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Zentrale Störungen der visuellen Wahrnehmung bei...

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Zentrale Störungen der visuellen Wahrnehmung bei Kindern © J. Zihl, 2009 Universität München, Department Psychologie, Neuropsychologie Max-Planck-Institut für Psychiatrie, München, AG Neuropsychologie
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Zentrale Störungen der visuellen Wahrnehmung

bei Kindern

© J. Zihl, 2009

Universität München, Department Psychologie, Neuropsychologie

Max-Planck-Institut für Psychiatrie, München, AG Neuropsychologie

2

Inhaltsverzeichnis

Visuelle Wahrnehmung, Allgemeines …….…………………………………………………………………….. 3

Visuelle Funktionen und Leistungen …………………………………………………………………………… .. 4

Allgemeine Aspekte der Gehirnentwicklung …………………………………………………………………… 7

Zentralnervöse Grundlagen der visuellen Wahrnehmung …………………………………………. 8

Entwicklung visueller Funktionen und Leistungen ………………………………………………………… 9

Wann nimmt ein Baby visuell wahr? …………………………………………………………………………………… 9

Welche Reize werden von Neugeborenen bevorzugt? ……………………………………………………. 9

Entwicklung der Okulomotorik ………………………………………………………………………………………… 10

Entwicklungsbedingte visuelle Wahrnehmungsstörungen ……………………………………………….. 11

Elementare Sehfunktionen und –leistungen …………………………………………………………………………. 11 Entwicklungsagnosie ……………………………………………………………………………………………………………… 13 Entwicklungsprosopagnosie …………………………………………………………………………………………………… 15 Visuelle Entwicklungsdyslexie ……………………………………………………………………………………………… 16 Soziale visuelle Wahrnehmung ………………………………………………………………………………………………. 16 Aufmerksamkeitsfeld ……………………………………………………………………………………………………………… 17 Blickmotorik ……………………………………………………………………………………………………………………….. 18 Ausgewählte Ätiologien ……………………………………………………………………………………………………….. 18 Auswirkung von Sehstörungen ……………………………………………………………………………………………… 20

Diagnostik ……………………………………………………………………………………………………………………………. 21

Literaturhinweise …………………………………………………………………………………………………………………… 26

3

Visuelle Wahrnehmung: Allgemeines

Elementare Funktionen

• Entdecken: Ist ein (neuer) Reiz vorhanden?

• Lokalisieren: Wo ist der (neue) Reiz?

• Unterscheiden: Welche Merkmale weist der (neue) Reiz im Vergleich zu anderen (vorhandenen) Reizen auf?

• Identifizieren / (Wieder-) Erkennen: Um welchen Reiz handelt es sich? Handelt es sich um einen neuen Reiz oder um einen, der bereits aus der (eigenen) Erfahrung bekannt ist?

• Bewerten:

– Neu oder nicht neu?

– Wichtig oder unwichtig?

– Angenehm oder unangenehm?

Bedeutung und Rolle der visuellen Wahrnehmung • Der Großteil unseres Wissens über die physikalische und soziale Umwelt beruht auf visuellen

Informationen; unsere „Welt im Kopf“ ist vor allem eine visuelle Welt

• Visuoperzeptive Funktionen bilden die Grundlage für die Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung dieser Informationen

• Andere Funktionen bzw. Funktionsbereiche sind von visueller Information (kritisch) abhängig (z.B. Lesen, Schreiben, Zeichnen; Blick-, Hand- und Körpermotorik)

• Visuelle Wahrnehmungsinhalte sind auch wichtig für subjektives Wohlbefinden (emotionale Tönung und ihre Bedeutung für die Stimmung;)

• Visuelle Informationen geben Auskunft über den emotionalen Zustand des anderen (soziale Wahrnehmung)

• Das visuelle Wahrnehmungssystem steht in enger wechselseitiger Abhängigkeit mit anderen Funktions-systemen (Aufmerksamkeit, Gedächtnis, exekutive Funktionen)

Einige wichtige Prinzipien der visuellen Informationsverarbeitung

parallele Verarbeitungsform: es können gleichzeitig mehrere Informationen verarbeitet werden (Größe des Zeitfensters)

serielle Verarbeitungsform: es kann jeweils nur eine Information pro Zeiteinheit verarbeitet werden

umgebungsbezogene Auswertung: alle (einfachen und komplexen Reize) werden grundsätzlich umgebungsbezogen ausgewertet („Kontext“- bzw. „Situationsabhängigkeit“)

Gestaltbildung: auch aus nicht zusammenhängenden bzw. „sinnlosen“ Reize werden aufgrund bestimmter Merkmale (z.B. räumliche Nähe) und Erfahrungswerte zu sinnvollen Objekten „produziert“

Kategorisierung: ähnliche Reize werden einer gemeinsamen Kategorie/Klasse zugeordnet; dadurch bekommen sie die gleiche oder eine ähnliche Bedeutung (z.B. visuelle Bedeutung, Bezeichnung, Gebrauch, usw.). Die Generalisierung erfolgt durch Prozesse der Abstraktion; sie ermöglicht die ökonomische Speicherung von Reizen, ohne dass Differenzen innerhalb der Reizkategorie verloren gehen. Die sog. Konstanzleistungen stellen eine besondere Form der Kategorisierung dar.

