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ZUM AUFTAKT:
NDR Sinfonieorchester & The Young ClassX
präsentieren:
NATHANIEL STOOKEY (*1970)
Mahl/er/werk (2011)(Uraufführung, Auftragswerk des NDR)
PAUSE
GUSTAV MAHLER (1860-1911)
Sinfonie Nr. 8 Es-Dur „Sinfonie der Tausend“für 3 Sopran- und 2 Altsoli, Tenor-, Bariton– und Bass-Solo,
Knabenchor, 2 gemischte Chöre und großes Orchester
ERSTER TEILHymnus „Veni, creator spiritus“ (Hrabanus Maurus)
ZWEITER TEILSchlussszene aus Goethes „Faust II“
In Zusammenarbeit mit dem Schleswig-Holstein Musik Festival Koproduktion mit dem Festival „Prager Frühling“ und der Tschechischen Philharmonie Prag
CHRISTOPH ESCHENBACH DIRIGENT
ERIN WALL SOPRAN I (MAGNA PECCATRIX)
MICHAELA KAUNE SOPRAN II (UNA POENITENTIUM)
SIMONA ŠATUROVA SOPRAN III (MATER GLORIOSA)
PETRA LANG ALT I (MULIER SAMARITANA)
MIHOKO FUJIMURA ALT II (MATER AEGYPTIACA)
NICOLAI SCHUKOFF TENOR (DOCTOR MARIANUS)
MICHAEL NAGY BARITON (PATER EXTATICUS)
JOHN RELYEA BASS (PATER PROFUNDUS)
TSCHECHISCHE PHILHARMONIE PRAG
NDR SINFONIEORCHESTER
NDR CHOR (EINSTUDIERUNG: PHILIPP AHMANN)
SCHLESWIG-HOLSTEIN FESTIVAL CHOR (EINSTUDIERUNG: ROLF BECK)
PRAGER PHILHARMONISCHER CHOR (EINSTUDIERUNG: LUKAS VASILEK)
KÜHN-CHOR PRAG (EINSTUDIERUNG: MAREK VORLÍČEK)
KNABENCHOR HANNOVER (EINSTUDIERUNG: JÖRG BREIDING)
TSCHECHISCHER KNABENCHOR BONI PUERI (EINSTUDIERUNG: PAVEL HORÁK)
FRIEDERIKE WESTERHAUS MODERATION
FREITAG, 20. MAI 2011, 20 UHR | HAMBURG O2 WORLD
Sinfonie der
Tausend
WAS MAHL/ER/WERK NICHT IST:
Es ist nicht der Versuch, sich vorzustellen,
wie Mahler selbst geschrieben hätte (im
Gegensatz zur Rekonstruktion der unvoll-
endeten Zehnten Sinfonie). Es ist kein
Medley bekannter Melodien oder eine Art
von Lite-Version, um Mahlers Musik leich-
ter verständlich zu machen. Tatsächlich
enthält das Stück fast keine erkennbare
Mahler-Melodie; die Fragmente, die ich
verwende, haben einen viel geringeren Um-
fang. Es handelt sich um keine Parodie,
es sei denn, man versteht das Wort in der
Bedeutung, das es in der Renaissance hatte
(man denke etwa an die Parodiemessen
Palestrinas). Mein Stück soll überraschen.
Es ist, als ob man Mahler durch ein Ka -
leidoskop hört. Natürlich macht sich die
Musik nie über Mahler lustig.
WAS MAHL/ER/WERK IST:
Mahl/er/werk ist ein neues Werk, das aus
vielen hundert Einzelteilen zusammenge-
setzt ist – meist sehr kleinen Fragmenten –
die alle aus den neun Sinfonien Mahlers
stammen. Jedes dieser Teile hat seine ori-
ginale Gestalt, nichts wurde transponiert,
keine Orchestrierung verändert, es sei
denn, es werden Teile weggelassen. Dieses
Werk ist eine Hommage an Mahler, und ich
möchte es von möglichst vielen Menschen
verstanden wissen, die ihren Spaß haben
sollen. Ich möchte vor allem viele junge
Menschen erreichen. Es geht mir um
Mahler, aber es geht auch um Hamburg,
meine Erinnerungen an die Stadt, die ich
mit 16 Jahren besucht habe, die Fa briken
und Tanzclubs. Das Stück soll sowohl im
wörtlichen als auch im musikalischen
Sinne „urban“ klingen. Und doch handelt
es sich durchaus um Mahler. Meine Idee
ist es, seine oft sehr modernen Werke
wie durch das Prisma unseres heutigen
Lebens zu brechen.
WIE ICH DAS STÜCK GEMACHT HABE:
Ich habe Hunderte von Passagen in den
Mahler-Partituren ausgewählt und sie
dann nach und nach wie ein riesiges
Sudoku-Puzzle zusammengesetzt.
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NATHANIEL STOOKEY ÜBER „MAHL/ER/WERK“
Mahl/er/werk
Musik verbindet. Das dachten sich auch
die Musiker des NDR Sinfonieorchesters
und die Macher von The Young ClassX,
als sie sich mit Schülern und Studenten
zusammengetan haben, um ein einmali ges
Projekt zu realisieren: NDR Sinfonieorches-
ter und The Young ClassX präsentieren
„Nathaniel Stookey: Mahl/er/werk“. Hier-
für haben die Musiker des NDR Sinfonie-
orchesters ihre langjährige Erfahrung
eingebracht, Stimmproben geleitet und die
jungen Musikbegeisterten im Vorfeld des
Konzerts mit Rat und Tat unterstützt. Das
Projektorchester setzt sich aus Studenten
der norddeutschen Musikhochschulen
(Hamburg, Lübeck, Hannover, Rostock)
sowie aus Schülern der Hamburger Jugend-
orchester zusammen (Albert-Schweitzer-
Jugendorchester, Felix Mendelssohn
Jugendsinfonieorchester, Landesjugend-
orchester Hamburg). Die Einstudierung
hat Garret Keast übernommen.
Mit der Weltpremiere von Nathaniel
Stookeys „Mahl/er/werk“ widmen sich
das NDR Sinfonieorchester und
The Young ClassX einem Vorhaben, das
vor allem jungen Menschen das faszinie-
rende Schaffen Mahlers näher bringen
soll. Stookey, 1970 in San Francisco gebo-
ren, erhielt im Alter von 17 Jahren als
jüngster Komponist einen Auftrag für die
„New and Unusual Music Series“ des San
Francisco Symphony Orchestra. Heute
werden seine Kompositionen von vielen
der weltweit größten Orchester zur Auf-
führung gebracht. Das NDR Sinfonieor-
chester hat 2009 Stookeys „The Compo-
ser is Dead“ für Erzähler und Orchester
nach einem Text von Lemony Snicket sei-
nem Hamburger Publikum präsentiert.
The Young ClassX, eine Initiative der Otto
Group und des Ensembles Salut Salon, ist
ein einzigartiges Musikprojekt, das es Kin-
dern und Jugendlichen ermöglicht, im Chor
zu singen, ein Instrument zu lernen oder in
verschiedenen Orchestern und Ensembles
zu spielen. Das Projektorchester hat u. a.
schon mit Christoph von Dohnányi und
Muhai Tang zusammengearbeitet.
AUFTAKTEINE HOMMAGE AN GUSTAV MAHLER
Gustav Mahler
Sinfonie Nr. 8
„Ich habe“, schrieb Gustav Mahler am
18. August 1906 an seinen Freund, den
Dirigenten Willem Mengelberg, „eben meine
8. vollendet. – Es ist das Größte, was ich
bis jetzt gemacht. Und so eigenartig in
Inhalt und Form, daß sich darüber gar nicht
schreiben läßt. – Denken Sie sich, daß das
Universum zu tönen und klingen beginnt.
Es sind nicht mehr menschliche Stimmen,
sondern Planeten und Sonnen, welche
kreisen.“ Mahler hatte das kolossale Werk
in nur acht Wochen zu Papier gebracht;
etwas derartiges war ihm bisher bei keinem
früheren Sinfonien gelungen. „Vor 4 Jah-
ren“, erinnerte sich Mahler später, „ging
ich am ersten Ferialmorgen in mein Häus-
chen in Maiernigg hinauf mit dem festen
Vorsatz, mich in diesen Ferien (ich hatte
es damals gerade so nötig) mich recht
auszufaulenzen und Kräfte zu sammeln! –
Beim Eintritt in das altgewohnte Arbeits-
zimmer packte mich der spiritus creator
und schüttelte und peitschte mich 8 Wo -
chen lang, bis das Größte fertig war.“
„Das Größte“: Diese Bezeichnung war
keine Übertreibung – nicht zufällig hatte
Mahler in einem Brief an seinen Biogra-
phen Richard Specht alle seinen früheren
Sinfonien als „Präludien zu dieser“ be -
zeichnet. Im Programmheft der Urauffüh-
rung, die am 12. September 1910 in der
Münchner „Neuen Musik-Festhalle“ statt-
fand (eine zweite Aufführung folgte einen
Tag darauf), werden nicht weniger als 1030
Ausführende angegeben. Die vom Münch-
ner Konzertunternehmer Emil Gutmann
stammende Bezeichnung „Sinfonie der
Tausend“ war also völlig zutreffend: Zu den
acht Vokalsolisten traten mit zwei ge misch-
ten Chören und einem Knabenchor ins-
gesamt 858 Choristen, die von einem
171 Musiker umfassenden Orchester be -
gleitet wurden.
