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Zahnstatus 2011: Sechsjährige in Österreich PDF

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Zahnstatus 2011 Sechsjährige in Österreich Wissenschaftlicher Ergebnisbericht Im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit
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Zahnstatus 2011 Sechsjährige in Österreich

Wissenschaftlicher Ergebnisbericht

Im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit

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Zahnstatus 2011 Sechsjährige in Österreich

Sechsjährige Kinder mit und ohne Migrationshintergrund in Österreich

Wissenschaftlicher Ergebnisbericht

Autorinnen/Autoren:

Andrea Bodenwinkler Johann Kerschbaum Gabriele Sax

Fachliche Begleitung durch das BMG:

Johanna Geyer

Projektassistenz:

Alexandra Mayerhofer

Wien, im Dezember 2012 Im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit

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ISBN-13 978-3-85159-175-0

Eigentümer, Herausgeber und Verleger: Gesundheit Österreich GmbH, Stubenring 6, 1010 Wien, Tel. +43 1 515 61, Fax 513 84 72, Homepage: www.goeg.at

Der Umwelt zuliebe: Dieser Bericht ist auf chlorfrei gebleichtem Papier ohne optische Aufheller hergestellt.

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Kurzfassung

Kurzfassung

Das WHO-Postulat 2020 „Kariesfreiheit bei 80 Prozent der Sechsjährigen“ wird in Österreich bei gleichbleibendem Trend nicht zu erreichen sein. Ein hoher Anteil an Milchzahnkaries und ein geringer Grad an Sanierung dokumentieren Lücken in der Prävention und Versorgung. Das zeigen die Ergebnisse der Zahnstatuserhebung, die die GÖG/ÖBIG zusammen mit dem Hauptverband der österreichischen Sozialversiche-rungsträger in Kooperation mit den Bundesländern und mit Unterstützung des Fonds Gesundes Österreich zwischen November 2011 und März 2012 in ersten Volksschul-klassen durchführte.

Karies ist sozial determiniert. Auf ein Viertel der Sechsjährigen konzentrieren sich mehr als drei Viertel (81 %) der diagnostizierten kariösen Läsionen. Der sozioökonomi-sche Status der Familie spielt bei der Zugehörigkeit zur Kariesrisikogruppe eine bedeutende Rolle.

Kinder mit Eltern aus sozial schwachen Schichten, geringerem Bildungsgrad (ohne Matura) und/oder Migrationshintergrund leiden in viel zu hohem Ausmaß an kariösen, unbehandelten und hygienisch vernachlässigten Milchzähnen.

Insgesamt zeigen die Daten im Beobachtungszeitraum 1996 bis 2012 aber einen positiven Entwicklungstrend auf. Der Rückgang von Milchzahnkaries setzt sich, wenn auch sehr langsam, kontinuierlich fort und schneidet damit im europäischen Vergleich gut ab. Gegenwärtig ist österreichweit gut die Hälfte (52 %) der Sechsjährigen kariesfrei (d3mft = 0). Mehr als ein Drittel (39 %) verfügt sogar über vollkommen gesunde Milchzähne (d1+2+3mft = 0) ohne jegliche kariöse Spuren. In den Milchgebissen dieser Kinder finden sich auch keinerlei Kariesvorstufen-Läsionen. Der Kinderanteil mit „völlig gesunden Milchgebissen“ stieg innerhalb der letzten 15 Jahre erfreulicherweise um 32 Prozentpunkte an.

Seit dem Jahr 1996 ist im Milchgebiss auch eine stetige Reduktion der Kariesprävalenz (d3mft-Index) zu verzeichnen. Gegenwärtig finden sich in den Milchgebissen der Sechsjährigen im Mittel 2,1 von Karies betroffene Zähne. Im Vergleich zum Erhebungs-jahr 1996 halbierte sich der durchschnittliche Kariesbefall (d3mft-Index).

Alarmierend ist das unverändert hohe Sanierungsdefizit (60 Prozent nicht versorgte Defekte). Jedes dritte Kind ist davon betroffen. Unbehandelte Karies an Milchzähnen kann das ganze Gebiss anstecken und führt zu Schmerzen und Fehlstellungen der bleibenden Zähne.

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Inhalt V

Inhalt

1 Einleitung ......................................................................................................... 1

2 Studiendesign und Methodik ............................................................................. 2 2.1 Problemstellung .................................................................................... 2 2.2 Stichprobe ............................................................................................ 3 2.3 Untersuchungsdesign ........................................................................... 5

2.3.1 Kariesbefundung .................................................................... 5 2.3.2 Beurteilung der Mundhygiene ................................................. 8 2.3.3 Kieferorthopädische (KFO-)Untersuchung ............................... 8

2.4 Untersuchungsablauf ............................................................................ 9

3 Ergebnisse ...................................................................................................... 11 3.1 Karies ................................................................................................. 11

3.1.1 Kariesmorbidität .................................................................. 12 3.1.2 Kariesprävalenz.................................................................... 15 3.1.3 Polarisierung ........................................................................ 20 3.1.4 Sanierungsgrad .................................................................... 22 3.1.5 Spezifische Ergebnisse ......................................................... 24 3.1.6 Plaque-Ergebnisse ............................................................... 26 3.1.7 Ergebnisse der KFO-Untersuchung ....................................... 29 3.1.8 Ergebnisse zum Mundgesundheitsverhalten ......................... 32

4 Karies im Milchgebiss, 1996 bis 2011 ............................................................. 42 4.1 Kariesmorbidität ................................................................................. 42 4.2 Kariesprävalenz .................................................................................. 46 4.3 SiC-Index ........................................................................................... 47 4.4 Sanierungsgrad ................................................................................... 48 4.5 Mundhygiene und Visible-Plaque-Index .............................................. 49

5 Sechsjährige im europäischen Vergleich .......................................................... 55

6 Resümee ........................................................................................................ 61

Literatur ................................................................................................................... 63

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VI © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus 2011 bei Sechsjährigen

Abbildungen und Tabellen

Abbildungen

Abbildung 3.1: 6- bis 7-Jährige – Kariesmorbidität und Kariesdiagnosen nach Geschlecht .......................................................................... 13

Abbildung 3.2: 6- bis 7-Jährige – Kariesmorbidität, alle Kinder, nach Migrationshintergrund und Bildung der Eltern in Prozent ................................................................................... 15

Abbildung 3.3: 6- bis 7-Jährige – Kariesprävalenz auf Flächenebene (d3mfs-Index), alle Kinder, nach Migrationshintergrund und Bildung der Eltern ................................................................. 19

Abbildung 3.4: 6- bis 7-Jährige – Anzahl unbehandelter kariöser Milchzahnflächen (d3s) und Kinder in Prozent .............................. 21

Abbildung 3.5: 6- bis 7-Jährige – SiC-Index, alle Kinder, nach Geschlecht, nach Migrationshintergrund und Bildung der Eltern ........................................................................ 22

Abbildung 3.6: 6- bis 7-Jährige – Sanierungsgrad in Prozent, alle Kinder, nach Geschlecht, Migrationshintergrund und Bildung der Eltern .................................................................................... 23

Abbildung 3.7: 6- bis 7-Jährige – behandlungsbedürftige Läsionen (d3-Läsionen) in Prozent, alle Kinder, nach Geschlecht, Migrationshintergrund und Bildung der Eltern .............................. 24

Abbildung 3.8: 6- bis 7-Jährige – Füllungsmaterialien in Prozent, alle Kinder, nach Geschlecht, Migrationshintergrund und Bildung der Eltern ................................................................. 25

Abbildung 3.9: 6- bis 7-Jährige – Diagnosen zum Mundhygienestatus (VPI), alle Kinder, nach Geschlecht, Migrationshintergrund und Bildung der Eltern in Prozent ................................................ 27

Abbildung 3.10: 6- bis 7-Jährige – mittlerer VPI in Prozent, alle Kinder, nach Geschlecht, Migrationshintergrund und Bildung der Eltern ........................................................................ 28

Abbildung 3.11: 6- bis 7-Jährige – kieferorthopädische Diagnosen, alle Kinder, nach Geschlecht in Prozent ........................................ 30

Abbildung 3.12: 6- bis 7-Jährige – kieferorthopädische Diagnosen, alle Kinder nach Migrationshintergrund und Bildung der Eltern in Prozent .................................................................... 31

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Inhalt VII

Abbildung 3.13: 6- bis 7-Jährige – Befragung: Kindergartenbesuch und ZGE (Zahngesundheitserzieherin) nach Migrationshintergrund und Bildung der Eltern in Prozent ............. 33

Abbildung 3.14: 6- bis 7-Jährige – Befragung: Wer putzt die Kinderzähne, nach Migrationshintergrund und Bildung der Eltern in Prozent ................................................................................... 34

Abbildung 3.15: 6- bis 7-Jährige – Befragung zur Zahnputzfrequenz innerhalb der letzten 24 Stunden, in Prozent ............................... 35

Abbildung 3.16: 6- bis 7-Jährige – Befragung: Zahnarztbesuch, nach Migrationshintergrund und Bildung der Eltern, in Prozent ................................................................................... 36

Abbildung 3.17: 6- bis 7-Jährige – Befragung: Wie oft wird Süßes gegessen, nach Migrationshintergrund und Bildung der Eltern in Prozent ................................................................................... 37

Abbildung 3.18: 6- bis 7-Jährige – Befragung: Was wird vorwiegend getrunken, nach Migrationshintergrund und Bildung der Eltern in Prozent ................................................................... 38

Abbildung 3.19: 6- bis 7-Jährige – Beurteilung „heutige Jause und heutiges Getränk durch Untersucher/innen“, nach Migrationshintergrund und Bildung der Eltern in Prozent ............. 39

Abbildung 4.1: 6- bis 7-Jährige - Veränderungen der Kariesmorbiditat 2006 bis 2011 in Prozentpunkten nach Migrationshintergrund ................................................................ 44

Abbildung 4.2: 6- bis 7-Jährige – Veränderungen der Kariesmorbidität 2006 bis 2011 in Prozentpunkten nach Bildung der Eltern ........... 46

Abbildung 4.3: 6- bis 7-Jährige – d3mfs-Indexwerte 1996 bis 2011, alle Kinder, nach Migrationshintergrund und Bildung der Eltern .................................................................................... 47

Abbildung 4.4: 6- bis 7-Jährige – SiC-Indexwerte 1996 bis 2011, alle Kinder, nach Migrationshintergrund und Bildung der Eltern .................................................................................... 48

Abbildung 4.5: 6- bis 7-Jährige – Sanierungsgrad 1996 bis 2011, alle Kinder, nach Migrationshintergrund und Bildung der Eltern in Prozent ................................................................... 49

Abbildung 4.6: 6- bis 7-Jährige – mindestens zweimal tägliches Zähneputzen, alle Kinder, nach Migrationshintergrund und Bildung der Eltern, in Prozent ............................................... 50

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VIII © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus 2011 bei Sechsjährigen

Abbildung 4.7: 6- bis 7-Jährige – seltener als einmal tägliches Zähneputzen, alle Kinder, nach Migrationshintergrund und Bildung der Eltern in Prozent ................................................ 51

Abbildung 4.8: 6- bis 7-Jährige – Kind putzt selbst Zähne, Erwachsener putzt nach, alle Kinder, nach Migrationshintergrund und Bildung der Eltern in Prozent ................................................ 52

Abbildung 4.9: 6- bis 7-Jährige – VPI = null 1996 bis 2011, alle Kinder, nach Migrationshintergrund und Bildung der Eltern in Prozent ................................................................................... 53

Abbildung 4.10: 6- bis 7-Jährige – VPI > 50 Prozent, alle Kinder, nach Migrationshintergrund und Bildung der Eltern in Prozent ................................................................................... 54

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Inhalt IX

Tabellen1

Tabelle 2.1: 6- bis 7-Jährige – Stichprobe für bundesweite Auswertung ................ 4

Tabelle 2.2: 6- bis 7-Jährige – Kariesdiagnosen nach WHO .................................... 6

Tabelle 2.3: 6- bis 7-Jährige – Einordnung der ICDAS-Scores in das WHO-DMF-System ................................................................... 7

Tabelle 2.4: 6- bis 7-Jährige – ICDAS II (International Caries Detection and Assessment System) und erforderliche Behandlung ...................... 7

Tabelle 2.5: 6- bis 7-Jährige – Aggregierung von Flächendiagnosen zu Zahnwerten ................................................................................... 8

Tabelle 2.6: 6- bis 7-Jährige – KFO-Diagnosen ..................................................... 9

Tabelle 3.1: 6- bis 7-Jährige – Kariesmorbidität und Bildung der Eltern in Prozent ........................................................................ 14

Tabelle 3.2: 6- bis 7-Jährige – Kariesmorbidität und Migrationshintergrund in Prozent ........................................................................................ 15

Tabelle 3.3: 6- bis 7-Jährige – dmft-Index und Geschlecht ................................. 16

Tabelle 3.4: 6- bis 7-Jährige – dmft-Index und Bildung der Eltern ....................... 17

Tabelle 3.5: 6- bis 7-Jährige – dmft-Index und Migrationshintergrund ................ 17

Tabelle 3.6: 6- bis 7-Jährige – dmfs-Index und Geschlecht ................................. 18

Tabelle 3.7: 6- bis 7-Jährige – dmfs-Index, alle Kinder, Kinder mit Karieserfahrung, Kinder mit Behandlungsbedarf ......................... 20

Tabelle 4.1: 6-bis 7-Jährige – Kariesmorbidität 1996 bis 2011, alle Kinder in Prozent ........................................................................................ 43

Tabelle 4.2: 6-bis 7-Jährige – Kariesmorbidität 1996 bis 2011, nach Migration, Kinder in Prozent ............................................................................. 43

Tabelle 4.3: 6- bis 7-Jährige – Kariesmorbidität 1996 bis 2011, nach Bildung der Eltern, alle Kinder in Prozent ................................. 45

Tabelle 5.1: 6- bis 7-Jährige – Kariestrends in Europa ......................................... 57

Tabelle 5.2: 6- bis 7-Jährige – Kariestrends in Österreich .................................... 58

Tabelle 5.3: 6- bis 7-Jährige – Kariestrends in Deutschland ................................. 59

1 Rundungsbedingt kann es zu geringfügigen Abweichungen bei den Gesamtsummen kommen.

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Kapitel 1 / Einleitung 1

1 Einleitung

Die Koordinationsstelle Zahnstatus an der Gesundheit Österreich (GÖG/ÖBIG) ist vom Bund beauftragt, jährlich Untersuchungen zur Mundgesundheit der österreichischen Bevölkerung nach WHO-Methode durchzuführen. Im Fünfjahresrhythmus wird dabei der Zahnstatus in den von der WHO festgelegten Indexaltersgruppen (6-, 12-, 18-, 35- bis 44- sowie 65- bis 74-Jährige) erhoben.

Seit dem Jahr 2001 werden die Zahnstatuserhebungen der GÖG/ÖBIG bei Sechsjähri-gen und Zwölfjährigen in Abstimmung mit den Ländern und in Kooperation mit dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger sowie mit Unterstützung des Fonds Gesundes Österreich in einer Stichprobengröße erhoben, die auch Auswer-tungen auf Landes- und Regionsebene zulässt. Seit dem Jahr 2006 setzen die Untersu-chungen außerdem einen besonderen Schwerpunkt in die Erforschung der Zahnge-sundheit bei Heranwachsenden mit Migrationshintergrund. Die jeweils aktuellen Länder-Auswertungen bei 6- und 12-Jährigen werden laufend im Rahmen von GÖG/ÖBIG-Analyse-Workshops mit den Länder-Akteuren erörtert. Länder-Zahnstatuserhebungen leisten einen grundlegenden Beitrag zur Überprüfung der Prophylaxe-Programme in den Bundesländern. Die bundesweiten Ergebnisse (Gesamt-Österreich-Ergebnisse) werden im Auftrag des Gesundheitsressorts publiziert.

Die Koordinationsstelle erhob den Zahnstatus bei Sechsjährigen erstmals im Jahr 1996. Die letzten Wiederholungsuntersuchungen in dieser Altersgruppe fanden zwischen Oktober 2011 und März 2012 statt.

Das Zahngesundheitsprogramm der WHO postulierte bis zum Jahr 2000, dass die Hälfte (50 %) der Sechsjährigen kariesfrei2 sein sollte; bis zum Jahr 2020 soll der Anteil auf 80 Prozent steigen.

In der ersten Zahnstatuserhebung (1996) hatten 47 Prozent der untersuchten Mädchen und Buben kariesfreie Milchzähne (d3mft = 0) und im Jahr 2001 waren 49 Prozent der Sechsjährigen kariesfrei. Die Wiederholungsuntersuchung im Jahr 2006 zeigte, dass noch immer jede/r zweite österreichische Schulanfänger/in von Karies betroffen war (lediglich 45 % waren kariesfrei).

2 Kariesfrei nach WHO-Definition bedeutet, dass bei Inspektion (klinische Untersuchung mit Hilfe eines Mund-spiegels und einer WHO-CPI-Sonde) keinerlei kariöse Dentin-Defekte (Kavität = d3, Füllung = f oder wegen Karies extrahierter Zahn = m) im Gebiss sichtbar sind. Der D3MFT/d3mft muss null sein.

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2 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus 2011 bei Sechsjährigen

2 Studiendesign und Methodik

2.1 Problemstellung

Karies erweist sich bei Kleinkindern noch immer als die häufigste chronische Erkran-kung, obwohl sie durch gezielte Vorbeugemaßnahmen (regelmäßige, effiziente Mund-hygiene mit Fluoriden, zahnfreundliche Ernährungsweise und regelmäßige zahnärztli-che Kontrolluntersuchungen) zum größten Teil vermeidbar ist (Senay 2010; GÖG/ÖBIG 2007).