4

Visuelle Funktionen und Leistungen

• Gesichtsfeld Überblick

• Sehschärfe, Kontrastsehen visuelle Differenzierung

• Farbsehen Wahrnehmen und Unterscheiden von Farben

• Formsehen Unterscheiden und Wahrnehmen und von Formen

• Raumsehen visuelle Lokalisation, Hauptraumrichtungen, visuelle Orientierung und Navigation

• visuelles Erkennen visuelles Erkennen bzw. Wiedererkennen von Objekten, Gesichtern, Orten, Buchstaben

Gesichtsfeld

60-80 Grad

40-50 Grad

Licht

Farbe

Form

Sehschärfe

Einzelzeichen Text (Nieden)

5

Sehschärfe und Kontrastsehen

Farbwahrnehmung

• Unterscheiden bzw. Erkennen von (feinen) Farbtönen

• Bedeutung für Objektunterscheidung und –erkennen

• Bedeutung für emotionale „Tönung“ der visuellen Wahrnehmungsinhalte und für die Stimmung

Raumsehen (visuelle Raumwahrnehmung) • Visuelle Lokalisation (Positionswahrnehmung)

• Längen- und Orientierungswahrnehmung

• Abstands- und Entfernungsschätzung

• Hauptraumrichtungen: Vertikale, Horizontale, Geradeaus-Richtung (subjektive Mitte)

• visuell-räumliche Orientierung auf Reizvorlagen, im Raum

• geographische Orientierung (Wege, Gebäude, Ortschaften)

Objektwahrnehmung • Synthese aus globalen (z.B. Größe, Form) und lokalen Merkmalen (Formdetails, Farbe, usw.)

• angeborene (z.B. Gesicht) bzw. erworbene (z. B. Objekte, Buchstaben) Prototypen

• Wahrnehmungserfahrung: Kategorienzuordnung vs. Erhalt der Details

• Szenen- vs. Objektwahrnehmung (Ortsinformation; Objektinformation)

• Visuelles Gedächtnis

• Blickmotorik (Überblick über Szenen; Abtasten von Objekten

6

Visuelle Wahrnehmung: Zusammenfassung • Visuelle Informationen dienen der Orientierung in der Umwelt sowie der Abbildung (Repräsentation) der

Umwelt im Gedächtnis und in der Vorstellung.

• Die visuelle Wahrnehmung besteht aus verschiedenen Teilfunktionen bzw. Teilleistungen.

• Diese verschiedenen Teilleistungen bauen aufeinander auf (z.B. Formwahrnehmung auf Sehschärfe; Objekt-erkennen auf Überblick und Formwahrnehmung), oder unterstützen sich gegenseitig (z.B. Farbwahr-nehmung unterstützt die Objektwahrnehmung).

• Durch die Wahrnehmungskonstanz wird die Zuverlässigkeit der visuellen Wahrnehmung unabhängig von wechselnden Reiz- oder Beobachtungsbedingungen sichergestellt.

• Die Auswertung der visuellen Information erfolgt grundsätzlich Umgebungs- bzw. Kontext-bezogen.

• Die visuelle Wahrnehmungserfahrung ermöglicht nicht nur eine zunehmend genauere und vollständigere Abbildung (Speicherung) unserer Umwelt, sondern auch die Entwicklung von Wahrnehmungsroutinen.

Soziale Wahrnehmung in der visuellen Modalität

Soziale Wahrnehmung: Verarbeitung und Interpretation sozialer Reize und Signale (z.B. Gesichtsausdruck,

Gesten) als Grundlage für die Einschätzung des emotionalen Zustands des anderen, seiner Motive, Ein-stellungen, oder Werte.

Soziale Wahrnehmung findet immer im sozialen Kontext statt; die Deutung sozialer Reize und Signale erfolgt im Rahmen bisheriger Erfahrungen (soziale Autobiographie; soziales Wissen) und bildet die Basis für (soziales) Handeln.

Die soziale Wahrnehmungs- und Handlungserfahrung bestimmt die Sensitivität für die Wahrnehmung sozialer Reize und des sozialen Kontexts.

Neurobiologische Grundlagen: Funktionssysteme im präfrontalen Gehirn (monitoring; soziales Problem-lösen), in der Amygdala (Erkennen und Bewerten insbesondere biologischer relevanter sozialer Signale), und in der Insel (Repräsentation eigener ‘affektiver’ Zustände).