„Denken Sie sich, ich habe in den letzten drei Wochen eine ganz neue Sinfonie in der Skizze fertig gemacht,
etwas, wogegen all meine anderen Werke nur wie Vorstufen wirken. Ich habe nie etwas Ähnliches geschrieben;
es ist im Inhalt und im Stil etwas ganz anderes als alle meine anderen Arbeiten, und es ist gewiss das Größte,
was ich gemacht habe. Ich habe auch vielleicht noch nie unter einem solchen Zwange gearbeitet;
es war wie eine blitzartige Vision – so ist das Ganze sofort vor meinen Augen gestanden und ich habe es
nur aufzuschreiben gebraucht, so, als ob es mir diktiert worden wäre ...“
Gustav Mahler in einem Gespräch mit Richard Specht
GUSTAV MAHLERS ACHTE SINFONIE
PLANETEN UND SONNEN, WELCHE KREISEN“
„
0706
Gustav Mahler, 1907<
render ausländischer Zeitungen berichte-
ten über den Premierenabend, wobei man
sich über die Außergewöhnlichkeit des
Ereignisses einig war. Thomas Mann be -
dankte sich bei Mahler mit einem hymni-
schen Dankesschreiben: „Wie tief ich Ihnen
für die Eindrücke vom 12. September
verpflichtet bin, war ich am Abend im
Hotel nicht fähig zu sagen ...“
„Alle Mitwirkenden befanden sich in feierlicher
Gehobenheit, am meisten vielleicht die Kinder,
deren Herzen ihm [Mahler] von Anfang an gehörten.
Welch ein Anblick als er vor den Tausenden der
Zuhörer in der riesenhaften Ausstellungshalle
begrüßt, vor den tausend Mitwirkenden seinen Platz
einnahm – auf dem Höhepunkt seines Lebens
stehend und schon vom Schicksal zur baldigen
Abberufung gezeichnet –, als sein Werk nun den
creator spiritus anrief …“
Bruno Walter
„EIGENARTIG IN INHALT UND FORM“
Mahler scheint mit seiner Achten Sinfonie,
die sich nicht in vier Sätze, sondern zwei
„Teile“ gliedert, die Konventionen der sin-
fonischen Gattung über Bord geworfen zu
haben. Zwar hatte die Chor-Sinfonie seit
Beethovens Neunter eine gewisse Tradition,
man denke nur an Mendelssohns Zweite
(„Lobgesang“), Liszts „Faust“- und „Dante“-
Sinfonie sowie an Mahlers eigene Zweite.
Allerdings wird in diesen Werke der Chor
erst im Finale verlangt – ganz anders als in
Mahlers Achter, in der er schon im zwei ten
Takt des ersten Teils mit Macht einsetzt.
Dass Mahler den im ersten Sinfonieteil
vertonten mittelalterlichen Pfingsthymnus
des Fuldaer Abtes und Mainzer Erzbischofs
Hrabanus Maurus „Veni creator spiritus“
mit der „Anachoretenszene“ aus Goethes
„Faust II“ kombinierte (mit Anachoreten
sind fromme Eremiten gemeint, die in Fels-
höhlen wohnend die Staffage der Szene
bilden), wurde kontrovers diskutiert. Das
für Mahler Verbindende zwischen den bei-
den so heterogen wirkenden Texten war
laut Paul Bekker „die Anrufung der schöp-
ferischen Urkraft: der Liebe als bedingen-
der und gestaltender Grundmacht alles
Seins […]. Dort Liebe als Erweckerin und
göttliche Offenbarung, hier Liebe als tätige
Kraft, als Mittlerin stufenweiser Erhebung
und Läuterung zur Verklärung.“ Ähnlich
sah es der Musikwissenschaftler Christian
08 09
„Heute die erste Gesamtprobe! Das war ein wahres
Fegefeuer! – Wenn ich hier fertig bin, weiß ich nicht,
was ich dann thun soll.“
Gustav Mahler in einem Brief an seine Frau Alma
Die Aufführungen – „auf Gustav Mahler’s
achte Symphonie ist so ziemlich die ganze
musikalische Welt gespannt“, hieß es in
den „Signalen für die musikalische Welt“ –
wurden zu den größten Triumphen Mahlers,
dessen Freunde und Anhänger von überall
her angereist waren: Willem Mengelberg,
Bruno Walter, Otto Klemperer, Arnold
Schönberg, Anton Webern, Richard Strauss,
Alfredo Casella, Siegfried Wagner, Max
Reinhard, Arnold Berliner, Alfred Roller
sowie Thomas Mann und Stefan Zweig.
„Die Spannung der ganzen Stadt München
und aller Fremden, die zu dieser Auffüh-
rung gekommen waren, war ungeheuer“,
schrieb Alma Mahler in ihren Erinnerun gen.
„Schon die Generalprobe hatte alle in Ver-
zückung versetzt. Aber bei der Aufführung
überstieg dies alle Grenzen. Bei Mahlers
Erscheinen auf dem Podium erhob sich
das ganze Publikum von den Sitzen. Laut-
loses Schweigen. Es war die ergreifendste
Huldigung, die je einem Künstler bereitet
wurde.“ Paul Stefan, ein Mahler-Anhänger
der ersten Stunde, erinnerte sich so:
„Der letzte Ton verklang. Die Stille hielt an.
Plötzlich brachen die Viertausend, Hörer
wie ausführende, los, und dieser Sturm
währte fast eine halbe Stunde.“ Die Feuille-
tons fast aller inländischen sowie die füh-
Mahler leitet eine Probe zur Uraufführung seiner Achten Sinfonie. München, September 1910
Klang feldern aufzugehen. Der erste Teil
präsentiert dem Hörer geballte Kraft von
Beginn an. Die Dreiteiligkeit des Hymnus
mit Anrufung, Bitte und Lobpreis wird
durch die Dreiteiligkeit der Sonatenform
bestimmt. Mit seinem strahlenden, in den
Himmel weisenden Es-Dur-Ausklang er -
scheint dieser erste Teil wie eine große
Eröffnungsgeste, die den Blick auf die
„Faust“-Szene des zweiten Teils freigibt.
Deren einleitende Musik unterscheidet sich
im Charakter grundlegend vom vorher-
gehenden, schließlich bedurfte es nach
der anhaltenden Ekstase eines deutlichen
Gegengewichts. Richard Specht beschrieb
die 166 Takte dieses Eröffnungsabschnitts
als ein „Landschaftsbild in Tönen, das
die feierliche Öde der Bergschlucht, ihrer
Waldungen, Wasserstürze, Höhlen und
Klüfte, von geheimnisvollem Silberlicht
durchzittert, der Phantasie verzaubert:
die Gestalten der heiligen Anachoreten,
der seligen Knaben, der frommen Löwen –
während alles Kommende, die lichten,
erlösenden Himmelsscharen noch gleich-
sam in den blendenden Glanz entrückter
Höhen gehüllt wird und sich nur, einer
hohen Ahnung gleich verheißungsvoll in
herabwehenden Klängen offenbart.“ Nach
dem geheimnisvollen Gesang der Anacho-
reten erheben drei „heilige Männer“ (Pater
Ecstaticus, Pater Profundus und Pater
Seraphicus) nacheinander die Stimme.
Anschließend zeichnet die Musik mit
schwebenden Klängen die immer „höhere
Atomsphäre“ der Engel nach. Nach dem
Hynmus des Doctor Marianus (Faust)
„Hier ist die Aussicht frei“ und dem Gebet
an die Mater gloriosa, mündet der Verlauf
in die immer höhere Sphären des harfen-
umrauschten Schlussteils. In ihm erfolgt
ein letzter gewaltiger Aufschwung, mit dem
Mahler der Liebe als einer auf göttliche
Reinheit hinausweisenden Macht ein bei-
spielloses musikalisches Denkmal setzte.
