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Wort und Gedanke (Zur Kritik sprachlicher Vermittlung bei Platon und Plotin) || IV. Ernst und Spiel

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IV Ernst und Spiel Nachdem die Kunst der Rede und ihr Fehlen den beiden Gesprächspartnern hinreichend (κανς) geklärt scheinen, bleibt noch über geziemenden und un- ziemlichen Gebrauch der Schrift zu handeln.¹²Diese Angemessenheit läßt sich auf die Sache beziehen, die das Wort zu treffen und erschließen hat, sie läßt sich aber auch auf den Hörer oder Leser beziehen, dessen Seelenverfassung und Aufnahmefähigkeit, wie schon die obige Behandlung der Redekunst unter dem Aspekt der ψυχαγωγα vorgeführt hat,¹²erkannt und berücksichtigt werden muß, soll eine Rede ihren Zweck erreichen. Zur Eröffnung die merkwürdige Frage des Sokrates: Weißt du wohl, wie du eigentlich Gott wohlgefällig das Reden be- handeln und davon sprechen mußt?(274 b 9 f.) Vielleicht vertritt dieser Gedanke an Gott am Anfang eines neuen Gedankengangs das Gebet, die Bitte um göttlichen Beistand, wie sie als Musenanruf seit Homer der Dichtung Wahrheitsanspruch und höhere Weihe verleiht und von Platon in die Dialoge übernommen wird, um eine besonders diffizile Erörterung als solche anzukündigen und beim Leser erhöhte Aufmerksamkeit zu erwecken. Zugleich wird in der Sache eine höhere Urteilsin- stanz eingeführt, die hier zunächst ein wenig verwundert, da uns das geschriebene wie das gesprochene Wort doch primär der zwischenmenschlichen Kommuni- kation zu dienen scheint. Indes als Rede von göttlicher Macht und Wirklichkeit, wie derjenigen des Eros, muß die Sprache versuchen einem ,Gegenstandgerecht zu werden, der sie seiner Natur nach übersteigt. Bei anderen, weniger bedeu- tenden Dingen ist für die volle und reine Erkenntnis doch auch nach ihrem tieferen Grund und Wesen zu fragen, was nach platonischem Verständnis über die vor- dergründige Erfahrung des Erscheinenden hinaus und in die Sphäre der geistigen Urbilder, d. s. die Ideen, führt. Menschliche Meinungen kümmern nicht mehr, wenn die Wahrheit gefunden ist. Diese wird freilich hier nicht einfachhin von Sokrates selbst in Anspruch genommen, sondern in der Form eines Mythos aus dem alten Ägypten zugleich entrückt und verklärt. Sokrates habe gehört, so erzählt er (Phdr. 274 c 5 275 b 2), der altägyptische Gott Theuth (welcher wohl mit dem ibisköpfigen Schreibergott Thoth gleichzu- setzen ist, von den Griechen mit dem findigen Hermes identifiziert¹³) habe zuerst Zahl und Rechnung erfunden, dann die Meßkunst und die Sternkunde, ferner das Aus sprachtheoretischer Sicht hat dies Schlußstück des Phaidros, es in Beziehung zu den sprachphilosophischen Aussagen des siebenten Briefes setzend, Josef Derbolav in seinem Werk Platons Sprachphilosophie im Kratylos und in den späteren Schriften (Impulse der Forschung 10), Darmstadt 1972, S. 199 205 besprochen. 271 a272 b; dazu s. o. S. 1721. Heitsch 1993, S. 189. Brought to you by | St. Petersburg State University Authenticated | 134.99.128.41 Download Date | 11/5/13 3:50 AM
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  • IV Ernst und Spiel

    Nachdem die Kunst der Rede und ihr Fehlen den beiden Gesprchspartnernhinreichend () geklrt scheinen, bleibt noch ber geziemenden und un-ziemlichen Gebrauch der Schrift zu handeln. Diese Angemessenheit lt sichauf die Sache beziehen, die das Wort zu treffen und erschlieen hat, sie lt sichaber auch auf den Hrer oder Leser beziehen, dessen Seelenverfassung undAufnahmefhigkeit, wie schon die obige Behandlung der Redekunst unter demAspekt der vorgefhrt hat, erkannt und bercksichtigt werdenmu,soll eine Rede ihren Zweck erreichen. Zur Erffnung die merkwrdige Frage desSokrates: Weit du wohl, wie du eigentlich Gott wohlgefllig das Reden be-handeln und davon sprechen mut? (274 b 9 f.) Vielleicht vertritt dieser Gedankean Gott amAnfang eines neuen Gedankengangs das Gebet, die Bitte umgttlichenBeistand,wie sie alsMusenanruf seit Homer der DichtungWahrheitsanspruch undhhere Weihe verleiht und von Platon in die Dialoge bernommen wird, um einebesonders diffizile Errterung als solche anzukndigen und beim Leser erhhteAufmerksamkeit zu erwecken. Zugleich wird in der Sache eine hhere Urteilsin-stanz eingefhrt, die hier zunchst einwenig verwundert, dauns das geschriebenewie das gesprochene Wort doch primr der zwischenmenschlichen Kommuni-kation zu dienen scheint. Indes als Rede von gttlicher Macht und Wirklichkeit,wie derjenigen des Eros, mu die Sprache versuchen einem ,Gegenstand gerechtzu werden, der sie seiner Natur nach bersteigt. Bei anderen, weniger bedeu-tendenDingen ist fr die volle und reine Erkenntnis doch auch nach ihrem tieferenGrund und Wesen zu fragen, was nach platonischem Verstndnis ber die vor-dergrndige Erfahrung des Erscheinenden hinaus und in die Sphre der geistigenUrbilder, d. s. die Ideen, fhrt. Menschliche Meinungen kmmern nicht mehr,wenn die Wahrheit gefunden ist. Diese wird freilich hier nicht einfachhin vonSokrates selbst in Anspruch genommen, sondern in der Form eines Mythos ausdem alten gypten zugleich entrckt und verklrt.

    Sokrates habe gehrt, so erzhlt er (Phdr. 274 c 5275 b 2), der altgyptischeGott Theuth (welcher wohl mit dem ibiskpfigen Schreibergott Thoth gleichzu-setzen ist,von den Griechenmit dem findigen Hermes identifiziert) habe zuerstZahl und Rechnung erfunden, dann die Mekunst und die Sternkunde, ferner das

    Aus sprachtheoretischer Sicht hat dies Schlustck des Phaidros, es in Beziehung zu densprachphilosophischen Aussagen des siebenten Briefes setzend, Josef Derbolav in seinem WerkPlatons Sprachphilosophie im Kratylos und in den spteren Schriften (Impulse der Forschung 10),Darmstadt 1972, S. 199205 besprochen. 271 a272 b; dazu s. o. S. 1721. Heitsch 1993, S. 189.

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  • Brett- und Wrfelspiel, und so auch die Buchstaben.Mit dieser Reihe wird schoneinHinweis auf die ambivalente Natur der Schrift (und ihres Gebrauches) gegeben.Whrend Arithmetik, Geometrie und Astronomie als Grundwissenschaften derNatur- und Welterkenntnis dienen und damit einen durchaus ernsten Charakterund Rang besitzen, so spielt manmitWrfeln oder auf dem Brett zur Erholung vonder Anstrengungdes Lebenskampfes,wie es Achilleus undAias auf der berhmtenvatikanischen Amphora des Exekias in einer Pause des Trojanischen Krieges tun.So wei auch Knig Thamus (der mit dem Reichsgott Ammon zu gleichen ist, indem die Griechen Zeus erkannten) im obergyptischen Theben zu unterschei-den: Er geht mit dem stolzen Erfinder die neuen genau durch und prft beieiner jeden,welchenNutzen sie bringe, ehe der verantwortungsbewuteHerrschersie seinen gyptern anvertrauen mag.

    Als er aber an die Buchstaben gekommen, habe Theuth gesagt: ,Diese Kunst, o Knig, wirddie gypter weiser machen und gedchtnisreicher, denn als ein Mittel fr Erinnerung undWeisheit ist sie erfunden ( ). Jener aber habeerwidert: ,O kunstreichster Theuth, einer wei, was zu den Knsten gehrt, ans Licht zubringen; ein anderer zu beurteilen, wieviel Schaden und Vorteil sie denen bringen, die siegebrauchen werden. So hast auch du jetzt, als Vater der Buchstaben, aus Liebe das Ge-genteil dessen gesagt, was sie bewirken. Denn diese Erfindung wird den Seelen der Ler-nenden vielmehr Vergessenheit einflen aus Vernachlssigung der Erinnerung, weil sie imVertrauen auf die Schrift sich nur von auen vermittels fremder Zeichen, nicht aber innerlichsich selbst und unmittelbar erinnern werden. Nicht also fr die Erinnerung, sondern nur frdas Erinnern hast du ein Mittel erfunden ( ), und von der Weisheit bringst du deinen Lehrlingen nur den Schein bei, nicht dieSache selbst. Denn indem sie nun vieles gehrt haben ohne Unterricht,werden sie sich auchvielwissend () zu sein dnken, obwohl sie grtenteils unwissend sind, undschwer zu behandeln, nachdem sie dnkelweise geworden statt weise ( ).