7

Allgemeine Aspekte der Gehirnentwicklung

Pränatale Entwicklung des ZNS

Entwicklung kortikaler Strukturen (mod. nach Chi et al., 1977)

Strukturen Alter

occipitale Strukturen

fissura calcarina 16. SSW

parieto-occipitale Strukturen 16. SSW

occipito-temporale Strukturen 27. SSW

temporale Strukturen 14.-30. SSW

parietale Strukturen 16.-35. SSW

frontale Strukturen 10.-36. SSW ( 16. LJ)

8

Zentralnervöse Grundlagen der visuellen Wahrnehmung

primärer visueller Kortex(area striata, striärer Kortex, V1)Gesichtsfeld

visueller Assoziationskortex(prästriärer Kortex): ca. 30 visuelle Areale• Farbe

• Form

• Stereopsis,

• Bewegungssehen

• Raumwahrnehmung

• Objektwahrnehmung

• Gesichterwahrnehmung

Funktionelle Organisation des zentralen visuellen Systems (nach Milner & Goodale, 1995)

dorsal er (occipito-parietaler) Pfad: wahrnehmungsbasiertes Handeln ventraler (occipito-temporaler) Pfad: wahrnehmungsbasiertes Erkennen

9

Entwicklung visueller Funktionen und Leistungen

Funktion Alter

Gesichtsfeld 2. LJ

Kontrastsehen 6. - 8. LJ (Nahbereich: 1. LJ)

Visus 2. LJ

Hell- Dunkeladaptation 3. LM (Hell-A später als Dunkel-A)

Farbsehen 2. LM

Stereopsis 2. LJ

Bewegungswahrnehmung 4. LM: bis 5°/sec

Biologische Bewegungswahrnehmung 5. LM

Raumwahrnehmung 5. LM (binokuläre Bedingung)

Formwahrnehmung 10. LM Einige grundlegende Zusammenhänge zwischen Umgebungsbedingungen und frühen Wahrnehmungsaktivitäten

• wenn das Kind wach und aufmerksam und das Licht nicht zu hell ist, sind seine Augen offen

• wenn Licht herrscht, sich aber keine Objekte in Blickrichtung befinden, beginnt die Suche nach Objekten (Konturen) mit Hilfe von Blickwechsel

• wenn ein Objekt (eine Kontur) gefunden ist, wird die Suche beendet; der Blick bleibt für längere Zeit in der Nähe des Reizes

Welche Reize werden von Neugeborenen bevorzugt? (mod. nach Slater, 1998)

• gemusterte vs. ungemusterte Reize

• horizontale vs. vertikale Streifen/Linien

• bewegte vs. stationäre Reize

• dreidimensionale vs. zweidimensionale Objekte

• Objekte in der frontoparallelen Ebene (direkte Blickrichtung) vs. in einem seitlichen Winkel

• Reize mit hohem Kontrast vs. mit niedrigem Kontrast

• größere vs. kleinere Formen und Objekte

•• Gesichter und gesichterähnliche Formen vs. andere Formen

10

Entwicklung der Okulomotorik

(mod. nach Regal et al., 1983; Hainline, 1998)

Alter 10° 30°

Sakkaden 3. LM 33 % 75 %

5. LM 20 % 62 %

Fixation: ab dem 1. LM möglich, aber sehr ungenau bis zum 5. LM verkürzt und instabil (0.8° vs. 0.4°-0.1°)

5 Monate Erwachsener

1 Fixation

2 horizontale Sakkaden

1

2

Entwicklungsbedingte visuelle Wahrnehmungsstörungen

Sehstörungen nach frühkindlicher Hirnschädigung (N=136; Mehrfachnennungen möglich)

Kognition 82.3%

Feinmotorik (Hand) 89.7%

Sehen 69.1%

Grobmotorik 20.6%

Sprache 16.9%

Visuelle und okulomotorische Funktionsstörungen (N= 280; nach Zihl & Priglinger, 2002)

Störung %

Gesichtsfeld 44

Sehschärfe 32

Strabismus 24

Nystagmus 19

Kombination 38

Zerebrale Sehstörungen bei Kindern: Ursachen (Nielsen et al., Acta Ophthalmologica Scandinavica 85, 149-156, 2007)

N=923; Untersuchungsalter: 4-15 Jahre

Prävalenz: 10.5% (97 Kinder) Hauptdiagnosen:

• Hirnschädigung • Opticusatrophie • retinale Dystrophien • kongenitaler Nystagmus

Ursachen (n=90): • pränatal: 60% • perinatal: 32% • postnatal: 08%

2

Visuelle Funktionsstörungen nach perinataler-hypoxischer Hirnschädigung (n=121) Störung % Gesichtsfeld 06 (meist bilat.) Sehschärfe 87 Kontrastsehen 48

Fixation 48 Blickbewegungen 34 Strabismus 73

Visuelles Erkennen 24/27

Homonyme Gesichtsfeldstörungen

Hemianopsie Quadrantenanopsie oben/unten

bilaterale Hemianopsie bilat.Quadrantenanopsie Zentralskotom(„Röhrengesichtsfeld“) oben/unten

parazentrales Skotom

Hell- Dunkeladaptation

Zentrale Photophobie: Störung der Helladaptation Lichtscheu Jan et al. (1993): 35 / 83 (42%) (Großteil seit Geburt)

Farbwahrnehmung

Keine Untersuchungsbefunde zu Störungen im frühen Kindesalter bekannt, aber vermutlich selten aufgrund einer Gehirnschädigung oder Gehirnentwicklungsstörung betroffen

Raumwahrnehmung Störungen der Unterscheidung von Länge und Orientierung bei 6 bzw. 7 - 12 Jährigen; Ausmaß der Störung scheint mit zunehmendem Alter abzunehmen (Riva & Cazzaniga (1986), Meerwaldt & van Dongen (1988))

3

Pat. mit occipito-parietalerSchädigung rechts

Pat. mit occipito-parietalerSchädigung beidseits

Durchstreichtest

Topographische Orientierung/topographisches Gedächtnis: deutliche Beeinträchtigung bei 6/90 Kinder (~ 7%; Dutton et al.(1996)

Störung des Erwerbs der visuomotorischen Koordination („optische Ataxie“ für Fixation, Blickwechsel und Greifen)?