„Sehen Sie, das ist meine Messe!“
Gustav Mahler gegenüber Alfred Roller
Allzu oft wurde Mahlers Achte Sinfonie als
typisches Produkt vorkriegszeitlichen
Größenwahns abgetan. Die hypertrophie-
rende Besetzung der Komposition bildet
jedoch nur den äußeren Rahmen für ein
höheres geistiges Anliegen, das Mahler
bereits 1895 gegenüber Nathalie Bauer-
Lechner formuliert hat: „Symphonie heißt
mir eben: mit allen Mitteln der vorhan-
denen Technik eine Welt aufzubauen.“
Einmal mehr schwebte dem Gott-Sucher
Mahler nichts Geringeres vor als eine in
die Bereiche der Metaphysik vordringen de,
klingende Allegorie des Universums.
Harald Hodeige
10 11
Wildhagen, der fünf Leitgedanken aus-
machte, von denen Mahlers Achte getragen
wird: 1. die Idee der „Liebe“ als welter-
lösendes Prinzip, 2. die Vorstellung einer
höheren „Gnade“, 3. die „Unzulänglichkeit“
der menschlichen Existenz, die 4. den
Wunsch nach Erleuchtung zur Folge hat und
schließlich 5. die Fortdauer der Exis tenz
nach dem Tod. Zudem gelang es Mahler,
mit Hilfe vieler motivisch-thematischer
Verknüpfungen ein enges Gewebe musika-
lischer und geistiger Bezüge zu schaffen,
das die äußerlichen Divergenzen der
Text- und Werkteile aufzuheben scheint.
„Er selbst [Mahler] hat von diesem Werke das stolze
Wort gesagt, dass es ‚ein Geschenk an die ganze
Nation‘ sei und hat dies Wort in der Hoffnung gesagt,
dass die ‚Achte‘ – im Gegensatz zu seinen anderen
vielfach schwerer zugänglichen Symphonien – die
Herzen aller Hörer mit einem Schlage zu ihm zwingen
werde. Der unwiderstehliche, überwältigend be -
glückende Eindruck, den die unvergleichliche Urauf-
führung des Riesenwerkes unter Mahler ausübte,
der ungeheure Schrei des Dankes, der nach dieser
Aufführung wie im Taumel und Furor losbrach,
schien eine Erfüllung jener Hoffnung.“
Richard Specht
„... DASS DAS UNIVERSUM ZU TÖNEN BEGINNT“
Nicht allein das Riesenaufgebot erweckt
beim Hören der Achten den Eindruck, es
würden „Planeten und Sonnen kreisen“ –
wie Mahlers Rückgriff auf die alte Mensch-
heitsidee lautet, wonach sich die irdische
Tonkunst in höherer Harmonie mit den
himmlischen Sphären zu einer kosmi schen
Musik verbinde. Bereits in den kleinsten
musikalischen Zellen finden sich Rotations-
bewegungen, etwa, wenn das mächtige
„Veni“-Thema, das sich wie ein roter Faden
durch das ganze Werk zieht, um seine
Achse gedreht, gespiegelt wird, um an -
schließend in ihrerseits rotierenden
Gustav Mahler, Achte Sinfonie, Programmzettel derUraufführung am 12. September 1910 in München
Fausts Erlösung, die sich über die mythi-
sche Logik hinwegsetzt, ist eigentlich
ir rational, da sie mit seinem Tun nicht in
kausalem Zusammenhang steht. Doch
kommt es in Goethes Drama auf die kau-
salen Zusammenhänge überhaupt an?
Handelt es sich nicht um Allegorien, um
ein kompliziertes Als-ob, in dem weder die
Gnade Gottes noch das Ewig-Weibliche
beim Wort zu nehmen ist? Mahler scheint
die Sache so gesehen zu haben, schrieb
er doch im Juni 1909 an seine Frau: „Alles
ist nur ein Gleichnis, für Etwas, dessen
Gestaltung nur ein unzulänglicher Ausdruck
für das sein kann, was hier gefordert ist.
Es läßt sich eben Vergängliches wohl
beschreiben; aber, was wir fühlen, ahnen,
aber nie erreichen werden (also was hier
ein Ereignis werden kann), eben das hinter
allen Erscheinungen Dauernde, Unvergäng-
liche ist unbeschreiblich. Das, was uns
mit mysthischer Gewalt hinanzieht, was
jede Creatur, vielleicht sogar die Steine,
mit unbedingter Sicherheit als das Cen-
trum seines Seins empfindet, was Goethe
hier – wieder in einem Gleichnis – das Ewig
Weibliche nennt – nämlich das Ruhende,
das Ziel – im Gegensatz zu dem ewigen
Sehnen, Streben, sich Hinbewegen zu
diesem Ziele – also dem Ewig Männlichen!
Du hast ganz recht, es als Liebesgewalt
zu charakterisieren. Es gibt unendlich
viele Vorstellungen und Namen dafür.“
Mahler glaubte an eine „göttliche“ Liebe,
die das ganze Universum erfüllt und die
Herzen der Menschen durchdringt: „Über
alles hin webt in uns die ewige Liebe.“
Dabei war für den Schopenhauer-Leser
dieses welterlösende Prinzip unmittelbar
mit dem Gedanken von Mitleid und Gnade
(Caritas) verbunden. In diesem Sinne wird
Mahlers „Faust“-Sinfonie zu einer „Liebes“-
Sinfonie, die an ihrem Ende unmittelbar
an den Anfang anknüpft: „Komm, Schöpfer,
Geist! / Kehre ein bei den Deinen, / Gieße
deine himmlische Gnade aus, / in die
Herzen, die du erschaffen hast.“
Harald Hodeige
12
Gustav Mahler, Fotografie von Moriz Nähr, 1907
13
ANMERKUNGEN ZUR SCHLUSSSZENE AUS GOETHES „FAUST II“
WER IMMER STREBENDSICH BEMÜHT“
„
„Wer immer strebend sich bemüht, / Den
können wir erlösen“, singt der Chor der
Engel, die, „in der höheren Atmosphäre“
schwebend, „Faustens Unsterbliches“
tragen. Fast scheint es, als wäre in diese
Zeilen die Quintessenz von Goethes
gesamtem „Faust“-Drama gegossen. Der
Unterschied zum Ende von Mozarts „Don
Giovanni“, bei dem der Held mit Pauken
und Trompeten in die Hölle hinab fährt,
liegt auf der Hand: „Questo è il fin di chi
fa mal! E de’ perfidi la morte alla vita è
sempre ugual!“ – „Also stirbt, wer Böses
tat. Ja, dem Sünder wird Vergeltung, wenn
die letzte Stunde naht!“ Wird der Sünder
vom Teufel geholt, lässt sich gut morali-
sieren. Schwerer fällt es hingegen, Himmel-
fahrt und Verklärung des sündigen Faust
zu rechtfertigen, der in seinem Streben
nach absoluter Erkenntnis mit dem Teufel
um die eigene Seele wettet und – verliert.
Insofern ist es wohl kein Zufall, dass
mancher Musiker in die Handlung eingriff:
Noch Berlioz lässt Faust in der Verdamm-
nis enden; Schumann, Liszt, Boito, Wagner
(in der frühen „Faust“-Ouvertüre) und
nicht zuletzt Mahler erlösen ihn, so wie es
Goethe gewollt hat. Diese Verklärung
scheint mit den Sätzen des Engelschors
legitimierbar, schließlich ist das Streben
im ersten „Faust“-Teil eine Art Leitmotiv.
Der Gesang der Engel geht aber noch wei-
ter: „Und hat an ihm die Liebe gar / Von
oben teilgenommen, / Begegnet ihm die
sel’ge Schar / Mit herzlichem Willkommen.“
Das Streben nach Höherem allein scheint
nicht auszureichen, der Strebende muss
auch hinaufgezogen werden. Doch womit
hat es Faust eigentlich verdient, immer
weiter in die Höhe gezogen zu werden,
oder stellte sich diese Frage für Goethe
und Mahler nicht? Die ganze Schlussszene
des fünften Aktes besteht in Fausts
Emporschweben in immer höhere, reinere
Sphären – eine kontinuierliche Elevation,
der Mahler in seiner Faust-Vertonung
konsequent folgte.
„Meistens verlangte er aber, daß ich Goethe vorlese,
‚Faust zweiten Teil‘. Er kostete dann die Stellen,
die er schon auswendig wußte, von neuem aus.“
Ernst Descey über gemeinsame
Leseabende mit Mahler
„Als Sonne aber stand am Himmel seiner geistigen Welt Goethe, den er in selten umfassender Weise kannte
und aus unbegrenzter Gedächtniskraft zu zitieren liebte.“
Bruno Walter über Gustav Mahler
Gustav Mahler
Sinfonie Nr. 8
Gesangstexte
14 15
KOMM, SCHÖPFER, GEIST
(HRABANUS MAURUS)
Komm, Schöpfer, Geist!