„Zahnfäule“ (Karies) gilt als Infektionskrankheit und entsteht, wenn z. B. das Bakterium Steptococcus mutans die sauren Stoffwechselprodukte aus dem Abbau von Nahrungs-stoffen (z. B. Kohlehydrate) an den Zahnbelag (Plaque) abgibt. Durch das saure Milieu auf der Zahnoberfläche „erweicht“ der Zahnschmelz und auch die darunter liegenden Zahnstrukturen lösen sich in der Folge auf.

Unzureichende Mundhygiene und zahnschädigendes Ernährungsverhalten (z. B. häufiger Konsum von Zucker, Schokolade, Chips und Mehlprodukten) fördern die kariöse Zerstörung der Zähne (Städtler 1994; Micheelis 1999; GÖG/ÖBIG 2007). Hinsichtlich des Risikos der kindlichen Karies spielen Eltern eine Schlüsselrolle, da sie sowohl die Ernährung als auch die quantitativ und qualitativ sicherlich sehr unter-schiedlichen Hilfestellungen bei der Mundhygiene entscheidend mitbestimmen. Besonders kariesgefährdet erweisen sich Kinder, in deren Familien risikoorientierte Verhaltensweisen (z. B. mangelnde Mundhygiene, falsche Verwendung von Saugfla-sche, nächtliches Stillen, häufiges Naschen etc.) gelebt werden (Yüksel 2010). Obwohl Kinderkaries in allen Sozialschichten vorkommt, zeigen dennoch zahlreiche Studien überdurchschnittlich häufige und stark erhöhte Karieserfahrungs-Werte bei Kindern aus sozioökonomisch benachteiligtem Elternhaus auf (Borutta 2010; GÖG /ÖBIG 2007).

Eine besonders schwere Form der Karies stellt die frühkindliche Karies (Early Childhood Caries, abgekürzt ECC) dar, die schon kurz nach Durchbruch der ersten Milchzähne (im frühesten Kindesalter) beginnt und meist das gesamte Milchgebiss – vor allem die Glattflächen der Milchfrontzähne – bis zur vollständigen Gebisszerstörung massiv befällt, was zu Platzmangel in den Kiefern und krankhaften Bisslagen für die 2. Dentition führt. Im internationalen Vergleich stellt man fest, dass die Vorkommens-häufigkeit von ECC in Industrieländern gegenwärtig zwischen einem und zwölf Prozent schwankt. In Entwicklungsländern beträgt sie 70 Prozent. Auch in einer Studie aus Deutschland wurde die Prävalenz der „Nuckelflaschenkaries“ bei 3- bis 6-jährigen Kindergartenkindern untersucht: „in einzelnen sozialen Brennpunktgebieten beträgt die EEC über 35 Prozent (Yüksel 2010). Wegen ihrer erheblichen Verbreitung und ihres raschen Verlaufs wird EEC immer mehr zum Public-Health-Problem. Zur Lösung dieses

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Kapitel 2 / Studiendesign und Methodik 3

Problems bedarf es noch einiger Forschungsarbeit, vor allem über den Einfluss von Risikofaktoren aus dem sozialen und dem Verhaltensbereich (Yüksel 2010).

Diese kurze Einführung verdeutlicht, dass Karies im Milchgebiss auch in Industrielän-dern noch erheblich verbreitet und durch verschiedene Faktoren, wie Mundhygiene, Ernährung, Fluoridanwendung, Zahnarztinanspruchnahme-Verhalten und sozioöko-nomischen Status beeinflusst ist. Zu ihrer Vermeidung bedarf es gezielter Kontrolle und Prophylaxe. Wichtige Basis dafür sind regelmäßige, epidemiologische Zahnge-sundheitsuntersuchungen, um nähere Informationen zur Kariesverbreitung und zum Einfluss verschiedener Risikofaktoren zu erheben.

2.2 Stichprobe

Die Stichprobe wird mithilfe eines zweistufigen Ziehungsverfahrens bestimmt. Zuerst werden die Erhebungsorte (Schulen) ausgewählt und dann wird dort die nötige Anzahl an Kindern gezogen. Dabei ist einerseits auf die Parität der Geschlechter, und anderer-seits auf einen bestimmten Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund zu achten. Die Teilnahme an der Untersuchung ist freiwillig und nur mit schriftlicher Zustimmung der Eltern möglich (d. h. es ist auch in Betracht zu ziehen, dass Eltern von Kindern mit besonders schlechten Zähnen aus Scham der Untersuchung nicht zustimmen).

Auswahl der Erhebungsorte sowie der Probanden/Probandinnen

Unter Berücksichtigung der Verteilung der erhobenen Altersgruppe im gesamten Bundesgebiet muss pro Bundesland sowie pro Erhebungsort eine bestimmte Anzahl an Probandinnen und Probanden untersucht werden (18 Kinder). Für die Ziehung lieferte die Website des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur (BMUKK) die Erhebungsorte (www.schule.at – alle Schulen Österreichs mit Adressen und Telefon-nummern usw. nach Bundesland). Dabei wurden nach dem „Schneeballverfahren“ (zufällig getroffen) ausgewählt. Auswahlkriterien für die Schulen waren Anzahl und Größe von Klassen bzw. die Geschlechterverteilung in der vorgesehenen Altersgruppe

Nach der Ziehung der Schulen wurden die Landesschulrätinnen und Landesschulräte aller neun Bundesländer informiert und um ihr Einverständnis zur Durchführung der Untersuchung gebeten. Erfolgte eine Zustimmung, erhielten die Schulen per Postweg ergänzende, informative Unterlagen. Die Ziehung der Probandinnen und Probanden erfolgte am Untersuchungstag. Dazu übergaben die Direktoren bzw. die Direktorinnen dem Untersuchungsteam zuerst eine vorbereitete Namenliste mit Klassenzugehörigkeit aller in Frage kommenden Schüler/innen und in der Schule. Aus dieser Liste wählte das Untersuchungsteam die für die Erhebung notwendige Stichprobe an Kindern zufällig

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4 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus 2011 bei Sechsjährigen

aus. Dabei wurde auf die Parität der Geschlechter sowie auf einen bestimmten Anteil an Personen mit Migrationshintergrund geachtet.

Darstellung der Stichprobe

Insgesamt nahmen 3.376 Schüler/innen an der Erhebung teil. Wie sich das Studien-sample nach den soziodemografischen Merkmalen verteilt, zeigt Tabelle 2.1.

Tabelle 2.1: 6- bis 7-Jährige – Stichprobe für bundesweite Auswertung

Stichprobenmerkmale Stichprobengröße

n % Gesamt 3.376 100 Männlich 1.700 50,3 Weiblich 1.676 49,6 Kinder ohne Migrationshintergrund (ohne Mig) 2.319 68,7 Kinder mit Migrationshintergrund (Mig) 1.057 31,3 Kinder mit Eltern mit Matura 2.011 59,6 Kinder mit Eltern ohne Matura 1.264 37,4

Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012

Durchschnittsalter der Probandinnen und Probanden

In die Stichprobe wurden nur diejenigen Kinder aufgenommen, die den sechsten Geburtstag bereits hinter sich, den siebenten Geburtstag aber noch nicht erreicht hatten. In der vorliegenden Studie beträgt das Durchschnittsalter der erhobenen Kinder 6,8 Jahre.

Migrationsstatus

31 Prozent der Untersuchten weisen einen Migrationshintergrund auf. Dies sind jene Kinder, die nicht in Österreich geboren wurden (Migranten/Migrantinnen der ersten Generation) oder die einen Elternteil haben, der nicht in Österreich geboren wurde (Migranten/Migrantinnen der zweiten Generation).

Sozioökonomischer Hintergrund

Karies ist erwiesenermaßen mit typischen Verhaltensmustern verbunden. Da einige Verhaltensweisen in bestimmten Sozialschichten bzw. Familien gehäuft vorkommen, ist in der Regel ein Zusammenhang zwischen sozioökonomisch bestimmter Lebensweise

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Kapitel 2 / Studiendesign und Methodik 5

und dem Kariesbefall festzustellen (DMS III 1999). In der vorliegenden Untersuchung repräsentiert der Bildungsstatus der Eltern (mindestens ein Elternteil mit Matura versus kein Elternteil mit Matura) den sozioökonomischen Status.

2.3 Untersuchungsdesign

Auswahl und Definition der Untersuchungsvariablen erfolgen nach internationalem Standard (WHO 1999, ICDAS II 2005, EGOHID 2008). Soziodemografische Parameter (Wohnort, Migrationshintergrund, höchster Bildungsstatus der Eltern) werden von den Eltern erfragt. Die Kinder selbst geben vor der klinischen Untersuchung der Datenein-gabeperson ihr Geburtsdatum an. Zudem beantworten die Eltern (Elternfragebogen) sowie auch die Kinder einige Fragen zur praktizierten Mundhygiene.

Der klinische (zahnmedizinische) Untersuchungsteil besteht in der Beurteilung der Mundhygiene (Plaquemessung nach Ainamo), einer Bewertung des Kariesaufkommens und einer kieferorthopädischen Begutachtung (Kieferlagebeziehung, Bisslage, Platzver-hältnisse etc.).

2.3.1 Kariesbefundung

Die Kariesprävalenz (der Kariesbefall) wird international in DMFT/dmft- und DMFS/dmfs-Werten ausgedrückt. Mit Großschreibung der Indexbezeichnung sind die Werte im bleibenden Gebiss gemeint, mit Kleinschreibung jene im Milchgebiss. Der Buchstabe T/t (Tooth) bezieht sich auf den ganzen Zahn als Bewertungseinheit, der Buchstabe S/s (Surfaces) verdeutlicht, dass jede einzelne Zahnfläche bewertet wird.

Demnach stellt der dmft-Index die Summe der kariösen (decayed), wegen Karies gezogenen (missing) und gefüllten (filled) Zähne (teeth) im Milchgebiss pro Kind dar. Der dmfs-Index gibt die Summe der kariösen, wegen Karies gezogenen und gefüllten Zahnflächen (surfaces) des Milchgebisses pro Kind an.

Um den Schweregrad der kariösen Veränderung eines Zahnes bzw. einer Zahnfläche darzustellen, findet nach WHO-Methodik folgende Schreibweise Verwendung: d0 = gesunde Milchzahnoberfläche; d1 = opak oder braun verfärbte Schmelzoberfläche, das bedeutet beginnende, reversible Schmelzkaries; d2 = sichtbarer Schmelzdefekt, der auf den Schmelz beschränkt ist (Dentin ist nicht sichtbar); d3 = Defekt, der sichtbar ins Dentin reicht (Kavität), es besteht unbedingter Füllungsbedarf (vgl. Tabelle 2.2).

In den d3mf/s-Index gehen nach WHO nur die sichtbaren, irreversiblen kariösen Dentindefekte ein. D. h. d1 und d2 gelten als Kariesvorstufen. Zwar werden dabei auch

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6 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus 2011 bei Sechsjährigen

bereits kariöse Veränderungen registriert, diese bedürfen aber noch nicht einer herkömmlichen, invasiven Füllungstherapie, sondern erfordern lediglich eine „minimal invasiv Dentistry“-Behandlung (professionelle Fluoridapplikation z. B. durch lokale Fluoridlackversiegelung, erweiterte Versiegelung etc.). Werden Kategorien gemeinsam ausgewertet, so wird dies z. B. als d1+2 oder d1+2+3 gekennzeichnet (Pitts 2005).

Die Befundung von Karies erfolgt nach den Kriterien von ICDAS II (International Caries Detection and Assessment System, www.dundee.ac.uk/dhsru/news/icdas.html 2005; www.icdas.org 2012-07-19). Mit den von renommierten Kariesepidemiologen neu entwickelten ICDAS-Standardcodes werden die verschiedenen Stadien des Kariesbefalls (stages) visuell einheitlich bewertet. Somit ist die Basis geschaffen, Kariesdaten inter-national zu vergleichen und zu vernetzen. Die ICDAS-II-Scores (Kariesdiagnosen) reichen in Abhängigkeit des Kariesschweregrades (Eindringungstiefe in die Zahn-schichten) von 0 bis 6 (vgl. Tabelle 2.4). In Tabelle 2.4 sind auch die entsprechenden Behandlungsmethoden angeführt, die die einzelnen ICDAS-Scores erfordern. Tabelle 2.3 veranschaulicht die Einordnung der neuen ICDAS-Scores in das WHO-DMF/dmf-System. Danach entsprechen die ICDAS-Scores 4, 5 und 6 dem WHO-Kriterium D3/d3 (füllungsbedürftige Karies) und fließen somit in die Berechnung des D3MFT/d3mft-Indexwertes ein.

Mit der Bewertung der einzelnen Zahnflächen werden die Kariesdaten dokumentiert. Die Seitenzähne (Vormahlzähne und Mahlzähne) werden anhand von fünf Flächen bewertet, die Frontzähne (Schneidezähne und Eckzähne) anhand von vier Flächen. In der vorliegenden Untersuchung wurden alle sichtbaren Zähne und Zahnflächen des Gebisses nach den in Tabelle 2.4 angeführten Diagnosekriterien bewertet.

Um den dmft-Index pro Kind zu berechnen, aggregiert man die Flächen-Diagnosen (vgl. Tabelle 2.3) zu einem Wert für den ganzen Zahn. Dabei wurde wie in Tabelle 2.5 dargestellt vorgegangen.

Tabelle 2.2: 6- bis 7-Jährige – Kariesdiagnosen nach WHO

Kariesdiagnose Anmerkungen

Gesund d0

Verfärbter Zahnschmelz d1

Schmelzdefekt (Dentin ist nicht sichtbar) d2

Dentinkaries (Dentin ist sichtbar) = Kavität, Behandlungsbedarf d3 (decayed)

Zahn fehlt wegen Karies m (missing)

Füllung f (filled)

Quelle: WHO; Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012

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Kapitel 2 / Studiendesign und Methodik 7

Tabelle 2.3: 6- bis 7-Jährige – Einordnung der ICDAS-Scores in das WHO-DMF-System

Kariesdiagnose WHO-dmf-System

ICDAS-Score

Gesund d0 0

Reversible beginnende Schmelzkaries, Verfärbung d1 1, 2

Mikrokavität (Schmelzdefekt 0,5 mm Durchmesser, Sonde steckt) d2 3

Dunkel durchscheinender Dentinschatten (sichtbare Dentinkaries) d3 4

Eindeutige, einflächige Kavität (mit sichtbarer Dentinbeteiligung) d3 5

Exzessive, mehrflächige Kavität d3 6

Quelle: WHO, Arbeitsgruppe ICDAS; Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012

Tabelle 2.4: 6- bis 7-Jährige – ICDAS II (International Caries Detection and Assessment System) und erforderliche Behandlung

ICDAS-Scores Diagnosen Erforderliche Behandlung

0 Keine kariöse Veränderung; gesund Keine Behandlung notwendig 1 Kariös verfärbte aber nicht defekte Schmelz-

oberfläche; ganz oberflächliche Schmelzka-ries, Verfärbung ist nur nach Lufttrocknen sichtbar

Lokale Fluoridierung; kontrollieren

2 Kariös verfärbte aber nicht defekte Schmelz-oberfläche; oberflächliche Schmelzkaries, eindeutige Verfärbung, auch ohne Lufttrock-nen sichtbar

Lokale Fluoridierung; kontrollieren

3 Ganz kleiner Schmelzdefekt (tiefe Schmelz-karies; WHO-Sonde steckt; die darunter liegende Dentinschicht ist nicht betroffen), Mikrokavität

Minimal invasive Behandlung; (erweiter-te Fissurenversiegelung)

4 Durchscheinender dunkler Schatten im Dentin (underlying grey shadow from dentin) sichtbar

Füllung

5 Eindeutige Kavität (eindeutiges Loch sichtbar bis ins Dentin reichend, die WHO-Sonde ist frei beweglich)

Herkömmliche Einflächen-Füllung

6 Mehrflächige Kavität mit sichtbarem Dentin (Extensiv Cavity)

Höckerdeckung, Onlay oder Krone ist notwendig

1 Die ICDAS-Scores 1 und 2 bedeuten unterschiedliche Stufen von oberflächlicher Schmelzkaries, wobei Score 1 eine sichtbare Schmelzverfärbung nach Lufttrocknen des Zahnes darstellt, während Score 2 eine sichtbare Schmelzverfärbung ohne Lufttrocknen des Zahnes bedeutet.

Quelle: WHO, Arbeitsgruppe ICDAS; Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012

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8 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus 2011 bei Sechsjährigen

Tabelle 2.5: 6- bis 7-Jährige – Aggregierung von Flächendiagnosen zu Zahnwerten

Zahn-Wert1 Flächenwerte

d0 Wenn alle Flächen eines Zahnes mit d0 bewertet wurden.

d1 Wenn mindestens eine Fläche mit d1 und alle anderen mit d0 bewertet wurden.

d2 Wenn mindestens eine Fläche mit d2 und alle anderen mit d0 oder d1 bewertet wurden.

d3 Wenn mindestens eine Fläche mit d3 bewertet wurde – d. h. die behandlungsbedürftige Dentinkaries wird höher bewertet als alle anderen Kategorien, da sie im Sinne des Kariesindex die „gravierendste“ Diagnose darstellt.

f Wenn mindestens eine Fläche mit f, alle anderen mit d0, d1, oder d2, aber keine Fläche mit d3 bewertet wurde (da eine gefüllte Fläche einmal kariös war, wird eine Füllung „schwe-rer“ als eine Verfärbung oder eine Schmelzkaries eingestuft).

m Der Milchzahn fehlt wegen Karies, d. h. alle Flächen wurden mit m bewertet. 1 Alle anderen Diagnosen (Zahn fehlt aus anderem Grund, versiegelte Fläche, nicht bewertbare Fläche,

traumatisierte Fläche usw.) gehen nicht in den Kariesindex (d3mf-Index) ein.