Kopieren eines 9-Jährigen mit einer sporadi-schen Epilepsie (occipito-temporal) ohne morphologischen Befund (MRI) und normalen visuellen Basisleistungen (Eriksson et al, 2003)

Räumlich-konstruktive Fehlleistungen eines8-Jährigen mit Williams-Beuren Syndrom(aus: Heubrock & Petermann, 2000)

Objekt- und Gesichterwahrnehmung (visuelles Erkennen) Dutton et al. (1996): Bei ca. 50% der 90 Kinder findet sich eine Kombination aus Gesichtsfeldausfällen und Störungen des visuellen Erkennens (Gesichter, auch vertraute Menschen; Objekte, Szenen)

Stiers et al. (1989): bei 17/22 Kindern (77%) (4-14 Jahren) bestehen visuell-agnostische Störungen

Entwicklungsagnosie „Visuelle Entwicklungsagnosie“ bei einem Achtjährigen (Ariel & Sadeh, Cortex 32: 221-40,1996) Visuelle Funktionen Formwahrnehmung

Farbwahrnehmung

Raumwahrnehmung

Visuelles Gedächtnis für Formen

4

Visuelles Erkennen

Stimulusmaterial Anzahl richtig (%) N (n=4)

reale Objekte 45 77.8 100

Objektzeichnungen 30 90.0 100

Objekte auf Abbildungen 30 56.6 100

Tiere aus Plastik 22 63.6 100

unterschiedl. Blickwinkel 23 30.4 100

überlappende Objekte 20 10.0 100

Synthese von Objekten 30 13.3 73.3

komplexe Szenen 28 53.6 96.4

Einzelbuchstaben 23 63.6 100

Gesichtererkennen

Stimulusmaterial Anzahl richtig (%) N (%)

Gesichterunterscheidung 15 87.7 66.7 Gesichterkonstanz 78 30.8 92.0 Alter und Geschlecht 25 28.0 92.0 Gesichtsteile 10 00.0 100 vertraute Gesichter (Familie) 26 38.5 Gesichtsausdruck 21 21.0 100 Antworten bei visuell nicht erkannten Objekten (reale Objekte)

gelber Ball Apfel Packpapier Baumwollstoff Flugzeug (Spielzeug, Unterseite) „weiß ich nicht“ Teebeutel „weiß ich nicht“ Meeresmuschel Blume kleine Parfümflasche Spielzeugfigur („kleiner Mann“)

fehlerloses Erkennen in der taktilen Modalität! Zeichnen aus dem Gedächtnis

5

Entwicklungsprosopagnosie (developmental prosopagnosia) Der Transfer von neuropsychologischem Wissen in die Entwicklungspsychologie in der Tradition der Teilleistungsstörungen hat dazu geführt, gezielt nach frühkindlichen (kongenitalen, angeborenen) Entwicklungsstörungen auch im Bereich der visuellen Wahrnehmung zu suchen.

Kinder mit entsprechenden Auffälligkeiten wurden ähnlich wie Erwachsene mit solchen Störungen nach „erworbener“ Hirnschädigung untersucht. Seit den ersten Mitteilungen über kongenitale Prosopagnosie (Finzi et al., 1957; Gordon, 1968; Pontius: 1974; Erwachsene: Bodamer, 1947) sind zahlreiche Einzelfallberichte erschienen.

Allerdings sind nicht alle Fälle angeborener Prosopagnosie wissenschaftlich ausreichend dokumentiert; einige Publikationen beruhen auf subjektiver Befragung.

Die Diagnose Prosopagnosie sollte deshalb nur vergeben werden, wenn alle diagnostischen Kriterien zuverlässig erfüllt sind; in den übrigen Fällen empfiehlt sich die diagnostische Klassifizierung „Beeinträchtigung des Lernens und Wiedererkennens von bekannten Gesichtern“ Charakteristische Merkmale der Entwicklungsprosopagnosie:

• Kein/geringes visuelles Lernen/Behalten von häufig gesehenen Gesichtern

• Deutliche besseres visuelles Wiedererkennen für Objekte, Buchstaben und Wegen/Gegenden • Erkennen von bekannten Personen aufgrund der Körperstatur, -bewegungen und der Stimme unbeein-

trächtigt • Normale/ausreichende visuelle Funktionen und Leistungen • Normale/ausreichende kognitive Leistungen • Kein Hinweis auf eine nach der erfolgreichen Entwicklung der Gesichterwahrnehmung und –erkennung

erworbenen Hirnschädigung (3. - 6. LM?)

