-wegen zu lassen?

1Name geändert�Das Stichwort „Emerging Church“ könnte man übersetzen mit „Kirche, die neu entsteht“.3Näheres zur „Reveal“-Studie der Willow-Creek-Gemeinde siehe unten S.14.

Marc Stippich, Pfarrer in Grun-bach im Remstal, schätzt die Gottesdienstvielfalt in unserer Landeskirche und die vielen

Begabungen, die dabei in Miedelsbach und anderswo zum Tragen kommen.

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Kaum ein

Jugendlicher

ist heute

noch kirch-

lich geprägt

Menschen

wollen nicht

konsumieren,

sondern ihr

Glaubensle-

ben selbst

gestalten

Page 4: Zitronenfalter_2008_3

Kann man Gottesdienste kritisie-ren, so wie Restaurantkritiker Sterne vergeben? So wie Kinofilme oder The-ateraufführungen besprochen wer-den? Wäre gar eine deutsche Version des Mystery Worshippers wünschens-wert? Wir haben dazu zwei State-ments eingeholt und laden Sie ein mitzudiskutieren. Schreiben Sie uns an [email protected].

Dr. Thomas Hoffmann-Dieterich lebt und arbeitet als Religions-wissenschaftler in Haigerloch

Stunden in die Vorbereitung inves-tiert, das Beste gegeben – und dann nur ein paar nette Worte am Ausgang? Was ist angekommen bei den Gottes-dienst-Besuchern? Und noch wichti-ger: was nervt sie ständig? Bei Licht besehen haben wir nicht einmal in Ansätzen eine wirkliche Feedback-Kul-tur in Sachen Gottesdienst. Dabei liegt Feedback – auch wenn uns das fremd erscheint – ganz auf der Linie des neutestamentlichen Gottesdienst-Ge-schehens. Ausdrücklich lobt Lukas die nachforschenden Juden in Beröa (Apg. 17,11) und Paulus will die prüfende Gemeinde als Gegenüber zur propheti-schen Rede (1. Thess. 5, 19-��).

Feedback heute dann per Internet? Natürlich ist direktes Gespräch vorzu-ziehen. Aber wie oft findet es statt? Und wie offen wird geredet? Kann sich nicht über eine Bewertung im Netz ein spannendes Gespräch ergeben, was anders werden sollte? Wer mündige Gemeinde will, muss mithelfen, dass sie – so oder so – wirklich den Mund aufmacht.

Reinhold Krebs, Landesreferent im ejw, Mitglied im Leitungs-kreis von Kirche für morgen.

Wenn über Gottesdienste nicht mehr gesprochen wird, sind sie tot. Insofern stellt sich nur die Frage nach der Art des Gesprächs. Da fehlt mir beim Fragebogen von „ship of fools“ die Polarität, die das Gegenüber (Gott und die Liturgen) würdigt.

Die Fragen sind auf die Befind-lichkeit des Betrachters reduziert und finden nicht über die Konsum-mentalität unserer Tage hinaus. Das Prädikat „himmlisch“ ist im Blick auf die Predigt ein austauschbares Werbeattribut. Es kann auch für den Geschmack von Joghurt Verwendung finden. Ein orthodoxer Christ würde sich die Frage nach der Bequem-lichkeit verbitten. Er steht selbstver-ständlich drei Stunden lang, um die göttliche Liturgie des heiligen Vaters Johannes Chrysostomus mitzufei-ern. Er tut es aus Freude an Ostern. Die Konsumentenhaltung macht das Gespräch zum Gerede. Hier hat die württembergische Landeskirche kein Defizit, beim Gespräch aber schon.

Dr. Richard Mössinger, Pfarrer in Heilbronn, Vorsitzender des synodalen Gesprächskreis „Evangelium und Kirche“.

Sie möchten bei einem Urlaub in England oder den USA einen Gottes-dienst besuchen, aber Sie wissen nicht, welche Gemeinde in der Nähe in Frage kommen könnte? Oder möch-ten Sie den Arbeitern im Weinberg des Herrn auch hierzulande mal ein Feedback geben? Dann klicken Sie auf http://shipoffools.com/mystery/index.html und lassen sich überra-schen.

„Ship of fools“ ist eine innovative, freche und fröhliche Webseite, die anonyme Gottesdienstkritiken veröf-fentlicht. Sie wurde 1998 von christ-lichen Studenten in Großbritannien gestartet und hat heute einige Tau-send Mitglieder aus allen christlichen Konfessionen. Die durch Spenden fi-nanzierte Internet Community ist ein Forum für unkonventionelle und neue Ideen wie z. B. St. Pixels – eine nun

eigenständige Community, die Onli-negottesdienste abhält. Eine der po-pulärsten Seiten von „Ship of fools“ ist allerdings der Mystery Worshipper. Dort verfassen etwa 700 registrier-te Mystery Worshipper regelmäßig Gottesdienstkritiken. Auch ein Got-tesdienst aus unserer Landeskirche wurde �007 in Esslingen bewertet: ht t p : / / s h i p o f fo o l s . co m / mys te r y /�007/1435.html

Wie wird man Mystery Worship-per (MW)?

Einfach auf der Webseite regist-rieren und Fragebogen und MW-Visi-tenkarte herunterladen. Und dann ab in den nächsten Gottesdienst. Nicht vergessen, vor oder nach dem Gottes-

dienst-Besuch noch ein Foto von Kir-che oder Gemeinde zu machen. Das kommt zusammen mit der Bewertung ins Internet. Die Visitenkarte (siehe Bild) liegt nach dem Gottesdienst üb-rigens im Klingelbeutel, damit die Ge-meinde weiß, dass sie besucht wurde und die Kritik nachlesen kann. Sie kann dann einen eigenen Kommentar dazu veröffentlichen.

Der MW-Fragebogen

• Art des Gottesdienstes?• Wie viele Personen haben teilge-

nommen?• Hat Sie jemand persönlich be-

grüßt?• Haben Sie bequem gesessen?• Wie würden Sie die Atmosphäre

vor dem Gottesdienst beschrei-ben?

• Mit welchen Worten wurde der Gottesdienst eröffnet?

• Welche Bücher, Medien wurden im Gottesdienst verwendet ? (Gesang-bücher, Bibel, Beamer oder ähnli-ches)

• Welche Musikinstrumente wurden eingesetzt?

• Wurden Sie von etwas abgelenkt?• War der Gottesdienst eher steif,

konventionell oder eher fröhlich und ungezwungen?

• Predigtlänge in Minuten?• Wie gut war die Predigt? (Auf einer

Skala von 1-10; 10 für himmlisch)• Das Thema der Predigt in einem

Satz zusammengefasst. • Welcher Teil des Gottesdienstes

war herrlich, was eher deprimie-rend?

Gottesdienste im Vergleichstest?Thema: Probier‘s mal mit der Wirklichkeit

Kann man Gottesdienste bewerten? Ist das vertretbar? Dr. Thomas Hoffmann-Die-

terich ist von der Homepage „Ship of fools“ fasziniert und fragt gleichzeitig: Darf

man das?