    Pace Wolfgang Polleichtner, Thamous, der Pharao, und Sokrates, der Mythenerfinder: Eindramaturgischer Kunstgriff Platons,Wrzburger Jahrbcher N. F. 27, 2003, S. 2138 ist von 275 c 8her, wo Thamus Antwort als Weissagung des Ammon aufgenommen wird, wohl doch an derIdentitt von Knig und Gott festzuhalten. So auch von Palamedes beansprucht, dem ebenso neben der Erfindung von Wrfel- undBrettspiel, Maen und Gewichten u.a. diejenige der Buchstaben zugeschrieben wurde, Gorgias82 B 11 a 30 DK: und Euripides fr. 578 Nauck2, Kannicht: (). Zu der Unterscheidung von herstellender und gebrauchender Kunst und der Erhebung derletzteren zur Urteilsinstanz vgl. rep. X 601 cff. Zu der hier mit dem Scheinwissen verbundenen Vielwisserei vgl. legg. VII 819 a.

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  • Unbeeindruckt von der Suggestion der neuen und vielversprechenden Ent-deckungen prft der gyptische Gottknig als ein mythischer Vorlufer des pla-tonischen Sokrates ihren wahren Wert und kommt, wie dieser so oft im Dialogmit scheinbaren ,Experten, zu enttuschenden Ergebnissen: Als uerlichesHilfsmittel mag die Schrift (im lebendigen Gesprch gewonnene) Einsichten undLernstcke fr die Erinnerung aufbewahren und so einen begrenzten Wert be-sitzen Platon wird darauf zurckkommen , doch ist sie untauglich selbst den,der sich ihrer bedient, weiser zu machen und sein Gedchtnis zu strken. ImGegenteil, im Vertrauen auf sie mag der Adept sich der Mhe des Lernens undgeistiger Aneignung berhoben fhlen und der schwerbelehrbaren Illusioneines breiten Wissens verfallen,whrend er doch weithin unkundig bleibt. Gewispiegelt sich in dieser Schriftkritik der von Platon reflektierte (und im eigenenWerk genutzte!) bergang von einer berwiegend mndlichen zu einer schrift-bestimmten Kultur, wie ihn gerade die neuere Oralittsforschung erhellt hat,doch zeigt sich zugleich, was er unter echtem Lernen versteht: nicht die ober-flchliche Aufnahme irgendwelcher Philosopheme, mit denen man sich brstenund den Anschein der Weisheit geben mag, sondern die in langem und gedul-digem Fragen und Antworten gewonnene Verinnerlichung wesentlicher, sich abereiner bequemen schriftlichen Fassung entziehender Grundeinsichten.Wir habenmit dem siebenten Briefe die Dionysios II. betrachtet.

    Phaidros Reaktion auf die Geschichte der Erfindung der Sprache durchTheuth und ihre kritische Aufnahme durch den Knig Thamus: O Sokrates, leichterdichtest du uns gyptische und was sonst fr auslndische Reden du willst.lt auf der Ebene des Dialogs erkennen, da Sokrates Gesprchspartner dessenFiktion durchschaut, und signalisiert auch dem Leser, da er sie nicht als echtemythische berlieferung aufzufassen habe. Die ironische Begrndung desSokrates allerdings ist erhellend. Nochmals, nun aus eigener griechischer Tradi-tion, auf eine noch urtmlichere Frhzeit verweisend, welche gttlicheWeissagungen aus dem Rauschen der Eichen im heiligen Hain des Zeus in Dodonaempfing,und deren Einfalt, die mit derWahrheit allein zufrieden gewesen sei,von

    Vgl. Polleichtner 2003, S. 36: Wir haben im Theuth-Mythos einen platonischen Dialog ineinem platonischen Dialog vor uns. Aufgenommen etwa von Michael Erler, Platons Schriftkritik im historischen Kontext, Alt-sprachlicher Unterricht 28, 4, 1985, S. 2741 und Der Sinn der Aporien in den Dialogen Platons.bungsstcke zur Anleitung im philosophischen Denken (Untersuchungen zur antiken Literaturund Geschichte 25), Berlin/New York 1987 in seinem Kapitel Historischer Hintergrund vonPlatons Auffassung, S. 3859. S. o. S. 21 f., 37, 39 f. Vgl. Polleichtner 2003, S. 2138.

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  • der sich berlegen dnkenden Aufgeklrtheit der jngeren Generation abhebend,fragt er, was an der Herkunft einer Rede liege, wenn sie nur richtig sei. Platongibt sein literarisches Spiel mit dem erfundenenMythos (passend zum Thema: derErfindung der Knste!) als solches zu erkennen und macht zugleich deutlich, daes ihm ernst damit ist, insofern es der Erffnung und Vermittlung von Wahrheitdient. Doch die Auslegung des Mythos schrnkt ein:

    Wer also eine Kunst in Schriften hinterlt, und auchwer sie aufnimmt, in der Meinung, daetwas Deutliches und Sicheres durch die Buchstaben kommen knne, der ist einfltig genugund wei in Wahrheit nichts von der Weissagung des Ammon,wenn er glaubt, geschriebeneRedenwren sonst etwas als nur demjenigen zur Erinnerung, der schondaswei,worber siegeschrieben sind. (275 c 5d 2)

    Bezeichnenderweise wird, passend zu dem Baumorakel des dodonischen Zeus,die gesprchsweise uerung des gyptischen Knigs nun als des mitseinem bekannten Gottesnamen genannten Ammon geadelt und der als einfltigverspottet, der jene Weissagung verkennt und der Schrift mehr zuspricht als dieErinnerungdes schonWissenden an das Gewute. Diese Hypomnema-Funktionwird 276 d wiederaufgenommen, wo sie berbescheiden gar als Vorsorge desAutors fr seine eigene Altersvergelichkeit dargestellt wird. Im siebten Brief wirdsie dahingehend eingeschrnkt, da das Geschriebene bei der philosophischungebildeten Masse auf Unverstndnis stoen und dem Autor Mihelligkeiteneintragen wrde, die wenigen Wissenden aber, welche die wesentlichen Dingeaufgefat und verinnerlicht htten, seiner zum Schutz vor Vergessen kaum be-drften, da jene Einsichten sehr kurz seien. Die Schwche der Schrift liegt, wieim Phaidros ausgefhrt wird, darin, da sie stumm wie ein Bildnis ist und sichselbst deshalb nicht gegen Mideutungen verteidigen kann, sondern der Hilfeihres ,Vaters bedarf. Es zeichnet nun den wahrhaft philosophischen Schrift-steller aus, da er ber verfgt und dadurch in den Stand gesetzt ist, dasGeschriebene zu berbieten und als minderwertig () zu erweisen. Das

    So wird Aristoteles im neunten Kapitel der Poetik, obwohl er die Verwendung berlieferterMythen fr die Tragdiendichtung als das Normale voraussetzt und selbst sogar die Konzen-tration auf wenige besonders geeignete Geschichten lobt (Kap. 13), doch die Erfindung neuerFabeln anerkennen; wesentlich ist die dramatische Qualitt der nachgeahmten Handlung, dasie nach Wahrscheinlichkeit oder Notwendigkeit geschehen knnte, mithin glaubwrdig ist undeinleuchtet, nicht ihre Herkunft. Vgl. Detlev Thiel, Platons Hypomnemata. Die Genese des Platonismus aus dem Gedchtnisder Schrift, Freiburg im Breisgau/Mnchen 1993. 344 de mit 341 be. S. o. S. 3743. 275 de. S. o. 34. 278 ce. S. o. 34f.

