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8/17/2019 Wortbildung und semantik.pdf
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Studienreihe Englisch
H e r a u s g e g e b e n v o n K a r l H e i n z G ö l l e r
Band 14
Dieter Kastovsky
Wortbildung und Semantik
Pädagogischer Verlag Schwann -
Bage l GmbH, Düsse ldor f
Francke Ver lag Bern und München
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2/167
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks
und der fotomechanischen Wiedergabe, vorbehalten.
© 1 9 8 2
Pädagogischer Verlag Schwann-Bagel G m bH , Düsseldorf
Herstellung: Friedrich Pustet, Regensburg
Printed in Germany
1 9 8 1
• ISBN
3 5 9 0 0 2 2 5 8 2
(Francke Verlag: I SBN
3
7 7 2 0 1 2 3 1
o)
I N H A L T
Abkürzungen und Zeichen 8
Vorwort 9
I. Einleitung
11
1.1 Grammatik, Semantik und Lexikon n
1.2 Analyse und Synthese
als
methodische Prinzipien . 16
II.
Das sprachliche Zeichen
18
2.1 Saussures Axiome 18
2.1.1 Das Zeichenmodell Saussures 18
2.1.2 Arbitrarität und Motivation des sprachlichen
Zeichens 19
2.1.3 Linearität, Syntagma und Paradigma . . . . 21
2.1.4 Langue und Parole 22
2.2 Zeichenkonstitutive Faktoren 23
2.2.1 Bedeutung und Bezeichnung 24
2.2.2 Das Zeichenmodell vo n Ogden/Richards . . 28
2.2.3 Sprache und außersprachliche Realität. . . . 29
2.2.4 Sprache un d Sprachgemeinschaft 32
III.
Bedeutungsebenen un d Bedeutungsdefinitionen
37
3.1 Grundfragen der Bedeutungsanalyse 37
3.2 Bedeutungsebenen 37
3.2.1 Denotative und konnotative Bedeutung . . . 37
3.2.2 Thematische Bedeutung 41
3.3 Bedeutungsdefinitionen 45
3.3.1 Bedeutung
als
Relation 45
3.3.2 Begriffliche Bedeutungsdefinitionen 47
3.3.3 Bedeutung als Gebrauchsbedingung . . . . 48
3.3.4 Bedeutung als Wahrheitsbedingung 52
3.4 Zusammenfassung 64
IV.
Strukturelle Semantik
66
4.1 Aufgaben einer strukturellen Semantik - Semantik
und Wortbildung 66
4.2 Terminologie 70
4.3 Wortarten 76
4.4 Semantische Merkmale 80
4.4.1 Allgemeine Analyseprinzipien 80
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A B K Ü R Z U N G E N U N D Z E I C H E N
A(dj)
= Adjektiv
A E/ae
= Altenglisch
A m E
= amerikanisches Englisch
B E
= brit isches Englisch
D = D eu ts ch
E
= Englisch
F
= Französ isch
IC(s) = Immediate Const ituent(s) /Unmittelbare(r) Bestand-
itr. = intransitiv [teil(e)
LH = lexikalis t ische Hypoth ese
N
= N o m e n
N P
- Nominalphrase
O
= Objekt
P
= Prädikat
PrepP = Präpositionalphra se
PS = Phrasenstruktur
S
= Satz
S b
= Substantiv
T G
= generativ-transformationelle Grammatik
T H
= transformationalis t ische Hypothese
tr.
= transitiv
V(b)
= Verb
V P
= Verbalphrase
*
= ungrammatisch
?
—
Grammatikalität zweifelhaft
=> = wird transformiert in
T
= Hauptakzent/Nebenakzent (main s tress /secondary
=
= ist äquivalent mit [stress)
= entspricht
= impliziert
>
= impliziert nicht
e
= is t Element von
=>
= schließt ein (Inklusion)
A
= "und"
V
= "oder"
V O R W O R T
Gegenstand dieser Einführung is t eine Übers icht über verschie
dene Methoden und deren theoret ische Grundlagen, d ie zur Be
schreibung der Struktur des (englischen) Wortschatzes entwickelt
worden sind. Anders als in den meisten der bereits recht zahl
reichen Einführungen in die Semantik , d ie s ich vor al lem auf die
Darstel lung inhalt l icher Strukturen und Relat ionen b eschränken,
werden hier auch die formal-morphologischen Strukturen des
Wortschatzes , d .h . d ie Wortbildung, ausführlich behandelt . Dabe i
wird es vor al lem darum gehen, d ie inhalt l ichen und die morpho
logischen Strukturen zueinander in Beziehung zu setzen. Aller
dings kann dieser Überblick anges ichts der stürmischen E ntwick
lung auf diesem Gebiet und der kaum mehr überschaubaren Lite
ratur nur sehr fragmentarisch sein und nicht mehr als eine erste
Orientierung bieten. Die Auswahl der behandelten Bereiche und
Methoden sowie ihre Einschätzung kann s ich hier noch weniger
als sonst in der Linguist ik auf einen allgemein akzeptierten K anon
von ges icherten Fakten s tützen, denn in der Semantik und der
Wortbildung gibt es weit mehr Fragen als Antworten, und selbst
die Berechtigung mancher Fragestel lungen is t keineswegs unum
stritten. Subjektive, vom theoretischen Standpunkt des Verfassers
abhängige Entscheidungen waren daher unvermeidbar. Um so
mehr habe ich all jenen zu danken, die mir durch ihren Rat ge
holfen haben, manche Fehleinschätzung zu vermeiden; für die
verbleibenden Fehler s ind nicht s ie , sondern meine Uneins ichtig-
keit verantwortüch. Besonders zu Dank verpfl ichtet b in ich Her
bert E. Brekle (Regensburg) , Klaus Hansen (Berlin) , Leonhard
Lipka (München) sowie Günther Deimer, Colin Foskett und Jo
achim Tuschinsky (Wuppertal) , d ie das Manuskript in verschie
denen Fassungen gelesen und kommentiert haben, dem Heraus
geber der Reihe, Herrn
Prof.
Dr. K. H. Göller (Regensbur g) , für
eine Reihe von wichtigen Hinweisen und vor al lem für seine Ge
duld mit dem Verfasser, desgleichen Herrn Dr. G. Knoke vom
August Bagel Verlag. Danken möchte ich auch Sabine Faust ,
Chris tel Heer und Angela Kirschbaum für verschiedene Hin
weise, d ie technische Betreuung des Manuskripts und die Über
prüfung der Bibliographie, sowie meiner Sekretärin Birthe Gleitz,
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I O Vorwort
die das Manuskript mit großer Sorgfalt in eine druckfertige Form
gebracht hat. Vor allem aber habe ich meiner Frau für ihre Geduld
und ihr Verständnis zu danken, ohne die dieses Buch wohl nie
fert ig geworden wäre.
Wuppertal, Februar 1981
I . Einleitung
1.1 G r a m m a t i k , S e m a n t i k u n d L e x i k o n
1.1.1 Ein Hauptmerkmal der Entwicklung der Linguist ik in den
vergangenen z wanzig Jahren ist eine grundlegend veränderte Ein
stellung zur Semantik, der Beschreibung der Bedeutungsseite der
Sprache. Gleichzeitig wird damit der Begriff "Grammatik" auf
die Beschreibung des gesamten Systems einer Einzelsprache aus
geweitet und umfaßt nicht mehr nur die Bereiche Morphologie
und Syntax wie im amerikanischen Strukturalismus, vgl . Hocketts
Definition der Grammatik als "(1) the morphemes used in the language,
and (2)
the arrangements in which these morphemes occur relative to each
other
in utterances" (Hockett 1958: 129) . Di e Phono logie bildet h ier
eine separate Ebene, d ie durch die Mor phoph onolog ie zur gramm a
t ischen Ebene in Beziehung trit t ; Semantik und Phonetik nehm en
in bezug auf das Sprachsystem als Ganzes eine periphere Stellung
ein (Hockett 1958: 138) .
Di e erste Vers ion der generativ-transformationellen Grammatik
(TG), dargestellt in Syntactic Structures (Chomsky 1957) , b leibt in
dieser Tradition. Chomsky definiert die Grammatik einer Sprache
L als "a device that generates all of the grammatical sequences of
L and none of the ungrammatical ones" (Chomsky 1957: 13) und
betont , daß "grammatical" nicht identisch sei mit "meaningful"
oder "s ignificant": "grammar is autonomous and independent of
meaning" (Chomsky 1957: 17) . Daher gelten auch semantisch
s innlose Sätze wie (1) als grammatisch wohlgeformt, und dieses
(1) Colourless green ideas sleep furiously.
Grammatikmodell besteht nur aus einer syntaktischen und einer
morp h op h on emis ch en K omp on en te ; P h on o log ie u n d S eman t ik
bleiben unberücksichtigt . Neu is t in diesem Modell neben den
Transformationsregeln die, a l lerdings entscheidende, Dynamis ie
rung der Gramm atik in der Form eines generativen Regelsystem s.
Dem steht nun die heute vorherrschende Auffassung gegen
über, daß "the final effect of a gramm ar [. . .] is to relate a sema ntic
interpretation to a phonetic representation - that is, to state how
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12
Einleitung
a sentence is interpreted" (Chomsky 1965: 136) . Hier gehören also
lautl iche und Bedeutungsseite der Sprache zur Grammatik, inso
fern diese die Beschreibung der l inguist ischen Kompetenz eines
idealen Sprechers /Hörers zum Ziel hat (Chomsky 1965: 4) . Teil
dieser Kompetenz is t n icht nur die Fähigkeit , d ie grammatische
Korrektheit oder Inkorrektheit von Sätzen fests tel len zu können,
sondern darüber hinaus u . a . auch, Kontradikt ionen, T autolog ien
und Mehrdeutigkeiten in Sätzen, sowie Synonymie, Paraphrase
beziehungen und Folgerungsbeziehungen zwischen Sätzen erken
nen bzw. Sätze überhaupt richt ig verstehen zu können.
1.1 .2 Ausgangspunkt für diese Entwicklung waren u.a. d ie Vor
schläge von Katz/Fodor (1963) zur Integrat ion der Semantik in
die TG als separate, interpretat ive Komponente. Dies führte zu
einer grundlegenden Revis ion des Modells , zunächst durch Katz/
Postal (1964) und dann durch Chomsky (1965) . Die letztere Vers ion
bildete als "Standard Theory" den Bezugspunk t für die Diskuss io n
des Verhältnisses zwischen Syntax und Semantik , welche die wei
tere Entwicklung der TG best immte. Dabei spielten die Funk
t ion und Struktur des Lexikons , sowie die Stel lung der Wortbil
dung in Relat ion zu Syntax, Semantik und Lexikon eine zentrale
Rolle. Waren bei Chomsky Syntax und Semantik noch zwei ge
trennte Kom pone nten, d ie eine generativ , d ie andere interpretat iv ,
so entwickelte s ich in der Folge ein als "generative Semantik"
bezeichnetes Alternativmodell , in dem die Semantik die Rolle des
generativen Mechanismus übernimmt, und Semantik , Syntax und
Lexikon nicht mehr als prinzipiel l getrennte Komponenten er
s ch e in en
1
. Kennzeichnend für diese Richtung is t das folgende, vo n
Weinreich als Gegenposit ion zu der von Katz/Fodor (1963) ent
wickelten Semantiktheorie aufgestel lte Postulat:
Every relation that may hold between components of
a
sentence also
occurs among the components of a meaning of a dictionary entry.