• Wurden Sie nach dem Gottes-dienst angesprochen, als Sie noch herumstanden?

• Gab es nach dem Gottesdienst et-was zu essen oder zu trinken?

• Könnten Sie sich vorstellen, die-sen Gottesdienst regelmäßig zu besuchen?

• Waren Sie nach dem Gottesdienst froh, Christ zu sein?

• An was werden Sie sich in einer Woche noch erinnern?

Diese Fragen können übrigens auch Anregung für eine eigene Gottesdien-stevaluation sein.

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„Was war

herrlich, was

deprimie-

rend?“

Konsum-

haltung

oder

Feedback-

Kultur?Darf man das? Zwei Antworten

Page 5: Zitronenfalter_2008_3

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Thema: Probier‘s mal mit der Wirklichkeit

Die ersten zwei oder drei Sekun-den einer Begegnung entscheiden über den Eindruck, den ein Mensch hinterlässt. Wer sich einmal mit Tipps für Bewerbungen befasst hat, weiß das. Er ahnt: Ich bin selber verant-wortlich für meinen Erfolg. Willkom-men in der Ellenbogengesellschaft.

Aber wir sollten es uns nicht zu leicht machen und auf die Unbarm-

herzigkeit der Gesellschaft schimp-fen. Sind wir anders? Stellen Sie sich vor, Sie lieben Ihre Gemeinde und den Gottesdienst. Beim zweiten Lied schlappt eine Jugendliche hi-nein. Zerrissene Jeans, rosa Haare, Piercings im Gesicht. Sie lässt sich neben dem ehrwürdigen Kirchenge-meinderatsvorsitzenden nieder. Das waren schon zwei Sekunden: Was denken Sie? Dass das Mädchen zur Nachbargemeinde gehört und wegen eines Fahrradplattens zu spät kam in den Gottesdienst, den sie in überpa-rochialem Eifer besuchen wollte? Ach nicht? Warum eigentlich nicht?

Wir vergleichen

Machen wir uns nichts vor: Wenn wir andere sehen, vergleichen wir: „Was ist das für eine Tussi, und was will die hier?“ In dieser Frage schwingt mit: Wir wissen, was hier zu wollen ist. Wir sind hier richtig! Ja, überhaupt: Wir sind richtig. Aber die da?

Die Art, wie wir andere wahrneh-men, hängt mit dem zusammen, was wir von uns selbst denken oder jeden-

falls denken wollen. Ich will ein guter Christ sein, darum halte ich mich im Gottesdienst an die ungeschriebenen Benimmregeln und verzichte z.B. auf spontane Halleluja-Rufe während der Predigt. Wer das aber nicht tut, hin-terfragt mich in meinem Selbstver-ständnis. Zugespitzt: Ich fühle mich bedroht.

Jesus wagt Selbstkritik

Wie gut, dass Jesus nicht so war und ist. Wie gut, dass er Menschen nicht ausgrenzt, die anders sind als er.

Ein Beispiel. Eine Frau (und wohl auch ein Mann…) ist beim Ehebruch erwischt worden – Johannes 8,1-10 erzählt davon. Bedroht die Möglich-keit des Scheiterns einer Ehe nicht heimlich auch mich und meine Ehe? So verstehe ich die Aggression derer, die damals dabei waren: Sie wollen die Bedrohung aus der Welt schaffen, indem sie die Frau steinigen.

Jesus aber spielt dieses Spiel nicht mit. Im Gegenteil: Er lässt die Anfra-ge an sich, an alle heran kommen. Er formuliert sie geradezu (Vers 7): „Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie.“ Einer nach dem anderen geht – hoffen wir einmal, dass sie nicht tatsächlich alle die Ehe gebrochen hatten. Aber jede

und jeder erkennt: Auch in meinem Leben gibt es Ungutes. Ich mache mir etwas vor, wenn ich das nur in ande-ren sehe und bekämpfe. Erst als alle weg sind, spricht Jesus mit der Frau. Und er fordert auch sie zur Verände-rung, zur Neuorientierung auf: „Sün-dige hinfort nicht mehr.“

Ein echter Hingucker – Jesus sieht uns anJesus hat einen Blick für Menschen. Dieser kann und will uns verändern. Das geht

nur, weil er sich selber ganz in die Begegnung investiert. Axel Wiemer überlegt,

was wir vom Hingucker Jesus abgucken können.

Redet Jesus so aus einer überle-genen Position? Steht er über den Dingen, bleibt er cool? Lernen wir ein wenig Griechisch:

Jesus wagt Sympathie

Das griechische Wort „splanchna“ bezeichnet die Eingeweide oder auch den Sitz der Gefühle, also das „Herz“. Daraus ist ein Verb abgeleitet, das in unseren Bibeln mit „sich erbarmen“, von Luther auch gerne mit „jammern“ übersetzt wird. Das Wort zeigt: Dieses Erbarmen trifft die eigenen Eingewei-de, das eigene Herz. „Sich erbarmen“ ist also gerade nicht ein „sich herab-lassen“. „Sich erbarmen“ heißt, ich nehme mir das Leid, die Not eines Mitmenschen zu Herzen. Ich lasse zu, den Schmerz, bis in mein Innerstes hinein. Solches „Mitleid“ bedeutet wirklich „Mitleiden“. Auf Griechisch: Sympathie.

Das Neue Testament spricht öfters mit diesem Wort von der „Sympathie“ Jesu für die Menschen. Er „sieht“ sie – und dann „jammern sie ihn“ oder (so die Gute Nachricht) „ergreift ihn das Mitleid“. Wie bei der Speisung der 5000: „Jesus sah die große Menge; und sie jammerte ihn, denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben“ (Markus 6,34). So auch bei der Auf-erweckung des Jünglings von Nain, die Jesu Reaktion auf das Leid von dessen jetzt völlig allein stehender Mutter ist: „Und als sie der Herr sah, jammerte sie ihn und er sprach zu ihr: Weine nicht!“ (Lukas 7,13).

Die Beispiele lassen sich vermeh-ren. Wenn Jesus andere Menschen sieht, ist es nicht sein erster Impuls, seinen Status im Vergleich zu ihnen zu klären. Er fragt nicht, was sie ihm nutzen könnten oder ob sie ihn gefährden. Er spürt sich sozusagen

in sie hinein und lässt ihr Leid, ihre Not, ihren Schmerz an sich heran, ja in sich hineinkommen. Er wagt echte Sympathie.

Augen auf!

In Lukas 10 erzählt Jesus die Gleichnisgeschichte von dem „barm-herzigen Samariter“. In Vers 33 kommt dieser zu dem Mann, der unter die Räuber gefallen war, „und als er ihn sah, jammerte er ihn“. Jesus setzt uns diesen Samariter zum Vorbild. Das heißt: Wir sollen wie Jesus echte Sympathie wagen.