Kehre ein bei den Deinen,
Gieße deine himmlische Gnade aus,
in die Herzen, die du erschaffen hast.
Der du Tröster genannt wirst,
des höchsten Gottes Gabe.
Quell des Lebens, Feuer, Liebe
und heilige Weihe.
Komm, Schöpfer, Geist! etc. …
Stärke die Schwachheit unseres Körpers,
bestärke uns durch deine ewige Kraft.
Entzünde dein Licht unseren Sinnen,
ströme die Liebe in unsere Herzen.
Den Feind treibe in weite Fernen
Und gib uns fürderhin Frieden.
Unter deiner vorsorglichen Führung,
werden wir Sieger über alles Böse.
Du Siebengestaltiger in deinen Gaben
Du, des Höchsten rechte Hand.
Unter deiner vorsorglichen Führung,
Du Siebengestaltiger in deinen Gaben.
GESANGSTEXTE1. TEIL
VENI, CREATOR SPIRITUS
(HRABANUS MAURUS)
Veni, creator spiritus!
Mentes tuorum visita.
Imple superna gratia,
Quae tu creasti pectora.
Qui (tu) Paraclitus diceris,
Donum Dei altissimi,
Fons vivus, ignis, caritas,
Et spiritalis unctio.
Veni, creator spiritus! etc. …
Infirma nostri corporis
Virtute firmans perpeti.
Accende lumen sensibus,
Infunde amorem cordibus.
Hostem repellas longius,
Pacemque dones protinus;
Ductore sic te praevio,
Vitemus omne pessimum.
Munere tu septiformis,
Tu septiformis munere.
Digitus paternae dextrae
Ductore praevio te.
NDR Chor<
16 17
Per te sciamus da Patrem,
Noscamus (atque)* Filium,
(Te utriusque)* Spiritum
(per te) credamus omni tempore.
Accende lumen sensibus
Infonde amorem cordibus.
Veni, creator spiritus!
Da gaudiorum praemia,
Da gratiarum munera,
Dissolve litis vincula,
Adstringe pacis foedera.
Gloria Patri Domino,
Deo sit gloria et Filio
Natoque, qui a mortuis
Surrexit, ac Paraclito
(Gloria) in saeculorum saecula.
Lass uns erfassen den Vater
(und auch)* erkennen den Sohn,
(und an dich)* den Geist beider,
Glauben jetzt und immer.
Entzünde dein Licht unseren Sinnen,
ströme die Liebe ein in unsere Herzen.
Komm, Schöpfer, Geist!
Gewähre den Freuden Vorgefühl,
schenke uns der Gnaden Heil,
löse uns aus der Zwietracht Fesseln,
und knüpfe das Band des Friedens.
Ehre sei dem Vater, dem Herrn,
und dem Sohne, der
von den Toten auferstand,
und dem Erlöser Geist
von Ewigkeit zu Ewigkeit.
*von Mahler ausgelassen
HEILIGE ANACHORETEN
Waldung, sie schwankt heran,
Felsen, sie lasten dran,
Wurzeln, sie klammern an,
Stamm dicht an Stamm hinan.
Woge nach Woge spritzt,
Höhle, die tiefste, schützt.
Löwen, sie schleichen stumm,
Freundlich um uns herum,
Ehren geweihten Ort,
Heiligen Liebeshort.
PATER ECSTATICUS
(auf- und abschwebend)
Ewiger Wonnebrand
Glühendes Liebesband,
Siedender Schmerz der Brust,
Schäumende Gotteslust!
Pfeile, durchdringet mich,
Lanzen, bezwinget mich,
Keulen, zerschmettert mich,
Blitze, durchwettert mich!
Dass ja das Nichtige
Alles verflüchtige,
Glänze der Dauerstern,
Ewiger Liebe Kern!
SCHLUSSSZENE AUS GOETHES „FAUST II“
Bergschluchten, Wald, Fels, Einöde.
Heilige Anachoreten, gebirgauf verteilt, gelagert zwischen Klüften.
PATER PROFUNDUS
(tiefe Region)
Wie Felsenabgrund mir zu Füßen
Auf tiefem Abgrund lastend ruht,
Wie tausend Bäche strahlend fließen
Zum grausen Sturz des Schaums
der Flut,
Wie strack, mit eig’nem
kräft’gen Triebe,
Der Stamm sich in die Lüfte trägt;
So ist es die allmächt’ge Liebe,
Die alles bildet, alles hegt.
Ist um mich her ein wildes Brausen,
Als wogte Wald und Felsengrund,
Und doch stürzt, liebevoll im Sausen,
Die Wasserfülle sich zum Schlund,
Berufen, gleich das Tal zu wässern:
Der Blitz, der flammend niederschlug,
Die Atmosphäre zu verbessern,
Die Gift und Dunst im Busen trug:
Sind Liebesboten, sie verkünden,
Was ewig schaffend uns umwallt.
Mein Inn’res mög’ es auch entzünden,
Wo sich der Geist, verworren, kalt,
Verquält in stumpfer Sinne Schranken,
Scharf angeschloss’nem Kettenschmerz.
O Gott! beschwichtige die Gedanken,
Erleuchte mein bedürftig Herz!
2. TEIL
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CHOR DER ENGEL
(schwebend in der höheren Atmosphäre,
Faustens Unsterbliches tragend)
Gerettet ist das edle Glied
Der Geisterwelt vom Bösen:
Wer immer strebend sich bemüht,
Den können wir erlösen;
Und hat an ihm die Liebe gar
Von oben teilgenommen,
Begegnet ihm die sel’ge Schar
Mit herzlichem Willkommen.
CHOR SELIGER KNABEN
(um die höchsten Gipfel kreisend)
Hände verschlinget euch
Freudig zum Ringverein!
Regt euch und singe
Heil’ge Gefühle drein!
Göttlich belehret,
Dürft ihr vertrauen;
Den ihr verehret,
Werdet ihr schauen.
DIE JÜNGEREN ENGEL
Jene Rosen, aus den Händen
Liebend-heil’ger Büßerinnen,
Halfen uns den Sieg gewinnen
Und das hohe Werk vollenden,
Diesen Seelenschatz erbeuten.
Böse wichen, als wir streuten,
Teufel flohen, als wir trafen.
Statt gewohnter Höllenstrafen
Fühlten Liebesqual die Geister,
Selbst der alte Satans-Meister
War von spitzer Pein durchdrungen.
Jauchzet auf! Es ist gelungen.
DIE VOLLENDETEREN ENGEL
Uns bleibt ein Erdenrest,
Uns zu tragen peinlich,
Und wär’ er von Asbest
Er ist nicht reinlich.
Wenn starke Geisteskraft
Die Elemente
An sich herangerafft.
(Alt-Solo)
Kein Engel trennte
Geeinte Zwienatur
Der innigen beiden;
(Alt-Solo, Chor)
Die ewige Liebe nur
Vermag’s zu scheiden.
DIE JÜNGEREN ENGEL
Ich spur soeben,
Nebelnd um Felsenhöh’,
Ein Geisterleben.
Regend sich in der Näh’.
Seliger Knaben,
Seh’ ich bewegte Schar
Los von der Erde Druck,
Im Kreis gesellt,
Die sich erlaben
Am neuen Lenz und Schmuck
Der obern Welt.
Sei er zum Anbeginn,
Steigendem Vollgewinn
Diesen gesellt!
DOCTOR MARIANUS
(in der höchsten, reinlichsten Zelle)
Hier ist die Aussicht frei,
Der Geist erhoben!
Dort ziehen Frauen vorbei,
Schwebend nach oben.
Die Herrliche mittenin
Im Sternenkranze,
Die Himmelskönigin,
Ich seh’s am Glanze.
Und ein büßendes Gewinnen
In die Ewigkeiten steigerst,
Gönn’ auch dieser guten Seele,
Die sich einmal nur vergessen
Die nicht ahnte, dass sie fehle
Dein Verzeihen angemessen!
DIE SELIGEN KNABEN
Freudig empfangen wir
Diesen im Puppenstand;
Also erlangen wir
Englisches Unterpfand.
Löset die Flocken los,
Die ihn umgeben!
Schon ist er schön und groß
Von heiligem Leben.
DOCTOR MARIANUS
(entzückt)
Höchste Herrscherin der Welt,
Lasse mich im blauen,
Ausgespannten Himmelszelt
Dein Geheimnis schauen!
Bill’ge, was des Mannes Brust
Ernst und zart beweget
Und mit heil’ger Liebeslust
Dir entgegen träget!