[...] This is as much as to say that the semantic part of a dictionary
entry is a sentence - more specifically, a deep-structure sentence
(Weinreich 1966: 466).
Damit wird eine volls tändige Integrat ion von Syntax, Semantik ,
Wortb i ld u n g u n d Lex ik on in e in em h omogen en G rammat ik mo
dell postuliert.
Grammatik, Semantik und Lexikon
1.1.3 Die Diskuss ion um die Rolle der Semantik in der TG voll
zog s ich zunächst weitgehend unter Beibehaltung der von Choms
ky postulierten s trikten Trennung von Kompetenz und Perfor-
manz. Die Struktur eines Satzes sol lte beschrieben werden "in
isolat ion from its poss ible sett ings in l inguist ic d iscourse (written
or verbal) or in non-l inguist ic c ontexts (social or phys ical)" (K atz/
Fodor 1963: 173) . Es zeigte s ich jedoch bald, daß diese Beschrän
kung die Beschreibung zahlreicher Phänomene erschwerte oder
ganz verhinderte. So können verschiedene Aspekte der Pronomi-
nalis ierung, der Wortstel lung, der Thema-Rhema-Gliederung
eines Satzes usw. nur unter Einbeziehung des sprachlichen und
außersprachlichen Kontextes angemessen beschrieben werden,
was zur Entwicklung einer über die Satzgrenzen hinausgehenden
Textl inguist ik geführt hat . Ferner gehört zur Kompetenz eines
Sprechers /Hörers nicht nur die Fähigkeit zur Bildung und zum
Verständnis von grammatisch und semantisch wohlgeformten
Sätzen, sondern auch das Wissen um die angemessene Verwen
dung dieser Sätze in einer gegebenen Situation. Die Entwicklung
einer l inguist ischen Pragmatik in den letzten Jahren, d ie s ich mit
diesen Fragen beschäft igt , is t h ier vor al lem deshalb zu erw ähnen,
weil d ie Grenzen zwischen Semantik und Pragmatik f l ießend ge
worden s ind. Besonders die Einbeziehung des Präsupposit ions-
begriffs in die semantische Beschreibung v on Sätzen, und die Au s
dehnung dieses Begriffs auf best immte Aspekte der Wortbedeu
tunge n s ind hierfür kennzeichnend und deuten eine erneute, al ler
dings problematische Ausweitung des Grammatikbegriffs an (vgl .
7.2.7).
1 .1 .4 Durch die Einbeziehung der Semantik in die TG erhielt
dieser Begriff selbst eine neue Dimension, denn neben die bisher
vorherrschende "Wortsemantik" oder "lexikalische Semantik"
trat nun eine "Satzsemantik". Erstere untersucht die Bedeutung
des Einzelwortes sowie die Bedeutungsbeziehungen innerhalb des
Wortschatzes einer Sprache, letztere leitet aus der Bedeutung der
grammatischen Konstruktionen und den Bedeutungen der in
einem Satz enthaltenen Wörter die Gesamtbedeutung eines Sat
zes ab. Die lexikalische Semantik muß daher im Hinblick auf
ihre Interaktion mit der Satzsemantik konzipiert werden.
Im folg enden wird allerdings die lexikalische Semantik im Vor -
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1 4
Einleitung
dergrund stehen, denn
das
Them a dieses Buches
ist die
Beschrei
b u n g
der
inhaltlichen
und
formalen,
d.h.
morp h o log i s ch en
Be
z ieh u n gen ,
die
zu s ammen
die
Struktur
des
englischen Wortschat
zes kennzeichnen.
Der
erste Bereich entspricht
dem
G eb ie t
der
lexikalischen Semantik , der zweite dem Gebiet der Wortbildungs
lehre. Beide unterliegen gewissen gemeinsamen Strukturierungs-
prinzipien, deren Herausarbeitung eines
der
Hauptanliegen
der
vorliegenden Einführung
in die
lexikalische Struktur
des
En g l i
schen sein wird.
1.1.5 Jedes Grammatikmodell sieht sich
mit dem
Problem
der
Behandlung sprachlicher Irregularitäten konfrontiert . Chomsky
versucht
es
dadurch zu lösen, daß
er
die syntaktische Kom pone nte
als völlig regelhaft ansieht
und die
Unregelmäßigkeiten
so
weit
w ie mög l ich
ins
Lex ik on verw eis t ,
das er als "the
full
set of
l in
guis t ic irregularit ies" (Chomsky 1965:14 2) betrachtet . Damit s teht
er
in
einer Tradit ion,
die
s ich
bis zu
Sweet zurückverfolgen läßt ,
v g l . : ".. . grammar deals with the general facts of language, and
lexicology with special facts" (Sweet 1913:
31).
Jespersen (1924:
32) folgt
ihm
hierin , wenn auch
mit
gewi ssen Einsch ränkungen
hins ichtl ich
der
Gramm atik: Gramm atik
und
Lex ik on w ü rd en
sich insofern überschneiden,
als z.
B. unregelm äßige Flexionsfor
m en
wie oxen, children
oder
took, went
s o w o h l
im
Lex ik on
als
auch
in
der
Grammatik behandelt werden m üssen,
um die
G ren zen
der
Gült igkeit der al lgemeinen Reg eln aufzuzeigen. Bloom field (1933 :
274) knüpft
an
diese Tradit ion an, wen n
er
feststellt: "the le xicon
is really
an
appendix
o f
the grammar,
a
list
of
basic irregularities".
Dieser s trikten Trennung zwischen Lexikon und Grammatik l iegt
also
die
Auffassung z ugrunde,
die
Grammatik solle
die
R ege l
mäß igk e i t en
der
Sprache beschreiben, w ährend
das
Lex ik on
den
nicht durch Regeln beschreibbaren Phänomenen vorbehalten
sei.
1.1.6 Do ch sch on für Jespersen
ist
diese Trennung trotz
der
ob en
zit ierten Fests tel lung nicht unproblematisch; denn
er
führt eine
nicht näher begründete Unterscheidung
ein
zw is ch en Lex ik on
("dictionary")
und
einem Bereich,
den er
zunächst "theory
of
the
signification
of
words" (Jespersen 1924:
34)
nennt ,
und
dann
mit
d em
von
Bréal (1883) geprägten Terminus "sémantique"
(E "se
mantics") bezeichnet
2
.
Für
diesen Bereich
sei es
jedoch schwierig,
Grammatik, Semantik und Lexikon
15
einen Platz
in
S w eet s D ich otomie
vo n
"general
and
special fa cts"
zu finden, denn
die
A u fgab e
der
Semantik
sei die
Klassifizierung
und Systematis ierung
von
Bedeutungen und Bedeutungsverände
rungen,
und
dies gehöre eigentl ich
in den
Bereich
der
"general
facts". Er
entscheidet sich aber schließlich doch
für die
A u s k lam
meru n g
der
Semantik aus
der
Grammatik
mit
dem entschuldigen
d en H in w eis ,
daß
dies
der
al lgemeinen Tradit ion entspreche.
Sehr viel point ierter s tel len Katz/Fodor (1963: 172) fes t:
"Syn-
chronic l inguist ic descript ion minus grammar equals semantics ."
Dieses Postulat
hat
allerdings
zu der
erwähnten Spaltung
der An
hänger
der TG in
zwei Lager geführt ,
die
s ich hauptsächlich h in
sichtlich
des
Status
v on
Lex ik on
und
Semantik innerhalb
der Ge
samtgrammatik voneinander unterscheiden. Dabei bezieht
die ge
nerative Semantik eine eindeutige Gegenposit ion
zur
Auffassung
des Lexikons
als
Lis te
vo n
Irregularitäten
und
b eton t
die
Syste-
matizität
und
Strukturiertheit
des
Lex ik on s ,
was
ebenfalls eine
lange Tradit ion
hat. Sie
verbindet s ich
z.
B.
mit den
strukturell
semantischen Ansätzen von Trier (1931) ,
vor
allem aber
mit dem
P h än omen
der
Wor tbildung. Dies e macht
am
aug enfäll igsten
re
gelmäß ige Bezieh ungen innerhalb des Wortschatzes s ichtbar, denn
hier werden Bedeutungsbeziehungen durch formale, morpholo
gische Beziehungen gestützt .
So
bezeichnet
die
G ru p p e
der No
mina agentis Personen,
die
eine best immte H andlung ausführen.
Solche Substantive implizieren also
vo n
ihrer Bedeutun g
her ein
Verb. Dies is t jedoch leichter erkennbar in (2) ,
wo
die Bedeutun gs
beziehung auch formal gestützt
ist, als in (3), wo
eine entspre-
(2) writer
: to
write; singer
: to
sing; dancer
: to
dance; actor
: to act
(3) surgeon :
to
operate
on
people; author :
to
write books; dentist:
to treat people's teeth.
chende formale Parallele fehlt . Solche Parallelen zwischen mor
phologisch markierten
und
morp hologisch unmarkierten Bezieh
ungen w erden uns im folgenden immer wieder begegne n und einen
engen Zusammenhang zwischen Semantik
und
W ortb i ld u n g
er
kennen lassen. Dies führt
zu der
Anna hme, daß das Lexiko n einer
Sprache
v on
einem komplizierten Geflecht
vo n
Bez ieh u n gen
ge
kennzeichnet
ist, in dem
Syntax und Semantik , Morphologie
und
Wortbildung aufs engste zusammenwirken. Dabei scheint
der
Wortbildung eine
Art
Schlüsselpos it ion zuzukommen,
da sie, um
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i6 Einleitung
angemessen beschrieben werden zu können, als d irekter Schnitt
punkt von Syntax, Semantik , Morphologie und Lexikon betrach
tet werden muß (vgl . Kastovsky i977a,b; Brekle/Kastovsky
1 9 7 7 b .
1.2 Analyse und Synthese
ls
methodische
Prinzipien
1.2.1 In der Linguistik, wie auch in anderen Wissenschaftszwei
gen, is t es nützl ich, zwei einander ergänzende methodische Prin
z ip ien zu u n ters ch e id en , d ie man a ls A n a l ys e u n d S y n t h e s e
bezeichnen könnte, u nd die ihrerseits durch die Begriffe "Em pirie"
und "Theorie" gekennzeichnet s ind. Ausgangspunkt is t jeweils
die Sammlung, Analyse und Klass if izierung von beobachtbaren
Fakten mit dem Ziel , eventuell vorhandene Gesetzmäßigkeiten
aufzudecken. Der zweite, synthet ische Schritt besteht in der For
mulierung vermuteter Gesetzmäßigkeiten als Hypothese, d .h . als
eine Theorie, d ie die Natur der beobachteten Daten erklären und
Vorhersagen über die beobachteten Fakten hinaus ermöglichen
soll . Anhand dieser Vorhersagen wird die Theor ie durch den Ver
gleich mit weiteren Daten auf ihre Stichhaltigkeit überprüft.