Quelle und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012

2.3.2 Beurteilung der Mundhygiene

Der ursächliche Zusammenhang zwischen Zahnbelag (Plaque) und Erkrankungen der Zähne und des Zahnhalteapparates ist zweifelsfrei längst bewiesen (Hellwege 1999). Bei den Sechsjährigen wird der Plaquebefall der Zähne mit dem VPI (Visible Plaque Index) nach Ainamo (Hellwege 1999) gemessen. Er ist ein kindgemäßer Index, der hinreichend genau den Mundhygienezustand bei Kindern bis zum zehnten Lebensjahr erfasst. Die Untersuchung ist absolut schmerzfrei und einfach auszuwerten. Es werden die buccalen (der Wange zugewandten) Flächen der rechten Unterkiefer- und linken Oberkieferzähne ohne Einfärbung mit einer Kaltlichtquelle ausgeleuchtet und nach sichtbaren Zahnbelägen gesucht. Die Bewertung erfolgt in einer einfachen Ja-/Nein-Entscheidung (Plaque vorhanden / keine Plaque). Das Ergebnis wird als Prozentanteil der mit Plaque behafteten Zähne ausgewiesen.

2.3.3 Kieferorthopädische (KFO-)Untersuchung

Für gute Lebensqualität müssen Zähne nicht nur frei von Karies sein, sondern die Kieferbögen müssen auch im richtigen Verhältnis zueinander stehen, damit alle Funktionen der Mundhöhle (Nahrungsaufnahme, Kommunikation) gewährleistet sind und sich auch ein ästhetisch zufriedenstellendes Aussehen ergibt.

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Kapitel 2 / Studiendesign und Methodik 9

Kinder zwischen sechs und sieben Jahren befinden sich im Zahnwechsel (die Milchzäh-ne gehen nach und nach verloren, während bleibende Zähne durchbrechen). Anomalien hinsichtlich der Platzverhältnisse in den Kiefern und/oder abnorme Lagebeziehungen der beiden Kiefer zueinander sind bereits feststellbar. Bei besonders gravierenden kieferorthopädischen Fehlentwicklungen (z. B. bei verkehrtem Überbiss oder bei Kreuzbiss) ist es oft günstig, schon im frühen Alter mit kieferorthopädischer Korrek-tur-Behandlung zu beginnen. Aus diesem Grund scheint es wichtig, auch die Sechsjäh-rigen kieferorthopädisch zu erheben.

In der vorliegenden Untersuchung wurde der kieferorthopädische Befund bei maxima-ler Interkuspitation (die Zahnreihe des Oberkiefers beißt auf die gegenüberliegenden Zähne des Unterkiefers) rein visuell (mit dem Auge) nach in Tabelle 2.6 angeführten Parametern erstellt.

Tabelle 2.6: 6- bis 7-Jährige – KFO-Diagnosen

Diagnose Beschreibung

Angle Klasse I, II, III Bisslage: Neutralbiss, Distalbiss, Mesialbiss Regelrechtes Milchgebiss Unauffälliger Befund Engstand / Weitstand Abnorme Platzverhältnisse Offener Biss Bei Kieferschluss überdecken die Oberkieferschneide-

zähne nicht die Unterkieferschneidekanten

Tiefbiss mit Gingival Bei Kieferschluss treffen die Schneidekanten der oberen Frontzähne die Gingiva der Unterkieferzähne

Maxillärer Overjet über 4 mm Der Unterkiefer liegt gegenüber dem Oberkiefer zu weit distal (hinten)

Mandibulärer Overjet Verkehrter Überbiss; Der Unterkiefer liegt gegenüber dem Oberkiefer zu weit mesial (vorne)

Kreuzbiss Abnorme Lagebeziehung der beiden Kiefer zueinander

Mittellinienverschiebung Asymmetrie der Zahnbögen

Quelle und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012

2.4 Untersuchungsablauf

Vor Beginn der Erhebungen zwischen November 2011 und März 2012 absolvierten die Untersucher/innen und Dateneingabepersonen das zweitägige, verpflichtend zu absolvierende Kalibrierungsseminar, um reproduzierbar zu diagnostizieren. Dadurch ist sichergestellt, dass alle beteiligten Untersucher/innen vergleichbare Diagnosen stellen.

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10 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus 2011 bei Sechsjährigen

Erhebungstag in den Schulen

Die Direktorin bzw. der Direktor der Schule begleitete das Erhebungsteam zum Untersuchungszimmer (Schularztzimmer oder eine sonstige Räumlichkeit) und übergab die Liste mit den Namen und der Klassenzugehörigkeit aller für die Untersuchung in Frage kommenden Schüler/innen. Aus dieser Liste zog das Untersuchungsteam die für die Erhebung benötigte Probandenstichprobe nach dem Zufallsprinzip (unter Berück-sichtigung der Geschlechterparität und eines bestimmten Anteils an Kindern mit Migrationshintergrund). Pro Schule wurden insgesamt achtzehn Mädchen und Buben für die Erhebung ausgewählt.

In den meisten Schulen forderte die Direktorin oder der Direktor die ersten vier ausgewählten Kinder auf, in das Untersuchungszimmer zu kommen. Das jeweils mutigste Kind meldete sich freiwillig zur Erhebung und beantwortete zuerst die von der Eingabeperson gestellten Fragen zum Geburtsdatum und zum Mundgesundheits-verhalten.

Zur klinischen Begutachtung legte sich das Kind mit dem Rücken auf die Untersu-chungsliege. Die Zahnärztin bzw. der Zahnarzt standen am Kopfende des liegenden Kindes und schauten von hinten und oben mit Hilfe der WHO-Sonde und Mundspiegel unter standardisierter Beleuchtung (Kaltlichtlampe) in den Mund des Kindes. Zuerst beurteilten die Untersucher/innen den Mundhygienestatus mit dem VPI nach Ainamo. Dann inspizierten sie mit Hilfe eines Mundspiegels und der Kaltlichtlampe jede Zahn-fläche des Gebisses und bewerteten sie nach Kariesdiagnosekriterien (ICDAS II). Abschließend begutachteten die Untersucherinnen und Untersucher die Gebisse nach kieferorthopädischen Parametern (vgl. Tabelle 2.6). Bestand Behandlungsbedarf, bekam das Kind eine schriftliche Mitteilung für die Eltern.

Zur Überprüfung der Befund-Genauigkeit war vorgesehen, ein zufällig ausgewähltes Kind ein zweites Mal zu untersuchen. Diese Doppeluntersuchungen waren aber aus unterrichtstechnischen Gründen meist nicht möglich. In vorangegangenen Erhebungs-jahren erreichten die Doppeluntersuchungen einen Übereinstimmungswert über 95 Prozent (Kappa 0,95).

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Kapitel 3 / Ergebnisse 11

3 Ergebnisse

Dieses Kapitel referiert die Ergebnisse der dritten Wiederholungsuntersuchung (im Jahr 2011/2012) bei den Sechsjährigen. Die bundesweite Analyse basiert auf Daten von 3.376 erhobenen Kindern. Rund die Hälfte (50,4 %) der Daten bezieht sich auf Buben. 31 Prozent der erhobenen Kinder weisen einen Migrationshintergrund auf (vgl. Tabelle 2.1).

Die Indikatoren zu Karies (Kariesmobidität, Kariesprävalenz, Sanierungsgrad bzw. Behandlungsbedarf etc.) bei Sechsjährigen sind jeweils nach Geschlecht, Migrati-onsstatus und höchster Schulbildung der Eltern beschrieben. Es werden folgende Abkürzungen verwendet: ohne Mig für Kinder ohne Migrationshintergrund, Mig für Kinder mit Migrationshintergrund, ohne Matura für Kinder von Eltern ohne Matura, mit Matura für Kinder von Eltern mit Matura. Außerdem gibt dieses Kapitel die mit Hilfe der Elternfragebögen und der Kinderbefragung erhobenen Antworten zum Mundgesund-heitsverhalten wieder.

3.1 Karies

Zur Vergleichbarkeit wird das Ausmaß der kariösen Erkrankung anhand international gebräuchlicher Begriffe dargestellt. Dabei beschreibt die Kariesmorbidität (Karieshäu-figkeit) jenen Prozentanteil an Individuen mit mindestens einer kariös veränderten Zahnfläche (DMFT > 0 bzw. dmft > 0). Die Kariesprävalenz (Kariesbefall pro Person) stellt die Summe der durch Karies geschädigten Zähne bzw. Zahnflächen pro Gebiss dar und wird in DMF-Indexwerten bzw. dmf-Indexwerten ausgedrückt (siehe Punkt 2.3.1).

Laut WHO gelten jene Personen als kariesfrei (no obvious decay experience), deren Gebiss gegenwärtig keine sichtbare, unbehandelte Dentinkaries (Kavität) aufweist. Der D3T/d3t-Wert muss null sein. Zudem darf kein Zahn gefüllt sein (FT = 0) und es darf auch kein Zahn aus kariösen Gründen fehlen (MT = 0).

Ein „völlig gesundes Gebiss“ haben Menschen, deren Zähne keinerlei kariöse Spuren aufweisen. Ihre Gebisse dürfen auch keine kariösen Frühläsionen haben (D1+2+3T = 0, MT = 0, FT = 0 bzw. d1+2+3 t = 0, mt = 0, ft = 0).

Personen mit Karieserfahrung (obvious decay experience) sind jene, deren Zähne entweder gegenwärtig aktiv kariös sind (D3T > 0 bzw. d3t > 0) und/oder früher kariös waren, inzwischen aber gefüllt wurden (FT > 0 bzw. ft > 0), und/oder wenn schon Zähne wegen Karies gezogen wurden (MT > 0 bzw. mt > 0).

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12 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus 2011 bei Sechsjährigen

Personen mit mindestens einem sichtbaren, „offenen“ kariösen Zahn (D3T > 0 bzw. d3t > 0 ist Kavität) gelten als behandlungsbedürftig.

Gebisse, die gegenwärtig nur Füllungen (FT> 0 bzw. ft > 0) oder Karies bedingte Zahnlücken aufweisen (MT > 0 bzw. mt > 0), aber keine Kavitäten oder Sekundärkaries (D3T = 0 bzw. d3t > 0), gelten als saniert.

3.1.1 Kariesmorbidität

Nach in Abbildung 3.1 dargestellten Kriterien zur Kariesmorbidität (Verbreitungshäu-figkeit von Karies in der Bevölkerung) sind die Milchzähne bei weit über einem Drittel (39,2 %) der Sechsjährigen noch „ganz und gar“ gesund. Diese Kinder erfreuen sich eines „vollständig gesunden Milchgebisses ohne jegliche kariösen Spuren (d1-3mft = 0).

Zusätzliche zwölf Prozent (12,3 %) der untersuchten Mädchen und Buben zeigen an ihren Milchzähnen lediglich jene kariösen Veränderungen, die als Kariesvorstufen (kariöse Schmelzverfärbungen, kleinste Schmelzdefekte ohne sichtbares Dentin) angesehen werden. Diese Läsionen können durch „noninvasive“, professionelle Be-handlungen mit höher dosierten, lokal applizierten Fluoridpräparaten zur Ausheilung gebracht werden. Kinder mit völlig gesunden Gebissen (d1-3mft = 0) sowie jene Kinder, deren Gebisse nur Kariesvorstufen aufweisen (d1+2t > 0 und d3mft = 0), gelten laut WHO als kariesfrei.

Demgegenüber hat aber knapp die Hälfte (48,5 %) der erhobenen Sechsjährigen Karieserfahrung. Ihre Milchgebisse zeigen entweder unbehandelte Dentinkaries (d3t > 0) und/oder gefüllte Milchzähne (ft > 0) und/oder kariesbedingte Zahnlücken im Molarenbereich des Milchgebisses (mt > 0). Bei diesen Kindern ist der d3mft-Indexwert größer als null (d3mft > 0).

Bei einem Drittel der Kinder (33,4 %) besteht noch Behandlungsbedarf (d3t > 0). Ihre Milchgebisse haben zumindest eine nicht sanierte Dentinkaries (Kavität). Bei 15 Prozent der Erhobenen hingegen sind alle kariösen Dentindefekte an ihren Milch-zähnen schon gefüllt oder ihre kariösen Milchzähne wurden bereits extrahiert. Bei diesen Mädchen und Buben ist der d3t-Indexwert null, der mft-Indexwert ist aber größer als null.

Nach dem Geschlecht betrachtet weisen die Mädchen in allen Indizes zur Kariesmorbi-dität ganz geringfügig bessere Ergebnisse auf als die Buben (vgl. Abbildung 3.1).

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Kapitel 3 / Ergebnisse 13

Abbildung 3.1: 6- bis 7-Jährige – Kariesmorbidität und Kariesdiagnosen nach Geschlecht

3.376 Kinder (100 %)

1.676 Mädchen (100 %) und 1.700 Buben (100 %)

Völlig gesundes Milchgebiss (d1-3mft = 0)

Veränderungen (d1-3mft > 0)

39,2 % Kinder 40,2 % Mädchen und 38,2 % Buben

60,8 % Kinder 59,8 % Mädchen und 61,8 % Buben

Kariesvorstufe

(d1+2t > 0, d3mft = 0)1

Erfahrung mit Karies

(d3mft > 0)

12,3 % Kinder 14,1 % Mädchen und

10,5 % Buben

48,5 % Kinder 45,7 % Mädchen und

51,3 % Buben

Behandlungs-

bedarf (d3t > 0)

Saniertes Gebiss (d3t = 0, mft > 0)

33,4 % Kinder 30,7 % Mädchen

36,0 % Buben

15,1 % Kinder 15,1 % Mädchen

15,2 % Buben

1 Nach WHO-Definition kariesfrei

Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012

Kariesmorbidität und Bildung

Die Daten der vorliegenden Untersuchung untermauern den in zahlreichen Fachstudien längst nachgewiesenen Zusammenhang zwischen Bildung und Kariesmorbidität (vgl. Tabelle 3.1). Im Vergleich zum Durchschnitt der erhobenen Buben und Mädchen (alle Kinder) nimmt die Karieserfahrung bei Kindern von Eltern ohne Matura um 14 Prozentpunkte zu. Noch ausgeprägter zeigt sich die umgekehrt proportionale Beziehung zwischen Bildungsstatus und Karieserfahrung in der Gegenüberstellung der Kinder von Eltern mit Matura und jenen Kindern, deren Eltern nicht maturierten: Hier nimmt die Karieserfahrung in der Gruppe der Kinder von Eltern ohne Matura um 23 Prozentpunkte zu. Hinzuweisen ist auch auf den vergleichsweise stark erhöhten Anteil an behandlungsbedürftigen Kindern von Eltern mit niedrigerem Bildungsstatus.

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14 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus 2011 bei Sechsjährigen

Fast jedes zweite Kind von Eltern ohne Matura leidet an unbehandelter Milchzahnkaries (49 % zeigen sanierungsbedürftige Milchzähne vgl. Tabelle 3.1).

Tabelle 3.1: 6- bis 7-Jährige – Kariesmorbidität und Bildung der Eltern in Prozent

Diagnose Alle Kinder Matura Ohne Matura

Völlig gesundes Gebiss 39,2 47,5 26,3

Kariesvorstufe 12,3 12,6 11,1

Kariesfrei (d3mft = 0) 51,5 60,1 37,4

Karieserfahrung (d3mft > 0) 48,5 39,9 62,6

Saniert (d3t = 0, mft > 0) 15,1 16,2 13,5

Behandlungsbedarf t (d3t >0) 33,4 23,6 49,0

Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012

Kariesmorbidität und Migration

Mit Migrationshintergrund steigt bei Kindern die Kariesmorbidität (vgl. Tabelle 3.2). In der vorliegenden Untersuchung liegt die Karieserfahrung bei Kindern mit Migrations-hintergrund um rund 17 Prozentpunkte über dem Durchschnitt der erhobenen Sechs-jährigen. Gegenüber den Mädchen und Buben ohne Migrationshintergrund erhöht sich in der Migrantengruppe die Karieserfahrung sogar um 25 Prozentpunkte. Überdies sind bei Kindern aus Familien mit Migrationshintergrund die kariösen Milchzähne in erhöhtem Grad nicht saniert. Der Anteil an Kindern mit sanierungsbedürftigen kariösen Milchzähnen beträgt in der Migrantengruppe rund 52 Prozent.

Niedriges Bildungsniveau der Eltern bzw. Migrationshintergrund sind mit erhöhter Milchzahnkaries-Erfahrung und niedrigem Sanierungsgrad der Milchzähne eindeutig verbunden (vgl. Tabelle 3.1; Tabelle 3.2; Abbildung 3.2). Daher besteht dringlicher Handlungsbedarf.

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Kapitel 3 / Ergebnisse 15

Tabelle 3.2: 6- bis 7-Jährige – Kariesmorbidität und Migrationshintergrund in Prozent

Diagnose Alle Kinder Ohne Mig Mig

Völlig gesundes Gebiss 39,2 47,4 22,9

Kariesvorstufe 12,3 12,4 12,0

Kariesfrei (d3mft = 0) 51,5 59,8 34,0

Karieserfahrung (d3mft > 0) 48,5 40,2 65,1

Saniert (d3t = 0, mft > 0) 15,1 16,1 13,2

Behandlungsbedarf t (d3t >0) 33,4 24,1 51,9

Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012

Abbildung 3.2: 6- bis 7-Jährige – Kariesmorbidität, alle Kinder, nach Migrationshintergrund und Bildung der Eltern in Prozent

Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012

3.1.2 Kariesprävalenz

Die Kariesprävalenz gibt die Schwere der Erkrankung pro Gebiss und Person an (Ausmaß bzw. Umfang des Kariesbefalls pro Gebiss). Die Befunde für die erste Dentiti-on (Milchzähne) werden in Kleinbuchstaben als dmft-Index (Zahnebene) bzw. dmfs-

0

10

20

30

40

50

60

70

Alle Kinder

Matura

ohne Matura

Mig

ohne Mig

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16 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus 2011 bei Sechsjährigen

Index (Zahnflächenebene) angegeben. Für die zweite Dentition (bleibende Zähne) stehen der DMFT-Index bzw. der DMFS-Index zur Verfügung (vgl. Punkt 2.3.1).