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  • gesprochene Wort, der echtbrtige Bruder des geschriebenen Wortes, welchesauch als sein Abbild () bezeichnet wird, ist in der Lage, sich gegenEinwnde zu verteidigen, wenn es mit Wissen in die Seele eines geeignetenAdepten geschriebenwird,und deshalb besser und strker (276 a). Zur Erluterungerzhlt der platonische Sokrates ein Gleichnis:

    Sage mir aber dieses, ob ein verstndiger Landmann den Samen, den er vor andern pflegenund Frchte von ihm haben mchte, recht eigens im heien Sommer in einem Adonisgrt-chen bauen und sich freuen wird, ihn in acht Tagen schn in die Hhe geschossen zu se-hen, oder ob er dieses nur als ein Spiel und bei festlichen Gelegenheiten tun wird,wenn eres denn tut; jenen aber, womit es ihm Ernst ist, nach den Vorschriften der Kunst desLandbaues in den gehrigen Boden sen und zufrieden sein wird, wenn, was er geset, imachten Monat seine Vollkommenheit erlangt? PHAIDROS: Gewi so, o Sokrates, wrde erdieses im Ernst, jenes,wie du sagtest, nur anders tun. SOKRATES:Und sollenwir sagen, da,wer vom Gerechten, Schnen und Guten Erkenntnis besitzt, weniger verstndig als derLandmann verfahren werde mit seinem Samen? PHAIDROS: Keineswegs wohl. SOKRATES:Nicht zum Ernst also wird er sie insWasser schreiben, mit Tinte sie durch das Rohr aussend,mitWorten, die doch unvermgend sind, sich selbst durch Rede zu helfen,unvermgend aberauch, die Wahrheit hinreichend zu lehren? PHAIDROS: Wohl nicht, wie zu vermuten. SO-KRATES: Freilich nicht; sondern die Schriftgrtchen wird er nur des Spieles wegen, wie esscheint, besen und beschreiben.Wenn er aber schreibt, um fr sich selbst einen Vorrat anErinnerungen zu sammeln auf das vergeliche Alter,wenn er es etwa erreicht, und fr jeden,welcher derselben Spur nachgeht: sowird er sich freuen,wenn er sie zart und schn gedeihensieht; und wenn andere sich mit andern Spielen ergtzen, bei Gastmahlen sich benetzendundwas demverwandt ist, dannwird jener statt dessenmit demGenannten spielend die Zeitverbringen. PHAIDROS: Ein gar herrliches, o Sokrates, nennst du neben den geringerenSpielen: das Spiel dessen, der von der Gerechtigkeit, und was du sonst erwhntest, dichtendmit Reden zu spielen wei. SOKRATES: So ist es allerdings, Phaidros. Weit herrlicher aber,denke ich, ist der Ernst mit diesen Dingen, wenn jemand nach den Vorschriften der dia-

    Abbildlichkeit und Verwandtschaft bezeichnen, miteinander verbunden, einen hierarchi-schen Zusammenhang, und zwar so, da das eine vom andern abgeleitet, durch es bedingt ist,sich aber auch an ihm orientieren kann und dadurch ihm hnlich werden kann so wie dersokratisch-platonische Dialog das lebendige Gesprch nachbildet und den Leser durch die Ar-tikulation mglicher Einwnde und Nachfragen gleichsam mit ins Gespch zieht. Zugleich sei andie u. fr Plotin mit ihren ontologischen, epistemologischen und axiologischen Implikationenerrterte Ideenlehre erinnert, sowie an die ebenfalls von Plotin aufgegriffene Forderung aus demTheaitetos, Gott nach Krften hnlich zu werden zu streben. Wie dort am ,sonnenhaften Augegezeigt, handelt es sich nicht um ein statisches Verhltnis, sondern enthlt fr den abgeleitetenschwcheren Teil die Mglichkeit und Aufgabe der Selbstberschreitung zum Hheren hin. S. u.S. 184 187. Vgl. G. J. Baudy, Adonisgrten. Studien zur antiken Samensymbolik (Beitrge zur KlassischenPhilologie 176), Meisenheim am Glan 1986, Ludwig Deubner, Attische Feste, Berlin 1932, S. 220222, Walter Burkert, Griechische Religion der archaischen und klassischen Epoche, Stuttgart 1977,S. 274 f.

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  • lektischen Kunst, eine gehrige Seele dazu whlend, mit Einsicht Reden set und pflanzt,welche sich selbst und dem, der sie gepflanzt, zu helfen imstande und nicht unfruchtbarsind, sondern einen Samen tragen, vermittels dessen einige in diesen, andere in anderenSeelen gedeihend, eben dieses unsterblich zu erhalten vermgen und den, der sie besitzt, soglckselig machen, als einem Menschen nur mglich ist. PHAIDROS: Allerdings ist etwasnoch weit Herrlicheres, was du hier sagst. (276 b 1277 a 5)

    Diese Bildrede, das sei vorab bemerkt, enthlt unter dem Zeitaspekt eine paradoxeVerkehrung: Die auf dauernde Bewahrung einer Lehre und eben ihre Erinnerungausgerichtete Schrift wird hier mit der vergnglichen Schnheit der kurzblhen-den Adonisgrtchen verglichen, whrend die mndliche Lehre, die ja nun auchnicht immer auf guten, fruchtbaren Boden fllt,wie Platon selbst bei Dionysios II.erleben mute, dem kunstgerechten auf Ertrag ausgerichteten Ackerbau gleichensoll. Die zugeordneten Begriffe von Spiel und Ernst finden sich jedoch passendreprsentiert: Jenes wird als Unterbrechung der ernsten Alltagsgeschfte undErholung ( , Phileb. 30 e) mit Gesang ( ,legg. II 659 e) und Tanz ( , legg.VII 796 b, ,legg. III 673 d) und berhaupt schnem Musenfeste ( ,polit. 268 b, , legg. II 657 c) undFreude ( , rep. II 364 e) verbunden. Es ist klar, dasolch anmutig festliches Spiel ( , legg.VI 761 d) einWohlgefhl und zartes Glck erfahren lassen mag, doch nicht geeignet ist, diehrteren Anforderungen des Lebens zu bestehen und das Dasein zu bewltigen.Dazu bedarf es der .

    Kerniger und strker als das luftige Spiel, stellt sich der Ernst den Lebens-aufgaben,verfolgt auch unter Kampf undMhen denWeg der Bewhrung, der denMenschen das gesteckte Ziel erreichen und sein Wesen in der berschreitungerfllen lt. So ergibt sich ein Gegensatz zwischen beiden, der so gewichtet ist,da der Ernst als sittlich wertvoll und gut, das Spiel als minderwertig und un-tergeordnet beurteilt wird. Namentlich alle , Dichtung und bildende Kunst,Musik und Tanz, wird als ,bloe der untergeordnet, bzw. vomphilosophischen Standpunkt aus abgewertet. So heit es im Rahmen der Dich-terkritik des zehnten Buches der Politeia:

    Dieses also, wie sich zeigt, ist uns ziemlich klargeworden, da der Nachbildner nichts derRedeWertes (sic: ) versteht von dem,was er nachbildet, sondern die Nachbildungeben nur ein Spiel ist und kein Ernst, und da, die sich mit der tragischen Dichtung be-schftigen in Jamben sowohl als in Hexametern, insgesamt Nachbildner sind so gut als ir-gendeiner. (602 b 6 10)

    Nun geht es im Phaidros um philosophische Literatur, Platon reflektiert die Be-dingungen der eigenen Schriftstellerei und beansprucht mit dieser ja eben das

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  • Wissen, das er den Dichtern abspricht, welche zwar, von Gott begeistert, mit In-spiration und Enthusiasmus schne und auch gehaltvolleWerke zu schaffen, abernicht darber Rechenschaft zu geben vermgen.Und doch findet im Phaidros eineAbwertung des Schriftwerkes gegenber der mndlichen Lehre statt. Da sich derAutor seine Leser nicht wie der Lehrer seine persnlichen Schler aussuchen kannund damit rechnen mu, da seine Schriften Leuten in die Hnde fallen, welchenicht recht vorbereitet oder unverstndig sind, oder,wie Dionysios II. (sogar nachmndlicher Lehre!) mit vorschneller Zuversicht meinen, sie htten die Dingeverstanden und seien wissend, und darber in ein fr den Autor unangenehmesund kompromittierendes Scheinwissen verfallen, und da das in der Schriftgleichsam geronnene Wort, das wie ein stummes Bildwerk immer nur die eineAussage wiederholen, sie aber nicht modifizierend erklren und verteidigen kann,sich und seinemUrheber nicht ,helfen kann, indem es das Gesagte berbietet undals vorlufig erweist, haben wir gesehen, doch sei noch einmal an 276 d 8f. er-innert,wo es von geschriebenenWorten heit, sie seien unvermgend, sich selbstdurch Rede zu helfen, unvermgend aber auch, die Wahrheit hinreichend zulehren. Diese Skepsis, die Sache mit Worten wirklich zu treffen und ihren Sinnanderen aufzuschlieen, ihn zu vermitteln, ist uns schon im siebenten Brief be-gegnet, wo bezglich der hchsten und zugleich grundlegenden und daher we-sentlichen Gegenstnde des Denkens von Unsagbarkeit gesprochen wurde.Doch gilt es zu unterscheiden: einmal ist es schwer oder unmglich, gewissenDingen,wie der Idee des Guten, deren Sprling in der Politeia zur Annherungersatzweise vorgestellt wird, mit Worten gerecht zu werden, und doch mu esversucht werden, um ihrem Gedanken Ausdruck zu verleihen. Darber zuschweigen hiee letztlich zu resignieren, es zu denken. Die Berufung auf eine imsiebenten Brief am Ende langer Beschftigung mit der Sache selbst und dem Zu-sammenleben in Aussicht gestellte pltzliche innere Schau (341 c 6d 2), welchevon Plotin und der Mystik aufgegriffen werden wird, gengt dem Anspruch desPhilosophen nicht, der erklren mu und dazu der Sprache bedarf. Mit derSprache, welche die Sache begrifflich zu fassen und das Gedachte zu artikulierensucht,wird zugleich die Mitteilung an andere ermglicht. Fr sie gilt es,wie obenbei der Behandlungder Rede als unter Berufung auf Teisias ausgefhrtund in der zusammenfassenden Erinnerung wiederaufgegriffen, welche die-Funktion im Dialog selbst aufscheinen lt, die Art der Rede an derArt der Seelen zu orientieren, um ihnen einen Zugang zur Sache erffnen und auf

    , . S. o. S. 37 f. 277 bc, eingeleitet durch: .