Für die Linguist ik bedeutet d ies , daß zunächst auf der Grund
lage der bekannten klass ischen Analyseverfahren von Segmentie
rung, Kommutation, Permutation und Klass if izierung die rele
vanten sprachlichen Einheiten und ihre paradigmatischen und
syntagmatischen Relat ionen ermittelt werden müssen. Beides is t
nicht vorgeg eben, sondern Resultat einer systematischen Analyse.
In einem zweiten Schritt kann daraus eine synthetisch-generative
Beschreibung (Grammatik) abgeleitet werden, d ie Sprache nicht
mehr nur als Produkt (Humboldts
ergori ,
sondern als regelhaften
Prozeß (Humboldts
energea
darstellt.
1 .2 .2 Auf diese Dichotomie hat schon von der Gabelentz hinge
wiesen, der zwischen einer analyt ischen und einer synthet ischen
Grammatik unterscheidet. Erstere "erklärt die Spracherscheinun
gen durch Zerlegung", letztere "lehrt , d ie grammatischen Mittel
zum Aufbau der Rede zu verwerten" (von der Gabelentz 1901:
85) . Keine dieser beiden Grammatiken gilt absolut , sondern s ie
Analyse und
Synthese
als
methodische
Prinzipien
1 7
ergänzen s ich: "die Sprachen wollen synoptisch, einmal in Rück
sicht auf ihre Erscheinungen, und dann in Rücksicht auf ihre
Leis tungen beurtei lt werden" (von der Gabelentz 1901: 479; vgl .
au ch C os er iu 1970c:
6 i f . )
}
.
Als typisches Beispiel für das analytische Prinzip kann der klas
sische amerikanische Strukturalismus gelten, der die grammatische
Beschreibung einer Sprache wenigstens tei lweise auf eine reine
Corpusanalyse beschränkt, und für den das Verfahren der Seg
mentierung von Äußerungen in kleinere Einheiten und deren
Klassifizierung charakteristisch ist. Das synthetische Prinzip wird
hingegen v on der T G verkörpert , d ie im Grunde eine s trukturelle
Analyse voraussetzt, und die über das analysierte Corpus hinaus
alle möglichen Sätze einer Sprache vorhersagen, d .h . generieren
will .
Die methodologische Unterscheidung dieser beiden Prinzipien
bedeutet im übrigen nicht , daß beide Verfahren in der l inguist i
schen Beschreibung grundsätzl ich nur nacheinander verwendet
werden dürften, wobei dem analyt ischen Vorgehen absolute Prio
rität einzuräumen wäre. Vielmehr hat die synthetische Formulie
rung von regelhaften Prozessen eine bedeutende heuris t ische
Funktion für de n analyt ischen Aspekt der L inguist ik .
Dies e Dich otom ie gibt auch das Gliederungsprinzip für die vor
l iegende Einführung in die Strukturierung des Wortschatzes ab.
So werden nach einer Diskuss ion des Zeichenbegriffs und der
Skizzierung einiger Bedeutungstheorien zunächst die (analyt i
schen) Prinzipien der strukturellen Semantik sowie die analytische
Seite der Wortbildung dargestellt. Diese bildet als kreativer, regel
hafter Prozeß zugleich den Übergang zu den synthet ischen Ver
fahren der TG. Dabei wird zunächst die Wortbildung und dann
die Pos it ion der Semantik und die Funktion des Lexikons in die
sem Grammatikmodell behandelt . Einige Bemerkungen zu den
Hypoth esen der generativen Semantik und zur Struktur des Lexi
kons insgesamt bilden den Abschluß dieses Buches .
8/17/2019 Wortbildung und semantik.pdf
9/167
II.
Da s sprachliche Zeichen
2.1 Saussures Axio me
Die moderne Linguist ik bas iert auf einer Reihe von Prinzipien,
die in dieser Kombination zuerst von Ferdinand de Saussure
(1916) formuliert wurden. Aus der Grundannahme, daß Sprache
ein Zeichensystem is t , leitet er verschiedene Dichotomien ab, von
denen Arbitrarität und Motivat ion, Linearität und Opposit ion,
Sprachsystem ("langue") und Realisierung ("parole") wegen ihrer
Bedeutung auch für die Beschreibung des Lexikons im folgenden
kurz behandelt werden sollen. Au f den ebenfalls h ierher gehöre n
den Gegensatz von Synchronie und Diachronie werde ich hin
gege n nicht weiter eingehen, da die Ausführungen in diesem Buch
nur dem synchronischen Aspekt von Semantik und Wortbildung
gelten.
2.1.1
Da s Zeichenmodell Saussures
In einem Zeichensystem bedingen s ich Zeichen und System geg en
seitig, da ein Zeichen seinen Wert ("valeur") nur innerhalb des
Systems aufgrund seiner Relationen zu den anderen Zeichen erhält
(Saussure 1916: 158fr.). Das sprachliche Zeichen selbst ist bei
Saussure zweiseit ig: Eine gegebene Vorstel lung ("concept") is t
durch Assoziat ion im Gehirn fest mit einem best immten Lautbild
("image acoust ique") verbunden, und zwar so, daß s ich beide
gegenseit ig b edingen und hervorrufen (vgl . d ie Pfei le in (1)) . Die
ses Verhältnis stellt Saussure (1916: 99) für das lateinische Zeichen
(Wort)
arbor
' B a u m '
1
durch folgendes Diagramm dar:
Ein sprachliches Zeichen repräsentiert also nicht die Verbindung
einer Sache ("chose") mit einem Nam en, sondern die lautl iche w ie
die inhaltliche Seite des Zeichens sind nach Saussure ausschließ-
Sa ussu res A x i o m e
1 9
l ieh psychischer Natur: Ein Begriff verbindet s ich fest mit dem
psychischen Eindruck, den die materielle Lautung im G ehirn hin
terläßt. Der ex tralinguistische R eferent ( = "cho se"), auf den sic h
das Zeichen bezieht, wird von Saussure zwar erwähnt, bleibt aber
außerhalb der Zeichenrelat ion, so daß man von einem binären
Zeichenmodell sprechen kann.
Die inhaltliche Seite des Zeichens nennt Saussure "signifié"
( = "co ncep t"), die lautliche Seite "sign ifiant" ( = "image acous ti
que") . Im Deutsc hen f indet man meist d ie Termini "Inhalt" , "Be
deutung" und "Ausdruck", "Form", im Englischen "meaning",
"content" und "form", "express ion".
2.1.2
Arbitrarität und Motivation des sprachlichen Zeichens
2.1.2 .1 Die Verbindung zwischen Form und Bedeutung eines
sprachlichen Zeichens ist nach Saussure prinzipiell arbiträr, durch
reine Konvention innerhalb einer Sprachgemeinschaft fes tgelegt .
Dadurch unterscheidet es s ich vom Symbol, bei dem die Bezie
hung zwischen der äußeren Form und dem Inhalt , den es reprä
sentiert , wenigstens bis zu einem gewissen Grad einer Motivat ion
zugänglich is t , wi e z. B. bei der Waage als dem Sy mbol der Ge
rechtigkeit.
Abweichend von dieser umgangssprachlichen Terminologie be
zeichnet die moderne Semiotik das motivierte Zeichen als "Ikon",
während "Symbol" gerade für das arbiträre Zeichen gebraucht
wird'. Lyo ns (1977: 101, io4 f . ) unterscheidet darüber hinaus zw i
schen Arbitrarität und Konventionalität, da letztere auch bei iko
nischen Zeichen insofern eine Rolle spielen kann, als deren Moti
vat ion einer kulturellen Konvention unterliegen kann. So gi lt d ie
Eule als Symbol ( = Ikon) für die W eisheit , doch l iegt h ier eher
eine kulturell konventionalisierte als eine naturbedingte Bezie
hung vor, ohne daß diese jedoch in der gleichen Weise als arbiträr
aufgefaßt würde wie die Beziehung zwischen /bäum/ und 'Baum'.
2.1.2.2 Das Prinzip der Arbitrarität muß in zweierlei Hinsicht ein
geschränkt werden. Einmal gilt es nur für das einfache sprachliche
Zeichen; Zeichenkombinationen s ind durch den Bezug auf ihre
Bestandteile und auf parallele Zeichenkombinationen relat iv mo
tiviert (Saussure 1916: 181). Ihr Inhalt ergibt sich aus den Bedeu
tungen der Bestandteile und der Funktion der ihnen zugrunde-
8/17/2019 Wortbildung und semantik.pdf
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2 0
DAS
SPRACHLICHE ZEICHEN
l iegenden Kombinationsregeln . Dies gi lt n icht nur für die Ebene
des Satzes, sondern auch für den Wortschatz, und zwar für den
Bereich der Wortbildung, wie z.B. d ie Zahlwörter zeigen. Im
Englischen werden die Zahlen I I Z durch arbiträre Zeich en aus
gedrückt; d ie Zahlen 1 4 1 9 hingegen erscheinen als Zeichen
kombin ationen bestehend aus der entsprechenden Einerzahl
FOUR,
SIX, NINE)
u n d d em Elemen t
-TEEN,
sind also relativ motiviert. Ähn
liches gi lt für Formen wie
TWENTY-ONE,
SIXTY, NINETY, u s w .
THIRTEEN
nimmt eine interessante Zwischenstel lung ein: Im AE war es völ
l ig motiviert (vgl .
PREÖTIENE :PRIE, PREÖ;ßFTIENE
:ßF), doch hat es
auf
grund lautl icher Entwicklungen seinen Zusammenhang mit
THREE
wohl weitgehend verloren und dürfte daher im heutigen Englisch
nur noch sehr beschränkt motiviert sein . Bei
FIFTEEN
is t d ie Moti
vat ion hingegen trotz des lautl ichen Unterschiedes zu FIVE w oh l
noch recht deutl ich.
Schon Saussure (1916: i82f . ) hat daraufhingewiesen, daß die
Sprachen durch die Möglichkeit der relat iven Motiviertheit
sprachlicher Zeichen, also durch die Verfahren der Wortbildung,
ein gewisses Ordnungsprinzip für den Wortschatz bes itzen. Dieses
schränkt die in der Arbitrarität des sprachlichen Zeichens begrün
dete Tendenz zur Unsystematizität beträchtl ich ein , wobei s ich
einzelne Sprachen im Hinblick auf die Wirksamkeit d ieses Prin
zips unterscheiden können. So scheint das Deutsche insgesamt
eine wesentl ich s tärkere Tendenz zum motivierten Wort aufzu
weisen als das Englische, das eher zur Dissoziat ion (Leis i i960:
57
fr.),
zur formalen Auflösung inhalt l ich begründeter Wortfami
l ien neigt , vgl .