Befunde: • Gesichtervergleich • räumliche Relationen von Gesichtsmerkmalen • räumliche Relationen von abstrakten optischen Designs • ganzheitliche visuelle Wahrnehmung (Synthese) • räumliche Kontrastsensitivität • Gesichterkonstanz

Es existieren verschiedene Formen von entwicklungsbedingten Störungen der Gesichterwahrnehmung und –erkennung, in Assoziation und in Dissoziation

„disziplinierte“ Verwendung der Diagnose „Entwicklungsprosopagnosie“

Blickbewegungen bei einem Patienten mit Prosopagnosie

2.6 s

86.5 s

Kontrolle

Patient

6

Visuelle Entwicklungsdyslexie Betroffene Funktionen/Leistungen

• „Verankerung“ von Reizen innerhalb einer Kategorie

• Simultane und serielle zeitliche und räumliche Verarbeitungskapazität • Arbeitsgedächtnis für Wörter (Wortlängeneffekt) • Aufmerksamkeitsspanne • Interferenzanfälligkeit für ähnliche (symmetrische) Buchstaben und Zeichen • räumlicher Aufmerksamkeitswechsel • Korrekte Verarbeitung der Position von Buchstaben innerhalb eines Wortes • „Low-level“ Verarbeitung (Formverarbeitung) • Textabhängige Steuerung der Blickbewegungen (Lesebewegungen) • implizites Lernen (prozedurales Lernen) kein Routineerwerb Neurobiologische Grundlagen

• Spezifische System-Störung: fehlende/geringere Aktivierung im linken und rechten occipito-temporalen Cortex (g. fusiformis) für visuelle Wordformen

• Multi-System-Störung (visuelle und visuell-semantische Verarbeitung Textverarbeitung aufgrund einer „atypischen“ Entwicklung des Gehirns)

• Fehlende fokale Aktivierung in posterior-parietalen, präfrontalen und cerebellären Strukturen

• korticale und subkortikale (Faserverbindungen) Hirnentwicklungsstörung

• Primäre genetische Ursache (3-4 Kandidatengene)

Störungen der visuellen sozialen Wahrnehmung

Autistisches Spektrum

• Unzureichende/fehlende Entwicklung der Wahrnehmung (Unterscheiden, Erkennen, Interpretieren) sozialer visueller Reize und Signale

• teilweise assoziiert mit Entwicklungsprosopagnosie

Entwicklungsbedingte Störung der sozialen Wahrnehmung ohne autistische Merkmale • Analyse der Bedeutung sozialer Reize/Signale ungenau (zu grobe Kategorien) • teilweise assoziiert mit entwicklungsbedingten Störungen der Gesichterwahrnehmung und des –erkennens

Entwicklungsprosopagnosie: nicht zwangsläufig mit einer Störung der visuellen Sozialwahrnehmung assoziiert

Erworbene chronische Störungen der visuellen Sozialwahrnehmung: • z.B. nach neurochirurgischen Eingriffen im rechten Temporallappen, z.B. wegen therapie-resistenter

Epilepsie

vermeintliche Störungen der visuellen Sozialwahrnehmung aufgrund der Schwierigkeiten der Beobachter (z.B. Eltern, Lehrpersonen), faciale (und prosodische) Informationen als soziale Signale richtig zu erkennen und zu deuten (z.B. bei Down Syndrom).

7

Aufmerksamkeitsfeld (Überblick, simultane Erfassung mehrerer Objekte)

• allgemein reduzierte bzw. auf einen kleinen Bereich eingeschränkte okulomotorische Exploration

• Exploration auf das linke oder (seltener) rechte Halbfeld beschränkt (visueller Neglect); gute spontane Rückbildung

• Balint-Syndrom (nach Hypoxie bzw. intracerebraler Blutung): Schwierigkeiten beim Lesen, Schreiben und Zeichnen sowie bei der visuellen Steuerung von Hand- und Fußbewegungen (2 Einzelfälle nach perinatal bzw. im 3. LJ; Untersuchung im Alter von 7 bzw. 10 Jahren)

• ein- oder beidseitige Einschränkung der visuellen Suche auch bei ADHD beschrieben

Linksseitige visuelle Vernachlässigung bei einem 9-Jährigen (Ferro et al, 1984)

Visuelle Vernachlässigung nach occipito-parieto-frontaler Schädigung rechts bei einem 2-Jährigen 16 Tage nach SHT mit Blutung; HHL (Laurent-Vannier et al, 2003)

a

b

a: freies Zeichnenb: Durchstreichtest

Durchstreichtest

Dorsale Simultanagnosie

8

Zentralnervöse Störungen der Blickmotorik

Struktur Sakkaden Augenfolgebewegungen

Kleinhirn Dysmetrie sakkadierte langsame Phasen

Mittelhirn vertikal vertikal

Großhirn Hypometrie sakkadierte langsame Phasen Latenzen Latenzen Verlangsamung Verlangsamung

Blickbewegungsmuster beim Abtasten einer Szene nach erworbener Hirnschädigung

A: Normalperson (8.9 s)

B, C: Pat. mit linksseitigerHemianopsie mit schlechter(27.2 s) und guter (11.,8 s)Kompensation

D: Pat. mit linksseitigem visuellen Neglect (58.7 s)

E: Pat. mit Balint Syndrom(98.1 s)