Die Gebisse der erhobenen Sechsjährigen umfassen durchschnittlich 16 Milchzähne und sieben bleibende Zähne. Diese wurden in der klinischen Untersuchung nach dem ICDAS-II-Diagnosesystem bewertet. Im dmft/s-Index sind nur jene fehlenden Zähne ausgewiesen, die wegen Karies extrahiert wurden. Das sind im Fall der vorliegenden Auswertungen vorzeitig fehlende Milchmolaren.

Kariesprävalenz auf Zahnebene – dmft-Index

Im Durchschnitt diagnostizierten die Zahnärzte und Zahnärztinnen bei den Sechsjähri-gen 2,1 von Dentinkaries betroffene Milchzähne. Davon sind 1,2 Milchzähne unbehan-delt kariös. 0,2 Milchzähne fehlen, weil sie wegen Karies gezogen wurden und 0,6 Milchzähne sind schon mit Füllungen versorgt. Zusätzlich sind bei den Mädchen und Buben 1,1 Milchzähne von initialer Schmelzkaries (Schmelzverfärbung bzw. kleiner Schmelzdefekt) betroffen. Die Milchgebisse der Mädchen sind im Vergleich zu jenen der Buben nur ganz geringfügig weniger von Karies befallen (vgl. Tabelle 3.3).

Tabelle3 3.3: 6- bis 7-Jährige – dmft-Index und Geschlecht

Diagnose Alle Kinder Mädchen Buben

Kariöse Zähne (d3t) 1,2 1,1 1,4

Fehlende Zähne (mt) 0,2 0,2 0,3

Gefüllte Zähne (ft) 0,6 0,6 0,7

d3mft 2,1 1,9 2,4

Kariesvorstufen (d1+2t) 1,1 1,1 1,1

Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012

Kariesprävalenz und Bildung

Weitaus markantere Unterschiede als nach dem Geschlecht zeigen die Daten zur Kariessprävalenz nach Schulbildung der Eltern. Die in Tabelle 3.4 dargestellten Zahlen bestätigen ganz eindeutig den Konnex zwischen geringerem Bildungsniveau der Eltern und vermehrtem Kariesaufkommen im Milchgebiss ihrer Kinder.

3 Rundungsbedingt kann es zu geringfügigen Abweichungen bei den Gesamtsummen kommen.

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Kapitel 3 / Ergebnisse 17

Tabelle 3.4: 6- bis 7-Jährige – dmft-Index und Bildung der Eltern

Diagnose Alle Kinder Matura Ohne Matura

Kariöse Zähne (d3t) 1,2 0,7 2,1

Fehlende Zähne (mt) 0,2 0,2 0,4

Gefüllte Zähne (ft) 0,6 0,6 0,7

d3mft 2,1 1,4 3,2

Kariesvorstufen (d1+2t) 1,1 0,9 1,7

Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012

Kariesprävalenz und Migration

Ähnlich ausgeprägt wie die Relation zwischen höherer Kariesaktivität und niedrigerer Bildung stellt sich der Zusammenhang zwischen Migrationshintergrund und erhöhtem Kariesbefall dar (vgl. Tabelle 3.5). Gegenüber den Kindern ohne Migrationshintergrund steigt die Anzahl von Karies betroffener Zähne pro Kind um mehr als das Doppelte an, wenn ein Migrationshintergrund vorliegt. Markant sind auch die Unterschiede der d3t-Komponenten (Anzahl der Milchzähne mit akuten Kavitäten) des d3mft-Index nach Migration. Die stark erhöhte d3t-Komponente bei Kindern mit Migrationshintergrund weist auf eine geringe Bereitschaft zur Behandlung kariöser Milchzähne in dieser Untersuchungsgruppe hin.

Tabelle 3.5: 6- bis 7-Jährige – dmft-Index und Migrationshintergrund

Diagnose Alle Kinder Ohne Mig Mig

Kariöse Zähne (d3t) 1,2 0,7 2,3

Fehlende Zähne (mt) 0,2 0,1 0,4

Gefüllte Zähne (ft) 0,6 0,6 0,7

d3mft 2,1 1,4 3,5

Kariesvorstufen (d1+2t) 1,1 0,8 1,8

Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012

Kariessprävalenz auf Flächenebene – dmfs-Index

Während der dmft-Index den Kariesbefall im Milchgebiss zahnbezogen ermittelt, erfasst der dmfs-Index die Kariesprävalenz zahnflächenbezogen und ist daher weitaus sensibler als der dmft-Index. Beim dmfs-Index geht z. B. ein extrahierter Milchmolar mit fünf bewerteten Flächen und daher mit fünffach höherer Wertung in den Index ein

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18 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus 2011 bei Sechsjährigen

als ein entsprechender Zahn mit einflächiger Füllung. Der dmfs-Index erlaubt somit noch genauere Analysen zum Kariesstatus im Milchgebiss.

Tabelle 3.6: 6- bis 7-Jährige – dmfs-Index und Geschlecht

Diagnose Alle Kinder Mädchen Buben

Kariöse Flächen (d3s) 2,8 2,4 3,3

Fehlende Flächen (ms) 1,1 0,9 1,4

Gefüllte Flächen (fs) 1,1 1,0 1,2

d3mfs 5,1 4,3 5,8

Kariesvorstufen (d1+2s) 1,4 1,4 1,4

Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012

Im Durchschnitt zeigen die Sechsjährigen an ihren Milchzähnen 5,1 von Dentinkaries betroffene Flächen (d3mfs). Den größten Anteil (55 %) machen die unbehandelten Kavitäten (d3s) aus. Der Anteil an gefüllten Flächen (fs) am d3mfs-Index beträgt nur 22 Prozent und wieder 22 Prozent macht der Anteil an extrahierten Flächen (ms) aus. Durchschnittlich 1,4 Milchzahnflächen zeigen initiale Schmelzkaries. Aus diesen Läsionen entstehen - wenn sie nicht zahnärztlich kontrolliert bzw. präventiv behandelt werden - füllungsbedürftige Kavitäten (d3s). Dividiert man den d3s-Indexwert durch den d3t-Indexwert (vgl. Tabelle 3.3), so errechnet sich die durchschnittliche Zahl akut kariöser Milchzahnflächen pro kavitierten Milchzahn. Dieser Wert zur Quantifizierung der Kariesintensität beträgt bei den untersuchten Sechsjährigen 2,4. Das bedeutet, dass die unbehandelten kariösen Milchzähne durchschnittlich 2,4 kariöse Flächen (ausgedehnte Kavitäten) umfassen. Die Analyse der Zahlen zum d3mfs-Index und seinen Komponenten (vgl. Tabelle 3.6) bestätigt ganz eindeutig die mangelnde Sanie-rung kariöser Milchzähnen.

In Bezug auf das Geschlecht erweisen sich Kariesstatus und Sanierungsgrad bei den Mädchenzähnen wiederum geringfügig besser als bei den Buben (vgl. Tabelle 3.6). In der Mädchengruppe liegt auch der Anteil der Füllungskomponente (fs) am d3mfs-Index etwas höher, während die mt-Komponente etwas niedriger ausfällt als bei den Buben. Dieses Ergebnis lässt vermuten, dass bei Mädchen kariöse Milchzähne eher gefüllt werden, den Buben hingegen werden kariöse Milchzähne eher gezogen.

Beachtlich hingegen sind die Unterschiede der d3mfs-Indexwerte und Komponenten (d3s, ms, d1+2s) nach Bildung der Eltern und nach Migration. Niedrigerer Bildungsstatus und Migrationshintergrund erhöhen die Kariesaktivität gegenüber den Kindern aus Familien mit hohem Bildungsgrad sowie den einheimischen Kindern um weit mehr als das Doppelte (vgl. Abbildung 3.3; d3mfs: Mig. 8,9; ohne Mig: 3,1; ohne Mat. 8,2; Mat. 3,1). Für die Milchgebisse der Kinder bedeutet niedriger sozioökonomischer

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Kapitel 3 / Ergebnisse 19

Status auch überdurchschnittlich mehr unbehandelte Kavitäten an Milchzähnen (d3s), häufigere Extraktionen kariöser Milchzähne (ms) sowie deutlich mehr Milchzähne mit reversibler Schmelzkaries (d1+2s). Als weiteres ungünstiges Ergebnis kommt in diesen Untersuchungsgruppen hinzu, dass die d3s-Komponente im d3mfs-Index weitaus größer ist, als f- und m-Komponenten.

Abbildung 3.3: 6- bis 7-Jährige – Kariesprävalenz auf Flächenebene (d3mfs-Index), alle Kinder, nach Migrationshintergrund und Bildung der Eltern

Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012

D3MFT- und D3MFS-Index

Bei den Sechsjährigen bewerteten die Zahnärzte und Zahnärztinnen auch die vorhan-denen bleibenden Zähne nach dem ICDAS-II-System. Im Durchschnitt zeigten sich in den Gebissen der Mädchen und Buben schon rund sechs Zähne der zweiten Dentition.

Erfreulicherweise sind die neuen bleibenden Zähne der Schulanfänger/innen noch ganz gesund. Die Auswertungen des D1+2+3MFT-Index ergeben den Wert null. Das bedeutet, dass an den bleibenden Zähnen auch keinerlei Verfärbungen (Initialkaries) diagnosti-ziert wurden. Dieses Ergebnis gibt umso mehr Anlass, sorgfältige Mundpflege zu betreiben, um die bleibenden Zähne auch weiterhin gesund zu erhalten. Die kariösen Milchzähne müssen unbedingt saniert werden, damit sich die Mundflora normalisiert und Streptokokkus mutans nicht die gesunden Zahnflächen der neuen bleibenden Zähne besiedelt und dort aktiv wird.

0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

d3mfs d3s ms fs d1+2s

Alle Kinder

Matura

Ohne Matura

Mig

Ohne Mig

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20 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus 2011 bei Sechsjährigen

3.1.3 Polarisierung

Alle erhobenen Sechsjährigen weisen durchschnittlich 2,1von Dentinkaries betroffene Milchzähne bzw. 5,1 befallene Flächen auf. Gut die Hälfte (52 %) der Mädchen und Buben erfreut sich aber kariesfreier Milchgebisse (d3mft = 0). Das bedeutet, dass die tatsächlich von Karies Betroffenen viel mehr kariöse Milchzähne haben. In der Gruppe der Kinder mit Karieserfahrung verdoppelt sich gegenüber allen Kindern der kariöse Flächenbefall (d3mfs-Wert) und bei den Kindern mit Behandlungsbedarf steigt die Kariesprävalenz sogar auf 146 Prozent (vgl. Tabelle 3.7).

Tabelle 3.7: 6- bis 7-Jährige – dmfs-Index, alle Kinder, Kinder mit Karieserfahrung, Kinder mit Behandlungsbedarf

Diagnose Alle Kinder Kinder mit Karieserfah-rung (d3mft>0)

Kinder mit Behand-lungsbedarf (d3t>0)

Kariöse Flächen (d3s) 2,8 5,8 8,5

Fehlende Flächen (ms) 1,1 2,4 2,3

Gefüllte Flächen (fs) 1,1 2,3 1,7

d3mfs 5,1 10,5 12,5

Kariesvorstufen (d1+2s) 1,4 2,3 2,8

Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012

Die dmfs-Werte geben lediglich Auskunft über die durchschnittliche Anzahl kariöser Milchzahnflächen pro Kind. Von großem Interesse für Präventionsprogramme ist aber die Verteilung von Karies, um zu erkennen, welche Kinder besonderer Betreuung bedürfen.

Da den größten Anteil am d3mfs bei den Sechsjährigen die unbehandelten Kavitäten (d3s-Läsionen) ausmachen (55 %), wird in der vorliegenden Analyse der Grad der Polarisierung anhand der Verteilung dieser Diagnose dargestellt.

Gut zwei Drittel der untersuchten Buben und Mädchen haben entweder ein kariesfreies Milchgebiss (52 %) oder ihre kariösen Zähne sind bereits saniert (15 % vgl. Abbildung 3.1). Bei diesen Kindern ist der d3s-Wert null. Das heißt, dass die Gesamtheit der in der Erhebung diagnostizierten Kavitäten nur ein Drittel (33 %) der Sechsjährigen betrifft. Das bedeutet weiter, dass ein relativ kleiner Prozentsatz der erhobenen Kinder an der gesamten Last unbehandelter, kavitierter Milchzähne (d3t-Werte) leidet.

Abbildung 3.4 veranschaulicht die Verteilung kavitierter Milchzahnflächen (d3s). Im Durchschnitt zeigen die Sechsjährigen 2,8 d3-Flächen (vgl. Tabelle 3.7). Über diesem Durchschnittswert liegen 22 Prozent der Erhobenen (> 3 d3-Flächen). Rund 9 Prozent

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Kapitel 3 / Ergebnisse 21

der Kinder haben mehr als 10 sanierungsbedürftige Flächen im Gebiss und rund 6 Prozent zeigen in ihren Milchgebissen mehr als 15 unbehandelte kariöse Zahnflä-chen. Bei den Sechsjährigen besteht somit eine deutliche Polarisierung hinsichtlich sanierungsbedürftiger Milchzahnkaries.

Abbildung 3.4: 6- bis 7-Jährige – Anzahl unbehandelter kariöser Milchzahnflächen (d3s) und Kinder in Prozent

Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012

Migrantenkinder sowie jene Kinder von Eltern mit niedrigem Bildungsstatus leiden überdurchschnittlich häufig an nicht sanierten Milchzähnen. In der Gruppe der Kinder mit Migrationshintergrund und bei Kindern von Eltern ohne Matura steigt der mittlere d3s-Index verglichen mit dem Durchschnitt der Sechsjährigen auf beinahe das Doppel-te an (Mig: von 2,8 auf 5,5; ohne Matura: 2,8 auf 5,2).

SiC-Index

Der Significant Caries Index stellt eine Ergänzung des D3MFT/d3mft-Index dar. Dieser von der WHO eingeführte Score wird berechnet, indem man für das Drittel der Popula-tion mit den höchsten D3MFT/d3mft-Werten den Mittelwert bildet. Somit lenkt der SiC-Index die Aufmerksamkeit auf die Kariesrisikogruppen, deren D3MFT/d3mft-Werte den mittleren D3MFT/d3mft-Wert der gesamten Studienpopulation deutlich überschreiten.

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10

20

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0 1 2 3 4 5 6 bis 10 11 bis 15 >15

Kind

er

d3s

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22 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus 2011 bei Sechsjährigen

Die in der Gruppe der Migrantenkinder sowie auch in der Subgruppe der Kinder von Eltern ohne Matura errechneten SiC-Indexwerte (vgl. Abbildung 3.5) übertreffen den dreifachen d3mft-Mittelwert der Sechsjährigen (d3mft = 2,1). Die dargestellten Ergeb-nisse zum SiC-Index bekräftigen somit den großen Einfluss sozioökonomischer Faktoren auf die Kariesaktivität bzw. das stark erhöhte Kariesrisiko bei Migrationshin-tergrund und geringem Bildungsstatus der Eltern.

Abbildung 3.5: 6- bis 7-Jährige – SiC-Index, alle Kinder, nach Geschlecht, nach Migrationshintergrund und Bildung der Eltern

Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012

3.1.4 Sanierungsgrad

Ein ganz wichtiger Parameter in der Kariesepidemiologie ist der Sanierungsgrad (Care Index Percentage). Er erlaubt Rückschlüsse auf die zahnärztliche Inanspruchnahme bzw. gibt das Ausmaß der zahnärztlichen Versorgung in der untersuchten Bevölke-rungsgruppe an. Der Sanierungsgrad wird durch den prozentuellen Anteil an gefüllten Zähnen bzw. Flächen (ft/fs) am gesamten d3mft/d3mfs zum Ausdruck (ft dividiert durch d3mft bzw. fs dividiert durch d3mfs) gebracht.

5,3 5,1 5,4

3,6

7,4

3,6

7,4

0

2

4

6

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Alle Kinder Mädchen Buben Ohne Mig Mig Matura Ohne Matura

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Kapitel 3 / Ergebnisse 23

Abbildung 3.6: 6- bis 7-Jährige – Sanierungsgrad in Prozent, alle Kinder, nach Geschlecht, Migrationshintergrund und Bildung der Eltern

Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012

Der Sanierungsgrad auf Basis des d3mft-Index beträgt bei den untersuchten Sechsjäh-rigen nur 40 Prozent und auf Flächenebene errechnet sich ein Sanierungsgrad von lediglich 38 Prozent (vgl. Abbildung 3.6). Das bedeutet, dass über die Hälfte (60 %) der in der Erhebung diagnostizierten kariösen Kinderzähne nicht zahnärztlich behandelt ist. Dieses Ergebnis ist umso unbefriedigender als die DGZMK (Deutsche Gesellschaft für Zahn-Mund- und Kieferheilkunde) in ihrer Stellungnahme einfordert, dass Milch-zähne aus kieferorthopädischer Sicht als Platzhalter solange gesund erhalten bleiben sollen, bis der problemlose Durchbruch der „Nachfolger-Zähne“ gesichert ist. Bei vorzeitigem Milchzahnverlust sollen die möglichen negativen Folgen für die Zahn- und Gebissentwicklung bedacht werden.

Deutlich unter dem Österreich-Durchschnitt liegt die Behandlungbereitschaft für kariöse Milchzähne bei Kindern mit Migrationshintergrund und jenen Kindern, deren Eltern ein niedriges Bildungsniveau aufweisen (vgl. Abbildung 3.6). In diesen Untersu-chungsgruppen sind drei Viertel (Mig) bzw. zwei Drittel (ohne Matura) der von akuter Karies befallenen Milchzähne nicht behandelt.

40 42

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38 40

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30

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Alle Kinder Mädchen Buben Ohne Mig Mig Matura Ohne Matura

ft/d3mft

fs/d3mfs

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24 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus 2011 bei Sechsjährigen

3.1.5 Spezifische Ergebnisse

Die folgenden Abschnitte beinhalten spezielle Ergebnisse zur Karieserfahrung, wie Größe und Umfang der offenen Dentindefekte, Füllungsmaterialien und Versiegelun-gen.