FATHER:PATERNAL VATER: VÄTERLICH) ;
MOUTB
:ORAL MUND:
MÜNDLICH); MOON:LUNAR HASE MOND:MONDBASIS) usw.
2.1.2.3 Die Arbitrarität des sprachlichen Zeichens muß auch noch
in Hins icht auf die "motivat ion par le s ignif iant" (Bally
2
1 9 4 4 :
129) eingeschränkt werden. Hierbei handelt es s ich um onomato
poet ische ( lautmalende) Bildungen wie CRASH,
BANG, DING-DONG
usw. ,
deren Lautung ein Geräusch wiedergibt (vgl . Bally
2
1 9 4 4 : 1 2 7 -
134;
Ulimann 1962: 84ff . ) . Aufgrund dieser Motivat ion durch
die extralinguist ische Realität kann man hier vo n ikonische n Zei
chen sprechen.
Die ausführlichste Darstel lung onomatopoet ischer Wörter im
Englischen f indet s ich in Marchand ( '1969a: 397-43 9) . Marchand
SAUSSURES
AXIOME
2 1
unterscheidet zwischen "phonetic symbolism" und "motivat ion
by Iinguistic form". Innerhalb der ersten Gruppe trennt er ferner
zwischen direkter Nachahmung, bei der ein Geräusch wiederge
geben wird
PUFF,POP,
SPLASH,
SPLATCH, SPLOSH, SMACK, QUACK),
w ob e i
auch eine Übertragung auf die das Geräusch begleitende Bewe
gung eintreten kann WHISH, SWISH, DASH, BASH,
TAP),
und einem Be
reich, den er "express ive symbolism" nennt . Hierbei kann ein
best immter Laut als regelmäßiger Ausdruck eines best immten
Gefühls interpretiert werden, wie z. B . anlautendes /f/, /p /, /b / als
Ausdruck von Verachtung, Geringschätzung oder Abscheu (E
POOH,
FIE, FIDDLESTICKS, FIDDIE-FADDLE ;
D
PAH, BUH)
1
.
Die zweite Gruppe
enthält Ablaut- und Reimkombinationen
CHIT-CHAT, S INGSONG
b zw .
BOOGIE-WOOGIE),
die ihren Ursprung den Emotio nen des Sprechers
und dem darin begründeten Spieltrieb verdanken. Von diesen
verschiedenen Gruppen gehört die reine Lautnachahmung in den
Bereich der primären Ikonizität , während alle anderen Ka tegorien
Beispiele für sekundäre Ikonizität im Sinne von Lyons (1977: 104)
s ind und som it einer gewissen kulturell bedingten Konve ntionali-
sierung unterliegen.
2.1.3 LINEARITÄT,
SYNTAGMA
UND PARADIGMA
Die formale Seite der Sprache ist durch die Linearität des einzelnen
"signif iant" wie der "chaîne parlée" im Ganzen gekennzeichnet
(Saussure 1916: 103), was darauf beruht, daß man nicht mehrere
Laute gleichzeit ig hervorbringen kann.
Aus dieser Linearität des "signifiant" leiten sich die zwei für die
S p rach b es ch re ib u n g gru n d legen d en D imen s ion en d er s y tagma-
t i s c h e n u n d d e r p a r a d i g m a t i s c h e n B e z i e h u n g e n a b , v g l . :
(2 ) a. James ran to the railway station
b.
Harry walked to the tube station
c. Joseph trotted to the bus stop
paradigma tische
Achse:
- Opposition
- Kommutation
- Klasse
syntagmatische Achse:
- Kontrast
- Permutation
- Relation
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2 2
D a s
sp rachl i che Z e i c h e n
In zeitlicher Reihenfolge nacheinander in einer Äußerung auftre
tende Sprachzeichen stehen in syntagmatischer Beziehung zuein
ander und bilden hierarchische Strukturen, d.h. Sy nt ag men. So
besteht in
(2a)
zwischen
James
und
ran to the railway
S t a t i o n die
einen Satz konstituierende Relation von Subjekt und Prädikat;
zwischen ran und
to the
railway S t a t i o n besteht die Beziehung Verb -
lokative Ergänzung, zwischen to und the railway S t a t i o n die Bezie
hung zwischen Präposition und Objekt der Präposition usw.
Keine derartigen Beziehungen ergeben sich hingegen zwischen
James
und
ran to,
oder
to
und
the railway
usw. Solche syntagmati-
schen Beziehungen charakterisieren z.B. den Bereich der gram
matischen Konstruktionen in der Form von "Immediate Consti-
tuents" (ICs).
In einem Syntagma können die darin vorkommenden Elemente
durch andere ersetzt werden, sofern diese dieselben Eigenschaften
aufweisen. Einheiten, die dieselbe Position in einem Syntagma
einnehmen können, bilden eine Klasse, ein Paradigma, wie z. B.
James, Harry
und
Joseph
oder
ran, walked
und
trotted
in
( 2 a
,b ,c ) .
Syntagmatische Beziehungen sind durch die Relation des K on
trastes
4
charakterisiert, d.h. jedes sprachliche Zeichen kontra
stiert mit dem vorhergehenden und dem folgenden. Paradigmen
basieren dagegen auf der Relation der Op posi tion, d.h. jedes
Mitglied eines Paradigmas steht zu allen anderen Mitgliedern die
ses Paradigmas in Opposition (vgl. Saussure 1916: 164fr.; Ka-
stovsky 1968: 37f., 47) .
2 .1
.4
Langue und Parole
Der Gegensatz zwischen Paradigma und Syntagma steht in engem
Zusammenhang mit der Saussureschen Dichotomie von "langue"
und "parole", von Sprache als abstraktem System von Möglich
keiten und Sprache als konkreter Realisation in der Rede. Die
syntagmatischen Beziehungen betreffen beide Ebenen; denn sie
ergeben sich zunächst aus der konkreten zeitlichen Abfolge
sprachlicher Einheiten in der Rede, doch erfolgt diese konkrete
Realisierung nur entsprechend abstrakter Syntagma typen, d.h.
Mustern, die auf der Ebene der "langue", des Sprachsystems, ver
ankert sind. Paradigmen als Möglichkeiten der Ersetzbarkeit ge
hören ausschließlich zur Ebene des Sprachsystems und vereinigen
Zehhenkons itutive
F a k t o r e n
2 3
auf Grund von assoziativen Beziehungen "des termes in absentia
dans une série mnémonique virtuelle" (Saussure 1916: 171).
Es ist nun Aufgabe einer analytischen Linguistik, mit Hilfe
der Verfahren der Vertauschung (Permutation) und Ersetzung
(Kommutation), den wichtigsten Analyseverfahren der strukturel
len Linguistik, diese abstrakten syntagmatischen Kombinations
typen und die sie ermöglichenden paradigmatischen Relationen zu
ermitteln. Aufgabe einer synthetisch-generativen Linguistik ist es
dann, diese statische Beschreibung von möglichen Vorkommen in
einen dynamischen Prozeß umzuwandeln, also ein Regelsystem
aufzustellen, das alle möglichen syntagmatischen Kombinationen
einer Sprache generiert und ihnen zugleich eine Strukturbeschrei
bung und eine Bedeutung zuweist.
2 . 2
Zeichenkonstitutive Faktoren
2.2.0.1
Saussures Zeichenmodell enthält, wie bereits erwähnt, kei
nen expliziten Bezug auf das Bezeichnete, den Referenten, und
muß daher in dieser Hinsicht ergänzt werden. Dies hat zur Ent
wicklung einer Reihe zunehmend komplexerer Zeichenmodelle
geführt, vgl. u.a. Ogden/Richards
(1923),
Heger
(1971),
Henne/
Wiegand (1969), die ausführlich in Schifko (1975) und Wotjak
(1971) diskutiert werden. Eine ausführlichere Erörterung der ver
schiedenen Modelle ist hier nicht möglich; einige Aspekte sollen
jedoch, soweit sie für unser Thema besonders relevant sind, kurz
diskutiert werden.
2.2.0.2 Von den bereits erwähnten Saussureschen Dichotomien
kommt dem Verhältnis von Syntagma und Paradigma besondere
Bedeutung zu. Beide Dimensionen bedingen sich gegenseitig und
führen in der Semantik und der Wortbildung zu zwei komple
mentären Fragestellungen. Die Beschreibung der Bedeutungsbe
ziehungen, die aus den Oppositionen zwischen verschiedenen
Sprachzeichen resultieren, sowie der internen Bedeutungsstruktur
der Sprachzeichen ist eine Angelegenheit der Paradigmatik; dabei
bestimmen sich diese beiden Aspekte wechselseitig (vgl.
4.4.2.1
ff.).
Ferner ergeben sich aus den paradigmatischen Beziehungen auch
8/17/2019 Wortbildung und semantik.pdf
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2 4
Da s sprachliche Zeichen
die verschiedenen formalen Wortbildungsmuster, aufgrund derer
neue Wörter gebildet werden können. Der syntagmatische Aspekt
betriff t h ingegen die semantischen Beziehun gen zwischen Zeichen,
die verschiedenen Paradigmen (Klassen) angehören un d in Sätzen
in einer syntagmatischen Relat ion zueinander s tehen, d .h . ein Syn-
tagma bilden; dies gi lt auch für die syntaktisch-semantischen Be
ziehungen innerhalb von Wortbildungssyntagmen. Die Unter
scheidung zw ischen arbiträren und relativ motivierten Zeichen is t
die Grundlage für die Abgrenzung der lexikalischen Semantik
gegenüber der Wortbildung. Beide betreffen die Struktur des
Wortschatzes, erstere jedoch die Struktur einfacher sprachlicher
Zeichen, letztere hingegen die Struktur von als Wörter fungie
renden Zeichenkombinationen.
Die Unterscheidung von "langue" und "parole" is t insbeson
dere für die Wortbildung relevant , wo s ie für die Erklärung von
Produktivitätslücken genutzt wird (vgl. 5.2.1 ff.). Sie kann noch
durch die Ebene der "Sprachnorm " (Coseriu 1975c) ergänzt wer
den (vgl. 2.2.4.2).
Weitere Faktoren, d ie in diesem Zusammenhang relevant s ind,
s ind die Bezeichnungsfunktion sprachlicher Zeichen , das Verhält
nis von Sprache und außersprachlicher Realität und das Verhältnis
von Sprache und Sprachgemeinschaft .
2.2.1 e d e u t u n g u n d e z e i c h n u n g
2.2.1 .1 Ein sprachliches Zeichen s tel lt eine Verbindung vo n Form
und Bedeutung dar und is t als solches von anderen Zeichen mit
anderer Form und anderen Bedeutungen abgegrenzt bzw. ab
grenzbar, d .h . es is t negativ aufgrund seiner formalen und in
haltlichen Unterschiede zu anderen Zeichen definiert (vgl. Saus
sure 1916: 162,16 6) . Als Ganze s , als Einheit von F orm un d Inhalt ,
is t es dagegen pos it iv best immt und steht für etwas , d .h . es be
zeichnet etwas entsprechend der "grundlegenden Anforderung an
ein Zeichen, aliquid stat pro aliquo" (Schifko 1975: 90).