Ich teile das Anliegen von Kirche für morgen, für Lebensweltgemeinden einzutreten. Doch darf das auf keinen Fall heißen, dass wir uns in unserer ei-genen Wohlfühlnische zurücklehnen. Jesus will uns dafür gewinnen, jeden Menschen als Menschen zu sehen und uns gerade den Notleidenden zuzuwenden. Darüber muss Einigkeit herrschen zwischen Gemeinden ver-schiedener Frömmigkeitsprägungen und Altersstrukturen: Als Kirche Jesu Christi haben wir eine Aufgabe an un-seren Mitmenschen. Verteidigen wir nicht nur, was uns wichtig ist. Wagen wir Sympathie – mit Kindern, die von Hartz IV unter oft zukunftsfeindlichen Umständen leben, mit Flüchtlingen, die an Europas Grenzen um ihr Leben fürchten, mit Menschen, die den Hun-gertod sterben für unseren Biosprit. Das fängt an mit dem Hinsehen: „Jesus sah die große Menge; und sie jammerten ihn“. Augen auf!

Dr. Axel Wiemer, Schwäbisch Gmünd, lehrt an der dortigen Pädagogischen Hochschule Evangelische Theologie und Religionspädagogik.

Auch wir

fällen in zwei

Sekunden

unsere Urteile

über Fremde

Jesus

lässt Leid,

Not und

Schmerz an

sich heran

8

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mission audit – hinsehen, hinhören, fragen

Mose hat Kundschafter ins gelobte Land geschickt, bevor der ganze Tross über den Jordan ging. Nehemia lief die Stadtmauer zur Bestandsaufnah-me ab und startete dann erst mit dem Wiederaufbau. Auch Paulus, der wa-chen Auges durch Athen streift, bevor er auf dem Areopag seine Botschaft kontextgerecht kommuniziert (Apg 17), gehört zu den biblischen Bei-spielen für „mission audit“. Darunter versteht die Church Planting-Bewe-gung ein Konzept, das Situationsa-nalyse mit einem betenden Bedenken verbindet: Wie könnte Reich Gottes gerade hier Gestalt gewinnen? Die einzelnen Schritte sind nicht nur bei Gemeindepflanzungen, sondern bei allen Projekten eine gute Hilfe.

Observation – Hinsehen

Mit wachen Augen einen Stadt-teil, ein Gebiet begehen: Wo sind Treffpunkte, öffentliche Einrichtun-gen? Was sagen die Häuser aus über die Menschen? Welche Atmosphäre nehme ich wahr? Eine Art von Ge-bets-Spaziergang, allein oder im Aus-tausch mit andern. Auch Pläne und Karten sind hilfreich, in denen man wichtige Punkte markiert.

Conversation – Hinhören

Mit den Menschen zwanglos reden und hinhören: Wo arbeiten sie? Wie verbringen sie ihre Freizeit? Was wünschen sie sich, was sind ihre Sor-gen? Was mögen, was hassen sie an der Gegend? Interviews mit Experten (Lehrerinnen, Kommunalpolitikern, Sozialarbeitern, Seelsorgern, Ärzten) geben weitere Aufschlüsse. Fragebo-genaktionen ermöglichen über die Ergebnisse ins Gespräch zu kommen – hervorragend für erste tiefere Kon-takte.

Investigation – Nachfragen

Daten aus der Stadtverwaltung, aus kirchlichen Statistiken inter-pretieren: Altersgruppen, soziale Schichtung, Zu-und Wegzüge, Gebur-ten. Visitationsberichte oder Artikel zur Ortsgeschichte lesen: Was ist bis heute prägend? Wo liegen die Wur-

zeln für das, was ich wahrgenommen habe?

Neben den geographischen und demographischen Fakten ist die so-ziale Ebene wahrzunehmen: Haus-haltsgröße, Freizeitbeschäftigung, typische Berufe, Arbeitslosigkeit, Einkaufsverhalten, Beziehungsnetz-werke, Kriminalitätsrate. Zudem gilt es, der geistlichen Dimension auf die Spur zu kommen: Was denken die Menschen über die Kirche, wel-che Vorurteile haben sie? Was sind ihre Credos? Wie viele sind kirchen-

nah oder spirituell interessiert, aber skeptisch gegenüber Christen? Gibt es noch einen christlichen „Grund-wasserspiegel“? Welche Religionen, Kulte, Konfessionen sind vor Ort?

Was bringt’s?Eine solche Situationsanalyse als

„mission audit“ ist hilfreich • für eine klarere Profilierung der

Gemeinde- oder Jugendarbeit,• als „Weckerklingeln” für Gremien

und Entscheidungsträger: „Gott umarmt uns mit der Wirklichkeit” (Heinrich Spaemann),

• für die Zusammensetzung von Teams: Welche Gaben sind da? Welche Kompetenzen und Cha-rismen bräuchten wir unbedingt noch?

• für kontextbezogene Verkündi-gung. Was bedeutet Jesus, Reich Gottes, Evangelium für genau die-se Zielgruppe? Was Versöhnung, Gerechtigkeit, Freiheit?

Ein solches Hinsehen, Hinhören und Nachfragen wird immer wieder neu nötig sein und wird – recht eingeübt – zur Begleitmusik unseres Dienstes werden.

Reinhold Krebs, Landesreferent im ejw und u. a. für Jugendge-meinden zuständig, hat viel von anglikanischen Gemeinden und Bewegungen gelernt.

Thema: Probier‘s mal mit der Wirklichkeit

Reinhold Krebs skizziert Ziele und Methoden des „mission audit“ aus der angli-

kanischen Church Planting-Bewegung. Diese Impulse helfen in der Gemeinde- und

Jugendarbeit dazu, Kontext und Zielgruppen klarer in den Blick zu bekommen.

rin lobt die gute Jugendarbeit am Ort. Besonders gefalle ihr, dass Haupt-schüler dabei sind. Das findet sie beachtlich, weil das ja nicht überall so gelingt.

Das Engagement der Kirche in Diakonie und Altenpflege wird öfter als persönliche Erfahrung mit Kirche genannt. Gerade Menschen in der Le-bensmitte, die sich um pflegebedürf-tige Angehörige kümmern und dabei von kirchlichen Diakoniestationen un-terstützt werden, nehmen diese Hilfe dankbar an. Eine Frau meint: „Wenn nicht die Christen da tätig werden, ja wer denn dann?“

Rituale als Lebenshilfe

Diesen gesellschaftsbezogenen Auftrag sieht allerdings nicht jeder. Es gibt zunehmend jüngere Men-schen, die gar keinen Bezug zu Kirche haben. Sie haben weder gute noch schlechte Erfahrungen mit Christen gemacht. Kirche hat für sie einen Stel-lenwert wie etwa ein Verein: Wer sich dafür interessiert, geht hin, wer nicht, bleibt weg.

Allerdings lobt eine junge Mutter dann doch die Angebote für Kleinkin-der in ihrer Gemeinde. Sie genieße es, zusammen mit ihrem Kind Rituale zu erleben – in der Mutter-Kind-Grup-pe oder im Minigottesdienst. Das er-innere sie an ihre eigene Kinderzeit, und das fände sie ganz wichtig für ihr Kind.

Und nun?