Größe und Umfang der akut behandlungsbedürftigen Kariesläsionen

Die Bewertungsskala des ICDAS-II-Systems liefert auch Information hinsichtlich der Größe und des Umfangs der behandlungsbedürtigen kariösen Dentindefekte (d3-

Läsionen). Solche Auskünfte dienen vor allem der Evaluierung prophylaktischer Maß-nahmen bzw. der zahnärztlichen Versorgung.

Abbildung 3.7: 6- bis 7-Jährige – behandlungsbedürftige Läsionen (d3-Läsionen) in Prozent, alle Kinder, nach Geschlecht, Migrationshintergrund und Bildung der Eltern

Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012

Die kariösen Milchgebisse der Sechsjährigen weisen vor allem „ganz große kariöse Löcher“ auf, die gleich mehrere Zahnflächen umfassen (extensive cavity). Ihr Anteil am d3t-Index beträgt 59 Prozent (mehr als die Hälfte). 31 Prozentanteile fallen auf her-kömmliche einflächige Kavitäten und 9 Prozent betreffen jene Läsionen mit Dentinka-ries, bei welchen an der Oberfläche nur ein ganz kleiner Defekt zu sehen ist, während aus darunter liegenden kariösen Schichten ein dunkler Schatten an die Oberfläche

0

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Alle Kinder

Mädchen Buben Ohne Mig Mig Matura Ohne Matura

Underlaying gray shadow

Einflächige Kavität

Mehrflächige Kavität

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Kapitel 3 / Ergebnisse 25

durchscheint (Underlaying gray shadow). Zwischen soziodemografischen Kriterien und Umfang der Kavitäten zeichnet sich keine ausgeprägte Korrelation ab (vgl. Abbildung 3.7). Diesem Ergebnis ist zu entnehmen, dass kariöse Milchzähne nicht – wie lege artis empfohlen - in frühen Karies-Stadien gefüllt werden, sondern dass die zahnärztliche Behandlung hinausgeschoben wird und Dentinkaries sich an den kariösen Zähnen weiter ausbreitet.

Füllungsmaterialien

Abbildung 3.8: 6- bis 7-Jährige – Füllungsmaterialien in Prozent, alle Kinder, nach Geschlecht, Migrationshintergrund und Bildung der Eltern

Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012

Die moderne Zahnmedizin fordert kavitierte Milchzähne mit Composites (Kunststoff) frühzeitig zu füllen. Die erhobenen Sechsjährigen hatten durchschnittlich 1,1 gefüllte Milchzahnflächen in ihren Milchgebissen. Abbildung 3.8 zeigt, welche Füllungsmate-rialien die behandelnden Zahnärzte und Zahnärztinnen dabei verwendet haben. Mehr als die Hälfte (62 %) der „gelegten“ Füllungen weisen - nach State oft the Art – Compo-sites auf. Der Anteil an Amalgam-Füllungen an allen Füllungen macht österreichweit aber immerhin noch 30 Prozent aus. Ganz kleine Füllungen (frühzeitige Behandlung) sind bei den Sechsjährigen nur selten zu finden (nur in 2 % der mit Füllungen versehe-nen Milchzähne). Markante soziodemografisch bestimmte Einflüsse auf die verwende-ten Füllungsmaterialien sind in den in Abbildung 3.8 angeführten Zahlenwerten nicht zu finden.

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Alle Kinder Mädchen Buben Ohne Mig Mig Matura Ohne Matura

Kleine Füllungen

Unbekannt

Amalgam

Zemente

Composite

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26 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus 2011 bei Sechsjährigen

Fissurenversiegelungen

Die Kauflächen von Sechsjahresmolaren mit tiefem Fissurensystem können nach dem Durchbruch mit einer Kunststoffschicht versiegelt werden, damit sie bei entsprechend sorgfältiger Mundhygiene gut vor Karies geschützt sind. Präventiv versiegelte Kauflä-chen sind in der f-Komponente des d3mfs-Index aber nicht berücksichtigt, da davon ausgegangen wird, dass die mit einer Versiegelung versehenen Zahnflächen noch ganz gesund (kariesfrei) sind.

Prophylaktisch versiegelte Backenzähne haben Sechsjährige in Österreich nur ganz selten. Lediglich rund zwei Prozent der untersuchten Mädchen und Buben verfügen über mindestens eine versiegelte Kaufläche an den Backenzähnen. Im Durchschnitt zeigen die Sechsjährigen 0,1 versiegelte Backenzähne. Da aber die Kinder durch-schnittlich schon über rund sechs bleibende Backenzähne verfügen, deren Kauflächen präventiv versiegelt sein könnten, weisen die Auswertungen auf einen sehr niedrigen Versiegelungsgrad bei den Sechsjährigen hin. In Deutschland z. B. erhalten rund drei Viertel der Sechsjährigen Versiegelungen auf Kosten der Krankenkasse, weil Kariesepi-demiologen in der Versiegelung von Backenzähnen einen wichtigen Grund für den Kariesrückgang sehen (Micheelis 2006).

3.1.6 Plaque-Ergebnisse

Der Mundhygienezustand wird bei Sechsjährigen mit dem VPI (Visible Plaque Index) nach Ainamo gemessen (vgl. Punkt 2.3.2). Im Milchgebiss sind maximal zehn Zähne zu beurteilen (im rechten Unterkiefer 5 und im linken Oberkiefer 5). Das Ergebnis der mit Zahnbelag (Plaque) behafteten Zähne wird als Prozentsatz der insgesamt beurteilten Milchzähne ausgewiesen. Jeder mit Plaque belegte Zahn trägt zehn Prozent zum Gesamtergebnis bei oder anders gesagt: wenn z. B. einer von zehn begutachteten Zähnen Plaque aufweist, so beträgt der VPI zehn Prozent.

VPI null Prozent bedeutet vorzügliche Mundhygiene. Das Gebiss ist plaquefrei. VPI zwischen ein und zehn Prozent heißt, dass die Mundhygiene noch akzeptabel ist. Es ist höchstens ein mit Plaque belegter Zahn auffindbar. VPI zwischen 11 und 49 Prozent bedeutet unzureichende Mundhygiene. Es werden zwei bis vier mit Plaque behaftete Zähne diagnostiziert. Bei einem VPI 50 Prozent oder mehr als 50 Prozent ist die Mundhygiene sehr schlecht. Bereits die Hälfte oder mehr Zähne weisen Plaquebeläge auf. Hier ist eine starke Kariesgefährdung anzunehmen.

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Kapitel 3 / Ergebnisse 27

Abbildung 3.9: 6- bis 7-Jährige – Diagnosen zum Mundhygienestatus (VPI), alle Kinder, nach Geschlecht, Migrationshintergrund und Bildung der Eltern in Prozent

Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012

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Alle Kinder Mädchen Buben Ohne Mig Mig Matura Ohne Matura

VPI von 0

VPI von 0 bis 10

VPI von > 10 < 50

VPI > 50

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28 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus 2011 bei Sechsjährigen

Abbildung 3.10: 6- bis 7-Jährige – mittlerer VPI in Prozent, alle Kinder, nach Geschlecht, Migrationshintergrund und Bildung der Eltern

Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012

In der vorliegenden Erhebung errechnet sich für alle Sechsjährigen ein durchschnittli-cher VPI von 17 Prozent. Das bedeutet verbesserungsbedürftige Mundhygiene, da im Mittel jedes Kind rund zwei Zähne mit Plaque-Belägen zeigte (vgl. Abbildung 3.10). Die ganz geringfügig besseren VPI-Ergebnisse bei Mädchen könnten andeuten, dass diese eher als Buben zu sorgfältiger Mundhygiene motiviert sind. Viel ausgeprägter als nach dem Geschlecht sind die Unterschiede in den Plaque-Messungen nach Bildung und Migration (vgl. Abbildung 3.9 und Abbildung 3.10), wobei niedriger Bildungsstatus der Eltern und ein Migrationshintergrund eindeutig mit erhöhten Plaque-Indexwerten (VPI) und schlechter Mundhygiene der Kinder einhergehen.

Die Qualität von Mundhygiene bei den erhobenen Sechsjährigen unterliegt aus ver-schiedenen Gründen (diese waren nicht Gegenstand der vorliegenden Studie) großen Schwankungen. Gut die Hälfte (51 %) der Sechsjährigen verfügt über einen „vorzügli-chen“ Mundhygienestatus ohne jegliche Plaque. Zusätzliche elf Prozent zeigen mit einem Plaque behafteten Zahn immerhin noch eine „akzeptable“ Mundhygiene. Dem-gegenüber betreibt ein Viertel (25 %) lediglich „unzureichende“ Mundhygiene. Die Gebisse dieser Kinder zeigen zwei bis vier Zähne mit Plaque. Einen „sehr schlechten“ Mundhygienezustand konstantierten die Untersucherinnen und Untersucher bei immerhin zwölf Prozent der Sechsjährigen. Bei diesen Kindern war die Hälfte oder mehr der beurteilten Zähne mit Plaque behaftet.

17,3 16,6 17,9

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27,9

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Alle Kinder Mädchen Buben Ohne Mig Mig Matura Ohne Matura

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Kapitel 3 / Ergebnisse 29

Die vorliegenden Ergebnisse zur Mundhygiene weisen den immer wieder in Fachstu-dien beschriebenen, direkten Zusammenhang zwischen Mundhygiene und Kariesprä-valenz nach. Niedriges Bildungsniveau der Eltern und/oder Migrationshintergrund bewirken deutlich erhöhte d3mfs-Indexwerte (vgl. Abbildung 3.3) sowie hohe VPI-Werte (vgl. Abbildung 3.9 und Abbildung 3.10).

3.1.7 Ergebnisse der KFO-Untersuchung

Das Milchgebiss ist der Wegbereiter für das folgende Wechselgebiss und danach für das permanente Gebiss. Bei dieser Entwicklung geht es nicht nur um die Platzhalter-funktion der Milchzähne, sondern auch um die Sprachentwicklung und Schluckmuster und letztlich um das Aussehen des Kindes. An der Entstehung von kieferorthopädi-schen Anomalien sind sowohl Erbfaktoren als auch Umwelteinflüsse beteiligt. Habits, Dysfunktionen der Zunge und der Lippe sowie Karies spielen hier die größte Rolle (Borutta 1995, GOEG/ÖBIG 2006). Die kieferorthopädische Begutachtung der Kinder erfolgte rein visuell und bei maximaler Interkuspitation (vgl. Punkt 2.3.3).

Gut die Hälfte (58 %) der Sechsjährigen verfügt über ein regelrechtes Milchgebiss mit harmonischen Zahnbögen und physiologischen Lücken (Affenlücken). Diese sind wichtig für eine engstandfreie Einstellung der viel breiteren bleibenden Zähne. Demge-genüber zeigen 18 Prozent Engstand im Milchgebiss. Einen offenen Biss (bei Kiefer-schluss treffen die Oberkieferschneidezähne nicht auf die Unterkieferschneidezähne) haben nur 5 Prozent der Erhobenen. Tiefbiss mit Gingivakontakt (bei Kieferschluss treffen die Schneidekanten der oberen Frontzähne auf das Zahnfleisch des Unterkie-fers) wurde bei 10 Prozent der Untersuchten diagnostiziert. Maxilläre Prognathie (der Oberkiefer ist gegenüber dem Unterkiefer zu weit vorne) trifft 6 Prozent der Kinder. Das Vorkommen von Kreuzbiss (falscher Überbiss im Seitenzahnbereich) liegt bei lediglich 2 Prozent und bei 10 Prozent der Mädchen und Buben stellten die Zahnärzte und Zahnärztinnen eine Mittellinienverschiebung der Zahnbögen fest. „Verkehrter“ Überbiss – auch Progenie genannt - wurde in der vorliegenden Untersuchung nicht diagnostiziert. Ausgeprägte geschlechtsspezifische Einflusse auf die Entstehung kieferorthopädischer Anomalien ergeben sich aus den vorliegenden Daten nicht (vgl. Abbildung 3.11).

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30 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus 2011 bei Sechsjährigen

Abbildung 3.11: 6- bis 7-Jährige – kieferorthopädische Diagnosen, alle Kinder, nach Geschlecht in Prozent

Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012

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Alle Kinder

Mädchen

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Kapitel 3 / Ergebnisse 31

Abbildung 3.12: 6- bis 7-Jährige – kieferorthopädische Diagnosen, alle Kinder nach Migrationshintergrund und Bildung der Eltern in Prozent

Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012

Soziokulturelle Verhaltensweisen zeigen großen Einfluss auf die Gebissentwicklung (Borutta 1991). Risikofaktoren für sogenannte erworbenen Fehlentwicklungen des Kauorgans sind gebissschädigende Gewohnheiten wie „Dauernuckeln, Daumenlut-schen, Lippenbeißen, Zungenpressen usw. Manche dieser „Habits“ kommen in be-stimmten Sozialschichten gehäuft vor. Auch bestehen zwischen erworbenen Gebiss-anomalien und Karies gegenseitige ungünstige Einflüsse auf die Erkrankungsrate. Karies fördert bei vorzeitigem Zahnverlust Fehlentwicklungen des Gebisses. Umgekehrt begünstigen falsche Zahn- und Kieferstellungen die Entstehung von Karies.

Abbildung 3.12 zeigt, dass Unterschiede im Auftreten kieferorthopädischer Anomalien in Zusammenhang mit Migrationsstatus und Bildungsgrad der Eltern zwar etwas ausgeprägter sind als nach dem Geschlecht, eindeutige soziodemografische Einfluss-faktoren auf das Entstehen bestimmter Gebissanomalien lassen sich aus den vorlie-genden Daten aber nicht ableiten.

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Alle Kinder

Ohne Mig

Mig

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Ohne Matura

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32 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus 2011 bei Sechsjährigen

3.1.8 Ergebnisse zum Mundgesundheitsverhalten

In Österreich werden Kindergarten- und Volksschulkinder gemäß den Standards der oralen Gruppenprophylaxe (OSR-Kommission Zahnmedizin, Prophylaxe 2009) großflä-chig bis flächendeckend zahngesundheitlich betreut. Hauptstütze der Gruppenprophy-laxe-Programme sind Zahngesundheitserzieherinnen (ZGE). Diese besuchen Kinder-gärten und Volksschulen und vermitteln den Kindern in spielerischer Form die Grund-pfeiler der Kariesprophylaxe (das sind regelmäßiges tägliches Zähneputzen mit fluoridierter Zahnpasta, zahnfreundliche Ernährung sowie regelmäßige zahnärztliche Kontrollbesuche). Die ZGE versuchen auch Eltern, Kindergärtnerinnen und Lehrperso-nen für das Thema Zahngesundheitsvorsorge zu sensibilisieren. Mittels Elternabenden, Vorträgen, Gesprächen und Informationsblättern soll bei erziehenden Personen Zahngesundheitsbewusstsein geschaffen werden.

Die folgenden Abschnitte erörtern, in welchem Grad Mundgesundheitslenkung in Kindergärten oralprophylaktisches Verhalten in der Familie beeinflusst. Die Daten zum Mundgesundheitsverhalten liefern die Eltern- und Kinderbefragungen. Hinsichtlich der Aussagekraft ist zu bedenken, dass Eltern und auch Kinder hin und wieder sozial erwünschte Antworten liefern. Dies kann zu Verzerrungen der Aussagekraft von Ergebnissen führen.

Ergebnisse zu Kindergartenbesuch und Zahngesundheitserzieherin (ZGE)

Die große Mehrheit der Sechsjährigen (86 %) besuchte den Kindergarten und erinnert sich auch noch an die ZGE im Kindergarten. Zusätzliche 13 Prozent waren zwar im Kindergarten, konnten sich an den Besuch der ZGE aber nicht mehr erinnern. Rund 1 Prozent der erhobenen Buben und Mädchen besuchten keinen Kindergarten. Die Hälfte dieser Kinder gibt dennoch an, sich an die ZGE erinnern zu können (vgl. Abbil-dung 3.13). Ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Kindergartenbesuch und sozio-demografischer Schichtzugehörigkeit lässt sich nicht feststellen. Am auffälligsten ist noch, dass am häufigsten Migrantenkinder angaben, den Kindergarten besucht zu haben und sich an die ZGE aber nicht mehr erinnern.

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Kapitel 3 / Ergebnisse 33

Abbildung 3.13: 6- bis 7-Jährige – Befragung: Kindergartenbesuch und ZGE (Zahngesundheitserzieherin) nach Migrationshintergrund und Bildung der Eltern in Prozent

Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012

Ergebnisse zum Zähneputzen

Als wesentlichsten Risikofaktor für die Entstehung von Karies nennen zahnmedizini-sche Experten und Expertinnen mangelnde Zahnhygiene. „In den ersten Lebensjahren gehört das Zähneputzen bei Kindern unbedingt in Elternhand. „Ab Schuleintritt soll dann das Kind bereits selbst seine Zähne putzen, die Eltern müssen aber bei der Zahnpflege noch nachhelfen bzw. kontrollieren“. (Kariesprophylaxe mit Fluoriden – Empfehlungen der OSR-Kommission Zahnmedizin, Prophylaxe, Stand Oktober 2003).

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Kindergarten mit ZGE

Kindergarten ohne ZGE

Kein Kindergarten aber ZGE

Kein Kindergarten keine ZGE

Alle Kinder

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Mig

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Ohne Matura

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34 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus 2011 bei Sechsjährigen

Abbildung 3.14: 6- bis 7-Jährige – Befragung: Wer putzt die Kinderzähne, nach Migrationshintergrund und Bildung der Eltern in Prozent

Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012

Die Erstklässler/innen wurden gefragt, wer ihre Zähne putzt. Abbildung 3.14 zeigt, dass knapp die Hälfte (46 %) der Sechsjährigen ihre Zähne - ohne Unterstützung der Eltern – „selbst“ putzt. Demgegenüber putzt der etwas größere Teil (49 %) die Zähne zuerst selbst, aber – gemäß der Empfehlung der OSR-Kommission – putzt ein Erwach-sener noch nach. Bei fünf Prozent der Erhobenen werden die Kinderzähne ausschließ-lich von einem Erwachsenen gereinigt. Vereinzelt gibt es scheinbar auch Kinder, bei denen Milchzähne nicht geputzt werden (0,1 % aus der Mädchengruppe, 0,1 % aus der Gruppe der Kinder mit Migrationshintergrund sowie 0,1 % aus der Gruppe der Kinder mit Eltern ohne Matura geben an, dass ihre Zähne niemand putzt).