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  • sie wirken zu knnen. Bei allem hat sich der philosophische Schriftsteller bewutzu sein, da auch ein so reflektierter Gebrauch der Schrift wegen der erkanntenEinschrnkungen dem Ernst der auf den Adepten individuell ein- und die Sachegeduldig durchgehendenmndlichen Lehre gegenber nur als Spiel gelten knne,ein Spiel freilich, das anderen Lustbarkeiten, wie Symposien und dergleichen,durchaus vorzuziehen sei und ein Leben lang ausgebt werden knne.

    Dazu fgt sich eine Stelle im siebenten Brief, wo es nach der besprochenenmndlichen Lehre der verwandten und gelehrigen Seelen, in welchen nach lan-gem angestrengten Studium im Wechsel von Fragen und Antworten schlielichEinsicht ber die betrachteten Dinge aufleuchte, heit:

    Darum ist jeder Mann, dem es Ernst ist, ( ) weit entfernt, dadurch, da er alsSchriftsteller ber ernste Dinge ( ) unter den Menschen auftritt, inMigunst und Zweifel sie zu verwickeln. Es lt sich,mit einemWorte, daraus erkennen, da,sieht man die Aufzeichnungen jemandes, des Gesetzgebers etwa in den Gesetzen odersonstwo, niedergelegt, diese ihmnicht,wenn er selbst die Sachemit Ernst betreibt ( ), das des grten ErnstesWrdige () waren, da es aber dochdem schnsten Teile seiner Besitzungen angehrt ( ). Wurde aber dieses wirklich als ein mit Ernst zu behandelnder Gegenstand() in seinen Schriften niedergelegt, ,dann raubten ihm nicht ,die Unsterbli-chen, wohl aber sterbliche Menschen ,die Besinnung.

    Hier fllt zunchst die angenommene Entsprechung des Denkers und Schrift-stellers zu seinem Gegenstand auf: Beide seien ernst(haft). Damit wre dieGrundvoraussetzung fr erfolgversprechendes Denken und Schreiben gegeben,die ,Verwandtschaft von Subjekt und Objekt. Da sie sich im Ernste treffen, er-laubt wirkliches und substantielles Philosophieren, welches ber die Erkennt-nisse und ihre sprachliche Fassung und Vermittlung auch das Leben von Autorund Lesern zu prgen vermag. Dann jedoch die Scheidung von beiden: die aus derim Kontext beschriebenen negativen Erfahrung mit Dionysios II. motivierteWarnung, da die bedeutendsten und dem Autor selbst wichtigsten Dinge, derSchrift anvertraut, Migunst erregen und (mit ihrem Urheber) in Bedrngnis ge-raten knnen,weshalb drittens einwahrhaft ernster Mann, der bei Sinnen sei, sichdaran erkennen lasse, da er ebendiese Dinge nicht der Schrift berliefere und sodem Unverstand unvorbereiteter oder gar leichtfertiger Leser aussetze. So hattePlaton ein wenig frher an der obenzitierten Stelle 341 b 7342 a 1 auf die vor-eiligen und ehrgeizigen Schriften Dionysios II. und anderer ber die Dinge, mitdem es ihm ernst sei ( ), gesagt, da sie nichts von der Sache

    S. o. S. 42. 344 c 1d 2. Am Ende Hom. 360, 234 zitiert.

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  • verstnden, denn wenn es mglich wre, diese Dinge der Menge durch Wort undSchrift so aufzuzeigen, da sie ihre Natur begriffe und Nutzen aus solcher Er-kenntnis ziehen knnte, dannwre er selbst am ehesten dazu in der Lage gewesen,der Menschheit diese Wohltat zu erweisen. Die Gefahr, miverstanden zuwerden und eitles Dnkelwissen in den Lesern zu erzeugen, hlt Platon vondiesem scheinbar leichten und verlockenden Weg zu philosophischer Breiten-wirkung abund lt ihnmit Nachdruck auf denVorrangdermndlichen Lehre desernsthaften Adepten verweisen. Jedoch zieht er nicht die denkbare Konsequenz,auf das weitreichende, aber nicht unproblematische Medium der Schrift zu ver-zichten wofr er sich ja auf das Vorbild seines eigenen verehrten Lehrers So-krates berufen knnte , sondern reflektiert ihre Mglichkeiten und Gefahren undtrgt seinen Lesern diese Gedanken als Schriftkritik vor. Damit schtzt er sich undsein Werk vor ebenden ausgemalten Miverstndnissen, die er beschwrt, undversucht sein Publikumvon solchen Abwegen fernzuhalten oder, positiv gesagt, ersucht es zu einer philosophisch angemessenen Rezeption zu erziehen: Der be-wute Autor bildet sich bewute Leser. Die Spitze dieser literarischen ernsthaft um Erkenntnis ringender Leser durch den ernsten,wahren Philosophenzur Aufnahme bedeutender, ernster Gegenstnde besteht darin, da deren hy-pothetische und vorsichtig mit Kautelen und Bildern gebrochene Darstellung inder Schrift gegenber dem Ernst mndlicher Lehre als bloes Spiel apostrophiertwird. Da es aber doch dem schnsten Teile seiner Besitzungen angehrt,wie eshier im siebenten Briefe heit (344 c 7 f.), oder als ganz schnes Spiel statt desminderen Spieles von Gelagen und hnlichen Lustbarkeiten der traditionellen schner knstlerischer Ausformung nicht ermangelnder Geselligkeit ein Le-ben begleiten kann, offenbart seinen Wert und rechtfertigt Platons eigene le-benslange Schriftstellerei.

    Denn dieses wunderschne Spiel, das Spiel dessen, der von der Gerechtig-keit, und was du sonst erwhntest, dichtendmit Reden zu spielenwei, lt sichmit einiger Sicherheit auf Platons Dialoge selbst beziehen und damit als Selbst-aussage des Schriftstellers ber sein eigenes Werk verstehen. Denn inhaltlich istmit der Gerechtigkeit ein deutlicher Hinweis auf das Thema der Politeia gegeben,formal und methodisch wird so die Summe aus der Schriftkritik gezogen, also einder Grenzen und Mglichkeiten der Schrift bewutes Schreiben vorausgesetzt.berdies schliet Sokrates die Sprach- und Schriftbetrachtung so ab: Also sei

    S. o. S. 37. Phdr. 276 e. Vgl. O. Murray (Hg.), Sympotica. A Symposium on the Symposium, Oxford 1990;Bernhard Hu, Xenophons Symposion: Ein Kommentar, Stuttgart/Leipzig 1999.

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  • nun unter uns genug gescherzt ber das Reden und stuft damit auch diesenDialog als Spiel, freilich als treffendes und angemessenes, ein. Indem er dies alsDialogfigur sagt, ist aber nicht nur die von Platon verfate Schrift als Spiel ver-standen, sondern auch das in ihr nachgebildete mndliche Gesprch zwischenSokrates und Phaidros, das bei schematischer Gegensetzung von Mndlichkeitund Schriftlichkeit vielmehr als Ernst bezeichnet werden mte. Dieser Befundbesttigt sich beim Blick auf eine Zwischenbemerkung im Timaios:

    Nun hlt es nicht mehr schwer, auch noch das brige dahin Einschlagende zu errtern,wennman die Art der wahrscheinlichen Darlegung verfolgt. Schafft sich jemand, indem er dieUntersuchungen ber das ewig Seiende ruhen lt und, zu seiner Erholung, ber das Ent-stehen dem Wahrscheinlichen nachforscht, ein harmloses Ergtzen, so drfte das wohl imLeben eine das Ma nicht berschreitende vernnftige Unterhaltung gewhren. Indem wirdiese auch jetzt uns erlauben, wollen wir in folgender Weise das Weitere, was ber dieseGegenstnde uns wahrscheinlich dnkt, darlegen.

    Auch hier beziehen sich erholsames Spiel und jene Freude, die man spter nichtbereuen mu, sowie das methodische Durchgehen des Themas und seine Err-terung mit plausiblen (wahrscheinlichen) Argumenten sowohl auf das Gesprchselbst als auch auf seine schriftliche Abbildung durch Platon. Die Differenz zwi-schen mndlichem und aufgeschriebenem Dialog scheint im Lichte dieser Stellenrelativiert, die jeweils als Aussage einer Dialogfigur ber die aktuelle Unterhaltungwie als Reflex des Autors ber sein Schriftwerk verstanden werden knnen.Wennman nun, trotz der Vorlesung , annehmen darf, da auch Platonsmndliche Lehre in der Akademie nicht primr in Form monologischer Kollegiennach Art der aristotelischen Pragmatien, sondern eher als Diskurs mit seinen,teilweise philosophisch schon gereiften oder geistig selbstndigen Schlern man denke nur an Aristoteles, der ja auch schon whrend seiner Akademiezeit

    278 b 7: O . ist freilich mit ,genugbla wiedergegeben, leitet es sich doch von , dem Ma und der rechten Mitte zwischenzuviel und zuwenig her, worauf der platonische und aristotelische Tugendbegriff beruht. Starkinterpretiert kann es hier, am Ende eines Gesprches ber das rechte Reden und Schreibenheien, da der Autor meint, mit ebendiesem Dialog die erhobenen Forderungen an ein phi-losophisch akzeptables Schriftwerk erfllt zu haben. Der Selbstbezug liegt auf der Hand. 59 c 5d 3. Auch hier verdeckt die bersetzung die prgnante Begrifflichkeit. Ich fge daherdas Original bei und hebe die signifikanten Begriffe kursiv hervor: , , . .

