Zehn widerborstige Fingerübungen Für die Unabhängigkeit und Geschmeidigkeit der linken Hand. Jürg Hochweber „Fingerübungen“, was für ein abschreckendes, altmodisches, ja anrüchiges Wort! Die Leute stellen sich darunter etwas Trockenes, Langweiliges, Schul- mäßiges vor. In unserer Spaßgesellschaft hat so etwas keinen Platz und ist bei vielen PädagogInnen tabu. Und es ist schon fast ermüdend, wie ste- reotyp deshalb in fast allen Gitarrenschulen und Lehrwerken im Vorwort ein Satz steht wie: „ ..... im Gegensatz zu andern Schulen gibt’s hier keine trockenen Finger- übungen, sondern du lernst direkt ....“ Dabei kann eine Fingerübung durchaus attraktiv sein, wenn eine oder meh- rere der folgenden Bedingungen erfüllt ist: ● Die Übung sieht irgendwie lustig oder grotesk aus oder erinnert an Akrobatik und nutzt den Spieltrieb der Menschen. Möglich ist auch ein besonders skurriler Klang. ● Sie stellt eine echte Herausforderung dar und appelliert an den Ehr- geiz und den Forschungseifer der SchülerInnen. ● die Übung umfasst nur ein einziges, klar begrenztes Thema und bie-tet sonst keine anderen Schwierigkeiten. Also nicht gleichzeitig Schwierigkeiten für Rhythmus, rechte Hand und linke Hand. ● Vorteilhaft ist, wenn die Übung periodisch aufgebaut ist, so dass sie mit einem gewissen rhythmischen Schwung gespielt werden kann. Wer will, kann anstatt Fingerübung auch Fingertraining oder Fingerspiel sa- gen, da dies an Sport beziehungsweise Freizeitvergnügen erinnert. Zur Ehrenrettung der Fingerübungen stelle ich euch also Zehn davon vor. Sie richten sich zwar an Profis und fortgeschrittene SchülerInnen, doch es ist manchmal erstaunlich, wie schlau gewisse Kinder in solchen Dingen sein können und wie schnell sie in Sachen Geschicklichkeit Fortschritte machen. Übrigens sind Fingerübungen auch aus neurologischer Sicht sehr wertvoll. Kaum eine andere Tätigkeit braucht dermaßen viel Hirnzellen und schafft so viele neue Synapsen (Verschaltungen) im Gehirn. Ein Tipp zum Üben: spiele schwierige Übungen von Anfang an in einem fes- ten Rhythmus. Sprich zum Beispiel laut mit: „Ritsch und ratsch und ritsch 11
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Zehn widerborstige FingerübungenFür die Unabhängigkeit und Geschmeidigkeit der linken Hand.
Jürg Hochweber
„Fingerübungen“, was für ein abschreckendes, altmodisches, ja anrüchiges Wort! Die Leute stellen sich darunter etwas Trockenes, Langweiliges, Schul-mäßiges vor. In unserer Spaßgesellschaft hat so etwas keinen Platz und ist bei vielen PädagogInnen tabu. Und es ist schon fast ermüdend, wie ste-reotyp deshalb in fast allen Gitarrenschulen und Lehrwerken im Vorwort ein Satz steht wie: „ ..... im Gegensatz zu andern Schulen gibt’s hier keine trockenen Finger-übungen, sondern du lernst direkt ....“ Dabei kann eine Fingerübung durchaus attraktiv sein, wenn eine oder meh-rere der folgenden Bedingungen erfüllt ist:
● Die Übung sieht irgendwie lustig oder grotesk aus oder erinnert an Akrobatik und nutzt den Spieltrieb der Menschen. Möglich ist auch ein besonders skurriler Klang.
● Sie stellt eine echte Herausforderung dar und appelliert an den Ehr-geiz und den Forschungseifer der SchülerInnen.