Die daraus result ierende Unterscheidung zwischen Bedeutung
und Bezeichnetem bzw. Bezeichnung f indet s ich bereits bei den
Stoikern als Gegensatz von "semainomenon" und "pragma", so
wie in der Scholastik als "verba significant res mediantibus con-
ceptibus" (vgl . Coseriu 1970b ¡105) . Für die derzeit ige Dis kuss ion
5
Zeicbenkonstitutive Faktoren
2 5
is t vor al lem Freges (1892) Beitrag wichtig gew orden , wobe i seine
Terminologie al lerdings nicht mit der heute verwendeten über
einst immt. "Bedeutung" bezieht s ich bei Frege gerade auf den
Referenten, also das , was z. B. Coseriu "Be zeichnu ng" bzw . "das
Bezeichnete" nennt , während dem heutigen Begriff "Bedeutung"
bei Frege der Terminus "Sinn" entspricht . Demgegenüber ver
wendet Coseriu den Begriff "Sinn" in der Bedeutung von "Text
intention". Somit ergibt s ich folgende Korrelat ion, wobei d ie In
dizes
F
u n d
C
s ich auf Frege und Coseriu beziehen:
(3 )
Sinn
F
: Bedeutung
F
= Bedeutungc: Bezeichn etes
c
/Bezeichnung
c
Eine weitere termino logische Sch wierigkeit entsteht dadurch, daß
z.B. Coseriu den Terminus "Bezeichnung" systematisch mehr
deutig so woh l für das "Beze ichnete" ( = "Referent") als auch für
die Bezeichnungsbeziehung, d .h . d ie Relat ion zwischen Zeichen
und Bezeichnetem, verwendet . Im folgenden werde ich "Bezeich
nung" nur im Sinne von "Bezeichnungsbeziehung" gebrauchen;
ansonsten benutze ich "Referent", "Bezeichnetes" oder "außer
sprachliche Realität".
2.2 .1 .2 C oseriu veranschaulicht den Unterschied zwischen Bedeu
tung und Bezeichnung durch folgendes Diagramm (Coseriu
1968: 3):
4 ) f Aus d r uck/ s ignifiant 1 B e z e i c h n u n g
Z l
J \
x
^ Sache/ob jet
B e d e u t u n g /
s ignification
Inhalt/s ignifie
J
\ d e s i g n a t i o n '
\ /
A
f Inhalt/s ignifie 1 ^Bezeichnung
Z J
I l / 4-
Sache/objet
[ Aus d r uck /s ignifiant J d es ignation
Wie S au s s u re
6
betrachtet Coseriu "Bedeutung" als relat ional-
opposit ive Beziehung zwischen Inhalten von sprachlichen Zei
chen. Der vert ikale Pfeil in (4) verbindet dementsprechend nur die
Inhalte der Zeichen Zi u nd Z», und nicht diese Zeichen insg esamt.
http://designation%27/http://designation%27/
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26 Das s pr a chl i c he Z ei c h e n
Im Gegensatz dazu interpret iert Lyons (1968: 427; 1977: 197fr.
bes . 204, 206) "Bedeutung" (= "sense") als Beziehung zwischen
sprachlichen Zeichen insgesamt. Die "Bezeichnung" hingegen is t
bei Coseriu eine Beziehung zwischen einem Zeichen als Ganzem
und der außersprachlichen Realität, d.h. dem Referenten, den es
bezeichnet . Diese Beziehung is t n icht notwendigerweise ein-ein-
deutig; ein sprachliches Zeichen kann s ich auf verschiedene Refe
renten beziehen, und ein und derselbe Referent kann durch ver
schiedene sprachliche Zeichen m it unterschiedlichen Bedeutung en
bezeichnet werden.
Frege illustriert dieses Phänomen durch die Wörter
Mo r g e n s t e r n /
A be n d s t e r n ;
diese bezeichnen zwar denselben Referenten, den Pla
neten Venus , unterscheiden s ich jedoch hins icht l ich ihrer Bedeu
tung, die etwa paraphrasiert werden könnte als 'Stern der morgens
(besonders lange) sichtbar ist' und 'Stern der abends (besonders
früh) sichtbar ist'. Derselbe Referent wird also durch den Sprecher
unterschiedlich gesehen und dementsprechend sprachlich in ver
schiedener Weise kategorisiert.
Die Bedeutung ist eine strukturelle Relation, da sie sich aus
Opposit ionen innerhalb eines Systems ergibt , d ie Bezeichnung
hingegen nicht . Außerdem is t d ie Bedeutung ein Faktum der
"langue", während die konkrete Bezeichnung ein Faktum der
"parole" is t ; letztere wird jedoch durch die " Sprachbezeichnung"
(Coseriu 1966
[1978]:
237) gesteuert , d .h . durch die systembezo
gene Relat ion zwischen einem sprachlichen Zeichen und der
Klasse von Referenten, d ie damit normalerweise bezeichnet
werden.
2.2.1.3 Coseriu (1973a: 49f.) unterscheidet drei verschiedene Be
zeichnungstypen: (a) Redebezeichnung, (b) mult iple Bezeichnung
und (c) Zusammenfall zweier Klassen in der Bezeichnung. Dabei
beziehen sich (a) auf die Rede und (b), (c) auf das Sprachsystem;
außerdem involviert (b) nur einen Referenten, während (c) s ich
auf eine ganze Referentenklasse bezieht.
(a) Die Varianz in der Redebedeutung s teht vor al lem im Zu
sammenhang mit metaphorischen Prozessen, z .B. wenn in der
Rede auf einen Referenten, etwa einen Menschen, n icht w ie üblich
m it
Z i ,
z. B.
man,
sondern mit Z* oder Z
3
, z. B.
pi g
oder
v ul t u r e ,
referiert wird. Nach Coseriu (1964: 155) ändert sich dabei die Be-
Ze i c henkonst i t u t i v e F ak t o r e n
27
d eu tu n g von Z
2
oder Z3 nicht, es sei denn, eine solche Metapher
wird durch häufigen Gebrauch konventionalis iert . Dies kann zum
Verlust des Metapherncharakters und damit zugleich zu einer Be
deutungsveränderung führen. Dieses Phänomen dürfte bei der
metap h or i s ch en V erw en d u n g von o x ,
l o use
zur Bezeichnung von
Menschen vorliegen , da diese hier im Gegensatz zu ihrer norma len
Verwendung regelmäßige Plurale
( o x e s, l o us e s)
bilden; dement
sprechend müßte man zwei verschiedene Wörter o x i , 0 x 1 usw.
postulieren. Andere Linguisten nehmen hingegen schon bei der
Metaphernschöpfung und nicht erst bei der Kon ventionalis ierung
der Metapher eine Bedeutungsveränderung an, so z.B. Leis i
(1973: i72f . ) und Schifko (1975: 65) .
(b) Bei der mult iplen Bezeichnung handelt es s ich um eine vom
Sprachsystem her bedingte Mehrfachklass if izierung v on einzelnen
Referenten, d.h. ein und derselbe Referent kann je nach Stand
punkt z . B. als
ho u s e, h u i l d i n g , ma n s t o n , c ot t a ge
usw. bezeichnet wer
den.
Dies unterscheidet natürliche Sprachen von Terminologien,
wo zwischen Bedeutung und Bezeichnung eine Eins-zu-eins-Ent-
sprechung besteht, d.h. jedem Referenten entspricht jeweils nur
ein Zeichen mit einer Bedeutung und umgekehrt . Terminologien
s ind ihrer Intention nach systematische und kohärente objektive
Klassifikationen der außersprachlichen Realität, die keine Mehr
fachklass if izierung zulassen. Die normale Umgangssprache dage
gen ist eine subjektive und daher keine kohärente Klassifikation
der Wirklichkeit . So kann Wasser umgangssprachlich als
Wa s s e r ,
B rü h e, Me e r , Tümpe l , F l uß
usw. klassifiziert werden, in der chemi
schen Term inologie jedoch nur als H O (vgl . Coseriu 1966
[1978]:
201 ff.).
(c) Schließlich können auch ganze Referentenklassen von ver
schiedenen Gesichtspunkten aus bezeichnet werden. So klassifiziert
das Griechische die Spezies Mensch einmal als
d n t h r o pös
'Mensch
als Nicht-Tier' und einmal als
b r o t d s
'Mensch als Nicht-Gott ' (Co
seriu 1973a: 50). Ein paralleles Beispiel aus dem Englischen sind
die Namen verschiedener Tiergattungen, d ie, wenn s ie im Sinne
von "Jagdbeute" verwendet werden, zumindest fachsprachlich
analog zu
t r o u t , s a l mo n, g r o us e
usw. ohne explizite P luralendung
erscheinen, vgl .
We saw/ shot t h r ee e l e p ha n t o n o u r s af a r i
gegenüber
regulärem
We sa w t h ree e l ephan ts at t he %po
(Allan 1976). Offensicht
l ich hat
e l e p h a nt
hier zwei Bedeutungen, d ie wiederum in der Be-
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2 8
Da s
sprachliche
Zeichen
Zeichnung
zusammenfallen,
un d die
sich hinsic htlich der Plural
bildung unterscheiden.
2.2.2
Da s
Zeichenmodell von
OgdenjRichards
Um anzudeuten, daß die Bezeichnungsrelat ion eine ebenso wich
t ige Dimension des Zeichens darstel lt wie seine Form und seine
Bedeutung, haben Ogden/Richards (1923: 11) Saussures binäres
Zeichenmodell durch ein ternäres Modell , das sog. "semiot ische
Dreieck", ersetzt:
(5) thou ght or reference
t nds fo r
an imputed re lat ion)
Di e B eziehung zw ischen For m ( = "symbol") und R eferent wird
also nur indirekt über die Be deutung ( = "thought or reference")
vermittelt , was durch die gestrichelte Bas is l in ie ausgedrückt wer
den soll . "Reference" wird hier im Sinne von "Bedeutung" und
gerade nicht im Sinne von "Bezeichnung" verwendet . Die l inke
Seite des Dreiecks entspricht der Relat ion zwischen "image acou
stique" und "concept" bei Saussure, stellt also das sprachliche
Zeichen selbst dar; die rechte Seite des Dreiecks symbolisiert die
Bezeichnungsbeziehung. Von diesem Modell unterscheidet s ich
Coserius Darstel lung (vgl .
4 ) )
dadurch, daß er die Bezeichnungs
relat ion als eine Beziehun g zwischen dem Zeichen als Ganzem und
einem Referenten auffaßt , während er die Bedeutung relat ional-
opposit iv als Beziehung zu anderen Bedeutungen interpret iert .