Unbezwinglich unser Mut,
Wenn du hehr gebietest;
Plötzlich mildert sich die Glut,
Wenn du uns befriedest.
DOCTOR MARIANUS UND CHOR
Jungfrau, rein im schönsten Sinn,
Mutter, Ehren würdig,
Uns erwählte Königin.
DOCTOR MARIANUS
Göttern ebenbürtig.
(Mater gloriosa schwebt hernieder.)
CHOR
Dir, der Unberührbaren,
ist es nicht benommen,
Dass die leicht Verführbaren
Traulich zu dir kommen.
In die Schwachheit hingerafft,
Sind sie schwer zu retten;
Wer zerreißt aus eig’ner Kraft
Der Gelüste Ketten?
Wie entgleitet schnell der Fuß
Schiefem, glattem Boden?
UNA POENITENTIUM
und CHOR DER BÜSSERINNEN
Du schwebst zu Höhen
Der ewigen Reiche,
Vernimmt das Flehen,
Du Gnadenreiche!
Du Ohnegleiche!
20 21
MAGNA PECCATRIX
Bei der Liebe, die den Füßen
Deines gottverklärten Sohnes
Tränen ließ zum Balsam fließen,
Trotz des Pharisäer-Hohnes;
Beim Gefäße, das so reichlich
Tropfte Wohlgeruch hernieder,
Bei den Locken, die so weichlich
Trockneten die heil’gen Glieder.
MULIER SAMARITANA
Bei dem Bronn, zu dem schon weiland
Abram ließ die Herde führen:
Bei dem Eimer, der dem Heiland
Kühl die Lippe durft’ berühren,
Bei der reinen, reichen Quelle,
Die nun dorther sich ergießet,
Überflüssig, ewig helle,
Rings, durch alle Welten fließet –
MARIA AEGYPTIACA
Bei dem hochgeweihten Orte,
Wo den Herrn man niederließ,
Bei dem Arm, der von der Pforte,
Warnend mich zurücke stieß,
Bei der vierzigjähr’gen Buße,
Der ich treu in Wüsten blieb,
Bei dem sel’gen Scheidegruße,
Den im Sand ich niederschrieb –
MAGNA PECCATRIX
MULIER SAMARITANA
MARIA AEGYPTIACA
Die du großen Sünderinnen
Deine Nähe nicht verweigerst
und ein büßend’ Gewinnen
in die Ewigkeit steigerst,
gönn’ auch dieser guten Seele,
die sich einmal nur vergessen,
die nicht ahnte, dass sie fehle,
dein Verzeihen angemessen!
Gönn auch dieser guten Seele …
MARIA AEGYPTIACA
Dein Verzeihen angemessen!
UNA POENITENTIUM
(sonst Gretchen genannt,
sich anschmiegend)
Neige, neige,
Du Ohnegleiche,
Du Strahlenreiche,
Dein Antlitz gnädig meinem Glück!
Der früh Geliebte,
Nicht mehr Getrübte,
Er kommt zurück.
SELIGE KNABEN
(in Kreisbewegung sich nähernd)
Er überwächst uns schon
An mächt’gen Gliedern,
Wird treuer Pflege Lohn
Reichlich erwidern.
Wir wurden früh entfernt
Von Lebechören;
Doch dieser hat gelernt,
Er wird uns lehren.
UNA POENITENTIUM
(Gretchen)
Vom edlen Geisterchor umgeben,
Wird sich der Neue kaum gewahr,
Er ahnet kaum das frische Leben,
So gleicht er schon der heil’gen Schar
Sieh, wie er jedem Erdenbande
Der alten Hülle sich entrafft
Und aus ätherischem Gewande
Hervortritt erste Jugendkraft!
Vergönne mir, ihn zu belehren,
Noch blendet ihn der neue Tag.
MATER GLORIOSA
Komm! Hebe dich zu höhern Sphären!
Wenn er dich ahnet, folgt er nach.
CHOR
Komm! Komm!
DOCTOR MARIANUS
Blicket auf.
CHOR
Komm!
DOCTOR MARIANUS
Auf zum Retterblick,
Alle reuig Zarten,
Euch zu sel’gem Glück
Dankend umzuarten!
Werde jeder bess’re Sinn
Dir zum Dienst erbötig;
Jungfrau, Mutter, Königin,
Göttin, bleibe gnädig!
CHOR
Blicket auf, etc. …
CHORUS MYSTICUS
Alles Vergängliche
Ist nur ein Gleichnis;
Das Unzulängliche,
Hier wird’s Ereignis;
Das Unbeschreibliche,
Hier ist’s getan;
Das Ewig-Weibliche
Zieht uns hinan.
Dirigent, Solisten,
Orchester und Chöre
Biografi en
22 23
Christoph Eschenbach<
CHRISTOPH ESCHENBACH DIRIGENT
Christoph Eschenbach ist seit September
2010 Music Director des National Sympho-
ny Orchestra in Washington DC sowie Music
Director des dortigen John F. Kennedy
Center for the Performing Arts. Als Gast-
dirigent ist Eschenbach darüber hinaus
regelmäßig bei den renommiertesten
Orchestern sowie an den großen internati-
onalen Opernhäusern vertreten. Weiterhin
ist er seit 2004 Chefdirigent der Internati-
onalen Orchesterakademie des Schleswig-
Holstein Musik Festivals. In der vergan ge-
nen Spielzeit, seiner zehnten und letzten
Saison als Directeur musical des Orchestre
de Paris, gastierte Eschenbach u. a. bei
den Wiener Philharmonikern, beim Phila-
delphia Orchestra, beim London Philhar-
monic Orchestra (China-Tournee), bei der
Staatskapelle Dresden sowie beim NDR
Sinfonieorchester, dem er seit seiner
Amtszeit als Chefdirigent (1998 – 2004)
noch immer eng verbunden ist.
Zu den Höhepunkten 2010/2011 gehören
Eschenbachs Dirigat der Hindemith-Oper
„Mathis der Maler“ in Paris, eine Europa-
Tournee mit der Staatskapelle Dresden,
Aufführungen von Messiaens „Turangalîla“-
Sinfonie mit dem National Symphony
Orchestra Washington sowie Konzerte mit
den Münchner Philharmonikern, dem
Leipziger Gewandhausorchester und dem
London Philharmonic Orchestra. Als Pianist
setzt Christoph Eschenbach seine Zusam-
menarbeit mit Matthias Goerne fort, mit
dem er Liederzyklen von Schubert auf CD
einspielt und im Sommer 2010 bei den
Salzburger Festspielen konzertierte.
Von George Szell und Herbert von Karajan
gefördert, war Eschenbach von 1982 bis
1986 künstlerischer und musikalischer
Leiter des Tonhalle Orchesters Zürich.
Danach leitete er als Music Director das
Houston Symphony Orchestra (1988 – 1999),
war Music Director des Ravinia Festival
(1994 – 2003), Music Director des Philadel-
phia Orchestra (2003-2008) sowie künst-
lerischer Leiter des Schleswig-Holstein
Musik Festivals (1999-2002). Neben vielen
weiteren Auszeichnungen wurden ihm
das Bundesverdienstkreuz und der Com-
mandeur dans l’Ordre des Arts et des
Lettres verliehen. Christoph Eschenbach
kann daneben sowohl als Dirigent wie
auch als Pianist auf eine beeindruckende
Diskographie zurückblicken. Mit dem
NDR Sinfonieorchester und dem Pianis-
ten Tzimon Barto spielte er vor kurzem
unbekannte Werke von Robert Schumann
auf CD ein.
24 25
ERIN WALL SOPRAN
Die kanadische Sopranistin Erin Wall zählt
heute zu den gefragtesten Sängerinnen
ihrer Heimat, der USA und Europas. In der
aktuellen Saison übernahm sie u. a. die
Rolle der Violetta in „La Traviata“ an der
Vancouver Opera sowie eine Hauptrolle in
Bramwell Toveys neuer Oper „The Inventor“
an der Calgary Opera. Mehr fach zu er -
leben war sie dar über hinaus u. a. an der
Lyric Opera of Chicago (an deren Ryan
Opera Center sie 2001 ihre professionelle
Karriere startete), an der Metropolitan
Opera, der Mailänder Scala, der Opéra
National de Paris, der Los An ge les Opera,
am Theater an der Wien sowie auf dem
Festival von Aix-en-Provence. Mahlers
Achte Sinfonie hat Erin Wall bereits wie-
derholt im Konzert gesungen und gleich
zwei Mal auf CD aufgenommen: mit Pierre
Boulez und der Staats kapelle Dresden
sowie mit dem San Francisco Symphony
Orchestra unter Michael Tilson Thomas in
einer Grammy-preisgekrönten Einspielung.