Wirklich neu sind die Erkenntnis-se nicht. Erstaunt haben mich weder Schauergeschichten noch gute Erfah-rungen mit Gottes Bodenpersonal. Kirche wird wahrgenommen, so oder so. Aber wir hinterlassen oft da, wo wir es nicht vermuten, einen prägen-den Eindruck auf einen anderen Men-schen.

Das dürfen wir uns in den Gemein-den immer wieder bewusst machen und als Chance begreifen.

Claudia Bieneck wohnt mit ihrer Fa-milie in Malmsheim und ist immer daran interessiert, genau hinzuhö-ren, wie es dem andern geht.

„Welche drei Begriffe fallen dir zum Thema „Christen“ ein?“ Schon im ersten Gespräch merke ich, die Frage ist falsch. Es geht nicht um Begriffe. Bei diesem Thema geht es immer um Erfahrungen. Und die lassen sich sel-ten in Begriffe fassen, viel eher ist es ein Erlebnis mit einem Pfarrer, oft in

einer Krisensituation im Leben. Diese Erfahrungen ergeben dann das Bild von Kirche. Wobei offensichtlich die schlechten schwerer wiegen und lei-der länger präsent sind als die guten!

Sind Christen weltfremd?

Ich ändere also meine Frage und höre so allerhand Geschichten. Es sind haarsträubende darunter, aber auch so banale, dass ich erstaunt bin, wie lange sie im Gedächtnis geblie-ben sind. So meint eine Frau, Ende vierzig, Mutter von zwei Kindern: „Christen und Kirche, die sind viel zu streng und viel zu wenig liebevoll.“ So hat sie es in ihrer Kindheit erlebt, das wirkt bis heute nach. Außerdem erlebt sie Kirche als zu wenig offen für die Gesellschaft.

Zu weit entfernt von der modernen Gesellschaft, etwas weltfremd, emp-findet auch ein �1-jähriger Student Kirche und die Christen. Er hat eigent-lich keine schlechten Erfahrungen, sondern eher gar keine mit Kirche. Obwohl – die gute Gemeinschaft dort nimmt er schon wahr, wenn auch nur von weitem. Manches sei ihm dann doch zu streng.

Engagement für andere

Dass Kirche für andere da ist, vor allem für die, die vom Leben nicht verwöhnt werden, nehmen viele Au-ßenstehende wahr. Eine Mittfünfzige-

Wie andere uns sehen …Über Kirche wird viel geredet – vor allem in der Kirche. Aber wie werden Christen

eigentlich von Außenstehenden wahrgenommen? Die Antworten waren vielfältig – und

sind sicher nicht repräsentativ. Claudia Bieneck hat recherchiert.

11

Thema: Probier‘s mal mit der Wirklichkeit

„… die

sind viel zu

streng und

zu wenig

liebevoll“

Situations-

analyse

und

betendes

Bedenken

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1� 13

Weihnachtsgeschenke mit MehrwertDie Botschaft von Weihnachten vermitteln ohne zu frömmeln? Das gelingt mit der

CD „Mitten im Dunkel“, dem zugehörigen Liederbuch und dem neuen Christrosen-

Kalender. Nebenbei unterstützen Sie damit die Arbeit von Kirche für morgen und die

CVJMs in Mittel- und Osteuropa.

Eine ungewöhnliche Silberschei-be ist „Mitten im Dunkel“. Weih-nachtslieder mit Schlagzeug? Das geht. Und klingt zusammen mit Oboe, E-Gitarre und Querflöte erfri-schend anders. Und alte Weihnacht-Hits wie „Tochter Zion“ und „Die Nacht ist vorgedrungen“ können auch grooven, das beweist diese Produktion.

Die CD „Mitten im Dunkel“

wurde von der Tübinger Band „Projekt X“ eingespielt und von Win-nie Schweitzer (Normal Generation, Beatbetrieb, Allee der Kosmonauten,

Jesus House Band) produziert. 1� alte und neue Weihnachtslieder sind dar-auf zu finden:

Gloria (Taizé) – Tochter Zion – Die Weihnachtsfreude – Go, tell it on the mountain – Der Heiland ist geboren – Weihnachten ist Party für Jesus (Kal-lauch) – Es ist ein Ros entsprungen – Wie soll ich dich empfangen – Ich steh an deiner Krippen hier – Die Nacht ist vorgedrungen – Zünde an dein Feuer – Mache dich auf und werde Licht (Jesus-Bruderschaft).

Die CD gibt es – zum Beispiel für Mitarbeitergeschenke – zu Staf-felpreisen: 9,95 €, ab 5 Stück 9,00 €, ab 10 Stück 8,50 €, ab �0 Stück 8,00 € und ab 50 Stück 7,00 €. Die Verpackungs- und Versandpauschale beträgt € �,95.

Reinhören in die Lieder und be-stellen kann man unter: www.mitten-im-dunkel.de. Bestellung ist auch per Fax möglich unter 07441-8854�4.

Das Weihnachtsliederbuch

„Mitten im Dunkel“ enthält neben den 1� Liedern der CD weitere 70 neue und alte Weihnachtslieder - z.B. Choräle wie „Es kommt ein Schiff ge-laden“ und „Fröhlich soll mein Herze springen“, aber auch Gospels wie „Amen“ und „Joy to the world“. Kin-derlieder sind ebenso enthalten, zum Beispiel „In der Weihnachtsbäckerei“ und „Tragt in die Welt nun ein Licht“, aber auch Volkslieder wie „O Tannen-baum“. Zusätzlich gibt es für jeden Adventssonntag eine kleine, kindge-rechte Liturgie für Adventsfeiern im familiären Rahmen .

Auch diesen Bestseller (weit über �0.000 verkaufte Exemplare) gibt es zu Staffelpreisen: 5,95 €, ab 10 Stück 5,40 €, ab 50 Stück 5,00 €, ab 100 Stück 4,80 €. Die Verpackungs- und Versandpauschale beträgt € �,95 pro Bestellung. Bestellen Sie unter www.mitten-im-dunkel.de oder per Fax: 07441-8854�4.

Der Christrosen-Kalender

mit nachdenklichen, aber nicht frömmelnden Texten begleitet mit wunderschönen Christrosen-Bildern durch die Vorweihnachtszeit. Er ist ohne Kalendarium und kann jedes Jahr wieder neu verwendet werden.

Bilder und ausführliche Infos fin-den Sie unter www.christrosen.de, dann weiter unter „Bilder“ und „Im-merwährender Adventskalender“.

Dieser immerwährende Advents-kalender kostet bei Kirche für mor-gen 6,00 € (ab 5 Stück 5,00 €, ab 10 Stück 4,50 €) plus Porto und Verpackung. Bestellen Sie ihn über Kirche für morgen e. V., Am Aucht-berg 1, 7��0� Nagold, Fon 0700-36693669, Fax 07�1-1513984�9, [email protected] (rk)

Bausteine

Zeichen setzen!Wie engagierte und kreative Christen in Haigerloch durch ihr Engagement die

Lebensqualität von Menschen in der Kommune verbessern helfen. Thomas

Hoffmann-Dieterich findet diese Ideen nachahmenswert.