In Familien mit Migrationshintergrund wird den Kindern am seltensten beim Zähneput-zen von den Eltern geholfen. Zudem bewirkt niedriger Bildungsgrad geringe Bereit-schaft der Eltern, die Kinderzahnpflege zu unterstützen (vgl. Abbildung 3.14). Kinder mit Migrationshintergrund und niedrigem Bildungsstatus der Eltern weisen auch deutlich erhöhte Kariesaktivität (d3mfs-Indexwerte) aus (vgl. Abbildung 3.3). Dieses Ergebnis stützt demnach die Ansicht der OSR-Kommission, wonach sich von Eltern-hand unterstützte Mundhygiene positiv auf die Kariesprophylaxe bei Sechsjährigen auswirkt.

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Kind putzt Kind und Erwachsener putzt

Erwachsener putzt Niemand putzt

Alle

Mädchen

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Mig

Matura

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Kapitel 3 / Ergebnisse 35

Abbildung 3.15: 6- bis 7-Jährige – Befragung zur Zahnputzfrequenz innerhalb der letzten 24 Stunden, in Prozent

Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012

Die Ergebnisse zur Zahnputzfrequenz sind in Abbildung 3.15 dargestellt. Danach putzen beinahe drei Viertel (73 %) der Sechsjährigen – wie von zahnmedizinischen Expertinnen und Experten empfohlen – ihre Zähne mindestens zweimal täglich. Zusätzliche 20 Prozent betreiben zumindest einmal täglich Mundhygiene. Rund acht Prozent der Schulanfängerinnen und Schulanfänger sagen allerdings, dass ihre Zähne nicht täglich gereinigt werden. Am häufigsten sagen Kinder mit Migrationshintergrund und jene Kinder von Eltern ohne Matura, dass bei ihnen Zähneputzen nicht zu den täglichen Routinehandlungen gehört. Unter Kindern mit niedrigem Bildungsstatus der Eltern und jenen mit Migrationshintergrund ist auch „zweimal tägliches Zähneputzen“ im Vergleich zum Durchschnitt deutlich weniger häufiger verbreitet.

Ergebnisse zum Zahnarztbesuch

Expertinnen und Experten empfehlen zwischen dem sechsten und neunten Lebensmo-nat der Kinder ein erstes Beratungsgespräch in der Zahnarztpraxis, da zu diesem Zeitpunkt die ersten Milchzähne durchbrechen. Danach sollen die Kinder regelmäßig (einmal jährlich) von den Eltern in die Zahnarztpraxis mitgenommen werden, damit sich die Kinder an Zahnarztbesuche gewöhnen und diese für sie nicht angstbesetzt sind (Yüksel 2010).

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Seltener als 1x 1x 2x 3x Öfter als 3x

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Matura

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36 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus 2011 bei Sechsjährigen

Auf die Frage, ob die Kinder in ihrem Leben schon mindestens einmal beim Zahnarzt oder bei der Zahnärztin waren, sagen die meisten (83 %), dass sie schon einmal dort waren und dass ihnen der Zahnarzt oder die Zahnärztin auch in den Mund geschaut hat. Ein zusätzliches Prozent war schon einmal in der Zahnarztpraxis, jedoch wurde den Kindern dort angeblich nicht in den Mund geschaut. 13 Prozent geben an, dass sie noch nie bei einer Zahnärztin oder einem Zahnarzt waren und zusätzliche vier Prozent können sich nicht mehr daran erinnern, ob sie schon einmal bei der Zahnärztin oder dem Zahnarzt waren. Abbildung 3.16 zeigt keine Korrelation zwischen zahnärztlicher Inanspruchnahme und soziodemografischer Schichtzugehörigkeit der Kinder auf. Die Unterschiede im zahnärztlichen Inanspruchnahme-Verhalten nach Geschlecht, Bildung und Migration sind nicht bedeutend.

Abbildung 3.16: 6- bis 7-Jährige – Befragung: Zahnarztbesuch, nach Migrationshintergrund und Bildung der Eltern, in Prozent

Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012

Ergebnisse zu Ernährungsgewohnheiten

Die Eltern wurden gefragt, wie oft ihre Kinder Süßigkeiten essen. Demnach essen 17 Prozent der Kinder mehrmals pro Tag Süßigkeiten. Die meisten Eltern (42 %) geben an, dass ihre Kinder einmal pro Tag Süßigkeiten zu sich nehmen, während ein Drittel der Kinder (34 %) nur mehrmals pro Woche Süßigkeiten isst. Sechs Prozent naschen noch seltener. Ein Prozent der Eltern konnten keine Auskunft zum Süßigkeiten-Konsum ihrer Kinder geben. Ausgeprägte geschlechtsspezifische, soziokulturell

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nein weiß nicht

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Kapitel 3 / Ergebnisse 37

bestimmte bzw. bildungsabhängige Naschgewohnheiten der Kinder (repräsentiert durch der Frage „Wie oft essen die Kinder Süßigkeiten“) sind nicht ableitbar (vgl. Abbildung 3.17).

Abbildung 3.17: 6- bis 7-Jährige – Befragung: Wie oft wird Süßes gegessen, nach Migrationshintergrund und Bildung der Eltern in Prozent

Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012

Auf die Frage, was ihre Kinder vorwiegend trinken, gab der überwiegende Teil der Eltern (58 %) an, dass bei ihnen zuhause die Kinder vorwiegend ungesüßte Getränke zu sich nehmen. Demgegenüber sagen 42 Prozent der Eltern, dass ihre Kinder zuhause vorwiegend gesüßte Getränke konsumieren (vgl. Abbildung 3.18). Unterschiede in Trinkgewohnheiten manifestieren sich kaum nach soziodemografischen Parametern und sind daher vernachlässigbar.

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Alle

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38 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus 2011 bei Sechsjährigen

Abbildung 3.18: 6- bis 7-Jährige – Befragung: Was wird vorwiegend getrunken, nach Migrationshintergrund und Bildung der Eltern in Prozent

Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012

Die Kinder wurden von der Dateneingabeperson auch nach ihrer „heutigen Jause“ und dem „heutigen Jausengetränk“ befragt. Das Untersuchungsteam stufte Jause und Jausengetränk nach den Kriterien „gesunde Jause“ versus „kariogene Jause“ bzw. „gesüßtes Jausengetränk“ versus „ungesüßtes Jausengetränk“ ein (vgl. Abbildung 3.19).

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Kapitel 3 / Ergebnisse 39

Abbildung 3.19: 6- bis 7-Jährige – Beurteilung „heutige Jause und heutiges Getränk durch Untersucher/innen“, nach Migrationshintergrund und Bildung der Eltern in Prozent

Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012

Mehr als drei Viertel (79 %) der erhobenen Kinder hatten am Untersuchungstag eine als kariogen eingestufte Jause mit und bei beinahe der Hälfte (42 %) der Sechsjährigen ordneten die Untersuchungsteams das mitgebrachte Jausengetränk dem Kriterium „gesüsst“ zu. Überraschend ist, dass gerade Kinder mit Migrationshintergrund am häufigsten ungesüßte zahnfreundliche Jausengetränke mitbrachten. Assagekräftige Unterschiede im „Jausenverhalten“ der Kinder in Abhängigkeit ihrer soziodemografi-schen Zugehörigkeit weisen die vorliegenden Daten jedoch nicht aus (vgl. Abbildung 3.19).

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Alle

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40 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus 2011 bei Sechsjährigen

Zusammenfassung

Ein gutes Drittel (39 %) der Sechsjährigen erfreut sich eines „völlig gesunden Gebisses“. Bei diesen Kindern liegt der d1+2+3mft-Indexwert bei null. An ihren Milchzähnen finden sich auch keine Kariesvorstufen.

Gut die Hälfte (52 %) ist nach WHO-Definition kariesfrei (no obvious decay experience); d3mft = 0.

15 Prozent haben zwar mit Karies schon Erfahrung gemacht (d3mft > 0), die akut kariösen Kinderzähne sind aber bereits vollständig saniert (d3t = 0).

Der großen Gruppe der Mädchen und Buben, die kariesfrei sind oder sanierte Zähne haben (67 %), steht die relativ kleine Gruppe (33 %) von behandlungsbedürftigen Sechsjährigen (d3t > 0) gegenüber. Diese Kinder trifft die gesamte Last der diagnosti-zierten offenen kariösen Läsionen.

Im Durchschnitt zeigen die Schulanfänger/innen 2,1 von Karies betroffene Milchzähne (d3mft-Index) bzw. 5,1 betroffene Zahnflächen (d3mfs-Index).

Der Sanierungsgrad (Care Index Percentage) beträgt lediglich 40 Prozent. Das bedeu-tet, dass über die Hälfte der als kariös befundeten Milchzähne (60 %) keine intakte Füllung aufweist.

Das Risikodrittel der Sechsjährigen leidet an durchschnittlich 5,3 von Karies betroffe-nen Milchzähnen. Dieser relativ hohe SiC-Indexwert weist auf die deutliche Polarisie-rung hin.

Jene Kinder mit hoher Karieserfahrung und hohem Sanierungsbedarf kommen zum größten Teil aus Familien mit geringerem Bildungsstatus bzw. mit Migrationshin-tergrund. Während der Durchschnitt der Sechsjährigen 2,8 akut kariöse Flächen (d3s) aufweist, steigt der entsprechende Wert bei Kindern mit Migrationshintergrund auf 5,5 (fast das Doppelte) und bei Kindern von Eltern ohne Matura auf 5,2.

Karieserfahrung und Behandlungsbedarf fallen nach Bildung und Migration markant unterschiedlich aus. Nach Geschlecht zeigen sich kaum entsprechende Unterschiede.

Die Ergebnisse der Plaquemessungen unterstreichen den Zusammenhang zwischen Mundhygiene und Karieserfahrung. Grundsätzlich sind die Mundhygiene-Maßnahmen bei den erhobenen Sechsjährigen noch zu verbessern. Der Durchschnitts-VPI von 17 Prozent besagt, dass die Milchgebisse der Schulanfänger/innen an zwei Zähnen Plaque-Beläge aufweisen. Während die Hälfte (51 %) der Mädchen und Buben die Zähne vorbildlich putzt (VPI = 0 %), besteht bei zwölf Prozent der Kinder aufgrund sehr

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Kapitel 3 / Ergebnisse 41

schlechter Mundhygiene (VPI > 50 %) erhöhtes Kariesrisiko. Kinder mit Migrationshin-tergrund (VPI = 30 %) oder auch jene Kinder von Eltern ohne Matura (VPI = 26 %) weisen deutlich erhöhte VPI-Indexwerte auf. In dieser sozialen Schicht wird tägliches Zähneputzen auch deutlich weniger häufig praktiziert bzw. von den Eltern überwacht.

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42 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus 2011 bei Sechsjährigen

4 Karies im Milchgebiss, 1996 bis 2011

Dieses Kapitel analysiert die Entwicklung der Milchzahnkaries in Österreich zwischen den Jahren 1996 und 2011 und beschreibt Veränderungen anhand wesentlicher, international gebräuchlicher Kariesparameter (Anteil kariesfreier Sechsjähriger, dmf-Indexwerte, Sanierungsgrad, SiC-Indexwerte). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Studiendesigns der unterschiedlichen Erhebungsjahre etwas voneinander abweichen. Während z. B. im Jahr 1996 die Fünf- bis Sechsjährigen in Kindergärten erhoben wurden, fanden die nachfolgenden Untersuchungen bei Sechs- bis Siebenjährigen in Volksschulen statt. In den Erhebungsjahren 1996 und 2001 wurden die Kariesdiagno-sen noch nach dem traditionellen WHO-System erfasst. In den beiden letzten Erhebun-gen (2006 und 2011) wurde bereits nach dem neuen ICDAS-II-System klassifiziert. Dementsprechend sind die Prävalenzwerte vorangegangener Erhebungen mit jenen der Untersuchungsjahre 2006 und 2011 nur eingeschränkt vergleichbar. Mit den Befra-gungs-Items aus dem Jahr 2006 werden im Folgenden auch die neuesten Tendenzen im zahngesundheitlichen Verhalten herausgearbeitet.

4.1 Kariesmorbidität

Wie aus Tabelle 4.1 hervorgeht, stieg der Anteil kariesfreier Sechsjähriger innerhalb der letzten 15 Jahre nur geringfügig an (um 5 Prozentpunkte), während der Anteil an behandlungsbedürftigen Kindern (% d3t > 0) im selben Zeitraum ebenso wenig zurück-ging (um 7 Prozentpunkte). Diese Entwicklung zeigt, dass Österreich bezüglich Zahn-gesundheit im Milchgebiss den Anspruch der WHO für das Jahr 2000 zwar erfüllt (die Hälfte der Sechsjährigen ist kariesfrei), um aber dem WHO-Postulat für das Jahr 2020 zu entsprechen, sind verstärkte Bemühungen gefordert. Karies im Milchgebiss muss noch konzentrierter abgewendet werden.

Eindrucksvoll erscheint hingegen die Zunahme an Kindern mit vollkommen kariesfreien Milchgebissen (% d1+2+3 mft = 0). Der Anteil jener Sechsjährigen, die noch keinerlei kariöse Spuren an ihren Milchzähnen aufweisen, ist innerhalb von 15 Jahren um 32 Prozentpunkte angestiegen, sodass gegenwärtig ein gutes Drittel (39 %) der Erst-klässler/innen über noch vollkommen gesunde Milchzähne verfügt (vgl. Tabelle 4.1). Parallel zu dieser Entwicklung reduzierte sich der Anteil an Mädchen und Buben, die lediglich von beginnenden kariösen Veränderungen (Kariesvorstufen: d1+2t > 0) betroffen sind um 28 Prozentpunkte. In der Zahnmedizin gilt, dass beginnende Schmelzkaries durch entsprechende Präventionsmaßnahmen (lokale Fluoridapplikation zusammen mit guter Mundhygiene) ausheilbar (reversibel) ist.

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Kapitel 4 / Karies im Milchgebiss, 1996 bis 2011 43

Tabelle 4.1: 6-bis 7-Jährige – Kariesmorbidität 1996 bis 2011, alle Kinder in Prozent

Diagnose 1996 2001 2006 2011

Völlig gesundes Gebiss (d1+2+3 mft = 0)

7 30 30 39

Kariesvorstufe (d1+2 > 0; d3mft = 0)

40 19 15 13

Kariesfrei (d3mft = 0) 47 49 45 52

Saniert (d3t = 0, mft > 0) 13 18 15 15

Behandlungsbedarf (d3t > 0)

40 32 40 33

Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012

Die folgenden Abschnitte setzen sich eingehender mit der Entwicklung der Karieser-fahrung bei Kindern aus sozial schwächer gestellten Familien (Kinder mit Migrations-hintergrund, Kinder von Eltern ohne Matura) auseinander.

Tabelle 4.2: 6-bis 7-Jährige – Kariesmorbidität 1996 bis 2011, nach Migration, Kinder in Prozent

Diagnose 2006 2011

Ohne Mig Mig Ohne Mig Mig

Völlig gesundes Gebiss (d1-3 mft = 0)

37 17 47 23

Kariesfrei (d3mft = 0) 53 29 60 35

Behandlungsbedarf (d3t > 0)

32 58 24 52

Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012

Aus Tabelle 4.2 ist wiederum deutlich ersichtlich, dass Kinder aus Familien mit Migra-tionshintergrund noch an vergleichsweise viel zu hoher Karieserfahrung leiden. Während in der Gruppe der einheimischen Kinder (ohne Mig) gegenwärtig schon mehr als die Hälfte (60 %) kariesfrei ist, leidet in der Migrantengruppe noch mehr als der gleiche Anteil an Dentinkarieserfahrung (65 % haben Karieserfahrung; 35 % sind kariesfrei). Völlig gesunde Milchgebisse findet man bei Kindern aus eingewanderten Familien vergleichsweise selten. Ein knappes Viertel (23 %) der Sechsjährigen mit Migrationshintergrund gegenüber 47 Prozent ihrer Altersgenossinnen und Altersge-nossen ohne Migrationshintergrund erfreuen sich „völlig“ gesunder Milchzähne, ohne jegliche kariöse Spuren. Während von den einheimischen Kindern gegenwärtig rund ein Viertel (24 %) füllungsbedürftige Kavitäten an den Milchzähnen aufweist, benötigt gut die Hälfte der Migrantenkinder (52 %) akut zahnärztliche Behandlung (vgl. Tabelle 4.2).

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44 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus 2011 bei Sechsjährigen

Abbildung 4.1: 6- bis 7-Jährige - Veränderungen der Kariesmorbiditat 2006 bis 2011 in Prozentpunkten nach Migrationshintergrund

Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012

Abbildung 4.1 demonstriert die Entwicklung der Kariesmorbidität, indem sie die zwischen den Jahren 2006 und 2011 eingetretenen Veränderungen der wichtigsten Parameter als Differenz in Prozentpunkten ausweist. Am höchsten fällt die Zunahme an völlig gesunden Milchgebissen bei einheimischen Kindern (ohne Mig) aus. Sie beträgt gegenüber der Erhebung des Jahres 2006 zehn Prozentpunkte. In der Gruppe der einheimischen Kinder (ohne Mig) ist auch die Zunahme an kariesfreien Probandinnen und Probanden ganz geringfügig stärker ausgeprägt als in der Migrantengruppe (Mig), bei gleichzeitiger Reduktion des Anteils an Buben und Mädchen, deren Milchzähne einer zahnärztlichen Behandlung bedürfen (der Behandlungsbedarf ist um 8 Prozentpunkte gefallen). Dennoch erreichte auch die Gruppe der Kinder mit Migrati-onshintergrund in den letzten fünf Jahren in allen Parametern zur Kariesmorbidität geringfügige Verbesserung (vgl. Abbildung 4.1).