MICHAELA KAUNE SOPRAN
Die gebürtige Hamburgerin Michaela Kaune
ist seit 1997 Mitglied des Ensembles der
Deutschen Oper Berlin. Daneben gas tiert
die Sängerin regelmäßig an so bedeuten-
den Opernhäusern wie der Bayerischen
Staatsoper, der Semperoper Dresden,
der Wiener Staatsoper, der Opéra Natio-
nal und Opéra Bastille in Paris und war
bereits mehrfach bei den Salzburger Fest-
spielen sowie den Bayreuther Festspielen
eingeladen. Mit Christoph Eschenbach,
Helmut Deutsch, Irwin Gage und Eric
Schneider ge staltete sie Liederabende
bei den Dres d ner Musikfestspielen oder
dem Schleswig- Hol stein Musik Festival.
CD-Einspielungen be inhalten u. a. Or -
chesterlieder von R. Strauss (mit der NDR
Radiophilharmonie unter Eiji Oue) sowie
Mahlers Zweite Sinfonie. Michaela Kaune
studierte an der Hochschule für Musik
und Theater in Hamburg.
SIMONA ŠATUROVÁ SOPRAN
Simona Šaturová studierte am Konser-
vatorium von Bratislava und besuchte ver-
schiedene Meisterklassen u. a. bei Ileana
Cotrubas. Neben ihren zahlreichen Auf-
tritten am Nationaltheater und an der
Staatsoper Prag konnte man die Sopranis-
tin bisher auch auf den Bühnen des Teatro
Colón (Buenos Aires), Théâtre du Châtelet
Paris, Opéra de Monte Carlo und im Me ga-
ron in Athen erleben. Sie ist ein gern ge -
sehener Gast an der Oper Frankfurt, wo
sie zuletzt als herausragende Lucia di
Lammermoor zu hören war. Die Sopranis-
tin debütierte 2006 bei den Salzburger
Festspielen, noch im gleichen Jahr sang
sie in Paris unter Christoph Eschenbach
die Sopranpartie in Mahlers Zweiter Sinfo-
nie. Aufgrund des sensationellen Erfolges
lud Eschenbach sie umgehend für Konzer te
mit dem Philadelphia Orchestra u. a. in
der Carnegie Hall New York ein. Im August
2007 wurde die Sängerin im Rahmen des
SHMF mit dem Förderpreis der Walter und
Charlotte Hamel-Stiftung ausgezeichnet.
PETRA LANG ALT
Petra Lang wurde in Frankfurt geboren und
studierte nach abgeschlossenem Violin -
studium Gesang an der Akademie für Ton-
kunst in Darmstadt und am Peter-Cornelius-
Konservatorium in Mainz. Nach Anfängen
im lyrischen Mezzofach entwickelte sie sich
zur gefragten Darstellerin insbesondere
von Wagner-Rollen und zur bedeutenden
Interpretin des Vokalwerks Gustav Mahlers.
Die Sängerin tritt regelmäßig mit den
großen europäischen und amerikanischen
Orchestern sowie an den renommierten
Opernhäusern weltweit auf – unter Diri-
genten wie Claudio Abbado, Pierre Boulez,
Riccardo Chailly, Zubin Metha, Riccardo
Muti, Wolfgang Sawallisch, Simon Rattle,
Christian Thielemann und Simone Young.
Petra Lang sang bei den Festspielen von
Salzburg, Bregenz, Edinburg und 2005/2006
die Brangäne in Bayreuth. Die Mezzo-
sopranistin gab zahlreiche Lieder abende
u. a. in Amsterdam, Brüssel, Dresden,
Edinburgh, Genf, London, München, New
York und Paris mit Pianisten wie Malcolm
Martineau, Maurizio Pollini oder Wolfram
Rieger. Zu künftige Projekte führen die
Sängerin nach Wien und München. 2011
wird sie die Ortrud in Bayreuth singen.
MIHOKO FUJIMURA ALT
Mihoko Fujimura wurde in Japan geboren
und studierte an der National University for
Fine Arts and Music in Tokio sowie an der
Musikhochschule in München. Seit ihrem
internationalen Durchbruch 2002 bei den
Bayreuther Festspielen ist sie ständiger
Gast am Royal Opera House Covent Garden,
am Teatro alla Scala Milano, an der Baye ri-
schen und Wiener Staats oper, der Deut-
schen Oper Berlin, am Théâtre du Châtelet
sowie beim Festival in Aix-en-Provence
und bei den Bay reu ther Festspielen, wo sie
neun Spielzeiten in Folge auftrat. Als Kon-
zertsängerin gastiert sie bei den weltweit
führenden Orches tern und arbeitet regel-
mäßig mit Dirigenten wie Abbado, Thiele-
mann, Mehta, Eschenbach, Davis, Masur,
Jansons und Nagano zusammen. Ihre ak tu-
ellen Engage ments führen sie u. a. an die
Opern häuser von London, Wien, Barcelona
und Paris. Darüber hinaus tritt sie mit dem
London Symphony Or ches tra unter Daniel
Harding und Colin Davis, dem Orchestre
de Paris unter Christoph Eschenbach und
den Münchner sowie Wiener Philharmoni-
kern unter Christian Thielemann auf.
NIKOLAI SCHUKOFF TENOR
Der in Graz geborene Tenor Nikolai Schukoff
absolvierte sein Studium am Mozarteum
Salzburg, wo er bei seinem Abschluss mit
der „Lilli Lehmann-Medaille“ ausgezeichnet
wurde. Nach einigen Spielzeiten in den
Ensembles des Nationaltheaters Mannheim
und der Oper in Nürnberg führten den
Sänger Gastverpflichtungen nach Düssel-
dorf, Salzburg, Lyon, Paris und Sydney. Auf
die Einladung von Christoph Eschenbach
sang er 2006 am Châtelet in Paris erstmals
den Siegfried in Wagners „Götterdämme-
rung“. Es folg ten Engagements nach Genf,
Lausanne, an die Bayerische Staatsoper
26 27
München, die Dresdner Semperoper,
die Hamburgische Staatsoper, die Opern-
häuser von Zürich und Barcelona sowie
zu den Edinburgher Festspielen und ins
Baden-Badener Festspielhaus. Beachtung
und Erfolg bei Publikum und Presse er -
zielten Nikolai Schukoff und Christoph
Eschenbach im Sommer 2007 anlässlich
der gemeinsamen Liederaben de beim
Ravinia Festival und Schleswig-Holstein
Musik Festival. Im April 2009 präsentierte
sich der Künstler in Mahlers Achter Sinfo-
nie zur Eröffnung des neuen Konzertsaals
in Kopenhagen, ferner gab er Konzerte
mit Mahlers „Lied von der Erde“ und
„Das klagende Lied“.
MICHAEL NAGY BARITON
Der junge Bariton mit ungarischen Wurzeln
war zunächst Ensemblemitglied der Ko mi-
schen Oper Berlin, bevor er mit der Spiel-
zeit 2006/2007 an die Oper Frankfurt wech-
selte. Im Frühjahr 2010 gastierte Michael
Nagy erstmals am Opernhaus Oslo und an
der Bayerischen Staatsoper München. In
der aktuellen Saison präsentierte sich der
Sänger an der Frankfurter Oper sowie am
Theater an der Wien. Der ab schließende
Höhepunkt ist das Debüt bei den 100. Bay-
reuther Festspielen 2011 als Wolfram in
„Tannhäuser“, eine Neu in szenie rung in der
spannenden Kombination von Sebastian
Baumgartens Regiedebüt und Thomas
Hengelbrocks erstem Dirigat auf dem Grü-
nen Hügel. Als Konzertsänger gab Michael
Nagy Anfang 2007 sein Debüt in der Car-
negie Hall New York. Dem folg ten Engage-
ments u. a. beim Kon zerthaus or chester
Berlin, dem Gewand haus or ches ter Leipzig,
beim Schleswig-Holstein Musik Festival
sowie beim NDR Sinfonieorches ter und
bei den Bamberger Symphonikern.
JOHN RELYEA BASS
John Relyea ist einer der gefragtesten
Bass-Baritone unserer Tage. Er ist in den
weltweit führenden Opernhäusern aufge-
treten, z. B. in der Metropolitan Opera,
San Francisco Opera, im Royal Opera House
Covent Garden oder in der Münchner so wie
der Wiener Staatsoper. Auch im Konzert-
bereich ist er ein regelmäßiger Gast bei
den großen Orchestern etwa in Chicago,
New York, Philadelphia, Boston, Cleveland,
London und Berlin. Daneben wird er zu
den Festivals von Tanglewood, Ravinia,
Salzburg, Edinburgh und Luzern, zum Most-
ly Mozart Festival sowie zu den BBC Proms
eingeladen. Recitals gab er u. a. in der Weill
Hall, im Metropolitan Museum of Art in
New York City, in der Wigmore Hall London
oder im Rahmen der Univer sity of Chicago
Presents series. In der aktuellen Saison
war Relyea etwa beim Tanglewood und
Edinburgh Festival, in der Met, der Seattle
Opera, der Bayeri schen Staatsoper, beim
Toronto Symphony Or chester und bei den
Berliner Philharmonikern engagiert.