Nur 700 Meter entfernt von ev. Kirche und Gemeindehaus wird das Alten- und Pflegeheim St. Josef von einer katholischen Heimstiftung be-trieben. Christen beider Konfessionen wollten für die Bewohner des Heims an einem Sonntag im Monat etwas Sinnvolles tun, um ihnen das Leben im Heim zu verschönern.

Ein Café für Alte und Kranke

Sie entwickelten die Idee vom Café „Schöne Aussichten“.

Ein kleines Team organisiert ein-mal im Monat Kaffee, Tee und Kuchen – bei gutem Wetter auch im Freien. Tischschmuck, selbstgebackener Ku-chen oder Torten vom Bäcker und ein zuvorkommender Service schaffen so jeden Monat einen Höhepunkt im Alltag der Heimbewohner und ihrer Gäste. Hier können sie sich als Gast-geber fühlen, die ihre Familie und Bekannte einladen. Das Café „Schöne Aussichten“, das seit Muttertag �007 regelmäßig angeboten wird, wird von den Bewohnern und sogar von Anwohnern aus der Nachbarschaft des Heims mit Begeisterung ange-nommen. So mischen sich einmal im Monat Alte und Kranke mit ihren Angehörigen und Freunden und mit Anwohnern aus Haigerloch zu einem lebendigen und lebhaften Nachmit-tag, es wird viel gelacht, geschwätzt!

Paten helfen Kontakte knüpfen

Ergänzt wird diese Dienstleistung der Kirchengemeinde durch ein evan-gelisches – hoffentlich bald ökume-nisches – Patenprojekt. Im Frühjahr �008 wurden sechs Patinnen und Paten im Gottesdienst der evangeli-schen Kirchengemeinde für ihr neues Amt eingesegnet. Durch regelmäßige Besuche bei immer demselben Heim-bewohner werden Isolation und Lan-geweile aufgebrochen. Dabei werden die Paten von einer Koordinatorin aus der Kirchengemeinde betreut, die ihnen hilft, die Kontakte zu knüp-fen, und die den Austausch unter den Paten organisiert. Aber nicht nur Ge-spräche bei Kaffee und Kuchen sind gefragt; beispielsweise wird ein Pate gesucht, der mit einem Heimbewoh-

ner auch mal zu einem Fußballspiel geht.

Bücherspenden für die Bibliothek

Da es in Haigerloch keinen Buch-laden und erst recht keinen Bibel-laden gibt, wird die Stadtbibliothek von Lesern aller Konfessionen und Altersgruppen gut besucht. Da lag es auch im Interesse der evangelischen Kirchengemeinde, die religiöse und theologische Abteilung der Bibliothek mit Bücherspenden auf den neuesten Stand zu bringen. Seit �007 werden Bücher im Wert von etwa 100 € pro Jahr von Autoren wie Max Lucado, John Ortberg, Manfred Lütz oder C.S. Lewis von Haigerlochern ausgeliehen, die sonst kaum mit diesen Autoren in Berührung gekommen wären. Statt

Freunden ein gutes christliches Buch zu schenken, das dann ungelesen im Bücherschrank verschwindet, wird so dasselbe Buch immer wieder neu aus-geliehen und erreicht über die from-men Kreise hinaus eine erweiterte Leserschaft.

Thomas Hoffmann-Dieterich freut sich als Haigerlocher, Kaf-feetrinker und Büchernarr über Aktionen, die Lebensqualität vor Ort verbessern.

Die Bot-

schaft von

Weihnachten

– ohne zu

frömmeln …

Wer geht mit

einem Heim-

bewohner

zum Fußball-

spiel?

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Erfolgreich seit 30 Jahren und nun Ernüchterung? Marc Stippich hat die Studie „Reveal where you are“ der Willow Creek Community Church unter die Lupe genommen. Sie will Veränderungen anstoßen, nachdem einige Gemein-deglieder Unzufriedenheit geäußert haben.

Seit Jahren ist der Ansatz der Wil-low Creek Community Church in South Barrington (einem Vorort von Chicago) richtungsweisend gewesen im Blick auf Gemeindeentwicklung und zeitge-mäße Evangelisation. Vereinfacht ge-sagt hat Gemeindeleiters Bill Hybels seit 30 Jahren bedürfnisorientierten missionarischen Gemeindeaufbau betrieben, getragen von einem kon-sequenten geistlichen Lebensstil aller Mitarbeitenden.Sein Team fragte sich in den Anfängen, welche Art von Gottesdienst den kirchendistanzier-ten Mitmenschen in Chicago gefallen würde und richtete seine Gemeinde-arbeit danach aus – mit großen Er-folg. Man konnte sich in den beque-men Kinosesseln zurücklehnen und ein modernes Gottesdienstprogramm

auf hohem Niveau erleben, dessen theologisch klare und lebensnahe Botschaften viele Herzen bewegte.

Überprüfung und Veränderung

Die Gemeinde zählt mittlerweile zu den zehn größten Kirchen der USA – mit über �0000 Besuchern pro Woche. Das Willow Creek-Konzept wurde zum Vorbild für viele Gemeinden in aller Welt. Nun hätten die Verantwortlichen sich selbstgefällig zurücklehnen kön-nen. Doch das Gegenteil ist der Fall, wussten sie doch von Anfang an, dass regelmäßige Überprüfungen und Ver-änderungen ihrer Arbeit für bleibende Erfolge notwendig sind.

Durch die aktuelle Reveal-Studie wurde deutlich, dass ein nicht uner-

heblicher Teil der Gemeindemitglie-der mit ihrem geistlichen Leben nicht zufrieden ist: Auch bei regelmäßiger Teilnahme an Gemeindeveranstaltun-gen erlebt ein Viertel der Befragten kein erkennbares geistlichen Wachs-tum. So gaben 16% an, aufgrund per-sönlicher Probleme in ihrem Glauben nicht weiterzukommen. 9% fühlen sich durch die Angebote von Willow Creek unterfordert. Sie sehnen sich nach mehr Spiritualität und größeren Herausforderungen. Das Ziel geistli-chen Wachstums wird dabei beschrie-ben als zunehmende Liebe zu Gott und den Mitmenschen (nach Mt ��).

Erste Konsequenzen bei Willow

Bill Hybels und sein Team reagie-ren, indem sie ihre Gemeindeglieder zu mehr Eigenverantwortung für ihr geistliches Leben ermutigen. Generell wird überlegt, wie ein besser funktio-nierendes Netzwerk für Seelsorge und Coaching eingerichtet werden kann. Die Gemeindegottesdienste Mittwoch abends haben sich dahingehend ver-ändert, dass nach einer halbstündi-gen gemeinsamen Gottesdienstzeit die Teilnehmenden für den restlichen Abend zwischen verschiedenen Semi-narangeboten wählen können. All das sind nur erste und vorläufige Antwor-ten auf die Frage, wie in christlichen Gemeinden heute Jüngerschaft gelebt werden kann. Man darf gespannt sein, ob dem neuen Ansatz von Wil-low Creek Gelingen geschenkt wird, so dass die neuen Impulse wieder Schule machen können.