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Mig

Behandlungsbedarf

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Völlig gesundes Gebiss

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Kapitel 4 / Karies im Milchgebiss, 1996 bis 2011 45

Tabelle 4.3: 6- bis 7-Jährige – Kariesmorbidität 1996 bis 2011, nach Bildung der Eltern, alle Kinder in Prozent

Diagnose 2006 2011

Matura Ohne Matura Matura Ohne Matura

Völlig gesundes Gebiss (d1-3 mft = 0)

37 26 48 26

Kariesfrei (d3mft = 0) 56 39 60 37

Behandlungsbedarf (d3t = 0)

30 46 24 49

Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012

Tabelle 4.3 stellt die Entwicklung der Kariesmorbidität in Abhängigkeit vom Bildungs-status der Eltern dar. Aktuell zeigt lediglich ein gutes Drittel (37 %) der Erstklässler/-innen aus bildungsschwachen Familien (ohne Matura) ein kariesfreies Milchgebiss. Demgegenüber ist mehr als die Hälfte (60 %) der Kinder von Eltern mit Matura, karies-frei. Bei knapp einem Viertel (24 %) der Kinder von Eltern mit Matura ist akut zahnärzt-liche Behandlung gefordert. In der Gruppe der Kinder von Eltern ohne Matura leidet indessen beinahe jedes zweite Kind (49 %) an mindestens einer nicht behandelten Kavität im Milchgebiss. Völlig gesunde Gebisse haben Kinder aus Familien mit niedri-gerem Bildungsstatus (ohne Matura) vergleichsweise selten. Diese Diagnose stagniert in der Gruppe der Kinder von Eltern ohne Matura seit dem Erhebungsjahr 2006 auf dem Niveau von 26 Prozent. Bei jenen Sechsjährigen aus bildungsfernerer Schicht (ohne Matura) zeigt sich sogar ein Trend der Verschlechterung (vgl. Abbildung 4.2). Der Anteil kariesfreier Milchgebisse fällt zwischen 2006 und 2011 um 2 Prozentpunkte ab und der Anteil behandlungsbedürftiger Kinder nimmt um 3 Prozentpunkte zu. Als stärkste Verbesserung fällt in Abbildung 4.2 die Zunahme (11 Prozentpunkte) des Anteils völlig gesunder Milchgebisse in der Gruppe der Kinder von Eltern mit Matura auf.

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46 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus 2011 bei Sechsjährigen

Abbildung 4.2: 6- bis 7-Jährige – Veränderungen der Kariesmorbidität 2006 bis 2011 in Prozentpunkten nach Bildung der Eltern

Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012

4.2 Kariesprävalenz

Während sich bei den Sechsjährigen zwischen den Jahren 1996 und 2001 kariöser Flächenbefall (d3mfs-Index) noch halbiert, verbessert sich in den Folgejahren im Österreich-Durchschnitt der d3mfs-Index kaum (vgl. Abbildung 4.3). In den letzten fünf Jahren (zwischen 2006 und 2011) erreichten nur die Gruppe der Kinder ohne Migrationshintergrund (Kariesreduktion = 43 %) und jene Kinder von Eltern mit Matura eine Kariesreduktion (23 %). In der Untersuchungsgruppe der Migrantenkinder beträgt die entsprechende Reduktion nur 14 Prozent und bei jenen Kindern von Eltern ohne Matura ist der Kariesbefall der Milchzähne um lediglich 5 Prozent zurückgegangen (vgl. Abbildung 4.3). Tendenziell ist der Trend der Kariesrückentwicklung pro Kind zwar über alle Subgruppen hinweg erkennbar, der Grad der Verbesserung erweist sich aber als schichtabhängig. Migrationshintergrund oder niedriger Bildungsgrad der Eltern verringert die Rückentwicklungchancen der Kariesaktivität im Milchgebiss bedeutend.

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Kapitel 4 / Karies im Milchgebiss, 1996 bis 2011 47

Abbildung 4.3: 6- bis 7-Jährige – d3mfs-Indexwerte 1996 bis 2011, alle Kinder, nach Migrationshintergrund und Bildung der Eltern

Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012

4.3 SiC-Index

Abbildung 4.4 veranschaulicht die Entwicklung der SiC-Indexwerte in Abhängigkeit von soziodemografischen Variablen (Mig, ohne Mig, Mat, ohne Matura). Auffallend ist, dass die SiC-Indexwerte bei Migrationshintergrund und niedrigem Bildungsgrad der Eltern (ohne Matura) in den letzten fünf Jahren noch anstiegen, während sie beim Durch-schnitt der Sechsjährigen (alle Kinder), in der Gruppe der einheimischen Kinder und jener mit hohem Bildungsniveau der Eltern (mit Matura) sanken. Das bedeutet, dass die Kariesaktivität beim Risikodrittel mit Migrationshintergrund und niedrigerem familiären Bildungsstatus (ohne Matura) in den letzten fünf Jahren zugenommen hat.

Häufig leiden diese Kinder schon im Kleinkindesalter an kariösen Zähnen. Frühe Milchzahnkaries (Early Childhood Caries = ECC) entsteht meist, wenn Kleinkinder beim Einschlafen an Flaschen mit süßen Getränken nuckeln oder ständig etwas naschen. Diese für die Zahngesundheit ungünstigen Bedingungen müssen unbedingt durch frühe Beratung (schon während der Schwangerschaft) beeinflusst werden. Eltern sollen lange bevor Zahnprobleme auftreten über den Erhalt der Babyzähne bescheid wissen. Die Bemühungen der Länder müssen auf vollständige Vermeidung von Kinderzahnka-ries hinzielen.

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Abbildung 4.4: 6- bis 7-Jährige – SiC-Indexwerte 1996 bis 2011, alle Kinder, nach Migrationshintergrund und Bildung der Eltern

Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012

4.4 Sanierungsgrad

Der Sanierungsgrad (Anteil unbehandelter Milchzähne am d3mft-Index; vgl. Punkt 3.1.4) stagniert seit Einführung der Zahnstatuserhebungen im Jahr 1996 bei den Sechsjährigen – mit Ausnahme geringer Schwankungen – auf viel zu niedrigem Niveau (40 %). Das bedeutet, dass in Österreich bei Sechsjährigen mehr als die Hälfte der kariösen Milchzähne (60 %) nach wie vor nicht gefüllt ist. Von mangelnder Sanierung besonders betroffen sind wiederum jene Kinder mit niedrigerem Bildungsgrad der Eltern (zwei Drittel der kariösen Milchzähne sind nicht saniert) sowie jene mit Migrati-onshintergrund (beinahe drei Viertel sind nicht behandelt). Hoher Bildungsstatus der Eltern und kein Migrationshintergrund hingegen wirken sich positiv auf die Behand-lungsbereitschaft für kariöse Milchzähne aus. Die höchsten Sanierungsgrade errechnen sich in der Gruppe der einheimischen Kinder (ohne Mig) und jener mit hohem Bil-dungsstatus der Eltern (vgl. Abbildung 4.5). Aber auch bei diesen Kindern ist noch immer ca. die Hälfte der kariösen Milchzähne nicht zahnärztlich behandelt.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob zahnärztliche Leistungen in Österreich von Sechsjährigen nur unzureichend in Anspruch genommen werden oder ob in Zahnarztpraxen unzureichende Milchzahnsanierung betrieben wird. Die Frage nach

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Kapitel 4 / Karies im Milchgebiss, 1996 bis 2011 49

dem Grund der mangelnden Sanierung von Milchzähnen soll Gegenstand weiterer Untersuchungen sein. Mit den vorliegenden Daten ist eine dahingehende Erklärung nicht möglich. Jedenfalls ist Milchzahnkaries vermeidbar und es müsste gar nicht erst „gebohrt“ bzw. behandelt werden, wenn Eltern den Ratschlägen zur richtigen Mundhy-giene, zu frühzeitigen zahnärztlichen Kontrollbesuchen und zur gesunden Ernährung ihrer Kinder nachkommen würden (Winter 2008).

Abbildung 4.5: 6- bis 7-Jährige – Sanierungsgrad 1996 bis 2011, alle Kinder, nach Migrationshintergrund und Bildung der Eltern in Prozent

Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012

In Anbetracht des unverändert hohen Behandlungsbedarfes im Milchgebiss einerseits und der großen Bedeutung der Milchzähne als Platzhalter für die weitere Gebissent-wicklung andererseits, besteht hoher Handlungsbedarf. Kariöse Milchzähne müssen unbedingt behandelt werden.

4.5 Mundhygiene und Visible-Plaque-Index

Zentrales Element für gute Mundgesundheit ist regelmäßige tägliche Zahnreinigung mit fluoridierter Zahnpasta. Der Oberste Sanitätsrat empfiehlt, sich die Zähne mindes-tens zweimal täglich richtig zu putzen. Bei Kindern sollen mindestens bis zum sechs-ten Lebensjahr die Eltern die Verantwortung für die Mundhygiene übernehmen (Emp-

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50 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus 2011 bei Sechsjährigen

fehlungen des Obersten Sanitätsrates, Kommission für Zahnmedizin und Prophylaxe, http: www.bmgf.gv.at, 2003).

Abbildung 4.6: 6- bis 7-Jährige – mindestens zweimal tägliches Zähneputzen, alle Kinder, nach Migrationshintergrund und Bildung der Eltern, in Prozent

Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012

Aus Abbildung 4.6 geht hervor, dass Zähneputzen bei der überwiegenden Mehrheit der Sechsjährigen in allen sozialen Schichten fixer Bestandteil täglicher Routinehandlungen ist. Allerdings sinkt innerhalb der letzten fünf Jahre der Anteil jener Mädchen und Buben, die sich, wie von Expertinnen und Experten gefordert, täglich zweimal die Zähne reinigen in beinahe allen Subgruppen ganz geringfügig. Am stärksten fällt dieser „Rückschritt“ in der Gruppe der Kinder mit Migrationshintergrund aus (vgl. Abbildung 4.6). Dort ist der Anteil jener Kinder, die angeben sich mindestens zweimal täglich die Zähne zu reinigen, zwischen den Jahren 2006 und 2011 um neun Prozent-punkte gefallen. Eine weitere ungünstige Entwicklungstendenz im Zahnputzverhalten der Kinder veranschaulicht Abbildung 4.7. Demgemäß steigt zwischen den Jahren 2006 und 2011 der Anteil jener Sechsjährigen, die sich nicht täglich die Zähne reinigen (seltener als 1 x täglich) in allen sozialen Untergruppen ganz leicht an. Kinder mit Migrationshintergrund sowie jene aus bildungsfernerem Elternhaus (ohne Matura) sind dabei am häufigsten von unzureichender Zahnreinigung betroffen (vgl. Abbildung 4.6 und Abbildung 4.7).

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Kapitel 4 / Karies im Milchgebiss, 1996 bis 2011 51

Abbildung 4.7: 6- bis 7-Jährige – seltener als einmal tägliches Zähneputzen, alle Kinder, nach Migrationshintergrund und Bildung der Eltern in Prozent

Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012

Die Empfehlung der Zahnmediziner und Zahnmedizinerinnen, dass Eltern das Zähne-putzen ihrer Kinder mindestens bis zum sechsten Lebensjahr überwachen sollen (Empfehlungen des Obersten Sanitätsrates, Kommission für Zahnmedizin und Prophy-laxe, http: www.bmgf.gv.at, 2003), wird von den Sechsjährigen zunehmend häufiger angenommen (vgl. Abbildung 4.8). In der Gruppe der einheimischen Kinder bzw. jener Kinder aus Familien mit hohem Bildungsgrad werden die Kinderzähne schon zu mehr als 50 Prozent von den Eltern nachgeputzt. Mangelndes diesbezügliches Engagement bzw. „Know how“ bestehen noch in Familien mit Migrationshintergrund (vgl. Abbildung 4.8). In der Migrantengruppe wird das Zähneputzen gegenwärtig nur bei einem guten Viertel der Kinder von den Eltern kontrolliert und in der Gruppe der Kinder von Eltern ohne Matura beträgt dieser Anteil ein gutes Drittel mit ansteigender Tendenz.

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52 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus 2011 bei Sechsjährigen

Abbildung 4.8: 6- bis 7-Jährige – Kind putzt selbst Zähne, Erwachsener putzt nach, alle Kinder, nach Migrationshintergrund und Bildung der Eltern in Prozent

Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012

Den Mundhygienezustand der Sechsjährigen überprüften die Untersucher/innen mittels VPI (Visible Plaque Index). Die Plaque-Auswertungen zeigen, dass gegenwärtig österreichweit rund die Hälfte (51 %) der Sechsjährigen vorzügliche Mundhygiene betreibt (kein Zahn weist Plaque-Beläge auf, der VPI = 0 % vgl. Abbildung 4.9). In der Migrantengruppe ist es ein gutes Drittel (37 %) und in der Gruppe der Kinder mit niedrigem Bildungsgrad der Eltern weist ein gutes Viertel (26 %) den VPI von null auf. Am häufigsten zeigen Kinder von Eltern mit Matura vorzügliche Mundhygiene (58 % weisen einen VPI = 0 auf). Es fällt auf, dass in der Gruppe der Kinder von Eltern ohne Matura der Anteil jener Sechsjährigen mit vorzüglicher Mundhygiene innerhalb der letzten fünf Jahre um dreizehn Prozentpunkte gefallen ist, während die übrigen Untersuchungsgruppen diesbezüglich geringfügige Verbesserungen erreichten. Die vorliegenden Daten zum Mundhygienezustand korrelieren stark mit den Ergebnissen zur Karieserfahrung (vgl. Tabelle 4.1, Tabelle 4.2, Tabelle 4.3). Vorzüglicher Mundhy-giene (VPI = 0 %) ist mit niedriger Kariesaktivität verbunden.

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Kapitel 4 / Karies im Milchgebiss, 1996 bis 2011 53

Abbildung 4.9: 6- bis 7-Jährige – VPI = null 1996 bis 2011, alle Kinder, nach Migrationshintergrund und Bildung der Eltern in Prozent

Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012

Von sehr schlechter Mundhygiene (VPI > 50 %) und daraus resultierendem erhöhten Kariesrisiko betroffen sind österreichweit 12 Prozent der Sechsjährigen. In der Gruppe der Migrantenkinder und jener Kinder von Eltern ohne Matura weist ca. ein Viertel sehr schlechte Mundhygiene auf, während in der Gruppe der Kinder von Eltern mit Matura nur mehr ganz wenige (8 %) sehr schlechte Zahnhygiene betreiben. Der Anteil der „Zahnputzmuffel“ (VPI > 50 %) reduzierte sich in den Subgruppen „ohne Migrationshin-tergrund und Eltern mit Matura“ geringfügig. Parallel dazu stieg bei Migrationshin-tergrund und niedrigerem Bildungsgrad der Eltern (ohne Matura) der Anteil der Kinder mit sehr schlechten Mundhygienestatus geringfügig an (vgl. Abbildung 4.10). Das heißt, dass in sorgfältiger und ausreichender Mundhygiene bei den Sechsjährigen noch ein wesentliches Verbesserungspotential liegt.

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54 © GÖG/ÖBIG, Zahnstatus 2011 bei Sechsjährigen

Abbildung 4.10: 6- bis 7-Jährige – VPI > 50 Prozent, alle Kinder, nach Migrationshintergrund und Bildung der Eltern in Prozent

Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012

Die VPI-Ergebnisse korrelieren mit den Angaben der Kinder zu ihrem Zahnputzverhal-ten. Unzureichende Zahnhygiene und erhöhte Plaquewerte betreffen am häufigsten Migrantenkinder und jene Buben und Mädchen aus bildungsferneren Familien. Laut Experten und Expertinnen hängen bis zum zehnten Lebensjahr der Kinder das Zahn-putzverhalten sowie der VPI vom Engagement der Eltern ab. Gute Mundhygiene ist „Grund-Voraussetzung“ für kariesfreie Zähne.

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Kapitel 5 / Sechsjährige im europäischen Vergleich 55

5 Sechsjährige im europäischen Vergleich

Für den europäischen Vergleich wurden die WHO-Datenbank (Global Oral Data Bank, http:www.mah.se/CAPP/Methods-and-Indices/for-Caries-prevalence), das Council of European Chief Dental Officers (CECDO); die European Association of Dental Public Health (EADPH) sowie verschiedene medizinische Datenbanken (Keywords: caries experience, caries trends, primary dentition, six year olds, oral health surveillance, Europe) und diverse Fachzeitschriften nach Daten bei vergleichsrepräsentativen Stichproben durchsucht. Die folgenden Abschnitte beschreiben die Ergebnisse dieser Recherche.

Da die WHO die Zwölfjährigen als Indikator-Altersgruppe zur Darstellung des Mundge-sundheitszustandes der Bevölkerung eines Landes präferiert, finden sich gegenwärtig in der Global Oral Data Bank für die Altersgruppe der Sechsjährigen kaum vergleichba-re aktuelle Länder-Daten. Die wenigen, verfügbaren Ergebnisse zur Kariesverbreitung im Milchgebiss lassen einen Vergleich mit den vorliegenden österreichischen Daten nur höchst eingeschränkt zu, da vermutlich unterschiedliche Definitionen der Karies benützt werden. In der WHO-Datenbank ist nicht angegeben, nach welcher Methode Karies dokumentiert ist (WHO-System oder ICDAS II) bzw. auf welchem Kariesnivau (Mikrokavitätenstadium oder Kavitätenstadium) der d3mft-Index basiert. Ebenso wenig ist in der WHO-Global Oral Data Bank angegeben, ob die Milchschneidezähne in der Berechnung der Kariesindikatoren berücksichtigt wurden. Außerdem liegen in der WHO-Datenbank Ergebnisse vor, die das genaue Alter der Probandinnen und Proban-den nicht ausweisen. Einige Länder erheben Sechsjährige in Volksschulen, während manche Länder für den Kariesstatus im Milchgebiss fünfjährige Kindergartenkinder heranziehen. Daraus resultieren Prävalenzwerte, die nicht direkt miteinander ver-gleichbar sind. Die Prävalenzwerte der österreichischen Stichprobe (6- bis 7-Jährige) z. B. fallen aufgrund des höheren Alters der Kinder vergleichsweise hoch aus. Schließ-lich ist in der Global Oral Databank der WHO auch nicht angegeben, ob die Untersu-chungen repräsentativ für das ganze Land sind oder ob es sich lediglich um regionale Ergebnisse handelt. Gegenwärtig arbeitet aber ein Expertenteam der WHO an der Standardisierung bzw. Aktualisierung der Global Oral Data Bank.