    66 IV Ernst und Spiel

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  • selbst zu lehren und philosophische Schriften zu verfassen begann vorzu-stellen ist, wie ihn Porphyrios fr seinen Lehrer Plotin so anschaulich schildernwird, dann gewinnt Schleiermachers Anschauung der mndlichen Lehre Pla-tons als einer dialogischen doch wieder eine gewisse Wahrscheinlichkeit. Undwenn man in den schriftlich gefaten Dialogen demgem einen Reflex auch dereigenen mndlichen Lehre Platons erwarten darf, so sind die sich in ihnen fin-denden Apostrophierungen des Gesprchs als durch die Gesprchsfhrernicht nur auf das dialogische Schriftwerk Platons, sondern auch auf seinen le-bendigen Unterricht in der Akademie zu beziehen, welcher doch wohl die An-forderungen der erfllte: die Auswahl der geeigneten Schler und ihrUnterricht nicht als uerliche oder gar mechanische Wissensvermittlung,wie siein dem heutigen akademischen Betrieb mit seinen sog. Modulen begegnen mag,die einer auch dann vollstndig be- und ablegenmu,wenn er selbst schonweiterist, sondern ihre individuelle, die Seele prgende und den Charakter bildende undsie selbst dialektisch auf die Bahn eigenen Forschens fhrende geistige Frderungum tieferer Einsicht und glcklicher Selbstentfaltung willen. So stellt sich dieFrage, ob sich dies wunderschne Spiel und jener noch viel schnere Ernstnicht zusammendenken lassen.

    In den Nomoi finden sich einige Stellen, an denen und ne-beneinander auftreten und sich komplementr so zu ergnzen scheinen, da siezusammenmenschliches Leben insgesamt reprsentieren. Im fnften Buche heites zur Forderung, bertriebene Eigenliebe zu meiden:

    Was aber geringfgiger als diese Vorschriften und oft schon gesagt ist, doch nicht minderntzlich ist als sie, das mu man aussprechen, um es sich selbst in das Gedchtnis zu-rckzurufen. Denn gleich als ob etwas abfliet, mu stets im Gegenteil etwas nachstrmen,und Wiedererinnerung ist das Nachstrmen von Einsicht, die schwindet ( ). Also: Es ziemt sich, bermigen Lachens undWeinenssich zu enthalten dazu mu jeder jeden ermahnen und jede ausgelassene Freude, jedenbertriebenen Schmerz zu verbergen und sich zu bemhen, das Wohlanstndige zu beob-achten ( ), ob nun der Dmon eines jeden im Glcke feststeht oder obim Unglck wie gegen Hohes und Steiles die Dmonen gewissen Unternehmungen gegen-berstehen. Ferner immer die Hoffnung zu hegen, da Gott durch das Gute, welches er

    Vgl. Hellmut Flashar, Aristoteles, in: Grundriss der Geschichte der Philosophie. Begrndet v.Friedrich Ueberweg. Vllig neubearbeitete Ausgabe. Die Philosophie der Antike. Band 3: ltereAkademie Aristoteles Peripatos. Hg. v. H. F., Basel/Stuttgart 1983, Zweites Kapitel, S. 175457,hier S. 230. Vita Plotini Kap. 13, s. u. S. 165 167. Schleiermacher, Einleitung zum Platon, A/B 18 f. (Steiner 1996, S. 40) Vgl. dazu jetzt Her-mann Steinthal, Zur Form der mndlich-persnlichen Lehre Platons, Grazer Beitrge 23, 2000,S. 5970.

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  • spendet,wenn Beschwerden hereinbrechen, sie aus greren zu kleineren machenwird undunsere gegenwrtige Lage zum Besseren umgestalten, in bezug auf das Gute aber stets ganzdas Gegenteil davon ihnen mit gutem Glck zuteil werden werde. Mit solchen Hoffnungenalso mu jeder leben und mit den Erinnerungen () an alles dieses, indem er innichts zurckweicht, sondern immer im Scherz und im Ernst ( )den anderen und sich selbst deutlich daran erinnert.

    In prekren Lebenslagen ruft die Erinnerung vergessene Einsichten in das Wesendes Schicksals und der gttlichen Sorge um den Menschen zurck und hilft ihmmit ihnen die rechte Haltung zu bewahren oder wiederzugewinnen. Solche Wie-dererinnerung richtet sich an einen selbst oder an einen anderen, wie dieschriftlich thesaurierten Erinnerungen im Phaidros, mit welchen sich in schnemSpiele ein Leben hinbringen lt. Aber whrend dort der Absetzung von derhher und als Ernst bewerteten mndlichen Lehre halber das geschriebene Werknur als Spiel, wenn auch als wunderschnes bezeichnet wurde, finden wirhier, verstrkt durch und verknpft mit dem allgemeinen , den aus Kom-plementen gebildeten Doppelausdruck in erster Liniewohl zur Umschreibung aller Lebensttigkeit des Menschen. So werden beideSeiten, Ernst und Spiel, als Weisen genuin menschlichen Lebensvollzugs aner-kannt.

    ber einen solchen formelhaften und noch wenig spezifischen, aber im-merhin eine gewisse Balance markierenden Komplementrausdruck hinaus undnher an die Selbstreflexion der platonischen Gesprchsteilnehmer und desAutors Platon selbst heran fhrt eine Passage im sechsten Buche der Nomoi:

    KLEINIAS: Das bisher von dir, o Gastfreund, Gesagte hat meinen ganzen Beifall; doch nochwillkommener ist es uns, da du jetzt den Anfang dessen, was du zu besprechen im Begriffbist, an den Schlu des bereits Besprochenen knpftest. DER ATHENER: So htten wir dennwohl das verstndige Spiel Bejahrter bis hierher wohl durchgespielt. KLEINIAS: Da scheinst

    Legg. V 732 b 5d 7. Vgl. I 647 d 47: .Wenn der Besonnene (, 647 d 3) gegen die zu Unverschmtheitund Unrecht verleitenden Lste und Begierden mit Hilfe von Vernunft und Tat und Kunstkmpft, bis er den Sieg davongetragen, so tut er dies in Spiel und Ernst. D. h. die Tugendbewhrt sich in beidem, sofern sie den ganzen Lebensvollzug begleitet. Und es ist durchausnicht daran gedacht wie in mancher modernen psychologischen Rede von einem ,Ventil, durchdas aufgestautes Aggressionspotential ,abzulassen wre, oder einer mechanistischen Vorstel-lung, da man auf dem Felde des Vergngens die Zgel schieen lassen drfe, um das Jochstrenger Pflichten leichter (er)tragen zu knnen, sondern auch und gerade das Spiel will alsschne Form eines freien, genuin menschlichen Lebens kultiviert und durchgeistigt sein. 276 d 18.

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  • du mir fr solche Mnner eine recht schne Beschftigung nachzuweisen. DER ATHENER:Ganz natrlich.