Dieser relat ionale Z ug fehlt in (5) . Verschiedene Linguisten, z . B.
Heger (1971: 59) , haben daher versucht , dem relat ionalen Cha
rakter der Bedeutung dadurch Rechnung zu tragen, daß s ie die
Dreieckspitze in eine Reihe komplexer Relat ionen auflösen und
dadurch das semiot ische Dreieck in ein Trapezm odell verw andeln.
Zeichenkonstitutive Faktoren
2 9
2.2.3
Sprache und außersprachliche Realität
2.2.3 .1 Da Sprache zur Bezeichnun g der außersprachlichen Reali
tät d ient , muß man s ich fragen, ob bzw. wie weit d ie Sprache
durch diese Realität geprägt is t , oder ob nicht umgekehrt jede
Einzelsprache durch ihre Struktur die Sprecher zu einer best imm
ten Sicht der Realität zwingt . D amit s ind zugleich auch die beiden
Extremposit ionen abgesteckt , d ie in dieser Hins icht vertreten
worden s ind.
Auf der einen Seite s teht die Auffassung, daß Sprache wesent
lich durch die extralinguistische Realität determiniert ist, wobei
allerdings dem sprechenden Subjekt zumeist b is zu einem g ewisse n
Grad eine die Realität interpret ierende Rolle zugebil l igt wird.
Typisch hierfür is t d ie marxis t ische Widerspiegelungstheorie, wo
Wo rtbedeutung en def iniert werden als "die inhalt l iche Widerspie
gelung eines Gegenstandes , einer Erscheinung oder einer Bezie
hung der objektiven Realität im Bewußtsein der Angehörigen
einer Sprachgemeinschaft , d ie tradit ionell mit einem Lautkom plex
zu der s trukturellen Einheit des Wortes verbunden is t" (W.
Schmidt 1963: 16; ähnlich Wotjak 1971: 19, 26-27
e t
passim;
Viehweger et al . 1977: 22fr.).
Auch die Bedeutungstheorie des amerikanischen Strukturalis
mus is t weitgehend von einer solchen realis t ischen Einstel lung
geprägt . So setzt z . B. Bloomfield die Bedeutung eines Wortes mit
der wissenschaft l ichen Beschreibung des durch dieses Wort be
zeichneten Gegenstandes gleich: "We can def ine the meaning of
a speech-form accurately when this meaning has to do with some
matter of which we possess scient if ic knowledge. [ . . . ] The ordi-
n ar y m e a n in g o f t h e E n g l i s h w o r d W / i s ' s o d i u m c h l o r i d e ( N a C l ) " '
(Bloomfield 1933: 139) .
2 .2 .3 .2 Diese G leichsetzung v on sprachlicher Bedeu tung u nd
Realität ist jedoch nicht haltbar. Zwar existieren in der Realität
durchaus objektiv abgegrenzte Objekte wie Blumen, Büsche,
Tiere, Personen usw . , und die Sprachen verfügen häufig auch über
Wörter, d ie diese objektiv abgegrenzten Ausschnitte aus der Rea
l ität bezeichnen, wie z.B.
apple, b all, house, tree, bush
u s w . D ies
bedeutet jedoch nicht , daß die dadurch bezeichneten Referenten
klassen unabhängig von ihrer sprachlichen Bezeichnung in der
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3°
D a s s p r a c h l i c h e Z e i c h e n
Realität deutl ich geschieden s ind. Wäre dem so, dann hätten Z oo
logie und Botanik keine Klass if ikat ionsprobleme.
Außerdem klassifizieren die einzelnen Sprachen die Realität un
terschiedlich. So unterscheiden z.B. das Englische und Franzö
s ische prinzipiel l zwischen Schnecken mit und ohn e Haus (E .
snail:
slug;
F .
escargot: limace)
und kennen keinen dem dt .
Schnecke
ent
sprechenden Oberbegriff. Bekannt ist auch die Differenzierung
zwischen
street
u nd
road
gegenüber dt .
Straße.
Umgekehrt fehlt
dem Englischen die im Deutschen obligatorische Unterscheidung
v o n
essen:fressen; trinken:saufen;
es kennt nur die Oberbegriffe
tat
un d
drink
(Leisi 1973: 13).
Ferner kann ein Sprecher je nach seiner Einstel lung gegenüber
einem Referenten diesen unterschiedlich klassifizieren, ein Haus
z. B. als
building, house, mansion, cottage, palace
oder
shack, hut, ruin
usw.
Schließlich is t auch der einzelne Referent keineswegs immer
objektiv abgegrenzt oder abgrenzbar, sondern erhält seine indi
viduelle Existenz erst dadurch, daß die Sprache ein Segment aus
einem extralinguist ischen Kontinuum dadurch isol iert , daß s ie
hierfür über eine spezielle Bez eichn ung ve rfügt. D ies ist z. B. der
Fall bei den Paaren
knee/thigh, chin/cheek, temple/forehead,
zwischen
deren Referenten es jeweils keine offensichtlichen Grenzen gibt.
Am bekanntesten is t wohl das Beispiel der primären Farbbezeich
nungen, d ie innerhalb des Spektralkontinuums w il lkürliche G ren
zen legen, welche s ich von Sprache zu Sprache unterscheiden;
vgl. das allerdings stark schematisierende und vereinfachende Dia
gramm in Gleason (1961: 4)
7
:
6)
a. Englisch:
b.
purple blue green yellow orange red
Shona:
cips
w
uka citema
cicena cips^uka
Bassa:
hui zlza
Z e i c h e n k o n s t i t u t i v e F a k t o r e n
Bei der Beurteilung dieser Unterschiede darf jedoch nicht über
sehen werden, daß jede dieser Sprachen die Möglichke it hat , durch
sekundäre Farbwörter (z.B.
maroon, pink, beige, blue-green
usw.)
feinere Differenzierungen auszudrücken.
Sprachzeichen und die damit verbundenen sprachlichen B edeu
tungen s ind also keineswegs nur "Etiketten, d ie den bereits säu
berlich getrennten Teilen der Welt angehängt werden" (Leis i
1973: 14) , sondern erfordern eine Analyse, Segmentierung und
Klassifizierung der außersprachlichen Wirklichkeit durch den
Menschen, d ie s ich in entsprechenden sprachlichen Kategorien
niederschlägt .
2 .2 .3 .3 Die Verabsolut ierung dieser Beobachtung führt zu einer
extrem idealis t ischen Gegenposit ion, d ie davon ausgeht , Sprache
und sprechendes Subjekt seien bei der Konst itut ion der Erkennt
nis d ie al lein entscheidenden Faktoren, wobei d ie Art und Weise,
in der die außersprachliche Realität wahrgenom men wird, vo n der
Sprachstruktur best immt werde. Diese als "Humboldt-Sapir-
Whorf-Hypothese" oder "Linguist ische Relat ivitäts theorie" be
kannt gewordene Auffassung wird in Deutschland vor al lem von
Leo Weisgerber und der Sprachinhalts forschung vertreten
8
. Ihr
steht al lerdings die Möglichkeit der zwischensprachlichen Über
setzung und Kommunikation sowie die Distanzierung von einer
Einzelsprache durch Reflexion entgegen. Man wird daher davon
ausgehen müssen, daß man in jeder Sprache prinzipiell über alles
sprechen und daher auch die hierfür notwendige n U nterscheidun
gen treffen kann. Nur werden diese nicht in allen Sprachen auf
derselben Ebene gemacht , sondern in der einen Sprache obliga
torisch schon durch den Primärwortschatz, also paradigmatisch
( z . B .
snail/slug),
in der anderen hingegen fakultat iv durch den
Sekundärwortschatz, d .h . durch Wortbildungen (z.B.
Haus
schnecke/Nacktschnecke),
oder durch syntaktische Paraphrasen (z. B.
Schnecke mitlohne
Haus),
also auf der syntagm atischen Ebe ne. Spra
chen unterscheiden sich daher prinzipiell durch das, was sie aus
drücken müssen, und nicht in dem, was s ie ausdrücken können
(Jakobson 1959: 236) . Aus der Exis tenz solcher obligatorischer
Unterschiede in der Klassifikation der Wirklichkeit kann man so
mit kaum auf eine grundsätzl ich andere Welts icht schließen; denn
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34
D a s sp ra ch li ch e Z e i c h e n
Dieses System von funktionalen Opposit ionen, von Invarian
ten, das den gemeinsamen Bes itz einer Sprachgemeinschaft aus
macht , is t nun nicht direkt zugänglich, sondern eine Abstraktion,
die aus den konkreten Redeakten abgeleitet werden muß. Dies
gilt für das Kind beim Spracherwerb ebenso wie für den Lingui
s ten bei der Konstruktion einer Grammatik als Modell des vom
kompetenten Sprecher internalisierten Sprachsystems. Für den
Bereich der Syntax ist dieser Ableitungsprozeß wesentlich leichter
durchführbar als für den Wortschatz, wo die individuellen Unter
schiede ungleich größer s ind. Dennoch s ind auch auf der Ebene
der lexikalischen Bedeutung entsprechende Invarianten anzuneh
men, denn ohne s ie würde die Kommunikation nicht funktionie
ren.
Die Auff indung dieser Invarianten setzt eine Reihe von heuri
s t ischen Unterscheidungen voraus; denn weder eine Sprachge
meinschaft noch eine "his torische Sprache" im Sinne von "Eng
l isch", "Deutsch ", "Französ isch" usw. bilden eine hom ogen e Ein
heit . Vielmehr kann man die folgenden drei Typen von Unter
schieden feststellen (Coseriu 1973a: 38fr.).
2.2 . 4 . 3 D ia top is ch e ( räu ml ich e) U n ters ch ied e k on s t i tu ieren d ie
verschiedenen regionalen Dialekte einer Sprache, wobei s ich " Dia
lekt" hier ausschließlich auf geographische und nicht auf schich
tenspezifische Differenzierungen bezieht. Im Gegensatz dazu wei
ten manche Linguisten diesen Begriff in die soziale Dimension
aus , da vor al lem in England ein enger Zusammenhang zwischen
regionalem Dialekt und sozialem Status von Dialektsprechern be
steht (vgl . z .B. Leis i
1960: 175fr. ;
Lyon s
1 97 7 : 6i6ff.;
Strang
1968: 19fr.;
Quirk et al.
1972: 13fr.).
In einer Weltsprache wie de m Eng lischen spielen regionale Un
terschiede naturgemäß eine beträchtliche Rolle, w enn auch die le
xikalischen Differenzierungen durch die En twicklung der Massen
medien und des Verkehrs in der letzten Zeit einer gewissen Nive l
l ierung unterliegen. Am bekanntesten s ind wohl die Unterschiede
zwischen brit ischem und amerikanischem Englisch w ie z. B. BE
petrol/AmEgas, humper/J'ender, pavementjsidewalk
usw. (vgl. u.a. Foster
1968: 17fr.,
Strang
1 97 0:
35 ff.); zu analogen Unterschieden zwi
schen brit ischem und australischem Englisch vgl . A. Bickerton
(1976),
D ab k e (1976).