Unter www.willowcreek.de findet sich eine pdf-Datei der Zeitschrift Willownetz 0�08 zu den Ergebnissen der Reveal-Stu-die. Außerdem kann man zum Thema in ein Interview mit Bill Hybels hineinhören.

Marc Stippich profitiert als Ge-meindepfarrer von vielen guten Artikeln der Zeitschrift Willow-netz, herausgegeben von Willow Creek Deutschland e.V.

Bausteine

Kommunikation als „Beziehungs-Schwarzbrot“Worte sind Fenster oder Mauern, können trösten und ermutigen, kritisieren oder verletzen. Tabea Hieber zu den Basiskompetenzen gelingender Kommu-nikation.

In der gewaltfreien Kommunikation nach Marshall Rosenberg habe ich für mich ein alltagstaugliches Modell für gelingende Verständigung entdeckt. Rosenberg ist international bekannt als Konfliktmediator und Gründer des internationalen Center for Nonviolent Communication in den USA.

„Zürnet ihr, so sündigt nicht …“

Täglich sind wir mit Situationen konfrontiert, die in uns Ärger oder Ag-gression hervorrufen können. Lassen wir unserem Ärger freien Lauf, fühlt sich unser Gegenüber angegriffen. Unterdrücken wir unseren Ärger über längere Zeit, um dann irgendwann zu explodieren? Fressen wir unsere Ag-gressionen in uns hinein, so dass wir psychosomatisch erkranken?

„Zürnet ihr, so sündigt nicht, las-set die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen“, mahnt Paulus die Ge-meinde in Ephesus (Eph. 4,�6). Ne-gative Gefühle, Wut, Enttäuschungen und Ärger gehören zu unserem Leben, auch in der Gemeinde dazu. In der ge-waltfreien Kommunikation geht es um die Fähigkeit, in schwierigen Situatio-nen einfühlsam zu bleiben, ohne die eigenen Gefühle zu unterdrücken.

Vier Schritte gewaltfreier Kommunikation

1. Beobachtungen: Was geschieht in der konkreten Si-

tuation wirklich? Diese Beobachtung geben wir ohne Bewertung wieder. Das gibt dem Gegenüber die Möglich-keit sachlich zu reagieren.

Beispiel: „Du bist eine halbe Stunde zu spät!“, erkläre ich meiner Freundin.

�. Gefühle:Ihr Zuspätkommen ruft in mir Ge-

fühle hervor. Ich ärgere mich darü-ber, weil ich so lange auf sie warten musste. Also spreche ich aus, was ich fühle: „Das ärgert mich.“

3. Bedürfnis:Hinter meinem Ärger steckt ein

unbefriedigtes Bedürfnis und ich übernehme selbst die Verantwortung für meine Gefühle. Indem ich mein

Bedürfnis mitteile, zeige ich mich selbst auch als bedürftiger Mensch und somit von meiner menschlichen, verletzbaren Seite.

Beispiel: „Mir ist die Zeit mit dir so wichtig, weil ich etwas Dringen-des mit dir besprechen möchte.“

4. Bitten:Darauf folgt eine konkrete Bitte,

die positiv formuliert und verhan-delbar ist.

Beispiel: „Könnten wir uns dann bitte morgen noch mal treffen, weil die Zeit jetzt nicht mehr reicht?“

Die Gesprächspartnerin weiß nun, worum es mir geht. Kann sie meiner Bitte nicht nachkommen, dann hat sie durch die sachliche Ebene der Gesprächsführung die Möglichkeit, dies zu begründen.

Sich in diesen vier Bereichen klar auszudrücken ist das eine. Ebenso gilt es, Informationen unseres Ge-sprächspartners auf allen vier Ebe-nen aufzunehmen.

Mit Hilfe dieser Schritte ist es möglich sich ehrlich auszudrücken, einfühlend zuzuhören und nicht ver-letzend zu sein. So einfach es sich anhört, so viel Konsequenz braucht es im Alltag. Wie heißt es so schön: „It‘s simple, but not easy!“

Literatur von Marshall B. Rosenberg: „Gewaltfreie Kommunikation. Eine Spra-che des Lebens“ und „Erziehung, die das Leben bereichert. GFK im Schulall-tag“, Junfermann-Verlag

Tabea Hieber, ausgebildete Mediatorin und zweite Vorsit-zende von Kirche für morgen

Ernüchterung bei Willow Creek?

Viele sehnen

sich nach

mehr

Spiritualität

und größeren

Heraus-

forderungen

Bausteine

1514

Position

beziehen

ohne

dabei zu

verletzen

Page 9: Zitronenfalter_2008_3

Gemeindeporträt

Gott begegnen – Freunde treffenIn Schorndorf-Miedelsbach heißt es alle vier Wochen sonntags um 10 und 19 Uhr:

„Come together“. Um den monatlichen, etwas anderen Gottesdienst herum hat sich

ein lebendiges Gemeindeleben entwickelt. Marc Stippich war dort auf Spurensuche.

„99 Luftballons“ hatten sie schon „auf ihren Weg zum Horizont“ ge-schickt. Beim 99. „Come together“-Gottesdienst hatte die Sängerin Nena das erste Wort, gefolgt von einem Moderatoren-Männer-Duo – der eine achtzehn Jahre alt, der andere Ende vierzig. Die beiden nahmen selbsti-ronisch ihren Altersunterschied auf´s Korn und führten mit viel Sprachwitz in das Gottesdienst-Geschehen ein. Dieses bestand aus gekonnten Musik-, Theater- und Predigtbeiträgen. La-chen und Nachdenken gleichermaßen konnten die rund �00 Gottesdienst-besucher. Ihr großes Altersspektrum übertraf das der Moderatoren noch erheblich. Pfarrer Thomas Binder predigte und übernahm die Klavier-begleitung. Sonst wurde fast alles von Ehrenamtlichen gestaltet, die überzeugend, sicher und frei redeten, beteten und Theater spielten. Hier war spürbar, was sich in Gesprächen hinterher bestätigte: Viele sind mit Engagement und Spaß dabei.

Brücken bauen für Kirchenferne

Inzwischen liegt der 100. „Come together“-Sonntag hinter den Mie-delsbachern und es werden noch viele weitere folgen. Für Monika Büh-ner, Laienvorsitzende des Kirchen-gemeinderats, war das Entstehen dieses monatlichen Gottesdienstes der Beginn für die weitere Gemeinde-entwicklung. Der örtliche Mesner war beim ersten Mal völlig irritiert darü-ber, dass die Kirche „an einem ganz normalen Sonntag“ plötzlich randvoll

war. In dem �000-Seelen-Ort sprach sich dies schnell herum und so blie-ben die Zahlen konstant hoch.

Das Entscheidende ist aber nach Thomas Berger, Mitglied im „Come together“-Team, nicht ein perfektes Programm. Hier wurde mancher Auf-wand inzwischen deutlich reduziert. Entscheidender sei, dass diese Got-tesdienste Brücken bauen zu denen, die sich mit herkömmlichen Traditio-nen schwer tun. Thomas Berger hat mit seiner Familie über eine Tauffeier in die Gemeinde gefunden und war vom „Come together“ - Gottesdienst so angetan, dass er sich gemeinsam mit seiner Frau für die Mitarbeit im Team werben ließ. Genau so wollte er Gottesdienst feiern und so auch sei-nen Glauben leben, der längere Zeit brachgelegen hatte.