Visuelle Störungen bei ausgewählten Ätiologien • Epilepsie (Temporallappen)

– Beeinträchtigung der Gesichterwahrnehmung, einschl. des Gesichtsausdrucks

• Hydrocephalus

– Gesichtsfeld

– Farb- und Formwahrnehmung – Bewegungssehen – visuell-räumliche Funktionen, einschließlich Orientierung – Objekt- und Gesichterwahrnehmung

• Kongenitaler Thyroid-Mangel

– Kontrastsehen

– Farbsehen – visuelle Aufmerksamkeit

• Alkoholembryopathie

– Störung der globalen visuellen Verarbeitung

– Visuokonstruktive Schwierigkeiten

9

• Williams Syndrom – visuell-räumliche und visuo-konstruktive Störungen

• Autistisches Spektrum – Farbdifferenzierung (vor allem bei farbigem Hintergrund)

– Zuordnung von Zeichen und Symbolen (Zahlen-Symbol-Test) – Störung des visuellen Erkennens (Ganzheitlichkeit bzw. globale Erfassung) – Störung der Gesichterwahrnehmung (Ganzheitlichkeit bzw. globale Erfassung) – Störung der sozialen Wahrnehmung (Gesichtsausdruck; Gesten)

• Down Syndrom – Akkommodationsfähigkeit (Sehschärfe und Kontrastsehen in der Nähe!)

– Stereopsis und Stereosehschärfe – Strabismus (Schielen)

• ADHD – Visuelle Aufmerksamkeit (Aufmerksamkeitsfeld; globale und lokale Verarbeitung; Unterdrückung

irrelevanter Reize)

Zerebrale Sehstörungen bei Frühgeburt Rudanko et al., Ophthalmology 110:1639-1645, 2003 N= 556 zwischen 1972 und 1989 in Finnland Frühgeborene (< 37 Schwangerschaftswoche); Untersuchungsalter: ≤ 18 Jahre

Sehstörungen: 23 % (n=125) Ursachen: Retinopathie: 46 %; Opticusatrophie: 28 %; zerebrale Ursachen: 12 % Betroffen:

Sehschärfe Bewegungssehen visuell-räumliche und visuell-konstruktive Störungen visueller Aufmerksamkeits- und Fixationswechsel (Aufmerksamkeitsfeld!)

Assoziierte Funktionsstörungen: • Zerebralparese: 54 %; Epilepsie: 36 % • verminderte kognitive Leistungen im gesamten Entwicklungsverlauf

besonders betroffen: Aufmerksamkeit (Intensität)

Mit zerebralen Sehstörungen assoziierte Funktionsstörungen

Rudanko et al. (N=431; Alter ≤ 18 Jahre; 2004) • Multiple Funktionsstörungen in 40-45% der Fälle mit Sehstörungen

Arnould et al. (N=296; Alter ≤ 18 Jahre; 1998) • Multiple Funktionsstörungen (vor allem Motorik und Kognition) in 56 % der Fälle mit Sehstörungen

Dale & Sonkson (N=69; Alter: 54 Monate; 2002) • Kognitive Störungen in 16 % • Sprachentwicklungsstörungen in 24 % • Sensomotorische Störungen in 27 % • Schwere Entwicklungsstörung in 7%

10

Guzetta et al. (N= 47; 2001)

7-9 % der Kinder mit CP weisen schwere visuelle Störungen auf: • die binokuläre Sehschärfe ist in 70 % reduziert, • bei Hemiplegie: meist normale Sehschärfe, • Komplexe Sehstörungen (visuelles Erkennen, Raumsehen) und Blickbewegungsstörungen (Blickapraxie;

sakkadische Dysmetrie), • Störungen der visuell-räumlichen Aufmerksamkeit (eingeengtes Aufmerksamkeitsfeld; „sticky

fixation“).

Sekundäre Schwierigkeiten: • Kopf- und Rumpfkontrolle im Sitzen und Stehen • Körperkontrolle beim Bewegungen (Greifen, Krabbeln, Gehen) • Kommunikation, soziale Kontakte, Selbständigkeit, Kognition

Die Verbesserung der Sehfunktionen/visuellen Wahrnehmungsleistungen führt zu einer deutlichen Steigerung motorischer Funktionen/Leistungen bei Kindern mit CP.

Auswirkungen von Sehstörungen auf andere Funktionen

• Aufmerksamkeit: selektive Aufmerksamkeit (Raum!) und Daueraufmerksamkeit

• Gedächtnis: unvollständige / fehlerhafte Speicherung visueller Informationen

• Exekutive Funktionen: fehlerhafte Steuerung bzw. Überwachung aufgrund unvollständiger/fehlerhafter visueller Informationen

• Motorik: Beeinträchtigung visuell gesteuerter Aktivitäten (Okulomotorik, Handmotorik, Grobmotorik)

• Sprache: Entwicklung des Sprachschatzes (Benennen)

• Antrieb: Neugierde

• Sozialverhalten: soziale Wahrnehmung Kommunikation etc.