    Die Darlegungen des Atheners leuchten dem betagten Kreter Kleinias vollkommenein ( ), doch diese Zufriedenheit wird noch ge-steigert, wenn die Teile der Rede, wie angekndigt, so miteinander verknpftwerden, da sich ein vernnftiger und nachvollziehbarer Sinnzusammenhangergibt. Das empfindet er als , als freundlich. Wir erinnern uns an die Be-reitwilligkeit () des Gesprchsfhrers, den Gesprchsteilnehmern berVerstndnisschwierigkeiten hinwegzuhelfen, und sein Wohlwollen (), dassich darin zeigt, da er ihnen dieWahrheit nicht verhehlt. Dann der feine, leichtselbstironische Satz vom soweit durchgespielten besonnenen Spiele der Alten, derim Gegenbilde an die ausgelassenen und manchmal besinnungs- oder sinnloserscheinenden Spiele der Jugend denken lt. (Freilich sei darber nicht ver-gessen, da die Schler und Gesprchspartner des Sokrates berwiegend jungeLeute waren, was sich auch aus der gegen ihn erhobenen Anklage ersehen lt,da er die Jugend verderbe, apol. Socr. 24 b.) Krperlich geschwchten, aber geistiggereiften Greisen kommt es zu, mit Sinn und Verstand zu spielen und dies Spielmethodisch an sein Ziel zu fhren. Doch diese urbane Zurckhaltung des dieUnterhaltung leitenden und weithin bestreitenden (dabei etwas jngeren) Athe-ners scheint dem wackeren Kleinias zu bescheiden: Er sieht in den Darlegungendes athenischen Gastfreundes vielmehr den schnen Ernst von Mnnern(welche, so mu man es wohl verstehen, noch tatkrftig und fhig sind, einschnes und groes, dabei gewi ernstes Werk wie die Grndung eines Geset-zesstaates zu schaffen).Und der Gelobte widerspricht nicht, sondern pflichtet bei:

    . , , , , . . . . . . . (768 e 4769 a 4) Der letzte Satz des Kleinias ist wohl als Korrektur, ja Gegensatz des vorangehendenSatzes des Atheners aufzufassen. Denn erstens kann ein Asyndeton dies sehr wohl ausdrcken(s. Raphael Khner Bernhard Gerth, Ausfhrliche Grammatik der griechischen Sprache. Satz-lehre. 2 Teile, Hannover 41955 [Unvernderter Ndr. der 3. Aufl. 1897/1904], 546.4), zweitens sind und , wie gesehen, Gegenbegriffe, und drittens ist hier nicht als einschlieenden Oberbegriff, sondern als die dem krperlich geschwchten Greisenalter vor-ausgehende Lebensaltersstufe der Reife des im Vollbesitz seiner leiblichen und geistigen Krftestehenden Mannes der zu verstehen. Vgl. Xen. conv. IV 17. Daher wre die bersetzung andieser Stelle zu przisieren, etwa so: Du scheinst vielmehr den Ernst vollkrftiger Mnneraufzuweisen. S. o. S. 4447.

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  • So mag es sein , mit jenem Worte, das mit gebotener Zurckhaltungden Wahrheitsanspruch des mndlich Verhandelten und von Platon Nieder-geschriebenen bezeichnet und in der skeptischen Tradition der Akademie,wie sieCicero aufnehmen und seinerseits mit literarischer Kunst ausfhren wird, zu ei-nem Leitwort werden wird. und konvergierensowohl im nchternfrohen Gesprch der in der gemeinsamen Suche nach tiefererEinsicht verbundenen alten Mnner als auch im schnen Literaturwerk oder,wagen wir den khnen Ausdruck, im philosophischen Gedicht des altersreifenDenkers.

    Bei der Behandlung der mimetischen Knste im siebenten Buche fingiert derAthener nach der Besprechung der lachenerregenden Komdie ein Gesprch mittragischen Dichtern:

    Was aber bei uns die ernsten (), wie sie sich nennen, mit der Tragdie beschf-tigten Dichter anbetrifft,wenn von diesen einmal einige zu uns kommen und etwa die Fragean uns richten: ,Sollenwir, Gastfreunde, in eure Stadt und in euer Land kommen und unsereDichtwerke mitfhren und mitbringen oder nicht, oder wie habt ihr darin zu verfahren be-schlossen? Was wrden wir nun also den gttlichen Mnnern ( ) mitRecht erwidern? Meinem Bednken nach Folgendes: ,Ihr besten Gastfreunde, wrden wirsprechen, ,wir selbst sind Dichter einer nach Krften mglichst schnen sowie auch bestenTragdie. Unsere ganze Staatsverfassung ist sonach Nachbildung des schnsten und bestenLebens, welche Nachbildung wir wenigstens fr die echteste Tragdie erklren. So seid alsoihr Dichter, und auch wir selbst sind Dichter desselben Dichtwerks; Kunstgenossen undMitkmpfer bei der Hervorbringung des schnsten Dramas, zu dessen Vollendung, hoffenwir, ihrer Natur nach allein die richtige Gesetzgebung geeignet ist.

    In Konkurrenzmit Vertretern der traditionellen ernsten Dichtung, d. i. die Tragdieund davor das Epos, erhebt der Athener hier fr die im Gesprch der Alten ent-worfene Verfassung eines Gesetzesstaates und der Autor Platon fr den im Dialogentworfenen Staat der den Anspruch auf den hchsten Rang in ebenderernsten und tragischen Dichtung. Ohne Rcksicht auf das bliche Merkmal ge-

    Vgl. Woldemar Grler in: Grundriss der Geschichte der Philosophie. Begrndet v. FriedrichUeberweg. Vllig neubearbeitete Ausgabe. Die Philosophie der Antike. Band 4. Die hellenistischePhilosophie. Hg. v. Hellmut Flashar, Basel 1994. Sechstes Kapitel. Cicero. Von Gnter Gawlick u.W. G., S. 991 1168, hier S. 1093. 817 a 2c 1, hier b 25: , . , , , , In diesem kompetitivenKontext sind und eher als ,Rivalen in der Kunst und ,Konkurrenten zuverstehen.

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  • bundener Rede das auch Aristoteles in seiner Poetik nicht mehr annehmen unddurch den Begriff der , der Fiktion, ersetzen wird stuft Platon seinSchriftwerk als schne Literatur, als Dichtung in eigentlichem Sinne ein und re-klamiert fr es zugleich die Prioritt vor den vornehmsten Vertretern der ernstenMuse. Auch Platon bezeichnet seinen Staatsentwurf als Nachbildung ()des schnsten und besten Lebens. Damit akzeptiert er die -Theorie derKunst, die in der Politeia als Ansatzpunkt philosophischer Abwertung der Dich-tung benutzt wurde, fr sein eigenesWerk. Nach der Ideenhypothese galten schondie sinnlichen Erscheinungen als wandelbare und vergngliche Abbilder derewigseienden Formen; wurden jene dann wiederum abgebildet, fand sich dernachahmende Knstler an dritter Stelle von der Wahrheit entfernt wieder. DieNachbildung des schnsten und besten Lebens im Staate der Nomoi kann alssolche nicht auf das Leben der menschlichen Erfahrung gehen, sondern wird,wiedie Superlative der ontologisch-axiologisch und sthetisch fundamentalen Pr-dikate des Guten und Schnen anzeigen, auf die Idealform des Lebens bezogensein. Somit berholt Platon das Verdikt ber die nachahmenden Knste mit sei-nem eigenen, hier als Schpfung einer nach Krften mglichst schnen sowieauch besten Tragdie apostrophierten Schriftwerk, welches sich an den Ideenorientiert und sie in Gedanke und Wort nachzubilden und darzustellen sucht.Entsprechend hatte er schon in der Politeia zur Frage nach der Mglichkeit, dendort ausgemalten Idealstaat hienieden zu verwirklichen, gesagt: Meinst du also,einer sei ein minder guter Maler, wenn er, nachdem er ein Urbild ()gemalt htte, wie ein vollkommen schner Mann aussehen wrde, und in seinemBilde alles gehrig () beobachtet, hernach nicht aufzeigen knnte, da eseinen solchen Mann auch geben knne? Also sowohl in der bildenden Kunst,die hier zum Vergleiche dient, als auch in der Schrift ist die Ausrichtung auf dasIdeal und seine annherungsweise Darstellung und Realisierung von Platonoffengehalten, und er selbst, bzw. sein Sokrates in der Politeia und sein Athener inden Nomoi erheben den hohen Anspruch, dies mit dem jeweiligen Dialog einzu-lsen.

    Poet. 1, 1447 b 924. Rep. X 597 e: , , , . Rep. V 472 d 47. S. u. S. 147 f. mit Anm. 184. Man bersehe nicht die Einschrnkungen fr die Realisierung des Idealstaates im Umfeldder zitierten Politeia-Stelle (472 c 13, 473 a 5b 3) und fr die literarische Ausfhrung desGesetzes in den Nomoi (817 b 2: . 817 b 8c 1: ).