Kontakt suchen – Gaben entdecken

Wie er haben eine ganze Reihe von Menschen durch diese Gottesdienste zur Mitarbeit gefunden oder Zugang zu Kleingruppen und auch zum wö-chentlichen, normalen Gottesdienst. Anscheinend steckt es an, wenn ganz „normale“ Leute da vorne ein gutes Bild abgeben. Mit den Menschen ins Gespräch zu kommen findet Monika Bühner ganz wichtig. Das anschlie-ßende Mittagessen schafft dafür Ge-legenheit. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehen dann auf Fremde zu, begrüßen sie und lassen dafür lie-ber einmal die alten Freunde warten.

Wer eingeladen wird mitzuarbei-ten und die Atmosphäre ansprechend

fand, überlegt es sich gerne. Die Ver-antwortlichen versuchen dabei nicht einfach kurzfristig Löcher zu stopfen, sondern nachzufragen, wo die Talente der einzelnen liegen. Sie sagen aber auch ehrlich und freundlich, wenn je-mand seine Gaben an anderer Stelle hat. Das Anspielteam legt Wert auf Ni-veau. Dafür lassen sie sich regelmä-ßig auf Theaterworkshops fortbilden.

Alte mit den Jungen

Natürlich mussten sich die Besu-cher des normalen Gottesdienstes am Anfang umgewöhnen, wenn es einmal im Monat so ganz anders zu-ging. Nach einigen Gesprächen und Umfragen änderte man hier und da etwas, damit die Älteren auch be-kannte Elemente bei „Come together“ finden. So singt man heute fast nur noch auf Deutsch und ein Choral darf auch nicht fehlen. Schön zu sehen, wie auch die zahlreichen Älteren über die Anspielwitze schmunzeln und moderne Lieder mitsingen. „Wir haben gelernt, aufeinander Rücksicht zu nehmen“, meint Monika Bühner. Und Thomas Berger fügt hinzu: „Das ist wie bei einer Familie, die nur einen Fernseher hat. Wir haben eben nur einen Gottesdienstraum – und es geht gut.“

Zwei Gottesdienste pro Sonntag

Dieser eine Raum wurde Sonn-tagmorgens immer wieder zu klein. Manche blieben weg, weil es ihnen zu voll war. Andere sind sonntags am Vormittag generell sportlich un-terwegs. So entschloss man sich, den Gottesdienst am „Come together“-Sonntag zweimal anzubieten. Die Mitarbeitenden ließen sich darauf ein und seit 1½ Jahren kommen mor-gens �00 (mit Kindern)und abends rund 50 Leute. Dasselbe Programm

wirkt dabei spürbar unterschiedlich. Abends ist die Atmosphäre ruhiger, ernster. Die Gespräche im Anschluss beim Stehimbiss gehen oft tiefer als am Vormittag.

Zukünftige Herausforderungen

Einige Kreise sind in den letzten Jahren in der Gemeinde neu ent-standen, zudem zeitlich begrenzte Angebote wie „Reli für Erwachse-ne“. Zwei Mitarbeiterinnen be-reiten dafür jährlich einen neuen Kurs vor und führen ihn zweimal durch, abends an verschiedenen Wochentagen – selbstverständ-lich ohne Pfarrer. Der sieht neben seinen anderen Aufgaben seinen Auftrag vor allem darin, die Mitar-beitenden für ihre Arbeit zu befä-higen.

Alles bestens? Nein. Junge Er-wachsene zwischen �0 und 35 sind leider nur wenig im Gottesdienst zu finden, auch wenn inzwischen Jünge-re nachwachsen. Wie diese in der Ge-meinde ihre bleibende Heimat finden können, darin sehen Monika Bühner und Thomas Berger eine der künfti-gen Herausforderungen. Und: „Wir müssen noch mehr einen Blick dafür gewinnen, was die Leute brauchen, die nicht da sind.“ Sie freuen sich mit all den anderen darüber, was in Miedelsbach gewachsen ist, aber sie sind bereit, die Kreise noch größer zu ziehen.

Nähere Infos finden sich unter www.kirchengemeinde-miedelsbach.de

Marc Stippich, Gemeindepfarrer in Grunbach, nahm vom „Come together“-Gottesdienst dankbar manche Anregungen mit.

Spürbar sind

viele mit

Spaß und

Engagement

dabei

„Was brau-

chen die

Leute, die

nicht da

sind?“

1716

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18

Kfm intern

Sieben Zitronen in Aktion: Sommersynode 08Musik und Andachten verbinden, Debatten werden engagiert und versöhnlich

geführt, die Profile der Gesprächskreise bleiben keineswegs verborgen.

Kerstin Leuz bringt Streiflichter von der letzten Synodaltagung.

Einer der für kfm wichtigen Momente der Tagung stellte der von Martin Allmendinger eingebrachte Antrag zur Änderung des Pfarr-stellenbesetzungsgesetzes dar. Der Antrag konnte mit 18 Unterschriften aus drei Ge-sprächskreisen eingebracht werden. Wird der Antrag angenommen, ist eine historisch bedeutende Veränderung möglich, von der Gemeinden und Pfarrer/innen gleichermaßen profitieren. Der Antrag wurde an den Rechts-ausschuss verwiesen.

Mehrgenerationenhaus Kirche...

...war Thema des diesjährigen Bischofs-berichts, zu dem Martin Allmendinger im Gesprächskreisvotum die notwendige Per-spektive aller Generationen betonte. Mar-tin Allmendinger wagte darin eine kritische Anfrage zum Verhältnis zwischen Synode und Oberkirchenrat, indem er auf den letzt-jährigen Bischofsbericht Bezug nahm. In der Immobilien-Verkaufs-Frage zu Kloster Den-kendorf und Birkach fühlten wir uns unzu-reichend informiert und die Glaubwürdigkeit von synodalen Beschlüssen in Frage gestellt. Auch Landesbischof July äußerte den Wunsch nach mehr Transparenz und Nachhaltigkeit und wünscht sich kürzere Wege zwischen den kirchenleitenden Gremien.

Kirche muss wachsen...

Markus Brenner forderte, dass für den vom Kongress angestoßenen Prozess „Wachsende Kirche“ erreichbare und messbare Ziele for-muliert werden. Angie Schwarz wünscht sich Bezirksbeauftragte für „Wachsende Kirche“, um die Impulse vom Kongress in die verschie-

denen Regionen und Kirchengemeinden zu bringen.

Reform zu Profilgemeinden

Direktorin Rupp regte in ihrem Bericht an, die bisherigen Kirchengemeindeformen um Profilgemeinden zu erweitern. „In der Diskus-sion hat sich als Linie abgezeichnet, dass es unter bestimmten Voraussetzungen neben der weiterhin bestimmenden Gemeindeform der Parochie auch Profil- und Gemeinschaftsge-meinden geben kann und darf.“ (Rupp, Margit, Juli �008)

Kindertagesstätten

Matthias Böhler äußerte seine Erwartun-gen an Kindertageseinrichtungen in evangeli-scher Trägerschaft und forderte deren „Siche-rung durch Weiterentwicklung“.