Die Recherche zu „Kariestrends im Milchgebiss in Europa“ liefert dennoch einige Daten, die eine ungefähre Einschätzung der europäischen Lage zulassen. Tabelle 5.1 präsen-tiert identifizierte Indikator-Werte zur Karieserfahrung im Milchgebiss (Prozent-Anteile der Kinder mit Karieserfahrung und d3mft-Indexwerte) einiger europäischer Länder. Basis für die Vergleichbarkeit der Prävalenzwerte sind in den identifizierten Studien das Alter der erhobenen Kinder wie auch die Dokumentation und die Berechnung der einzelnen Komponenten des d3mft-Index entsprechend der Definition des ICDAS-II-Systems. Das bedeutet, dass als sichtbare Dentinkaries die ICDAS-Diagnosen 4, 5 und 6 (vgl. Tabelle 2.4) in die Berechnung des d3mft-Indexwertes einflossen. In den Studien

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wurden alle vorhandenen Milchzähne (auch die Milchschneidezähne) nach ICDAS bewertet.

Tabelle 5.1 zeigt, dass vor allem wohlhabende, westeuropäische Industriestaaten dem bis zum Jahr 2000 vorgegebenen WHO-Ziel, wonach die Hälfte der Sechsjährigen kariesfrei sein sollte, entsprechen. In den wirtschaftlich schlechter gestellten osteuro-päischen Ländern hingegen besteht vergleichsweise erhöhte Karieserfahrung im Milchgebiss. Der globale Trend des „Caries Decline“ – wie er bei den Zwölfjährigen für das bleibende Gebiss nun schon seit Jahren beobachtet wird, ist im Milchgebiss nicht ausgeprägt. Wenn die Entwicklung bezüglich Milchzahnkarieserfahrung weiterhin ähnlich stagniert wie in den jüngst vergangenen Jahren, werden die meisten europäi-schen Länder den Anspruch der WHO (80 % kariesfrei bis 2020) nicht erfüllen. Insofern bleibt Milchzahnkaries in Europa weiterhin ein virulentes Public-Health-Problem. Da Zahngesundheit im Milchgebiss bedeutend für die weitere Gebissentwicklung und die spätere Mundgesundheit einer Person ist, muss schon aus rein volkswirtschaftlichen Überlegungen vermehrtes „Know how“ bereitgestellt werden, um frühe Karies weitest-gehend zu verhindern und die Kosten für Mundgesundheit begrenzt zu halten.

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Kapitel 5 / Sechsjährige im europäischen Vergleich 57

Tabelle 5.1: 6- bis 7-Jährige – Kariestrends in Europa

Land Jahr Karieserfahrung, Anteil Kinder

d3mft-Index

Anmerkungen Quelle

Belgien, Flandern 2006 31 2,7 5-Jährige Declerk 2006

Deutschland 2004 n.v. 2,2 6- bis 7-Jährige Pieper, DAJ-Studie 2006

Deutschland 2009 54 1,9 6- bis 7-Jährige Pieper, DAJ-Studie 2009

England, Wales 2005 40 1,6 5-Jährige Pitts, BASD-Surve 2005

Island 2005 42 n.v. 6-Jährige Agustsdottir 2010

Italien, Veneto 2005 34 1,5 5-Jährige Ferro 2007

Norwegen, Tromso 2007 26 0,9 5-Jährige Marstrander 2006

Österreich 2001 51 2,1 6- bis 7-Jährige GÖG/ÖBIG 2002

Österreich 2006 55 2,7 6- bis 7-Jährige GÖG/ÖBIG 2007

Österreich 2011 48 2,1 6- bis 7-Jährige GÖG/ÖBIG 2012

Polen, Mazowsze 2006 n.v. 6,2 5-Jährige Jodokowska 2006

Rumänien, Bukarest 2010 72 8 6- bis 8-Jährige Dumitrache 2009

Schottland 2005 55 2,8 5-Jährige Pitts, BASD-Surve 2005

Schottland 2010 36 1,5 n.v. National Dental Ispection-Programe (NDIP) 2010

Slowakei, Kosice 2006 71 5,5 5-Jährige Veslinyova 2006

Tschechien, Prag 2006 58 n.v. 5-Jährige Broukal 2006

n. v. = Daten nicht verfügbar

Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012

Die Ergebnisse der epidemiologischen Begleituntersuchungen zur Gruppenprophylaxe der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnheilkunde (Pieper 2009) lassen sich am besten mit den GÖG-Daten (Länderzahnstatuserhebung 2011/12 in Österreich bei Sechsjährigen) vergleichen, da in den Erhebungen methodisch weitgehend überein-stimmend vorgegangen wurde.

Auffällig ist, dass sich in Österreich wie auch in Deutschland die in verschiedenen Bundesländern ermittelten oralepidemiologischen Werte erheblich unterscheiden, wobei die Schwankungen in Österreich noch etwas stärker ausgeprägt sind (vgl. Tabelle 5.2 und Tabelle 5.3). Z. B. liegt die Spannweite der mittleren d3mft-Werte in Deutschland zwischen 1,3 (in Saarland) und 2,6 (in Thürigen). In Österreich weist

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das Burgenland mit 3,1 d3mft die höchste Kariesaktivität im Milchgebiss aus, während die Tiroler Kinder bereits sehr geringe Karieserfahrung aufweisen. Das niedrige Tiroler Kariesprävalenzniveau von 0,7 d3mft wird auch von keinem der deutschen Bundeslän-der unterboten oder erreicht. Die aktuellen Werte von deutschlandweit 54 Prozent und österreichweit 52 Prozent kariesfreien Sechsjährigen liegen noch fernab vom WHO-Zielwert für das Jahr 2020 (Kariesfreiheit bei 80 % der 6– bis 7-Jährigen). Lediglich Tirol steht als Vorbild mit 70 Prozent kariesfreien Milchgebissen dem WHO-Postulat 2020 bereits relativ nahe. Zu erwähnen ist auch, dass die gegenüber den d3mft-Indizes ermittelten erhöhten SiC-Werte auf Polarisierung der Karies hinweisen. Diesbezüglich zeigt sich in Deutschland eine ähnlich problematische Situation wie in Österreich: Eine relativ kleine Gruppe an Kindern leidet am Großteil der Karieslast. Alarmierend sind auch die niedrigen Sanierungsgrade (beinahe die Hälfte der kariösen Milchzähne hat keine intakte Füllung), Zahnschmerzen und Einschränkungen der Lebensqualität begleiten einen erheblichen Teil der österreichischen und deutschen Erstklässler/innen (siehe Sanierungsgrad Tabelle 5.2 und Tabelle 5.3).

Der Einfluss sozialer Bedingungen auf die Gesundheit zeigt sich auch in regionalen Unterschieden bei der Mundgesundheit. So ist zumindest ein Teil der Varianz der für die verschiedenen Bundesländer berechneten Kariesindizes-Werte mit unterschiedli-cher soziodemografischer Struktur erklärbar.

Tabelle 5.2: 6- bis 7-Jährige – Kariestrends in Österreich

Bundesland Anteil Kinder kariesfrei

d3mft SiC-Index

Sanierungsgrad in % Quelle

Burgenland 36 3,1 7,5 33 GÖG/ÖBIG: LZS 2011/12

Kärnten 61 1,4 3,7 60 GÖG/ÖBIG: LZS 2011/12

Niederösterreich 46 2,8 7,2 24 GÖG/ÖBIG: LZS 2011/12

Oberösterreich 56 1,5 3,4 54 GÖG/ÖBIG: LZS 2011/12

Salzburg 37 3,0 6,8 54 GÖG/ÖBIG: LZS 2011/12

Steiermark 64 1,3 3,6 47 GÖG/ÖBIG: LZS 2011/12

Tirol 74 0,7 2,2 73 GÖG/ÖBIG: LZS 2011/12

Österreich gesamt1 52 2,1 5,3 40 GÖG/ÖBIG: LZS 2011 /12

1 ohne Wien und Vorarlberg LZS = Länderzahnstatuserhebung

Quelle, Berechnung und Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012

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Kapitel 5 / Sechsjährige im europäischen Vergleich 59

Tabelle 5.3: 6- bis 7-Jährige – Kariestrends in Deutschland

Bundesland Anteil Kinder

kariesfrei

d3mft SiC-Index

Sanierungsgrad in % Quelle

Bayern 50 2,4 n. v. 40 DAJ 2010

Berlin 46 2,4 6,1 43 DAJ 2010

Brandenburg 48 2,2 5,9 43 DAJ 2010

Bremen 46 2,4 6,1 38 DAJ 2010

Hamburg 55 1,7 3,7 48 DAJ 2010

Hessen 53 1,6 4,9 47 DAJ 2010

Mecklenburg-Vorpommern

44 2,3 5,8 50 DAJ 2010

Niedersachsen 57 1,8 5,0 47 DAJ 2010

Nordrhein 57 1,6 4,5 41 DAJ 2010

Rheinland-Pfalz 56 1,8 5,0 40 DAJ 2010

Saarland 62 1,3 3,8 30 DAJ 2010

Sachsen 52 1,9 n. v. 53 DAJ 2010

Sachsen-Anhalt 43 2,3 5,8 47 DAJ 2010

Schleßwig-Holstein 62 1,6 4,2 50 DAJ 2010

Thüringen 43 2,6 6,5 46 DAJ 2010

Westfalen-Lippe 53 1,9 5,2 40 DAJ 2010

Deutschland gesamt 54 1,9 n.v. 53. DAJ 2010

Quelle und Berechnung: DAJ 2010, Darstellung: GÖG/ÖBIG 2012

Der durchschnittliche Kariesrückgang in Deutschland zwischen den Jahren 1994 und 2009 beträgt 37 Prozent. Der Trend des Kariesrückgangs der 1990er Jahre setzt sich in den 2000er Jahren zwar weiter fort, der entsprechende Prozess verlangsamt sich jedoch stark (vgl. Pieper 2009). In Österreich erreichten die Sechsjährigen zwischen 1996 und 2001 noch eine Halbierung des kariösen Gebissbefalls (d3mft-Werte). In den Folgejahren aber stagnierte diese erfreuliche Entwicklung vgl. Abschnitt 4.2). Insge-samt ist die Situation in Deutschland und Österreich günstiger als in einigen anderen europäischen Ländern, aus denen sporadisch über einen Wiederansteig der Milchzahn-karies berichtet wird (Haugejorden 2002; Stecksen-Blicks 2004). Trotz der insgesamt positiven Entwicklung gibt es in Österreich sowie auch in Deutschland immer noch viel zu viel Milchzahnkaries, die teilweise extrem früh auftritt. Eine wesentliche Ursache für die langsame Kariesrückentwicklung an Milchzähnen ist sicher darin zu sehen, dass Eltern in schwierigen sozialen Lagen Präventionsangebote und zahnärztliche Dienste viel zu selten wahrnehmen (Pieper 2009). Jedenfalls sind verstärkte Anstrengungen zur

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weiteren Bekämpfung der Milchzahnkaries notwendig. Als wichtige akute Maßnahme muss für vermehrte Behandlung von Milchzähnen gesorgt werden.

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Kapitel 6 / Resümee 61

6 Resümee

Insgesamt ist die Entwicklung der Mundgesundheit bei 6- bis 7-Jährigen im Beobach-tungszeitraum 1996 bis 2011 durchaus positiv zu bewerten. Die Milchzahnkaries (d3mft-Indexwert) hat sich insgesamt um 50 Prozent reduziert. Erfreulich präsentiert sich vor allem die starke Zunahme des Anteils an Kindern mit „völlig gesunden Milch-gebissen“ (d1+2+3mft = 0). Dieser stieg innerhalb von 15 Jahren um 32 Prozentpunkte an, sodass gegenwärtig ein gutes Drittel (39 %) der Sechsjährigen vollkommen gesunde Milchzähne ohne jegliche kariöse Spuren hat. Die Entwicklung zeigt, dass orale Basis-prophylaxe (wie sie in den Bundesländern seit Jahren betrieben wird) bei einem be-trächtlichen Teil der Sechsjährigen wirkt.

Trotz dieses positiven Resultats ist Milchzahnkaries unter Sechsjährigen noch immer viel zu häufig verbreitet. Der Anteil an Kindern mit Karieserfahrung (d3mft > 0; min-destens ein Milchzahn weist Karies auf) reduzierte sich innerhalb der letzten fünfzehn Jahre lediglich um fünf Prozentpunkte, sodass gegenwärtig noch beinahe jedes zweite Kind (es sind 48 %) von Milchzahnkaries betroffen ist. Auch die in den unterschiedli-chen Untersuchungsjahren ermittelten d3mft-Indexwerte (durchschnittlicher Kariesbe-fall pro Kind bzw. Gebiss) deuten auf eine eher stagnierende Entwicklung in den letzten fünf Jahren hin. Hat sich der d3mft-Wert zwischen 1996 und 2001 noch von 4,2 auf 2,1 halbiert, gelang in den Jahren danach bei den Sechsjährigen keine bedeutende Reduktion des Kariesbefalls mehr. Die Sechsjährigen zeigen gegenwärtig durchschnitt-lich rund zwei von Karies geschädigte Milchzähne (d3mft = 2,1).

Jeder und jede dritte Erstklässler/in weist akuten zahnärtzlichen Behandlungsbedarf auf (33 % haben mindestens einen kavitierten Milchzahn). Ein Problem, das leicht zu vermeiden ist, würden Eltern mit ihren Kindern frühzeitig (ab Durchbruch der ersten Milchzähne) regelmäßig den Zahnarzt konsultieren. Dringend nötig ist auch, Zahnärzte und Zahnärztinnen für die oft sehr zeitaufwendigen und schwierigen Kinderzahnbe-handlungen zu motivieren und nicht zuletzt zu befähigen.

Der unverändert niedrige Sanierungsgrad im Milchgebiss gibt Anlass zu akutem Handeln (60 % der als kariös befundeten Zähne sind nicht saniert). Zunächst müssen jene Barrieren genau erforscht werden, die das hohe Defizit in der zahnärztlichen Behandlung von Milchzähnen bewirken.

Zahngesundheit und soziodemografische Einflussfaktoren

Die GÖG/ÖBIG-Daten bestätigen ganz deutlich die in internationalen Fachstudien beschriebene Polarisierung bei Zahnerkrankungen. In den Altersgruppen der 6- und 12-Jährigen steht einer relativ großen Gruppe ohne Karieserfahrung eine kleine Gruppe

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von „Kariesproduzenten“ gegenüber (Pieper 2009). Besonders hohes Kariesrisiko besteht für Mädchen und Buben aus Familien mit niedrigem soziökonomischem Status (niedriges Schulbildungsniveau der Eltern) sowie für jene mit Migrationshintergrund. Die Kariesprävalenz (d3mft-Index) erhöht sich gegenüber dem Durchschnitt der Sechsjährigen bei Kindern von Eltern, ohne Matura um 52 Prozent bzw. 67 Prozent, wenn es einen Migrationshintergrund gibt. In der Gruppe der Kinder von Eltern ohne Matura sind durchschnittlich zwei Drittel der von Karies betroffenen Milchzähne nicht behandelt. Kinder aus sozial schlechter gestelltem Elternhaus sind ebenso wie jene aus Migrantenfamilien eindeutig als Kariesrisikogruppe charakterisiert.

Eine wesentliche Ursache für den langsamen „Caries Decline“ bei Milchzähnen liegt sicherlich darin, dass Eltern in schwierigen sozialen Lagen sehr häufig Angebote der Zahngesundheitsvorsorge nicht wahrnehmen. Aus gesundheitsökonomischer Sicht führt aber mangelnde Prävention/Therapie von Kariesfolgen zu hohen volkswirtschaft-lichen Kosten. Abhilfe kann nur spezielle Betreuung von Risikogruppen - unter Berück-sichtigung soziokultureller Einflussfaktoren - im jeweiligen Setting schaffen. Das moderne Gesundheitssystem muss das Gesundheitsniveau breiter Bevölkerungsschich-ten anheben und auch für ein entsprechendes die (zahn)gesunde Lebensweise fördern-des soziales und gesellschaftliches Umfeld sorgen.

Europäischer Vergleich

Das Problem zu geringer Rückentwicklung von Milchzahnkaries in den letzten Jahren ist nicht allein auf Österreich beschränkt. Im Gegensatz zum globalen „Caries Decline“ in der bleibenden Dentition (12-Jährige) entwickelt sich die Zahngesundheit bei Sechsjährigen (Milchgebisse) europaweit heterogen. Während in Deutschland und in Österreich die Karieswerte langsam zurückgehen, steigen sie in Ländern wie Norwegen und England wieder. Damit ist die Situation in Österreich und Deutschland vergleichs-weise positiv, obwohl Milchzahnkarieserfahrung immer noch auf viel zu hohem Niveau verbreitet ist und der Sanierungsgrad gering bleibt. Demgegenüber haben Schweden und Dänemark eine sehr niedrige Prävalenz bei gleichzeitig gutem Sanierungsgrad erreicht und folgen weiter diesem Trend (Splieth 2009).

Milchzahnkaries ist in den meisten europäischen Ländern noch ein Problem. Vordring-liche Aufgabe ist die weitere Erforschung jener Risikofaktoren, die soziodemografisch wirksam werden. Aus diesen Ergebnissen sollen Empfehlungen für das weitere Vorge-hen abgeleitet werden. Kariesprophylaxe hat jedenfalls aus gesundheitspolitischer und volkswirtschaftlicher Sicht hohe Priorität.

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