Z ei ch en ko n st i t ut i ve F a k t o r e n
35
In Engla nd selbst verbinden s ich dialektale meist mit schichten
spezif ischen Unterschieden; der hochsprachliche Wortschatz is t
daher relat iv homogen. Einzige größere Ausnahme is t der schot
t ische "modif ied s tandard", aus dem W örter wie wee,
lassie, laddie,
bonny, glen
usw. auch in den Süden gewandert s ind, dabei jedoch
ihren dialektalen Status beibehalten haben. Bei einer strukturellen
Betrachtung des Wortschatzes müssen solche regional markierten
Elemente zunächst ausgeschieden werden, denn die Opposit ion
little:wee
hat einen anderen Status als die Opposition
little:big.
2 .2 .4 .4 D ia s t ra t i s c h e ( s ch ichten sp ez if i sch e) U n tersch ied e b e
treffen die soziokulturellen Schichten einer Sprache und charakteri
s ieren Ebenen wie Hochsprache, gehobene Umgangssprache,
Volkssprache, S lang usw. Sie überschneiden s ich häufig mit d ia
lektalen Unterschieden, da Umgangssprache und vor al lem Volks
sprache meist auch dialektale Elemente enthalten. So gehören
Wörter w ie
man, fellow,
chap,
guy, bloke odetgirl, bird, broad
ebenso
w ie
mouth, gob,
trap
oder
food,
eats,
grub
unterschiedlichen Sprach
ebenen an. Bei einer Beschreibung der funktionalen Einheiten des
Wortschatzes auf der Grundlage von Opposit ionen dürfen diese
Wörter nicht als Elemente desselben Systems betrachtet werden.
Ma n
un d
blöke
kontrastieren zwar miteinander als Einheiten ver
schiedener Sprachebenen, s tehen jedoch nicht in derselben Weise
in Opposit ion zueinander wie
man:woman:child.
2 .2 .4 .5 D iap h as i s ch e ( s t i l i s t i s ch e) U n ters ch ied e k en n ze ich n en
verschiedene Sprachsti le , d ie meist mit unterschiedlichen Sprech
anlässen (z.B. Gespräch unter Freunden, Vorlesung, Grabrede
usw.) verbunden s ind, und überlagern die diatopischen und dia-
s tratischen Varianten. Daraus ergeben s ich Ebenen w ie gebr äuch
l iche oder familiäre Umgangssprache, feierl iche Sprache, Wissen
schaftssprache usw .; vgl . d ie bürokratische Ankündig ung (7a) mit
ihrer Übersetzung (7b) aus Quirk et al. (1972: 23, 25):
(7) a. Overtime emoluments are not available for employees who are
non-resident.
b.
Staff members who don't live in can't get paid overtime.
2.2.4
.6
Diese Ebenen s ind Konstrukte des Linguisten, d ie s ich in
einer historischen Sprache überlagern; auch der einzelne Sprecher
8/17/2019 Wortbildung und semantik.pdf
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Das sprach l iche Zeichen
beherrscht meist verschiedene Varianten
und
kann jederzeit
von
einer Variante
zur
anderen wechseln . Daher fehlt auch eine ein
heitliche Klassifizierung
für
diese "Architektur
der
Sprache"
(Co-
seriu 1975a:
38).
Strang (1968: 19fr.) unterscheidet zwei Haupt
kategorien,
(I)
Idiolekt
-
D ia lek t
-
Sprache,
(II)
M ed iu m
-
Stil
-
Register, wobei Kategorie
(I)
durch Kategorie
(II)
überlagert
wird. Dialekt schließt
bei ihr
soziale Varianten
ein;
M ed iu m
be
zieht sich
auf den
Unterschied zwischen gesprochener
und ge
schriebener Sprache; Stil entspricht
der
D imen s ion " formel l
- in
formell" innerhalb
der
diaphasischen Un terschiede;
und
Regis ter
is t verwendungsbezogen, betrif f t a lso
z.B. die
wissenschaftliche
Sprache,
die
Sprache
von
Gebrauchsanweisungen, Kochrezepten,
Patenten
usw.
Eine andere Eintei lung f indet s ich
in
Quirk
et al.
( 1 97 2 :
13) mit den
Eb en en " reg ion
-
education
and
social
Stand
in g
-
subject matter
-
med iu m
-
attitude."
Eine historische Sprache
ist
also kein homogenes System, son
dern
ein
A ggregat
von
s ich überlagernden Subsystemen .
Für
eine
strukturell- funktionelle Beschreibung
muß man
diese Subsysteme
trennen, indem
man
sogenannte "funktionelle Sprachen" abstra
hiert, die
in
diatopischer, diastratischer
und
diaphasischer Hinsicht
h omogen s in d .
Nur auf
diese Weise lassen sich
die in
einer Sprache
funktional relevanten Opposit ionen fests tel len. Dabei wird
man
s ich zweckmäßigerweise zunächst
auf den
hochsprachlichen Stan
dard ("Standard/Educated English", "Hochdeutsch"
usw.)
bezie
h en ,
der
dialektal
und
diastratisch verhältnismäßig hom oge n
und
neutral
ist.
Dieser s tel lt dann einen Bezugspunkt
für
weitere
Dif
ferenzierungen
dar.
HL Bedeutungsebenen und
Bedeutungsdefinitionen
3
.1
Grundfragen der Bedeutungsanalyse
Wir w o l len
uns nun der
Frage zuwenden,
was
unter
dem
Begriff
" Bed eu tu n g"
zu
verstehen
ist.
Dies kann zunächst
als
Frage nach
dem ontologischen Status sprachlicher Bedeutungen interpret iert
werden. Hierauf wird dieses Buch keine Antwort geben
und bei
dem derzeit igen Stand
der
Diskuss ion auch kaum geben können.
Vielmehr scheint
es
s innvoll
zu
sein ,
die
Existenz sprachlicher
Be
d eu tu n gen
in dem
Sinn
als
gegeben vorauszusetzen,
daß sie
sich
in best immten Phänomenen
wie
S yn on ymie
und
Bed eu tu n gs u n
terschied, Antonymie
und
Folgeru ng, Kontradikt ion, Tauto logie
usw. manifestiert,
die wir
intuit iv
als
P h än omen e
der
Bed eu tu n gs
seite
der
Sprache identifizieren.
Man kann
die
Frage nach
dem
Wes en
der
Bedeutung aber auch
praktischer
als
Frage nach ihrer Rolle
in der
Sprache verstehen.
Die Antwort hierauf wird
in
einer kohärenten semantischen The o
rie bestehen müssen,
die die als
semantisch erkannten Fakten mit
einander verbindet, erklärt
und von den
nicht-semantischen Phä
n omen en
in der
Sprache abgrenzt . Dies setzt zunächst eine Ana
lyse
und
Beschreibung
der als
semantisch bewerteten Phänomene
voraus . Damit verwandelt s ich
die
Frage nach
dem
Wes en
der
Bed eu tu n g
in die
Frage,
wie
Bedeutungen beschrieben werden
k ön n en ,
was zu
einer
im
weitesten Sinn
des
Wortes operationalen
Bedeutungsdef init ion führt .
Zuvo r soll jedoch noch eine drit te Interpretation
der
Frage nach
d em
Was der
Bedeutung erörtert werden,
die zu
einer Unterschei
dung verschiedener Bedeutungsebenen führt .
3 . 2 Bedeutungsebenen
3.2.1 Denotative
und
konnotative Bedeutung
3 .2 .1 . 1 Ein
Blick
auf das
fo lgen d e
in
Leech
( 1974: 17)
zitierte
Beispiel zeigt ,
daß
" Bed eu tu n g" k e in es w egs
ein
vö l l ig h omogen es
Phänom en darstellt .
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3«
edeutungsebenen
un d
edeutungsdefinitionen
(1)
a. They chucked a stone at the cops, and then did a bunk with
the loot.
b.
After casting a stone at the police, they absconded with the
money.
Beide Sätze beziehen sich auf denselben Sachverhalt, tun dies aber
in unterschiedlicher Weise. Satzbau und Wortwahl charakterisie
ren sie als Realisierungen verschiedener funktioneller Sprachen
(umgangssprachlich-salopp vs . hochsprachlich-formell) . So be
zeichnen z. B. sowohl
cops
als auch
police
die staatlichen Gesetzes
hüter, haben also die Bedeutung 'Polizei ' . Diese Definit ion is t je
doch nur im Falle von
police
ausreichend; bei
cops
'Bullen' kommt
noch eine weitere Bedeutungskomponente hinzu, nämlich Ge
ringschätzung, Abneigung, also eine negative Bewertung des Re
ferenten durch den Sprecher; außerdem is t das Wort als 'um
gangssprachlich' markiert. Ähnliche Unterschiede lassen sich für
chuck/cast, do a bunk/abscond
usw. feststellen. Der durch eine kreuz
weise Vertauschung der Satzteile entstehende Stilbruch in (2)
verdeutl icht diese Unterschiede. Neben einer ( ia) und ( ib) ge-
(2) a. They cast a stone at the police, and then did a bunk with the
loot.
b.
After chucking a stone at the cops, they absconded with the
money.
meinsamen Bedeutung 'mehrere Personen bewarfen die Polizei
mit Steinen und verschwanden dann mit dem gestohlenen Geld'
ergeben s ich also weitere Bedeutungselemente, d ie von dieser
Grundbedeutung isol iert werden können.
3.2 .1 .2 Diese beiden Arten von Bedeutung werden in der Regel
"denotat ive Bedeutung" ("Denotat ion", "conceptual meaning",
"referential meaning", "cognit ive meaning") und "konnotat ive
Bedeutung" ("Konnotat ion", "emotive meaning", "associat ive
meaning") genannt. Erstere entspricht den bisher verwendeten
Begriffen "s ignif ie", "concept", "meaning", "sense" usw. , und
ihr werden die Ausführungen zur Bedeutungsanalyse in diesem
Buch gelten. S ie is t der zentrale Faktor in der sprachlichen K om
munikation und weis t gemeinsame Eigenschaften mit der phono-
logischen und syntaktischen Ebene der Sprache auf , nämlich
Grundfragen der edeutungsanalyse
39
"contrast iveness" und "const ituent s tructure" (Leech 19 74: n ) ,
die s ich aus der paradigmatischen und der syntagmatischen Di
mension der Sprache ergeben.
Der Terminus "konnotat ive Bedeutung" bezeichnet eine Reihe
verschiedener Bedeutungselemente, d ie im Gegensatz zur denota
tiven Bedeutung nicht klar strukturiert sind, und die vor allem den
Gefühlswert einer Äußerung best immen. Sie umfassen sowohl
außersprachliche Faktoren, z. B. die Einstellung des Sprechers ge
genüber der dargestellten Realität, als auch innersprachliche Fak
toren, z .B. d ie s t i l is t ische Angemessenheit einer Äußerung in
einer gegebenen Situation. Nida (1975a: 28ff .) unterscheidet dem
entsprechend zwischen außersprachlich bedingter und inner
sprachlich bedingter emotiver Bedeutung. Auch Leechs (1974:
14-22) fünf Typen v on assoziat iver Bedeutung, d ie zu der Grund
bedeutung ("conceptual meaning") eines sprachlichen Zeichens
hinzutreten können, vertei len s ich auf diese beiden Bereiche.