TSCHECHISCHE PHILHARMONIE PRAG
Das erste Konzert der Tschechi schen
Philharmonie fand am 4. Januar 1896 im
Prager Rudolfinum statt und wurde von
Antonín Dvořák dirigiert. 1908 leitete
Gustav Mahler das Orchester bei der Ur auf-
führung seiner Siebten Sinfonie. Bevor im
Jahre 1919 der erste bedeuten de Dirigent
von Weltformat, Václav Talich, den Takt-
stock des Chefdirigenten übernahm, stan-
den Ludvík Čelanský und Vilém Zemánek,
zeitweilig auch Oskar Nedbal dem Orches-
ter vor. An Talichs Persönlichkeit knüpften
weitere hervorragende Dirigenten an:
Rafael Kubelík (1942 – 1948), Karel Ančerl
(1950 – 1968) und Václav Neumann
(1968 – 1990). In den 1990er Jahren wech-
selten sich auf dem Posten des Chefdiri-
genten Jiří Bělohlávek, Gerd Albrecht und
Vladimir Askhkenazy ab; letzterer stand
bis zum Ende der Saison 2002/2003 dem
Orchester vor. In der Reihenfolge zehnter
Chefdirigent der Tschechischen Philhar-
monie war von der Saison 2003/2004 bis
28 29
zum 8. September 2007 Zdeněk Mácal.
In der 113. Konzertsaison war der Posten
des Chefdirigenten unbesetzt, einige Kom -
petenzen und Verpflichtungen übernahm
jedoch der Hauptgastdirigent Manfred
Honeck. Von der 114. Saison 2009/2010
an ist Eliahu Inbal Chefdirigent der Tsche-
chischen Philharmonie. Im Dezember 2010
kündigte die Tschechische Philharmonie
die Rückkehr von Jiří Bělohlávek an, der
gegenwärtig das BBC Symphony Orches-
tra in London leitet. Bělohlávek wird im
September 2012 die Leitung der Tschechi-
schen Philharmonie übernehmen und da-
mit Eliahu Inbal ablösen, dessen Vertrag
im August 2012 ausläuft. Erster Gastdiri-
gent des Orchesters war u. a. Sir Charles
Mackerras, ein ausgewiesener Experte
auf dem Bereich der tschechi schen Musik;
gegenwärtig hat Manfred Honek dieses
Amt inne. Die Tschechische Philharmonie
wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeich-
net, u. a. mit zehn Grand Prix du Disque de
l’Academie Charles Cros, fünf Grand Prix du
Disque de l’Aca de mie française und meh-
rere Cannes Classical Awards. 2005 wurde
das Orchester für den Grammy Award
nominiert, 2009 für den Gramophone
Award. Seit der Leitung von Karel Ančerl
hat sich die Tschechische Philharmonie
zahlreiche Tourneen unternommen und
bereiste Japan, die USA, China, Großbri-
tannien, Spanien, Deutschland, Italien und
viele andere Länder auf der ganzen Welt.
Das Orchester ist zudem re gelmäßig bei
vielen renommierten Musikfestivals zu Gast.
NDR SINFONIEORCHESTER
Das NDR Sinfonieorchester, zukünftiges
Orchestra in residence der Elbphilharmo-
nie, wurde 1945 gegründet. Über ein Vier-
teljahrhundert lang prägte Hans Schmidt-
Isserstedt, der erste Chefdirigent, das
künstlerische Profil des Ensembles, das
rasch über die Grenzen Hamburgs hinaus
bekannt wurde. Während dieser Zeit waren
Dirigenten wie Wilhelm Furtwängler,
Hans Knappertsbusch, Erich Kleiber, Otto
Klemperer, Ferenc Fricsay und Karl Böhm
am Pult des NDR Sinfonieorchesters zu
Gast. Neben der Pflege des klassisch-
romantischen Repertoires lag ein wichti-
ger Schwerpunkt der Arbeit stets auch auf
der Präsentation zeitgenössischer Werke.
Dirigenten wie Bruno Maderna, Hans Ros-
baud, Pierre Boulez, Michael Gielen und
Krzysztof Penderecki – dem Orchester ab
1988 langjährig als ständiger Gastdirigent
verbunden – leiteten wichtige Uraufführun-
gen in Hamburg. Nach den Chefdirigenten
der siebziger Jahre, Moshe Atzmon und
Klaus Tennstedt, erreichte die 20-jährige
intensive Zusammenarbeit des Orches ters
mit Günter Wand eine ähnliche Bedeutung
wie die Ära Schmidt-Isserstedt. Wand,
seit 1982 Chefdirigent und 1987 schon zum
Ehrendirigenten auf Lebenszeit ernannt,
hat bis zu seinem Tode im Jahre 2002 die
künstlerische Arbeit des NDR Sinfonie-
orchesters geprägt, die ihren Höhepunkt
in weltweit beachteten gemeinsamen
Bruckner-Interpretationen fand. Die Reihe
der Chefdirigenten wurde in den neunzi ger
Jahren zunächst mit John Eliot Gardiner
und Herbert Blomstedt fortgesetzt. 1998
wurde Christoph Eschenbach in diese
Position berufen. Mit Beginn der Saison
2004/2005 setzte Christoph von Dohnányi
die Tradition bedeutender Dirigenten-
persönlichkeiten in der Chefposition des
NDR Sinfonieorchesters fort. Neben ihm
nimmt Alan Gilbert die Position des ersten
Gastdirigenten ein. Zur Saison 2011/2012
wird Thomas Hengelbrock die Position
des Chefdirigenten übernehmen. Das NDR
Sinfonieorchester unterhält eigene Abon-
nementreihen in Hamburg, Lübeck, Kiel
und Bremen; seit der Saison 2010/2011
ist es auch mit einer Konzertreihe in der
Wismarer St.-Georgen-Kirche vertreten.
Gastspielreisen führen das Orchester re -
gelmäßig zu den wichtigsten europäi schen
Festivals und auf die bedeutendsten Kon-
zertpodien. Auch bei seinen Tourneen
nach Japan, China, Südamerika und in die
USA erwarb sich das NDR Sinfonie orches-
ter großes Ansehen.
NDR CHOR
Der 1946 gegründete NDR Chor zeigt unter
der Leitung seines Chordirektors Philipp
Ahmann in der Spielzeit 2010/2011 mit
A-cappella-Werken und in Kooperation mit
verschiedenen Instrumentalensembles die
ganze Weite seines Repertoires. Der NDR
Chor, der seit der vorigen Saison eine ei ge -
ne Abonnementreihe präsentiert, ist als
der professionelle Konzertchor des Nor-
dens mit einer großen Programmvielfalt im
gesamten Sendegebiet des NDR präsent –
zu seinen Partnern zählen das NDR Sinfo-
nieorchester genauso wie die NDR Bigband
und die NDR Radiophil har monie. Innerhalb
der ARD führen ihn Ein la dungen in dieser
Spielzeit zum Symphonie orchester des
Bayerischen Rundfunks und zum WDR Sin-
fonieorchester. Neben den Festivals im
Norden wie den Hamburger Ostertönen,
den Internatio nalen Händelfestspielen
Göttingen, den Niedersächsischen Musik-
tagen, dem Festival Mecklenburg-Vorpom-
mern und den Musikfestspielen in Usedom,
folgen 2010/2011 Auftritte beim Lucerne
30 31
Festival, bei Septembre-Musical in Mon-
treux und beim Prager Frühling. Im April
2010 erhielt der NDR Chor die Brahms-
Medaille der Stadt Hamburg.
SCHLESWIG-HOLSTEIN FESTIVAL CHOR
Seit der Gründung der Chorakademie des
Schleswig-Holstein Musik Festivals im Jahr
2002 durch seinen Intendanten Rolf Beck
versammeln sich im Schleswig-Holstein
Festival Chor Lübeck alljährlich junge Sän-
gerinnen und Sänger, um die in der Aka-
demie erarbeiteten Programme einem
breiten Publikum zu präsentieren. Neben
der von Leonard Bernstein ins Leben ge -
rufenen Orchesterakademie und den
Meisterkursen an der Musikhochschule
Lübeck komplettiert das Schleswig-Hol-
stein Musik Festival damit seine päda-
gogische Arbeit und setzt neue Akzente
in der sängerischen Ausbildung. Unter
der Anleitung namhafter Dirigenten wie
Sir Neville Marriner, Christopher Hogwood,
Thomas Hengelbrock, Peter Schreier,
Simon Halsey, Robin Gritton oder Terry
Edwards erarbeiten die Akademieteilneh-
mer neben großen oratorischen Werken,
anspruchsvolle A-cappella-Musik sowie
Werke zeitgenössischer Chorliteratur.