● die Übung umfasst nur ein einziges, klar begrenztes Thema und bie-tet sonst keine anderen Schwierigkeiten. Also nicht gleichzeitig Schwierigkeiten für Rhythmus, rechte Hand und linke Hand.
● Vorteilhaft ist, wenn die Übung periodisch aufgebaut ist, so dass sie mit einem gewissen rhythmischen Schwung gespielt werden kann.
Wer will, kann anstatt Fingerübung auch Fingertraining oder Fingerspiel sa-gen, da dies an Sport beziehungsweise Freizeitvergnügen erinnert.Zur Ehrenrettung der Fingerübungen stelle ich euch also Zehn davon vor. Sie richten sich zwar an Profis und fortgeschrittene SchülerInnen, doch es ist manchmal erstaunlich, wie schlau gewisse Kinder in solchen Dingen sein können und wie schnell sie in Sachen Geschicklichkeit Fortschritte machen. Übrigens sind Fingerübungen auch aus neurologischer Sicht sehr wertvoll. Kaum eine andere Tätigkeit braucht dermaßen viel Hirnzellen und schafft so viele neue Synapsen (Verschaltungen) im Gehirn.
Ein Tipp zum Üben: spiele schwierige Übungen von Anfang an in einem fes-ten Rhythmus. Sprich zum Beispiel laut mit: „Ritsch und ratsch und ritsch
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und ratsch“, während du einen Griffwechsel übst! Du kannst auch mit demKörper eine Schaukelbewegung machen. Das beflügelt ungemein.Diese Übungen sind zwar auf meinem Mist gewachsen, aber es ist gut mög-lich, dass schon Andere sie zuvor „erfunden“ hatten, ich stelle keinen An-spruch auf ein Patent.Damit sie leichter lesbar sind, habe ich auch Tabulaturen beigefügt. Einigesind leichter zu greifen, wenn sie in eine höhere Lage versetzt werden.
1) „Katzenpfoten“
Wichtig: während die Finger 1und 2 runtergehen, heben sich gleichzeitig dieFinger 3 und 4, in regelmässigem Wechsel.
2) „Sisyphus a,b,c“
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obige Übung kann auf zwei Arten gespielt werden: 1) nur der Greiffinger berührt die Saiten, der Daumen bleibt fix. 2) möglichstviel Finger bleiben auf der Saite liegen und rutschen nach, auch der Daumenrutscht nach.
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3) „Strafaufgabe“
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4) „Krabbe“
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5) „Rochade“
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Kann zu einer Sequenz ausgebaut und ist an Dissonanz kaum zu überbie-ten:
7) „Tentakel“
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7b und 7c sollen erst geübt werden, wenn 7a gut klappt, sonst droht Ver-krampfung.
8) „Teufelsklauen“
Natürlich könnte man auch auf dem Saitenpaar 5 und 6 beginnen. Aber dannwird es schwierig, die Sache in eine periodische Form zu bringen, was im-mer angenehm zum Üben ist.
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9) „Schlange“
Die Finger 2 und 3 sollten hier bockstill stehen, wärend die Finger 3 und 4sich um einen Bund verschieben. Als Vorübung legt man die flache linke Hand auf einen Tisch und bewegt 2und 3 parallel hin und her, während 1 und 4 fix bleiben.
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10) „Dschungelkampf“
Die Kunst bei diesen Übungen ist, jede überflüssige Bewegungen zu vermei-den, meist geht es tatsächlich mit ziemlich kleinen Änderungen. Und wie im-mer sollte nur ein Minimum an Kraft eingesetzt werden, Anstrengung undWürgerei wirken kontraproduktiv. Wenn die Beweglichkeit da ist und die Syn-apsen im Gehirn geknüpft sind, brauchst du fast keine Kraft. Bleibe stets indeiner Komfortzone, mach die Übungen ebentuell nur in deiner Vorstellungoder ohne die Saiten ganz zu drücken, dann hast du den optimalen Nutzen.