11

Diagnostik visueller Funktionen Normales visuelles Verhalten im ersten Lebensjahr (mod. nach Hyvärinen, 2000) 0 – 1 Monat

– schaut zu Lichtquellen, dreht Kopf und Augen – Aufnahme von Augenkontakt – langsame und ruckartige horizontale Folgebewegungen

2 – 6 Monate – Augenkontakt – visuell gesteuertes Greifen – Beobachten von Objektbewegungen (z.B. Fallen und Wegrollen) – Wechsel der Fixation über die Mittellinie – Ausdehnung des visuellen Suchfeldes – Abkoppelung der Augen- von den Blockbewegungen – glatte Augenfolgebewegungen

7 – 10 Monate – Entdecken auch von sehr kleinen Objekten – Berühren von und (später) Greifen nach stationären Objekten – Interesse an Bildern – Erkennen von teilweise verdeckten Objekten

11 – 12 Monate – gute visuelle Orientierung in gewohnter Umgebung – schaut durch das Fenster und erkennt andere Menschen – visuelles Wiedererkennen von Personen

Diagnostische Vorgehensweise und Verfahren • Kontaktaufnahme: Verhaltensbeobachtungen (Blickmotorik, Fixationsverhalten, usw.)

• Ophthalmologische und orthoptische Untersuchungen (periphere Abschnitte, Motilität, Visus, Kontrastsehen)

• Neuropsychologische Untersuchung – Gesichtsfeld – Kontrastsehen; Formensehschärfe – Farbsehen – Raumsehen – Objekt- und Gesichterwahrnehmung – Okulomotorische Funktionen (Sakkaden, Fixation)

• Gesichtsfeld

– Verhaltensperimetrie mit ausreichend großen (Durchmesser: z.B. 3 Grad) und kontrastreichen Reizen; okulomotorische Zuwendebewegungen bzw. Greifbewegungen als Reaktionsvariablen

– Standardperimetrie (ab ~ 3 Jahren) • Kontrastsehen

– Streifenmuster auf Karten (LEA-gratings) oder auf dem Bildschirm

– VEP (Muster)

12

Visus – OKN – Einzelsehschärfezeichen (Optotypen) – Sehschärfezeichen für Kinder – VEP (mindestens 2 Mustergrößen – Zunahme der Amplitude bei höheren Frequenzen)

Kontrastsehen und Visus: Vergleich von Verhaltensmessungen und VEP

– Verhaltenstestung liefert „echte“ Werte, VEP physiologische Korrelate – PL < Blickzuwendung < VEP (PL : VEP = 1 : 10) – ab etwa dem 6. Lebensmonat liefert die Verhaltenstestung zuverlässigere Ergebnisse als das Muster-VEP

(Voraussetzungen: Konzentration und Fixationsgüte) Farbsehen

– Vorgabe von Paarreizen Farbe und Grauton: Blickzuwendung – Vorgabe von Farbpaaren: Blickzuwendung – Standardisierte Verfahren, z.B. Ishihara-Kinderversion (ab dem 3. LM) – Farbmuster-evozierte Potentiale

Raumsehen

- Greifen nach Objekten in allen drei Dimensionen unter mono- und binokulären Bedingungen (Entfernungs- und Tiefenwahrnehmung) - Vergleich von Längen, Größen usw. - Titmus-Test (Stereopsis)

Objekt- und Gesichterwahrnehmung

– Objekte: Form, Größe, Komplexität

– Gesichterwahrnehmung: • Gesicht – Nicht-Gesicht • Gesicht – Gesicht (Unterscheidung fremder Gesichter) • Gesicht – Gesicht (Unterscheidung fremd – bekannt) • Gesichtsaudruck fröhlich, überrascht, freundlich: positive Reaktion traurig, ängstlich, wütend: negative Reaktion

Jane Stimuli zur Untersuchung der Gesichteridentität

Le Grand et al, Brain and Cognition 61:139158, 2006

13

Lesen • Unterscheidung von Formen, Symbolen und Buchstaben (gleich – verschieden, in Abhängigkeit vom

Grad der Ähnlichkeit)

• Unterscheidung von Wortformen (gleich – verschieden; Länge!)

• Kategorisierung von Buchstaben und Formen (Größe, Orientierung) unter Vorgabe eines Ankerreizes („Prototyp“)

• Korrekte Verarbeitung der Position von Buchstaben innerhalb eines Wortes

• Interferenzanfälligkeit für ähnliche (symmetrische) Buchstaben und Zeichen

• Arbeitsgedächtnis für Buchstabenfolgen und Wörter (Länge!)

• Lesebewegungen

• Ganzheitliche Wort- und Textverarbeitung vs. Word- und Textverständnis (Lesen)

• Aufmerksamkeitsspanne und Konzentrationsfähigkeit Schreiben

• Transformation Buchstaben und Wörter Diktat (Hören) Schreiben

• Arbeitsgedächtnis für gelesene und gesprochene Wörter unterschiedlicher Länge

• parallele Durchführung von Lesen/Hören (Diktat) und Schreiben einschl. Selbstkontrolle

• „ganzheitliches Schreiben“ (Bildung von Graphemen)

• Lesen und Verstehen des selbst Geschriebenen

Zeichnen

• sicheres Wahrnehmen / Unterscheiden von Positionen

• sicheres Wahrnehmen / Unterscheiden von Längen und Orientieren

• Erkennen des räumlichen Rahmens (Ausrichtung von Objekten im räumlichen Bezugssystem)

• Erfassen der räumlichen Merkmale einer (komplexen) Figur

• Spiegelbildlichkeit

• Kopieren (Abzeichnen) vs. Reproduzieren (visuelles Arbeitsgedächtnis) vs. Konstruieren (Zeichnen aus dem Langzeitgedächtnis = Erfahrung)

Differenzierung zwischen Wahrnehmen/Unterscheiden, räumlich-konstruktive Leistungen und motorische Komponenten (Apraxie?)