Finanzen

Im Rahmen der mittelfristigen Finanzpla-nung forderte Markus Munzinger, die EKD-Empfängerkirchen in Ostdeutschland über die derzeitigen Mehreinnahmen der Kirchensteu-er im missionarischen Bereich nachhaltig zu fördern. Die schlüssige Analyse der mittelfris-tigen Finanzplanung sollte auch zu entspre-chenden Schwerpunktsetzungen führen.

Änderung der Pfarrerbesoldung

Ein Antrag zur Pfarrerbesoldung wurde von den Gesprächskreisleitungen eingebracht und auch von kfm-Synodalen unterzeichnet.

Mehr Religionspädagogen einstellen

Die Personalstrukturplanung für Religi-onspädagoginnen und -pädagogen wurde von Kerstin Leuz erfreut zur Kenntnis genom-men. Kirchliche Lehrkräfte sind Kontakt- und Schnittstelle zwischen Schule, Gemeinde und Jugendarbeit: „Der Religionsunterricht bietet die Möglichkeit, ganze Jahrgänge nicht-kirch-lich-sozialisierter Menschen zu erreichen“.

Nähere Informationen, auch zum Wortlaut der Anträge, können auf unserer Homepa-ge www.kirchefuermorgen.de nachgelesen werden.

Kerstin Leuz, Oedheim, Landessynodale entdeckt, dass immer mehr Zitronenfri-sche in die Synode einzieht

ImpressumDer Zitronenfalter wird herausgegeben von Kirche für morgen e.V., Am Auchtberg 1, 7��0� NagoldFon: 0700-36693669 Fax: 07�1-1513984�9 [email protected] / www.kirchefuermorgen.de

Erscheinungsweise3 x jährlich. Bestellung (auch weitere Exemplare) bei der Geschäftsstelle. Die Zusendung ist kostenlos.

BankverbindungEKK Stuttgart, BLZ 5�0 604 10, Konto 419 435Wir danken allen, die durch ihre Spende die kostenlose Weitergabe des Zitronenfalters ermöglichen.

RedaktionsteamMarc Stippich, Grunbach (sti) (ViSdP), Claudia Bieneck, Malmsheim (cb), Pina Gräber-Haag, Gronau (pg), Markus Haag, Gronau (mh), Tabea Hieber, Markgröningen (th), Thomas Hofmann-Dieterich, Haigerloch (thd), Reinhold Krebs, Herrenberg (rk), Werner Lindner, Winnenden (wl), Katrin Müller, Leonberg (km), Martin Schmid, Reutlingen (ms), Johannes Stahl, Eschenbach (js).

Layout: Lutz Eisele, MarkgröningenDruck: Druck + Medien Zipperlen GmbH, DornstadtVersand: Tobias und Magdalene Zipperlen, WeissachRedaktionsadresse: [email protected] und über die GeschäftsstelleAnzeigenpreisliste: [email protected]: 07195-979759

Bilder: Photocase S. 3, S. 4 (giftgruen), S. 8 re (miss.sophie), S. 10. Fotolia: Titel (tramper�), S. 7 (Anyka), S. 9 (Roman Barelko), S. 11 (pressmaster). Andere: S. 6f. Ship of Fools, S. 14 Willow Creek Association, S. 16f. Kirchengemeinde Miedelsbach

Martin Allmendinger, Denkendorf, Synodaler für Kfm

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Plädoyer für ein Christentum aus Fleisch und Blut

Gott lässt sich auf die Wirklichkeit dieser Welt ganz und gar ein. Er probiert es nicht nur mal aus. Es ist sein Programm von der Krippe bis zum Kreuz. Was macht die Kir-che daraus?

Dazu einige anregende Zitate aus dem Buch „Der nackte Gott“ des amerikanischen Franziskanerpa-ters Richard Rohr:

„Die Kirche, die Paulus aufbaute, sah sich selbst als Inkarnation Jesu. Sie glaubte an das Evangelium und lebte es: Jesus

Mensch werdend, sterbend, aufer-stehend. Das war ihr Lebensmus-ter. Im Lauf der Jahrhunderte hat sich dieses volle Evangelium oft in Teil-Evangelien aufgelöst, die die unterschiedlichste Gestalt an-nehmen konnten: Theologie ohne Lebensstil, Liturgie ohne Gemein-schaft, Priester ohne Laien, Insti-tution ohne Menschen, Moral ohne Liebe, geistliche Erlebnisse ohne den Leib Christi – und schließ-lich als letztes, unausweichliches Ergebnis: Kirche ohne gelebtes Leben.“

„An Pfingsten wird die Kirche geboren und definiert! Sofort ist von Gemeinschaft, Lebensstil und Güterteilung und vollmächti-ger Verkündigung die Rede. Das alles gehört zusammen! Was sie geglaubt haben, das haben sie alsbald in die Tat umgesetzt. Die ersten Christen verkündigten nicht nur das Evangelium – sie wurden selbst Evangelium, gute Nach-richt.“

Das Buch „Der nackte Gott“ ist zur Zeit vergriffen, aber über‘s Internet noch erhältlich. (ms)

Zu guter Letzt

„Tradition ist Weitergabe des Feuers, nicht Anbetung der Asche.“ (Gustav Mahler)

Kirche für morgen-Forum

„Wenn Kirche Feuer fängt“

Sonntag, 1. März �009, 1�.00 bis 18.00 Uhr Bernhäuser Forst (Stetten/F)

Begegnung mit Menschen, die Hoffnung für diese Kirche haben – oder suchen

Nachdenken in Seminaren und Gesprächen

Impulse durch das Referat von Dr. Wolfgang Bittner: „Das Feuer wieder entdecken – von der Betreuungs- zur Beteiligungskirche“

Feiern im Gottesdienst zu dem Jesuswort: „Ich bin gekommen, ein Feuer anzuzünden auf Erden.“

Ausführliche Informationen und Anmeldung über: www.kirchefuermorgen.de Flyer in der Geschäftsstelle: Kirche für morgen e. V., Am Auchtberg 1, 7��0� NagoldFon: 0700-36693669 Fax: 07�1-1513984�9

Weihnachten – und keiner kann was dafür …Maria und Josef suchen in Bethlehem nach einer Un-

terkunft. Kurz angebunden meint ein Wirt: „Tut mir leid. Nichts frei. Alles belegt!“ Josef erwidert: „Aber siehst du nicht, dass Maria schwanger ist?!“ Darauf der Wirt pikiert: „Und? Kann ich da was dafür?“ Josef, etwas verwirrt: „Ja – ich etwa?“

Für Agnostiker und Schweizer

„Muttr“ fragt der Buab aus dem abschlossenen, abgelege-nen Hochtal in der Schweiz. „Muttr, wohna hintr dr Berg au no Lütt?“ Darauf die Mutter „Buab, wir wollet net grübela …!“