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  • Bei diesem khnen Ausgriff auf die Idee, der die sogenannte Wirklichkeit, inder wir uns als Sinnenwesen vorfinden und in der wir uns zurechtfinden mssen,berholt, werde nicht vergessen, da auch eine idealistische Kunst und Literaturimmer nur Abbilder zu schaffen vermag, welche gegenber dem Ideal notwendigabfallen. So bleibt auch die hchste Literatur mit ernstem ,tragischen Gegen-stand und einem Autor, der im Sinne der platonischen Dichter( und Rhapso-den)kritik nicht allein aus gttlicher Inspiration die Wahrheit zu sagen, sondernauch Rechenschaft ber sein Werk abzulegen vermag, da er wei, was er tut undsagt, d. i. nach eigenem Selbstverstndnis und nicht zuletzt auf Grund seinerhier untersuchten Schriftkritik eben Platon selbst, so bleibt auch eine reflektierteund philosophisch ausgewiesene Literatur im letzten doch ein Spiel. Dennvor Gottist alles menschliche Streben und Tun ein Kinderspiel, mit demAthener derNomoigesagt:

    Es sind nun zwar die Angelegenheiten der Menschen groen Ernstes nicht wert, aber es istdoch notwendig, sie mit Ernst zu betreiben Ich behaupte, man msse das Ernste mit Ernstbetreiben, das Nichternste aber nicht; seiner Natur nach sei aber Gott alles heilbringendenErnstes wert, der Mensch dagegen, wie wir frher sagten, sei zu einem Spielzeug Gottesgeschaffen, und das sei in Wahrheit das beste an ihm. Diesem Verhltnisse sich fgend unddie mglichst schnen Spiele spielend msse jeder, Mann und Weib, so sein Leben ver-bringen

    So wird Aristoteles im vierten Kapitel der Poetik die Gattungen der Dichtung nach demwrdigeren oder leichtfertigeren Charakter ihrer Schpfer und der nachgeahmten Akteurescheiden, im fnften Epopoiie und Tragdie gemeinsam als kennzeichnenund im sechsten die Tragdie geradezu als definieren. VII 803 b 3c 8: , , , , , , Es sei noch an rep. X 604 bc erinnert, wo man, bei der Rede von Unglcksfllen, die einemMenschen widerfahren knnen, liest: . Inihnen hat man gelassen zu bleiben, ja diese die physischen Lebensbedingungen treffendenWiderfahrnisse wie Tod, Krankheit, Verlust von Einflu und Vermgen sind zu verachten. Denstoischen Weisen, der sich im Geiste zu den Gttern erhebt, werden sie im Wesenskern nichttreffen. Vgl. Cic. Tusc. disp. III 15 (= SVF III 570, hier insgesamt 3. Sapiens malis non affi-citur. 567581). Diese stoische Ruhe lt sich zwar auf die im Phaidon gezeigte Haltung desSokrates zurckfhren, der selbst im Angesicht des Todes ein sachliches philosophisches Ge-sprch just ber die Frage nach der Unsterblichkeit der Seele zu fhren imstande ist undvielmehr seine vom Schmerz ber den bevorstehenden Verlust des verehrten Lehrers ber-mannten Freunde trsten mu, doch trgt diese nachwirkende Kennzeichnung der demwechselnden Glck ausgelieferten und dem Schicksal unterliegenden uerlichen als ,Spiel zur Beantwortung unserer Frage nach dem Verhltnis von und inmndlicher und schriftlicher Lehre wenig bei.

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  • Wenn die Gegenbegriffe ,Ernst und ,Spiel hier Gott und den Menschen zuge-ordnet werden, wird der Vorrang von jenem vor diesem festgehalten und vomjeweiligen Wesen her untermauert. Allein Gott verdient vollen Ernst, der im Sinneder Religion sich auch in Kulthandlungen (die hier im Vordergrund stehen) unddem rechten gottseligen Verhalten zeigen und bewhren wird. Doch nun heit es,man msse auch den des wahren Ernstes nicht werten Menschendingen Ernstzuwenden, was der darauf erhobenen Forderung der Angemessenheit von Ge-genstand und Tun, also Ernstes ernsthaft zu behandeln und Nichternstes spie-lerisch, zu widersprechen scheint. Und wiederum die Bewertung alles mensch-lichen Tuns als Spiel vor Gott, welche als Abwertung erscheinen knnte, aberpositiv zur Aufforderung gewendet wird, vor Ihm ein Leben lang mglichst schnzu spielen.Unter den Augen Gottes, zu dem sich die verwandte Seele erhebenwill,sub specie aeternitatis, verlieren der Gegensatz und die Abstufung von Ernst undSpiel ihre Geltung. Der Ernst des Menschen in Vergeistigung und RckwendungzumgttlichenUrsprungwirdvor Ihm zum schnsten Spiel und dies Spiel gewinnttiefsten Ernst.

    Dem entspricht bei der Betrachtung der traditionellen Literatur die Relati-vierung der Grenzen zwischen den ernsten und heiteren Gattungen, Epos undTragdie auf der einen, Iambos und Komdie auf der anderen Seite dort, wohchste Meisterschaft etwa Homers als Archegeten beider Dichtungsarten imvierten Kapitel der aristotelischen Poetik erreicht oder die des reflek-tierten Dichters, der wei,was er sagt, und es daher auch erklren kann,vollendetwird. Die diesbezglichen Hinweise finden sich im platonischen Symposion amEnde der ersten Preisrede auf Eros, der komisch wirkenden Eloge des siegreichen

    Johan Huizinga, Homo Ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel, Hamburg 1956 (niederl.Originalausgabe unter dem Titel Homo Ludens 1938) zitiert innerhalb seines ersten grundle-genden Kapitels Wesen und Bedeutung des Spiels als Kulturerscheinung im AbschnitteHeiliger Ernst im Spiel unsere Nomoistelle; einleitend bemerkt er: Fr Platon war dieseIdentitt von Spiel und heiliger Handlung ohne Vorbehalt gegeben. Er scheute sich nicht, diegeweihten Dinge in die Kategorie des Spiels einzubeziehen. danach aber: In dieser platoni-schen Identifizierung von Spiel und Heiligkeit wird nicht das Heilige dadurch herabgezogen, daes Spiel genannt wird, sondern das Spiel wird dadurch emporgehoben, da man diesen Begriffbis in die hchsten Regionen des Geistes hinein gelten lt. Der Mensch spielt als Kind zumVergngen und zur Erholung unterhalb des Niveaus ernsthaften Lebens. Er kann auch berdiesem Niveau spielen: Spiele der Schnheit und Heiligkeit. Er verweist auf das Kapitel DieLiturgie als Spiel in Romano Guardinis Buch Vom Geist der Liturgie. Nachwort von Hans Maier,Freiburg im Breisgau 1983 (zuerst 1917). Dort lesen wir S. 102: Vor Gott ein Spiel zu treiben, einWerk der Kunst nicht zu schaffen, sondern zu sein, das ist das innerste Wesen der Liturgie.Daher auch die erhabene Mischung von tiefem Ernst und gttlicher Heiterkeit in ihr. 1448 b 241449 a 2, in der falschen Annahme, da der Margites ein Werk Homers sei.

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  • Tragden Agathon und als morgenfrher Schlugedanke des ganzen Dialoges,welchen der nimmermde Sokrates Agathon und demMeister der Alten Komdie,Aristophanes,welcher zuvor die Tragdie der Kugelmenschen erzhlte, abringt,bevor beide in Schlaf sinken.

    Agathon schliet seine Redemit der Selbsteinschtzung ab: Diese Rede seivon meinetwegen dem Gotte dargebracht, teils Spiel enthaltend, teils auchziemlichen Ernst nach bestem Vermgen. Die komplementre Verbindung von und hat hier ein Sprachwerk zum Gegenstand, der ethisch undprinzipientheoretisch zentrale Begriff des ,welchenwir imPhaidros 278 b 7auf das Spiel des (von Platon niedergeschriebenen) Gesprches bezogen gefundenhaben, geht hier auf den Ernst. Die uns ebenfalls vertraute Einschrnkung ,nachbestem Vermgen oder ,soweit dies mglich ist, erweist den nherstehenden,gemessenen Ernst, im weiteren aber auch das parallelisierte ,Spiel als die demMenschen von seiner Natur gezogene Grenze aus- und berschreitenden khnenVersuche, angemessen von der Gottheit zu sprechen und sich so zu ihr empor-zuschwingen. Sowohl in der Verknpfung von Spiel und Ernst, dem Ausgleichihres Gegensatzes durch an beiden, als auch in dem bescheiden, mit demHinweis auf das begrenzte individuelle Vermgen vorgetragenen ungeheurenAnspruch, im Ernst (und Spiel) das Ma eines Gottes zu erfllen imMythos htteman eine solche Erhebung des sterblichen Menschen zu einem Gotte wohl genannt , deutet sich eine hhere Einheit von und als genuinenuerungen eines Menschen an, der sich in der Transzendenz erfllt.

    Der hier fr einen Redebeitrag und beileibe nicht den gewichtigsten in-nerhalb eines Dialoges aufgerissene Sinnhorizont wird vom Bericht ber seineSchluszene dichtungstheoretisch und lebenspraktisch ausgefllt:

    Gegen Morgen aber sei er aufgewacht, als die Hhne schon krhten, und habe gesehen, dadie andern teils schliefen, teils fortgegangenwren, nur Agathon, Aristophanes und Sokrateshtten allein noch gewacht und aus einem groen Becher rechts herum getrunken, undSokrates habe mit ihnen Gesprch gefhrt. Des brigen nun, sagte Aristodemos, erinnere ersich nicht mehr von den Reden, denn er wre nicht von Anfang an dabei gewesen und seiauch dazwischenwieder eingeschlummert, die Hauptsache aberwre gewesen, da Sokratessie ntigen wollte einzugestehen, es gehre fr einen und denselben, Komdien und Tra-gdien dichten zu knnen, und der knstlerische Tragdiendichter sei auch der Komdi-endichter. Dies wre ihnen abgentigt worden, sie wren aber nicht recht gefolgt und

    Zu den lcherlichen Zgen der berartifiziellen Agathonrede und den tragischen der my-thischen Aristophanesrede vgl. Gaiser 1984, S. 65 f. 197 e 68: , , , , , , , , . 278 b 7, s. o. Anm. 153.