Rechnen

• sicheres Wahrnehmen / Unterscheiden der Ziffern (Formen)

• sicheres Wahrnehmen / Unterscheiden der Positionen von Ziffern

• sicheres Kennen der Rechensymbole (+/-/x/:)

• Arbeitsgedächtnis für Ziffern und Zahlen

• Kontrolle des Rechenprozesses

14

Diagnostische Untersuchungen von Sehfunktionen/Sehleistungen: Zusammenfassung

Basale“ visuelle Funktionen und Leistungen

• Gesichtsfeld und Überblick/visuelle Exploration und visuelle Suche

• Sehschärfe und Kontrastsehen

• Formsehen (Unterscheidung einfacher Formen)

• Farbsehen

• Stereopsis

• Raumsehen (Lokalisation, Länge, Orientierung)

Zusatzuntersuchungen

Vordere Augenabschnitte (Linse, Augenhintergrund)

Akkommodation

Vergenz

Blickbewegungen (v.a. Sakkaden)

„Höhere“ (komplexe) visuelle Funktionen

• Formsehen (komplexe Formen)

• Unterscheiden von Symbolen und Buchstaben

• Unterscheiden von Objekten

• Unterscheidung von Gesichtern

• räumlicher Perspektivenwechsel („mentale Raumrotation“)

• visuelles Erkennen (Wiedererkennen) von

– komplexen Formen, Symbolen und Buchstaben

– Objekten – Gesichtern – Orten/Wegen

Soziale Wahrnehmung

Wahrnehmen (Unterscheiden und Erkennen = richtiges Deuten) von Gesichtsausdruck, Stimme und Körper-haltung/Motorik („biologische Bewegungen“) des anderen • Unterscheiden (fremd/bekannt) und Wiedererkennen von Gesichtern (wer ist es? Woher kenne ich ihn? Wer ist diese Person für mich?)

• Alter (Kind, Jugendlicher, Erwachsener, „alter Mensch“)

• Geschlecht (weiblich, männlich)

• Gesichtsausdruck (freundlich – feindlich; scheu/ängstlich; fröhlich-traurig)

• Bedeutung von sozialen Gesten (Streicheln, Winken, Zeigen auf jemanden, usw.)

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Diagnostik okulomotorischer Funktionen bei Kindern Fixation

– Mit welchen Reizen ist eine zuverlässige, ausreichend lange andauernde Fixation erreichbar?

– Wie stabil ist die Fixation?

– Wie gut kann das Kind seine Fixation kontrollieren, wie lange hält sie an?

– Lassen sich eindeutige Präferenzen für das Fixieren von Objekten hinsichtlich Dauer und Wiederholung finden?

Sakkaden (Blickbewegungen): - Spontane Blickbewegungen im Raum (Häufigkeit, Größe) - Blickwechsel zu Objekten (horizontal, vertikal; Latenz, Genauigkeit der Fixationsaufnahme) - Blickwechsel zwischen Objekten (horizontal, vertikal; Latenz, Genauigkeit der Fixationsaufnahme)

Dysmetrien (zu klein: Hypometrie, zu groß: Hypermetrie) Häufigkeit sakkadischer Blickwechsel (spontan, Reizvorlage) Blickbereich in jedem Halbfeld (Blickfeld) Verzögerte Blickwechsel

Blickfolgebewegungen

- Verfolgen eines Gegenstandes (hoher Kontrast; Farbreize) bei mittlerer Geschwindigkeit (Horizontal- und Vertikalrichtung wichtig: Aufmerksamkeitsabhängig!

Überblick (Aufmerksamkeitsfeld), visuelle Exploration, visuelle Suche

Beobachten der Blick- und Suchbewegungen (Augen- und Kopfbewegungen) Abtasten von Reizvorlagen (Fixationswechsel; Zeigen; Durchstreichen)

Laurent-Vannier et al., Developmental Medicine & Child Neurology, 48: 120-125, 2006

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Uttal et al., Developmental Psychology, 37:338-350, 2001

Literaturempfehlungen

Atkinson J (2000) The Developing Visual Brain. Oxford: Oxford University Press

Hyvärinen L (1993) Sehen im Kindesalter. Normale und abweichende Entwicklung. Würzburg: Edition Bentheim

Johnson MH (2000) Developmental Cognitive Neuroscience. Oxford: Blackwell Publishers

Zihl J, Priglinger S (2002) Sehstörungen bei Kindern. Diagnostik und Frühförderung. Wien, New York: Springer Verlag.


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