3.2.1.3 "Connotation" betrifft Assoziationen, die in für den ein
zelnen Sprecher unterschiedlichem M aß mit dem Referenten eines
Wortes verbunde n s ind, z . B. "biped", "having a wom b", "gre-
garious", "experienced in cookery", "skirt-or-dress-wearing",
"frail", "prone to tears" usw. mit
woman
(Leech 1974: 14). Hierher
gehören die assoziat iven Felder
{bœuf-.labour,
charrue, joug, travail
usw.) in Bally (1940: 195), oder die von Pottier (1964: 130) als
"virtuème" bezeichnete Erwartung, daß s ich mit
Möwe
normaler
w eis e
weiß
und nicht
schwär^
verbindet . Solche Ko nnotat ion en
sind extralinguistisch bedingt, instabil, häufig auch von dem kul
turellen Umfeld des Referenten abhängig und bilden kein ge
schlossenes Inventar.
Leechs "reflected meaning" betrifft den Einfluß multipler Be
zeichnungsbeziehungen eines Zeichens auf seine Bedeutung und
V erw en d u n g . S o s ch w in gen in
The Comforter
un d
The Holy Ghost
als Bezeichnung der Dritten Person der Dreifalt igkeit jeweils auch
d ie von d en an d eren V erw en d u n gen von
comfort(er)
u n d
ghost
evozierten Gefühle mit , a lso "warm, comfort ing" bzw. "a wesom e"
(Leech 1974: 19) . Bei Wörtern wie
intercourse, ejaculation,
érection
usw. , d ie sow ohl innerhalb wie außerhalb eines Tabubereichs ver
wendet werden können, kann die potentiel le Tabuassoziat ion zur
Aufgabe der nicht tabuis ierten Verw endung führen. Für die Fest-
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40
edeutungsebenen un d edeutungsdefinitionen
tellung
solcher Assoziat ionen is t somit die Kenntnis der usuellen
Referenzbeziehungen einer Sprache notwendig.
"Stylistic meaning" bezieht sich auf die Sprechsituation und
charakterisiert das soziale Umfeld, in dem ein Sprachzeichen ver
wendet wird (Leech 1974: 16) , s teht also mit den diatopischen,
diastratischen und diaphasischen Unterschieden in Zusammen
hang. Beispiele s ind ( ia ,b) oder Quasi-Synonyma wie mouth-gob,
food - grub,
close
- shut, domicile -
residence
-
abode
- home,
die sich
hinsichtlich ihrer stilistischen Bedeutung unterscheiden.
"Affective meaning" basiert ebenfalls auf der Sprechsituation,
ist jedoch subjektiv, d. h. sprech erbezog en, und betrifft "what is
communicated of the feelings and attitudes of the writer/speaker"
(Leech 1974: 18) . Dieser Bedeutungsaspekt verbindet s ich in der
Regel m it ganzen Äußerungen. So kann z. B. (3) je nach Intonation
(3) I'm terribly sorry to interrupt, but I wonder if you would be so
kind as to lower your voices a little.
und Situation eine höfliche Bitte oder beißende Ironie sein.
Unter "collocat ive meaning" versteht Leech schließlich "the
associations a word acquires on account of the meanings o f w ords
which tend to occur in its environmen t" (1974: 20) . Dieser Aspe kt
bezieht s ich also im Gegensatz zur Konnotat ion nicht auf die
Ebene der Referenten, sondern auf die sprachliche Ebene und
steht in großer Nähe zu den Selektionsbeschränkungen der gene
rativen Grammatik. Letztere charakterisieren Verbindungen wie
*buxom man,
*yellow
hair als abweichend und basieren auf klar de
f inierten semantischen Klassen. Leechs kollokative Bedeutungen
hingegen ergeben s ich aus mehr oder weniger zufäll igen Fixierun
gen auf Normebene, so z. B. bei pretty u n d handsome, die beide die
Bedeutung 'good-looking' haben, s ich jedoch in ihren Kolloka
t ionsmöglichkeiten unterscheiden, vgl .
(4 )
a. pretty (girl, boy, woman, flower, garden, colour, village, etc.)
b. handsom e (boy, man, car, vessel, overcoat, airliner, typewriter,
etc.).
Vereinzelt s ind beide Adjektive möglich, z .B. handsom e pretty
woman,
doc h ergeben s ich dann aufgrund der verschiedenen kollo -
kativen Assoziationen unterschiedliche Implikationen. So erhält
Grundfragen der edeutungsanalyse
4 1
pretty man durch die Assoziat ion mit pretty boy, pretty
woman
eine
negative Implikation. Wie die Beobachtungen Nidas (1975a:
162 ff .) zu diesem Paar zeigen, is t d ie A bgrenzu ng solcher K ollo
kationsbeschränkungen gegenüber den s trikteren Selektionsbe
schränkungen der TG äußerst schwierig; vgl . auch Kempson/
Quirk (1971) , d ie hier von latenten Merkmalen sprechen. Von
allen hier genannten Kategorien assoziat iver Bedeutung is t d ie
letzte wohl am diffusesten und am wenigsten genau abgrenzbar.
3.2.2
Thematische Bedeutung
3.2.2 .1 Die Ebene der thematischen Bedeutung bezieht s ich auf
den Satz als Ganzes und betrifft "what is communicated by the
way in w hich a speaker or writer organizes the message, in terms
of ordering, focus and emphasis" (Leech 1974: 22) . Es handelt
s ich hierbei also um die Vertei lung von vorgegebener und neuer
Information im Satz sowie um die Hervorhebung neuer Informa
tion, d. h. um die "funktionale Satzperspektive" der Prager Schule
bzw. den Begriff der "Topikalis ierung" in der TG
1
.
Auf syntaktischer Ebene manifestieren sich solche Unterschiede
z. B. durch die Oppo sit ion vo n A ktiv und Pass iv , d ie s ich trotz
identischer denotat iver Bedeutung in ihrem kommunikativen
Wert unterscheiden und daher nicht in demselben Kontext vor
kom men können. So wäre nur (5 a) eine angemessene Antwort auf
(5)
a. Jack kissed Jill.
b.
Jill
w as
kissed by Jack.
die Frage
W ho did Jack kiss?,
nicht jedoch (5b) , das Fragen wie
Who
kissed Jill? oder W ho
w as
Jill kissed by? voraussetzen würde.
Ähnlich funktioniert kontrast ive Betonung allein oder zusam
men mit Konstruktionen wie "cleft ing" oder "pseudo-cleft ing" :
(6) a. Jack kissed Jill (neutral).
b. Jack
kissed Jill (kontrastive Betonung).
c. It was Jill who Jack kissed/who was kissed by Jack ("cleft
sentence").
d. The one who Jack kissed/The one who was kissed by Jack was
Jill ("pseudo-cleft sen tence").
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4 2
edeutungsebenen un d edeutungsdefinitionen
Die thematische Satzgliederung kann auch lexikalische Konse
quenzen haben, indem s ie über die Wahl der Konstruktion und
die damit verbundene Fest legung der Reihenfolge der Satzglieder
die Entscheidung zwischen lexikalischen Alternativen s teuert .
Dies gi lt z . B. für die psychologischen Prädikate oder "f l ip verb s"
2
v o m T y p
surprise be surprised at, disgust be disgusted at,
die trotz ihrer
engen Verwandtschaft mit dem Pass iv im Grunde lexikalische
Alternativen darstellen:
7)
a. Othello disgusted Desdemona with his outbreaks.
b.
Othello's outbreaks disgusted Desdemona.
c. Desdemona was disgusted at Othello's outbreaks.
Analoge Bedeutungsunterschiede weisen auch Sätze mit lexikali
schen Konversen (4.4 .3 .10, 4 .6 .2 .5) wie
own/belong; precede/follow;
father
son;
buy sell
usw. auf; bei letzterem Paar kommt noch eine
unterschiedliche Vertei lung der Agensfunktion auf die Ar gumen te
des Verbs hinzu:
(8) a. My brother owns the largest betting-shop in London.
b.
The largest betting-shop in London belongs to my brother.
9) a. John bought the car from Peter,
b.
Peter sold the car to John.
(10) a. Mary is taller than Jane,
b.
Jane is shorter than Mary.
(11) a. A precedes B.
b. B follows A.
(12) a. Henry was Richard's father,
b.
Richard was Henry's son.
Hierher gehört auch die Verwandtschaft zwische n (13a) und (13b) ,
(13) a. Seym our cut the salami with a knife.
b.
Seymour used a knife to cut the salami.
vgl . Lakoff (1968) . Nac h Buckingham (1973) und Walmsley (1971)
wird die Instrumentalrelation in unbetonter Stellung durch
with
markiert , vgl . (13a); durch die Verwendung von
use
wird sie hin
gegen hervorgehoben und zum Focus des Satzes gemacht , vgl .
(13b).
Grundfragen der
edeutungsanalyse
43
3.2.2 .2 Ge gen diese Interpretat ion s ind verschiedentl ich E in
wände erhoben worden, so z. B. von Chomsky (1971: 1946°. ) , der
nur die Aktiv-Pass iv-Relat ion von einer gemeinsamen Tiefen
struktur ableitet. Und Coseriu wirft der TG vor, sie vernachlässige
in diesem Fall offens ichtl iche Bedeutungsunterschiede und ver
wechsle Bezeichnungsäquivalenz mit Bedeutungsäquivalenz; um
gekehrt interpretiere sie unterschiedliche Bezeichnungsrelationen
fälschlicherweise als Bedeutungsverschiedenheit , so z.B. bei der
»^- K on s tru k t ion in (14 ). D ies e h ab e immer d ies e lb e a l lgemein e
( 1 4 )
a. He cut the salami with a knife.
b. He made cookies with flour.
c. He went with his girlfriend to Chicago.
d. He gave his contribution with reluctance.
Bedeutung 'und
Xtet
dabei' (Coseriu 1970c: 58); d ie unterschied
liche Art, in der
X
an der Handlung betei l igt ist (Instrument/Be
standteil /Begleitung/Art und W eise) , werde erst durch die Kenntnis
der außersprachlichen Realität determiniert, sei also eine Angele
genheit der Bezeichnung, n icht der Sprachbedeutung. Danach wäre
die »' / /^-Konstruktion vage und nicht mehrdeutig
3
. N u n k ön n en
nur funktionsgleiche Satztei le durch
und/and
miteinander kom bi
niert werden (Fil lmore 1968a: 22f . ; Lakoff i97od) . Die Koordi
nation "bezeichnungsverschiedener" «^-Konstruktionen führt je
doch zu abwe