Mit Konzertverpflichtungen auch außer-
halb des Festivalsommers können im
Schleswig-Holstein Festival Chor Lübeck
eine Vielzahl ehemaliger Akademieteilneh-
mer regelmäßig zusammenkommen, um
die pädagogische Arbeit der Chorakademie
fortzuführen. Konzertreisen führten den
Chor unter der Leitung von Rolf Beck in
alle europäischen Musikzentren sowie nach
Japan, China, Brasilien und Südafrika.
PRAGER PHILHARMONI -SCHER CHOR
Der Prager Philharmonische Chor gehört zu
den bedeutendsten und traditionsreichs-
ten Chören Europas. Im Jahr 1935 von Jan
Kühn gegründet, war er als Tschechischer
Sängerchor zunächst ein Ensemble des
Tschechoslowakischen Rundfunks, bevor
er 1953 der Tschechi schen Philharmonie
angegliedert wurde. Die Aufhebung dieses
Bündnisses im Jahr 1991 bedeutete für
den Klangkörper eine neue künstlerische
Herausforderung, die ihn inzwischen zu
Konzerten mit den Berliner Philharmoni-
kern, dem Israel Philharmonic Orchestra
oder dem Koninklijk Concertgebouworkest
Amsterdam zusammengeführt hat. Seit
vielen Jahren ist der Chor regelmäßig bei
bedeutenden Festivals zu Gast. Zu den
Dirigenten, die bisher mit dem Prager
Philharmonischen Chor gearbeitet haben,
gehören Leonard Bernstein, Rafael Kubelík,
George Szell, Karl Böhm, Carlos Kleiber,
Wolfgang Sawalisch, Sir Georg Solti und
Václav Neumann sowie in der jüngeren
Vergangenheit Claudio Abbado, Riccardo
Muti, Lorin Maazel, Zubin Mehta und
Sir Simon Rattle.
KÜHN-CHOR PRAG
Der Kühn-Chor Prag wurde 1958 von Pavel
Kühn gegründet, der so an die Arbeit seiner
Eltern Markéta und Jan Kühn anknüpfte, die
die moderne tschechische Chortradition
begründet haben. Der Kühn-Chor war Weg -
bereiter bei der Aufführung von A-cappella-
Werken der Romantik und stellte seine
Qualitäten auch im Oratorien- und Kanta-
tenrepertoire unter Beweis. Dies entwickel-
te sich vor allem aus einer engen Zusam-
menarbeit mit den Prager Symphonikern
FOK, mit dem der Chor eine ganze Reihe
von wichtigen Werken des Oratorien- und
Kantatenschaffens aufführte. Er arbeitete
jedoch vor allem auch mit weiteren füh-
renden sinfonischen Klangkörpern zusam-
men (Tschechische Philharmonie, Sinfonie-
orchester der Tsche chischen Republik,
Koninklijk Concert gebouworkest, Tonhalle
Orchester Zürich, Israelische Philharmonie
u. a.). Der Kühn-Chor Prag gehört heute zu
den führenden Chören der Tschechischen
Republik. Sein Gründervater Pavel Kühn,
der das klanglich bunte Ideal des Chor-
32 33
gesangs in be deu ten dem Maße beein-
flusst hat, arbeitete fast 45 Jahre mit dem
Chor, bis zu seinem frühen Tod. Danach
übernahm Jan Rozehnal den Chor, derzeit
wird er von Marek Vorlíček geleitet.
KNABENCHOR HANNOVER
Der Knabenchor Hannover wurde 1950
von Prof. Heinz Hennig gegründet und bis
Ende 2001 von ihm geleitet. Seit 2002 liegt
die Leitung in den Händen von Prof. Jörg
Breiding. Schon früh fand er zu einer Qua-
lität der Inter pretation, die ihn weit über
die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt
werden ließ und 2006 und 2010 mit dem
ECHO Klassik ausgezeichnet wurde. Jörg
Breiding, 1972 in Hannover geboren, stu-
dierte an der Hochschule für Musik und
Theater Hannover Schulmusik, Gesangs-
pädagogik und Germanistik. Seine dirigen-
tische Ausbildung ergänzte er durch weite-
ren Unterricht in Chor- und Orchesterdiri-
gieren. Seit 2005 ist er Professor für Chor-
leitung an der Folkwang Hochschule Essen.
TSCHECHISCHER KNABENCHOR BONI PUERI
Der Tschechische Knabenchor Boni pueri
wurde 1982 gegründet und ab solvierte
seitdem mehr als 2500 Konzerte in Europa,
Amerika und Asien. „Die guten Jungen“
nahmen 13 eigene CDs auf. Weitere 20
Aufnahmen entstanden als Zusammen-
arbeit von Boni pueri und be kannten
Künstlern, Orchestern und CD-Firmen
(Supraphon, ArcoDiva, BMG, EMI). Boni
pueri arbeiten mit der Tschechischen
Philharmonie zu sammen, 2006 öffneten
sie den Chorgesagszyklus in Prager
Ru dol finum und 2007 nahmen sie an der
konzertanten Aufführung der Oper „Król
Roger“ von Karol Szymanowski teil.
Im Jahr 2010 wurden der Chor zur „Inter-
nationalen MahlerGala“ eingeladen.
IMPRESSUM
Herausgegeben vom
NORDDEUTSCHEN RUNDFUNK
PROGRAMMDIREKTION HÖRFUNK
BEREICH ORCHESTER UND CHOR
Leitung: Rolf Beck
Redaktion Sinfonieorchester:
Achim Dobschall
Redaktion des Programmheftes:
Dr. Harald Hodeige
Die Einführungstexte von Dr. Harald Hodeige
sind Originalbeiträge für den NDR.
Übersetzung des Einführungstextes von
Nathaniel Stookey S. 7: Dr. Harald Hodeige.
NDR | Markendesign
Gestaltung: Klasse 3b, Hamburg
Litho: Reproform
Druck: KMP Print Point
Nachdruck, auch auszugsweise,
nur mit Genehmigung des NDR gestattet.
Fotos:
akg-images | imagno (S. 6, 13);
akg-images (S. 8, 10);
Klaus Westermann | NDR (S. 14, 30);
Eric Brissaud (S. 22);
Alexander Vasiljev; Christian Stelling (S. 24);
Tomas Houda; Ann Weitz (S. 25);
R & G Photography; Agentur Badix.ch (S. 26);
David Maurer (S. 27);
Dorio Acosta (S. 28 l.);
Marcus Krüger | NDR (S. 29);
Axel Nickolaus (S. 31 l.);
Christian Burkert (S. 33 l.)
34
Hören und genießen
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NDR Das Alte Werk, NDR das neue werk und NDR Podium der Jungen
Ermäßigungen bei den Veranstaltungen der über 100 Kulturpartner von
NDR Kultur in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und
Schleswig-Holstein, darunter mehr als 25 Musikfestivals wie z. B.:
Festspiele Mecklenburg-Vorpommern
KunstFestSpiele Herrenhausen
Niedersächsische Musiktage
Schleswig-Holstein Musik FestivalName:
Kartennummer:
Gültig bis:
KARTE
9275_kultur_AZ 1 02.05.2011 13:27:22 Uhr
THOMAS HENGELBROCKPETER RUNDEL
MIHKEL KÜTSONMICHAEL GIELEN
MANFRED HONECKSTEFAN GEIGER
ALAN GILBERTCHRISTOPH ESCHENBACH
SEMYON BYCHKOVANDREY BOREYKOANDRIS NELSONS
HERBERT BLOMSTEDTJOHN AXELROD
CONSTANTINOS CARYDISMATTHIAS FOREMNY
TEODOR CURRENTZISPABLO HERAS-CASADO
ESA-PEKKA SALONEN
ndrticketshop.de, ndrsinfonieorchester.de
Die neue Saison
Abonnements und Einzelkarten im NDR Ticketshop im Levantehaus, Hamburg,
Tel. 0180 - 1 78 79 80*, Fax 0180 - 1 78 79 81*, E-Mail: [email protected]*bundesweit zum Ortstarif, maximal 42 Cent pro Minute aus dem Mobilfunknetz