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  • schlfrig geworden. Und zuerst wre Aristophanes eingeschlafen, und als es schon Tag ge-worden, auch Agathon. Sokrates nun, nachdem er diese in den Schlaf gebracht, wre auf-gestanden und weggegangen, und er wie gewhnlich ihm gefolgt. So sei er ins Lykaiongegangen und habe sich nach dem Bade wie sonst den ganzen Tag dort aufgehalten und erstabends nach Hause zur Ruhe begeben.

    Dazu zunchst eine Beobachtung: Wie im Phaidros die Unterredner, abweichendvon der Gewohnheit der Mittagsruhe in denwarmen Lndern, im Schatten der vonden musischen Zikaden bewohnten Platane zu deren Freude wachbleiben undmiteinander ber rechtes Lieben und Reden sprechen, so werden im SymposionSokrates und nchst ihm Aristophanes, der wichtigste Dichter der Alten Komdie,und der Tragdiendichter Agathon, dessen erster Auftritt und Preis im tragischenAgon der Lenen des Jahres 416 den historischen Hintergrund des Symposion alsNachfeier seines Sieges bildet, dadurch als unermdliche Wahrheitssucherausgezeichnet, da sie die Nacht nach dem chaotischen Ende des Festes bis zumHahnenschrei mit Gesprchen durchwachen (whrend die frheren Teile desSymposion von langen Lobreden auf Eros geprgt waren). Der Hauptsache, die derschlfrige Zeuge Aristodemos in seinen wachen Momenten aufnimmt und daherberichten kann, da Sokrates die beiden Meister der traditionellen dramatischenGattungen zum Gestndnis zwingt, da ein und derselbe Mann Tragdien undKomdien kunstgem zu dichten verstehe, knnen die beiden Dichter vorMdigkeit schon kaummehr folgen, die dann auch, zuerst der Komiker, spter derTragiker, einschlummern. Damit wird einerseits gewi die berlegenheit desSokrates vor Augen gefhrt, der, allein briggeblieben, gefolgt von seinem an-hnglichen Schler Aristodemos, dem Gewhrsmann des ganzen Dialoges undseines Schlugesprches, den Tagwie gewohnt imGymnasiumverbringt, als htteer nicht eine Nacht durchwacht, anderseits wird die historische Unwahrschein-lichkeit eines solchen Zugestndnisses der beiden bedeutenden Vertreter desernsten und heiteren Dramas abgemildert und der ,Erfolg des DialogfhrersSokrates durch die verminderte Aufnahme- und Urteilsfhigkeit seiner Ge-sprchspartner vom Autor selbst mit leiser Ironie relativiert.

    Die Hauptsache der idealen Einheit von tragischem und komischemDichter, welche literaturgeschichtlich fr das attische Drama des 5. Jahrhundertsnicht wohl aber fr das frhe lateinische Drama eines Naevius oder Ennius

    223 c 2d 12. Athen. V 217 a und Plat. conv. 173 a. 223 d 26: , , , .

    IV Ernst und Spiel 75

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  • belegt ist, aber immerhin an der regulren Verbindung dreier Tragdien mit einemlustigen Satyrspiel einen Anknpfungspunkt finden knnte, hat,wenn man dieModi dieser Einheit: (eine Sache aus Wissen vermgen, sie zu tunverstehen, mit , Verstndnis, Wissen[schaft] verbunden) und (mit oder aus einer methodisch gelernten und angewandten Kunst) berck-sichtigt, nichts mit der lauten Mode einer Einebnung der sachlich begrndetenGattungsunterschiede zu tun. Vielmehr wird ber die gewhnliche und vonPlaton ob ihrer Unfhigkeit zur rationalen Rechenschaft kritisierte Dichtungs-praxis und ihre Gattungsunterschiede hinaus eine wissenschaftlich ausgewieseneLiteratur gefordert, welche schnen Ernst und heiteres Spiel verbindet. KonradGaiser hat am Symposion selbst, aber auch an anderen Orten gezeigt (etwa Phaedo59 a), da damit auf den eigenen literarischen Anspruch Platons und die Ver-bindung komisch-lcherlicher (bes. in der szenischen Einkleidung) und tragisch-ernster Zge in seinen Dialogen Bezuggenommen ist.Beziehtman nach unsererBetrachtung die Schriftkritik des Phaidros ein, nach der jedes Schriftwerk alssolches gegenber dem Ernst mndlicher Lehre zurckbleibt, und beachtet, dadort und anderswo der Gesprchsfhrer selbst den Dialog bescheiden als Spielapostrophiert das die Partner richtig als schnen Ernst begreifen undschlielich alles noch so ernste Menschenwerk als Spiel vor Gott erkannt wird,

    Vgl. Bernd Seidensticker, Das Satyrspiel, in: Das griechische Drama. Hg. v. Gustav AdolfSeeck, Darmstadt 1979, S. 204257 und dens. (Hg.), Satyrspiel (Wege der Forschung 579),Darmstadt 1989. Da ihre emotionalen Hauptwirkungen, Mitleid und Furcht, die sich bis zu kaltemphysisch fabaren Schauder oder trnenfeuchtem Jammer steigern knnen, und unwillkrli-ches, gelstes Lachen sehr verschiedenen und einander nachgerade ausschlieenden psy-chologischen Mechanismen folgen, hat Aristoteles klar gezeigt: Lachen ist fr die tragischeSpannung und Lust tdlich. Dazu nach seines Lehrers Wolfgang Schadewaldt Vorgang (Furchtund Mitleid? Zur Deutung des Aristotelischen Tragdiensatzes, Hermes 83, 1955, S. 129 171)Hellmut Flashar, Die medizinischen Grundlagen der Lehre von der Wirkung der Dichtung in dergriechischen Poetik, Hermes 84, 1956, S. 1248, wiederabgedruckt in: Ders., Eidola. AusgewhlteKleine Schriften. Hg., mit einem Nachwort und einer Bibliographie versehen v. Manfred Kraus,Amsterdam 1989, S. 109145 und, die geistige Dimension der Affekte bewahrend, der Verf.,Affekte in der Tragdie. Orestie, Oidipus Tyrannos und die Poetik des Aristoteles, Berlin 1994,S. 3539 und Anm. 116 auf S. 49. Allerdings findet sich bei Euripides, dem am strksten von deraufklrerischen Kritik an der berkommenen religisen und sittlichen Ordnung berhrten derdrei groen Tragden, manch wenig berzeugender, unernster Schlu ex machinawie im Orestesund der Sonderfall der an der Stelle eines Satyrspiels stehenden Alkestis. Gaiser 1984, S. 6265, dt. 2004, S. 2022.

    76 IV Ernst und Spiel

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  • dann erweist sich der Gegensatz von und selbst als aufgehoben inder hheren Einheit philosophischen Denkens, Schreibens und Lebens.

    Zum Schlu sei ein Hinweis auf Friedrich Schillers weiterfhrenden Ansatz eines vermit-telnden ,Spieltriebes zwischen ,sinnlichem Trieb und ,Formtrieb gestattet. In dem 1793 und1794 verfaten und 1795 erstmals in den Horen gedruckten Werk ber die sthetische Erziehungdes Menschen in einer Reihe von Briefen (urspr. an den Herzog Friedrich Christian von Holstein-Sonderburg-Augustenburg gerichtet, der ihm ein dreijhriges Stipendium vermittelt hatte), in: F.S., Smtliche Werke. Fnfter Band. Auf Grund der Originaldrucke hg.v. Gerhard Fricke u.Herbert G. Gpfert, Lizenzausgabe Darmstadt 91993 (Mnchen 1959) lesen wir im VierzehntenBrief, S. 612 f.: Der sinnliche Trieb will, da Vernderung sei, da die Zeit einen Inhalt habe; derFormtrieb will, da die Zeit aufgehoben, da keine Vernderung sei. Derjenige Trieb also, inwelchem beide verbunden wirken (), der Spieltrieb also wrde dahin gerichtet sein, die Zeit inder Zeit aufzuheben, Werden mit absolutem Sein, Vernderung mit Identitt zu vereinbaren.Der sinnliche Trieb will bestimmt werden, er will sein Objekt empfangen; der Formtrieb willselbst bestimmen, er will sein Objekt hervorbringen: der Spieltrieb wird also bestrebt sein, so zuempfangen, wie er selbst hervorgebracht htte, und so hervorzubringen, wie der Sinn zu emp-fangen trachtet.Und im Fnfzehnten, S. 617 f.: Nun spricht aber die Vernunft: das Schne soll nicht bloesLeben und nicht bloe Gestalt, sondern lebende Gestalt, das ist, Schnheit sein; indem sie jadem Menschen das doppelte Gesetz der absoluten Formalitt und der absoluten Realitt diktiert.Mithin tut sie auch den Ausspruch: der Mensch soll mit der Schnheit nur spielen, und er sollnur mit der Schnheit spielen.Denn, um es endlich auf einmal herauszusagen, der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeu-tung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.

    IV Ernst und Spiel 77

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